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Schrieb Mose den Pentateuch? Gliederung: 1. Mose als Hauptverfasser des Pentateuch 2. Das Zeugnis der Eigenschaften des Pentateuch 2.1. Der Autor kam aus Ägypten 2.2. Der Autor war an das Leben in der Wüste gewöhnt 2.3. Der Autor war Augenzeuge des Auszugs aus Ägypten… 2.4. Der Autor war ein ausgebildeter Schreiber jener Zeit 3. Das Zeugnis der Bibel 4. Das Zeugnis der Tradition 5. Acht Hauptargumente gegen die mosaische Verfasserschaft 5.1. Mangelndes Selbstzeugnis der Schrift bzw. Fehlen einer Unter- oder Überschrift 5.2. Existenz von Post- und A-Mosaica 5.3. Wechsel der Gottesnamen 5.4. Die Existenz von Dopplungen und Widersprüchen zwischen aufeinan- der folgenden Erzählungen (sog. Dubletten) 5.5. Existenz von Dubletten und Widersprüchen innerhalb eines einzigen Erzählzusammenhangs 5.6. Konkurrierende ethische oder kultische Gesetze 5.7. Unvermittelter Wechsel von Sprache, Stil und Vorstellungwelt 5.8. Die Gesamtlage als literarisches Hauptproblem ---------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Frage, wer den Pentateuch 1 (= die 5 Bücher Mose) verfasst hat, ist weit mehr als eine akademische Streitfrage. Vielmehr hängt daran zu einem guten Teil die histo- rische Glaubwürdigkeit der in diesem biblischen Geschichtswerk geschilderten Ge- schehnisse, zu denen auch die ersten Schritte der Menschheit gehören (biblische Urgeschichte, 1Mose 1-11). Darüber hinaus hat Jesus Christus selber die Ver- fasserschaft des Mose bestätigt (z.B. Joh 5,46). Sollte sich Jesus geirrt haben oder den Irrtum seiner Zeitgenossen nicht korrigiert haben (s.u.)? Trotz dieses Zeug- nisses wird in der Theologie die Auffassung, Mose selber habe den Pentateuch ver- fasst, in der Regel nicht einmal mehr diskutiert. Allerdings ist die aktuelle Forschungslage 2 zur Entstehung des Pentateuch (= die 5 Bücher Mose) insofern chaotisch, da die seit den 70er Jahren vorgetragene Kritik des Wellhausenmodells (Scheidung des Pentateuch in die Quellen J-E-D-P 3 ) in ein beinahe unüberschaubares Spektrum derzeitiger Hypothesenbildung bis hin zum radikalen Thesenverzicht mündete. Kritiker des Wellhausenmodells werfen diesem vor allem dreierlei vor 4 : Weitgehendes Versagen der Quellenscheidungstheorie ab 2Mose 19 bei gleich- zeitig minimalem Konsens der Wellhausenanhänger im Detail Methodische Schwächen des Modells (mechanistisches Verfahren; abzulehnende Kriterien und mangelhaftes Überlieferungsverständnis; methodische Kopflastig- keit) Fragwürdigkeit der vorausgesetzten Religions- und Sozialgeschichte. 1 Penta-teuch (griech.) = das Fünffache, Fünfergebilde (Anm. der THI-Redaktion). 2 Zusammenfassung nach Erich Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament, Studienbücher Theologie, Stutt- gart/Berlin/ Köln: Kohlhammer 1995, S. 69-73. Vgl. N. E. Wagner, Pentateuchal Criticism: No Clear Future, in: Canadian Theological Journal 13 (1967), 225-232. 3 J = Jahwist (ca. 850 v.Chr.), E = Elohist (ca. 750 v.Chr.), D-Deuteronomium (ca. 620 v.Chr.), P = Priester- schrift (ca. 445 v.Chr.). 4 Zenger, aaO., 69-71.

Schrieb Mose den Pentateuch? - elfk.de · Hinzu kommt, dass Wellhausen seine Theorien ohne die Ergebnisse der Archäologie und Altertumswissenschaft quasi am grünen Tisch aufstellte

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Page 1: Schrieb Mose den Pentateuch? - elfk.de · Hinzu kommt, dass Wellhausen seine Theorien ohne die Ergebnisse der Archäologie und Altertumswissenschaft quasi am grünen Tisch aufstellte

Schrieb Mose den Pentateuch? Gliederung:

1. Mose als Hauptverfasser des Pentateuch 2. Das Zeugnis der Eigenschaften des Pentateuch

2.1. Der Autor kam aus Ägypten 2.2. Der Autor war an das Leben in der Wüste gewöhnt 2.3. Der Autor war Augenzeuge des Auszugs aus Ägypten… 2.4. Der Autor war ein ausgebildeter Schreiber jener Zeit

3. Das Zeugnis der Bibel

4. Das Zeugnis der Tradition 5. Acht Hauptargumente gegen die mosaische Verfasserschaft

5.1. Mangelndes Selbstzeugnis der Schrift bzw. Fehlen einer Unter- oder Überschrift

5.2. Existenz von Post- und A-Mosaica 5.3. Wechsel der Gottesnamen 5.4. Die Existenz von Dopplungen und Widersprüchen zwischen aufeinan-

der folgenden Erzählungen (sog. Dubletten) 5.5. Existenz von Dubletten und Widersprüchen innerhalb eines einzigen

Erzählzusammenhangs 5.6. Konkurrierende ethische oder kultische Gesetze 5.7. Unvermittelter Wechsel von Sprache, Stil und Vorstellungwelt 5.8. Die Gesamtlage als literarisches Hauptproblem

---------------------------------------------------------------------------------------------------- Die Frage, wer den Pentateuch1 (= die 5 Bücher Mose) verfasst hat, ist weit mehr als eine akademische Streitfrage. Vielmehr hängt daran zu einem guten Teil die histo-rische Glaubwürdigkeit der in diesem biblischen Geschichtswerk geschilderten Ge-schehnisse, zu denen auch die ersten Schritte der Menschheit gehören (biblische Urgeschichte, 1Mose 1-11). Darüber hinaus hat Jesus Christus selber die Ver-fasserschaft des Mose bestätigt (z.B. Joh 5,46). Sollte sich Jesus geirrt haben oder den Irrtum seiner Zeitgenossen nicht korrigiert haben (s.u.)? Trotz dieses Zeug-nisses wird in der Theologie die Auffassung, Mose selber habe den Pentateuch ver-fasst, in der Regel nicht einmal mehr diskutiert. Allerdings ist die aktuelle Forschungslage2 zur Entstehung des Pentateuch (= die 5 Bücher Mose) insofern chaotisch, da die seit den 70er Jahren vorgetragene Kritik des Wellhausenmodells (Scheidung des Pentateuch in die Quellen J-E-D-P3) in ein beinahe unüberschaubares Spektrum derzeitiger Hypothesenbildung bis hin zum radikalen Thesenverzicht mündete. Kritiker des Wellhausenmodells werfen diesem vor allem dreierlei vor4:

Weitgehendes Versagen der Quellenscheidungstheorie ab 2Mose 19 bei gleich-zeitig minimalem Konsens der Wellhausenanhänger im Detail

Methodische Schwächen des Modells (mechanistisches Verfahren; abzulehnende Kriterien und mangelhaftes Überlieferungsverständnis; methodische Kopflastig-keit)

Fragwürdigkeit der vorausgesetzten Religions- und Sozialgeschichte.

1 Penta-teuch (griech.) = das Fünffache, Fünfergebilde (Anm. der THI-Redaktion). 2 Zusammenfassung nach Erich Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament, Studienbücher Theologie, Stutt-

gart/Berlin/ Köln: Kohlhammer 1995, S. 69-73. Vgl. N. E. Wagner, Pentateuchal Criticism: No Clear Future, in:

Canadian Theological Journal 13 (1967), 225-232. 3 J = Jahwist (ca. 850 v.Chr.), E = Elohist (ca. 750 v.Chr.), D-Deuteronomium (ca. 620 v.Chr.), P = Priester-

schrift (ca. 445 v.Chr.). 4 Zenger, aaO., 69-71.

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Hinzu kommt, dass Wellhausen seine Theorien ohne die Ergebnisse der Archäologie und Altertumswissenschaft quasi am grünen Tisch aufstellte. Ohne im Einzelnen auf gegenwärtige Trends der Hypothesenbildung einzugehen5, kann festgestellt werden, dass sich die Pentateuchforschung in einer geradezu heil-losen Verwirrung befindet. Aufgrund dieser Situation und in folge der inzwischen weithin erkannten Ungenügsamkeit des Wellhausenmodells sei es gestattet, die Ar-gumente zugunsten der Verfasserschaft des Mose erneut unvoreingenommen und ernsthaft zu prüfen. Dabei wird mancher, der aufgrund des Monopols der histo-risch-kritischen Methode an unseren Universitäten nur einseitig informiert wurde, überrascht sein, dass die These von der mosaischen Hauptverfasserschaft des Pen-tateuch in puncto Plausibilität durchaus konkurrenzfähig - nach Überzeugung des Autors sogar überlegen – ist. Die Verfasserfrage des Pentateuch ist von äußerster Wichtigkeit, weil sie nicht nur das Verständnis des Inhalts und der Theologie des

Pentateuch maßgeblich bestimmt, sondern mit ihr die Rekonstruktion der israeliti-schen Religionsgeschichte steht und fällt. Nachfolgend wird die These der mosaischen Hauptverfasserschaft6 des Pentateuch kurz erläutert und mit den Eigenschaften des Pentateuch, dem Zeugnis der Bibel und der Tradition begründet. In einem weiteren Artikel (der in der nächsten Nr. der THI folgt) werden die Ein-wände gegen die mosaische Verfasserschaft entkräftet und die Schwächen der kriti-schen Position aufgezeigt.7 1. Mose als Hauptverfasser des Pentateuch Durch die Kennzeichnung Moses als den Verfasser des Pentateuch wird die grund-legende literarische Einheit des Pentateuch postuliert und die Fiktion einer mehrere Jahrhunderte in Anspruch nehmenden literarischen Evolution des Pentateuch un-ter Mitwirkung verschiedener Autoren, Redaktoren, theologischer Schulen usw. ent-schieden verneint. Einschränkend ist jedoch zuzugeben, dass

