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Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack Zukunftssicherung für Familienunternehmen Die Familienverfassung » STUDIE

Schween - STudIE Die Familienverfassung · 2015. 8. 29. · Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack Zukunftssicherung für Familienunternehmen Die

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  • Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack

    Zukunftssicherung für Familienunternehmen

    Die Familienverfassung» STudIE

  • Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack

    Zukunftssicherung für Familienunternehmen

    Die Familienverfassung

  • Veröffentlicht durch:

    INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH

    Kronprinzenstraße 31

    53173 Bonn-Bad Godesberg

    Tel.: +49 228 3 67 80 61

    Fax: +49 228 3 67 80 69

    [email protected]

    www.intes-akademie.de

    in Kooperation mit

    PricewaterhouseCoopers AG

    Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

    New-York-Ring 13

    22297 Hamburg

    Tel.: +49 40 63 78 21 70

    Fax: +49 69 95 85 96 07 73

    [email protected]

    www.pwc.de/de/mittelstand

    und

    WHU – Otto Beisheim School of Management

    INTES Institut für Familienunternehmen

    Burgplatz 2

    56179 Vallendar

    Tel.: +49 261 6 50 93 31

    Fax: +49 261 6 50 93 39

    [email protected]

    www.whu.edu

    ISBN: 978-3-9811783-7-1

    Alle Rechte vorbehalten

    © INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH,

    Bonn-Bad Godesberg, Juli 2011

    ImprESSum

  • 05

    Unternehmerfamilien kennen keinen Stillstand. Die Inhaberrolle bringt immer neue Herausforderungen

    in dichter Folge. Die Dynamik einer verzweigten Familie verlangt zukunftsfähige Antworten – etwa wenn

    Eltern ihre Kinder heranwachsen sehen: Mit einem Auge schauen sie auf ihre Kinder als liebender Vater,

    als fürsorgliche Mutter. Das andere Auge aber blickt schon auf die Firma und fragt: Wer führt das Geschäft

    in der kommenden Generation?

    Die Nachfolgefrage ist nur eine von vielen Situationen, die immer wieder neu nach Antworten verlangt.

    Viele weitere sind in jeder Unternehmerfamilie Alltag. Beispiele: Ein Gesellschafter will seinen Anteil

    verkaufen. Der Bruder beansprucht für seine Tochter eine Anwartschaft auf die Chefposition. Der Berater

    empfi ehlt den Inhabern die Mobilisierung von Eigenkapital.

    Kaum ist einmal ein stabiler Zustand erreicht, gerät schon das nächste große Thema auf den Tisch. Aus

    der Sicht des Inhabers haben diese Themen, die immer Übergänge einleiten, zwei Seiten. Sie bieten eine

    Chance zur Neugestaltung, sind aber auch ein Punkt besonderen Risikos. Wer die systembedingte Abfolge

    von Übergängen gut managt, kann die Vorteile des Familienunternehmens gegenüber anderen Unterneh-

    menstypen voll zur Blüte bringen. Wer sie ignoriert, kann schnell in das Bermuda-Dreieck geraten, das

    schon viele Unternehmerfamilien in Schwierigkeiten gebracht hat: Das Wechselspiel der Kräfte von Geld,

    Macht und Liebe kann schnell hohe Wellen verursachen, die selbst starke Familien und erfolgreiche Un-

    ternehmen in gefährliches Wanken bringen – bis zum Untergang.

    Diesen Herausforderungen freilich lässt sich begegnen: Jede Inhaberfamilie jenseits der ersten Generation

    sollte sich eine Familienverfassung geben. Dieses Regelwerk ist eine der wichtigsten Vorkehrungen, die

    die langfristige Überlebenskraft der Unternehmerfamilie sichert. Ein Vorrat an rechtzeitig formulierten,

    schriftlich niedergelegten und von allen in der Familie akzeptierten Regeln sorgt dafür, dass Stabilität

    gewahrt, Kommunikation gesichert, gegensätzliche Interessen ausgesprochen und gelöst und Konfl ikte

    angegangen werden, wenn sie noch klein sind.

    Viele Unternehmerfamilien haben bereits eine Familienverfassung. In noch mehr Familien freilich fehlt

    sie allerdings. Für Anwender und Noch-nicht-Anwender dieses Regelwerks liefert die vorliegende Studie

    eine Fülle von Argumenten, Praxis-Hinweisen und alltagstauglichen Überlebenshilfen. Sie alle haben eins

    gemeinsam: Wer sie anwendet, hat die einmalige Chance, seine Inhaberschaft weiter zu professionalisie-

    ren – und für langfristigen Erfolg von Familie und Unternehmen zu sorgen.

    Prof. Dr. Peter May

    INTES-Gründer

    Geleitwort

    Prof. Dr. Peter May

  • 06

    Ohne die folgenden Personen wäre diese Studie nicht in der vorliegenden Form entstanden.

    Unser herzlicher Dank gilt:

    Pedram Faghfouri, WHU – Otto Beisheim School of Management

    Prof. Dr. Sabine Klein, WHU – Otto Beisheim School of Management

    Dr. Arno Lehmann-Tolkmitt, INTES Beratung für Familienunternehmen

    Barbara Wallrafen, INTES Akademie für Familienunternehmen

    Wir danken auch allen Inhaberinnen und Inhabern, die den ausführlichen Fragebogen

    beantwortet haben.

    Danksagung

  • 07

    Vorwort

    Liebe Familien-Unternehmerinnen, liebe Familien-Unternehmer,

    wenn Unternehmerfamilien über ihre Familienverfassung sprechen, sparen die Gesellschafter selten mit

    Lob. Denn die in der Verfassung zusammengefassten Regeln helfen Familienunternehmen auf ihrem

    Weg in eine stabile Zukunft. Der Kodex sorgt für Frieden und Stabilität, Orientierung und Zusammenhalt,

    Kontrolle und Erfolg. Wir haben das wachsende Interesse am Thema »Familienverfassung« zum Anlass

    genommen, zentrale Fragen mit der vorliegenden Studie zu beantworten. Gemeinsam mit der WHU – Otto

    Beisheim School of Management haben wir 148 Inhaberinnen und Inhaber von Familienunternehmen

    befragt und deren Antworten statistisch ausgewertet. Zum ersten Mal konnten wir einen detaillierten Blick

    auf die Praxis der Familienverfassung werfen. So belegt unsere Studie den großen Nutzen von Familien-

    verfassungen, insbesondere den Erfolgsbeitrag für eine stabile Familie und für ein störungsfrei geführtes

    Unternehmen.

    Besonders hervorzuheben ist, dass zwar nur ein Viertel der befragten Familienunternehmen über eine

    Familienverfassung verfügen, aber ein Großteil jener Unternehmen ohne Verfassung in absehbarer

    Zukunft einen solchen Kodex einführen wollen. Zu den wichtigsten Motiven zählen die Stärkung des fami-

    liären Zusammenhalts sowie die Sicherung von Frieden und Stabilität. Neben der Erhöhung des

    emotionalen Mehrwerts stärkt eine Familienverfassung aber auch den Unternehmenserfolg, wie unsere

    Studie belegt. Dies liegt vor allem daran, dass sich Unternehmerfamilien mit Familienverfassung deutlich

    stärker an ihr Regelwerk halten und damit einen klaren Rahmen für die erfolgreiche Führung des Unter-

    nehmens setzen. Dieser Rahmen ist insbesondere auch für einen Fremdmanager wichtig, denn in der Be-

    ratungs- und Prüfungspraxis stellen wir fest, dass der strategische Gleichklang von Unternehmerfamilie

    und Fremdmanagement eine zentrale Voraussetzung für effi ziente Prozesse und damit letztlich für den

    Schutz und die Mehrung des Familienvermögens ist.

    Diese und weitere Ergebnisse sollen Ihnen bei der Erarbeitung oder Weiterentwicklung Ihrer Familienver-

    fassung helfen und wertvolle Hinweise bieten, um sich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen.

    Wir wünschen wir Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!

    Dr. Peter Bartels

    Vorstand Familienunternehmen und MittelstandPricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

    Dr. Karsten Schween

    Geschäftsführender GesellschafterINTES Beratung für Familienunternehmen

    Dr. Peter BartelsDr. Karsten Schween

  • Geleitwort 05

    Danksagung 06

    Vorwort 07

    01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse 09

    02 Familienverfassung: Strategischer und emotionaler Anker 12

    03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung 14

    04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken 19

    Interview mit Christian Gläsel: »Der Prozess ist genial« 22

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert 24

    06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel 36

    ANHANG

    Stichprobe 40

    Autoren 44

    Unternehmensprofile 46

    Inhalt

    08

  • 09

    01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse

    Die Verbreitung der Familienverfassung steht erst am Anfang

    1. Ein Viertel der Familienunternehmen haben eine Familienverfassung. Es sind vor allem die größeren,

    älteren Familienunternehmen mit einer verzweigten Inhaberschaft, die sich dieses Instruments

    bedienen.

    2. Drei Viertel der Familienunternehmen haben keine Familienverfassung, weil sie keine Relevanz

    sehen oder zu wenige Informationen haben. Allerdings finden sie deren Erstellung sinnvoll – etwa

    die Hälfte möchte innerhalb von drei Jahren ein solches Regelwerk erstellen.

    Motive, Erwartungen: Regeln geben Sicherheit

    3. Familienverfassungen werden schwerpunktmäßig mit dem Ziel der Nachfolgeregelung und der

    Konfliktprävention erarbeitet.

    4. Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kommt meist von den Gesellschaftern selbst.

    5. Unternehmerfamilien erwarten sich von einer Familienverfassung einen emotionalen Mehrwert.

    Implikationen: Nutzer der Familienverfassung schätzen ihren Mehrwert

    6. Die Erwartungen an Familienverfassungen werden in der Praxis in hohem Maße erfüllt. Insbesondere

    Zusammenhalt, Identifikation, Führungs- und Kontrollstrukturen und Stabilität werden gestärkt

    (emotionaler Mehrwert). Familienunternehmen mit Familienverfassung sind aber auch wirtschaftlich

    erfolgreicher (ökonomischer Mehrwert).

    7. Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind signifikant zufriedener mit ihren Regelungen als

    jene ohne Familienverfassung.

    8. Die hohe Zufriedenheit liegt darin begründet, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung

    a. klare Regeln getroffen haben und für gut befinden, und

    b. sich die Unternehmerfamilie stärker an ihre Regeln hält.

    Erarbeitung: Wer sich von außen unterstützen lässt, sichert den erfolgreichen Weg zur Familienverfassung

    9. Erfolge von Familienunternehmen mit Familienverfassung bestätigen, dass die Hinzuziehung

    externer Berater sinnvoll ist.

