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SCHEMATA ZUM SCHULDRECHT AT Pieter Schleiter Wiss. Mitarbeiter Universität Bayreuth Stand: Januar 2008

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SCHEMATA

ZUM SCHULDRECHT AT

Pieter Schleiter

Wiss. Mitarbeiter Universität Bayreuth

Stand: Januar 2008

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Inhaltsverzeichnis

A. Kleine Klausurfibel ...............................................................................................................................................4

B. Grundlegende Strukturfragen zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht........................................................8

C. Normen der Primärebene .....................................................................................................................................9 1. § 275 ..........................................................................................................................................................9 2. § 326 I ......................................................................................................................................................10

D. Normen der Sekundärebene ...............................................................................................................................11 I. Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz........................................................................................................11

1. Wahl der Anspruchsgrundlage .................................................................................................................11 2. Zitation und Prüfungsaufbau....................................................................................................................12 3. § 280 I ......................................................................................................................................................13 4. §§ 280 I, II, 286........................................................................................................................................13 5. §§ 280 I, III, 281 ......................................................................................................................................14 6. §§ 280 I, III, 282 ......................................................................................................................................15 7. §§ 280 I, III, 283 ......................................................................................................................................15 8. § 311a II ...................................................................................................................................................16

II. Rücktrittsnormen ............................................................................................................................................17 1. Verhältnis Schadensersatz und Rücktritt..................................................................................................17 2. § 323 ........................................................................................................................................................18 3. § 324 ........................................................................................................................................................20 4. § 326 V.....................................................................................................................................................20

E. Besonderheiten der Prüfung beim Sachmängelgewährleistungsrecht des Kaufes......................................22 I. Nacherfüllungsanspruch gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 1, 439......................................................................22 II. Schadensersatzansprüche................................................................................................................................24

1. SE des Mangelfolgeschadens gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I....................................................24 2. SE wegen Verzuges der Nacherfüllung gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, II, 286........................25 3. SE wegen Schlechtleistung (i.w.S.) gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 ............................26 4. SE wegen nachträglicher Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 ....................26 5. SE wegen anfänglicher Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 311a II..................................27

III. Rücktritt und Minderung...............................................................................................................................27 1. Rücktritt wegen Schlechtleistung (i.w.S.) gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 323 ...................................27 2. Rücktritt wegen Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 326 V...............................................28 3. Minderung gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 441 ...................................................................................28

F. Prüfungsschema von Allgemeinen Geschäftsbedingungen ..............................................................................29

G. Abschließende Literaturhinweise ......................................................................................................................30

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Vorwort

Das vorliegende Skript soll eine schnelle Orientierung bei den Anspruchsgrundlagen und sonstigen Normen im

Schuldrecht AT ermöglichen. Dabei ist das Skript auf zwei Adressatenkreise zugeschnitten: Erstens für denjenigen,

der sich parallel zur Lektüre eines Buches schnell, effizient und klausurorientiert in die Materie einarbeiten möchte.

Er wird hier insbesondere den in Büchern oft zu vermissenden Prüfungsaufbau sowie eine sinnvolle

Schwerpunktsetzung finden. Das Lesen eines Lehrbuches kann dadurch jedoch nicht ersetzt werden und ist schon

allein zur Erarbeitung eines Grundverständnisses im Hinblick auf den stark komprimierten Stoff des Skripts sowie

zur Vertiefung unabdingbar. Zweitens ist das Skript für denjenigen geeignet, der innerhalb kürzester Zeit

insbesondere das Leistungsstörungsrecht klausurorientiert wiederholen will. Aufgenommen wurden hier nur die

wesentlichsten Vorschriften; dabei waren insbesondere die strukturelle Bedeutung und die Prüfungsrelevanz

entscheidend. Da „nichtpathologische“ Fälle keine Probleme bereiten und folglich uninteressant bzw. kaum

prüfungsrelevant sind, befinden sich fast alle behandelten Normen im Leistungsstörungsrecht.

Die Darstellungsdichte entspricht dem Ziel des Skripts: Es sollen die Basics vermittelt werden. Daher besteht auch

kein Anspruch auf Vollständigkeit. Das neue Schuldrecht ist immer noch stark im Fluss und der Diskussionsstand

zu den häufig neuen Problemen wächst stetig. Ziel des Skripts kann nicht die Darstellung sämtlicher Probleme sein.

Wo jedoch sinnvoll, werden kurz die wichtigsten Streitpunkte skizziert bzw. wird unter Angabe weiterführender

Literatur darauf hingewiesen. Zur besseren Übersicht und aus der Erfahrung heraus, dass Studenten idR ohnehin

nur die wichtigsten Nachweise vertiefen, habe ich überwiegend auf Belege verzichtet; ausgenommen sind

bedeutendere Probleme.

Die Darstellung gliedert sich wie folgt: Vorangestellt ist eine kleine Klausurfibel (A). Nach grundlegenden

einführenden Bemerkungen unter (B) werden im dritten Abschnitt (C) die beiden wichtigsten Normen der

Primärebene dargestellt (§§ 275, 326). Im vierten Anschnitt (D) folgen die zentralen Normen des

Leistungsstörungsrechts der Sekundärebene. Der fünfte Abschnitt (E) geht auf die Besonderheiten des

Sachmängelgewährleistungsrechts beim Kauf ein. Dem folgt ein Prüfungsschema zu den Vorschriften der

Allgemeinen Geschäftsbedingungen (F). Abschließend werden einige Literaturhinweise gegeben. Normen ohne

Gesetzesangabe sind solche des BGB.

Feedback und Anregungen sind willkommen. E-Mails können Sie richten an [email protected]. Nun

aber viel Spaß bei der hoffentlich erkenntnisreichen Lektüre!

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A. Kleine Klausurfibel

Im Folgenden werden einige Tipps zum Schreiben von Klausuren - insbesondere aus Korrektorensicht - dargestellt.

Die Tipps sind chronologisch aufgebaut, sodass Sie nach dieser Abfolge eine Klausur schreiben könnten. So gehen

Sie sinnvoll vor:

1. Bearbeitervermerk lesen

Lesen Sie den Bearbeitervermerk als erstes. Bei einem langen Sachverhalt können Sie schon die Probleme erahnen

und sparen sich Zeit und Gedanken für Dinge, die eventuell von der Prüfung ausgeschlossen sind. Spätestens im 2.

Examen kommen Sie ohne dieses Vorgehen nicht mehr zurecht.

2. Sachverhalt lesen

Die Geister streiten sich, wie oft man dies tun soll: Ein- oder zweimal? Die meisten tun es wohl doppelt, wobei sie

das erste Mal nur über den Sachverhalt „fliegen“. Dies ist sicher zwingend bei sehr langen Sachverhalten ab zwei

Seiten aufwärts bzw. bei richtigen Akten. Sonst genügt auch ein sehr aufmerksames einmaliges Lesen, wobei dann

natürlich schon Unterstreichungen und Randbemerkungen zu machen sind. Entscheidende Stellen muss man

ohnehin im Verlauf der Klausur noch einmal lesen und hat so die erforderlichen Orientierungspunkte. Für mich war

idR ein einmaliges Lesen optimal. Dies beruhte auch darauf, dass ich zwangsläufig wegen der ersten Berührung mit

dem Sachverhalt aufmerksamer war und die entstehenden Gedanken sogleich umsetzen wollte. Ein zweites Lesen

hätte keine neuen „Aha-Effekte“ ausgelöst und wäre somit für mich Zeitverschwendung gewesen.

Lesen Sie den Sachverhalt unter dem Gesichtspunkt des Bearbeitervermerks.

3. Bearbeitervermerk lesen

Tun Sie dies nun unter der Kenntnis des Sachverhalts ein zweites Mal. Mitunter ändert sich Ihr Blickwinkel.

4. Nun ist ein entscheidender Zeitpunkt für das Gelingen Ihrer Klausur. Lehnen Sie sich zurück und stellen

Sie sich folgende Fragen:

• Worum geht es überhaupt grob im Sachverhalt?

• Wer sind die Guten, wer die Bösen? - Das klingt erstaunlich profan, ist aber immens wichtig für Ihre

zu treffenden Wertungsentscheidungen.

• Wo liegen wahrscheinlich die Schwerpunkte und Hauptprobleme des Falles? (Seien Sie bereit, im

Laufe der Prüfung die hier vermuteten Schwerpunkte zu Gunsten anderer zu verwerfen! [Auch

deswegen heisst es „Prüfung“ und nicht „Krampfhafte Begründung eines mittlerweile zweifelhaften

Ergebnisses.“])

5. Lösungsskizze erstellen

Zeit: ca. 1/4 - 1/3 der Klausurzeit. Bei einer zweistündigen Klausur sollten Sie nach ca. ½ Stunde mit dem

Schreiben beginnen. Bei der fünfstündigen Examensklausur nach ca. zwei Stunden +/- ½ h. Nehmen Sie sich diese

Zeit! Sie brauchen dies, um sinnvoll die Klausur vorzubereiten. Auch hier gilt: Überzeugend am Text ist nicht

Masse, sondern Klasse.

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Visualisieren Sie: Erstellen Sie immer(!) eine Personenskizze, in der Sie die Rechtsbeziehungen eintragen können.

Sobald einige zeitliche Daten enthalten sind, fertigen Sie zusätzlich einen Zeitstrahl. Der klingt nach Arbeit, erspart

Ihnen aber während des Schreibprozesses jedes Mal das lästige Suchen im Text nach Daten und Sie können darüber

hinaus auch u.U. schwierige Zusammenhänge erkennen.

Versuchen Sie, Probleme zu erkennen, interpretieren Sie aber keine hinein! IdR hat zwar fast jeder

Sachverhaltshinweis eine gewisse Bedeutung. Dies muss aber nicht sein. Manchmal hat sich der Ersteller bei

Sachverhaltsnuancen gar nichts gedacht bzw. wollte nur, dass die Geschichte interessant klingt.

Skizzieren Sie die Probleme gleich geordnet nach Problemaufhängung, dazu vertretenen Meinungen und jeweils

zugehörigen Argumenten.

Besonders wichtig ist der Weg, wie Sie sich für eine Lösung entscheiden. Anfänger stürzen sich häufig auf die

anfangs am besten erscheinende Lösung und versuchen die Argumentation dann in die gewählte Richtung zu

pressen. Besser ist es, sich zunächst zu fragen, welche Lösungsmöglichkeiten überhaupt zu dem Problem in

Betracht kommen (Rundumblick). Danach kann man sondieren und nach Betrachtung der einzelnen Wege und

entsprechenden Elemente sich für einen entscheiden. Wenn Sie ein Eis in einem Straßencafé kaufen, schauen Sie

doch auch zuerst, welche Geschmacksrichtungen es gibt und lassen sich dann die gewünschten Kugeln geben.

Ergo: Sie müssen zunächst alle Möglichkeiten kennen, um sich für die beste zu entscheiden.

Wenn Sie fertig sind, gewichten Sie die Klausur und die Probleme! Das ist ein sehr wichtiger Schritt, weil Sie nun

die Schwerpunkte (hinsichtlich Art, Umfang, Tiefgang) Ihrer Darstellung abstecken und damit über die hohen

Punktzahlen entscheiden. Vorschlag: Jedes Problem mit einem P kennzeichnen, durchnummerieren und je nach

Gewicht mit 1 - 3 Sternchen versehen.