Josua oder ein Unbekannter den Bericht vom Tod Moses (5Mose 34,5-12) unter der Leitung des Heiligen Geistes als Epilog anfügte;

im Laufe der schriftlichen Überlieferung des Pentateuch kleinere Ergänzungen bzw. Aktualisierungen veralteter Ortsbezeichnungen oder Namen vorgenommen wurden und

5 Derzeitige Trends der Hypothesenbildung sind (n. Zenger, aaO., S. 71-73):

1. Verzicht auf die diachrone [= Betrachtung in geschichtlicher Entwicklung] Fragestellung zugunsten einer

synchronen [= gleichzeitigen] Interpretation des vorliegenden Endtextes des Pentateuch (B. S. Childs; viele

amerikanische und angelsächsische Forscher);

2. Vermehrung der Wachstumsstufen des Pentateuch durch Annahme zusätzlicher Quellen, Vorlagen und

Redaktionsschichten (L.Ruppert, P. Weimar);

3. Abschied vom Quellenmodell und Rückgriff auf das Grundschriftmodell (N. Rose, J. van Seters, N. Whyb-

ray);

4. Abschied vom Quellenmodell und Rückgriff auf das Erzählkranzmodell (R. Rendtorff, E. Blum, R. Al-

bertz);

5. Kombination von Erzählkranzmodell und reduziertem Quellenmodell JG [= Jerusalemer Gemeinde], P, D

(W. h. Schmidt, E. Zenger).

Vgl. dazu weiterführend den Hinweis in THI-Anmerkung 7! 6 Bekannte Vertreter dieser These im 20. Jh. sind: Der Jude Benno Jakob, Der Pentateuch (1905); Wilhelm

Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Moses, Bad Salzuflen: 1931; Oswald T. Allis, The Five Books of

Moses, 2. Aufl. (1943) , Philadelphia: 1949; Edward J. Young, Introduction to the Old Testament, Grand Ra-

pids/Michigan 1954, S. 105-154; G. L. Archer, Einleitung in das Alte Testament, Bd. 1, Übers. aus dem Amerik.

(1964/74), Bad Liebenzell: VLM 1987, S. 97-227; Samuel R. Külling, in: Fundamentum, 3 (1981), 30-47 (bes.

Literaturverzeichnis S. 44-47); Cleon Rogers, Die Entstehung des Pentateuch, in: Fundierte Theologische Ab-

handlungen, Bd. 3, Wuppertal: Verlag der Schriftenmission, 1985, S. 7-63. 7 Zu dieser Artikelserie gehört noch ein dritter Beitrag, der sich ausführlich mit der historischen Entwicklung

und dem gegenwärtigen Stand der Pentateuchkritik beschäftigt. Diesen Beitrag werden wir hier nicht abdrucken.

Er kann aber als Kopie über die THI-Redaktion bezogen werden.

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Mose namentlich in der Genesis (= 1Mose) auf literarische Quellen zurückgriff.8 Die zur Abfassung des Pentateuch nötige Information erhielt Mose auf dreierlei Ar-ten: 1. Seine Ausbildung am ägyptischen Hof eröffnete ihm Zugang zum gesammelten

Geschichtswissen seiner Zeit, sei es in Form schriftlicher Quellen (vgl. z.B. Ge-nealogien, Königslisten 1Mose 36,31ff) oder mündlicher Traditionen (Geschich-te Israels), und versetzte ihn methodisch und schriftstellerisch in die Lage, ein solches Geschichtswerk zu schaffen.

2. Als Augenzeuge des Auszugs und der Wüstenwanderung kannte er den weitaus größten Teil des Inhalts des Pentateuch aus eigener Anschauung (2Mose 2,11 - 5Mose 34,4).

3. Seine einzigartige geistliche Führungsposition in Israel machte ihn zum einzig-artigen Empfänger göttlicher Direktoffenbarungen (2Mose 33,9-11), was beson-ders in 2Mose 20 - 3Mose 27 seinen Niederschlag findet.

Die Vernachlässigung dieser entscheidenden Informationsquellen Moses seitens der historisch-kritischen Theologie musste daher zwangsläufig zu fatalen Ergebnissen hinsichtlich der "Quellen" des Pentateuch führen. 2. Das Zeugnis der Eigenschaften des Pentateuch9 2.1. Der Autor kam aus Ägypten10 Der ägyptische Hintergrund des Verfassers des Pentateuch zeigt sich:

in den zahlreichen exakten und stets zutreffenden Beschreibungen des Landes Ägypten, seiner Geographie, Institutionen, Sitten, Geschichte, Tier- und Pflan-zenwelt11, die nach Albright "als späte Erfindung unerklärlich wären"12

in der Verwendung ägyptischer Eigennamen13 und Worte, die in der Regel ägyp-tische Gegenstände bezeichnen und erst später Bestandteil des hebräischen Sprachschatzes wurden14 und

in der Erzählperspektive, wonach der Autor sich außerhalb Kanaans befindet.15 Der unleugbare ägyptische Hintergrund des Pentateuch, gepaart mit seiner Ge-

8 R. K. Harrison, Introduction to the Old Testament, Grand Rapids/Michigan 1973, S. 543-553 und vor allem P.

J. Wisemann, Die Entstehung der Genesis, Das erste Buch der Bibel im Licht der archäologischen Forschung,

Übers. aus dem Engl., 4. Aufl., Wuppertal: Brockhaus 1987. 9 Vgl. die sehr guten Ausführungen bei Archer, a.a.O., S. 137-149. 10 Bahnbrechend hier E. W. Hengstenberg, Die Bücher Moses und Ägypten, Berlin: 1841; sowie A. S. Yahuda,

Die Sprache des Pentateuch in ihrer Beziehung zum Ägyptischen, Berlin-Leipzig 1929. 11

Die genaue Kenntnis der ägyptischen Kultur und Institutionen seitens des Verfassers belegte bereits Hengs-

tenberg aus allen Teilen des Pentateuch (z.B. 1Mose 40,16; 41,14; 44,5; 50,2f+26; 2Mose 2,3; 4Mose 11,5;

5Mose 7,15; 11,10f; 28,27+60). Besonders der Bericht über die Plagen ist eng mit Kultur, Religion, Land und

Geschichte Ägyptens verbunden. Vgl. J. J. Davis, Moses and the Gods of Egypt, Studies in Exodus, Grand Rap-

ids: Baker Bakhaus 1975. Die in 2Mose 25,5; 36,19; 3Mose 11,5; 4Mose 11,5; 5Mose 14,5 u.a. beschriebenen

ägyptischen Pflanzen und Tiere existieren in Palästina zumeist nicht. 12

W. F. Albright, From Stone Age to Christianity, S. 242. 13

Vgl. William Ward, Egyptian Titles in Genesis 39-50, in: Bibliotheca Sacra 114 (1/1957), 40-59. Am bekann-

testen sind die ägyptischen Namen Josefs in 1Mose 41,43+45 sowie der Name "Mose", der aus dem Hebräischen

stammt und von den Ägyptern lediglich übernommen wurde, doch stimmen die meisten Forscher heute darin

überein, dass dieser Name von der ägyptischen Wurzel "ms" (= Kind) bzw. "mss" (= geboren werden) herrührt

und "Wassersohn" bedeutet. Vgl. Kenneth A. Kitchen, Moses, in: New Bible Dictionary, S. 843 und Victor P.

Hamilton, Moses, in: TWOT I,529f. 14

Zu nennen sind hier das Wort "Fluss" in 1Mose 41,1ff; 2Mose 1,22; 2,3; 7,15ff, das fast ausschließlich den Nil

bezeichnet; "Gras", "Ried" als Viehweide in sumpfigen Gegenden in 1Mose 41,2+18; "Pharao" als Titel und

Name ägyptischer Könige in 1Mose 41,41+46; 2Mose 1,10 usw. entsprechend der Verwendung in antiken Ur-

kunden. Wären betreffende Stellen des Pentateuch erst während oder nach Salomo verfasst, wäre neben dem

Titel "Pharao" auch der betreffende Name des ägyptischen Königs zu erwarten (vgl. 1Kön 11,40). Dies ist aber

im Pentateuch nirgends der Fall. 15 Die Tatsache, dass praktisch im gesamten Pentateuch das Land Palästina stets mit Ägypten verglichen wird

und nicht umgekehrt (vgl. 1Mose 13,10; 4Mose 13,22; 5Mose 11,10f u.v.a.) sowie Wendungen wie in 1Mose

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nauigkeit besonders in nachweislich sehr alten Angaben, findet seine plausible Erklärung in der Autorschaft Moses, der "gelehrt war in aller Weisheit der Ägyp-ter" (Apg 7,22).

2.2. Der Autor war an das Leben in der Wüste gewöhnt Die genauen Lagerbeschreibungen in 4Mose, die detaillierte Beschreibung der Stiftshütte als transportables Zelt, die geübte Beobachtungsgabe hinsichtlich der Tier- und Pflanzenwelt16, sowie die lebensnahen Schilderungen menschlicher Le-bensgewohnheiten in der Wüste können unmöglich aus der Feder eines Schriftstel-lers stammen, der die Wüste nicht selbst erlebt hatte. Typisch sind die zahlreichen, aus der Naturbeobachtung gewonnenen Wendungen in Prosatexten.17 Auch hin-sichtlich dieser Eigenschaft des Pentateuch bietet sich Mose als Verfasser an, da er nicht weniger als 80 Jahre seines Lebens in der Wüste verbrachte.