    10. Nach maximal fünf Jahren sollte die Familienverfassung überarbeitet werden, um den Veränderungen

    des Familienunternehmens Rechnung zu tragen.

    01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse

  • 10

    Definition Familienverfassung

    Eine Familienverfassung dokumentiert alle

    Regeln, an denen sich das Handeln der Inhaber

    orientieren soll. Sie ist moralisch bindend und

    allgemein verständlich verfasst. Sie wird von der

    Gesamtheit der Gesellschafter erarbeitet. Zahl-

    reiche ihrer Regelungen münden im Gesellschafts-

    vertrag.

    Steckbrief Familienverfassung

    Auftraggeber: Familiengesellschafter

    Teilnehmer: Familiengesellschafter,

    bei großen Familien Repräsentanten

    Unterstützung: externe Moderatoren und

    Spezialisten

    Arbeitsmodus: moderierte Workshops

    Struktur: Mitgliedschaft, Selbstverständnis,

    Inhaber-Geschäftsmodell, Business Gover-

    nance, Family Governance, Rollen und

    Menschen

    Zeitlicher Horizont: zwischen 6 und

    12 Monaten

    Dokument: Schreiben der Familienver-

    fassung durch Familie selbst

    Überarbeitung, Aktualisierung:

    spätestens alle 5 Jahre

  • 11

    Was verbinden Sie mit Ihrer Familienverfassung?

    Das haben Inhaberinnen und Inhaber geantwortet:

    Unsere Familienverfassung ist Sauerstoff für die so wichtige unternehmerische Flamme.

    Unsere Familienverfassung gibt uns Kraft.

    Mit der Familienverfassung haben wir eine gemein-same Basis geschaffen.

    Heute gehen wir mit Konflikten viel besser um und gefährden dadurch nicht den Fortbestand.

    Zum ersten Mal haben wir über Sprengstoffthemen gesprochen.

    Ich bin begeistert und beeindruckt von den Ergeb- nissen, die wir zusammen erarbeitet haben.

    Ich bin so positiv. Wir haben unsere Familienverfas-sung in die Praxis umgesetzt. Wir sehen uns wieder als eine Unternehmerfamilie. Und niemand denkt an den Ausstieg.

    Durch die Erarbeitung unserer Familienverfassung ist alles so gekommen, wie ich es mir erhofft habe.

    »

    «

    01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse

  • 12

    02 Familienverfassung:Strategischer und emotionaler Anker

    Diese Studie beschäftigt sich mit zentralen Fragen zur langfristigen Zukunftssicherung von Familien-

    unternehmen. Folgende Annahmen liegen den Überlegungen als Ausgangspunkt zugrunde:

    Familienunternehmen unterscheiden sich von anderen Unternehmensformen – sie stehen unter der

    dominanten Inhaberschaft einer Familie.

    Unternehmerfamilien unterscheiden sich von anderen Familien. Sie haben einen dynastischen Willen,

    nämlich den Erhalt des Unternehmens über Generationen hinweg in Familienbesitz.

    Aus diesen Zielen ergeben sich Chancen und Herausforderungen auf der Ebene der Inhaber.

    Diese betreffen Bereiche wie Nachfolge, Finanzierung oder Governance.

    Diesen Herausforderungen müssen die Inhaberfamilien individuell begegnen.

    Dies geschieht durch die Erarbeitung einer Inhaber-Strategie, die dann in einer Familienverfassung

    als strategischem und emotionalem Anker dokumentiert wird.

    Der Begriff der Familienverfassung sei hier als Oberbegriff verwendet. In der Praxis werden dafür auch

    andere Begrifflichkeiten genutzt, etwa Governance-Verfassung, Familienkodex oder Familienleitbild. In

    jedem Fall umfasst die Familienverfassung Regeln, an denen sich das Handeln der Inhaber eines Familien-

    unternehmens in Zukunft orientierten soll. Die Regeln der Familienverfassung beziehen sich hauptsäch-

    lich auf die Themen

    Mitgliedschaft zum Kreis der Unternehmerfamilie,

    Werte und Ziele der Familie und des Unternehmens,

    Ausgestaltung des Geschäftsmodells,

    Unternehmensführung und -kontrolle sowie

    Sicherung des Zusammenhalts in der Familie.

    Die Familienverfassung ist formfrei. Zwar folgen Inhalt und Struktur gewissen Gesetzmäßigkeiten und

    berücksichtigen Logik und Dynamik von Unternehmen in familiärer Eigentümerschaft – in der Praxis

    jedoch ist die Welt der Familienverfassungen so farbig und variantenreich wie die Familien und ihre Un-

    ternehmen selbst. In der Regel geht eine Familienverfassung aus einem Inhaber-Strategie-Prozess hervor,

    an dem alle Mitglieder der Familie beteiligt werden. Die Diskussionen bei der Entstehung unterstützen

    externe Family-Business-Experten.

    Im Anschluss an die Erarbeitung einer Inhaber-Strategie wird diese in einer Familienverfassung fest-

    geschrieben (Abb. 1). Diese ist von der Familie zu schreiben, ist deshalb weder exakt formuliert noch ein-

    klagbar, sondern vielmehr moralisch bindend und allgemein verständlich. Zahlreiche ihrer Regelungen

    münden im Gesellschaftsvertrag, wodurch sie juristisch bindend werden.

  • 13

    02 Familienverfassung: Strategischer und emotionaler Anker

    Von der Inhaber-Strategiezur Familienverfassung zum Gesellschaftsvertrag

    Sowohl das Ergebnis als auch der Erstellungsprozess sind relevant für die Familie und das Unternehmen.

    Durch das Ergebnis hat die Familie eine Verfassung für Familie und Unternehmen. Durch den Prozess

    lernen die Inhaber gegenseitig ihre Interessen, Stärken und Schwächen kennen und können auf dieser

    Basis zukünftig besser ihren Herausforderungen begegnen.

    Eine Familienverfassung muss mit Leben gefüllt werden, damit sie zum strategischen und emotionalen

    Anker wird. Nur dadurch kann sie ihren vollen Nutzen entfalten. Außerdem ist sie in regelmäßigen Ab-

    ständen an die veränderte Situation von Familie und Unternehmen anzupassen.

    Diese Studie geht der Familienverfassung zum ersten Mal auf den Grund. Basis der Studie ist eine Befra-

    gung von 148 Inhaberinnen und Inhabern aus unterschiedlichen deutschen Familienunternehmen. Die

    Befragung fand im Frühjahr 2011 statt.

    Die Studie beantwortet Fragen wie:

    Wer hat eine?

    Wer möchte eine?

    Aus welchen Gründen?

    Mit welcher Erwartung?

    Was war das Ergebnis?

    Wie wurde sie erarbeitet?

    Inhaber-Strategieerarbeiten

    Familienverfassung schreiben

    Verträge ändern bzw.ausarbeiten

    Abb. 1: Entstehung Familienverfassung

  • 14

    03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmer-familie hat eine Verfassung

    Unternehmerfamilien mit Familienverfassung

    Nur ein Viertel der befragten Familienunternehmen hat eine Familienverfassung erarbeitet. Die Familien-

    unternehmen mit Verfassung sind signifikant größer, älter und haben mehr Familiengesellschafter als

    jene ohne Familienverfassung. So setzten sie 2010 durchschnittlich 815 Mio. Euro um, beschäftigten etwa

    1.500 Mitarbeiter und sind mit durchschnittlich 118 Jahren deutlich älter als Familienunternehmen, die

    keine Familienverfassung erarbeitet haben (Abb. 2). Außerdem befinden sich Familienunternehmen mit

    Familienverfassung im Besitz von durchschnittlich 13 Familiengesellschaftern. Demgegenüber setzten die

    Familienunternehmer ohne Familienverfassung 2010 durchschnittlich nur etwa 100 Mio. Euro um, be-

    schäftigten rund 470 Mitarbeiter und waren mit durchschnittlich 88 Jahren deutlich jünger. Im Schnitt

    haben sie nur vier Familiengesellschafter.

    Es verwundert nicht, dass gerade ältere, größere Familienunternehmen mit größerem Gesellschafterkreis

    offenbar besonders starken Regelungsbedarf spüren. Einerseits verfügen viele von ihnen bereits über eine

    Historie mehr oder weniger erfolgreich bewältigter Herausforderungen oder Konflikte im Kreis der Gesell-

    schafter. Damit erhöht sich auch das Bewusstsein dafür, dass verbindliche Regelungen für alle sinnvoll

    sein können. Andererseits steigt mit der Entfernung vom Gründungszeitpunkt auch die Komplexität der

    familiären Beziehungen – und damit die Notwendigkeit, mit einfachen, vorbestimmten Regeln das Wirken

    und die Rolle der Gesellschafter in für alle produktive Bahnen zu lenken. Nach aller Erfahrung nehmen bei

    großen, alten und mit einem divers besetzten Gesellschafterkreis ausgestatteten Familienunternehmen

    auch Zahl und Schärfe der Konflikte zu.

    »Zu ›Good Governance‹ gehören regelmäßige Treffen der Familieneigentümer, die im Idealfall eine Family-Business-Governance-Verfassung (Familienverfassung) ausarbeiten sowie kontinuierlich überprüfen und aktualisieren.« John L. Ward (Clinical Professor, Kellogg School of Management)

  • 15

    03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung

    Ein Viertel der Familienunternehmen haben eine Familienverfassung – sie sind signifikant größer, älter und haben mehr Familieninhaber

    Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung

    Befragt man diese Unternehmerfamilien nach den Gründen, warum sie keine Familienverfassung erarbeitet

    haben, so geben sie fehlende Relevanz des Themas (43 Prozent der Befragten), Informationsmangel

    (29 Prozent der Befragten) oder fehlender Konsens über die Erstellung einer Familienverfassung (18 Pro-

    zent der Befragten) an (Abb. 3). 5 Prozent verweisen auf die Existenz umfangreicher Gesellschaftsverträge.

    Allerdings sei angemerkt, dass Gesellschaftsverträge eine andere Zielrichtung haben als eine Familienver-

    fassung. Sie beinhalten zwar auch Regeln, werden aber in den meisten Fällen nicht von der Inhaberfamilie

    in Gänze erarbeitet. Grundsätzlich handelt es sich vielmehr um den Einzelwillen der jeweils Beteiligten.

    Die Familienverfassung jedoch ist in Abgrenzung dazu die Abbildung eines Gesamtwillens aller Inhaber.

    Zudem ist der Gesellschaftsvertrag oft nicht allen Gesellschaftern geläufig – und er regelt nur das Verhält-

    nis zwischen Inhaber und Unternehmen, nicht jedoch den Umgang der Familie untereinander: Das Thema

    Family Governance, also die Regeln etwa zu Konflikten sowie zur Fortbildung von Gesellschaftern oder zu

    gemeinsamen Aktivitäten, die auch gemeinnütziger Natur sein können, regelt das juristische Vertrags-

    werk nicht. Daher geht von Gesellschaftsverträgen kein emotionaler Mehrwert aus.

