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SCHWARZE LÖCHER WAS KOMMT HINTER DEM HORIZONT? SDOMINICK / GETTY IMAGES / ISTOCK KOMPAKT Masse Auf der Suche nach der Mittelklasse Event Horizon Telescope Blick ins Herz der Milchstraße Hawking-Strahlung Laute Löcher im Labor

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SCHWARZE LÖCHERWAS KOMMT HINTER DEM HORIZONT?

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KOMPAKT

MasseAuf der Suche nach der

Mittelklasse

Event Horizon TelescopeBlick ins Herz

der Milchstraße

Hawking-StrahlungLaute Löcher

im Labor

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Chefredakteure: Prof. Dr. Carsten Könneker (v.i.S.d.P.), Dr. Uwe Reichert

Redaktionsleiter: Dr. Hartwig Hanser, Dr. Daniel Lingenhöhl

Art Director Digital: Marc Grove

Layout: Oliver Gabriel

Schlussredaktion: Christina Meyberg (Ltg.), Sigrid Spies,

Katharina Werle

Bildredaktion: Alice Krüßmann (Ltg.), Anke Lingg, Gabriela Rabe

Produktmanagerin Digital: Antje Findeklee

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Tiergartenstr. 15–17, 69121 Heidelberg, Tel. 06221 9126-600,

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UStd-Id-Nr. DE147514638

Geschäftsleitung: Markus Bossle, Thomas Bleck

Marketing und Vertrieb: Annette Baumbusch (Ltg.)

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in der vorstehenden Form berechtigt die Spektrum der Wissenschaft

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jeweiligen Nutzer. Bildnachweise: Wir haben uns bemüht,

sämtliche Rechteinhaber von Abbildungen zu ermitteln. Sollte

dem Verlag gegenüber der Nachweis der Rechtsinhaberschaft geführt

werden, wird das branchenübliche Honorar nachträglich gezahlt.

Für unaufgefordert eingesandte Manuskripte und Bücher

übernimmt die Redaktion keine Haftung; sie behält sich vor,

Leserbriefe zu kürzen.

Liebe Leserin, lieber Leser,als Schwarzes Loch wäre unsere Erde mit all ihrer Masse kleiner als eine Cherrytomate. Theoretische Physiker wissen nicht, was passiert, wenn sich gigantische Materiemengen auf winzige Raumregionen zusammen-ziehen. Doch durch ihre geballte Anziehungskraft sind sie alles andere als unsichtbar. Sie krümmen Lichtstrahlen, zerreißen Sterne oder verschmelzen und setzen dabei unvorstellbare Energiemengen frei. Und wir können immer besser dabei zuschauen.

Erleuchtendes Eintauchen wünscht Ihnen

Mike BeckersE- Mail: [email protected]

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EDITORIAL IMPRESSUM

Erscheinungsdatum dieser Ausgabe: 24.07.2017

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27 KOSMISCHE SUCHE

Schwarze Löcher in Größe M37 HERZ DER MILCHSTR ASSE

Schattenwurf des Schwarzen Lochs53 ASASSN-15LH

Vom Schwarzen Loch zerrissen?58 BL A Z ARE

Signale riesiger und uralter Schwarzer Löcher eingefangen

60 GAL A XIEN

Kosmische Keime für extrem massereiche Schwarze Löcher

63 ALLGEMEINE REL ATIVITÄTSTHEORIE

Schon wieder Gravitationswellen nachgewiesen

66 KOSMISCHES BALLE T T

Ein träger Tanz zweier Schwarzer Löcher69 PORTR AIT

Botschafter der Schwarzen Löcher74 INFORMATIONSPAR ADOXON

»Weiches Haar« auf Schwarzen Löchern84 KONTROVERSE

Vernichten Schwarze Löcher doch keine Information?

87 KÜNSTLICHE SCHWARZE LÖCHER

Laute Löcher im Labor

SEITE04

INHALT

REL ATIVITÄTSTHEORIE

Hinterm Horizont geht’s weiter?