2.3. Der Autor war Augenzeuge des Auszugs aus Ägypten und der 40-jährigen Wüstenwanderung des Volkes Israel Obwohl der Inhalt des Pentateuch einen Zeitraum von mehreren tausend Jahren umfasst, beschränkt sich 2Mose 3 - 5Mose 34 auf die Schildung einer Zeitspanne von rund 40 Jahren, die wiederum sehr ungleichmäßig verteilt sind. Der umfang-reiche Abschnitt 2Mose 12,37 - 4Mose 10,10 reflektiert die ersten 14 Monate nach dem Auszug, innerhalb dessen die 27 Kapitel des Buches Leviticus (= 3Mose) ganze 50 Tage umfassen. Bedenkt man ferner, dass das Buch Deuteronomium (= 5Mose) den Anspruch erhebt, die Reden des Mose in dessen letzten beiden Lebensmonaten zu enthalten, bedeutet dies, dass mehr als die Hälfte des Pentateuch Ereignisse aus nur 16 Lebensmonaten des Mose berichtet. Allein diese inhaltliche Zusammenset-zung des Pentateuch spricht stark gegen einen jahrhundertelangen Entstehungs-prozess und für Mose als Autor, der Israels Auszug aus Ägypten und die vierzigjäh-rige Wüstenwanderung des Volkes Israel an vorderster Front miterlebte. Dem ent-spricht, dass 2Mose 2,11 - 5Mose 34 alle Merkmale eines typischen Augenzeugen-berichts aufweist, wie Interesse an genauer chronologischer Folge der miterlebten Ereignisse18, lebendige Schilderung der Ereignisse19 und Weitergabe einer unüber-sehbaren Fülle von Details.20 Hinzu kommt, dass 2Mose 2,11 - 5Mose 34 vollstän-dig aus der Perspektive Moses berichtet. Er ist nicht nur Hauptfigur fast aller histo-risch-erzählenden Teile ab 2Mose 2, sondern auch der alleinige Vermittler überaus umfangreicher Direktoffenbarungen Gottes.

Diese Überlegungen dürften hinreichend den Schluss begründen, dass der Ver-fasser 2Mose 2,11 - 5Mose 34 als Augenzeuge beiwohnte. Ist diese Konsequenz aus der Eigenart des Pentateuch aber einmal akzeptiert, dann gibt es keinen stichhalti-gen Grund an der Verfasserschaft Moses zu zweifeln, da außer ihm nur noch Josua und Kaleb Augenzeugen dieser gesamten Zeitspanne waren.

33,18 die "Stadt Sichem, die im Land Kanaan ist" erwecken den Eindruck, dass sich der Schreiber außerhalb

Kanaans befand und stets auf den Bezugspunkt Ägyptens zurückgriff, der ihm und seinen Lesern aus eigener

Anschauung bekannt war. 16 2Mose 3,1-3; 3Mose 16,10; 4Mose 10,11-31; 11,32; 14,29-34; 5Mose 23,12f u.a. 17 Vgl. 2Mose 10,5.15; 19,4; 24,17; 4Mose 11,22; 22,4f.11; 27,17; 5Mose 1,31+44; 4,24; 9,3; 28,13; 28,44.49;

29,18f; 32,11 u.a. 18 Vgl. 2Mose 13,4; 16,1; 19,1; 40,17; 4Mose 1,1+18; 9,1; 10,11; 20,1; 33,1-39; 5Mose 1,3 u.a. 19 Besonders die lebensnahe, packende Schilderung der Ereignisse vor, während und nach Israels Auszug aus

Ägypten wie Berufungsgeschichte 2Mose 3; Kampf mit Pharao 2Mose 7-10; goldenes Kalb und Moses Fürbitte

2Mose 32-33; Aussendung und Bericht der Kundschafter und die Folgen 4Mose 13-14; Aufruhr der Rotte Kor-

ahs 4Mose 16 u.a. 20 Z.B. die exakte Lagerplatzbeschreibung (2Mose 15,27), die minutiöse Schildung der Materialien und des

Baus der Stiftshütte (2Mose 35-40), die Beschreibung des Manna (4Mose 11,7f), welches der Verfasser offenbar

selbst gekostet haben muss, die Liste der Aufenthaltsorte während der Wüstenwanderung (4Mose 33). Die Fülle

der Details in 2Mose und 4Mose steht übrigens im auffallenden Gegensatz zu 1Mose.

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2.4. Der Autor war ein ausgebildeter Schreiber jener Zeit

Die hervorragende schriftstellerische Fähigkeit des Verfassers zeugt von einer spezi-ellen Ausbildung und ist neben der Offenbarungsqualität des Inhalts Grund für die einzigartige Wirkungsgeschichte des Pentateuch. Der Autor war mit den litera-rischen Fertigkeiten der damaligen Zeit bestens vertraut und benutzte verschiedene Gattungen, Stile, Bilder, Wortspiele usw., wovon die formgeschichtliche Erfor-schung des Pentateuch auf ihre Weise Zeugnis ablegt. Interessanterweise unter-scheidet sich der Stil des Pentateuch wesentlich von allen anderen Büchern des AT. Sein antiquierter Charakter zeigt sich sowohl in der Semantik und Phraseologie, als auch in grammatikalischen und formalen Eigenarten21, was wiederum gegen eine späte Abfassung durch die Hand mehrerer Autoren spricht. Mose dagegen besaß sowohl die schriftstellerischen Voraussetzungen für die Konzeption des Pentateuch, als auch die geistliche Kompetenz für dessen Wirkungsgeschichte.

Berücksichtigt man die Eigenschaften des Pentateuch hinreichend und unvorein-genommen, dann kann man sich dem Urteil nicht verschließen, dass mit an Sicher-heit grenzender Wahrscheinlichkeit Mose allein die biographischen, literarischen, geistigen und geistlichen Voraussetzungen für seine Autorenschaft vereinigt. 3. Das Zeugnis der Bibel Die Beweisstellen des Pentateuch umfassen direkte Schreibbefehle Gottes an Mose (z.B. 2Mose 17,14; 34,27) und Zeugnisse vom Schreiben Moses (2Mose 24,4; 4Mose 33,2; 5Mose 31,9.22.24). Darüber hinaus wird der Inhalt des Deuteronomiums aus-drücklich auf Mose zurückgeführt (5Mose 1,1-5; 4,44f). Dieser Befund ist aber nicht mit Sellin (Einleitung, 16) dahingehend zu deuten, dass nur bestimmte, besonders gekennzeichnete Abschnitte wie z.B. 2Mose 17 (Fluch über die Amalekiter), 2Mose 20-23 (Bundesbuch) und 5Mose 32 (Lied Moses) von Mose verfasst wären. Dagegen spricht, dass der Pentateuch nur Mose als Schreiber bezeugt und von keinem Ver-fasser des AT so oft dokumentiert ist, dass er schrieb. Außerdem legen bestimmte Wendungen (vgl. 2Mose 24,4 "alle Worte Jahwes"; 5Mose 31,24 "die Worte ganz ausgeschrieben" u.a.) den Schluss nahe, dass Mose auch für die Niederschrift anderer Teile des Pentateuch zuständig ist, zumal mehr-fach gesagt wird, dass er in ein Buch schrieb (2Mose 17,14; 5Mose 28,58; 31,24). Von einer späteren Ergänzung des Gesetzbuches Moses bzw. von dessen Über-

nahme in das Werk eines anderen schweigt die Schrift gänzlich. Besonders der prophetische Charakter des Pentateuch spricht für Mose als Autor. Die Prophetenformel "Und der Herr sprach zu Mose" (über 150 mal in 2Mose-Num) leitet meist umfangreiche Jahweworte mit Mose als alleinigen Hörer ein. Folglich ist es „äußerst unwahrscheinlich zu meinen, dass ausgerechnet der größte Prophet des AT (4Mose 12,6-8; 5Mose 34,10) diese nur ihm übermittelten Offenbarungen nicht selbst aufgeschrieben haben soll. Am deutlichsten wird dies wohl am 3. Mosebuch sichtbar, wo fast alle Kapitel (vgl. Kap. 1,4,6,8,11-25,27) mit dem Satz beginnen: "Und der Herr sprach zu Mose" und manche Kapitel ganze Sammlungen solcher Jahweworte enthalten (vgl. 3Mose 6,1.8.19.24; 22,1.17.26; 23,1.9.23.26.33). Wie soll diese Fülle komplizierter, gesetzlich-kasuistischer22 Anweisungen, die innerhalb eines Zeitraumes von nur 50 Tagen geoffenbart wurden, ohne sofortige Niederschrift durch Mose bewahrt und den Priestern, Leviten und dem ganzen Volk Israel gelehrt worden sein? Bedenkt man, dass 3Mose in der Hauptsache eine Sammlung von Gottesworten darstellt, dann fällt es schwer zu glauben, dass der Prophet Mose die-ses Buch nicht geschrieben haben soll. Vielmehr müssen sich die Kritiker die Frage gefallen lassen, wie ein anderer als Mo-se in der Lage gewesen sein sollte, diese Offenbarungen niederzuschreiben? Dies

21 Beispiele siehe bei C. F. Keil/F. Delitzsch, Commentary on the Old Testament, Vol. 1: The Pentateuch,

Grand Rapids, Michigan, repr. 1981, I,23 und C. F. Keil, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die

kanonischen (seit 1859: und apokryphischen) Schriften des AT, 3. Aufl. Gütersloh: 1873. 22

Kasuistisch = einen Einzelfall beteffend (Anm. THI-Red.).