    Abb. 2: Beschreibung der Stichprobe

    mIT FamIlIENvErFaSSuNg ohNE FamIlIENvErFaSSuNg

    Anteil (%)

    Ø Umsatz (Mio. Euro) 815 101

    Ø Mitarbeiter (Anzahl) 1.505 472

    Ø Alter des Unternehmens (Jahre) 118 88

    Ø Familiengesellschafter (Anzahl) 13 4

    25%

    75%

    n=148

  • 16

    Fast drei Viertel der Familienunternehmen haben keine Familienverfassung, weil sie keine Relevanz sehen oder zu wenige Informationen haben

    Abb. 3: Familien ohne Regelwerk

    Thema keine Relevanz

    Zu wenige Informationen

    Kein Konsens über Erstellung

    Umfangreicher Gesellschaftsvertrag

    SonstigesMehrfachnennung=111

    n=111

    43%

    29%

    18%

    5%

    5%

    grüNdE, warum kEINE FamIlIENvErFaSSuNg ErSTEllT wurdE

    Die Einstellung zur Familienverfassung ist überwiegend positiv. Der Blick in die Zahlen zeigt, dass auch

    Familienunternehmen ohne Verfassung ein derartiges Projekt anschieben wollen. Denn über 70 Prozent

    der Familienunternehmen ohne Familienverfassung wollend das Regelwerk in den nächsten Jahren erstel-

    len, und mit 47 Prozent knapp die Hälfte sogar innerhalb der nächsten drei Jahre (Abb. 4). Es scheint sich

    also abzuzeichnen, dass das Bewusstsein für den Wert einer Verfassung für die Familie steigt – immer

    mehr Inhaberfamilien wollen die wichtigen inhaberstrategischen Fragen von Familie und Unternehmen

    regeln, bevor Konflikte, Spannungen und andere Ernstfälle auftreten. Sie haben offenbar erkannt, dass es

    sinnvoll ist, neben dem Gesellschaftsvertrag ein System von schriftlich niedergelegten Abmachungen zu

    treffen, die das Gesamtsystem Familie und Unternehmen stabilisieren. Ebenso wichtig wie die Regelungen

    selbst ist dabei der vorherige gemeinsame Erkenntnis- und Erarbeitungsprozess.

  • 17

    03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung

    Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung finden deren Erstellung sinnvoll – etwa die Hälfte will in den nächsten drei Jahren mit der Arbeit beginnen

    Abb. 4: Erstellung Familienverfassung

    100%

    ja

    nein

    n=97

    71%

    29%

    ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg SINNvoll

    n= 97

    100%

    in 3–5 Jahren

    in 1–3 Jahren

    nein

    später

    47%

    14%

    15%

    ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg gEplaNT

    24%

  • 19

    04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken

    »Der Familienunternehmer kann sich nicht einfach einen neuen Job suchen, er ist auf Gedeih und Verderb mit seinem Unternehmen verbunden.« Prof. Dr. Sabine B. Klein

    Motive

    Die Auslöser, die dazu führen, dass sich eine Familie der Erstellung einer Verfassung zuwendet, liegen im

    System Familienunternehmen begründet. Es bedarf an zwei Punkten besonderer Vorkehrungen, um die

    Erfolgskraft des Systems zu sichern: Einerseits muss die Nachfolge gesichert werden, um den dynasti-

    schen Willen zu realisieren – andererseits müssen notwendige Interessensgegensätze so kanalisiert

    werden, dass Konflikten die explosive Kraft genommen wird. Entsprechend fallen die Gewichtungen der

    befragten Inhaber aus.

    Hauptauslöser für die Erstellung einer Familienverfassung sind die Nachfolgeregelung (62 Prozent der

    Befragten) und die Konfliktprävention (51 Prozent der Befragten), wie Abb. 5 zeigt. Eine Familienverfas-

    sung ist also ein Instrument zur Sicherung des Fortbestands des Familienunternehmens über Generatio-

    nen hinweg. Konflikte über die Nachfolge, aber auch innerhalb des Gesellschafterkreises aufgrund unter-

    schiedlicher Interessen beispielsweise über die Ausschüttung, sollen damit so gelenkt werden, dass sie das

    Unternehmen und den Zusammenhalt der Familie nicht gefährden.

    Wichtig ist der präventive Charakter der Regelungen. Denn in einem akuten, einmal ausgebrochenen Kon-

    flikt kann eine eilig eingeführte Familienverfassung nichts mehr retten. Sie ist deshalb keine Option bei

    Themenfeldern, wo es innerhalb des Gesellschafterkreises bereits offen brennt. Hier sollte mit anderen

    Mitteln gearbeitet werden.

    Familienverfassungen werden schwerpunktmäßig mit dem Ziel der Nachfolge-regelung und der Konfliktprävention erarbeitet

    Abb. 5: Auslöser Erstellung Familienverfassung

    Nachfolge Gesellschafterkreis

    Konfliktprävention

    Lösung akuter KonflikteMehrfachnennung=45, n=37

    62%

    51%

    8%

    auSlöSEr Für dIE ErSTElluNg EINEr FamIlIENvErFaSSuNg

    04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken

  • 20

    Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kam bei 49 Prozent der befragten Familienunternehmen

    von den Gesellschaftern selbst (Abb. 6). Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beratungserfahrungen von

    INTES. Nur wenn unter den Gesellschaftern Konsens darüber besteht, ein gemeinsames Regelwerk zu erar-

    beiten, wird dies gelingen und zu nachhaltigen Veränderungen führen. Einzelinitiativen von Beiräten, Ehe-

    partnern, Nachfolgern oder Gesellschaftern sind dagegen oft zum Scheitern verurteilt. Diesen isolierten

    Bemühungen fehlt die Durchschlags- und Überzeugungskraft – letztlich ist der gemeinsame Weg das Ziel.

    Nur jedes zwanzigste Familienunternehmen ist heute bereits soweit, dass es Familientradition ist, eine

    Familienverfassung zu erarbeiten und dass es somit keines Anstoßes aus dem Gesellschafterkreis bedarf.

    Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kommt meist von den Gesellschaftern

    Abb. 6: Impuls Erstellung Familienverfassung

    Gesellschafter

    Andere

    Mehrfachnennung=55, n=37

    Aktive Gesellschafter 49%

    Senior-Generation 41%

    Junior-Generation 30%

    Beirat 11%

    Publikation 8%

    Familientradition 5%

    Dritte als Vorbild 5%

    ImpulS Für ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg durch

    Erwartung

    Unternehmerfamilien erhoffen sich von einer Familienverfassung vor allem einen emotionalen Mehrwert.

    Die Familienverfassung soll den Zusammenhalt in der Familie und die Bindung der Familienmitglieder an

    das Unternehmen stärken (Abb. 7). So erwarteten sich Unternehmerfamilien von deren Erarbeitung, dass

    sie Frieden und Stabilität in der Familie sichert (84 Prozent der Befragten), sowie den Zusammenhalt und

    die Identifikation mit dem Unternehmen stärkt (76 Prozent der Befragten).

  • 21

    04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken

    Deutlich schwächer ausgeprägt sind zwei andere Punkte: Dass sich mit einer Familienverfassung auch Füh-

    rung und Kontrolle verbessern lassen (Corporate Governance) und dass sich auch der wirtschaftliche Erfolg

    und damit der ökonomische Wert des Unternehmens erhöht, erwarten deutlich weniger der befragten Inhaber.

    Die Familienverfassung soll vor allem emotionale Werte schaffen

    Abb. 7: Erwartungen an Familienverfassungen

    ErwarTuNg aN FamIlIENvErFaSSuNg

    mIT FamIlIEN- vErFaSSSuNg

    ohNE FamIlIEN- vErFaSSuNg

    Frieden und Stabilität sichern 84% 71%

    Zusammenhalt und Identifikation fördern 76% 39%

    Führung und Kontrolle verbessern 27% 35%

    Wirtschaftlichen Erfolg erhöhen 32% 71%

    mit Familienverfassung: Mehrfachnennung n=81, n=37

    ohne Familienverfassung: Mehrfachnennung n=240, n=111

    Familienunternehmen ohne Familienverfassung haben eine ähnliche Erwartungshaltung hinsichtlich der

    Sicherung von Frieden und Stabilität. Allerdings erhoffen sie sich von einer Familienverfassung auch

    einen höheren wirtschaftlichen Erfolg (71 Prozent der Befragten) und eine Verbesserung der Führungs-

    und Kontrollstrukturen (35 Prozent der Befragten). Die Förderung von Zusammenhalt und Identifikation

    tritt als Zielsetzung stärker in den Hintergrund, was auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass sich

    diese Problematik bei den im Durchschnitt deutlich jüngeren Unternehmen weniger oft einstellt.

    EmoTIoNalEr wErT

    Der Wert eines Familienunternehmens aus der Sicht der Inhaber setzt sich zusammen aus einem ökonomischen und einem emotionalen Teil. Der emotionale Wert ist definiert als Gefühl der Zusammengehörigkeit als Familie und der Zugehörigkeit zum Familienunternehmen.

  • 22

    dr. alExaNdEr koEbErlE-SchmId: waS war daS

    moTIv Für dIE ErarbEITuNg IhrEr FamIlIENvEr-

    FaSSuNg?

    CHRISTIAN GLäSEL: Unser Ziel war es, mit der Fa-

    milienverfassung zu dokumentieren, wie wir unser

    Unternehmen unabhängig und erfolgreich an die

    nächste Generation übergeben können.

    kamEN bEI dEr ErarbEITuNg dEr FamIlIEN-

    vErFaSSuNg auch SprENgSToFFThEmEN auF

    dEN TISch?

    Ja, der Prozess hat ungeklärte Familienthemen an

    die Oberfläche gebracht. Besonders hilfreich war

    hier der erste Workshop, den wir gemeinsam durch-

    geführt haben. Anfangs gab es heftige Auseinander-

    setzungen, uralte persönliche Konflikte kamen auf

    den Tisch. So konnten sie besprochen und aus dem

    Weg geräumt werden. Es waren sehr emotionale

    Tage. Am Ende des zweiten Workshoptags hatten wir

    die Vergangenheit zum größten Teil aufgearbeitet

    und konnten nun mit einem gemeinsamen Ziel an

    unserer Familienverfassung arbeiten.

    SEIT 2008 habEN SIE NuN IhrE FamIlIENvErFaS-

    SuNg. wIE würdEN SIE auS hEuTIgEr SIchT dEN

    NuTzEN Für IhrE FamIlIE bESchrEIbEN?