STELL ARE K ATASTROPHEN

Beobachtung der Sternzerstörer

MASSE

Auf der Suche nach der Mittelklasse

EREIGNISHORIZONT

Sehen wir bald das erste Schwarze Loch?

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Schwarze Löcher sind extreme kosmische Gebilde: Nichts, was ihren Ereignishorizont überschritten

hat, kann ihnen wieder entkommen. Nun überlegen Forscher, wie man ihnen doch weitere

Geheimnisse entlocken könnte.

HINTERM HORIZONTgeht′s weiter?

von Dirk Eidemüller

RELATIVITÄTSTHEORIE

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Nichts kann ihrem gierigen

Schlund je wieder ent-

kommen: Schwarze Lö-

cher sind die ultimativen

kosmischen Staubsauger.

Sie entstehen, wenn ein schwerer Stern

am Ende seiner Lebensdauer kollabiert

und die Schwerkraft in seinem Zentrum

so groß wird, dass sie so etwas wie ein

»Loch« in die Raumzeit reißt. Mehrere

Sonnenmassen sind dann in ein Volumen

von wenigen Kilometern Durchmesser

zusammengequetscht. Bei diesen Gebil-

den wird die Krümmung der Raumzeit ab

einer bestimmten Entfernung so stark,

dass sich alles nur noch nach innen bewe-

gen kann. Diese Grenze ist der so genann-

te Ereignishorizont. Nicht einmal Licht

kann ihm entkommen – daher der Name

»Schwarzes« Loch.

Zahlreiche Objekte sind den Astrono-

men bekannt, bei denen es sich nach heuti-

gem Stand der Wissenschaft eigentlich nur

um Schwarze Löcher handeln kann. Die

einsteinsche Relativitätstheorie beschreibt

Raum und Zeit als miteinander verknüpfte

Raumzeit. Laut ihren Gleichungen sind ex-

treme Krümmungen in diesem Raumzeit-

Kontinuum ebenso möglich wie Schwin-

gungen. Die Schwingungen machen sich

als Gravitationswellen bemerkbar, die im

vergangenen Jahr erstmals – rund 100 Jah-

re nach Einsteins Publikation – nachgewie-

sen werden konnten.

Die Haltung Einsteins hierzu ist inter-

essant: Er hielt damals schon Gravitations-

wellen für möglich; nur dachte er, sie seien

so schwach, dass man sie niemals würde

messen können. Schwarze Löcher hinge-

gen hielt Einstein für absurd: Im Jahr 1939

veröffentlichte er sogar einen Artikel in

den »Annals of Mathematics«, in dem er

zu zeigen versuchte, dass es solche Löcher

unmöglich geben konnte. Aber auch Ein-

stein irrte hin und wieder. Und es gibt ja

durchaus einige Beispiele in der Geschich-

te der Physik dafür, dass nicht jede mathe-

matisch mögliche Lösung theoretischer

Gleichungen in der Natur realisiert ist. Es

hat sich allerdings meistens gelohnt, da-

nach zu suchen. Schwarze Löcher sind so

ein Fall.

Schwergewichte im SauseschrittSchwarze Löcher entstehen am Ende der

Lebensdauer sehr schwerer Sterne. Wenn

der Brennstoff im Innern aufgebraucht ist

und der Stern abkühlt, fällt dieser immer

weiter zusammen und wird dabei immer

dichter. Besitzt er zu diesem Zeitpunkt

noch mehr als die zweieinhalbfache Masse

unserer Sonne, so wird seine eigene

Schwerkraft so stark, dass die Widerstands-

kräfte der Materie versagen und das Zent-

rum des Sterns implodiert. Dabei wird

enorm viel Energie freigesetzt: Die äuße-

ren Hüllen explodieren in einer Superno-

va, sein ultradichtes Zentrum stürzt zum

Schwarzen Loch zusammen.