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gilt nun nicht nur für das Buch Leviticus (3Mose) allein, sondern für alle Gespräche zwischen Gott und Mose, z.B. Moses Gebetskämpfe, Opfergesetze, Bundesbestim-mungen, Festtagskalender, Anweisungen zum Bau der Stiftshütte usw., die nur Mose wahrheitsgetreu wiedergeben konnte. Die Annahme einer späten und allmäh-lichen Entwicklung des Pentateuch wird dem Offenbarungscharakter, den ein er-heblicher Teil des Pentateuch zweifellos beansprucht, keinesfalls gerecht, sondern degradiert diese Stücke, ob gewollt oder nicht, zur frommen Dichtung. Die gött-lichen Gesetze sind dann keine göttlichen Gesetze mehr, sondern nur mit einer Bo-tenformel fromm getarnte menschlich-religiöse Einrichtungen, wie wir sie aus der Religionsgeschichte zur Genüge kennen. Auch das übrige AT zeigt ein starkes und einheitliches Bewusstsein der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch, das so zusammengefasst werden kann: 1. Das Buch des Gesetzes Mose lag bereits unmittelbar nach dem Tod Moses vor

(Jos 1,7f; 8,31, 22,5; 23,6) und bildete die Handlungsgrundlage der Israeliten unter Josua und darüber hinaus in der gesamten alttestamentlichen Periode (vgl. Mal 4,4).

Beweisstelle Inhalt Pentateuchstelle Jos 1,13; Anteil der 2 1/2 Stämme bei 4Mose 32,20-22; 4,12; 22,2 der Landnahme 5Mose 3,18-20 u.a. Jos 8,31 Altargesetz 2Mose 20,25 Jos 8,30-35 Fluch und Segen auf Ebal und 5Mose 11,29-32 Garizim Jos 11,12ff.20 Banngesetz 5Mose 20,16-18 Jos 11,23 Landnahme 2Mose 33,2 u.a. Jos 14,6.9f Verheißung an Kaleb 4Mose 14,24.30 Jos 17,4 Erbgesetz (Sonderfall) 4Mose 27,2-11 Jos 20,2 Gesetz der Freistädte 2Mose 21,13;

4Mose 35,6.9-28; 5Mose 19,1-13 Jos 21,2f.8 48 Levitenstädte 4Mose 35,2-8 Jos 21,45;23,14 Segensverheißung an Israel 4Mose 33,53 1Kön 8,56 Jos 23,15 Unheilsverheißung an Israel 3Mose 26,14-39; 5Mose 28,15-68 1Kön 8,53 Absonderung Israels 2Mose 19,5-6 2Kön 14,6; Totschlägergesetz 5Mose 24,16 2Chr 25,4 Esr 3,2; tägliches Brandopfer 2Mose 29,38-42 1Chr 16,40 2Chr 23,18 Ordnung der Brandopfer Num 28; 3Mose 1; 3Mose 6,1-6

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2Chr 31,3;35,12 Opfergesetze 3Mose 1-7 2Chr 30,15f Passaordnung 2Mose 12; 3Mose 23,5 Esr 6,18 Priester- und Levitendienst 3Mose 8-10 Neh 13,1 Fluch über Moabiter und 5Mose 23,4-5 Ammoniter Neh 8,1.14 Wohnen in Laubhütten 3Mose 23,42f ________________________________________________________________ 2. Alle Propheten des AT beziehen sich auf das Gesetz Moses, egal ob es sich um

ethisch-legislative, historische oder prophetische Stücke des Pentateuch han-delt.

3. Das unter Josia ca. 612 v.Chr. bei der Tempelrenovierung aufgefundene Ge-

setzbuch wird eindeutig Mose zugeschrieben (2Chr 34,14) und ist demnach nicht erst in jener Zeit entstanden.

4. Das AT sieht das Gesetz des Mose als Einheit, wobei von späteren Ergän-

zungen, Redaktionen etc. nichts berichtet wird (s. die Warnung in 5Mose 4,2). Auch wird nirgends im AT für irgendeinen Teil des Pentateuch ein von Mose zu unterscheidender Verfasser erwähnt oder nahe gelegt, sondern immer und aus-schließlich von Mose als dessen Urheber ausgegangen.

Im NT finden sich drei Arten von Belegstellen zugunsten der mosaischen Verfasser-schaft des Pentateuch:

Eine erste Gruppe bezeugt, dass Mose schrieb. Allgemein bekannt war, dass Mose vom Messias geschrieben hat (Joh 1,45), was Jesus ausdrücklich bestätigt (Joh 5,46).23 Ferner bezeugen Mk 12,19 und Lk 20,28 die von Jesus nicht korri-gierte Meinung der Sadduzäer, dass Mose 5Mose 25,5+6 (vgl. auch 1Mose 38,8) geschrieben hat.24 Mit den oben genannten Stellen werden nun ausdrücklich solche Verse Mose zugeschrieben, die im Pentateuch nicht explizit25 als Schrei-ben Moses gekennzeichnet waren.

Aus einer zweiten Gruppe neutestamentlicher Belegstellen können wiederum Rückschlüsse auf den Inhalt des "Gesetzes Mose" gezogen werden:

Belegstelle Inhalt Pentateuchstelle ________________________________________________________________ Mk 12,26 par. Gottesbezeichnung 2Mose 3,2.6 Mk 1,44 par. Reinigungsopfergebot 3Mose 14,1-20 Mk 7,10 Ehren der Eltern 2Mose 20,12; 5Mose 5,16 Mk 10,3ff par: Ehegesetz 5Mose 24,1; 1Mose 1,27; 2,25

23 Nach Apg 3,22f und 7,37 ist dabei zunächst an 5Mose 18,15+18 zu denken. Walter C. Kaiser, The Messiah

in the Old Testament, Grand Rapids/Michigan: Zondervan, 1995, S. 36-61 zählt sechs messianische Weissagun-

gen des Pentateuch: 1Mose 3,15 (Same); 1Mose 9,27 (wohnen in den Hütten Sems); 1Mose 12,1-3 (alle Ge-

schlechter werden gesegnet); 1Mose 49,8-12 (Shiloh); 4Mose 24,15-19 (Stern) und 5Mose 15,15-18 (Prophet). 24

Interessanterweise ergibt ein Vergleich der Parallelstellen, dass die Wendung "Mose hat geschrieben" (Mk

12,19; Lk 20,28) synonym gebraucht wurde zur etwas unschärferen Aussage "Mose hat gesagt" (Mt 22,24). 25

Explizit = ausdrücklich (Anm. THI-Red.).

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Joh 1,17; 7,19 das Gesetz allgemein -- Joh 7,22f Beschneidungsgebot 3Mose 12,3 Joh 8,5 Strafe für Ehebrecher 3Mose 20,10; 5Mose 22,22 Röm 10,5 Gesetzesgerechtigkeit 3Mose 18,5 Röm 10,19 Reizung Israels 5Mose 32,21 1Kor 9,9 Lohnprinzip 5Mose 25,4 ________________________________________________________________

Wiederum werden ethisch-legislative, historische und prophetische Teile des Pentateuch als "Gesetz Moses" bezeichnet. Die letztgenannte Stelle führt erstmals eine Genesisstelle auf Mose zurück, da Jesu Frage in Mk 10,3: "Was hat euch Mose geboten?" ja gerade nicht auf 5Mose 24,1 (Scheidungsgesetz) zielt, sondern auf 1Mose 1,27 + 2,25 (Schöp-fungsordnung, vgl. Mk 10,6-9).

Schließlich führt eine dritte Gruppe (Lk 16,29+31; 24,27+44; Apg 15,21; 28,23; 2Kor 3,15) den gesamten Pentateuch pauschal auf Mose zurück. Bemerkenswert ist die Aussage Jesu in Joh 5,46f: "Denn wenn ihr Mose glaubtet, so würdet ihr auch mir (= Jesus) glauben, denn er (= Moses) hat von mir geschrieben. Wenn ihr aber seinen Schriften (!) nicht glaubt, wie werdet ihr meinen Worten glau-ben?" Alle diese Stellen gehen geradezu selbstverständlich davon aus, dass Mose der Verfasser des gesamten Pentateuch ist. Diese Aussage findet sich nicht nur im Mund führender jüdischer Theologen, sondern auch bei den Aposteln und vor allem bei Jesus selbst. Dieser Tatbestand wird meist mit dem Einwand zu entschärfen versucht, dass Jesus lediglich die Meinung des Judentums über-nommen habe und sie entweder nicht als fehlerhaft erkannte oder nicht wider-legen wollte. Diese Auffassung widerspricht aber dem Christuszeugnis des NT. Die Annahme, dass Jesus die wahren Entstehungsverhältnisse des Pentateuch nicht gekannt hätte, ist mit seiner theologischen Kompetenz (Joh 1,18; 7,16f) unvereinbar. Auch war es nicht Jesu Art und Haltung gewesen, theologische Fehler zu akzeptieren. Im Gegenteil scheute Jesus keine Auseinandersetzung, wenn es um die Wahrheit ging. Naheliegender ist, dass Jesus die jüdische Mei-

nung deshalb akzeptierte, weil er wusste, dass Mose den Pentateuch geschrie-ben hat. Es überrascht daher nicht, dass die Theologen, die die mosaische Ver-fasserschaft des Pentateuch ablehnen, gemäß Joh 5,46f auch Jesus nicht glau-ben, indem sie z.B. verschiedene Jesusworte im NT für unecht erklären und als spätere Gemeindebildung verstehen wollen. Für Nachfolger Jesu hingegen sollte das Zeugnis Jesu entscheidend sein, die mosaische Verfasserschaft des ge-samten Pentateuch zu akzeptieren.