    Mit der Familienverfassung haben wir ein eindeu-

    tiges Regelwerk geschaffen, das uns allen Sicher-

    heit gibt. Durch die gemeinsame Erarbeitung wur-

    den alle Familienmitglieder einbezogen und haben

    ihre Beziehung zum Unternehmen gestärkt. Wir

    haben alle wichtigen Themen besprochen und sind

    uns einig über den Umgang mit ihnen.

    waS IST aNdErErSEITS dEr NuTzEN dEr FamIlIEN-

    vErFaSSuNg Für dIE gESchäFTSFühruNg?

    Weidmüller wird heute durch ein professionelles

    Fremdmanagement geführt. Auch ihnen gibt die

    Verfassung Sicherheit in Bezug auf die langfristige

    Ausrichtung und die Ziele, die wir mit dem Unter-

    nehmen verfolgen. So haben wir in unserer Verfas-

    sung strategische, finanzielle und – was mir beson-

    ders wichtig ist – auch wertorientierte Ziele ge-

    setzt. Diese langfristige Ausrichtung steigert die

    Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber.

    Sowohl ich als auch die Geschäftsführung kommu-

    niziert das weltweit im Unternehmen.

    »Der Prozess ist genial«Interview mit Christian Gläsel

    Die Unternehmerfamilie Gläsel hat durch eine Familienverfassung den Interessen

    von Familie und Inhaberschaft einen Rahmen gegeben. Christian Gläsel, seit

    2008 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Weidmüller Gruppe, einem international

    agierenden Unternehmen mit Hauptsitz in Detmold, berichtet im Gespräch mit

    Dr. Alexander Koeberle-Schmid über den Nutzen der Gläsel-Familienverfassung.

  • 23

    Interview mit Christian Gläsel

    waS IST Für SIE pErSöNlIch dEr gröSSTE

    NuTzEN dEr FamIlIENvErFaSSuNg?

    Ich persönlich habe durch die Familienverfassung

    sehr viel Klarheit gewonnen. Es gibt keine Grauzo-

    nen mehr in meiner täglichen Arbeit. Ich weiß ge-

    nau, wann ich das Mandat meiner Mitgesellschaf-

    ter habe, eine Entscheidung zu treffen, und wann

    ich ihre Zustimmung einhole. Die Familienverfas-

    sung hat meine Arbeit als Familienrepräsentant

    und Aufsichtsratsvorsitzender damit erleichtert

    und professionalisiert.

    würdEN SIE auch aNdErEN uNTErNEhmEr-

    FamIlIEN EmpFEhlEN, EINE FamIlIENvErFaSSuNg

    zu ErarbEITEN?

    Wie so häufi g gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel.

    Die Verfassung ist als Regelwerk und Orientierung

    für alle Familienmitglieder sehr wichtig. Noch wich-

    tiger aber war ihr Entstehungsprozess. Zunächst gilt

    es, alle Mitgesellschafter in ein Boot zu holen und

    von der Idee einer Verfassung zu überzeugen. Dann

    heißt es, mit großer Offenheit gemeinsam die Ver-

    fassung zu erarbeiten. Ist die Bereitschaft zur offe-

    nen Auseinandersetzung nicht gegeben, so ist das

    Ergebnis verwaschen und wird auch in der Anwen-

    dung nicht funktionieren. Dieser Prozess kann

    schwierig und emotional sein. Hilfreich ist die Be-

    gleitung durch versierte und vertrauensvolle exter-

    ne Moderatoren. Aber für mich ist heute klar: Die

    gemeinsame Erarbeitung der Familienverfassung,

    das Auseinandersetzen miteinander und das Zuein-

    anderfi nden in gemeinsamen Regeln und Zielen,

    das ist der wirkliche Wert einer Familienverfassung.

    Der Prozess ist genial. Ich überlege mir immer noch,

    wie er wiederholt werden kann. Derzeit überprüfen

    und diskutieren wir die Familienverfassung einmal

    im Jahr und halten so unser Interesse und unsere

    Aufbruchsstimmung lebendig.

    weidmüller ist weltweit führender anbieter von

    lösungen für die elektrische verbindung, übertra-

    gung und wandlung von Energie, Signalen und daten

    für industrielle anwendungen. 2010 erwirtschafteten

    4.000 mitarbeiter einen umsatz von 535 mio. Euro.

    Christian Gläsel

    Quelle: Koeberle-Schmid/Fahrion/Witt, Family Business Governance – Erfolgreiche Führung von Familienunterneh-men, 2. Aufl age, Herbst 2011, mit freundlicher Genehmigung© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2011

  • 24

    Erwartungen voll erfüllt

    Die Ergebnisse unserer Befragungen zeigen, dass die hohen Erwartungen an die Familienverfassung nicht

    unbegründet sind. In knapp 80 Prozent der befragten Unternehmerfamilien wurden die Erwartungen an

    die Familienverfassung voll erfüllt oder sogar übertroffen (Abb. 8). Addiert man jene Familienunterneh-

    men noch hinzu, bei denen die Erwartungen ausreichend erfüllt wurden, so liegt man bei knapp 95 Pro-

    zent. Dieses Ergebnis zeigt, dass eine Familienverfassung zu positiven Veränderungen in Familie und

    Unternehmen führt. Es ist auch ein Indiz dafür, dass eine Familienverfassung in der Praxis mit Leben ge-

    füllt wird und insofern kein totes Dokument bleibt.

    Das Regelwerk hat sich in der Praxis bewährt

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    »Wird dem Unternehmen ein emotionaler Wert beigemessen, generiert das Besitzen des Unternehmens nichtfinanzielle Vorteile für die Inhaber wie beispielsweise Stolz, Status, Ansehen und Freude. Das (…) zeigt, dass Anteilseigner so nachhaltiger befriedigt werden als durch pure finanzielle Vorteile.« Aus der Studie: »Emotional Value – Der emotionale Wert, ein Unternehmen zu besitzen«

    Abb. 8: Erfüllung Erwartungen Familienverfassung

    ErwarTuNgEN aN FamIlIENvErFaSSuNg ErFüllT

    n=33

    trifft voll zu und übertroffen

    6%

    15%

    79%

    trifft zu

    trifft nicht zu

  • 25

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Emotionaler Mehrwert

    Vergleicht man die Erwartungen an eine Familienverfassung mit den Ergebnissen, wird deutlich, dass sich

    die angenommene Stärkung des Zusammenhalts und der Identifikation sowie die Sicherung von Frieden

    und Stabilität in der Praxis auch einstellen (Abb. 9). Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass durch eine

    Familienverfassung ein hoher emotionaler Mehrwert entsteht.

    Zusammenhalt, Identifikation, Führungs- und Kontrollstrukturen und Stabilität werden gestärkt

    Abb. 9: Zufriedenheitsgrade

    zuFrIEdENhEITSgradE voN FamIlIENuNTErNEhmEN mIT FamIlIENvErFaSSuNg

    Mittelwerte: n = 37

    Zusammenhalt und Identifikation fördern 4,3

    Führung und Kontrolle verbessern 4,2

    Frieden und Stabilität sichern 4,1

    3,8Wirtschaftlichen Erfolg erhöhen

    1 nicht erfüllt

    Erfüllungsgrad

    voll erfüllt 5

    Ökonomischer Mehrwert

    Interessant ist, dass sich Führung und Kontrolle im Familienunternehmen durch eine Familienverfassung

    verbessern, obwohl das nur von wenigen Befragten so erwartet wurde. Hier zeigt sich die besondere Leis-

    tungsfähigkeit des Regelwerks: Zufällige oder durch Gewohnheit entstandene, aber nie kodifizierte Vorge-

    hensweisen werden durch konkrete, verbindliche und für alle Beteiligten sichtbare Regeln ersetzt. Das ist

    zum Beispiel dann der Fall, wenn die Familienverfassung Aussagen zur Struktur der Führung macht, all-

    gemeine Regeln zum Ablauf der Nachfolge aufstellt oder die Gestaltung der Kontrolle durch einen Beirat

  • 26

    regelt. Das zeigt, dass Governance-Regeln auf der Inhaberebene sinnvoll und notwendig sind, insbeson-

    dere bei Familienunternehmen, die sich schon weiter als eine Generation vom Zeitpunkt der Gründung

    entfernt haben.

    Zwar ist die Erzeugung eines unmittelbaren ökonomischen Nutzens nicht das explizite Ziel bei der Schaf-

    fung eines Familienregelwerks. Dennoch ist der wirtschaftliche Vorteil evident. Denn auch eine emotiona-

    le Kategorie wie der bewahrte Frieden, der noch im Entstehen aufgegriffene und gelöste Konflikt oder die

    dank der Regeln zügig gelöste Nachfolgefrage haben direkten wirtschaftlichen Nutzen: Die Familie bleibt

    eine emotionale Einheit, der Geschäftsbetrieb wird nicht durch einen Streit belastet, das Unternehmen

    kann ohne Störung aus der Inhabersphäre geführt werden.

    Die Familienverfassung sorgt also regelmäßig auch für einen ökonomischen Wert: Die Studienergebnisse

    zeigen einen klaren, positiven Zusammenhang zwischen Verfassung und unternehmerischer Fitness: Eine

    Umsatzrendite von über 5 Prozent erwirtschafteten 58 Prozent der Unternehmen mit Verfassung, aber nur

    46 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 10).

    Familienunternehmen mit Familienverfassung sind ökonomisch erfolgreicher

    Abb. 10: Wirtschaftliches Ergebnis der Familienunternehmen

    FamIlIENuNTErNEhmEN mIT umSaTzrENdITE übEr 5% IN 2010

    ohne FV: n=97, mit FV: n=29

    46%

    ohne Familienverfassung mit Familienverfassung

    58%

  • 27

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Signifikant höhere Zufriedenheit

    Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Verfassung unmittelbar auf die emotionale Konstitution der Familie

    wirkt: Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind signifikant zufriedener mit den Regeln für Un-

    ternehmen und Familie als Inhaber ohne Familienverfassung. Das zeigt: Einzelne, nach Opportunitäten

    etablierte und oft wieder vergessene Regeln oder auch ein Gesellschaftsvertrag vermögen nicht dasselbe

    zu leisten wie eine Familienverfassung. Die befragten Inhaber mit Familienverfassung sind um 30 Prozent

    zufriedener als solche ohne dieses Regelwerk. Zudem wird die Zufriedenheit der Familie mit Familienver-

    fassung um 21 Prozent höher eingeschätzt (Abb. 11).

