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Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack
Zukunftssicherung für Familienunternehmen
Die Familienverfassung» STudIE
Karsten Schween, Alexander Koeberle-Schmid, Peter Bartels, Andreas Hack
Zukunftssicherung für Familienunternehmen
Die Familienverfassung
Veröffentlicht durch:
INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH
Kronprinzenstraße 31
53173 Bonn-Bad Godesberg
Tel.: +49 228 3 67 80 61
Fax: +49 228 3 67 80 69
www.intes-akademie.de
in Kooperation mit
PricewaterhouseCoopers AG
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
New-York-Ring 13
22297 Hamburg
Tel.: +49 40 63 78 21 70
Fax: +49 69 95 85 96 07 73
www.pwc.de/de/mittelstand
und
WHU – Otto Beisheim School of Management
INTES Institut für Familienunternehmen
Burgplatz 2
56179 Vallendar
Tel.: +49 261 6 50 93 31
Fax: +49 261 6 50 93 39
www.whu.edu
ISBN: 978-3-9811783-7-1
Alle Rechte vorbehalten
© INTES Akademie für Familienunternehmen GmbH,
Bonn-Bad Godesberg, Juli 2011
ImprESSum
05
Unternehmerfamilien kennen keinen Stillstand. Die Inhaberrolle bringt immer neue Herausforderungen
in dichter Folge. Die Dynamik einer verzweigten Familie verlangt zukunftsfähige Antworten – etwa wenn
Eltern ihre Kinder heranwachsen sehen: Mit einem Auge schauen sie auf ihre Kinder als liebender Vater,
als fürsorgliche Mutter. Das andere Auge aber blickt schon auf die Firma und fragt: Wer führt das Geschäft
in der kommenden Generation?
Die Nachfolgefrage ist nur eine von vielen Situationen, die immer wieder neu nach Antworten verlangt.
Viele weitere sind in jeder Unternehmerfamilie Alltag. Beispiele: Ein Gesellschafter will seinen Anteil
verkaufen. Der Bruder beansprucht für seine Tochter eine Anwartschaft auf die Chefposition. Der Berater
empfi ehlt den Inhabern die Mobilisierung von Eigenkapital.
Kaum ist einmal ein stabiler Zustand erreicht, gerät schon das nächste große Thema auf den Tisch. Aus
der Sicht des Inhabers haben diese Themen, die immer Übergänge einleiten, zwei Seiten. Sie bieten eine
Chance zur Neugestaltung, sind aber auch ein Punkt besonderen Risikos. Wer die systembedingte Abfolge
von Übergängen gut managt, kann die Vorteile des Familienunternehmens gegenüber anderen Unterneh-
menstypen voll zur Blüte bringen. Wer sie ignoriert, kann schnell in das Bermuda-Dreieck geraten, das
schon viele Unternehmerfamilien in Schwierigkeiten gebracht hat: Das Wechselspiel der Kräfte von Geld,
Macht und Liebe kann schnell hohe Wellen verursachen, die selbst starke Familien und erfolgreiche Un-
ternehmen in gefährliches Wanken bringen – bis zum Untergang.
Diesen Herausforderungen freilich lässt sich begegnen: Jede Inhaberfamilie jenseits der ersten Generation
sollte sich eine Familienverfassung geben. Dieses Regelwerk ist eine der wichtigsten Vorkehrungen, die
die langfristige Überlebenskraft der Unternehmerfamilie sichert. Ein Vorrat an rechtzeitig formulierten,
schriftlich niedergelegten und von allen in der Familie akzeptierten Regeln sorgt dafür, dass Stabilität
gewahrt, Kommunikation gesichert, gegensätzliche Interessen ausgesprochen und gelöst und Konfl ikte
angegangen werden, wenn sie noch klein sind.
Viele Unternehmerfamilien haben bereits eine Familienverfassung. In noch mehr Familien freilich fehlt
sie allerdings. Für Anwender und Noch-nicht-Anwender dieses Regelwerks liefert die vorliegende Studie
eine Fülle von Argumenten, Praxis-Hinweisen und alltagstauglichen Überlebenshilfen. Sie alle haben eins
gemeinsam: Wer sie anwendet, hat die einmalige Chance, seine Inhaberschaft weiter zu professionalisie-
ren – und für langfristigen Erfolg von Familie und Unternehmen zu sorgen.
Prof. Dr. Peter May
INTES-Gründer
Geleitwort
Prof. Dr. Peter May
06
Ohne die folgenden Personen wäre diese Studie nicht in der vorliegenden Form entstanden.
Unser herzlicher Dank gilt:
Pedram Faghfouri, WHU – Otto Beisheim School of Management
Prof. Dr. Sabine Klein, WHU – Otto Beisheim School of Management
Dr. Arno Lehmann-Tolkmitt, INTES Beratung für Familienunternehmen
Barbara Wallrafen, INTES Akademie für Familienunternehmen
Wir danken auch allen Inhaberinnen und Inhabern, die den ausführlichen Fragebogen
beantwortet haben.
Danksagung
07
Vorwort
Liebe Familien-Unternehmerinnen, liebe Familien-Unternehmer,
wenn Unternehmerfamilien über ihre Familienverfassung sprechen, sparen die Gesellschafter selten mit
Lob. Denn die in der Verfassung zusammengefassten Regeln helfen Familienunternehmen auf ihrem
Weg in eine stabile Zukunft. Der Kodex sorgt für Frieden und Stabilität, Orientierung und Zusammenhalt,
Kontrolle und Erfolg. Wir haben das wachsende Interesse am Thema »Familienverfassung« zum Anlass
genommen, zentrale Fragen mit der vorliegenden Studie zu beantworten. Gemeinsam mit der WHU – Otto
Beisheim School of Management haben wir 148 Inhaberinnen und Inhaber von Familienunternehmen
befragt und deren Antworten statistisch ausgewertet. Zum ersten Mal konnten wir einen detaillierten Blick
auf die Praxis der Familienverfassung werfen. So belegt unsere Studie den großen Nutzen von Familien-
verfassungen, insbesondere den Erfolgsbeitrag für eine stabile Familie und für ein störungsfrei geführtes
Unternehmen.
Besonders hervorzuheben ist, dass zwar nur ein Viertel der befragten Familienunternehmen über eine
Familienverfassung verfügen, aber ein Großteil jener Unternehmen ohne Verfassung in absehbarer
Zukunft einen solchen Kodex einführen wollen. Zu den wichtigsten Motiven zählen die Stärkung des fami-
liären Zusammenhalts sowie die Sicherung von Frieden und Stabilität. Neben der Erhöhung des
emotionalen Mehrwerts stärkt eine Familienverfassung aber auch den Unternehmenserfolg, wie unsere
Studie belegt. Dies liegt vor allem daran, dass sich Unternehmerfamilien mit Familienverfassung deutlich
stärker an ihr Regelwerk halten und damit einen klaren Rahmen für die erfolgreiche Führung des Unter-
nehmens setzen. Dieser Rahmen ist insbesondere auch für einen Fremdmanager wichtig, denn in der Be-
ratungs- und Prüfungspraxis stellen wir fest, dass der strategische Gleichklang von Unternehmerfamilie
und Fremdmanagement eine zentrale Voraussetzung für effi ziente Prozesse und damit letztlich für den
Schutz und die Mehrung des Familienvermögens ist.
Diese und weitere Ergebnisse sollen Ihnen bei der Erarbeitung oder Weiterentwicklung Ihrer Familienver-
fassung helfen und wertvolle Hinweise bieten, um sich mit diesem Thema näher auseinanderzusetzen.
Wir wünschen wir Ihnen eine erkenntnisreiche Lektüre!
Dr. Peter Bartels
Vorstand Familienunternehmen und MittelstandPricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Dr. Karsten Schween
Geschäftsführender GesellschafterINTES Beratung für Familienunternehmen
Dr. Peter BartelsDr. Karsten Schween
Geleitwort 05
Danksagung 06
Vorwort 07
01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse 09
02 Familienverfassung: Strategischer und emotionaler Anker 12
03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung 14
04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken 19
Interview mit Christian Gläsel: »Der Prozess ist genial« 22
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert 24
06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel 36
ANHANG
Stichprobe 40
Autoren 44
Unternehmensprofile 46
Inhalt
08
09
01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse
Die Verbreitung der Familienverfassung steht erst am Anfang
1. Ein Viertel der Familienunternehmen haben eine Familienverfassung. Es sind vor allem die größeren,
älteren Familienunternehmen mit einer verzweigten Inhaberschaft, die sich dieses Instruments
bedienen.
2. Drei Viertel der Familienunternehmen haben keine Familienverfassung, weil sie keine Relevanz
sehen oder zu wenige Informationen haben. Allerdings finden sie deren Erstellung sinnvoll – etwa
die Hälfte möchte innerhalb von drei Jahren ein solches Regelwerk erstellen.