4. Das Zeugnis der Tradition Das biblische Zeugnis von der Verfasserschaft Moses wird nun durch das Zeugnis der Tradition eindrucksvoll bestätigt. Tatsache ist, dass die Juden vor, während und nach der Zeit Jesu26 die mosaische Verfasserschaft des Pentateuch allgemein, ununterbrochen27 und unabhängig vom eigenen theologischen Standort28 akzeptier-

26 Vgl. Sir 45,6; 2Makk 7,30, die NT-Belege sowie Bab-Bathra 14b-15a. 27

Joachim Jeremias dokumentiert in seinem ausführlichen Artikel in: TWNT IV,852-878 eine lückenlose Tradi-

tion von der mosaischen Verfasserschaft des Pentateuch. Vgl. auch Wayne A. Meeks, The Prophet King, Lei-

cester 1967. 28

Als Beispiele können Philo (De Op. Mun.; Vit. Mos. 3,39), Josephus (Ant. Jud. I,18ff; IV, 8,48) und die Sekte

von Qumran (1QS 1,3; 5,8; 8,.15.22; CD 5,8.18.21; 8,14 u.a.; M 10,9; H 17,12; 4QFI 2,3; 4QT 1) angeführt

werden.

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ten. Es ist sicher kein Kennzeichen von Wissenschaftlichkeit, sondern negative Frucht aufklärerischen Denkens, wenn man diese starke Tradition einfach vom Tisch fegt. Die Vertreter der historisch-kritischen Meinung haben nicht nur die schwierige Aufgabe, Entstehung und lückenlose Weitergabe dieser angeblich fal-schen Tradition überzeugend zu erklären, sondern auch die moralische Pflicht dar-zulegen, wie die von ihnen postulierte allmähliche Entstehung des Pentateuch in der Geschichte keine Spuren hinterlassen konnte. Wie könnte ein angenommener schriftlicher Entstehungsprozess des Pentateuch vom 10. Jh. v.Chr. (J) bis zur En-dreaktion des Pentateuch um 400 v.Chr. vergessen werden oder vergessen gemacht werden? Zusammenfassend lässt sich konstatieren, dass die These von der mosaischen Ver-fasserschaft des Pentateuch in puncto Plausibilität durchaus konkurrieren kann: Erstens deuten verschiedene markante Eigenschaften des Pentateuch auf Mose als

Verfasser. Zweitens ist es das übereinstimmende Zeugnis der ganzen Heiligen Schrift und besonders die Meinung Jesu und der Apostel, dass Mose den Penta-teuch verfasste. Drittens wird diese These durch eine lückenlose Tradition ein-drucksvoll bestätigt.

[2. Teil]

5. Acht Hauptargumente gegen die mosaische Verfasserschaft Im 1. Teil unseres Beitrages (vgl. THI 2002/2) zur Frage der Verfasserschaft der 5 Bücher Mose (Pentateuch) wurden zunächst biblische Gründe für eine Verfasser-schaft des Mose vorgestellt. Jetzt sollen acht Hauptargumente genannt und kritisch kommentiert werden, die gegen Mose als Autor des Pentateuch vorgebracht wer-den.29 Die Kritik an diesen acht Argumenten kommt traditionell aus dem bibel-treuen Lager30, z.T. aus dem Judentum31 und auch - unter Beibehaltung einer kriti-schen Gesamthaltung - aus dem kritischen Lager.32

29

E. Zenger u.a., Einleitung in das Alte Testament, Stuttgart/Berlin/Köln 1998, S.88-103 erwähnt nur noch die

Argumente 3-8. 30

C. F. Keil, Lehrbuch der historisch-kritischen Einleitung in die kanonischen (seit 1859: und apokryphischen)

Schriften des AT, Gütersloh ³1873. W. Möller, Die Einheit und Echtheit der 5 Bücher Moses, Bad Salzufflen

1931, sowie: Einleitung in das Alte Testament, Zwickau 1934. O.T. Allis, The Five Books of Moses, 1943,

(Philadelphia ²1949). E. J. Young, An Introducion to the Old Testament, Grand Rapids/Michingan ²1954. M. G.

Unger, Introductory Guide to the OT, Grand Rapids 1973. G. L. Archer, Einleitung in das Alte Testament

(amerik. Originaltitel: Old Testament Survey, 1964/74), Bad Liebenzell 1987. S. R. Külling, Zur Datierung der

Genesis P-Stücke (Dissertation), Kampen: 1964, sowie; Fundamentum 3 (1981), S. 30-47 (bes. Literaturver-

zeichnis S. 44-47); C. Rogers, Die Entstehung des Pentateuch, in: Fundierte Theologische Abhandlungen, Bd. 3,

Wuppertal 1985, S. 7-63. 31

B. Jacob, Das erste Buch der Tora, Genesis übersetzt und erklärt, Berlin 1934 und New York 1974. Jacob be-

handelt die kritische Meinung sehr ausführlich und bringt starke Beweise dagegen, obwohl er die mosaische

Verfasserschaft ablehnt. C. H. Gordon, Higher Critics and Forbidden Fruit, in: Christianity Today 4 (1959). Der

jüdische Gelehrte Gordon, der sich nach dem 2. Weltkrieg aus wissenschaftlichen Gründen von der Quellen-

scheidungstheorie distanzierte, behauptet in diesem Artikel, dass niemand die veraltete Quellentheorie aufgeben

will, da diese Theorie immer noch Kriterium interkonfessioneller akademischer Anerkennung ist. Gordon ver-

sucht dann anhand der Archäologie die verschiedenen Schwächen der Quellentheorie aufzudecken. U. Cassuto,

The Documentary Hypothesis and the Composition of the Pentateuch, Jerusalem 1961, sowie: A Commentary on

the Book of Genesis I-II. Jerusalem 1961-64, bestreit vehement die argumentative Basis der Quellentheorie und

vertritt die Einheit des Pentateuch. Als Entstehungszeit postuliert er die davidisch-salomonische Ära. M. H.

Segal, The Pentateuch its Composition and its Authorship and other Biblical Studies, Jerusalem 1967, wendet

sich ausführlich gegen die Quellentheorie und vertritt die Position, dass der Pentateuch im Großen und Ganzen

auf Mose zurückgeht. 32

B. D. Eerdmans, Alttestamentliche Studien I-IV, Gießen 1908-1912, wies in einer sehr detaillierten Prüfung

der Quellentheorie auf viele Schwachpunkte hin. F. Dornseiff, Kleine Schriften I, Berlin 1959, S. 203-329,

wendet sich in seinen Untersuchungen gegen die Kriterien der Quellenscheidung und vertritt die Einheit des

Pentateuch. R. Rendtoff, Das überlieferungsgeschichtliche Problem des Pentateuch, in: BZAW 147, Berlin/New

York 1977; vgl. dazu auch: Journal for the Study of the Old Testament, 3 (1977), sowie: R. Rendtorff, Das Alte

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5.1. Mangelndes Selbstzeugnis der Schrift bzw. Fehlen einer Unter- oder Über-

schrift Dieses Argument versucht, den positiven Befund zur mosaischen Verfasserschaft33 mittel einer Argumentation aus dem Schweigen abzuschwächen. Wenn man schon [solche] beweisschwachen Argumente aus dem Schweigen bemüht, dann wäre in Übereinstimmung mit dem Schriftbefund darauf hinzuweisen, dass: (1) sämtliche Schreibbefehle und Zeugnisse vom Schreiben innerhalb des Penta-teuch nie mit einem anderen als Mose verbunden werden, (2) in der gesamten Schrift nicht im Entferntesten daran gedacht wird, dass ein an-derer als Mose die Verantwortung für die Abfassung des Pentateuch trägt und (3) dass weder die Bibel noch die Tradition den Eindruck stützen, der Pentateuch sei in einem Jahrhunderte dauernden Überlieferungsprozess entstanden.

5.2. Existenz von Post- und A-Mosaica [= nachmosaische und nichtmosaische Stücke] Die Behauptung, dass bestimmt Verse nicht von Mose stammen könnten, hatte früher [großes] Gewicht. Abgesehen vom Bericht über Moses Tod (5Mose 34,5-12), der als späterer Nachtrag nicht an der Gesamtverfasserschaft Moses rüttelt, liegen nach konservativer Einschätzung nur wenige34 oder keine35 Postmosaica vor. Einige Beispiele:

In 1Mose 12,6 und 13,7 unterstellt man, dass der nachmosaische Schreiber an-deuten wollte, dass die Kanaaniter (und Peresiter) nun nicht mehr im Lande wohnten. „Damals“ sagt aber nichts über die Gegenwart, im Sinne von „damals, aber heute nicht mehr“ (vgl. Jos 14,11). Beide Stellen begründen nur, warum Abram Kanaan nicht sofort in Besitz nehmen konnte.36

Der Vergleich mit Ri 18,29 zeige, dass 1Mose 14,14 frühestens am Ende der Richterzeit verfasst sein könne. Doch selbst wenn erwiesen wäre, dass beide Texte von derselben Stadt Dan sprechen37, ist 1Mose 14,14 als Aktualisierung eines Abschreibers erklärbar.38

Die Behauptung, der Ausdruck „ehe Israel Könige hatte“ (1Mose 36,31) könne unmöglich vor der Zeit Sauls geschrieben sein, ist wegen 1Mose 17,6 und 5Mose 17,14-20 nicht zwingend.39

Die Verwendung der Phrase „jenseits des Jordan“ zur Bezeichnung des Ost-jordanlandes (1Mose 50,10f; 4Mose 22,1; 32,32; 35,14; 5Mose 1,1.5; 4,46) gilt

Testament, Eine Einführung, Neukirchen-Vluyn 1983, der die Vier-Quellentheorie als unhaltbar ablehnt. R. N.

Whybray, The Making of the Pentateuch. A Methodological Study. Sheffield 1987, greift die Grundlagen der

Quellentheorie an und lehnt auch andere auf Literarkritik beruhende Konzeptionen der Pentateuchentstehung ab.

Für ihn ist der Pentateuch das Werk eines Autors aus dem 6. Jahrhundert v.Chr. (Näheres bei: Houtman, S.

