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PRODUKTION SCHOTTEN DICHT BIS 6 BAR MEDIENDICHT UMSPRITZTE FLEXSCHALTUNGEN Verstärkt nutzt die Automobilindustrie elektronische Bau- gruppen und setzt dabei auf die Eigenschaftsprofile des Kunststoffs. Denn heute wird eine Vielzahl fahrtech- nisch relevanter Informationen und Daten über das Zusammenspiel mit Sensoren gewonnen. Auch in Motor- und Getriebesteuerung sind längst sensible Sensoren im Einsatz. Zum Teil in aggressiven flüssigen Medien, die ein zuverlässiges und druckdichtes Abschotten erfordern. Oder als Schutz vor den Einwirkungen hoher Tempera- turen oder dauerhaft mechanischen Beanspruchungen. ten Arbeitsschritt wird der mediendichte Außenmantel aufgespritzt. In enger Zu- sammenarbeit mit Freudenberg Mektec wurde zusätzlich eine flexible Leiterplat- te in diese Entwicklung integriert. Be- stückte flexible Schaltungen können ein- gelegt und umspritzt werden. Die flexi- blen Leiterplatten aus Polyimid mit akti- ven Elektronikbauteilen überstehen die Hitze während des Spritzvorgangs für die Ummantelung klaglos. Auch die RoHS- konforme Löttemperatur bis zu 260 °C beim bleifreien Löten wird verkraftet. Und selbst aggressive Flüssigkeiten wie Getriebeöl, Additive oder Dieselkraftstoff können Flexschaltungen aus Polyimid nichts anhaben. Mit maximal 0,2 mm Di- cke und nahezu uneingeschränkter Elas- tizität passen sich die Schaltungen der Bauraumsituation sehr gut an. Zugleich wird direkt im Modul eine Lötstelle eingespart. Nach Erkenntnissen beim Verarbeiter in Weinheim entpuppen sich solche Stellen oft als Achillesferse in der gesamten Elektronik und führen oft- mals zu unliebsamen Ausfällen. Zugleich werden auf diesem Weg kostenintensive Stanzgitter und aufwendige Verfahren zur Herstellung und Abdichtung der Bau- gruppe gespart. Zumal der alternative Hotmeltverguss nicht dicht hält und nur begrenzt höhere Temperaturen verträgt. Ergo entstand aus der Kombination Flex- schaltung und Kunststoffverspritzmasse eine den Entwicklungsvorgaben entspre- chende Baugruppe. Mit dem neuen Verfahren lassen sich aktive elektronische Bauelemente ohne Beschädigung umspritzen. Autor Manfred Frank, freier Journalist, Mühlheim 24 Plastverarbeiter · April 2007 S ensoren werden in allen industriel- len Anwendungen enorme Wachs- tumschancen vorausgesagt. Dem- gegenüber mutet der Einsatz von Stanz- gittern schon eher vorsintflutlich an. Nach mehrfachem Umspritzen werden die elek- tronischen Bauteile montiert. Die Bau- gruppe bekommt eine Hülse verpasst, um sie zur Umgebung abzuschotten. Für den sicheren Verbund zwischen Baugruppe und Hülse machen sich mehrere Verfah- ren stark: Schweißen per Ultraschall oder Laser und simples Verkleben. Nachteilig wirken sich bei diesen Verfahren die Kos- ten sowohl für die Herstellung als auch die Kontrolle der Dichtheit aus. Die Alternati- ve Hotmeltverguss hat sich als tragbare Lösung erwiesen, elektronische Baugrup- pen mit dieser Technik zu umschließen. Doch kann damit keine Mediendichtheit und auch keine schädigungsfreie Nut- zungsdauer gewährleistet werden. Schwankungen der Temperatur, wie sie im Motorraum üblich sind, setzen dem Hotmeltverguss erheblich zu. Mit einem neuen Verfahren – ent- wickelt von der Firma Hans Huonker in Villingen-Schwenningen – wird es nun möglich, aktive elektronische Bauele- mente ohne Beschädigung und ohne Funktionsbeeinträchtigung zu umsprit- zen. Demonstriert wird das Verfahren am Beispiel einer flexiblen Leiterplatte der Freudenberg Mektec Europa in Wein- heim. Ziel des neuen Verfahrens ist der zuverlässige mediendichte „Verschluss“ elektronischer Baugruppen. Erste Ver- suche belegten bereits die mediendichte Abschottung. Bereits gefertigte Airbag- steckverbinder, Parksensoren, Nocken- wellensensoren, Zünd- und Lenkstock- schalter werden um eine weitere Neuheit aufgestockt. Reduktion der Arbeitsschritte und Kosten Bei diesem Verfahren kommt eine mehr- stufige Spritzgießtechnik zum Tragen. Dabei fallen den Einzelkomponenten un- terschiedliche Aufgaben zu. Erst im letz-