Motive, Erwartungen: Regeln geben Sicherheit
3. Familienverfassungen werden schwerpunktmäßig mit dem Ziel der Nachfolgeregelung und der
Konfliktprävention erarbeitet.
4. Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kommt meist von den Gesellschaftern selbst.
5. Unternehmerfamilien erwarten sich von einer Familienverfassung einen emotionalen Mehrwert.
Implikationen: Nutzer der Familienverfassung schätzen ihren Mehrwert
6. Die Erwartungen an Familienverfassungen werden in der Praxis in hohem Maße erfüllt. Insbesondere
Zusammenhalt, Identifikation, Führungs- und Kontrollstrukturen und Stabilität werden gestärkt
(emotionaler Mehrwert). Familienunternehmen mit Familienverfassung sind aber auch wirtschaftlich
erfolgreicher (ökonomischer Mehrwert).
7. Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind signifikant zufriedener mit ihren Regelungen als
jene ohne Familienverfassung.
8. Die hohe Zufriedenheit liegt darin begründet, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung
a. klare Regeln getroffen haben und für gut befinden, und
b. sich die Unternehmerfamilie stärker an ihre Regeln hält.
Erarbeitung: Wer sich von außen unterstützen lässt, sichert den erfolgreichen Weg zur Familienverfassung
9. Erfolge von Familienunternehmen mit Familienverfassung bestätigen, dass die Hinzuziehung
externer Berater sinnvoll ist.
10. Nach maximal fünf Jahren sollte die Familienverfassung überarbeitet werden, um den Veränderungen
des Familienunternehmens Rechnung zu tragen.
01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse
10
Definition Familienverfassung
Eine Familienverfassung dokumentiert alle
Regeln, an denen sich das Handeln der Inhaber
orientieren soll. Sie ist moralisch bindend und
allgemein verständlich verfasst. Sie wird von der
Gesamtheit der Gesellschafter erarbeitet. Zahl-
reiche ihrer Regelungen münden im Gesellschafts-
vertrag.
Steckbrief Familienverfassung
Auftraggeber: Familiengesellschafter
Teilnehmer: Familiengesellschafter,
bei großen Familien Repräsentanten
Unterstützung: externe Moderatoren und
Spezialisten
Arbeitsmodus: moderierte Workshops
Struktur: Mitgliedschaft, Selbstverständnis,
Inhaber-Geschäftsmodell, Business Gover-
nance, Family Governance, Rollen und
Menschen
Zeitlicher Horizont: zwischen 6 und
12 Monaten
Dokument: Schreiben der Familienver-
fassung durch Familie selbst
Überarbeitung, Aktualisierung:
spätestens alle 5 Jahre
11
Was verbinden Sie mit Ihrer Familienverfassung?
Das haben Inhaberinnen und Inhaber geantwortet:
Unsere Familienverfassung ist Sauerstoff für die so wichtige unternehmerische Flamme.
Unsere Familienverfassung gibt uns Kraft.
Mit der Familienverfassung haben wir eine gemein-same Basis geschaffen.
Heute gehen wir mit Konflikten viel besser um und gefährden dadurch nicht den Fortbestand.
Zum ersten Mal haben wir über Sprengstoffthemen gesprochen.
Ich bin begeistert und beeindruckt von den Ergeb- nissen, die wir zusammen erarbeitet haben.
Ich bin so positiv. Wir haben unsere Familienverfas-sung in die Praxis umgesetzt. Wir sehen uns wieder als eine Unternehmerfamilie. Und niemand denkt an den Ausstieg.
Durch die Erarbeitung unserer Familienverfassung ist alles so gekommen, wie ich es mir erhofft habe.
»
«
01 Management Summary: Zehn zentrale Studienergebnisse
12
02 Familienverfassung:Strategischer und emotionaler Anker
Diese Studie beschäftigt sich mit zentralen Fragen zur langfristigen Zukunftssicherung von Familien-
unternehmen. Folgende Annahmen liegen den Überlegungen als Ausgangspunkt zugrunde:
Familienunternehmen unterscheiden sich von anderen Unternehmensformen – sie stehen unter der
dominanten Inhaberschaft einer Familie.
Unternehmerfamilien unterscheiden sich von anderen Familien. Sie haben einen dynastischen Willen,
nämlich den Erhalt des Unternehmens über Generationen hinweg in Familienbesitz.
Aus diesen Zielen ergeben sich Chancen und Herausforderungen auf der Ebene der Inhaber.
Diese betreffen Bereiche wie Nachfolge, Finanzierung oder Governance.
Diesen Herausforderungen müssen die Inhaberfamilien individuell begegnen.
Dies geschieht durch die Erarbeitung einer Inhaber-Strategie, die dann in einer Familienverfassung
als strategischem und emotionalem Anker dokumentiert wird.
Der Begriff der Familienverfassung sei hier als Oberbegriff verwendet. In der Praxis werden dafür auch
andere Begrifflichkeiten genutzt, etwa Governance-Verfassung, Familienkodex oder Familienleitbild. In
jedem Fall umfasst die Familienverfassung Regeln, an denen sich das Handeln der Inhaber eines Familien-
unternehmens in Zukunft orientierten soll. Die Regeln der Familienverfassung beziehen sich hauptsäch-
lich auf die Themen
Mitgliedschaft zum Kreis der Unternehmerfamilie,
Werte und Ziele der Familie und des Unternehmens,
Ausgestaltung des Geschäftsmodells,
Unternehmensführung und -kontrolle sowie
Sicherung des Zusammenhalts in der Familie.
Die Familienverfassung ist formfrei. Zwar folgen Inhalt und Struktur gewissen Gesetzmäßigkeiten und
berücksichtigen Logik und Dynamik von Unternehmen in familiärer Eigentümerschaft – in der Praxis
jedoch ist die Welt der Familienverfassungen so farbig und variantenreich wie die Familien und ihre Un-
ternehmen selbst. In der Regel geht eine Familienverfassung aus einem Inhaber-Strategie-Prozess hervor,
an dem alle Mitglieder der Familie beteiligt werden. Die Diskussionen bei der Entstehung unterstützen
externe Family-Business-Experten.
Im Anschluss an die Erarbeitung einer Inhaber-Strategie wird diese in einer Familienverfassung fest-
geschrieben (Abb. 1). Diese ist von der Familie zu schreiben, ist deshalb weder exakt formuliert noch ein-
klagbar, sondern vielmehr moralisch bindend und allgemein verständlich. Zahlreiche ihrer Regelungen
münden im Gesellschaftsvertrag, wodurch sie juristisch bindend werden.
13
02 Familienverfassung: Strategischer und emotionaler Anker
Von der Inhaber-Strategiezur Familienverfassung zum Gesellschaftsvertrag
Sowohl das Ergebnis als auch der Erstellungsprozess sind relevant für die Familie und das Unternehmen.
Durch das Ergebnis hat die Familie eine Verfassung für Familie und Unternehmen. Durch den Prozess
lernen die Inhaber gegenseitig ihre Interessen, Stärken und Schwächen kennen und können auf dieser
Basis zukünftig besser ihren Herausforderungen begegnen.
Eine Familienverfassung muss mit Leben gefüllt werden, damit sie zum strategischen und emotionalen
Anker wird. Nur dadurch kann sie ihren vollen Nutzen entfalten. Außerdem ist sie in regelmäßigen Ab-
ständen an die veränderte Situation von Familie und Unternehmen anzupassen.
Diese Studie geht der Familienverfassung zum ersten Mal auf den Grund. Basis der Studie ist eine Befra-
gung von 148 Inhaberinnen und Inhabern aus unterschiedlichen deutschen Familienunternehmen. Die
Befragung fand im Frühjahr 2011 statt.
Die Studie beantwortet Fragen wie:
Wer hat eine?
Wer möchte eine?
Aus welchen Gründen?
Mit welcher Erwartung?
Was war das Ergebnis?
Wie wurde sie erarbeitet?
Inhaber-Strategieerarbeiten
Familienverfassung schreiben
Verträge ändern bzw.ausarbeiten
Abb. 1: Entstehung Familienverfassung
14
03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmer-familie hat eine Verfassung
Unternehmerfamilien mit Familienverfassung
Nur ein Viertel der befragten Familienunternehmen hat eine Familienverfassung erarbeitet. Die Familien-
unternehmen mit Verfassung sind signifikant größer, älter und haben mehr Familiengesellschafter als
jene ohne Familienverfassung. So setzten sie 2010 durchschnittlich 815 Mio. Euro um, beschäftigten etwa
1.500 Mitarbeiter und sind mit durchschnittlich 118 Jahren deutlich älter als Familienunternehmen, die
keine Familienverfassung erarbeitet haben (Abb. 2). Außerdem befinden sich Familienunternehmen mit
Familienverfassung im Besitz von durchschnittlich 13 Familiengesellschaftern. Demgegenüber setzten die
Familienunternehmer ohne Familienverfassung 2010 durchschnittlich nur etwa 100 Mio. Euro um, be-
schäftigten rund 470 Mitarbeiter und waren mit durchschnittlich 88 Jahren deutlich jünger. Im Schnitt
haben sie nur vier Familiengesellschafter.