236ff. 240). C. Houtman, Der Pentateuch. Die Geschichte seiner Erforschung neben einer Auswertung, Kamen

1994. schließt nach ausführlicher Diskussion auf S. 419: „Im Lichte oben genannter Betrachtungen meinen wir

behaupten zu können, dass die Quellentheorie keine befriedigende Antworten auf die Entstehung des Pentateuch

zu leisten vermag.“ 33

Vgl. den 1. Teil dieses Beitrages in: THI 2002/2 unter dem Abschnitt „Das Zeugnis der Bibel“. 34

Konservative Gelehrte wie: Young, S. 64f, 77f, 95f, 106f, bestreiten z.B., dass 1Mose 12,6; 13,7.18; 14,14;

22,14; 23,19; 36,31; 2Mose 6,26f; 5Mose 1,1 spätere Ergänzungen seien. Ähnlich zurückhaltend äußert sich W.

Möller, Grundriss für alttestamentliche Einleitung, Berlin 1958, S. 30, 40f, 103ff. 35

Vgl. H. J. Koorevaar, De Post-Mosaica in het boek Genesis, (Dissertation), Evangelische Faculteit in Hever-

lee 1986. Er bestreitet mit Ausnahme von 5Mose 34,5-12 jegliche Existenz von Postmosaica im Pentateuch. 36

U. Cassuto, Commentary on Genesis, Bd. II, S. 327. 37

Young, S. 64 geht von der Verschiedenheit der Orte aus. Vgl. auch B. S. J. Isserlin, Israelite and Pre-Israelite

Place Names in Palestine, A Historical and Geographic Sketch, in: PEQ 1957, S. 133-44, wo nachgewiesen wird,

dass des öfteren gleichlautende Namen für verschiedene Plätze verwendet wurden, vgl. Houtman, S. 344. Vgl.

auch die 33 Orte namens „Neustadt“ in der BRD. 38

Unger, S. 262 und D. Kidner, Genesis, Tyndale Old Testament Commentary, London 1958, S. 16. 39

Vgl. Unger, S. 263 und H. C. Leupold, Exposition of Genesis, Bd. 2, Grand Rapids 1959, S. 944.

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oft als Indiz dafür, dass der Autor sich im Westjordanland und damit in der Zeit nach Mose befindet. Während Young die Phrase als terminus technicus für Transjordanien betrachtet40, behauptet Lilley, dass sie unabhängig vom geo-graphischen Standpunkt des Sprechers für die Ost- oder die Westseite des Jor-dan gebraucht wurde. Die Verwendung für das Ostjordanland rühre hauptsäch-lich von der dichten Besiedlung der Ostseite, nicht von einem angenommenen westlichen Standpunkt her.41

Da die Wendung „bis auf den heutigen Tag“ (5Mose 3,14) nichts über den Zeit-abstand zwischen Ereignis und Abfassung aussagt, ist der Rückschluss auf nachmosaische Verfasserschaft unzulässig.

Nach historisch-kritischem Verständnis gilt 5Mose 17,14-20 oft als Anachronis-mus, da sonst das Verhalten Samuels in 1Sam 8,6ff sowie das samuelische Kö-nigsgesetz in 1Sam 10,25 unerklärlich wären. Stattdessen müsse man 5Mose 17,14-20 als Reaktion auf das Königtum Salomos interpretieren. Nach dem vor-liegendem Text ist 5Mose 17,14-20 aber prophetische Rede Moses in Überein-stimmung mit 1Mose 17,6. Die negative Reaktion Samuels auf das Begehren Is-raels nach einem König in 1Sam 8,6f erklärt sich am besten als Kritik an deren Assimilierungstendenz [= Anpassungstendenz] an das Heidentum (vgl. 1Sam 8,5+19f) und Ergänzung zum Königsgesetz des Mose. Während Mose die Ver-antwortung des Königs betont, rückt Samuel das Recht des Königs und die Pflichten des Volkes gegenüber dem König ins Zentrum (1Sam 8,11-18; 10,25). Somit reagiert 5Mose 17,14-20 nicht auf das Königtum Salomos, sondern Salo-mo missachtete 5Mose 17,14-20.

2Mose 33,11; 4Mose 12,3 u.ä. Stellen werden oft als A-Mosaica [} nichtmosai-sche Stücke] gewertet, weil man annimmt, dass Mose sich selbst nie so gelobt hätte. Als Tatsachenbericht ist 2Mose 33,11 aber nicht anstößig, und in 4Mose 12,3 sollte „‘anaw“ besser übersetzt werden mit „geplagt“ (2Mose 18,11ff; 5Mose 1,12; Ps 106,7-33) statt „demütig“.42

5.3. Wechsel der Gottesnamen Bis heute behaupten Befürworter der Quellentheorie, dass der Wechsel der Gottes-namen Jahwe/Elohim auf die unterschiedliche Herkunft der jeweiligen Textteile hinweise.43 Die Durchführung einer exakten mechanischen Trennung der Quellen anhand der Gottesnamen hat sich jedoch als unmöglich erwiesen. So haben sog. E- und P-Stücke44 auch den Gottesnamen Jahwe (E: 1Mose 15,1f+7f; 20,18; 22,14ff; 28,21; P: 1Mose 7,16; 17,1), während sog. J-Stücke auch Elohim verwenden (1Mose 2,4; 3,1-5; 4,25; 16,13; 32,30). Überdies sind die Gottesnamen häufig so eng miteinander verbunden, dass eine objektive Scheidung der Quellen anhand dieses Kriteriums sinnlos ist. Westermann urteilt: „Den Bestreitern der Quellentheorie ist zuzugeben, dass der Wechsel der Got-tesbezeichnung für sich genommen und mechanisch angewandt die verschiedene Autorenschaft nicht beweisen kann.“45 Bereits Ewald, Jacob, Cassuto und Allis leg-ten überzeugend dar, dass der Wechsel der Gottesnamen in vielen Fällen theolo-gisch motiviert ist, da die Gottesnamen verschiedene Eigenschaften bzw. Aspekte Gottes zeigen. So steht „Jahwe“ in engem Zusammenhang mit der Funktion Gottes als Bundesgott Israels, während „Elohim“ Gottes Allmacht und Universalität be-

40

Young, S. 107f. Vgl. Houtman, S. 345 41

J. P. U. Lilley, By the River-Side, in: VT 28 (1978), S. 165-71; , S. 345. 42

Die Wiedergabe von „‘anaw“ mit „gebeugt sein“ (vor Demut oder vor Last (!) oder „geplagt sein“ ist auch

nach KAI Nr. 202,2, möglich und aufgrund der Etymologie, der Wortbedeutung und auch des Kontextes näher

liegend, zumal ein Komparativ von „‘anaw“ in der Bedeutung „demütig“ bisher nicht nachweisbar ist. 43

Zenger, S. 89, verweist zusätzlich auf den Wechsel der Gottestitel El Eljon/El Shaddaj/El Olam usw. und die

Erscheinungsweisen Gottes als Engel des Herrn oder drei Männer. 44

Zu den Abkürzungen der Quellen vgl. den 1. Teil des Artikels. J = Jahwist, E = Elohist, P = Priesterschrift, D

= Deuteronomium. (Anm. der THI-Redaktion) 45

C. Westermann, Genesis, BK I.1, Neukirchen ³1983, S. 770.

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tont.46 Nach Segal und Slager47 beruht der Namenwechsel oft auf dem simplen Be-dürfnis des Autors nach Stilvariation, was dem hebräischen Stil entspricht und Pa-rallelen in ugaritischen Texten und sogar im Koran hat.48 5.4. Die Existenz von Dopplungen und Widersprüchen zwischen aufeinander folgenden Erzählungen (sog. Dubletten) Als klassisches Beispiel hierfür gelten die [angeblichen zwei49] Schöpfungsberichte (1Mose 1+2) und die drei Erzählungen über die Preisgabe der Ahnfrau (Sara bzw. Rebekka, 1Mose 12,10-20; 20; 26,6-11). Die verschiedene Herkunft der Schöp-fungserzählungen zeige sich darin, dass sie sich in ihrer Gesamtszenerie, der Ab-folge der erzählten Ereignisse und in ihrem Gottesbild widersprächen. Dagegen stimmten die Erzählungen über die Preisgabe der Ahnfrau trotz ihres je eigenen

Profils in wesentlichen Elementen ihrer Erzählstruktur derart überein, dass sie als Varianten ein und derselben Geschichte betrachtet werden müssen und somit schwerlich ein und demselben Verfasserkreis zugehören können.50 Von konservativer Seite wird argumentiert, dass sich die Schöpfungsberichte in Wahrheit nicht widersprechen, sondern dergestalt ergänzen, dass einem Gesamt-überblick über das 6-Tage-Werk (1Mose 1) eine genauere Erklärung des 6. Schöp-fungstages folgt mit besonderer Fokusierung auf den Menschen (1Mose 2,4b-25).51 Im Gegensatz dazu wird nachhaltig bestritten, dass die Erzählungen von der Preis-gabe der Ahnfrau Varianten derselben Geschichte seien. Dagegen sprechen nicht nur die allgemeine historische Zuverlässigkeit der Bibel und die Tatsache, dass in der Wirklichkeit sich häufig einander ähnliche Ereignisse abspielen, sondern auch die schwerwiegenden Unterschiede der Berichte und deren ausgezeichnete Einbet-tung in den jeweiligen unmittelbaren Kontext. Nach Houtman ergibt die Beschäf-tigung mit dem Text der Genesis, „dass die betreffenden Abschnitte offensichtlich nicht als Dubletten/Tripletten gedacht sind, sondern als Beschreibung eines Ereig-nisses, das deutlich von einem (oder mehreren) anderen ähnlichen Ereignissen un-terschieden werden muss“.52 Das häufige Vorkommen ähnlicher Berichte innerhalb der Genesis [= 1Mose], der babylonischen Schöpfungs- und Fluterzählung, der Tex-te von Ugarit und anderer altvorderorientalischer Schriften lässt eher darauf schlie-ßen, dass die Zusammenstellung ähnlicher Begebenheiten ein typisch semitisches Stilmittel und somit kompositorische Absicht des Verfassers ist, um mittels Wieder-holungen einen Betonungseffekt zu erzielen oder dem Bedürfnis nach Variation nachzukommen.53 So wundert es nicht, dass Westermann auch dieses Kriterium

der Quellenscheidung relativiert und einräumt, dass das Vorkommen von Dubletten und Wiederholungen an sich kein Indiz für die Existenz verschiedener Quellen sein muss.54