6. Kontrollfrage

Fragen Sie sich, wie ein unbefangener Mensch (zB Ihr nichtjuristischer Partner oder Ihre Oma) auf Ihre Lösung

reagieren würde - nickende Zustimmung - Schweigen - Empörung? Überlegen Sie sich wirklich klug, ob die

eingeschlagene Lösung wirklich begründbar/tragfähig ist. Falls nicht, ist jetzt der letztmögliche Zeitpunkt, das

Gutachten zu korrigieren.

7. Schreiben

Beginnen Sie nach 1/4 bis 1/3 der Zeit mit dem Schreiben. Folgende 7 Tipps sind essentiell. Wenn Sie diese

beherzigen, schreiben Sie nach einigem Training zweistellig:

(1) Schreiben Sie adressatengerecht!

Eine der Grundregeln der Kommunikation ist, dass Sie adressatengerecht erfolgen sollte; so auch Ihre Klausur.

Machen Sie sich die Situation Ihres Korrektors klar, welche leider idR nicht die ist, dass er sich morgens frisch auf

die zu korrigierenden Klausuren freut und gerade hinter Ihrer Klausur intellektuelle Brillanz vermutet, welcher er

sich mit Hingabe und Zeit widmet. Vielmehr wird die Situation häufig so aussehen: Die Korrektur stellt oft ein

Pflichtprogramm dar, das naturgemäß in vielerlei Hinsicht „stört“: Erstens bei den normalen (vermeintlich

anspruchsvolleren) Aufgaben des Berufes. Daher wird sie häufig auf weniger bedeutende Tage verlagert und

zeitmanagementgerecht möglichst im Block erledigt – d.h. zu einem guten Teil auch am Wochenende und in den

Abendstunden. Folge ist, dass die Korrektur zweitens häufig mit anderen Interessen kollidiert: Familie, Freund(in),

Freunde, Fußball, Hobbys etc.

Im Ergebnis ist der Korrektor versucht, möglichst viele Klausuren in kurzer Zeit zu schaffen. IdR kennen sich

Schreiber und Korrektor auch nicht, sodass eine Rückkopplung im Hinblick auf eine Qualitätsverbesserung der

Korrektur fehlt. Aus alledem ergibt sich Folgendes:

• Anfang und Ende der Klausur müssen sitzen (erster und letzter Eindruck bei wenig Zeit).

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• Schonen sie Zeit und Nerven des Korrektors: Gut lesbare Schrift! Auf keinen Fall meinen, viele Seiten

schreiben zu müssen! Überflüssiges weg, Unproblematisches knapp, Probleme vertieft mit guter, nun auch

längerer und nicht stereotyper Argumentation.

• Machen Sie sich klar: Sie haben nur wenig Zeit und Raum zu überzeugen. Diese/r wird Ihnen aber auch

gewährt werden. Aus eigener Erfahrung und aus dem Gespräch mit Kollegen wird immer wieder deutlich:

Die Korrektoren sind wirklich gewillt, gute Punktzahlen zu geben, wenn die Leistung anspricht. Nach 10

Nieten ist man tatsächlich begeistert über einen außergewöhnlichen Gedanken und freut sich über eine

runde, zu Ende gebrachte und gelungene Lösung.

(2) Form

Aus Sicht eines genervten Korrektors: sauberes Schriftbild, mit blauem Füller schreiben (Die Wirkung ist

erstaunlich wohltuend, wenn dazu noch liniertes, am besten aber blankes Papier verwendet wird, auf keinen Fall

kariert!), Seitenzahlen, keine Durchstreichungen - besser killern, perfekte Rechtschreibung und Grammatik sind ein

Muss! Schreiben Sie kurze, sachliche, aussagekräftige Sätze. Lesetipp zum Stil: Ludwig Reiners „Stilfibel“ im dtv.

(3) Aufbau

Überlegen Sie sich einen sauberen, schlüssigen Aufbau: Im Zivilrecht ordnen Sie zuerst nach Personenbeziehungen,

dann das übliche Schema der Anspruchsprüfung durchgehen. Das klingt banal, wird aber häufig nicht getan.

Sinnvoll ist, bei jeder Anspruchsgruppe kurz gedanklich zu verweilen und sich ein paar typische Konstellationen

vorzustellen, um so möglichst ein dichtes Netz an eventuell zum Klausurfall vergleichbaren Konstellationen zu

schaffen. So erhöht man die Wahrscheinlichkeit, irgendwo in seinem Hirn auf brauchbare Assoziationen zu stoßen

und erhöht damit auch die Trefferquote für die entscheidenden Anspruchsgrundlagen.

Im Strafrecht gliedern Sie nach Tatkomplexen - anknüpfend an zentrale Handlungen. Zwingen Sie sich so zum

sauberen Arbeiten und Abschichten. Notieren Sie die Ihnen einfallenden Delikte. Zum Schluss sollten Sie bzgl.

jeder Handlung nochmals das Inhaltsverzeichnis des StGB/sonstigen Strafrechts durchgehen - erstaunliche

Übersehensquote! Bei der Deliktsreihenfolge gilt: Dickschiffe zuerst! Tötungsdelikte immer vor Körperverletzung,

auch wenn nur im Versuch steckengeblieben! Stellen Sie sich den Problemen! Ebenso: § 249 beinhaltet § 242 und

§ 240 StGB. Also prüfen Sie § 249 als Erstes und haben somit die beiden anderen Normen gleich mit erfasst. Das

ist professionell.

(4) Grobe Fehler vermeiden

Leisten Sie sich niemals Strukturfehler oder grobe Verständnisfehler. Diese wiegen schwer. Bsp.:

Trennungsprinzip, Aufbaufehler bei zwingenden Strukturfragen (z.B. Vollendung vor Versuch, Schuld nach

Rechtswidrigkeit etc.)

(5) Gewichtung

Sehr wichtig. Arbeiten Sie professionell. Machen Sie kaum bis keine Ausführungen an unproblematischen Stellen

und sparen Sie somit Zeit für die echten Probleme, bei denen Sie nun in die Tiefe gehen können. Nichts ist

nervender als eine monotone Prüfung ohne Höhen und Tiefen. Es ist auch ein weit verbreiteter Irrglaube, man

müsse immer Gutachtentechnik anwenden. Sie sollten zwar nicht in den Urteilstil wechseln, da dieser - richtig

ausgeführt - kaum Zeit spart. Jedoch sind schlichte Feststellungen bei völlig klaren Tatbestandsmerkmalen absolut

zulässig. (Beispiel: „Das Auto des X ist für den Z eine fremde bewegliche Sache.“) Sparen Sie sich auch sinnlos

episch breite Ausführungen zu Punkten, bei denen keine Probleme bestehen. Es ist toll, einen Streit zu kennen.

Wenn man ihn aber an der falschen Stelle bringt, ist es genauso falsch und macht den Korrektor aggressiv.

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(6) Argumentation

Mit dem Argumentieren folgt nun die Kür. Hier können Sie zeigen, was in Ihnen steckt und sich von der grauen

Masse abheben. Eine Klausur kann alle Probleme gesehen haben und zu den richtigen Ergebnissen gelangen. Ohne

eine überzeugende Argumentation wird sie selten über 9 Punkte kommen. Für viele Korrektoren - insbesondere

Professoren im 1. Staatsexamen - ist eine geistreiche Argumentation wichtiger als der Lösungsweg der

Lösungsskizze. Seien Sie also kreativ und beweisen Sie Tiefgang, der durchaus einige Zeilen/uU Seiten annehmen

soll. Sehr gut punkten kann man auch mit einer vergleichenden Einbeziehung anderer Institute uU auch aus

anderen Rechtsgebieten (z.B. EU-richtlinienkonforme Auslegung von Verbraucherschutznormen im Zivilrecht,

Argumentation mit Verfassungsprinzipien im Strafrecht) oder sogar anderen Rechtsordnungen

(Rechtsvergleichung).

(7) Werden Sie fertig!

Sie können noch so gute Gedanken haben. Ohne sie hinzuschreiben, wird der Korrektor sie nicht honorieren.

Bemühen Sie sich daher von Anfang an um ein gutes Zeitmanagement und sinnvolle Schwerpunktsetzung sowie

um eine homogen tiefgründig geschriebene Klausur. Versuchen Sie auch noch am Ende einen guten Eindruck zu

hinterlassen. Falls extreme Zeitnot besteht, verweisen Sie nicht auf Ihre Lösungsskizze, sondern skizzieren Sie in

Stichworten wenigstens knapp die restlichen Ergebnisse und möglichst auch ein paar Argumente im Reintext. Das

ist allemal besser, als nichts stehen zu haben und erlaubt dem Korrektor bei sonst ordentlicher Klausur auch noch

etwas höhere Punkte zu geben.

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B. Grundlegende Strukturfragen zum allgemeinen Leistungsstörungsrecht

Nachfolgend wenige, aber wichtige Strukturfragen. Im Leistungsstörungsrecht sind zunächst zwei Fragen relevant:

1. Welche Art von Leistungsstörung liegt vor?

2. Welche Rechtsfolge (RF) knüpft daran an?

Beim Auffinden der entscheidenden Normen müssen Sie immer diese genannten Fragestellungen abgleichen. Es

gibt mehrere Methoden, die richtige AGL/Norm zu finden. Grds. sollte man von der Rechtsfolge her mit der Suche

beginnen. Das neue Leistungsstörungsrecht ist auch (im Gegensatz zum alten) rechtsfolgenorientiert aufgebaut und

käme diesem Grundsatz entgegen. Dennoch scheint es mir einfacher und schneller zielführend, wenn man folgende

beiden „Fragen“ stellt:

1. Welche Art der Leistungsstörung liegt vor?

Neben den weniger relevanten Leistungsstörungen wie zB Gläubigerverzug, Störung der Geschäftsgrundlage

(SGG) etc. kommen als wichtigste Arten der Leistungsstörungen in Betracht:

- Unmöglichkeit

- Verzug

- Schlechtleistung (i.w.S.) in den Formen von

+ Leistungsverzögerung

+ Teilleistung (= quantitative Schlechtleistung); (Hinweis: Die Teilleistung stellt streng genommen eine

teilweise Leistungsverzögerung dar!)

+ qualitative Schlechtleistung (= Schlechtleistung i.e.S.)

sowie die

- Schutzpflichtverletzung

(als einzige nichtleistungsbezogene Pflichtverletzung)

Die vorgenannten Pflichtverletzungen lassen sich auch anders klassifizieren. Die hier vorgenommene Einteilung

orientiert sich bereits an den entscheidenden Normen für Schadensersatz und Rücktritt. Nach dieser Feststellung

liegt nun bereits ein eingeschränkter Normenkreis vor, nämlich derjenigen Normen, die an diese

Leistungsstörungen anknüpfen.

2. Nun kann man prüfen, welche Rechtsfolgen diese Normen anbieten und interessengerecht die passenden

Normen herausgreifen.

Hilfreich ist hier z.B. die Gegenüberstellung in der Tabelle „Pflichtverletzungen und korrespondierende wichtigste

Rechtsfolgen“ (zum Download unter

http://www.old.uni-bayreuth.de/departments/rw/lehrstuehle/zr6/site_d/nav_d/fd_lehr.html ).