    Die Familienverfassung schafft ein signifikant nachweisbares Plus bei der Zufriedenheit in der Familie

    Abb. 11: Zufriedenheit mit Regelwerk (FV: Familienverfassung; Skala: 1 = überhaupt nicht zufrieden – 5 = sehr zufrieden)

    zuFrIEdENhEIT bEFragTE pErSoN mIT rEgElwErk

    ohne FV mit FV

    3,39

    4,39

    + 30%

    Mittelwerte; mit FV: n=36 ohne FV: n=110

    gESchäTzTE zuFrIEdENhEIT FamIlIE mIT rEgElwErk

    ohne FV mit FV

    Mittelwerte; mit FV: n=36 ohne FV: n=102

    3,49

    4,22

    + 21%

    Dass Inhaber, die sich eine Familienverfassung gegeben haben, zufriedener sind als die Vergleichsgruppe

    ohne Verfassung, hat einen einfachen Grund. In den meisten Familienverfassungen sind alle typischen

    Lebenslagen aus der Sphäre Unternehmen und Familie einmal besprochen, durchdacht und geregelt. Die-

    se Vorkehrungen auf der inhaberstrategischen Ebene schaffen Sicherheit, wenn die Regelungen klar und

    umfassend sind und in der Praxis auch befolgt werden – genau das ist bei Familienunternehmen mit Fa-

    milienverfassung deutlich häufiger der Fall.

  • 28

    In der Familienverfassung werden Grundsätze und Regeln aufgestellt zu den Themen Mitgliedschaft,

    Selbstverständnis, Inhaber-Geschäftsmodell sowie Corporate Governance (Nachfolge, Mitarbeit, Beirat,

    Ausschüttung und Ausscheiden) und Family Governance (Family Activity, Family Education, Family Office

    und Family Philantrophy).

    Mitgliedschaft

    Wenn die Familienverfassung sagt, wer Mitglied im Kreis der Gesellschafter sein darf und wer nicht, muss

    niemand mehr darüber diskutieren. Das wird gerade in einer Zeit von Mehrfachehen und Patchworkfami-

    lien immer wichtiger. So muss die Inhaberfamilie also beispielsweise festlegen, ob nur eheliche und leib-

    liche Abkömmlinge Inhaber sein dürfen, oder ob auch adoptierte Kinder oder Kinder aus zweiter Ehe An-

    teile am Unternehmen erben können. Die Zugehörigkeit zum Gesellschafterkreis (Mitgliedschaft) ist bei

    92 Prozent der Unternehmen mit Familienverfassung geregelt – hingegen nur bei 66 Prozent der Firmen

    ohne Familienverfassung (Abb. 12). Fehlt eine Regelung, kann im Erbfall schnell Streit entstehen. Und es

    besteht keine Klarheit darüber, wer überhaupt zur Unternehmerfamilie gehört. Deshalb sehen ein Drittel

    der Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung deutlich Veränderungsbedarf bei ihrem bestehenden

    Regelwerk. Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind im Gegensatz dazu mit den von ihnen ge-

    troffenen Regeln zufrieden, weshalb nur 15 Prozent Veränderungsbedarf sehen.

    Unternehmen mit Familienverfassung haben die wichtigen Bereiche Mitglied-schaft, Selbstverständnis und Geschäftsmodell klarer und besser geregelt

    Abb. 12: Frage nach vorhandenen Regeln

    ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr rEgElN

    15%

    10%

    MitgliedschaftZugehörigkeit zum Gesellschafterkreis

    SelbstverständnisWerte und Ziele für Familien

    und Unternehmen

    Inhaber- Geschäftsmodell

    Strategische Eckpunkte des Unternehmens

    24%

    n=36 = Veränderungsbedarf

    mit Familienverfassung ohne Familienverfassung

    92%

    94%

    53%

    n=108

    66%33%

    58%34%

    52%34%

    Familienverfassungen schaffen klare und gute Regelwerke

  • 29

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Selbstverständnis

    Das Fundament für den Zusammenhalt im Familienunternehmen sind gemeinsame Werte und Ziele (Selbst-

    verständnis) in Bezug auf Familie, Unternehmen und familiäre Inhaberschaft. 94 Prozent der Familienun-

    ternehmen mit Familienverfassung haben sich auf klare, explizite Werte und Ziele verständigt, während

    diese Zahl bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung nur bei 34 Prozent liegt (Abb. 12). Es ist

    leicht nachvollziehbar, dass ein gemeinsames Ziel- und Wertegerüst der wichtigste Erfolgsfaktor

    eines Familienunternehmens ist, wenn es darum geht, Streit zu vermeiden und langfristigen Erfolg zu

    sichern. So wollen Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung in 58 Prozent der Fälle gemeinsam Wer-

    te und Ziele erarbeiten, die das Handeln aller am Familienunternehmen beteiligten Personen leiten sollen.

    Inhaber-Geschäftsmodell

    Die Werte und Ziele der Familie in Bezug auf das Unternehmen werden in einer Familienverfassung durch

    Grundentscheidungen über die Eckpunkte des Geschäftsmodells konkretisiert. Dazu zählen etwa Vorgaben

    zu Wachstum, Eigenkapitalquote oder Diversifikation. Diese Vorgaben helfen, beispielsweise das Dilemma

    zwischen der wachsenden Zahl der Gesellschafter, dem Unternehmenswachstum und der Höhe der Ausschüt-

    tung einvernehmlich zu regeln oder aber aktives Risikomanagement seitens der Inhaber zu betreiben. Zu

    diesen Themen haben Unternehmen mit Familienverfassung in 53 Prozent der Fälle Vorgaben getroffen, aber

    nur 34 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 12). Auffällig ist, dass in diesem Bereich die

    Anzahl der Unternehmen mit Regelungen sehr gering ist und insofern ein gewisser Nachholbedarf besteht,

    klare strategische Leitplanken für das Management von Familienunternehmen zu etablieren. Aus diesem

    Grund wollen Familienunternehmen mit Familienverfassung in 24 Prozent der Fälle, jene ohne Familienver-

    fassung sogar in 52 Prozent der Fälle Grundentscheidungen über das Inhaber-Geschäftsmodell treffen.

    Nachfolge

    Was das wichtige Thema der Nachfolgeregelung betrifft, so gibt es in 84 Prozent der Familienunternehmen

    mit Familienverfassung ein feststehendes Anforderungsprofil für den nächsten Geschäftsführer, hingegen

    nur bei 28 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 13). Einen formalen Auswahlprozess

    für den Nachfolger gibt es bei 73 Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung, hingegen nur

    bei 24 Prozent ohne Familienverfassung. Hier ist deutlicher Nachholbedarf erkennbar. Es ist für den er-

    folgreichen Übergang von einer zur nächsten Generation unabdingbar, ein schlüssiges Nachfolgekonzept

    zu erarbeiten, in dem die inhaberstrategische Richtung, das Nachfolgemodell und die Entwicklungspro-

    gramme für Junioren und Senioren festgelegt sind. Die Vermutung liegt nahe, dass die Regelungen, die

    Familienunternehmen mit Familienverfassung getroffen haben, deutlich besser sind als bei jenen ohne

    Familienverfassung, da weniger Veränderungsbedarf besteht.

  • 30

    Verstirbt ein Mitglied der Inhaberfamilie, handelt es sich um eine Nachfolge im Zeitraffer. Dafür haben

    Familienunternehmen mit Familienverfassung (69 Prozent) und ohne Familienverfassung (57 Prozent)

    etwa gleich häufig Vorkehrungen getroffen (Abb. 13). Allerdings besteht bei jenen mit Familienverfassung

    deutlich weniger änderungsbedarf, d.h. die Notfallregeln sind besser als bei Familienunternehmen ohne

    Familienverfassung.

    Auch Nachfolge und Mitarbeit von Familienmitgliedern haben Unternehmen mit Familienverfassung klarer und besser geregelt.

    Abb. 13: Existenz Regeln Corporate Governance (Nachfolge, Mitarbeit)

    ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr corporaTE-govErNaNcE-rEgElN

    n=36 = Veränderungsbedarf

    mit Familienverfassung ohne Familienverfassung

    n=97

    22%Nachfolge

    anhand formalen Auswahlprozesses

    73% 42%24%

    Nachfolgebei plötzlichem Ausfall

    des Unternehmers29%69% 55% 57%

    MitarbeitFamilie auf

    Führungsebene11%91% 38% 44%

    MitarbeitFamilie unterhalb Führungsebene

    12%59% 30%27%

    26%Nachfolge

    anhand feststehenden Anforderungsprofils

    84% 49%28%

  • 31

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Mitarbeit

    Die Diskussion über die Frage der Mitarbeit von Familienmitgliedern im Familienunternehmen wird häu-

    fig emotional geführt. Dabei geht es um Lebensstandards oder um falsch verstandene Fürsorgepflichten

    für Familienmitglieder. Eine Regelung dazu ist spätestens ab der Geschwistergesellschaft zu treffen, wenn

    mehrere Inhaber am Unternehmen beteiligt sind. Deshalb treffen auch Familienunternehmen mit Famili-

    enverfassung, die durchschnittlich 13 Gesellschafter haben, in 91 Prozent der Fälle klare Regeln dazu, ob

    Familienmitglieder auf der Führungsebene mitarbeiten dürfen oder nicht (Abb. 13). Bei Familienunterneh-

    men ohne Familienverfassung ist das nur bei 44 Prozent der Fall, wobei immerhin 38 Prozent Verände-

    rungsbedarf anmelden.

    Auch die Mitarbeit eines Familienmitglieds unterhalb der Führungsebene gehört zu den Regelungstatbe-

    ständen. Dabei überrascht, dass dieses Thema nur von 59 Prozent der Familienunternehmen mit Famili-

    enverfassung angegangen wird. Gerade hier besteht Konfliktpotenzial, vor allem wenn es um die Frage

    geht, wer mitarbeiten darf und wer nicht. Außerdem kann die Mitarbeit von Inhabern unterhalb der Füh-

    rungsebene zu Irritationen bei Vorgesetzten und Kollegen führen.

    Beirat

    Zu guter Governance im Familienunternehmen gehört nicht nur eine gute Führung, sondern auch die

    passende Kontrolle. Laut einer INTES-Studie aus dem Jahr 2008 haben etwa 60 Prozent der Familienunter-

    nehmen einen Beirat installiert. Jene mit Familienverfassung haben zu diesem Thema deutlich häufiger

    Regelungen getroffen. So haben sie in 82 Prozent der Fälle die Aufgaben des Beirats (Kontrolle, Beratung,

    Personalwahl) definiert und sehen dort auch kaum änderungsbedarf (Abb. 14). Bei Familienunternehmen

    ohne Familienverfassung gibt es seltener definierte Aufgaben – allerdings denken 39 Prozent darüber

    nach, dies zu konkretisieren. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Zusammensetzung des Beirats. Familien-

    unternehmen mit Familienverfassung haben dazu klare Regelungen getroffen (77 Prozent), die sie für gut

    empfinden (bei nur 11 Prozent besteht Veränderungsbedarf). Bei Familienunternehmen ohne Familien-

    verfassung bestehen nur in 46 Prozent der Fälle klare Regelungen zur Zusammensetzung, die in 33 Pro-

    zent der Unternehmen auch geändert werden sollen.