46

G. H. A. Ewald, Die Komposition der Genesis, § 37, Braunschweig 1823. Jacob, S. 197 u.a.; Cassuto, S. 15-

41; Allis, S. 23-29. 47

Segal, S. 8ff, 1103ff, 120f; D. J. Slager, The Use of Divine Names in Genesis, in: BiTr 43 (1992), S. 423-429. 48

Vgl. Houtman, S. 380. Er nennt auf S. 381-383 noch einen textkritischen Einwand gegen das Kriterium der

Gottesnamen (Dahse, Wiener, Engnell) sowie weitere praktische Schwierigkeiten in der Anwendung des Krite-

riums, die deutlich machen, „dass die Gottesnamen den Forscher jedenfalls nicht befähigen, auf einfache Weise

Quellen abzugrenzen“. 49

Vgl. zur Frage der Schöpfungsberichte: THI 1991/3, Seite 8. (Anm. der THI-Redaktion) 50

Zenger, S. 90f 51

Vgl. die Ausführungen in konservativen christlichen und jüdischen Kommentaren zur Genesis. Außerdem die

grundsätzliche Bestreitung der Dubletten/Tripletten bei Saccuto, S. 69ff; Segal, S. 20f, 32f,47; G. Chr. Aalders,

Short Introduction to the Pentateuch, London 1949, S. 86ff u.a. Einen guten Überblick über die Einzelprobleme

bietet: R. Junker, Leben durch Sterben? Schöpfung, Heilsgeschichte und Evolution, Neuhausen-Stuttgart 1994,

S. 206-208. 52

Houtman, S. 407. 53

So Cassuto, S. 82; Houtman, S. 407-410. 54

Westermann, S. 772ff, ähnl.: S. Mowinckel, Erwägungen zur Pentateuch Quellenfrage, Oslo 1964, S. 25,61f.

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5.5. Existenz von Dubletten und Widersprüchen innerhalb eines einzigen Er-zählzusammenhangs

Als Paradebeispiel gilt die Sintfluterzählung (1Mose 6,5 - 19,17), wo die Entdeckung von bis zu fünf Widersprüchen55 und 14 Dubletten56 einen einheitlichen Verfasser schlechterdings ausschließen soll. Grundsätzlich kann dazu gesagt werden, dass von sehr wenigen Ausnahmen abge-sehen sich die allermeisten „Widersprüche“ ohne größere Probleme harmonisieren lassen, wie ein Blick in konservative exegetische Literatur zeigt. Häufig liegen die angenommenen Schwierigkeiten auch in den kritischen Voraussetzungen begrün-det. Am besten und detailliertesten hat der Jude Benno Jacob die Einheitlichkeit des Flutberichtes begründet.57 Sein Ergebnis lautet zusammengefasst: (1) Die Widersprüche lösen sich bei genauerem Hinsehen auf.58 (2) Die sogenannten Dubletten sind inhaltliche Ergänzungen und entsprechen dem

hebräischen Stil. (3) Seine Einheitlichkeit zeigt sich am kunstvollen Aufbau59 und der Existenz be-stimmter Zahlenkombinationen.60 5.6. Konkurrierende ethische oder kultische Gesetze Während die klassische Pentateuchkritik sich hauptsächlich den erzählenden Tei-len des Pentateuch [= 5 Bücher Mose] zuwandte, geraten in neuerer Zeit mehr die Rechts- und Kultüberlieferungen in den Blick. Dabei geht es vor allem um das Ver-hältnis der drei großen Gesetzeskorpora „Bundesbuch“ (2Mose 20,11 - 23,33), „Hei-ligkeitsgesetz“ (3Mose 17-26) und „Deuteronomistische Gesetzessammlung“ (5Mose 12-26) zueinander sowie um den synoptischen [= zusammenschauenden] Vergleich der je zweifach überlieferten Fassungen des sog. ethischen Dekalogs [= 10 Gebote] (2Mose 20 / 5Mose 5; vgl. auch 3Mose 19) und des sog. kultischen Dekalogs (2Mose 23,10-19 / 2Mose 34,11-26). Als Hauptprobleme gelten: (1) wie die drei Gesetzeskorpora, die eine verwandte Gesamtstruktur aufweisen und sich z.T. bis in Einzelheiten hinein gleichen, sich zugleich in Sprache und Sache unterscheiden und

55

Zenger, S. 91 nennt 1. die Ursache der Flut, 2. die Tiere in der Arche, 3. die Dauer der Flut, 4. die Art der Flut

und 5. das Herausgehen Noahs aus der Arche. R. Smend, Die Entstehung des Alten Testaments, ²1981, S. 41,

lässt den ersten, Westermann, S. 534f den ersten und den letzten Widerspruch fallen. 56

So Zenger, S. 91; Smend S. 41, zählt nur elf, Westermann, S. 535, nur noch acht Dubletten. 57

Jacob, S. 183-272. Vgl. dazu auch J. A. Emerton, An Examination of some attempts do defend the unity of

the flood narrative in Genesis, in: VT 37 (1987), S. 401-420 (Part I) und VT 38 (1988), S. 1-21 (Part II). 58

Exemplarisch seien zwei Widersprüche erklärt: 1. Über die Anzahl der Tiere in der Arche bemerkt Jacob, S.

196. 198f: 1Mose 6,19f nennt die Tiere als in der Arche Mitzunehmende und zu Speisende, die die Flut über-

leben und die Schöpfung erhalten werden. In Gen 7,2f bestimmt die Qualifizierung der Tiere als rein und nicht

rein diese als Opfergabe, die Noah nach der Flut bringen wird (8,20). 2. Bezüglich der Dauer der Flut kommt

Jacob, S. 229-235, nach tiefgehender Untersuchung zu folgendem wohlfundiertem Ergebnis: „Der Regen dau-

erte, nach 7-tägiger Vorherverkündigung am 40. Tage des Jahres, 40 Tage. Die fühlbare Abnahme der Wasser

begann 150 Tage nach Beginn des Regens, also hatten die Wasser 110 Tage über den Bergen gestanden, bis sie

soweit gefallen waren, dass die Arche (am 17.VII.) festsaß. 110 ist = 40 + 70. Die Erde ist völlig trocken und

Noah verlässt die Arche am 27.II., d.i. nach 220 Tagen, also der doppelten Zeit, 220 ist = 2x (40+70). Mit ande-

ren Worten: 40 + 70 Tage dauert es (nach 40-tägigem Regen), bis Noah Land spürt, 2 mal 40 + 70, bis er wie-

der Land betritt. Damit ist das Problem <die Chronologie der Sintflut> gelöst. Durchsichtiger und folgerich-

tiger könnte keine Berechnung sein. Sämtliche Angaben des Textes stimmen widerspruchslos zusammen.“ 59

Z. B. streng logischer Gesamtaufbau von 1Mose 6,9 - 8,22. Bei der Beschreibung der Arche in 6,14-16: Be-

schränkung auf die notwendigste Information und die strenge Logik des Gedankengangs: a) Materialien, b) Ma-

ße, c) Beiwerk, d) innere Struktur. Bei der doppelten Chronologie: absolute Daten zur Fixierung des Anfangs

und Endes der Flut, relative Daten zur Orientierung Noahs und der Seinen. 60

Nach Jacob, S. 231-235, sind alle Summen und Daten von Anfang bis Ende nach den Zahlen 40 und 7 orien-

tiert. Darüber hinaus ergibt die Abzählung der signifikanten Wörter der Fluterzählung (6,9 - 8,22) jeweils ein

Vielfaches der Hauptzahl 12 (Arche, Wasser bzw. Flut, Erde kommen je 24x vor, das Wörtchen für Totalität [=

alle, alles] 48x).

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(2) wie die unterschiedliche Kompositionsstruktur der Dekalogfassungen und die Divergenzen und Widersprüche der sozialen und kultischen Gebote sich im Ein-zelnen erklären lassen.61 Hier muss zunächst eingeräumt werden, dass die konservative Forschung auf die-sem Gebiet noch erheblichen Nachholbedarf hat. Allgemein kann aber gesagt wer-den, dass die Tatsache der Dopplung oder Triplung von Gesetzen, die Existenz pa-ralleler Strukturen und Übereinstimmungen bis hinein in den Wortlaut durchaus als Argument für einen einheitlichen Verfasser und eine dahinter stehende Gesamt-konzeption dienen kann. Die gleichzeitig beobachteten Unterschiede in der Kompo-sitionsstruktur, im Wortlaut und vor allem in der Sache können zumindest teil-weise erklärt werden mit der unterschiedlichen historischen Situation, in die hinein diese Gesetze gegeben wurden. Die Historizität der „Dekaloge“ und „Gesetze“ wird von den Texten selbst insofern nahe gelegt, da sie in einem jeweils zu ihnen pas-senden Erzählrahmen stehen. Angesicht der zeitlichen, kulturellen, methodischen

und theologischen Kluft moderner Forscher zu altsemitischen Rechts- und Kult-gesetzen ist Bescheidenheit im Blick auf Schlussfolgerungen über deren Entste-hung und Vereinbarkeit durchaus angezeigt. 5.7. Unvermittelter Wechsel von Sprache, Stil und Vorstellungwelt Neben quellentypischer Verwendung bestimmter Vokabeln, grammatischer Formen und Redewendungen sollen auch unterschiedliche Stile62 und Vorstellungswelten63 das Vorhandensein mehrerer Verfasser beweisen. Doch auch dieser Argumen-tationsstrang hat seine Brauchbarkeit als zwingendes Kriterium der Quellenschei-dung u.a. aus folgenden vier Gründen eingebüßt: (a) Literarkritische Folgerungen aus stilistischen Unterschieden sind mit äußerster Vorsicht zu behandeln, wie Computeranalysen und Versuche an Werken zeit-genössischer Autoren zeigen.64 Nach Radday beträgt die Wahrscheinlichkeit für eine Homogenität von J und E in der Genesis 82%, was ihm Basis genug wäre mit der Quellenhypothese in der Genesis zu brechen.65 Die Schwierigkeiten des stilistischen Arguments liegt darin, dass Wortschatz, Redewendungen, Erzählstil usw. eines lite-rarischen Werkes von sehr vielen Faktoren abhängen, z.B. dem Stoff, der gewählten literarischen Gattung, Zeitpunkt und Umstände der Abfassung und Intention des Autors.