Letztlich können sich die so gefundenen Leistungsstörungen auf 4 Bereiche auswirken, die man - plastisch

gesprochen - als eine Art Checkliste nach Auffinden der entscheidenden Normen durchgehen kann:

(1) Untergang des Leistungsanspruchs nach § 275? (Primärebene)

(2) Untergang des Gegenleistungsanspruchs nach § 326 I? (Primärebene)

(3) Möglichkeiten für Schadensersatz nach §§ 280 ff.? (Sekundärebene)

(4) Möglichkeiten für Rücktritt nach §§ 323 ff.? (Sekundärebene)

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C. Normen der Primärebene

1. § 275 § 275 gilt für alle Arten der Unmöglichkeit, ohne Unterscheidung nach den Kriterien

- anfänglich/nachträglich

- objektiv/subjektiv

- Vertretenmüssen/kein Vertretenmüssen

§ 275 I (echte Unmöglichkeit)

- tatsächliche Unmöglichkeit (Bsp. Vase als Unikat geht zu Bruch)

- rechtliche Unmöglichkeit (Bsp. Versuch der Übertragung eines Nießbrauchs, § 1059)

- kann auf Ebene Anspruchsentstehung (Rhindernde Einwendung) oder Anspruchserlöschen (=Rvernichtende

Einwendung) zu prüfen sein

§ 275 II (praktische [auch: „faktische“] Unmöglichkeit)

- § 275 II ist wie auch § 275 III nach hA ein neues Institut des neuen SchuldR: Rhindernde/Rvernichtende

Einrede (vgl. Palandt/Heinrichs § 275 RN 26).

- (+), wenn Leistungsaufwand des S in grobem Missverhältnis zum Leistungsinteresse des G

- Bsp: Ring auf Meeresgrund, gesunkenes Schiff

- zu berücksichtigen sind ua das Schuldverhältnis, Vertretenmüssen des S, § 242

- abzugrenzen von sog. „Äquivalenzstörung“: diese nach Gesetzgeber Fallgruppe der SGG (§ 313), hierunter

traditionell auch sog. „wirtschaftliche Unmöglichkeit“ zu fassen => bei der Äquivalenzstörung d. § 313 in

Abgrenzung zu 275 II ist abzustellen auf Relation Leistung/Gegenleistung

- setzt tatsächliche Verweigerung des S voraus (Einrede)

- kann ebenfalls auf Ebene Anspruchsentstehung (Rhindernde Einwendung) oder Anspruchserlöschen

Rvernichtende Einwendung) zu prüfen sein

§ 275 III (persönliche [auch: „moralische“] Unmöglichkeit = Unzumutbarkeit)

- Struktur wie 275 III (s.o.)

- Bsp: Krankes Kind der Opernsängerin hindert deren Auftritt; Briefträger verweigert Zustellung rechtsradikaler

Briefe aus Gewissensgründen.

Prüfungsbeispiele:

(1) Kauf eines Unfallwagens, der bei Vertragsschluss vom V als gebraucht und unfallfrei deklariert wurde:

- Anspruchsentstehung (-), da von Anfang an unmögliche Leistung (Dieser Wagen kann nicht unfallfrei geliefert

werden.) (= anfängliche Unmöglichkeit)

(2) Nachträglicher Totalschaden des PKW

- AEntstehung (+)

- Untergang (+), da nachträgliche Unmöglichkeit

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(3) Madonna befindet sich auf Welttournee. Ihr Sohn Rocco erkrankt schwer. Ihr Ehemann Guy Ritchie will in

Aussicht auf den nächsten Ferrari die Tournee nicht gefährden und pflegt Rocco, ohne Madonna zu informieren.

Nun vereinbart Madonna einen Zusatzauftritt in Berlin mit dem Veranstalter X. Danach erfährt sie von der

Krankheit und sagt diesen Auftritt sofort ab, um sich um Ihr Kind zu kümmern:

- Anspruchsentstehung auf Durchführung der Veranstaltung X gegenüber Madonna mit VSchluss zunächst (+)

- mit Geltendmachung des § 275 III jedoch Rückwirkung ex tunc auf Zeitpunkt des Vorliegens der

Voraussetzungen => hier schon vor Vereinbarung des Zusatztermins Krankheit des Kindes, der Zeitpunkt der

Kenntniserlangung ist irrelevant (wohl unstr.); Folge: Trotz nachträglicher Ausübung der Einrede liegt

anfängliche persönliche Unmöglichkeit vor! (Prüfung streng genommen unter dem Prüfungspunkt

„Anspruchsentstehung“; Hier dürfte jedoch auch vertretbar sein, dies unter „Anspruchserlöschen“ zu prüfen.)

2. § 326 I § 326 I ist Ausdruck der synallagmatischen Verknüpfung von Leistung und Gegenleistung und daher nur im

gegenseitigen V anwendbar und innerhalb dessen auch nur auf die Pflichten, welche im Gegenseitigkeitsverhältnis

stehen.

Tatbestandsvoraussetzungen (TBV) § 326 I:

- Anspruchshinderung oder Anspruchserlöschen gem. § 275 I -III (Prüfungsebene: da Gegenstück zu § 275: auf

gleicher Ebene prüfen, auf der § 275 anzunehmen ist (Anspruchsentstehung oder Anspruchserlöschen))

- Unanwendbarkeit gem. § 326 I 2 iFd bei sog. irreparablen Schlechtleistungen; Grund: § 326 I 1 käme in diesem

Fall einer Minderung kraft Gesetzes im allgemeinen Schuldrecht gleich, was durch § 326 I 2 verhindert wird.

Minderung nach gesetzgeberischer Konstruktion nämlich zum einen nur bei bestimmten Vertragstypen

vorgesehen, zum anderen idR als Gestaltungsrecht konzipiert. Dem Gläubiger soll in diesem Fall im allg.

SchuldR der Rücktritt verbleiben (§ 326 V) und nur ggf. wahlweise ein Minderungsrecht aus besonderem

Leistungsstörungsrecht zustehen (z.B. §§ 441, 638; vgl. auch BTDS 14/6040, S. 189; HK-BGB/Schulze, § 326

Rn. 6).

Rechtsfolge (RF)

Anspruchshinderung (anfängliche) oder Anspruchserlöschen (nachträgliche Unmöglk.)

Ausschluss des § 326 I durch sog. „Anspruchserhaltungsnormen“ insbes.:

- 326 II 1 Var. 1: alleinige o. weit überwiegende Verantwortlichkeit G (mind. ca. 80-90 %)

- 326 II 1 Var. 2: Annahmeverzug u. fehlendes Vertretenmüssen S (§ 300 I!); ! Abgrenzung zu § 615 (s. folgend)

- § 615 S 1, 2 (! lex specialis zu § 326 II 1 Var. 2, hA)

- § 616

- §§ 446, 447

- §§ 644, 645

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D. Normen der Sekundärebene

I. Anspruchsgrundlagen für Schadensersatz 1. Wahl der Anspruchsgrundlage IdR ist schnell ersichtlich, dass SE begehrt wird - problematisch aber häufig, aus welcher Anspruchsgrundlage?

Hierbei trifft das Gesetz eine grundlegende Unterscheidung zwischen:

a) einfachem Schadensersatz (auch etwas irreführend: „Schadensersatz neben der Leistung“) aus den AGL:

- § 280 I

- §§ 280 I, II, 286 und

b) Schadensersatz statt der Leistung aus den AGL:

- §§ 280 I, III, 281

- §§ 280 I, III, 282

- §§ 280 I, III, 283

- § 311a II

Die Abgrenzung zwischen beiden SE-Arten ist strittig und wird überwiegend über folgende Unterscheidung

vorgenommen:

Einfacher Schadensersatz wird gewährt bei Verletzung des sog. Integritätsinteresses. Das sind Verletzungen der

Sphäre des G an eigenen Rechtsgütern außerhalb des Leistungsgegenstandes.

Bsp.: Die Maler beschmutzen beim Besteller den Teppich. Oder: Wegen defekter Bremsleitung des Autos

erleidet der Käufer einen Unfall, indem er verletzt wird und sein Notebook Schaden nimmt - nicht

hierunter fällt jedoch die Reparatur der defekten Bremsleitung, da diese Leistungsgegenstand ist. (Hinweis:

Atypisch fällt aber die Reparatur des nun beschädigten Autos sowohl unter § 280 I als auch unter § 823 I

(vgl. die Grundsätze des sog. „Weiterfresserschadens“).

Der Verzugsschaden ist seiner nach Natur ebenfalls einfacher SE (= neben der Leistung). Die zusätzlichen

Voraussetzungen in §§ 280 II, 286 beruhen auf der deutschen Rechtstradition, Verzögerungsschäden nur im Falle

des Verzuges im technischen Sinne (erfolglose Mahnung/deren Entbehrlichkeit) zu erstatten.

Schadensersatz statt der Leistung ist der Schadensersatz, der an die Stelle des Leistungsanspruchs tritt - er

surrogiert die Leistung in Form von Geld und befriedigt somit das sog. Äquivalenzinteresse. Daraus wird deutlich,

dass er seinem Umfang nach strukturell nur die ausgefallene bzw. abgelehnte Leistung ersetzen darf. Grund der

Differenzierung zwischen einfachem SE und SE statt der Leistung ist eine Interessenabwägung zwischen Schuldner

und Gläubiger. Der Gläubiger kann ein Interesse daran haben, die Leistung abzulehnen (falls diese nicht ohnehin

schon unmöglich ist) und stattdessen (vollumfänglich) Geldersatz zu erhalten. Dieser Teilbereich des SE ist jedoch

für den Schuldner einschneidender, da er womöglich bereits (nun hinfällige) Anstrengungen zur Leistung

unternommen hat und er auch einen eventuellen Gewinn verlieren würde. Insofern stellt das Gesetz zusätzliche

Anforderungen an diese Art des SE (vgl. § 280 III).

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Bsp.: Hatte der gebrauchte PKW einen Marktwert von 3000 €, so entspricht dieser Wert rechnerisch der

SE-Leistung für den Fall, dass der PKW in zu vertretender Weise nicht geliefert werden kann, auch wenn

der K nur 2000 € dafür gezahlt hat. Jedoch werden - wohl der Einfachheit halber - vereinzelt auch Schäden

des Integritätsinteresses als Annex unter die Hauptschäden bei Störungen des Leistungsinteresses gefasst.

So zB Gutachterkosten, die zur Feststellung der Fehlerhaftigkeit der Kaufsache erforderlich sind oder der

entgangene Gewinn, Bsp.: zu vertretender Ausfall und verzögerte Reparatur einer Bierzapfanlage zum

Catering bei einer Fussball-WM-public-viewing-Veranstaltung.

Fragen Sie sich also als erstes, welcher Schaden ersetzt werden soll und ob es sich hierbei um einfachen SE oder SE

statt der Leistung handelt. Danach bestimmt sich die AGL. Hinweis: Wenn Sie SE statt der Leistung wählen,

müssen sie sich bewusst sein, dass mit Ausübung des SE-Begehrens der Leistungsanspruch in diesem Umfang

ausgeschlossen ist (vgl. § 281 IV, der auf § 282 analog anwendbar ist). Denn dies ist gerade die Struktur/der Sinn

des SE statt der Leistung.

2. Zitation und Prüfungsaufbau Die Zitation hängt im Wesentlichen von der Frage ab, wie das Verhältnis der einzelnen AGL verstanden wird.

Einigkeit besteht darin, dass § 280 I der einheitliche Grundtatbestand des SE ist. Strittig ist, ob die folgenden

Normen (§§ 281, 282 etc.) eigenständig oder nicht eigenständig sind. Danach richtet sich die Zitation. Überwiegend

wird vertreten, es handele sich um uneigenständige AGL, die folglich zusammen mit § 280 I zu zitieren seien.