    Es zeigt sich also, dass sich Familienunternehmen mit Familienverfassung eine klare Führungs- und Kon-

    trollstruktur geben. Zwar haben nur rund ein Viertel von ihnen erwartet, dass sich durch die Familien-

    verfassung die Corporate Governance verbessert (Abb. 7). Doch zeigen die Ergebnisse, dass im Zuge der

    Erarbeitung einer Familienverfassung zur Führung, Kontrolle und Mitarbeit eindeutige Regelungen getrof-

    fen wurden, mit denen die Familie dann auch sehr zufrieden ist.

  • 32

    Die Themenbereiche Beirat, Ausschüttung und Ausscheiden von Gesellschaftern sind bei Familienunternehmen mit Verfassung auch klarer und besser geregelt.

    Abb. 14: Existenz Regeln Corporate Governance (Beirat, Ausschüttung, Ausscheiden)

    ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr corporaTE-govErNaNcE-rEgElN

    n=30 = Veränderungsbedarf

    mit Familienverfassung ohne Familienverfassung

    n=106

    11% BeiratZusammensetzung

    77% 33% 46%

    AusschüttungVerteilung

    Unternehmensgewinn20%84% 29% 65%

    AusscheidenKündigungsfrist und

    Abfindungshöhe11%81% 35% 61%

    15%Beirat

    Aufgaben (Kontrolle, Beratung, Personalwahl)

    82% 39% 50%

    Ausschüttung und Ausscheiden

    Neben den Machtthemen der Corporate Governance regeln Unternehmerfamilien in ihrer Familienverfas-

    sung auch wichtige Geldthemen. Die Gewinnverteilung, also die Frage nach der Ausschüttung, ist in 84

    Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung geregelt und wird als gut empfunden. Nur 20

    Prozent der Befragten sehen Veränderungsbedarf. Hingegen ist die Gewinnverteilung nur bei 65 Prozent

    der Familienunternehmen ohne Familienverfassung klar geregelt und der gefühlte änderungsbedarf liegt

    hier mit 29 Prozent deutlich höher (Abb. 14).

    Das freiwillige und unfreiwillige Ausscheiden aus wichtigem Grund ist in 81 Prozent der Familienunter-

    nehmen mit Familienverfassung geregelt (Veränderungsbedarf nur bei 11 Prozent), hingegen nur bei

    61 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienverfassung (Veränderungsbedarf bei 35 Prozent).

    Auch wenn die Unterschiede der Vergleichsgruppen geringer ausfallen als bei anderen Fragen, bleibt

    festzustellen: Neben Macht ist Geld die große Konfliktursache in Familienunternehmen und sollte daher

    klaren Regelungen unterliegen, die im Konsens aller Inhaber erarbeitet werden. Dabei ist empfehlenswert,

    dass diese eindeutig auch im Gesellschaftsvertrag umgesetzt werden.

  • 33

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Family Governance

    Regeln zum Management des Unternehmens (Corporate Governance) sind im Familienunternehmen durch

    Maßnahmen zum Management der Unternehmerfamilie (Family Governance) zu ergänzen. Allerdings fällt

    auf, dass hierzu sowohl bei jenen Familienunternehmen mit als auch ohne Familienverfassung weniger

    häufig Regelungen getroffen wurden als bei anderen Themen (Abb. 15). So scheinen doch gerade Family-

    Governance-Maßnahmen neben der Definition des gemeinsamen Selbstverständnisses den Zusammenhalt

    und die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Frieden und Stabilität werden eher durch die

    Corporate-Governance-Regelungen bewirkt.

    Beachtlich ist aber, dass 68 Prozent der Familienunternehmen mit einer Familienverfassung Aktivitäten

    wie Familientreffen veranstalten, hingegen nur 25 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienver-

    fassung (Abb. 15). Dabei zeigt sich, dass beide Gruppen noch mehr gemeinsame Aktivitäten unternehmen

    möchten, da 18 bzw. 30 Prozent Veränderungsbedarf sehen. Auch in dieser Frage schneiden also Famili-

    enunternehmen mit Familienverfassung deutlich besser ab.

    Die Ausbildung der Gesellschafter zu professionellen, verantwortungsvollen Inhabern ist für den Erfolg

    eines Familienunternehmens besonders wichtig. Familienunternehmen mit Familienverfassung erkennen

    die Relevanz von Family-Education-Veranstaltungen und investieren in 53 Prozent der Fälle systematisch

    in die Ausbildung ihrer Gesellschafter (Abb. 15). Bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung ist

    dies nur in 17 Prozent der Fälle gegeben. Auch in diesem Bereich besteht insgesamt für alle Familienun-

    ternehmen noch Handlungsbedarf, was sich gerade durch die hohen Werte der gewünschten Veränderung

    ergibt, die bei 24 bzw. 39 Prozent liegen.

    Service-Leistungen für Gesellschafter (Family Office) sind ein weiterer Baustein einer umfassenden Family

    Governance. Dabei werden den Gesellschaftern oft rechtliche und steuerliche Unterstützung im Zusammen-

    hang mit ihrer Beteiligung angeboten. Ein Family Office kann aber auch das freie Vermögen der Gesellschaf-

    ter verwalten oder sogar Dienstleistungen in Form von Reisebuchungen oder Kinderbetreuung anbieten.

    38 Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung haben Regelungen zum Family Office getrof-

    fen (Abb. 15). Bei Unternehmen ohne Familienverfassung hingegen sind Regeln zum Family Office kaum

    verbreitet (nur 10 Prozent), allerdings besteht in 31 Prozent der Fälle der Wunsch nach Veränderung.

    Zahlreiche Unternehmerfamilien verfolgen das Ziel, einen Teil ihres Vermögens der Allgemeinheit zu über-

    geben (Family Philanthropy). Dabei überlassen manche Inhaberfamilien diese Aufgabe jedem Einzelnen,

    andere sind gemeinsam philanthropisch tätig. So haben 34 Prozent der Familienunternehmen mit Familien-

    verfassung eine Regelung getroffen, im Gegensatz zu 18 Prozent jener ohne Familienverfassung (Abb. 15).

    Dass Unternehmerfamilien hier mehr tun wollen, zeigt der Veränderungsbedarf, der bei Familienunterneh-

    men mit Familienverfassung bei 21 Prozent und bei jenen ohne bei 25 Prozent liegt.

  • 34

    Familienaktivitäten, Wissensvermittlung, Dienstleistung und philanthropische Aktivitäten haben Unternehmen mit Familienverfassung klarer und besser geregelt

    Abb. 15: Existenz Regeln Family Governance

    n=32 = Veränderungsbedarf

    mit Familienverfassung ohne Familienverfassung

    n=104

    24%Family Education

    Ausbildung Gesellschafter

    53% 39%17%

    Family OfficeService-Leistungen für

    Gesellschafter5%38% 31%10%

    Family Philanthropysoziales Engagement

    (Stiftung)21%34% 25%18%

    18%Family Activity

    gemeinsame Aktivitäten

    68% 30%25%

    ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr FamIly-govErNaNcE-rEgElN

  • 35

    05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert

    Es ist deutlich erkennbar, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung die wichtigsten inhaberstra-

    tegischen Fragen klarer und umfassender beantwortet haben. Doch die bloße Existenz entsprechender

    Regelwerke allein bewirkt noch keine Veränderungen. Während sich Unternehmen mit Familienverfas-

    sung nahezu immer an die aufgestellten Regeln halten (Mittelwert der Einhaltung der Regelwerke auf

    einer Skala von 1 für »überhaupt nicht eingehalten« bis 5 für »immer eingehalten« liegt bei 4,28), liegt

    dieser Wert bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung deutlich geringer (Abb. 16). Familien-

    unternehmen mit Familienverfassung beachten signifikant häufiger (+ 18 Prozent) ihre selbst auferlegten

    Regelwerke als Familienunternehmen ohne Familienverfassung.

    Dieses Ergebnis deckt sich eindeutig mit den INTES Beratungserfahrungen. So werden durch eine Famili-

    enverfassung neben dem gemeinsamen Regelwerk auch Mechanismen geschaffen, die Transparenz und

    Einhaltung der Regeln sicherstellen. Hierzu gehört beispielsweise die Verlagerung wichtiger Entscheidun-

    gen in Gremien wie Beiräte oder Gesellschafterausschüsse. Hinzu kommt, dass nicht nur die Transparenz

    und die Einhaltung der Regeln erhöht wird, sondern auch die Einsicht in die Richtigkeit der gemeinsam

    erarbeiteten Ansätze.

    Die Familienverfassung stellt sicher, dass Regeln in der Praxis auch angewendet werden

    Familienunternehmen mit Familienverfassungen halten sich besser an ihre Regelwerke

    Abb. 16: Einhaltung Regeln Familienverfassung (Skala: 1 = überhaupt nicht eingehalten; 5 = immer eingehalten)

    EINhalTuNg dEr rEgElwErkE

    ohne FV: n=109, mit FV: n=36

    + 18%

    mit Familienverfassung

    4,28

    ohne Familienverfassung

    3,63

  • 36

    06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel

    Externe Begleitung

    Familien, die eine Verfassung erarbeiten, fördern oft explosives Material zutage. Die ganze Wucht der

    Themen Geld, Macht und Liebe kommt offen zum Ausbruch, wenn über verbindliche Regeln und Prozesse

    diskutiert werden soll. Manche alte, unbeglichene Rechnung und manches vor Jahren im Familienkreis

    verletzte Ego können Emotionen hochkochen lassen.

    Viele Inhaberfamilien vertrauen sich deshalb bei der Erarbeitung einem externen Moderator und Experten

    an. Dieser kann der Diskussion Richtung und Leitplanken geben, er kann, weil er nicht Partei innerhalb

    der Familie ist, Emotionen bändigen und den Blick auf das gemeinsame Ziel sicherstellen. So sichert der

    Externe die Ergebnisorientierung des Prozesses. 68 Prozent der Unternehmerfamilien haben einen ex-

    ternen Berater als Moderator und Experten eingesetzt, als sie ihre Familienverfassung erarbeitet haben

    (Abb. 17). Dieser Einsatz lohnt: Weitere Analysen ergeben, dass die Zufriedenheit mit der Verfassung re-

    gelmäßig besonders hoch ist, wenn ein von außen kommender Fachmann das Vorhaben begleitete (der

    Mittelwert der Zufriedenheit auf einer Skala von 1 für »überhaupt nicht zufrieden« bis 5 für »sehr zufrie-

    den« liegt bei 4,3 bei Einsatz des externen Beraters, bei 3,7 bei Einsatz des Beirats und bei Einsatz eines

    Vertrauten der Familie bei 4,2).