Wenn dieser Kollaps nicht ganz symme-

trisch passiert und etwa große Materie-

mengen in eine bestimmte Richtung aus-

gestoßen werden, dann erhält das Schwar-

ze Loch einen gehörigen Rückstoß und

fliegt in die entgegengesetzte Richtung da-

von. Ein besonderes Beispiel für einen sol-

chen Irrläufer fanden Astronomen im Jahr

2002. Das Objekt GRO J1655-40 ist in mehr-

facher Hinsicht besonders: Es jagt nicht

nur mit 400 000 Kilometern pro Stunde

quer durch unsere Milchstraße – mehr-

fach schneller als Sterne in seiner Umge-

bung. Er hat auch seinen Kompagnon im

Schlepptau: Einen weißen Zwergstern, mit

dem er vermutlich ein Doppelsternsystem

gebildet hatte und der die Supernova

»überlebt« hat.

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Überraschenderweise können sehr viel

schwerere Schwarze Löcher noch sehr viel

schneller werden. Im Zentrum von Galaxi-

en sitzen so genannte »supermassereiche

Schwarze Löcher«. Sie können Millionen

bis Milliarden Sonnenmassen auf die Waa-

ge bringen und sind üblicherweise entspre-

chend träge. Wenn Galaxien sich vereini-

gen – ein auf den langen zeitlichen Maß-

stäben im Kosmos durchaus üblicher

Prozess –, dann kommen sich auch die ext-

rem massereichen Schwarzen Löcher im

Zentrum der Galaxien irgendwann näher.

Da hier enorme Massen auf engstem Raum

einander umkreisen, werden auch starke

Gravitationswellen freigesetzt.

Falls die beiden Schwarzen Löcher bei

dieser Annäherung nun in einer bestimm-

ten Weise rotieren, können bei der Vereini-

gung extrem starke Gravitationswellen in

eine bestimmte Richtung abgestrahlt wer-

COMPUTERSIMULATION EINES SUPERMASSSIVEN SCHWARZEN LOCHSIm Zentrum von Galaxien sitzen so genannte »supermassereiche Schwarze Löcher«. Sie können Millionen bis Milliarden Sonnenmas-sen auf die Waage bringen.

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den, so dass das frisch entstandene verei-

nigte Schwarze Loch einen richtigen »Tritt«

in die Gegenrichtung abbekommt – und

dadurch aus dem Zentrum seiner Galaxie

herauskatapultiert wird. »Man kann sich

diese Dynamik vorstellen wie einen Sprink-

ler auf einer Eisfläche«, sagt Luciano Rez-

zolla, der an der Universität Frankfurt zu

Schwarzen Löchern forscht. Wenn der

Sprinkler das Wasser nicht auf beiden Sei-

ten ganz gleichmäßig herausspritzt, dann

eiert er auf dem Eis herum. Dreht man das

Wasser erst stark auf und dann plötzlich

ganz ab, wird er in eine Richtung weiterrut-

schen.

Warum haben manche Galaxien riesige Schwarze Löcher, andere keine?»Unter den richtigen Bedingungen kann

das Schwarze Loch dann bis zu mehrere

Millionen Kilometer pro Stunde schnell

werden«, so Rezzolla. Das ist sogar schnell

genug, um aus dem Gravitationsfeld der

gesamten Galaxie hinaus in die Tiefen des

Alls davondüsen zu können. Allzu häufig

treten solche extremen Ereignisse aber

nicht auf. Überhaupt beginnt man heute

erst zu verstehen, warum manche Galaxi-

en ein vergleichsweise kleines zentrales

Schwarzes Loch von vielleicht einigen Mil-

lionen Sonnenmassen besitzen, andere an-

scheinend gar keines und andere Galaxien

wiederum wahre Massemonster mit etli-

chen Milliarden Sonnenmassen.

Ein internationales Team von Astrono-

men hat gerade kürzlich ein großes Beob-

achtungsprogramm mit dem Very Large

Telescope der Europäischen Südsternwarte

durchgeführt, um nach Schwarzen Löchern

zu suchen. »Wir haben in 30 nahen Galaxi-

en nach zentralen Schwarzen Löchern ge-

sucht und fast überall welche gefunden«,

sagt Ralf Bender vom Max-Planck-Institut

für Extraterrestrische Physik in Garching.