Es verwundert nicht, dass gerade ältere, größere Familienunternehmen mit größerem Gesellschafterkreis
offenbar besonders starken Regelungsbedarf spüren. Einerseits verfügen viele von ihnen bereits über eine
Historie mehr oder weniger erfolgreich bewältigter Herausforderungen oder Konflikte im Kreis der Gesell-
schafter. Damit erhöht sich auch das Bewusstsein dafür, dass verbindliche Regelungen für alle sinnvoll
sein können. Andererseits steigt mit der Entfernung vom Gründungszeitpunkt auch die Komplexität der
familiären Beziehungen – und damit die Notwendigkeit, mit einfachen, vorbestimmten Regeln das Wirken
und die Rolle der Gesellschafter in für alle produktive Bahnen zu lenken. Nach aller Erfahrung nehmen bei
großen, alten und mit einem divers besetzten Gesellschafterkreis ausgestatteten Familienunternehmen
auch Zahl und Schärfe der Konflikte zu.
»Zu ›Good Governance‹ gehören regelmäßige Treffen der Familieneigentümer, die im Idealfall eine Family-Business-Governance-Verfassung (Familienverfassung) ausarbeiten sowie kontinuierlich überprüfen und aktualisieren.« John L. Ward (Clinical Professor, Kellogg School of Management)
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03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung
Ein Viertel der Familienunternehmen haben eine Familienverfassung – sie sind signifikant größer, älter und haben mehr Familieninhaber
Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung
Befragt man diese Unternehmerfamilien nach den Gründen, warum sie keine Familienverfassung erarbeitet
haben, so geben sie fehlende Relevanz des Themas (43 Prozent der Befragten), Informationsmangel
(29 Prozent der Befragten) oder fehlender Konsens über die Erstellung einer Familienverfassung (18 Pro-
zent der Befragten) an (Abb. 3). 5 Prozent verweisen auf die Existenz umfangreicher Gesellschaftsverträge.
Allerdings sei angemerkt, dass Gesellschaftsverträge eine andere Zielrichtung haben als eine Familienver-
fassung. Sie beinhalten zwar auch Regeln, werden aber in den meisten Fällen nicht von der Inhaberfamilie
in Gänze erarbeitet. Grundsätzlich handelt es sich vielmehr um den Einzelwillen der jeweils Beteiligten.
Die Familienverfassung jedoch ist in Abgrenzung dazu die Abbildung eines Gesamtwillens aller Inhaber.
Zudem ist der Gesellschaftsvertrag oft nicht allen Gesellschaftern geläufig – und er regelt nur das Verhält-
nis zwischen Inhaber und Unternehmen, nicht jedoch den Umgang der Familie untereinander: Das Thema
Family Governance, also die Regeln etwa zu Konflikten sowie zur Fortbildung von Gesellschaftern oder zu
gemeinsamen Aktivitäten, die auch gemeinnütziger Natur sein können, regelt das juristische Vertrags-
werk nicht. Daher geht von Gesellschaftsverträgen kein emotionaler Mehrwert aus.
Abb. 2: Beschreibung der Stichprobe
mIT FamIlIENvErFaSSuNg ohNE FamIlIENvErFaSSuNg
Anteil (%)
Ø Umsatz (Mio. Euro) 815 101
Ø Mitarbeiter (Anzahl) 1.505 472
Ø Alter des Unternehmens (Jahre) 118 88
Ø Familiengesellschafter (Anzahl) 13 4
25%
75%
n=148
16
Fast drei Viertel der Familienunternehmen haben keine Familienverfassung, weil sie keine Relevanz sehen oder zu wenige Informationen haben
Abb. 3: Familien ohne Regelwerk
Thema keine Relevanz
Zu wenige Informationen
Kein Konsens über Erstellung
Umfangreicher Gesellschaftsvertrag
SonstigesMehrfachnennung=111
n=111
43%
29%
18%
5%
5%
grüNdE, warum kEINE FamIlIENvErFaSSuNg ErSTEllT wurdE
Die Einstellung zur Familienverfassung ist überwiegend positiv. Der Blick in die Zahlen zeigt, dass auch
Familienunternehmen ohne Verfassung ein derartiges Projekt anschieben wollen. Denn über 70 Prozent
der Familienunternehmen ohne Familienverfassung wollend das Regelwerk in den nächsten Jahren erstel-
len, und mit 47 Prozent knapp die Hälfte sogar innerhalb der nächsten drei Jahre (Abb. 4). Es scheint sich
also abzuzeichnen, dass das Bewusstsein für den Wert einer Verfassung für die Familie steigt – immer
mehr Inhaberfamilien wollen die wichtigen inhaberstrategischen Fragen von Familie und Unternehmen
regeln, bevor Konflikte, Spannungen und andere Ernstfälle auftreten. Sie haben offenbar erkannt, dass es
sinnvoll ist, neben dem Gesellschaftsvertrag ein System von schriftlich niedergelegten Abmachungen zu
treffen, die das Gesamtsystem Familie und Unternehmen stabilisieren. Ebenso wichtig wie die Regelungen
selbst ist dabei der vorherige gemeinsame Erkenntnis- und Erarbeitungsprozess.
17
03 Verbreitung: Jede vierte Unternehmerfamilie hat eine Verfassung
Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung finden deren Erstellung sinnvoll – etwa die Hälfte will in den nächsten drei Jahren mit der Arbeit beginnen
Abb. 4: Erstellung Familienverfassung
100%
ja
nein
n=97
71%
29%
ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg SINNvoll
n= 97
100%
in 3–5 Jahren
in 1–3 Jahren
nein
später
47%
14%
15%
ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg gEplaNT
24%
19
04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken
»Der Familienunternehmer kann sich nicht einfach einen neuen Job suchen, er ist auf Gedeih und Verderb mit seinem Unternehmen verbunden.« Prof. Dr. Sabine B. Klein
Motive
Die Auslöser, die dazu führen, dass sich eine Familie der Erstellung einer Verfassung zuwendet, liegen im
System Familienunternehmen begründet. Es bedarf an zwei Punkten besonderer Vorkehrungen, um die
Erfolgskraft des Systems zu sichern: Einerseits muss die Nachfolge gesichert werden, um den dynasti-
schen Willen zu realisieren – andererseits müssen notwendige Interessensgegensätze so kanalisiert
werden, dass Konflikten die explosive Kraft genommen wird. Entsprechend fallen die Gewichtungen der
befragten Inhaber aus.
Hauptauslöser für die Erstellung einer Familienverfassung sind die Nachfolgeregelung (62 Prozent der
Befragten) und die Konfliktprävention (51 Prozent der Befragten), wie Abb. 5 zeigt. Eine Familienverfas-
sung ist also ein Instrument zur Sicherung des Fortbestands des Familienunternehmens über Generatio-
nen hinweg. Konflikte über die Nachfolge, aber auch innerhalb des Gesellschafterkreises aufgrund unter-
schiedlicher Interessen beispielsweise über die Ausschüttung, sollen damit so gelenkt werden, dass sie das
Unternehmen und den Zusammenhalt der Familie nicht gefährden.
Wichtig ist der präventive Charakter der Regelungen. Denn in einem akuten, einmal ausgebrochenen Kon-
flikt kann eine eilig eingeführte Familienverfassung nichts mehr retten. Sie ist deshalb keine Option bei
Themenfeldern, wo es innerhalb des Gesellschafterkreises bereits offen brennt. Hier sollte mit anderen
Mitteln gearbeitet werden.
Familienverfassungen werden schwerpunktmäßig mit dem Ziel der Nachfolge-regelung und der Konfliktprävention erarbeitet
Abb. 5: Auslöser Erstellung Familienverfassung
Nachfolge Gesellschafterkreis
Konfliktprävention
Lösung akuter KonflikteMehrfachnennung=45, n=37
62%
51%
8%
auSlöSEr Für dIE ErSTElluNg EINEr FamIlIENvErFaSSuNg
04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken
20
Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kam bei 49 Prozent der befragten Familienunternehmen
von den Gesellschaftern selbst (Abb. 6). Dieses Ergebnis deckt sich mit den Beratungserfahrungen von
INTES. Nur wenn unter den Gesellschaftern Konsens darüber besteht, ein gemeinsames Regelwerk zu erar-
beiten, wird dies gelingen und zu nachhaltigen Veränderungen führen. Einzelinitiativen von Beiräten, Ehe-
partnern, Nachfolgern oder Gesellschaftern sind dagegen oft zum Scheitern verurteilt. Diesen isolierten
Bemühungen fehlt die Durchschlags- und Überzeugungskraft – letztlich ist der gemeinsame Weg das Ziel.
Nur jedes zwanzigste Familienunternehmen ist heute bereits soweit, dass es Familientradition ist, eine
Familienverfassung zu erarbeiten und dass es somit keines Anstoßes aus dem Gesellschafterkreis bedarf.