    Die Erarbeitung einer Familienverfassung erfolgt in ganztätigen Workshops. Die Familiengesellschafter in

    Gänze, bei großen Familien deren ausgewählte Repräsentanten, beantworten in einer Gruppe von maximal

    20 Teilnehmern alle relevanten inhaberstrategischen Fragen. Struktur kann dabei der Governance Kodex für

    Familienunternehmen oder das INTES-Inhaber-Strategie-Haus (Abb. 18) geben. Im Rahmen der Erarbeitung

    einer Inhaber-Strategie werden folgende zentrale Fragen gestellt:

    Wie ist die Mitgliedschaft in der Inhaberfamilie geregelt und wie ist sie organisiert?

    Was sind Ziele, Werte und Selbstverständnis der Familie in Bezug auf die Familie selbst, das Unter-

    nehmen und die familiäre Inhaberschaft?

    Welches Inhaber-Geschäftsmodell strebt die Familie an, d.h. welches Chancen-Risiko-Profil wird

    erwartet, welcher Grad der Fokussierung oder Diversifizierung ist angemessen und wie sieht die

    zugrunde liegende Organisationsstruktur und Strategie aus?

    »Es wird empfohlen, die Bestandteile aus diesem Kodex individuell zu regeln. Diese Regelungen soll die Inhaberfamilie gemeinsam verabschieden, und sie sollen für eine vereinbarte Laufzeit Gültigkeit besitzen.« Governance Kodex für Familienunternehmen: www.kodex-fuer-familienunternehmen.de

  • 37

    06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel

    Wie soll die Corporate Governance geregelt werden hinsichtlich der Machtthemen wie Führung und

    Kontrolle, aber auch hinsichtlich der Geldthemen wie Vergütung, Dividenden oder Ausscheiden von

    Gesellschaftern?

    Wie sehen Regeln und Aktivitäten im Rahmen der Family Governance aus, um den Zusammenhalt der

    Familie zu fördern?

    Welche Rollen wollen die Mitglieder der Inhaberfamilie in Unternehmen und Familie wahrnehmen?

    Bei der Erstellung einer Familienverfassung werden überwiegend externe Berater bevorzugt

    Abb. 17: Prozessbegleiter

    IdEalEr prozESSbEglEITEr bEI dEr ErSTElluNg EINEr FamIlIENvErFaSSuNg

    mit FV: Mehrfachnennung=41, n=37ohne FV: Mehrfachnennung=122, n=111

    ohne Prozessbegleiter14%

    8%

    Vertraute der Familie19%

    14%

    Beirat25%

    22%

    Externe Berater51%

    68%

    = mit Familienverfassung, = ohne Familienverfassung

  • 38

    Die erfolgreiche Erarbeitung von Familienverfassungen muss nach einem stringenten Prozess erfolgen

    Unternehmerfamilien brauchen zur Erarbeitung einer Familienverfassung je nach Komplexität drei bis

    acht gemeinsame Arbeitstage in Summe, idealerweise im Abstand von jeweils vier bis sechs Wochen. Im

    Anschluss ist mit Hilfe der protokollierten Workshop-Ergebnisse die Familienverfassung von der Familie

    selbst zu schreiben. Dieser Schritt ist so wichtig, weil das Übersetzen in die eigene Sprache Verständlich-

    keit und Commitment erhöht. Daneben sind aber auch die Grundsatzentscheidungen in die entsprechen-

    den juristischen Verträge einzuarbeiten. Dieser gesamte Prozess dauert in der Regel zwischen sechs und

    zwölf Monaten.

    Überarbeitung

    Ist die Familienverfassung einmal geschrieben, sollten die Familienmitglieder nicht den Anspruch haben, an

    den getroffenen Regelungen über Generationen hinweg festzuhalten. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass es

    selten sinnvoll ist, mehr als fünf Jahre in die Zukunft zu blicken. Daher ist es erforderlich, eine Familienver-

    fassung in etwa diesem Rhythmus zu aktualisieren. Dies sehen auch die befragten Familienunternehmen so:

    In 58 Prozent der Fälle soll die Familienverfassung nach maximal fünf Jahren überprüft werden (Abb. 19).

    Abb. 18: INTES Inhaber-Strategie-Haus

    mIT dEm INTES-INhabEr-STraTEgIEprozESS zur FamIlIENvErFaSSuNg

    Family Business Governance I

    Corporate Governance

    Family Business Governance II

    Family Governance

    Rollen und Menschen

    Mitgliedschaft Selbstverständnis Inhaberge- schäftsmodell

    INhabEr-STraTEgIE

    Familien- verfassung

  • 39

    06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel

    Nach maximal fünf Jahren sollte die Familienverfassung überarbeitet werden

    INhabEr-STraTEgIE

    Unternehmerfamilien sind die dominanten Inhaber eines Familienunterneh-mens. Mit dieser Stellung sind nicht nur Rechte verbunden, sondern auch eine Verpflichtung zur Professionalität. Außerdem gibt es strategische Fragen, die nur die Inhaber selbst beantworten können. Diese Aspekte sind in einer Inhaber-Strategie zu erarbeiten. Dabei werden gemeinsam die wichtigsten Weichenstellungen in Bezug auf Familie und Unternehmen festgelegt. Die Inhaber-Strategie wird in der Familienverfassung dokumentiert.

    Abb. 19: Auffrischung für das Regelwerk

    gEplaNTE übErarbEITuNg FamIlIENvErFaSSuNg

    n=33

    in 1–5 Jahren

    9%

    33%

    58%

    später

    gar nicht

  • 40

    Die Grundlage für die Studie bildet die Befragung von 148 Inhaberinnen und Inhabern aus unterschied-

    lichen deutschen Familienunternehmen im Frühjahr 2011. Inhaber mit einer Familienverfassung füll-

    ten einen anderen Fragebogen aus als jene ohne Familienverfassung. Die 37 Familienunternehmen mit

    Familienverfassung stellten einen Anteil von 25 Prozent, 111 Unternehmerfamilien hatten dagegen keine

    Familienverfassung (75 Prozent). Beide Gruppen unterscheiden sich deutlich in Größe und Alter des Un-

    ternehmens sowie der Anzahl der Familiengesellschafter (Abb. 2).

    Zur weiteren Beschreibung der Stichprobe werden die 148 Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Mo-

    dell verortet. Mit Hilfe der Dimensionen Inhaberschaft, Investment und Governance kann jedes Familien-

    unternehmen eindeutig einer der jeweils vier Stufen zugeordnet werden. Zusammenfassend zeigt sich,

    dass Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung überwiegend familiengeführte Geschwister-

    gesellschaften mit einem fokussierten Unternehmen sind (Abb. 20). Bei näherer Betrachtung wird aller-

    dings deutlich, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung eine deutlich diversifiziertere Inhaber-

    Struktur haben, deutlich weniger inhabergeführt sind und deutlich häufiger ein Fremdmanagement ha-

    ben, das sie über einen Beirat oder Aufsichtsrat kontrollieren.

    Die befragten Familienunternehmen sind überwiegend familiengeführte Geschwistergesellschaften mit einem fokussierten Unternehmen

    Anhang | Stichprobe

    Abb. 20: Befragte Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Modell

    FU: Familienunternehmen = mit Familienverfassung, = ohne Familienverfassung

    Family Investment Office

    Diversifiziertes FU

    Fokussiertes FU

    Junges FU

    INvESTmENT STrukTur

    govErNaNcE STrukTur

    INhabEr STrukTur

    Inhaber- geführtes

    FU

    Familien- geführtes

    FU

    Familien- kontrolliertes

    FU

    Fremd- geführtes

    FU

    Familien- dynastie

    Vettern-konsortium

    Geschwister-gesellschaft

    Allein- inhaber

  • 41

    Anhang

    Inhaber-Struktur

    Familienunternehmen entwickeln sich in der Regel auf der Achse der Inhaber-Dimensionen vom

    1. Alleininhaber (1 Inhaber) über die

    2. Geschwistergesellschaft (2–4 Inhaber), das

    3. Vetternkonsortium (5–29 Inhaber) bis zur

    4. Familiendynastie (30 oder mehr Inhaber).

    Verortet man die Familienunternehmen in der Stichprobe auf dieser Achse, so dominiert die Geschwister-

    gesellschaft (laut Abb. 21 jeweils 54 Prozent der Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung).

    Allerdings wird deutlich, dass jene Familienunternehmen mit Familienverfassung offensichtlich mehr

    Inhaber haben und deshalb das Vetternkonsortium (32 Prozent) und die Familiendynastie (9 Prozent)

    häufiger vertreten sind. Interessant ist, dass alle Familiendynastien eine Familienverfassung haben. Im

    Gegensatz dazu haben Alleininhaber sich nur sehr selten eine Familienverfassung gegeben, da hier auch

    nicht unterschiedliche Interessen gebündelt werden müssen und oftmals auch der Alleininhaber einziger

    Geschäftsführer ist (23 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienverfassung befinden sich im

    Stadium des Alleininhabers).

    Investment-Struktur

    In der Investment-Dimension entwickeln sich die Familienunternehmen vom

    1. jungen zum

    2. auf eine Geschäftstätigkeit fokussierten zum

    3. in unterschiedlichen Geschäftsfeldern mit verschiedenen Risikoprofilen investierten, diversifizierten

    Familienunternehmen.

    4. Hält die Familie ausschließlich Minderheitsbeteiligungen ohne Führungsanspruch neben weiteren

    Vermögenstiteln wie Aktien und Immobilien, dann spricht man von einem Family Investment Office.

    Die befragten Familienunternehmen unterscheiden sich nicht in Bezug auf ihre Investment-Struktur. Mit

    63 Prozent überwiegt das fokussierte Familienunternehmen sowohl bei Unternehmen mit als auch ohne

    Familienverfassung (Abb. 21). Ein gleiches oder ähnliches Bild zeigt sich bei den anderen Stufen.

  • 42

    Governance-Struktur

    Betrachtet man allerdings die Verteilung in der Governance-Dimension, werden Unterschiede zwischen

    Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung deutlich. In der Regel entwickelt sich die Füh-

    rungs- und Kontrollstruktur vom

    1. inhabergeführten (Inhaberschaft und Führung sind identisch) über das

    2. familiengeführte (es gibt im Unternehmen aktive und inaktive Inhaber) über das

    3. familienkontrollierte (die Familie kontrolliert die ausschließliche Fremdgeschäftsführung über einen

    Beirat oder Aufsichtsrat), zum

    4. fremdgeführte Familienunternehmen (die Familie ist weder in der Führung noch in der Kontrolle

    tätig, sondern ist ausschließlich Inhaber, ähnlich eines Aktionärs in einer Publikumsgesellschaft).