SCHOTTEN DICHT BIS 6 BAR - plastverarbeiter.de · Mit maximal 0,2 mm Di-cke und nahezu uneingeschränkter Elas-tizität passen sich die Schaltungen der Bauraumsituation sehr gut an

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PRODUKTION

SCHOTTEN DICHT BIS 6 BAR MEDIENDICHT UMSPRITZTE FLEXSCHALTUNGEN Verstärkt nutzt die Automobilindustrie elektronische Bau-gruppen und setzt dabei auf die Eigenschaftsprofile des Kunststoffs. Denn heute wird eine Vielzahl fahrtech-nisch relevanter Informationen und Daten über das Zusammenspiel mit Sensoren gewonnen. Auch in Motor- und Getriebesteuerung sind längst sensible Sensoren im Einsatz. Zum Teil in aggressiven flüssigen Medien, die ein zuverlässiges und druckdichtes Abschotten erfordern. Oder als Schutz vor den Einwirkungen hoher Tempera-turen oder dauerhaft mechanischen Beanspruchungen.

ten Arbeitsschritt wird der mediendichte Außenmantel aufgespritzt. In enger Zu-sammenarbeit mit Freudenberg Mektec wurde zusätzlich eine flexible Leiterplat-te in diese Entwicklung integriert. Be-stückte flexible Schaltungen können ein-gelegt und umspritzt werden. Die flexi-blen Leiterplatten aus Polyimid mit akti-ven Elektronikbauteilen überstehen die Hitze während des Spritzvorgangs für die Ummantelung klaglos. Auch die RoHS-konforme Löttemperatur bis zu 260 °C beim bleifreien Löten wird verkraftet. Und selbst aggressive Flüssigkeiten wie Getriebeöl, Additive oder Dieselkraftstoff können Flexschaltungen aus Polyimid nichts anhaben. Mit maximal 0,2 mm Di-cke und nahezu uneingeschränkter Elas-tizität passen sich die Schaltungen der Bauraumsituation sehr gut an.

Zugleich wird direkt im Modul eine Lötstelle eingespart. Nach Erkenntnissen beim Verarbeiter in Weinheim entpuppen sich solche Stellen oft als Achillesferse in der gesamten Elektronik und führen oft-mals zu unliebsamen Ausfällen. Zugleich werden auf diesem Weg kostenintensive Stanzgitter und aufwendige Verfahren zur Herstellung und Abdichtung der Bau-gruppe gespart. Zumal der alternative Hotmeltverguss nicht dicht hält und nur begrenzt höhere Temperaturen verträgt. Ergo entstand aus der Kombination Flex-schaltung und Kunststoffverspritzmasse eine den Entwicklungsvorgaben entspre-chende Baugruppe.

Mit dem neuen Verfahren lassen sich aktive elektronische Bauelemente ohne Beschädigung umspritzen.

Autor Manfred Frank, freier Journalist, Mühlheim

24 Plastverarbeiter · April 2007

S ensoren werden in allen industriel-len Anwendungen enorme Wachs-tumschancen vorausgesagt. Dem-

gegenüber mutet der Einsatz von Stanz-gittern schon eher vorsintflutlich an. Nach mehrfachem Umspritzen werden die elek-tronischen Bauteile montiert. Die Bau-gruppe bekommt eine Hülse verpasst, um sie zur Umgebung abzuschotten. Für den sicheren Verbund zwischen Baugruppe und Hülse machen sich mehrere Verfah-ren stark: Schweißen per Ultraschall oder Laser und simples Verkleben. Nachteilig wirken sich bei diesen Verfahren die Kos-ten sowohl für die Herstellung als auch die Kontrolle der Dichtheit aus. Die Alternati-ve Hotmeltverguss hat sich als tragbare Lösung erwiesen, elektronische Baugrup-pen mit dieser Technik zu umschließen. Doch kann damit keine Mediendichtheit und auch keine schädigungsfreie Nut-zungsdauer gewährleistet werden. Schwankungen der Temperatur, wie sie im Motorraum üblich sind, setzen dem Hotmeltverguss erheblich zu.