Der Impuls zur Erstellung einer Familienverfassung kommt meist von den Gesellschaftern
Abb. 6: Impuls Erstellung Familienverfassung
Gesellschafter
Andere
Mehrfachnennung=55, n=37
Aktive Gesellschafter 49%
Senior-Generation 41%
Junior-Generation 30%
Beirat 11%
Publikation 8%
Familientradition 5%
Dritte als Vorbild 5%
ImpulS Für ErSTElluNg FamIlIENvErFaSSuNg durch
Erwartung
Unternehmerfamilien erhoffen sich von einer Familienverfassung vor allem einen emotionalen Mehrwert.
Die Familienverfassung soll den Zusammenhalt in der Familie und die Bindung der Familienmitglieder an
das Unternehmen stärken (Abb. 7). So erwarteten sich Unternehmerfamilien von deren Erarbeitung, dass
sie Frieden und Stabilität in der Familie sichert (84 Prozent der Befragten), sowie den Zusammenhalt und
die Identifikation mit dem Unternehmen stärkt (76 Prozent der Befragten).
21
04 Motive und Erwartungen: Zusammenhalt und Bindung stärken
Deutlich schwächer ausgeprägt sind zwei andere Punkte: Dass sich mit einer Familienverfassung auch Füh-
rung und Kontrolle verbessern lassen (Corporate Governance) und dass sich auch der wirtschaftliche Erfolg
und damit der ökonomische Wert des Unternehmens erhöht, erwarten deutlich weniger der befragten Inhaber.
Die Familienverfassung soll vor allem emotionale Werte schaffen
Abb. 7: Erwartungen an Familienverfassungen
ErwarTuNg aN FamIlIENvErFaSSuNg
mIT FamIlIEN- vErFaSSSuNg
ohNE FamIlIEN- vErFaSSuNg
Frieden und Stabilität sichern 84% 71%
Zusammenhalt und Identifikation fördern 76% 39%
Führung und Kontrolle verbessern 27% 35%
Wirtschaftlichen Erfolg erhöhen 32% 71%
mit Familienverfassung: Mehrfachnennung n=81, n=37
ohne Familienverfassung: Mehrfachnennung n=240, n=111
Familienunternehmen ohne Familienverfassung haben eine ähnliche Erwartungshaltung hinsichtlich der
Sicherung von Frieden und Stabilität. Allerdings erhoffen sie sich von einer Familienverfassung auch
einen höheren wirtschaftlichen Erfolg (71 Prozent der Befragten) und eine Verbesserung der Führungs-
und Kontrollstrukturen (35 Prozent der Befragten). Die Förderung von Zusammenhalt und Identifikation
tritt als Zielsetzung stärker in den Hintergrund, was auch darauf zurückzuführen sein könnte, dass sich
diese Problematik bei den im Durchschnitt deutlich jüngeren Unternehmen weniger oft einstellt.
EmoTIoNalEr wErT
Der Wert eines Familienunternehmens aus der Sicht der Inhaber setzt sich zusammen aus einem ökonomischen und einem emotionalen Teil. Der emotionale Wert ist definiert als Gefühl der Zusammengehörigkeit als Familie und der Zugehörigkeit zum Familienunternehmen.
22
dr. alExaNdEr koEbErlE-SchmId: waS war daS
moTIv Für dIE ErarbEITuNg IhrEr FamIlIENvEr-
FaSSuNg?
CHRISTIAN GLäSEL: Unser Ziel war es, mit der Fa-
milienverfassung zu dokumentieren, wie wir unser
Unternehmen unabhängig und erfolgreich an die
nächste Generation übergeben können.
kamEN bEI dEr ErarbEITuNg dEr FamIlIEN-
vErFaSSuNg auch SprENgSToFFThEmEN auF
dEN TISch?
Ja, der Prozess hat ungeklärte Familienthemen an
die Oberfläche gebracht. Besonders hilfreich war
hier der erste Workshop, den wir gemeinsam durch-
geführt haben. Anfangs gab es heftige Auseinander-
setzungen, uralte persönliche Konflikte kamen auf
den Tisch. So konnten sie besprochen und aus dem
Weg geräumt werden. Es waren sehr emotionale
Tage. Am Ende des zweiten Workshoptags hatten wir
die Vergangenheit zum größten Teil aufgearbeitet
und konnten nun mit einem gemeinsamen Ziel an
unserer Familienverfassung arbeiten.
SEIT 2008 habEN SIE NuN IhrE FamIlIENvErFaS-
SuNg. wIE würdEN SIE auS hEuTIgEr SIchT dEN
NuTzEN Für IhrE FamIlIE bESchrEIbEN?
Mit der Familienverfassung haben wir ein eindeu-
tiges Regelwerk geschaffen, das uns allen Sicher-
heit gibt. Durch die gemeinsame Erarbeitung wur-
den alle Familienmitglieder einbezogen und haben
ihre Beziehung zum Unternehmen gestärkt. Wir
haben alle wichtigen Themen besprochen und sind
uns einig über den Umgang mit ihnen.
waS IST aNdErErSEITS dEr NuTzEN dEr FamIlIEN-
vErFaSSuNg Für dIE gESchäFTSFühruNg?
Weidmüller wird heute durch ein professionelles
Fremdmanagement geführt. Auch ihnen gibt die
Verfassung Sicherheit in Bezug auf die langfristige
Ausrichtung und die Ziele, die wir mit dem Unter-
nehmen verfolgen. So haben wir in unserer Verfas-
sung strategische, finanzielle und – was mir beson-
ders wichtig ist – auch wertorientierte Ziele ge-
setzt. Diese langfristige Ausrichtung steigert die
Attraktivität des Unternehmens als Arbeitgeber.
Sowohl ich als auch die Geschäftsführung kommu-
niziert das weltweit im Unternehmen.
»Der Prozess ist genial«Interview mit Christian Gläsel
Die Unternehmerfamilie Gläsel hat durch eine Familienverfassung den Interessen
von Familie und Inhaberschaft einen Rahmen gegeben. Christian Gläsel, seit
2008 Vorsitzender des Aufsichtsrates der Weidmüller Gruppe, einem international
agierenden Unternehmen mit Hauptsitz in Detmold, berichtet im Gespräch mit
Dr. Alexander Koeberle-Schmid über den Nutzen der Gläsel-Familienverfassung.
23
Interview mit Christian Gläsel
waS IST Für SIE pErSöNlIch dEr gröSSTE
NuTzEN dEr FamIlIENvErFaSSuNg?
Ich persönlich habe durch die Familienverfassung
sehr viel Klarheit gewonnen. Es gibt keine Grauzo-
nen mehr in meiner täglichen Arbeit. Ich weiß ge-
nau, wann ich das Mandat meiner Mitgesellschaf-
ter habe, eine Entscheidung zu treffen, und wann
ich ihre Zustimmung einhole. Die Familienverfas-
sung hat meine Arbeit als Familienrepräsentant
und Aufsichtsratsvorsitzender damit erleichtert
und professionalisiert.
würdEN SIE auch aNdErEN uNTErNEhmEr-
FamIlIEN EmpFEhlEN, EINE FamIlIENvErFaSSuNg
zu ErarbEITEN?
Wie so häufi g gilt auch hier: Der Weg ist das Ziel.
Die Verfassung ist als Regelwerk und Orientierung
für alle Familienmitglieder sehr wichtig. Noch wich-
tiger aber war ihr Entstehungsprozess. Zunächst gilt
es, alle Mitgesellschafter in ein Boot zu holen und
von der Idee einer Verfassung zu überzeugen. Dann
heißt es, mit großer Offenheit gemeinsam die Ver-
fassung zu erarbeiten. Ist die Bereitschaft zur offe-
nen Auseinandersetzung nicht gegeben, so ist das
Ergebnis verwaschen und wird auch in der Anwen-
dung nicht funktionieren. Dieser Prozess kann
schwierig und emotional sein. Hilfreich ist die Be-
gleitung durch versierte und vertrauensvolle exter-
ne Moderatoren. Aber für mich ist heute klar: Die
gemeinsame Erarbeitung der Familienverfassung,
das Auseinandersetzen miteinander und das Zuein-
anderfi nden in gemeinsamen Regeln und Zielen,
das ist der wirkliche Wert einer Familienverfassung.
Der Prozess ist genial. Ich überlege mir immer noch,
wie er wiederholt werden kann. Derzeit überprüfen
und diskutieren wir die Familienverfassung einmal
im Jahr und halten so unser Interesse und unsere
Aufbruchsstimmung lebendig.
weidmüller ist weltweit führender anbieter von
lösungen für die elektrische verbindung, übertra-
gung und wandlung von Energie, Signalen und daten
für industrielle anwendungen. 2010 erwirtschafteten
4.000 mitarbeiter einen umsatz von 535 mio. Euro.