Beim Aufbau bestehen zwei vertretbare Varianten, wobei die zweite Variante häufiger benutzt wird. Diese

verursacht zwar manchmal ein etwas ungenaues Arbeiten bei der Prüfung des Schadensersatzes, jedoch bietet sie

insgesamt deutlichere Vorteile: Ökonomie, keine gekünstelte Prüfung der Pflichtverletzung losgelöst von der

konkreten Form sowie den Zwang, sich sogleich zu Beginn der Prüfung für die relevante AGL entscheiden zu

müssen. Daher wird bei den folgenden Darstellungen die zweite Variante verwandt.

(1) Variante, die sich am Gesetzeswortlaut und der “prima-facie“-Systematik orientiert:

a) Schuldverhältnis

b) Pflichtverletzung (PV) als allgemeines Kriterium, Definition: „Zurückbleiben hinter dem vertraglich

geschuldeten Pflichtenprogramm“

c) Vertretenmüssen, § 276

d) Rechtsfolge immer zunächst: einfacher SE (§ 280 I);

Für den Fall der Geltendmachung von Verzugsschaden (§ 280 II) oder SE statt der Leistung (§ 280 III)

müssen noch die dort aufgestellten zusätzlichen Voraussetzungen nun hier in der RF geprüft werden. Nach

dieser Var. kann also zunächst allgemein § 280 I geprüft werden und eine Differenzierung/Prüfung der

konkreten SE-AGL erfolgt erst unter dem Prüfungspunkt „Rechtsfolge“.

(2) Variante, die ökonomischer arbeitet:

Diese Variante zwingt - anders als Var. 1 - schon zu einer Entscheidung für die richtige konkrete SE-AGL zu

Beginn der Prüfung (Bsp.: „A könnte von B SE statt der Leistung aus § 280 I, III, 281 verlangen“):

a) Schuldverhältnis

b) „Pflichtverletzung in Form von…“ [hier nun ganz konkret die jeweilige Pflichtverletzung, anknüpfend an die

bereits gewählte AGL]

c) Vertretenmüssen, § 276

d) Rechtsfolge: einfacher SE oder Verzugsschaden oder SE statt der Leistung, je nach geprüfter AGL

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3. § 280 I Bei § 280 I handelt es sich um die zentrale AGL des neuen allgemeinen Schuldrechts. Unter das TBM d.

Pflichtverletzung fallen hier sämtliche Pflichtverletzungen. § 280 I ist neben ggf. spezielleren AGL immer mit zu

zitieren, da er die allgemeine Norm ist, die zudem das Vertretenserfordernis beinhaltet, § 280 I 2.

Als spezielle Normen für den SE statt der Leistung (Leistungssurrogat) existieren die §§ 280 III, 281-283; 311a II

sowie für den Verzögerungsschaden §§ 280 II, 286. Visualisiert iSd Mengenlehre stellen diese Normen Teilmengen

des § 280 I dar (str. für § 311a II). Insofern verbleiben für den Anwendungsbereich des § 280 I als lex generalis

lediglich Integritätsschäden.

Bsp: Käufer erleidet Stromschlag an fehlerhaft isoliertem Verlängerungskabel; Tod von Bello, weil

Chappi vergiftet war; Maler weißen neben den Wänden auch die Möbel; „Weiterfresserschäden“

Prüfung:

1. Schuldverhältnis

2. Pflichtverletzung

jegliche Art von Pflichtverletzung (sowohl leistungsbezogene PVen, als auch Schutzpflichtverletzungen

[§ 241 II])

3. Vertretenmüssen

Vermutung gem. § 280 I 2

=> RF: einfacher SE iFd Ersatzes des Integritätsinteresses

4. §§ 280 I, II, 286 1. Fälliger und durchsetzbarer Anspruch

- Fälligkeit (§ 271)

- Durchsetzbarkeit: keine rechtshemmenden Einreden, hierbei abgestuftes System:

• § 320: muss wegen des Synallagmas nicht erhoben werden, wirkt ab Entstehung

• sonstige neben §§ 320, 273 bestehende ER: Erhebung irgendwann notwendig (Prozess genügt);

Wirkung ex tunc

• § 273: Erhebung irgendwann notwendig (Prozess genügt), Wirkung ex nunc (Grund § 273 III u.

Herstellung der Verknüpfung Leistung/Gegenleistung

2. Mahnung / Entbehrlichkeit

Mahnung

• Def.: „Mahnung ist die an den Schuldner gerichtete Aufforderung des Gläubigers, die geschuldete

Leistung zu erbringen.“

• geschäftsähnliche Handlung; entsprechende Anwendung der Vorschriften über die

Willenserklärung

Entbehrlichkeit gem. § 286 II, III

3. Nichtleistung auf die Mahnung

- Leistung muss unverzüglich erfolgen.

- P: Entscheidend ist Leistungshandlung (hM), nicht Leistungserfolg (aA); Bsp: Vornahme der Online-

Überweisung = Leistungshandlung; Saldogutschrift auf dem Konto des Gläubigers = Leistungserfolg (zum

Problem der Einordnung der Überweisung als Erfüllung oder Leistung an Erfüllungs statt siehe

Palandt/Heinrichs § 362 Rn. 9 m.w.N.)

4. Vertretenmüssen, §§ 280 I, 286 IV

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V wird vermutet (Wortlaut des § 286 IV)

=> RF: einfacher SE in Form des Verzögerungsschadens

5. §§ 280 I, III, 281 1. Fälliger u. durchsetzbarer Anspruch

- P1: Anwendbarkeit von § 281 auf Rückgewähransprüche

Kann zu „Zwangskauf“ von Sachen führen, da Rückgewähr abgelehnt werden könnte (§ 281 IV) gegen

Liquidierung des kompletten Substanzwertes. S hätte Anspruch auf Übereignung gem. § 255 analog.

Zahlreiche Lösungsansätze, sehr umstr. und noch unklare Rechtslage; wichtigste diskutierte Ansätze, die

mitunter kumulativ angewendet werden sollten: (1) keine tel. Reduktion/Korrektur des § 281; (2)

Abwicklung über sog. „kapitalisierten Restnutzungswert“; (3) § 311b I analog; (4) § 571 I 2;

(5) Informationsobliegenheit des Gläubigers aus § 242; zum ersten Überblick Ernst, in MüKo § 281 RN 116

f.

- P2: Ernsthafte und endgültige Leistungsverweigerung vor Fälligkeit

Lösung: Anwendung § 323 IV analog (Palandt/Heinrichs § 281 RN 8a mwN)

2. Pflichtverletzung

jegliche hauptleistungsbezogene PV außer Unmöglichkeit (=> § 283), nämlich:

- Leistungsverzögerung

- Teilleistung (= quantitative Schlechtleistung)

- Schlechtleistung (i.e.S.) (= qualitative Schlechtleistung)

3. Erfolglose (Nach)Fristsetzung bzw. Entbehrlichkeit (§ 281 I, II) / Abmahnung

- Angemessenheit der Fristlänge: zu bestimmen nach Vertragsinhalt und Aufwand der Leistung sowie § 242;

Im Durchschnitt werden 1 bis jedenfalls 2 Wochen angemessen sein.

- P1: unangemessen kurze Frist: hA: löst angemessene Frist aus

- P2: G hat unangemessen kurze Frist gesetzt, die angemessene Frist ausgelöst hat (s.o.), setzt nun aber

sicherheitshalber erneut angemessene Frist. Ab wann liegt nun Fristablauf vor? Mit Ablauf der unwillkürlich

ausgelösten angemessen Frist oder mit Ablauf der vom G erneut gesetzten nun noch späteren (ebenfalls

angemessenen) Frist? Lösung: G wird sich an das Setzen der 2. Frist festhalten lassen müssen und kann

damit nicht nach Ablauf der ersten (unwillkürlich ausgelösten) Frist SE nach § 281 begehren. Problematisch,

aus welcher Konstruktion dieses Ergebnis folgt. Stundung wäre wohl abzulehnen, da sonst für die relevante

Zeit der Verzugsschaden entfiele (§ 286); interessengerechter damit eher über § 242: G muss sich daran

festhalten lassen - Gedanke venire contra factum proprium.

Entbehrlichkeit gem. § 281 II

- Nr. 1: ernsthafte u endgültige Leistungsverweigerung

- Nr. 2: besondere Umstände

• von Gesetzgeber als Auffangnorm für besonders krasse Fälle eingefügt

• Im Umkehrschluss zu § 323 II Nr. 2 fällt das dort erfasste relative Fixgeschäft nicht unter Nr. 2.

• Jedoch können sog. „Just-in-time-Verträge“ hierunter fallen.

• Absolute Fixgeschäfte fallen wegen der Anwendung von § 275 ohnehin unmittelbar unter § 283.

Abmahnung (§ 281 III) für Fälle, in denen Fristsetzung untauglich ist,

Bsp.: Verstoß gegen Unterlassungsansprüche

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4. Vertretenmüssen

Vermutung gem. § 280 I 2

P: Anknüpfungspunkt für Vertretenmüssen:

• 1A: erste Pflichtverletzung

• 2A: Nichtleistung auf die Fristsetzung (zweite Pflichtverletzung)

• hA: alternativ! kann auf beide abgestellt werden; interessengerecht, da genügen muss, dass eine zu

vertretende PV kausal für Nichtleitung ist.

=> RF: Nebeneinander von Erfüllungsberechtigung und Möglichkeit, SE statt der Leistung zu verlangen iS sog.

„elektiver Konkurrenz“ (hA; keine Wahlschuld)

P: Benachteiligung des S in sog. „Schwebezustand“:

muss Erfüllung bereithalten oder dennoch ev. Schadensersatz statt Leistung erbringen. Möglickeiten: (1)

Abhilfe über Leistung, sofern Gläubiger die Leistung annimmt; (2) Setzen in GVerzug (§ 293 ff.); (3) str., im

Vordringen befindliche Auff.: § 264 II analog: Fristbestimmung an den Gläubiger zur Wahlvornahme

(einführend zum Problem Ernst, in MüKo § 281 RN 68 ff.)

Sofern SE statt der Leistung:

- SE statt der Leistung („soweit“) = „kleiner SE“ => kann immer gefordert werden

- SE statt der ganzen Leistung = „großer SE“ => nur, wenn bei:

• Teilleistung: kein Interesse (§ 281 I 2)

• Schlechtleistung: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 281 I 2; Aus der

Formulierung „nicht“ folgt Vermutung für Erheblichkeit!)

Alternativ kann auch gem. § 284 Aufwendungsersatz begehrt werden.

6. §§ 280 I, III, 282 1. Schuldverhältnis

2. Pflichtverletzung iFv Schutzpflichtverletzung, § 241 II

3. Vertretenmüssen

4. Unzumutbarkeit der Leistungserbringung für den G durch den S

P: Unzumutbarkeit: umfassende Interessenabwägung

Kriterien: Vertragsinhalt, beim G entstandene Schäden, Häufigkeit u Schwere der Pflichtverletzungen,

Grad des Verschuldens (daher sinnvoll nach Vertretenmüssen prüfen), Prognose weiterer PV, Bedeutung

des Verlustes des Gegenleistungsleistungsanspruchs (letztlich wie immer § 242); Zum Interessenschutz

und zur besseren Objektivierbarkeit hat sich das Kriterium der Abmahnung durchgesetzt. Eine solche ist

grds. neben o.g. Kriterien erforderlich. Mitunter müssen bei kleineren PV mehrere bzw. bei starken gar

keine Abmahnungen ausgesprochen worden sein (Wertungsfrage).