(b) Sog. quellentypische Vokabeln wurden auch in anderen Quellen des Pentateuch gefunden oder entpuppten sich aufgrund neuerer Forschungen als unhaltbar.66 (c) Ein weiteres wichtiges Grundsatzproblem sieht vor allem Engnell darin, „dass hier ein Buch aus dem vorderen Orient wie ein Schriftstück des 20. Jahrhunderts analysiert wird“.67 So ist beispielsweise die Annahme, dass häufige Wiederholungen

61

Zenger, S. 93-101, behandelt diesen Punkt ausführlich und gibt zahlreiche Tabellen dazu an. 62

O. Kaiser, Einleitung in das Alte Testament, Gütersloh 1969, S. 69 schreibt: „Die Breite und Nüchternheit

des Stils mit seiner definitorischen Genauigkeit, mit seiner Vorliebe für Chronologie und Genealogie lassen den

Anfänger schon nach kurzer Übung den priesterlichen Anteil des Pentateuch mit einiger Sicherheit erkennen.“

In späteren Auflagen wurde diese Aussage zurückgenommen (vgl. z.B. 5. Aufl. 1984, S. 111). 63

So schreibt z. B. O. Eißfeldt, Einleitung in das Alte Testament, Tübingen 1964), S. 243: „Ein drittes Erken-

nungsmerkmal der einzelnen Schichten und Quellen ist die Verschiedenheit der Höhenlage ihrer religiösen und

sittlichen, ihrer rechtlichen und politischen Anschauungen.“ 64

Y. T. Radday, H.Shore, M. A. Pollatschek und D. Wickmann, Genesis, Wellhausen and the Computer, in:

ZAW 94 (1982), S. 467-481. Nach Radday, S. 269, beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass mit seiner [d.h. Well-

hausens] Methode Goethes Werke auch wirklich Goethe zugeschrieben würden, lediglich 22 %. 65

Ebd. S. 469 und 481. 66

Die Verwendung von ani/anoki in ugaritischen Texten (um ca. 1500 v.Chr.) widerlegt die frühere Annahme,

wonach die kürzere Form ani für das späte P-Dokument (um 450 v.Chr.) charakteristisch sei. Vgl. hierzu C. L.

Feinberg, „ani“, in: Theological Wordbook of the Old Testament, ed. by R. L. Harris, G. L. Archer, B. K.

Waltke, Chicago ²1981, Bd. I,57. 67

F. Rienecker, Lexikon zur Bibel, 13. Aufl., Wuppertal 1978, Sp. 946. Vgl. auch Fußnote 44 dieses Artikels.

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oder eine Mischung aus Prosa und Poesie als typisches Kennzeichen verschiedener Quellen bzw. Verfasser betrachtet werden müssen, lediglich eine moderne Voraus-setzung, die dem orientalischen Schreib- und Erzählstil, wie er sich z.B. auch in ugaritischen Texten findet, nur wenig Verständnis entgegenbringt. (d) Der Versuch, mittels einer Theologie von J, E, D, P usw. die Richtigkeit der Quellentheorie zu beweisen, entpuppte sich überdies je länger je mehr als einfacher Zirkelschluss: Zuerst versuchte man aus gesicherten Stellen einer bestimmten Quelle deren Theologie zu entwerfen, um schließlich in einem zweiten Arbeitsschritt anhand dieser so ermittelten Theologie andere Stücke des Pentateuch jener Quel-lenschicht zuzuordnen. Abgesehen davon wurde das Argument in der Praxis da-durch geschwächt, dass häufig die verschiedensten gegensätzlichen Anschauungen innerhalb ein und derselben Quelle zusammentreffen konnten. Überhaupt darf das Argument der verschiedenen geistigen Höhenlage nur mit großer Vorsicht gehand-

habt werden, wie Eißfeldt zugibt: „Der geistige Besitz jedes Einzelmenschen ist eine complexio oppositorum [= Zusammenfassung von Gegensätzen], und so wird auch ein Erzählungswerk mancherlei Spannungen aufweisen. Das gilt dann umso mehr, wenn sein Verfasser ältere und größtenteils schon geformte Stoffe benutzt und so schonend wie möglich mit ihnen verfahren will... Unter diesen Umständen ist es natürlich schwer, aus dem Vorhandensein von Elementen verschiedener geistiger Höhenlage mit Sicherheit Schlüsse auf literarische Uneinheitlichkeit zu ziehen.“68 Wiederum stellt Westermann fest: „Dieses ist bisher ein besonders gewichtiges Argument der Quellenscheidung gewesen. Aber auch dieses Argument kann eine absolute Geltung nicht mehr beanspruchen.“69 5.8. Die Gesamtlage als literarisches Hauptproblem Schon Goethe70 bemerkte in seinem „West-Östlichen Diwan“ die Gesamtanlage des Pentateuch als literarisches Hauptproblem und zwar in doppelter Hinsicht: Erstens sei das Verhältnis von Geschichte und Gesetz im Ganzen und im Detail so un-systematisch, dass es nur als ein wie immer zu erklärendes längeres Zusammen-wachsen verschiedener Textkomplexe historisch und literarisch verstehbar wird. Zweitens seien Erzählstil und Erzähltechnik so vielgestaltig, dass sich dies nicht als Kunstgriff eines einzigen Erzählers oder eben als durch den jeweiligen Gegen-stand bedingte Vielfalt erklären lässt. Hierzu ist dreierlei einzuwenden: (a) Wie von Zenger selbst ausführlich dokumentiert wird, ist der Pentateuch in sei-ner Endgestalt eine planvolle Komposition71, was das angeblich unsystematische Verhältnis von Geschichte und Gesetz zumindest relativiert. Hinzu kommt folgende Tatsache: Der überwiegende Teil der Gesetze ist entweder unmittelbar oder mittel-bar mit der Gottesoffenbarung am Sinai und der Konstitution [= Gründung] Israels verbunden, während andere mit den Berichten über Israels Weg aus Ägypten durch die Wüste Sinai (2Mose 12-18) und vom Sinai durch die Wüste zu den Gefilden Mo-abs (4Mose 10-36) kunstvoll verwoben sind. (b) Verschiedene Forscher haben zu Recht angemerkt, dass man ein altes orienta-lisches Buch nicht in ein modernes, westliches Denksystem pressen könne.72 Auch die vorgeschlagene Hypothese eines längeren Zusammenwachsens verschiedener Textkomplexe mag zwar in westlichen Ohren des 20. Jahrhunderts zunächst unver-

68

Eißfeldt, S. 246f. 69

Westermann, S. 775. 70

Nach Zenger, S. 102f. 71

Ebd. S. 102 und 66ff. 72

A. Bea, Biblische Kritik und neuere Forschung, in: Stimmen der Zeit 58 (1927), Heft 1, Freiburg/Breisgau

1927; I. Engnell, Gamla Testamentet, Stockholm 1945; K. H. Rabast, Die Genesis, Berlin 1951. Young, a.a.O.;

C.H.Gordon, in: Christianity Today, Washington, Nov. 1959), auszugsweise in: B+G 3 (1962). Gordon lehnt

z.B. auch die moderne Voraussetzung ab, dass Prosa und Poesie sich nicht mischen könnten und von daher von-

einander zu trennen und verschiedenen Zeiten zuzuweisen sind.

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fänglich klingen, steht aber angesichts des jüdischen Verständnisses von Offen-barung, Inspiration, Kanon und Textüberlieferung vor unlösbaren historischen und theologischen Schwierigkeiten. (c) Die Vielgestalt des Erzählstils und der Erzähltechnik erklärt sich hinreichend durch:

die außergewöhnliche Bildung Moses (Apg 7,22),

die Vielfalt der behandelten Gegenstände mit jeweils unterschiedlicher perso-naler und emotionaler Betroffenheit des Mose,

den langen Berichtszeitraum,

den orientalischen Stil des Buches mit seiner mehr psychologischen als logi-schen Erzählstruktur usw.

Die kurze kritische Besprechung der acht Hauptargumente gegen die mosaische

Verfasserschaft des Pentateuch hat gezeigt, dass der zur Zeit noch herrschende Grundkonsens gegen die mosaische Verfasserschaft auf morschem Fundament ruht.

Bernhard Knieß (Abdruck mit Genehmigung der Studiengemeinschaft Wort und Wissen, Rosenbergweg 29, D-72270 Baiersbronn; dort können Sonderdrucke dieses Artikels kostenlos angefordert

werden. Der Verfasser [geb. 1960] ist Lehrer für AT und NT an der Bibelschule in Bergstraße

in Seeheim/Schwarzwald).

Abdruck in: Theol. Handreichung 2002/2 und 3

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