Christian Gläsel
Quelle: Koeberle-Schmid/Fahrion/Witt, Family Business Governance – Erfolgreiche Führung von Familienunterneh-men, 2. Aufl age, Herbst 2011, mit freundlicher Genehmigung© Erich Schmidt Verlag GmbH & Co. KG, Berlin 2011
24
Erwartungen voll erfüllt
Die Ergebnisse unserer Befragungen zeigen, dass die hohen Erwartungen an die Familienverfassung nicht
unbegründet sind. In knapp 80 Prozent der befragten Unternehmerfamilien wurden die Erwartungen an
die Familienverfassung voll erfüllt oder sogar übertroffen (Abb. 8). Addiert man jene Familienunterneh-
men noch hinzu, bei denen die Erwartungen ausreichend erfüllt wurden, so liegt man bei knapp 95 Pro-
zent. Dieses Ergebnis zeigt, dass eine Familienverfassung zu positiven Veränderungen in Familie und
Unternehmen führt. Es ist auch ein Indiz dafür, dass eine Familienverfassung in der Praxis mit Leben ge-
füllt wird und insofern kein totes Dokument bleibt.
Das Regelwerk hat sich in der Praxis bewährt
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
»Wird dem Unternehmen ein emotionaler Wert beigemessen, generiert das Besitzen des Unternehmens nichtfinanzielle Vorteile für die Inhaber wie beispielsweise Stolz, Status, Ansehen und Freude. Das (…) zeigt, dass Anteilseigner so nachhaltiger befriedigt werden als durch pure finanzielle Vorteile.« Aus der Studie: »Emotional Value – Der emotionale Wert, ein Unternehmen zu besitzen«
Abb. 8: Erfüllung Erwartungen Familienverfassung
ErwarTuNgEN aN FamIlIENvErFaSSuNg ErFüllT
n=33
trifft voll zu und übertroffen
6%
15%
79%
trifft zu
trifft nicht zu
25
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Emotionaler Mehrwert
Vergleicht man die Erwartungen an eine Familienverfassung mit den Ergebnissen, wird deutlich, dass sich
die angenommene Stärkung des Zusammenhalts und der Identifikation sowie die Sicherung von Frieden
und Stabilität in der Praxis auch einstellen (Abb. 9). Dies lässt die Schlussfolgerung zu, dass durch eine
Familienverfassung ein hoher emotionaler Mehrwert entsteht.
Zusammenhalt, Identifikation, Führungs- und Kontrollstrukturen und Stabilität werden gestärkt
Abb. 9: Zufriedenheitsgrade
zuFrIEdENhEITSgradE voN FamIlIENuNTErNEhmEN mIT FamIlIENvErFaSSuNg
Mittelwerte: n = 37
Zusammenhalt und Identifikation fördern 4,3
Führung und Kontrolle verbessern 4,2
Frieden und Stabilität sichern 4,1
3,8Wirtschaftlichen Erfolg erhöhen
1 nicht erfüllt
Erfüllungsgrad
voll erfüllt 5
Ökonomischer Mehrwert
Interessant ist, dass sich Führung und Kontrolle im Familienunternehmen durch eine Familienverfassung
verbessern, obwohl das nur von wenigen Befragten so erwartet wurde. Hier zeigt sich die besondere Leis-
tungsfähigkeit des Regelwerks: Zufällige oder durch Gewohnheit entstandene, aber nie kodifizierte Vorge-
hensweisen werden durch konkrete, verbindliche und für alle Beteiligten sichtbare Regeln ersetzt. Das ist
zum Beispiel dann der Fall, wenn die Familienverfassung Aussagen zur Struktur der Führung macht, all-
gemeine Regeln zum Ablauf der Nachfolge aufstellt oder die Gestaltung der Kontrolle durch einen Beirat
26
regelt. Das zeigt, dass Governance-Regeln auf der Inhaberebene sinnvoll und notwendig sind, insbeson-
dere bei Familienunternehmen, die sich schon weiter als eine Generation vom Zeitpunkt der Gründung
entfernt haben.
Zwar ist die Erzeugung eines unmittelbaren ökonomischen Nutzens nicht das explizite Ziel bei der Schaf-
fung eines Familienregelwerks. Dennoch ist der wirtschaftliche Vorteil evident. Denn auch eine emotiona-
le Kategorie wie der bewahrte Frieden, der noch im Entstehen aufgegriffene und gelöste Konflikt oder die
dank der Regeln zügig gelöste Nachfolgefrage haben direkten wirtschaftlichen Nutzen: Die Familie bleibt
eine emotionale Einheit, der Geschäftsbetrieb wird nicht durch einen Streit belastet, das Unternehmen
kann ohne Störung aus der Inhabersphäre geführt werden.
Die Familienverfassung sorgt also regelmäßig auch für einen ökonomischen Wert: Die Studienergebnisse
zeigen einen klaren, positiven Zusammenhang zwischen Verfassung und unternehmerischer Fitness: Eine
Umsatzrendite von über 5 Prozent erwirtschafteten 58 Prozent der Unternehmen mit Verfassung, aber nur
46 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 10).
Familienunternehmen mit Familienverfassung sind ökonomisch erfolgreicher
Abb. 10: Wirtschaftliches Ergebnis der Familienunternehmen
FamIlIENuNTErNEhmEN mIT umSaTzrENdITE übEr 5% IN 2010
ohne FV: n=97, mit FV: n=29
46%
ohne Familienverfassung mit Familienverfassung
58%
27
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Signifikant höhere Zufriedenheit
Zudem zeigen die Ergebnisse, dass die Verfassung unmittelbar auf die emotionale Konstitution der Familie
wirkt: Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind signifikant zufriedener mit den Regeln für Un-
ternehmen und Familie als Inhaber ohne Familienverfassung. Das zeigt: Einzelne, nach Opportunitäten
etablierte und oft wieder vergessene Regeln oder auch ein Gesellschaftsvertrag vermögen nicht dasselbe
zu leisten wie eine Familienverfassung. Die befragten Inhaber mit Familienverfassung sind um 30 Prozent
zufriedener als solche ohne dieses Regelwerk. Zudem wird die Zufriedenheit der Familie mit Familienver-
fassung um 21 Prozent höher eingeschätzt (Abb. 11).
Die Familienverfassung schafft ein signifikant nachweisbares Plus bei der Zufriedenheit in der Familie
Abb. 11: Zufriedenheit mit Regelwerk (FV: Familienverfassung; Skala: 1 = überhaupt nicht zufrieden – 5 = sehr zufrieden)
zuFrIEdENhEIT bEFragTE pErSoN mIT rEgElwErk
ohne FV mit FV
3,39
4,39
+ 30%
Mittelwerte; mit FV: n=36 ohne FV: n=110
gESchäTzTE zuFrIEdENhEIT FamIlIE mIT rEgElwErk
ohne FV mit FV
Mittelwerte; mit FV: n=36 ohne FV: n=102
3,49
4,22
+ 21%
Dass Inhaber, die sich eine Familienverfassung gegeben haben, zufriedener sind als die Vergleichsgruppe
ohne Verfassung, hat einen einfachen Grund. In den meisten Familienverfassungen sind alle typischen
Lebenslagen aus der Sphäre Unternehmen und Familie einmal besprochen, durchdacht und geregelt. Die-
se Vorkehrungen auf der inhaberstrategischen Ebene schaffen Sicherheit, wenn die Regelungen klar und
umfassend sind und in der Praxis auch befolgt werden – genau das ist bei Familienunternehmen mit Fa-
milienverfassung deutlich häufiger der Fall.
28
In der Familienverfassung werden Grundsätze und Regeln aufgestellt zu den Themen Mitgliedschaft,
Selbstverständnis, Inhaber-Geschäftsmodell sowie Corporate Governance (Nachfolge, Mitarbeit, Beirat,
Ausschüttung und Ausscheiden) und Family Governance (Family Activity, Family Education, Family Office
und Family Philantrophy).
Mitgliedschaft
Wenn die Familienverfassung sagt, wer Mitglied im Kreis der Gesellschafter sein darf und wer nicht, muss
niemand mehr darüber diskutieren. Das wird gerade in einer Zeit von Mehrfachehen und Patchworkfami-
lien immer wichtiger. So muss die Inhaberfamilie also beispielsweise festlegen, ob nur eheliche und leib-
liche Abkömmlinge Inhaber sein dürfen, oder ob auch adoptierte Kinder oder Kinder aus zweiter Ehe An-
teile am Unternehmen erben können. Die Zugehörigkeit zum Gesellschafterkreis (Mitgliedschaft) ist bei
92 Prozent der Unternehmen mit Familienverfassung geregelt – hingegen nur bei 66 Prozent der Firmen
ohne Familienverfassung (Abb. 12). Fehlt eine Regelung, kann im Erbfall schnell Streit entstehen. Und es
besteht keine Klarheit darüber, wer überhaupt zur Unternehmerfamilie gehört. Deshalb sehen ein Drittel
der Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung deutlich Veränderungsbedarf bei ihrem bestehenden
Regelwerk. Unternehmerfamilien mit Familienverfassung sind im Gegensatz dazu mit den von ihnen ge-
troffenen Regeln zufrieden, weshalb nur 15 Prozent Veränderungsbedarf sehen.