    In der Stichprobe dominieren die familiengeführten Unternehmen (Abb. 21). Dabei zeigt sich aber, dass

    familienkontrollierte Unternehmen häufiger eine Familienverfassung haben. Hingegen verzichten inhaber-

    geführte Familienunternehmen oft auf eine Familienverfassung (43 Prozent). Die fremdgeführten Familien-

    unternehmen – immerhin 2 Prozent – haben überraschenderweise keine Familienverfassung. Diesen ist

    wohl nicht bewusst, dass hier die Einflussmöglichkeiten der Unternehmerfamilie verschwindend gering

    sind und die Gefahr besteht, dass das Unternehmen in der nächsten Generation kein Familienunternehmen

    mehr ist.

    Die Analyse der befragten Familienunternehmen mit der Hilfe des 3-Dimensionen-Modells verdeutlicht:

    Die Erstellung einer Familienverfassung hängt primär von der Inhaber- und Governance-Struktur ab,

    sekundär von Größe und Alter. Folgender Zusammenhang ist also evident: Je mehr Inhaber, je älter und

    je größer das Familienunternehmen und je weniger Führungseinfluss die Familie geltend machen kann,

    desto wichtiger ist es, eine Familienverfassung zu erarbeiten, um die Zukunft des Familienunternehmens

    zu sichern.

  • 43

    Anhang

    Familienunternehmen mit Familienverfassung haben eine deutlich diversifi- ziertere Inhaber-Struktur, sind deutlich seltener inhabergeführt und haben deutlich häufiger ein Fremdmanagement, das die Familie über einen Beirat oder Aufsichtsrat kontrolliert.

    Abb. 21: Detaillierte Zuordnung der befragten Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Modell

    vErTEIluNg Nach Typ mIT FamIlIENvErFaSSuNg (%)

    ohNE FamIlIENvErFaSSuNg (%)

    INh

    abE

    r-

    STru

    kTu

    r

    Alleininhaber 5 23

    Geschwistergesellschaft 54 54

    Vetternkonsortium 32 23

    Familiendynastie 9 0

    INv

    ESTm

    ENT-

    ST

    ruk

    Tur

    Junges FU 0 2

    Fokusssiertes FU 62 62

    Diversifiziertes FU 32 32

    Family Investment Office 6 4

    go

    vEr

    Na

    Nc

    E-

    STru

    kTu

    r

    Inhabergeführtes FU 32 43

    Familiengeführtes FU 49 50

    Familienkontrolliertes FU 19 5

    Fremdgeführtes FU 0 2

    FV: Familienverfassung; FU: Familienunternehmen n=37 n=111

  • 44

    Dr. Karsten Schween

    ist Geschäftsführender Gesellschafter der INTES Akademie und der INTES

    Beratung für Familienunternehmen. Er war mehrere Jahre als Vorsitzender

    der Geschäftsführung eines großen Familienunternehmens tätig. Zuvor be-

    riet er viele Jahre als Partner der weltweit tätigen Unternehmensberatung

    McKinsey & Company, Inc. Familienunternehmen und Konzerne in verschie-

    denen Produktions- und Dienstleistungsindustrien in Europa und Asien. Er

    absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und studierte sowie promovier-

    te in Betriebswirtschaftslehre an der WHU – Otto Beisheim School of Ma-

    nagement. Die Arbeitsschwerpunkte von Karsten Schween liegen in der Be-

    arbeitung strategischer, organisatorischer und operativer Fragestellungen

    von Familienunternehmen. In diesen Bereichen arbeitet er eng mit Unter-

    nehmern, Familien, Nachfolgern und Fremdmanagern zusammen.

    Kontakt: Tel.: +49 228 3 67 80 41, E-Mail: [email protected]

    Dr. Alexander Koeberle-Schmid

    ist Berater bei der INTES Beratung für Familienunternehmen, wo er Unterneh-

    merfamilien zu inhaberstrategischen Themen wie Governance-Strukturen,

    Nachfolgegestaltung und Beiratskonzeptionen berät. Er stammt aus einer Un-

    ternehmerfamilie und fokussierte sich deshalb schon während seines Studi-

    ums und seiner Promotion an der WHU – Otto Beisheim School of Manage-

    ment auf Spezialfragen von Familienunternehmen. Außerdem publiziert er

    regelmäßig zum Thema Familienunternehmen. Zuletzt hat er das Standard-

    werk »Family Business Governance – Erfolgreiche Führung von Familienun-

    ternehmen« herausgegeben.

    Kontakt: Tel.: +49 228 3 67 80 41, E-Mail: [email protected]

    Dr. Alexander Koeberle-Schmid

    Dr. Karsten Schween

    Anhang | Autoren

  • 45

    Dr. Peter Bartels

    ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Mitglied des Vorstands von PwC. Er

    vertritt seit Frühjahr 2010 die Geschäftsbereiche »Familienunternehmen

    und Mittelstand« sowie »öffentliche Unternehmen«. Bis August 2008 war er

    als persönlich haftender Gesellschafter der Susat & Partner oHG, Wirt-

    schaftsprüfungsgesellschaft Hamburg tätig und hat danach die Leitung des

    Geschäftsbereichs »Valuation & Strategy« bei PwC übernommen. Herr Peter

    Bartels verfügt über 19 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Jahresab-

    schlussprüfung und Transaktionsberatung, insbesondere die integrierte

    Prüfung und Beratung (häufi g börsennotierter) eigentümergeführter Unter-

    nehmer und Unternehmensgruppen. Er ist Mitglied des Fachausschusses

    für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) beim Institut

    der Wirtschaftsprüfer und öffentlich bestellter Sachverständiger für Unter-

    nehmensbewertung.

    Kontakt: Tel.: +49 40 63 78 21 70, E-Mail: [email protected]

    Prof. Dr. Andreas Hack

    studierte BWL in Regensburg und Kopenhagen. Nach einer mehrjährigen

    Tätigkeit als Unternehmensberater schloss er 2003 seine Promotion an der

    WHU – Otto Beisheim School of Management ab. Danach folgte eine Station

    als wissenschaftlicher Assistent an der TU Dortmund. Seit Januar 2009 ist

    er erster Inhaber des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU

    und leitet dort zudem seit Januar 2010 das INTES Institut für Familienun-

    ternehmen.

    Kontakt: Tel.: +49 261 65 09 331, E-Mail: [email protected]. Dr. Andreas Hack

    Dr. Peter Bartels

    Anhang

  • 46

    INTES – Die erste Adresse für Familienunternehmen

    Mit über 5.000 Kunden und einer einzigartigen Methodik ist die 1998 ge-

    gründete INTES Pionier, Marktführer und erster Ansprechpartner für die

    Beratung und Qualifizierung der Inhaber von Familienunternehmen im

    deutschsprachigen Raum. Mission der INTES ist es, Familienunternehmen

    und Unternehmerfamilien bei der Bewältigung ihrer spezifischen Herausfor-

    derungen zu unterstützen. Ziel ist es, Familienunternehmen erfolgreicher

    und Unternehmerfamilien stärker zu machen. Grundlage des Angebots in

    Beratung und Qualifizierung ist das von Prof. Dr. Peter May entwickelte

    INTES-Prinzip, das die Bereiche Unternehmen, Familie, Persönlichkeit und

    Vermögen zu einer umfassenden Inhaber-Strategie verbindet.

    Schwerpunkte der INTES sind:

    Inhaber-Strategien

    Nachfolge-Lösungen

    Family-Business-Governance-Konzepte

    Strategien und Finanzierungskonzepte für Familienunternehmen

    Vermögensberatung für Familienunternehmer

    Anhang | Unternehmensprofile

  • 47

    Anhang

    PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

    Unsere Mandanten stehen täglich vor neuen Aufgaben, möchten neue Ideen

    umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten, dass wir sie ganzheitlich betreuen

    und praxisorientierte Lösungen mit größtmöglichem Nutzen entwickeln. Des-

    halb setzen wir für jeden Mandanten, ob Global Player, Familienunternehmen

    oder kommunaler Träger, unser gesamtes Potenzial ein: Erfahrung, Branchen-

    kenntnis, Fachwissen, Qualitätsanspruch, Innovationskraft und die Ressour-

    cen unseres Expertennetzwerks in über 150 Ländern. Besonders wichtig ist

    uns die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Mandanten, denn je

    besser wir sie kennen und verstehen, umso gezielter können wir sie unterstüt-

    zen. Mittelständische und familiengeführte Unternehmen erhalten bei uns

    eine Betreuung, die sich durch Engagement und Kontinuität auszeichnet. Un-

    seren Mandanten steht ein persönlicher Ansprechpartner zur Seite, den sie

    jederzeit zu allen Fragen konsultieren können. Er kennt ihr Geschäft, hat die

    Interessen der Gesellschafter im Blick und koordiniert die Arbeit der jeweils

    erforderlichen Fach- und Branchenexperten. So bekommen sie alle Leistungen

    aus einer Hand, zeitnah und direkt vor Ort – auch im Ausland.

    PwC. 8.700 engagierte Menschen an 28 Standorten. 1,33 Mrd. Euro Gesamt-

    leistung. Führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in Deutsch-

    land. Partner für Familienunternehmen und Mittelstand.

    WHU – Otto Beisheim School of Management, INTES Institut für Familienunternehmen

    Die WHU – Otto Beisheim School of Management ist eine international ausge-

    richtete, privat finanzierte Wirtschaftsschule. Inzwischen gehört die WHU zu

    den renommiertesten deutschen Wirtschaftsschulen und genießt international

    hohes Ansehen. Das INTES Institut für Familienunternehmen an der WHU wid-

    met sich gezielt der Erforschung spezifischer Herausforderungen von Familien-

    unternehmen. Wichtige Aspekte sind die Lösungsvermittlung und der Aus-

    tausch von Forschungsergebnissen mit der Unternehmerpraxis. Geleitet wird

    das Institut von Prof. Dr. Andreas Hack, der ebenso wie Prof. Dr. Sabine Klein

    Inhaber eines Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU ist. Das Ins-

    titut wird durch die Honorarprofessur von Prof. Dr. Peter May und dem asso-

    ziierten Mitglied der Fakultät Prof. Dr. Franz W. Kellermanns weiter verstärkt.

  • INTES Akademie für FamilienunternehmenKronprinzenstraße 31 53173 Bonn - Bad GodesbergTelefon +49 228 36780-61 Fax +49 228 [email protected] www.intes-akademie.de