=> RF: SE statt der Leistung

Alternativ kann auch gem. § 284 Aufwendungsersatz begehrt werden.

7. §§ 280 I, III, 283 1. Schuldverhältnis

2. PV iFv nachträglicher (Abgrenzung zu § 311a II) Unmöglichkeit gem. § 275 I-III

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P: str., worin die PV zu sehen sein soll

- 1A stellt auf die die Unmöglichkeit auslösende Handlung ab (angelehnt an Theorie vom Handlungsunrecht).

- Die weitaus hM sieht die PV schlicht in der Unmöglichkeit (entspricht Theorie vom Erfolgsunrecht) mit der

überzeugenderen Begründung: Würde man der 1A folgen, so liefe die Vermutung des § 280 I 2, die dem G

Beweiserleichterung gewähren will, leer. Denn dieser wäre bereits vor das P gestellt, überhaupt erst einmal

das Vorliegen einer Pflichtverletzung beweisen zu müssen, bzgl. deren Vorliegen er ebenso wenig wie in das

Vertretenmüssen Einblick hat.

3. Vertretenmüssen

Vermutung gem. § 280 I 2

=> RF: SE statt der Leistung

(s.o. bei § 281, S. 15), Anwendbarkeit der Grundsätze bzgl. SE statt ganzer Leistung folgen aus § 283 S. 2

Alternativ kann auch gem. § 284 Aufwendungsersatz begehrt werden.

8. § 311a II § 311a II ist aus der Systematik der §§ 280 ff. ausgegliedert. Dies beruht auf der nicht zwingenden Vorstellung des

Gesetzgebers, die anfängliche Unmöglichkeit stelle mangels Leistungspflicht (§ 275) keine Pflichtverletzung im

herkömmlichen Sinne dar.

1. Vertrag

! Bei § 311a II ist ein wirksamer Vertrag TBVoraussetzung. Dies ergibt sich neben dem Wortlaut auch

aus der Systematik (Abschnitt 3: Schuldverhältnisse aus Verträgen). Anwendbar ist § 311a II (analog) aber

seinem Telos nach auch auf Schuldverhältnisse, die durch einseitiges Rechtsgeschäft begründet werden,

(Auslobung, § 657), (str., vgl. zB Looschelders, 4. Aufl., S. 267)

2. anfängliche (Abgrenzung zu § 283) Unmöglichkeit gem. § 275 I-III

Hier ist (lediglich akademisch) str., ob es sich um eine Pflichtverletzung handelt. Der Gesetzgeber verneint

dies und macht dies an Hand der Systematik des § 311a deutlich.

3. Vertretenmüssen

Das Vertretenmüssen hat bei § 311a II einen anderen Anknüpfungspunkt als bei § 283: Da der Vorwurf

des § 311a II an den S die Tatsache ist, dass er sich zu einer Leistung verpflichtet hat, die er nicht erfüllen

kann (unmögliches Leistungsversprechen), ist Vorwurf nicht die zu vertretende Verursachung der

Unmöglichkeit (Bsp. Brandvernichtung des zu verkaufenden Gemäldes wegen Nichteinhaltung der

Brandschutzbestimmungen), sondern die zumindest fahrlässige Unkenntnis bzgl. der eigenen

Leistungsunfähigkeit. Daher gem. § 311a II Ausschluss nur, wenn der S sich entlasten kann (Vermutung),

dass er das Leistungshindernis

• „bei Vertragsschluss nicht kannte“ (Kenntnis)

• „und seine Unkenntnis auch nicht zu vertreten hat“ (fahrlässige Unkenntnis)

P: Für den Fall fehlenden Vertretenmüssens wird vereinzelt ein Anspruch aus § 122 analog vertreten. Die

hM hält dieser Ansicht vor allem das Argument der abschließenden Regelung des § 311a II entgegen.

Ferner dürfe § 122 analog konsequenterweise nicht angewandt werden, da man dem S auch das damit

korrelierende Anfechtungsrecht nach § 119 II verwehre. (Vgl. Palandt/Grüneberg § 311a II RN 15 mwN.)

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=> RF: SE statt der Leistung

Alternativ kann auch gem. § 284 Aufwendungsersatz begehrt werden, § 311a II Var. 2.

II. Rücktrittsnormen 1. Verhältnis Schadensersatz und Rücktritt

Einführend einige wichtige Anmerkungen:

- Die Schadensersatzansprüche sind - abgesehen von § 311a II - systematisch im Ersten Titel (Verpflichtung zur

Leistung) geregelt. Grund ist das schlichte Anknüpfen an die isoliert betrachtete Leistungspflicht. Der Rücktritt

ist im Zweiten Titel (Gegenseitiger Vertrag) geregelt - Dies ist systematisch auch korrekt, da es sich beim

Rücktritt gerade um die Frage handelt, ob der G, dessen S eine Leistungspflicht verletzt hat, neben seinem

Anspruch auch seine eigene Leistungspflicht zu Fall bringen kann. Im Gegensatz zum SE-Recht betrachtet und

regelt der Rücktritt von vornherein das Vertragskonstrukt im Ganzen und stellt nicht lediglich auf den isolierten

Anspruch gegen den S ab.

- Damit einher geht konsequent die Anwendung der Rücktrittsvorschriften ausschließlich auf gegenseitige

Verträge (Synallagma). Im Gegensatz zum alten SchuldR ist jedoch nicht mehr erforderlich, dass dann darüber

hinaus die Pflichtverletzung des S auch eine im Synallagma stehende Leistungspflicht verletzt, sondern es

genügt - wie § 324 zeigt - selbst eine Schutzpflichtverletzung und natürlich auch die Verletzung

leistungsbezogener Nebenpflichten.

Bsp.: Stadionbetreiber K hat mit V einen DauerlieferungsV über Hochleistungsflutlichtelemente

vereinbart. In der Vergangenheit hat V die Flutlichtelemente trotz mehrfacher Abmahnung häufig nur

nachlässig verpackt, sodass regelmäßig einige davon beschädigt ankamen. Hier wäre § 323 wegen des

gegenseitigen Vertrages anwendbar. Ebenso genügt die PV des nachlässigen Verpackens

(leistungsbezogene Nebenpflicht), da nicht erforderlich ist, dass eine im Gegenseitigkeitsverhältnis

stehende Pflicht verletzt wird.

- Zum Verhältnis einfacher SE und Rücktritt stellen sich keine besonderen Probleme. Beide sind praktisch

unabhängig in Struktur und Auswirkungen voneinander.

- Verhältnis SE statt der Leistung / Rücktritt: Beiden Regelungsbereichen ist gemein, dass sie

rechtsvernichtenden Charakter haben: Beim Rücktritt erlöschen die Leistungspflichten ex nunc mit Ausübung

des Rücktrittsrechts (§ 349). Beim SE statt der Leistung tritt der SEA an die Stelle der geschuldeten Leistung,

welche folglich nicht mehr geschuldet wird (vgl. zB auch § 281 IV). Bzgl. des Leistungsanspruches ist dies

unproblematisch; jedoch nicht bezüglich des Gegenleistungsanspruches. Dessen Erlöschen/Verrechnung hängt

von der Frage ab, ob man bei der SE-Berechnung die Surrogationsmethode (kein Erlöschen) oder die

Differenzmethode anwendet (kommt praktisch einem Erlöschen gleich, da der Gegenleistungsanspruch in die

Berechnung des einzig verbleibenden Saldobetrages mit einfließt; einführend in die beiden Methoden:

Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, 2005, § 13 III).

- Aufgrund dieses gemeinsamen rechtsvernichtenden Charakters hat der Gesetzgeber die beiden

Regelungsbereiche strukturell gleich erfasst und mit sehr ähnlichen TBV ausgestattet. Wichtigster Unterschied:

Im Gegensatz zum SE setzt der Rücktritt kein Vertretenmüssen voraus (Neuerung des neuen SchuldR).

- Als Faustformel lässt sich sagen: Kommt man beim gegenseitigen Vertrag zur Bejahung des SE statt der

Leistung, so ist auch ein Rücktritt möglich; nicht zwangsläufig jedoch auch umgekehrt (insbes. wegen des

Erfordernisses des Vertretenmüssens).

- Konkurrenz: Beide kumulativ anwendbar: § 325 (Neuerung SchuldRModG)

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Die strukturgleiche parallele Regelung soll nochmals abschließende Tabelle verdeutlichen:

Rechtsfolge:

Pflichtverletzung:

SE statt der Leistung

Rücktritt

Schlechtleistung (iwS)

281

323

Schutzpflichtverletzung

282

324

Unmöglichkeit

283 / § 311a II

326 V

2. § 323 Vorbemerkung: Lediglich um die Strukturgleichheit zum Schadensersatz zu verdeutlichen, wird bei § 323 (etwas

untypisch) unter Ziffer „0“ das TBM „ Gegenseitiger Vertrag“ vorangestellt bzw. bei §§ 324, 326 V das TBM

„Schuldverhältnis“ durch „gegenseitiger Vertrag“ (da dieses darin enthalten ist) ersetzt. Somit bleibt die Zählung

im Vergleich zu § 281 erhalten. Wenn Sie § 323 prüfen, sollten Sie dennoch natürlich immer mit „1.“ beginnen.

0. Gegenseitiger Vertrag

1. Fälliger u. durchsetzbarer Anspruch

Ausnahme zur Fälligkeit: § 323 IV

2. Pflichtverletzung

jegliche hauptleistungsbezogene PV außer Unmöglichkeit (=> § 326 V), nämlich:

- Leistungsverzögerung

- Teilleistung (= quantitative Schlechtleistung)

- Schlechtleistung (i.e.S.) (= qualitative Schlechtleistung)

3. Erfolglose (Nach)Fristsetzung bzw. Entbehrlichkeit (§ 323 I, II) / Abmahnung (§ 323 III)

- Wichtigstes P: Fristsetzung im Wege richtlinienkonformer Auslegung entbehrlich, da Richtlinie gerade

keine Fristsetzung verlangt? hA (+); (Instruktiv zum Problem Hemmer/Wüst/Fest/Tyroller, Streit- u.

Meinungsstand im neuen Schuldrecht, 2007, S. 48 ff.)

- Angemessenheit der Fristlänge: zu bestimmen nach Vertragsinhalt und Aufwand der Leistung sowie § 242;

Im Durchschnitt werden 1 bis jedenfalls 2 Wochen angemessen sein.

- P: unangemessen kurze Frist; hA: löst angemessene Frist aus

- P: G hat unangemessene kurze Frist gesetzt, die angemessene Frist ausgelöst hat (s.o.), setzt nun aber

sicherheitshalber erneut angemessene Frist. Ab wann liegt nun Fristablauf vor? Mit Ablauf der unwillkürlich

ausgelösten angemessenen Frist oder mit Ablauf der vom G erneut gesetzten, nun noch späteren (ebenfalls

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angemessenen) Frist? Lösung: G wird sich an das Setzen der 2. Frist festhalten lassen müssen und kann

damit nicht nach Ablauf der ersten (unwillkürlich ausgelösten) Frist SE nach § 281 begehren. Problematisch,

aus welcher Konstruktion dieses Ergebnis folgt. Stundung wäre wohl abzulehnen, da sonst für die relevante

Zeit der Verzugsschaden entfiele (§ 286); interessengerechter damit eher über § 242: G muss sich daran

festhalten lassen - Gedanke venire contra factum proprium.