Unternehmen mit Familienverfassung haben die wichtigen Bereiche Mitglied-schaft, Selbstverständnis und Geschäftsmodell klarer und besser geregelt
Abb. 12: Frage nach vorhandenen Regeln
ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr rEgElN
15%
10%
MitgliedschaftZugehörigkeit zum Gesellschafterkreis
SelbstverständnisWerte und Ziele für Familien
und Unternehmen
Inhaber- Geschäftsmodell
Strategische Eckpunkte des Unternehmens
24%
n=36 = Veränderungsbedarf
mit Familienverfassung ohne Familienverfassung
92%
94%
53%
n=108
66%33%
58%34%
52%34%
Familienverfassungen schaffen klare und gute Regelwerke
29
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Selbstverständnis
Das Fundament für den Zusammenhalt im Familienunternehmen sind gemeinsame Werte und Ziele (Selbst-
verständnis) in Bezug auf Familie, Unternehmen und familiäre Inhaberschaft. 94 Prozent der Familienun-
ternehmen mit Familienverfassung haben sich auf klare, explizite Werte und Ziele verständigt, während
diese Zahl bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung nur bei 34 Prozent liegt (Abb. 12). Es ist
leicht nachvollziehbar, dass ein gemeinsames Ziel- und Wertegerüst der wichtigste Erfolgsfaktor
eines Familienunternehmens ist, wenn es darum geht, Streit zu vermeiden und langfristigen Erfolg zu
sichern. So wollen Unternehmerfamilien ohne Familienverfassung in 58 Prozent der Fälle gemeinsam Wer-
te und Ziele erarbeiten, die das Handeln aller am Familienunternehmen beteiligten Personen leiten sollen.
Inhaber-Geschäftsmodell
Die Werte und Ziele der Familie in Bezug auf das Unternehmen werden in einer Familienverfassung durch
Grundentscheidungen über die Eckpunkte des Geschäftsmodells konkretisiert. Dazu zählen etwa Vorgaben
zu Wachstum, Eigenkapitalquote oder Diversifikation. Diese Vorgaben helfen, beispielsweise das Dilemma
zwischen der wachsenden Zahl der Gesellschafter, dem Unternehmenswachstum und der Höhe der Ausschüt-
tung einvernehmlich zu regeln oder aber aktives Risikomanagement seitens der Inhaber zu betreiben. Zu
diesen Themen haben Unternehmen mit Familienverfassung in 53 Prozent der Fälle Vorgaben getroffen, aber
nur 34 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 12). Auffällig ist, dass in diesem Bereich die
Anzahl der Unternehmen mit Regelungen sehr gering ist und insofern ein gewisser Nachholbedarf besteht,
klare strategische Leitplanken für das Management von Familienunternehmen zu etablieren. Aus diesem
Grund wollen Familienunternehmen mit Familienverfassung in 24 Prozent der Fälle, jene ohne Familienver-
fassung sogar in 52 Prozent der Fälle Grundentscheidungen über das Inhaber-Geschäftsmodell treffen.
Nachfolge
Was das wichtige Thema der Nachfolgeregelung betrifft, so gibt es in 84 Prozent der Familienunternehmen
mit Familienverfassung ein feststehendes Anforderungsprofil für den nächsten Geschäftsführer, hingegen
nur bei 28 Prozent der Unternehmen ohne Familienverfassung (Abb. 13). Einen formalen Auswahlprozess
für den Nachfolger gibt es bei 73 Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung, hingegen nur
bei 24 Prozent ohne Familienverfassung. Hier ist deutlicher Nachholbedarf erkennbar. Es ist für den er-
folgreichen Übergang von einer zur nächsten Generation unabdingbar, ein schlüssiges Nachfolgekonzept
zu erarbeiten, in dem die inhaberstrategische Richtung, das Nachfolgemodell und die Entwicklungspro-
gramme für Junioren und Senioren festgelegt sind. Die Vermutung liegt nahe, dass die Regelungen, die
Familienunternehmen mit Familienverfassung getroffen haben, deutlich besser sind als bei jenen ohne
Familienverfassung, da weniger Veränderungsbedarf besteht.
30
Verstirbt ein Mitglied der Inhaberfamilie, handelt es sich um eine Nachfolge im Zeitraffer. Dafür haben
Familienunternehmen mit Familienverfassung (69 Prozent) und ohne Familienverfassung (57 Prozent)
etwa gleich häufig Vorkehrungen getroffen (Abb. 13). Allerdings besteht bei jenen mit Familienverfassung
deutlich weniger änderungsbedarf, d.h. die Notfallregeln sind besser als bei Familienunternehmen ohne
Familienverfassung.
Auch Nachfolge und Mitarbeit von Familienmitgliedern haben Unternehmen mit Familienverfassung klarer und besser geregelt.
Abb. 13: Existenz Regeln Corporate Governance (Nachfolge, Mitarbeit)
ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr corporaTE-govErNaNcE-rEgElN
n=36 = Veränderungsbedarf
mit Familienverfassung ohne Familienverfassung
n=97
22%Nachfolge
anhand formalen Auswahlprozesses
73% 42%24%
Nachfolgebei plötzlichem Ausfall
des Unternehmers29%69% 55% 57%
MitarbeitFamilie auf
Führungsebene11%91% 38% 44%
MitarbeitFamilie unterhalb Führungsebene
12%59% 30%27%
26%Nachfolge
anhand feststehenden Anforderungsprofils
84% 49%28%
31
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Mitarbeit
Die Diskussion über die Frage der Mitarbeit von Familienmitgliedern im Familienunternehmen wird häu-
fig emotional geführt. Dabei geht es um Lebensstandards oder um falsch verstandene Fürsorgepflichten
für Familienmitglieder. Eine Regelung dazu ist spätestens ab der Geschwistergesellschaft zu treffen, wenn
mehrere Inhaber am Unternehmen beteiligt sind. Deshalb treffen auch Familienunternehmen mit Famili-
enverfassung, die durchschnittlich 13 Gesellschafter haben, in 91 Prozent der Fälle klare Regeln dazu, ob
Familienmitglieder auf der Führungsebene mitarbeiten dürfen oder nicht (Abb. 13). Bei Familienunterneh-
men ohne Familienverfassung ist das nur bei 44 Prozent der Fall, wobei immerhin 38 Prozent Verände-
rungsbedarf anmelden.
Auch die Mitarbeit eines Familienmitglieds unterhalb der Führungsebene gehört zu den Regelungstatbe-
ständen. Dabei überrascht, dass dieses Thema nur von 59 Prozent der Familienunternehmen mit Famili-
enverfassung angegangen wird. Gerade hier besteht Konfliktpotenzial, vor allem wenn es um die Frage
geht, wer mitarbeiten darf und wer nicht. Außerdem kann die Mitarbeit von Inhabern unterhalb der Füh-
rungsebene zu Irritationen bei Vorgesetzten und Kollegen führen.
Beirat
Zu guter Governance im Familienunternehmen gehört nicht nur eine gute Führung, sondern auch die
passende Kontrolle. Laut einer INTES-Studie aus dem Jahr 2008 haben etwa 60 Prozent der Familienunter-
nehmen einen Beirat installiert. Jene mit Familienverfassung haben zu diesem Thema deutlich häufiger
Regelungen getroffen. So haben sie in 82 Prozent der Fälle die Aufgaben des Beirats (Kontrolle, Beratung,
Personalwahl) definiert und sehen dort auch kaum änderungsbedarf (Abb. 14). Bei Familienunternehmen
ohne Familienverfassung gibt es seltener definierte Aufgaben – allerdings denken 39 Prozent darüber
nach, dies zu konkretisieren. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei der Zusammensetzung des Beirats. Familien-
unternehmen mit Familienverfassung haben dazu klare Regelungen getroffen (77 Prozent), die sie für gut
empfinden (bei nur 11 Prozent besteht Veränderungsbedarf). Bei Familienunternehmen ohne Familien-
verfassung bestehen nur in 46 Prozent der Fälle klare Regelungen zur Zusammensetzung, die in 33 Pro-
zent der Unternehmen auch geändert werden sollen.
Es zeigt sich also, dass sich Familienunternehmen mit Familienverfassung eine klare Führungs- und Kon-
trollstruktur geben. Zwar haben nur rund ein Viertel von ihnen erwartet, dass sich durch die Familien-
verfassung die Corporate Governance verbessert (Abb. 7). Doch zeigen die Ergebnisse, dass im Zuge der
Erarbeitung einer Familienverfassung zur Führung, Kontrolle und Mitarbeit eindeutige Regelungen getrof-
fen wurden, mit denen die Familie dann auch sehr zufrieden ist.