Dabei zeichnet sich ab: Massereiche ellipti-

sche oder kugelförmige Galaxien haben

schwere Schwarze Löcher, massearme oder

rein scheibenförmige Galaxien gar keines

oder nur ein vergleichsweise leichtes. Bei

der Verschmelzung von Galaxien und dem

folgenden Engtanz der beiden zentralen

Schwarzen Riesenlöcher können aber zahl-

reiche Sterne im Galaxienzentrum aus ih-

rer Bahn katapultiert werden. »Im Ergebnis

bedeutet das, dass die Dichte der Sterne in

den Zentren von Galaxien, die einen Ver-

schmelzungsprozess durchgemacht ha-

ben, abnimmt«, so Bender. Die Beobach-

»Man kann mathematisch beweisen, dass die Singularität in der Zukunft jedes Teilchens liegt, das sich innerhalb eines Schwarzen Lochs bewegt. Was auch immer du also tust, du wirst in der Singularität enden«[Luciano Rezzolla]

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tungsdaten bestätigen diese Vermutung.

Nun gehen die Meinungen der Wissen-

schaftler bei kaum einem anderen kosmi-

schen Objekt so sehr auseinander wie bei

Schwarzen Löchern. Das liegt einerseits in

der Natur der Sache: Denn solch extreme

Gebilde wie Schwarze Löcher führen nicht

nur das menschliche Vorstellungsvermö-

gen, sondern auch die besten heutigen

Theorien an ihre Grenzen. Und genau das

lädt zu Spekulationen ein, die man natür-

lich wieder kritisieren kann. So funktio-

niert eben Wissenschaft, indem mutig

neue Theorien aufgestellt und wieder ein-

gedampft werden, bis sich schließlich die

brauchbarsten Ansätze herausschälen.

MASSEREICHES SCHWARZES LOCH SAGITTARIUS A*Auch im Zentrum unserer Galaxis befindet sich ein extrem massereiches Schwarzes Loch: Sagittarius A* ist rund 26 000 Lichtjah-re von der Erde entfernt, seine Masse beträgt rund vier Millionen Sonnenmassen. Wissen-schaftler gehen davon aus, dass sich in den Zentren der meisten Galaxien derartig masse-reiche Schwarze Löcher befinden. X-

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Das Ende der normalen WeltBei Schwarzen Löchern kommt nun etwas

Entscheidendes hinzu: Sie sind Objekte an

der Grenzscheide zwischen Relativitätsthe-

orie und Quantenphysik – die beiden Theo-

rienblöcke der modernen Physik, die zu Be-

ginn des 20. Jahrhunderts die Naturwissen-

schaft revolutioniert haben. Denn am

Ereignishorizont scheidet sich nicht nur die

Welt in »innerhalb« oder »außerhalb« des

Schwarzen Lochs. Hier scheiden sich auch

die Geister der Wissenschaftler – denn der

Ereignishorizont ist im Prinzip nicht nur

das »Ende der normalen Welt«, sondern

auch ein hochinteressantes physikalisches

Testobjekt, um mögliche gemeinsame Ef-

fekte der einsteinschen Relativitätstheorie

und der Quantenphysik zu studieren.

Bis heute stehen die Relativitätstheorie

als Theorie von Raum und Zeit und die

Quantenphysik als Theorie der Materie ne-

beneinander, ohne zueinander zu passen.

Bis heute ist es den Wissenschaftlern nicht

gelungen, beide Theorienkomplexe in Ein-

klang zu bringen. Da am Ereignishorizont

extreme Bedingungen herrschen und auch

Quanteneffekte dort eine Rolle spielen soll-

ten, könnte also die Erforschung von

Schwarzen Löchern ganz neue Ideen für

künftige physikalische Theorien liefern. Ei-

nige Forscher vermuten, der Ereignishori-

zont könnte einer »Feuerwand« gleichen.