- Abmahnung (§ 323 III) für Fälle, in denen Fristsetzung untauglich ist, Bsp.: Verstoß gegen

Unterlassungsansprüche

Entbehrlichkeit der Fristsetzung gem. § 323 II

- Nr. 1: ernsthafte u endgültige Leistungsverweigerung

- Nr. 2: „relatives Fixgeschäft“: wenn der Vertrag dringend an eine bestimmte Leistungszeit gebunden ist und

er mit der rechtzeitigen Leistung nach der Auslegung stehen und fallen soll; Bsp.: „Lieferung zum

Weihnachtsgeschäft“, „fix“, „genau“, „prompt“; Sonderregelung: Fixhandelskauf § 376 HGB

- Nr. 3: besondere Umstände

• von Gesetzgeber als Auffangnorm für besonders krasse Fälle eingefügt

• „Just-in-time-Verträge“ sollen trotz Existenz der Nr. 2 (wohl iSd Gleichbehandlung zu § 281) auch

unter Nr. 3 fallen.

• Absolute Fixgeschäfte fallen wegen der Anwendung von § 275 ohnehin unmittelbar unter § 283.

(4. Eigene Vertragstreue)

- Kriterium nur ansprechen, wenn P vorliegt.

- nicht gesetzlich verankert und aus § 242 entwickelt

- Bsp.: G hat angekündigt, selbst nicht leisten zu wollen (bei Vorleistungspflicht des S).

5. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 VI

(kann auch nach Prüfungspunkt 6 geprüft werden)

Wertung: Der Gläubiger soll sich nicht vom Vertrag lösen dürfen, wenn er die überwiegende Verantwortung für die

Pflichtverletzung trägt. (+) wenn:

- alleinige / weit überwiegende Verantwortlichkeit des G

- Annahmeverzug des G und fehlendes Vertretenmüssen des S

6. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V

Teilleistung (§ 323 V 1)

Bei Teilleistung ist ein Teilrücktritt bzgl. der noch nicht erbrachten Leistung nach o.g. Voraussetzungen

unproblematisch immer möglich. Zum Begriff Teilleistung: Voraussetzung hierfür ist, dass Leistung und

Gegenleistung sowie die jeweils übrigen Teile der Leistungspflichten als eigenständig betrachtet werden

können (Bsp.: Lieferung von nur 50 kg statt 100 kg Kartoffeln bei einem Gesamtkaufpreis von 20 €.

§ 323 V 1 regelt die Frage, ob bei einer lediglichen Teilleistung vom ganzen Vertrag zurückgetreten werden

kann („Vollrücktritt“ oder „Totalrücktritt“). Das ist der Fall, wenn der Gläubiger an der Teilleistung kein

Interesse hat (Wertungsfrage der Sinnhaftigkeit/Werthaltigkeit der Teilleistung für den G). Bsp.: kein

Interesse bei Lieferung von lediglich 70 statt 100 Flaschen besonderen Champagners zu Festbankett

(Einheitlichkeit); Lieferung nur der Stühle ohne Tisch einer einheitlichen Sitzgruppe aus Eichenholz

(Farbgebung). (Grundlegend zum Teil- und Totalrücktritt MüKo/Ernst § 323 RN 199 ff.; auch BTDS

14/6040 S. 186)

Schlechtleistung (§ 323 V 2)

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Hier stellt sich immer nur das Problem, ob vom ganzen Vertrag zurückgetreten werden kann, da die Leistung

gerade nicht teilbar ist. Antwort § 323 I 2: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung. !Aus

Formulierung „nicht“ folgt Vermutung für Erheblichkeit.

=> RF: Rücktrittsrecht. Rücktritt muss noch erklärt werden!

Zur Verdeutlichung: Bei allen Normen der §§ 323, 324, 326 V ist Rechtsfolge lediglich die Existenz eines

Rücktrittsrechts. Dieses muss jedoch noch ausgeübt werden (Gestaltungsrecht)! Die Ausübung und der

Inhalt richten sich nach den §§ 346 ff. Insbes. steht dem G erst nach Ausübung (§ 349) ein

Rückforderungsanspruch gem. § 346 zu.

3. § 324 1. Gegenseitiger Vertrag

2. Pflichtverletzung iFv Schutzpflichtverletzung

3. Unzumutbarkeit der Leistungserbringung durch den S

P: der Unzumutbarkeit: umfassende Interessenabwägung

Kriterien: Vertragsinhalt, beim G entstandene Schäden, Häufigkeit u Schwere der Pflichtverletzungen,

Grad des Verschuldens (Vertretenmüssen zwar keine TBV beim Rücktritt, jedoch für Frage der

Zumutbarkeit durchaus beachtlich), Prognose weiterer PV, Bedeutung des Verlustes des

Gegenleistungsleistungsanspruch (letztlich wie immer § 242); Zum Interessenschutz und besseren

Objektivierbarkeit hat sich das Kriterium der Abmahnung durchgesetzt. Eine solche ist grds. neben o.g.

Kriterien auch erforderlich. Mitunter müssen bei kleineren PV mehrere bzw. bei starken gar keine

Abmahnungen ausgesprochen worden sein (Wertungsfrage).

=> RF: Rücktrittsrecht

bei § 324 kein Anknüpfen an die Systematik des § 323 V (Teilleistung, Schlechtleistung); Grund: Da § 324

mit der Schutzpflichtverletzung auf nichtleistungsbezogene PVen abstellt, kann die Systematik des § 323

V, die an leistungsbezogene PVen anknüpft, nicht greifen.

4. § 326 V Verständnisfrage vorab: Warum ist überhaupt der Rücktritt bei der Unmöglichkeit noch einmal extra geregelt, wenn

die Leistungspflichten ohnehin nach §§ 275; 326 I erlöschen? Wichtigste Gründe:

- Bei Teilunmöglichkeit erlischt auch nur ein Teil der Gegenleistung, § 326 I. Rest: § 326 V.

- Für Fälle des § 326 I 2 verbleibt G das Wahlrecht.

- Vertragskonstrukt als „Hülle“ bliebe existent: Rücktritt bereinigt und bringt noch existierende Schutzpflichten

zum Erlöschen (§ 241 II).

1. Gegenseitiger Vertrag

2. PV iFv Unmöglichkeit gem. § 275 I-III

P: str, worin die PV zu sehen sein soll (mitunter für anfängliche Unmöglichkeit gar keine PV angenommen)

- 1A stellt auf die die Unmöglichkeit auslösende Handlung ab (entspricht Th. vom Handlungsunrecht).

- Die weitaus hM sieht die PV schlicht in der Unmöglichkeit (entspricht Th. vom Erfolgsunrecht) mit der

überzeugenderen Begründung: Würde man der 1A folgen, so liefe im Schadensersatzrecht die Vermutung

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des § 280 I 2, die dem G Beweiserleichterung gewähren will, leer. Denn dieser wäre bereits vor das P

gestellt, überhaupt erst einmal eine Pflichtverletzung beweisen zu müssen, bzgl. deren Vorliegen er ebenso

wenig wie in das Vertretenmüssen des S Einblick hat.

Im Rücktrittsrecht muss im Sinne einer Rechtseinheitlichkeit die PV daher ebenso in der schlichten

Unmöglichkeit gesehen werden.

3. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V (s. S. 19)

• Teilleistung: kein Interesse (§ 323 V 1)

• Schlechtleistung: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 V 2)

4. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 VI

Wertung: Der Gläubiger soll sich nicht vom Vertrag lösen dürfen, wenn er die überwiegende Verantwortung für

die Pflichtverletzung trägt. Insbesondere in Parallele zu § 326 I, II wird dies deutlich: Hier könnte sich der G mittels

Rücktritt seiner wegen § 326 II erhalten gebliebenen Gegenleistungspflicht entziehen. Ua. daher ordnet § 323 VI

bei identischem Wortlaut den Rücktrittsausschluss an. (+), wenn:

- alleinige / weit überwiegende Verantwortlichkeit des G

- Annahmeverzug des G und fehlendes Vertretenmüssen des S

=> RF: Rücktrittsrecht

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E. Besonderheiten der Prüfung beim Sachmängelgewährleistungsrecht des Kaufes

Das Sachmängelgewährleistungsrecht im Kauf ist durch die Schuldrechtsreform 2002 in das allgemeine

Leistungsstörungsrecht integriert worden (vgl. zB BTDS 14/6040 S. 94). Insofern erfährt das allgemeine

Leistungsstörungsrecht durch die kaufR Vorschriften lediglich eine Modifikation, welche sich auch in einer

lediglich abgewandelten Prüfung ausdrückt. Das Kaufrecht gewährt demnach auch nur ein einziges neues Recht,

nämlich die Minderung, die optional anstelle des Rücktritts geltend gemacht werden kann. Der

Nacherfüllungsanspruch ist kein neues Recht, sondern der modifizierte Primäranspruch! (= der Erfüllungsanspruch

in modifiziertem Gewand, insbesondere: § 438). Wichtig: Betrachten Sie also bereits die Leistung einer

mangelhaften Sache als die relevante Pflichtverletzung (an die sich uU jedoch noch weitere anschließen können)

und ordnen Sie diese konkret in die §§ 280 ff. ein. - Durch den Verweis in § 437 Nr. 3 auf § 280 stellt der

Gesetzgeber klar, dass er bereits die Leistung einer mangelhaften Sache als Pflichtverletzung betrachtet.

Wegen der Vielzahl der sich entwickelnden Probleme können im Folgenden nur die absoluten Basics - nämlich

primär der schlichte Prüfungsaufbau - dargestellt werden. Eine vertiefte Lektüre mit (mindestens) einem Lehrbuch

ist auch hier unerlässlich!

Das Sachmängelgewährleistungsrecht im Kauf hat 4 zentrale Rechte:

• Nacherfüllung

• Schadensersatz

• Rücktritt

• Minderung

I. Nacherfüllungsanspruch gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 1, 439 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Vorliegen eines Sachmangels (§ 434) oder Rechtsmangels (§ 435)

Sachmangel (§ 434)

3-stufiges System:

- § 434 I 1: Abweichung von vereinbarter Beschaffenheit

- § 434 I 2 Nr. 1: Fehlende Eignung für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung

- § 434 I 2 Nr. 2: Fehlende Eignung für die gewöhnliche Verwendung

§ 434 I, II, III erfasst auch - zT innerhalb dieses Systems - weiterhin folgende Umstände, die als

„Sachmängel“ betrachtet werden:

- Werbeangaben (weitere Voraussetzungen des § 434 I 3 prüfen!)

- Montagefehler (§ 434 II 1)

- fehlerhafte Montageanleitung, sog. „IKEA-Klausel“ (§ 434 II 2; P: „Tüftlerfalle“)

- aliud (§ 434 III Var. 1)

- Zuwenigleistung (§ 434 III Var. 2)

Der Sachmangelbegriff hält gerade auch nach neuem SchuldR eine Vielzahl von Fragen bereit. So zB die

Problematik des „Bastlerfahrzeuges“ (hierzu zB Hemmer/Wüst/Fest/Tyroller, Streit- u. Meinungsstand im

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neuen Schuldrecht, 2007, S. 73 mwN). Verfolgen Sie unbedingt die Entwicklung zu den zuvor genannten

Schlagworten insb. des § 433 II, III.