32
Die Themenbereiche Beirat, Ausschüttung und Ausscheiden von Gesellschaftern sind bei Familienunternehmen mit Verfassung auch klarer und besser geregelt.
Abb. 14: Existenz Regeln Corporate Governance (Beirat, Ausschüttung, Ausscheiden)
ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr corporaTE-govErNaNcE-rEgElN
n=30 = Veränderungsbedarf
mit Familienverfassung ohne Familienverfassung
n=106
11% BeiratZusammensetzung
77% 33% 46%
AusschüttungVerteilung
Unternehmensgewinn20%84% 29% 65%
AusscheidenKündigungsfrist und
Abfindungshöhe11%81% 35% 61%
15%Beirat
Aufgaben (Kontrolle, Beratung, Personalwahl)
82% 39% 50%
Ausschüttung und Ausscheiden
Neben den Machtthemen der Corporate Governance regeln Unternehmerfamilien in ihrer Familienverfas-
sung auch wichtige Geldthemen. Die Gewinnverteilung, also die Frage nach der Ausschüttung, ist in 84
Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung geregelt und wird als gut empfunden. Nur 20
Prozent der Befragten sehen Veränderungsbedarf. Hingegen ist die Gewinnverteilung nur bei 65 Prozent
der Familienunternehmen ohne Familienverfassung klar geregelt und der gefühlte änderungsbedarf liegt
hier mit 29 Prozent deutlich höher (Abb. 14).
Das freiwillige und unfreiwillige Ausscheiden aus wichtigem Grund ist in 81 Prozent der Familienunter-
nehmen mit Familienverfassung geregelt (Veränderungsbedarf nur bei 11 Prozent), hingegen nur bei
61 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienverfassung (Veränderungsbedarf bei 35 Prozent).
Auch wenn die Unterschiede der Vergleichsgruppen geringer ausfallen als bei anderen Fragen, bleibt
festzustellen: Neben Macht ist Geld die große Konfliktursache in Familienunternehmen und sollte daher
klaren Regelungen unterliegen, die im Konsens aller Inhaber erarbeitet werden. Dabei ist empfehlenswert,
dass diese eindeutig auch im Gesellschaftsvertrag umgesetzt werden.
33
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Family Governance
Regeln zum Management des Unternehmens (Corporate Governance) sind im Familienunternehmen durch
Maßnahmen zum Management der Unternehmerfamilie (Family Governance) zu ergänzen. Allerdings fällt
auf, dass hierzu sowohl bei jenen Familienunternehmen mit als auch ohne Familienverfassung weniger
häufig Regelungen getroffen wurden als bei anderen Themen (Abb. 15). So scheinen doch gerade Family-
Governance-Maßnahmen neben der Definition des gemeinsamen Selbstverständnisses den Zusammenhalt
und die Identifikation mit dem Unternehmen zu stärken. Frieden und Stabilität werden eher durch die
Corporate-Governance-Regelungen bewirkt.
Beachtlich ist aber, dass 68 Prozent der Familienunternehmen mit einer Familienverfassung Aktivitäten
wie Familientreffen veranstalten, hingegen nur 25 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienver-
fassung (Abb. 15). Dabei zeigt sich, dass beide Gruppen noch mehr gemeinsame Aktivitäten unternehmen
möchten, da 18 bzw. 30 Prozent Veränderungsbedarf sehen. Auch in dieser Frage schneiden also Famili-
enunternehmen mit Familienverfassung deutlich besser ab.
Die Ausbildung der Gesellschafter zu professionellen, verantwortungsvollen Inhabern ist für den Erfolg
eines Familienunternehmens besonders wichtig. Familienunternehmen mit Familienverfassung erkennen
die Relevanz von Family-Education-Veranstaltungen und investieren in 53 Prozent der Fälle systematisch
in die Ausbildung ihrer Gesellschafter (Abb. 15). Bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung ist
dies nur in 17 Prozent der Fälle gegeben. Auch in diesem Bereich besteht insgesamt für alle Familienun-
ternehmen noch Handlungsbedarf, was sich gerade durch die hohen Werte der gewünschten Veränderung
ergibt, die bei 24 bzw. 39 Prozent liegen.
Service-Leistungen für Gesellschafter (Family Office) sind ein weiterer Baustein einer umfassenden Family
Governance. Dabei werden den Gesellschaftern oft rechtliche und steuerliche Unterstützung im Zusammen-
hang mit ihrer Beteiligung angeboten. Ein Family Office kann aber auch das freie Vermögen der Gesellschaf-
ter verwalten oder sogar Dienstleistungen in Form von Reisebuchungen oder Kinderbetreuung anbieten.
38 Prozent der Familienunternehmen mit Familienverfassung haben Regelungen zum Family Office getrof-
fen (Abb. 15). Bei Unternehmen ohne Familienverfassung hingegen sind Regeln zum Family Office kaum
verbreitet (nur 10 Prozent), allerdings besteht in 31 Prozent der Fälle der Wunsch nach Veränderung.
Zahlreiche Unternehmerfamilien verfolgen das Ziel, einen Teil ihres Vermögens der Allgemeinheit zu über-
geben (Family Philanthropy). Dabei überlassen manche Inhaberfamilien diese Aufgabe jedem Einzelnen,
andere sind gemeinsam philanthropisch tätig. So haben 34 Prozent der Familienunternehmen mit Familien-
verfassung eine Regelung getroffen, im Gegensatz zu 18 Prozent jener ohne Familienverfassung (Abb. 15).
Dass Unternehmerfamilien hier mehr tun wollen, zeigt der Veränderungsbedarf, der bei Familienunterneh-
men mit Familienverfassung bei 21 Prozent und bei jenen ohne bei 25 Prozent liegt.
34
Familienaktivitäten, Wissensvermittlung, Dienstleistung und philanthropische Aktivitäten haben Unternehmen mit Familienverfassung klarer und besser geregelt
Abb. 15: Existenz Regeln Family Governance
n=32 = Veränderungsbedarf
mit Familienverfassung ohne Familienverfassung
n=104
24%Family Education
Ausbildung Gesellschafter
53% 39%17%
Family OfficeService-Leistungen für
Gesellschafter5%38% 31%10%
Family Philanthropysoziales Engagement
(Stiftung)21%34% 25%18%
18%Family Activity
gemeinsame Aktivitäten
68% 30%25%
ExISTENz SchrIFTlIch FESTgElEgTEr FamIly-govErNaNcE-rEgElN
35
05 Ergebnisse: Die Familienverfassung schafft ökonomischen und emotionalen Mehrwert
Es ist deutlich erkennbar, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung die wichtigsten inhaberstra-
tegischen Fragen klarer und umfassender beantwortet haben. Doch die bloße Existenz entsprechender
Regelwerke allein bewirkt noch keine Veränderungen. Während sich Unternehmen mit Familienverfas-
sung nahezu immer an die aufgestellten Regeln halten (Mittelwert der Einhaltung der Regelwerke auf
einer Skala von 1 für »überhaupt nicht eingehalten« bis 5 für »immer eingehalten« liegt bei 4,28), liegt
dieser Wert bei Familienunternehmen ohne Familienverfassung deutlich geringer (Abb. 16). Familien-
unternehmen mit Familienverfassung beachten signifikant häufiger (+ 18 Prozent) ihre selbst auferlegten
Regelwerke als Familienunternehmen ohne Familienverfassung.
Dieses Ergebnis deckt sich eindeutig mit den INTES Beratungserfahrungen. So werden durch eine Famili-
enverfassung neben dem gemeinsamen Regelwerk auch Mechanismen geschaffen, die Transparenz und
Einhaltung der Regeln sicherstellen. Hierzu gehört beispielsweise die Verlagerung wichtiger Entscheidun-
gen in Gremien wie Beiräte oder Gesellschafterausschüsse. Hinzu kommt, dass nicht nur die Transparenz
und die Einhaltung der Regeln erhöht wird, sondern auch die Einsicht in die Richtigkeit der gemeinsam
erarbeiteten Ansätze.
Die Familienverfassung stellt sicher, dass Regeln in der Praxis auch angewendet werden
Familienunternehmen mit Familienverfassungen halten sich besser an ihre Regelwerke
Abb. 16: Einhaltung Regeln Familienverfassung (Skala: 1 = überhaupt nicht eingehalten; 5 = immer eingehalten)
EINhalTuNg dEr rEgElwErkE
ohne FV: n=109, mit FV: n=36
+ 18%
mit Familienverfassung
4,28
ohne Familienverfassung
3,63
36
06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel
Externe Begleitung
Familien, die eine Verfassung erarbeiten, fördern oft explosives Material zutage. Die ganze Wucht der
Themen Geld, Macht und Liebe kommt offen zum Ausbruch, wenn über verbindliche Regeln und Prozesse
diskutiert werden soll. Manche alte, unbeglichene Rechnung und manches vor Jahren im Familienkreis
verletzte Ego können Emotionen hochkochen lassen.