Mit einem neuen Verfahren – ent-wickelt von der Firma Hans Huonker in Villingen-Schwenningen – wird es nun möglich, aktive elektronische Bauele-mente ohne Beschädigung und ohne Funktionsbeeinträchtigung zu umsprit-zen. Demonstriert wird das Verfahren am Beispiel einer flexiblen Leiterplatte der Freudenberg Mektec Europa in Wein-heim. Ziel des neuen Verfahrens ist der zuverlässige mediendichte „Verschluss“ elektronischer Baugruppen. Erste Ver-suche belegten bereits die mediendichte Abschottung. Bereits gefertigte Airbag-steckverbinder, Parksensoren, Nocken-wellensensoren, Zünd- und Lenkstock-schalter werden um eine weitere Neuheit aufgestockt.

Reduktion der Arbeitsschritte und Kosten Bei diesem Verfahren kommt eine mehr-stufige Spritzgießtechnik zum Tragen. Dabei fallen den Einzelkomponenten un-terschiedliche Aufgaben zu. Erst im letz-

Unter Einsatzbedingungen getestet Nach dem Verfahren Huonker wird die Flexschaltung mit aktiven elektro-nischen Bauteilen in das Spritzgießwerk-zeug eingelegt und in Mehrschusstechnik mit einem Kunststoffmantel umspritzt. Dieser Mantel beeinträchtigt Aussehen oder Funktion der elektronischen Bau-teile nicht. Schon die ersten Versuche deuteten in Richtung mediendichter Ver-bund unter den speziellen Konditionen des Lebensdauertests in der Automobil-industrie. Für Fahrzeuge sind mindestens 250 000 km oder 4 500 bis 6 000 Betriebs-stunden als Lebenslaufzeit vorgeschrie-ben. Mit einem Kniff simulieren Inge-nieure und Konstrukteure diese Zeit-spanne: künstliche Alterung, erhöhte Testhäufigkeit und häufigere Nutzungs- und Temperaturzyklen.

Auch in der Klimakammer wurde ge-testet: Die per Gasdruck gemessene Druckdichte ergab eine Abkapselung bis mindestens 6 bar. Per Computertomogra-fie der ummantelten Baugruppe konnten

keinerlei Deformationen oder Lageän-derungen am aktiven elektronischen Bauteil festgestellt werden. Das bei kon-ventionellen Verfahren sonst übliche Aufstecken einer Schutzkappe inklusive Verkleben oder Verschweißen ist damit passé.

Daneben entfällt durch die Verwen-dung einer flexiblen Leiterplatte das Auf-biegen und Trennen mit anschließendem Anlöten eines Stanzgitters zur Kontaktie-rung. Diese Stelle nimmt jetzt die Flex-schaltung mit bereits integriertem Kontaktbereich ein. Sie wird im nicht versteiften Bereich um 90 Grad gebogen und umspritzt. Damit fällt das Stanzgitter ersatzlos weg. Zusätzlich wird mit dem Einsatz der Flexschaltung anstelle einer starren Platine eine Gewichtsreduktion erzielt. In nächsten Schritten sollen die Erkenntnisse an einem seriennahen Bau-teil realisiert werden. Den schnellsten Umsetzungserfolg erwartet man beim Re-Design bereits bestehender Bau-gruppen.

Die Spritzgießtechnik besteht aus mehreren Stufen

NEUE TECHNOLOGIEN Sensible Sensoren sicher geschützt Werden Sensoren beispielsweise in aggres-siven Medien eingesetzt, müssen sie zuver-lässig und dauerhaft geschützt werden. Ein neues Verfahren macht es möglich, aktive elektronische Bauelemente ohne Beschädi-gung und ohne Funktionsbeeinträchtigung zu umspritzen. Erste Versuche belegten die mediendichte Abschottung. Bei dem Ver-fahren kommt eine mehrstufige Spritzgieß-technik zum Tragen. Dabei fallen den Einzel-komponenten unterschiedliche Aufgaben zu. Erst im letzten Arbeitsschritt wird der mediendichte Außenmantel aufgespritzt.

Plastverarbeiter · April 2007 25

Eine Flexschaltung mit integriertem Kontaktbereich