Achtung: Der Begriff des Sachmangels beinhaltet bereits das Kriterium des Gefahrübergangs (§ 446),

vgl. § 434 I: „bei Gefahrübergang“. Diesen müssen Sie also inzident prüfen. Vor Gefahrübergang ist

lediglich allgemeines Leistungsstörungsrecht anwendbar.

3. RF: Nacherfüllungsanspruch aus § 439

Dieser Anspruch ist als Wahlmöglichkeit iSe „elektiven Konkurrenz“ (hA; kein echtes Wahlrecht nach § 262) für

den G ausgestaltet iFv:

- Nachbesserungsanspruch oder

- Nachlieferunganspruch

P: Nachlieferung beim Stückkauf,

hA (+)

BGH NJW 2006, 2839 Leitsatz 2 schließt dies nicht aus:

„Die Nacherfüllung durch Lieferung einer anderen, mangelfreien Sache ist auch beim Stückkauf

nicht von vornherein wegen Unmöglichkeit ausgeschlossen. Möglich ist die Ersatzlieferung nach

der Vorstellung der Parteien dann, wenn die Kaufsache im Falle ihrer Mangelhaftigkeit durch

eine gleichartige und gleichwertige ersetzt werden kann. Beim Kauf eines Gebrauchtwagens liegt

es in der Regel nahe dies zu verneinen, wenn dem Kaufentschluss eine persönliche Besichtigung

des Fahrzeugs vorangegangen ist.“

(Siehe auch Entscheidungsbesprechung von Roth, NJW 2006, 2953.)

4. Berechtigte Verweigerung gem. § 439 III

(+) bei unverhältnismäßigen Kosten: noch sehr strittig, wann dies anzunehmen; im Einzelnen bisher folgende

Grundsätze auszumachen:

- § 439 III-Schwelle unterhalb des § 275 II, III

- Zu beurteilen ist immer der Einzelfall, da die Umstände äußerst unterschiedlich sein können; insbesondere

bei fast wertlosen Sachen und teurer Reparatur oder teuren Sachen mit schnell behebbaren Mängeln.

- Um Rechtssicherheit zu erreichen, überwiegend dennoch Unterteilung in jeweils eigenständige Varianten;

wenn eine von beiden vorliegt, dann Verweigerungsrecht der sogenannten

• „absoluten Unverhältnismäßigkeit“ (= Kosten NE iVz Wert der mangelfreien Sache) => strittige

Werte liegen bei ca. 120 - 200 % Kosten der NE iVz Wert der mangelfreien Sache, ua auch

abhängig von Verschulden

• „relativen Unverhältnismäßigkeit“ (= Vergleich der beiden NE-Varianten miteinander) => strittige

Werte liegen bei ca. 110 - 150 % Kosten der NE iVz zur anderen NE-Variante, ua auch abhängig

von Verschulden; Überwiegend scheint sich - anlehnend an die Dogmatik des § 251 - ein Wert von

130 % durchzusetzen.

Achtung! Hier hat sich noch keine klare Linie entwickelt. In der Klausur kommt es vor allem auf

die Argumentation am Einzelfall an. Hinzuziehen sollten Sie in jedem Fall die o.g. Unterscheidung

in absolute und relative Unverhältnismäßigkeit. Verfolgen Sie die aktuelle Entwicklung! zum

Einstieg mit ersten Literaturhinweisen Palandt-Weidenkaff, § 439 RN 16a ff; Westermann, in

MüKo § 439 RN 20 ff.

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5. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte

Hinweis: Die Darstellung erfolgt für alle Sachmängelgewährleistungsrechte einheitlich, sodass zT nicht alle

Normen auf jedes Gewährleistungsrecht zutreffen. Dies wird jedoch kenntlich gemacht.

Ausschluss Sachmängelgewährleistungsrechte mgl. bei:

- § 442: Kenntnis des Mangels

- § 445: öffentliche Versteigerung

- § 377 HGB: Verletzung Rügeobliegenheit (nur bei beiderseitigem Handelsgeschäft)

- Vertraglicher Gewährleistungsausschluss (sogar konkludent mgl.)

nicht jedoch, wenn:

• § 444: arglistiges Verschweigen oder Beschaffenheitsgarantie

• § 475 I: Verbrauchsgüterkauf; kein Verbot des Ausschlusses jedoch für SE-Ansprüche (§ 475 III)

• Verstoß gegen § 276 III (Vorsatzausschluss; ! 278 S. 2: bei Erfüllungsgehilfen zulässig!)

• Verstoß gegen AGB-Bestimmungen; insbesondere § 309 Nr. 8, 7

6. Durchsetzbarkeit

Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: Nacherfüllungsanspruch

II. Schadensersatzansprüche § 437 Nr. 3 verweist auf die SEA des allgemeinen Schuldrechts. Nicht erfasst ist freilich § 282. Grund ist, dass

§ 282 auf eine Verletzung einer Schutzpflicht abstellt, die naturgemäß keine Beziehung zu einem erforderlichen

Sachmangel aufweist, da Schutzpflichten gerade keine unmittelbar leistungsbezogenen Pflichten sind. § 282 findet

somit über den „Umweg“ des Sachmängelgewährleistungsrechts keine Anwendung. Er kann aber freilich

eigenständig erfüllt sein und dadurch Anwendung finden.

1. SE des Mangelfolgeschadens gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I Durch den Verweis in § 437 Nr. 3 auf § 280 stellt der Gesetzgeber klar, dass er bereits die Leistung einer

mangelhaften Sache als Pflichtverletzung betrachtet. § 280 I erfasst auch im Kontext des

Sachmängelgewährleistungsrechts nur Integritätsschäden, die hier „Mangelfolgeschäden“ genannt werden (s.

schon S. 11).

1. Kaufvertrag

2. Sachmangel (s.o. S. 22) / Rechtsmangel als Spezialausprägung der Pflichtverletzung (§§ 434, 435)

3. Vertretenmüssen

Vermutung: § 280 I 2

4. RF: Einfacher SE in Form von Ersatz des Mangelfolgeschadens

- Ersatz des Integritätsinteresses

- Bsp.: Tod von Bello, weil Chappi vergiftet war; Weiterfresserschäden; Schmerzensgeld (iVm § 253 II)

infolge mangelbedingter Verletzungen. zB bei Unfall wegen defekter Bremsleitung

- P: Teilleistung und qualitative Schlechtleistung:

Bsp. Teilleistung: VK liefert nur 500 statt 1000 Bierhumpen zur Eröffnung der Wies´n. K hat somit am 1.

Tag einen Gewinnausfall von 2.000 €.

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Bsp. qual. Schlechtleistung: V liefert an K eine defekte Webmaschine. Mit dieser sollen wegen der

plötzlich einsetzenden großen Nachfrage auf Grund des Erfolges der deutschen Nationalmannschaft

Deutschlandfahnen zur Fußball-WM produziert werden. Infolge des Produktionsausfalls von 3 Tagen

erleidet K wegen des kurzen Produktionszeitfensters einen uneinbringlichen Absatzverlust von 15.000 €.

Bei beiden Fällen ist strittig, ob solche Schäden unter § 280 I zu fassen sind oder ob wegen des Charakters

eines Verzögerungsschadens § 286 Anwendung finden muss (Gedanke: Die inkorrekte Leistung stellt eine

Verzögerung der korrekten Leistung dar.). Die Gesetzesbegründung stellt eindeutig auf § 280 I ab (BTDS

14/6040 S. 225). Nach ihr soll der hier entstandene sog. Betriebsausfallschaden sogleich durch § 280 I zu

ersetzen sein, nur der weitere Verzögerungsschaden bedürfe der Voraussetzungen des § 286. Als

Gegenargument lässt sich anführen, dass - im Gegensatz zum gar nicht Leistenden - derjenige schlechter

gestellt wird, der wenigstens teilweise erfüllt. Ferner ist nach deutschem System der Verzugsschaden grds.

nur unter den Voraussetzungen der Mahnung/deren Entbehrlichkeit zu ersetzen.

(s. zum Ganzen: Mankowski, JuS 2006, 481)

5. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. SE-Ansprüche)

s.o. S. 24

6. Durchsetzbarkeit

Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: Ersatz des Mangelfolgeschadens

2. SE wegen Verzuges der Nacherfüllung gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, II, 286 §§ 280 I, II, 286 anwendbar wegen Verweises in § 437 Nr. 3 auf gesamten § 280, also auch auf § 280 II, als

besondere Form des SE nach § 280 I.

1. Kaufvertrag

2. Sachmangel (s.o. S. 22) / Rechtsmangel als Spezialausprägung der Pflichtverletzung (§§ 434, 435)

3. Mahnung / Entbehrlichkeit

Zum Verständnis: Angemahnt wird hier der Nacherfüllungsanspruch gem. § 439. Dieser muss ganz normal

fällig und durchsetzbar sein. Problematisch ist dies, wenn der VK vor Fälligkeit liefert und ein Sachmangel

vorliegt. Da der NEA der ursprüngliche Erfüllungsanspruch ist, bestünde für diesen zu diesem Zeitpunkt

eigentlich noch keine Fälligkeit, sondern erst ab normal zu bestimmendem Fälligkeitsbeginn (§ 271); Hier

ließe sich vertreten: Entweder: Fälligkeit erst ab ursprünglich intendierter Fälligkeit und somit eine

wirkungslose Mahnung (keine Benachteiligung des vorzeitig Leistenden). Oder: Fälligkeit (+), konstruktiv

ließe sich dies mit der Annahme einer durch Lieferung konkludent vereinbarten Fälligkeitsvorverlagerung

erreichen.

Entbehrlichkeit der Mahnung

s.o. S. 13, Jedoch kommt mangels „Entgeltforderung“ § 286 III nicht zur Anwendung.

4. Nichtleistung auf die Mahnung (trotz Möglichkeit)

5. Vertretenmüssen, § 286 IV

6. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. SE-Ansprüche)

s.o. S. 24

7. Durchsetzbarkeit

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Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: Ersatz des Verzugsschadens

iFv Betriebsausfallschäden Abgrenzung zu § 280 I beachten (s.o. zu § 280 I, S. 24 f.)

3. SE wegen Schlechtleistung (i.w.S.) gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, III, 281 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Sachmangel / Rechtsmangel als spezielle Ausprägung der Pflichtverletzung (§§ 434, 435)

3. Erfolglose angemessene Nachfristsetzung bzw. Entbehrlichkeit / Abmahnung

zur angemessenen Nachfristsetzung s.o. S. 14

Entbehrlichkeit

• § 440: weitet Entbehrlichkeit aus auf

- berechtigte Verweigerung der Nacherfüllung bei § 439 III und

- Fehlschlagen/Unzumutbarkeit der zustehenden NE

• § 281 II (s.o. bei § 281)

Abmahnung (s.o. § 281)

4. Vertretenmüssen

Vermutung gem. § 280 I 2

5. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. SE-Ansprüche)

s.o. S. 24

6. Durchsetzbarkeit

Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: SE statt der Leistung

- SE statt der Leistung („soweit“) = „kleiner SE“ => kann immer gefordert werden

- SE statt der ganzen Leistung = „großer SE“ => nur, wenn bei:

• Teilleistung: kein Interesse (§ 281 I 2)

P: § 434 III stellt Teilleistung einem Sachmangel gleich. Str. ist, ob diese Wertung auch noch im

allgemeinen Schuldrecht bedeuten soll, dass iRd § 281 I die Teilleistung eine Schlechtleistung iSd

§ 281 I 3 darstellt („nicht wie geschuldet“). Dann würden für sie die einfacheren Voraussetzungen

für den großen SE gelten, nämlich nur ein Ausschluss bei Unerheblichkeit (1A). aA unterstellt

Teilleistung ganz normal § 281 I 2 (instruktiv zum Problem Looschelders, 4. Aufl., RN 629 mwN).