Laut der Relativitätstheorie sollte dort ei-

gentlich nichts weiter passieren, als dass die

Krümmung der Raumzeit den Wert über-

schreitet, bei der auch Licht nicht mehr ent-

kommen kann. Quanteneffekte könnten

aber dazu führen, dass dort eine Schicht

hochenergetischer Teilchen brodelt. Diese

These ist unter Experten stark umstritten –

denn sie löst zwar einige theoretische Prob-

leme, wirft aber wieder neue auf.

Genauso wenig ist klar, ob Schwarze Lö-

cher in ihrem Innern vielleicht eine unge-

wöhnliche geometrische Struktur besit-

zen. Eine solche Möglichkeit, die von Theo-

retikern diskutiert wird, ist das so genannte

»Geon«. Bei solch einer verwobenen, selt-

samen Struktur ist das Äußere und das In-

nere wie bei einer »kleinschen Flasche«

identisch. Außerhalb des Ereignishorizonts

würde ein solches Geon aber aussehen wie

ein gewöhnliches Schwarzes Loch.

Quantensonden belauschen die InnenseiteNun kann zwar nichts einem Schwarzen

Loch entkommen. Aber man könnte ver-

schränkte Quantenpaare erzeugen, von de-

nen man jeweils nur eines als Sonde hin-

einschickt. Auf dieses Teilchen hätte man

dann natürlich keinen Zugriff mehr – es

bliebe nach dem quantenphysikalischen

Prinzip der Verschränkung aber mit sei-

nem Partnerteilchen außerhalb verknüpft.

Indem man das Verhalten der zurückge-

bliebenen Teilchen beobachtet, könnte

man dann vielleicht doch einen »Blick hin-

ter den Vorhang« werfen. Robert Mann und

Alexander Smith von der Universität Wa-

terloo haben diese Möglichkeit untersucht.

»Ein Quantendetektor könnte im Prinzip

zwischen einem solchen Geon und einem

normalen Schwarzen Loch unterscheiden«,

sagt Mann. »Quanteneffekte würden ei-

nen Detektor in einem anderen Muster

klicken lassen als bei einem normalen

Schwarzen Loch.« Das würde vermutlich

nur funktionieren, wenn der Ereignishori-

zont nicht aus einer Feuerwand bestünde,

die solche Versuche unmöglich macht. An-

dere Forscher haben aber auch diese Mög-

lichkeit untersucht: Laut einem (noch sehr

einfachen) Modell könnten die Testquan-

ten den Schritt durch eine Feuerwand so-

gar überstehen, ohne dadurch untauglich

zu werden.

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Ob es nun so etwas wie Feuerwände

wirklich gibt, wird sich wohl nicht so bald

herausfinden lassen: In unserer galakti-

schen Umgebung gibt es glücklicherweise

kein Schwarzes Loch, das wir scharf genug

beobachten könnten, um nähere Informa-

tionen zu erhalten. Was aber würde mit ei-

nem Astronauten passieren, der einmal

hinter dem Ereignishorizont verschwun-

den ist? Der Weg zurück ist jedenfalls ver-

sperrt. Wie genau es ihm dabei ergeht,

hängt nun insbesondere von der Größe des

Schwarzen Loches ab. Hat man es mit ei-

nem jener riesigen Schwarzen Löcher zu

DER TUNNEL DES LHCKann man in so einem Tunnel Schwarze Löcher züchten? Als vor ein paar Jahren der neue Teilchenbeschleuniger am Europäischen Forschungszentrum CERN in Betrieb ging, war bei einigen die Sorge groß, dort könnten »Schwarze Minilöcher« entstehen. Die Ener-gie, bei der dort die Kollisionen im Large Hadron Collider stattfinden, ist so viel höher als bei früheren Experimenten, dass manch einer schon das Ende der Welt befürchtete. Bislang sind allerdings keine Spuren solcher Minilöcher gefunden worden.M

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