• Schlechtleistung: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 281 I 2; Aus Formulierung

„nicht“ folgt Vermutung für Erheblichkeit!)

4. SE wegen nachträglicher Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 280 I, III, 283 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Sachmangel / Rechtsmangel als spezielle Ausprägung der Pflichtverletzung (§§ 434, 435)

3. nachträgliche (Abgrenzung zu § 311a II) Unmöglichkeit

4. Vertretenmüssen

Vermutung gem. § 280 I 2

5. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. SE-Ansprüche)

s.o. S. 24

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6. Durchsetzbarkeit

Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: SE statt der Leistung

s.o. Ausführungen zu § 281 S. 26

5. SE wegen anfänglicher Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 3, 311a II 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Sachmangel / Rechtsmangel (§§ 434, 435)

3. anfängliche Unmöglichkeit

4. Vertretenmüssen in Form des § 311a II

s.o. Ausführungen zu § 311a II

5. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. SE-Ansprüche)

s.o. S. 24

6. Durchsetzbarkeit

Verjährung: § 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3)

=> RF: SE statt der Leistung

s.o. Ausführungen zu § 281 S. 26.

III. Rücktritt und Minderung 1. Rücktritt wegen Schlechtleistung (i.w.S.) gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 323 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Sachmangel / Rechtsmangel als spezielle Ausprägung der Pflichtverletzung (§§ 434, 435)

3. Erfolglose angemessene Nachfristsetzung bzw. Entbehrlichkeit / Abmahnung

Entbehrlichkeit

• § 440: weitet Entbehrlichkeit aus auf

- berechtigte Verweigerung der Nacherfüllung bei § 439 III und

- Fehlschlagen/Unzumutbarkeit der zustehenden NE

• § 323 II (s.o. bei § 323)

4. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V

- Teilleistung: kein Interesse (§ 323 V 1)

identisches P wie bei § 281: Zuwenigleistung wegen § 434 III Var. 1 = qualitative Schlechtleistung und

somit § 323 V 2 unterfallend? (s.o. § 281, S. 26)

- Schlechtleistung: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 V 2; Aus Formulierung „nicht“ folgt

Vermutung für Erheblichkeit!)

5. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 VI

- alleinige / weit überwiegende Verantwortlichkeit des G

- Annahmeverzug des G und fehlendes Vertretenmüssen des S

6. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. Rücktritt)

s.o. S. 24

7. Wirksamkeit eines eventuellen Rücktritts (§§ 438 IV, 218)

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Da der Rücktritt kein Anspruch gem. § 194 I, sondern ein Gestaltungsrecht ist, und daher nicht verjähren

kann, knüpft der Gesetzgeber die wirksame Ausübung des RücktrittsR an die Verjährung des NEA, um

somit den Rücktritt sinnvoll zeitlich zu begrenzen und die SachmängelgewährleistungsR gleichzustellen:

§ 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3).

=> RF: Rücktrittsrecht besteht, muss noch ausgeübt werden.

2. Rücktritt wegen Unmöglichkeit gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 326 V 1. wirksamer Kaufvertrag

2. Sachmangel / Rechtsmangel (§§ 434, 435)

3. Unmöglichkeit (§ 275)

irrelevant, ob anfänglich oder nachträglich

4. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 V

- Teilleistung: kein Interesse (§ 323 V 1)

identisches P wie bei § 281: Zuwenigleistung wegen § 434 III Var. 1 = qualitative Schlechtleistung und

somit § 323 V 2 unterfallend? (s.o. § 281, S. 26)

- Schlechtleistung: nicht bei Unerheblichkeit der Pflichtverletzung (§ 323 V 2; Aus Formulierung „nicht“ folgt

Vermutung für Erheblichkeit!)

5. Kein Ausschluss des Rücktrittsrechts gem. § 323 VI

- alleinige / weit überwiegende Verantwortlichkeit des G

- Annahmeverzug des G und fehlendes Vertretenmüssen des S

6. Kein Ausschluss der Sachmängelgewährleistungsrechte (speziell bzgl. Rücktritt)

s.o. S. 24

7. Wirksamkeit eines eventuellen Rücktritts (§§ 438 IV, 218)

Da der Rücktritt kein Anspruch gem. § 194 I, sondern ein Gestaltungsrecht ist, und daher nicht verjähren

kann, knüpft der Gesetzgeber die wirksame Ausübung des RücktrittsR an die Verjährung des NEA, um

somit den Rücktritt sinnvoll zeitlich zu begrenzen und die SachmängelgewährleistungsR gleichzustellen:

§ 438, idR 2 Jahre (§ 438 I Nr. 3).

=> RF: Rücktrittsrecht besteht, muss noch ausgeübt werden.

3. Minderung gem. §§ 433, 434/435, 437 Nr. 2, 441 Voraussetzungen des Rücktritts müssen vorliegen:

- § 441: „statt Rücktritt“ => Minderung; kann folglich nur unter den Voraussetzungen des Rücktritts alternativ

zum Rücktritt geltend gemacht werden.

- hier also Inzidentprüfung der Rücktrittsrechte aus §§ 323, 326 V (iVm § 437) vornehmen

Besonderheit § 441 I 2: § 323 V 2 findet keine Anwendung. Folge: Minderung auch bei

unerheblichem Mangel. Grund: Minderung bringt im Gegensatz zum Totalrücktritt nicht ganzen

Vertrag zu Fall - kein „hop-oder-top-Prinzip“; somit interessengerecht, Abschlag vom Kaufpreis zu

gewähren.

=> RF: MinderungsR besteht, muss noch ausgeübt werden.

Mit dessen Ausübung ist Kaufpreis gemindert (= Gestaltungsrecht; Neuerung der Schuldrechtsreform,

früher nur Anspruch auf Minderung).

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F. Prüfungsschema von Allgemeinen Geschäftsbedingungen

Unklarheiten und Unsicherheiten bestehen häufig bei der Prüfung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen.

Machen Sie sich klar, dass AGB vertragliche Regelungen darstellen, die in der Sonderform der klauselartigen

Verwendung einem vertraglichen Konsens zugeführt werden sollen. Da dies für die schwächere Vertragspartei ein

Risiko darstellt, hat der Gesetzgeber die Normen für AGB geschaffen. Die Struktur lässt sich wie folgt

kennzeichnen: Zunächst muss geprüft werden, ob es sich überhaupt um AGB handelt. Sodann fragt man, ob diese

wirksam einbezogen worden sind. Letztlich schränken die Normen der §§ 305 ff. die sonst anwendbaren Normen

der §§ 133, 157 und 145 ff. ein bzw. modifizieren sie in diesem Punkt! Sodann stellt sich die Frage des Vorrangs

der Individualabrede und die Frage der Einbeziehung überraschender Klauseln. Erst nach der Eröffnung der

Inhaltskontrolle (§ 307 III) kann man nun in die entscheidende Inhaltskontrolle selbst einsteigen, also in die §§ 309,

308, 307. Hier liegt dann aber auch regelmäßig der Schwerpunkt. Die vorangegangenen Punkte können Sie also idR

deutlich knapper behandeln. Manchmal stecken aber auch hier Tücken. Kleine (offensichtliche) Eselsbrücke zur

Prüfungsreihenfolge: Sie können ganz einfach mit § 305 beginnen und gehen systematisch bis zu den Normen

§§ 307 - 309, wobei Sie diese nun aber in umgekehrter Reihenfolge prüfen.

Prüfungsschema:

1. Anwendungsausschluss gem. § 310 IV

2. § 305 I: Liegen AGB vor? - Legaldefinition

bei Verbraucherverträgen iVm mit § 310 III prüfen mit folgenden Modifikationen:

• Fiktion, dass vom Unternehmer gestellt, § 310 III Nr. 1

• auch bei Bestimmung nur zur einmaligen Verwendung, § 310 III Nr. 2

3. § 305 II, III: Einbeziehung (ggf. auch § 305a)

Ausschlüsse gem. § 310 I 1, IV 1 HS 2 beachten

4. § 305b: Vorrang der Individualabrede

5. § 305c: keine Einbeziehung überraschender Klauseln

6. 307 III: Eröffnung Inhaltskontrolle

Achtung (wird häufig vergessen): Prüfung der §§ 308; 309; 307 I, II nur, wenn AGB abweichende oder

ergänzende Regelungen vom/zum dispositiven Recht enthalten. Grund: Was das Gesetz vorsieht, kann

nicht ungerecht sein.

7. Inhaltskontrolle in der Reihenfolge (idR Schwerpunkt!):

• § 309

• § 308

• § 307

Ausnahme: Eingeschränkter Prüfungsmaßstab gem. § 310 II, I, der jedoch über § 307 wieder

abgeschwächt wird.

=> RF: mögliche Rechtsfolgen je nachdem, welche obige Norm Anwendung findet:

• Keine Anwendbarkeit §§ 305 ff

• fehlende Einbeziehung

• Vorrang der Individualabrede

• Nichtigkeit der entsprechenden Klausel bei Verstoß gegen die Normen §§ 309 - 307 (§ 306);

Verbot der geltungserhaltenden Reduktion

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G. Abschließende Literaturhinweise

Abschließend seien noch einige mE sehr nützliche Literaturhinweise speziell zum neuen Schuldrecht aufgeführt.

Ich habe die Auswahl bewusst auf wenige - aber gute - Hinweise beschränkt. Damit steigt hoffentlich die

Motivation der Lektüre.

- BTDS 14/6040 S. 1 ff. - Die offizielle Gesetzesbegründung zum Schuldrechtsmodernisierungsgesetz. Haben Sie

keine Scheu vor Bundestagsdrucksachen. Sie lesen sich häufig sogar einfacher als Lehrbücher. Unverzichtbar

als Ausgangsargumentation in Hausarbeiten/Seminararbeiten. Zu finden in der Bibliothek oder ab ca. Jahrgang

2000 im Internet als pdf-Datei zum download unter http://dip.bundestag.de/parfors/parfors.htm (Stand:

24.4.2007).

- Dauner-Lieb, Das neue Schuldrecht, Deutscher Anwaltverlag, 2002 - trotz des frühen Verfassens unglaublich

treffsicher; knappe, prägnante und dennoch tiefe Darstellung des neuen Schuldrechts an Hand von vielen

Einzelfällen

- dies., Viereinhalb Jahre Gesetz zur Modernisierung des Schuldrechts, das neue Schuldrecht und der BGH - eine

Zwischenbilanz, AnwBl 2006, 430

- Emmerich, Das Recht der Leistungsstörungen, Beck, 2005 - Klassiker

- Hemmer-Skript: Hemmer/Wüst/Fest/Tyroller, Streit- u. Meinungsstand im neuen Schuldrecht, 2. Aufl., 2007 -

Darstellung wichtiger diskutierter Probleme des neuen Schuldrechts

- Schulze/Ebers, Streitfragen im neuen Schuldrecht, JuS 2004, 265, 366, 462 - Hervorragende Darstellung der

neuen Probleme; trotz 2004 noch recht aktuell; knapp, prägnant, verständlich, dennoch anspruchsvoll

Viel Spaß beim Üben und viel Erfolg bei den kommenden Klausuren! Sie sind gut gerüstet!

Pieter Schleiter

Bayreuth, im Januar 2008