Viele Inhaberfamilien vertrauen sich deshalb bei der Erarbeitung einem externen Moderator und Experten
an. Dieser kann der Diskussion Richtung und Leitplanken geben, er kann, weil er nicht Partei innerhalb
der Familie ist, Emotionen bändigen und den Blick auf das gemeinsame Ziel sicherstellen. So sichert der
Externe die Ergebnisorientierung des Prozesses. 68 Prozent der Unternehmerfamilien haben einen ex-
ternen Berater als Moderator und Experten eingesetzt, als sie ihre Familienverfassung erarbeitet haben
(Abb. 17). Dieser Einsatz lohnt: Weitere Analysen ergeben, dass die Zufriedenheit mit der Verfassung re-
gelmäßig besonders hoch ist, wenn ein von außen kommender Fachmann das Vorhaben begleitete (der
Mittelwert der Zufriedenheit auf einer Skala von 1 für »überhaupt nicht zufrieden« bis 5 für »sehr zufrie-
den« liegt bei 4,3 bei Einsatz des externen Beraters, bei 3,7 bei Einsatz des Beirats und bei Einsatz eines
Vertrauten der Familie bei 4,2).
Die Erarbeitung einer Familienverfassung erfolgt in ganztätigen Workshops. Die Familiengesellschafter in
Gänze, bei großen Familien deren ausgewählte Repräsentanten, beantworten in einer Gruppe von maximal
20 Teilnehmern alle relevanten inhaberstrategischen Fragen. Struktur kann dabei der Governance Kodex für
Familienunternehmen oder das INTES-Inhaber-Strategie-Haus (Abb. 18) geben. Im Rahmen der Erarbeitung
einer Inhaber-Strategie werden folgende zentrale Fragen gestellt:
Wie ist die Mitgliedschaft in der Inhaberfamilie geregelt und wie ist sie organisiert?
Was sind Ziele, Werte und Selbstverständnis der Familie in Bezug auf die Familie selbst, das Unter-
nehmen und die familiäre Inhaberschaft?
Welches Inhaber-Geschäftsmodell strebt die Familie an, d.h. welches Chancen-Risiko-Profil wird
erwartet, welcher Grad der Fokussierung oder Diversifizierung ist angemessen und wie sieht die
zugrunde liegende Organisationsstruktur und Strategie aus?
»Es wird empfohlen, die Bestandteile aus diesem Kodex individuell zu regeln. Diese Regelungen soll die Inhaberfamilie gemeinsam verabschieden, und sie sollen für eine vereinbarte Laufzeit Gültigkeit besitzen.« Governance Kodex für Familienunternehmen: www.kodex-fuer-familienunternehmen.de
37
06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel
Wie soll die Corporate Governance geregelt werden hinsichtlich der Machtthemen wie Führung und
Kontrolle, aber auch hinsichtlich der Geldthemen wie Vergütung, Dividenden oder Ausscheiden von
Gesellschaftern?
Wie sehen Regeln und Aktivitäten im Rahmen der Family Governance aus, um den Zusammenhalt der
Familie zu fördern?
Welche Rollen wollen die Mitglieder der Inhaberfamilie in Unternehmen und Familie wahrnehmen?
Bei der Erstellung einer Familienverfassung werden überwiegend externe Berater bevorzugt
Abb. 17: Prozessbegleiter
IdEalEr prozESSbEglEITEr bEI dEr ErSTElluNg EINEr FamIlIENvErFaSSuNg
mit FV: Mehrfachnennung=41, n=37ohne FV: Mehrfachnennung=122, n=111
ohne Prozessbegleiter14%
8%
Vertraute der Familie19%
14%
Beirat25%
22%
Externe Berater51%
68%
= mit Familienverfassung, = ohne Familienverfassung
38
Die erfolgreiche Erarbeitung von Familienverfassungen muss nach einem stringenten Prozess erfolgen
Unternehmerfamilien brauchen zur Erarbeitung einer Familienverfassung je nach Komplexität drei bis
acht gemeinsame Arbeitstage in Summe, idealerweise im Abstand von jeweils vier bis sechs Wochen. Im
Anschluss ist mit Hilfe der protokollierten Workshop-Ergebnisse die Familienverfassung von der Familie
selbst zu schreiben. Dieser Schritt ist so wichtig, weil das Übersetzen in die eigene Sprache Verständlich-
keit und Commitment erhöht. Daneben sind aber auch die Grundsatzentscheidungen in die entsprechen-
den juristischen Verträge einzuarbeiten. Dieser gesamte Prozess dauert in der Regel zwischen sechs und
zwölf Monaten.
Überarbeitung
Ist die Familienverfassung einmal geschrieben, sollten die Familienmitglieder nicht den Anspruch haben, an
den getroffenen Regelungen über Generationen hinweg festzuhalten. Vielmehr zeigt die Erfahrung, dass es
selten sinnvoll ist, mehr als fünf Jahre in die Zukunft zu blicken. Daher ist es erforderlich, eine Familienver-
fassung in etwa diesem Rhythmus zu aktualisieren. Dies sehen auch die befragten Familienunternehmen so:
In 58 Prozent der Fälle soll die Familienverfassung nach maximal fünf Jahren überprüft werden (Abb. 19).
Abb. 18: INTES Inhaber-Strategie-Haus
mIT dEm INTES-INhabEr-STraTEgIEprozESS zur FamIlIENvErFaSSuNg
Family Business Governance I
Corporate Governance
Family Business Governance II
Family Governance
Rollen und Menschen
Mitgliedschaft Selbstverständnis Inhaberge- schäftsmodell
INhabEr-STraTEgIE
Familien- verfassung
39
06 Erarbeitung der Familienverfassung: Mit einem stringenten Prozess zum Ziel
Nach maximal fünf Jahren sollte die Familienverfassung überarbeitet werden
INhabEr-STraTEgIE
Unternehmerfamilien sind die dominanten Inhaber eines Familienunterneh-mens. Mit dieser Stellung sind nicht nur Rechte verbunden, sondern auch eine Verpflichtung zur Professionalität. Außerdem gibt es strategische Fragen, die nur die Inhaber selbst beantworten können. Diese Aspekte sind in einer Inhaber-Strategie zu erarbeiten. Dabei werden gemeinsam die wichtigsten Weichenstellungen in Bezug auf Familie und Unternehmen festgelegt. Die Inhaber-Strategie wird in der Familienverfassung dokumentiert.
Abb. 19: Auffrischung für das Regelwerk
gEplaNTE übErarbEITuNg FamIlIENvErFaSSuNg
n=33
in 1–5 Jahren
9%
33%
58%
später
gar nicht
40
Die Grundlage für die Studie bildet die Befragung von 148 Inhaberinnen und Inhabern aus unterschied-
lichen deutschen Familienunternehmen im Frühjahr 2011. Inhaber mit einer Familienverfassung füll-
ten einen anderen Fragebogen aus als jene ohne Familienverfassung. Die 37 Familienunternehmen mit
Familienverfassung stellten einen Anteil von 25 Prozent, 111 Unternehmerfamilien hatten dagegen keine
Familienverfassung (75 Prozent). Beide Gruppen unterscheiden sich deutlich in Größe und Alter des Un-
ternehmens sowie der Anzahl der Familiengesellschafter (Abb. 2).
Zur weiteren Beschreibung der Stichprobe werden die 148 Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Mo-
dell verortet. Mit Hilfe der Dimensionen Inhaberschaft, Investment und Governance kann jedes Familien-
unternehmen eindeutig einer der jeweils vier Stufen zugeordnet werden. Zusammenfassend zeigt sich,
dass Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung überwiegend familiengeführte Geschwister-
gesellschaften mit einem fokussierten Unternehmen sind (Abb. 20). Bei näherer Betrachtung wird aller-
dings deutlich, dass Familienunternehmen mit Familienverfassung eine deutlich diversifiziertere Inhaber-
Struktur haben, deutlich weniger inhabergeführt sind und deutlich häufiger ein Fremdmanagement ha-
ben, das sie über einen Beirat oder Aufsichtsrat kontrollieren.
Die befragten Familienunternehmen sind überwiegend familiengeführte Geschwistergesellschaften mit einem fokussierten Unternehmen
Anhang | Stichprobe
Abb. 20: Befragte Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Modell
FU: Familienunternehmen = mit Familienverfassung, = ohne Familienverfassung
Family Investment Office
Diversifiziertes FU
Fokussiertes FU
Junges FU
INvESTmENT STrukTur
govErNaNcE STrukTur
INhabEr STrukTur
Inhaber- geführtes
FU
Familien- geführtes
FU
Familien- kontrolliertes
FU
Fremd- geführtes
FU
Familien- dynastie
Vettern-konsortium
Geschwister-gesellschaft
Allein- inhaber
41
Anhang
Inhaber-Struktur
Familienunternehmen entwickeln sich in der Regel auf der Achse der Inhaber-Dimensionen vom
1. Alleininhaber (1 Inhaber) über die
2. Geschwistergesellschaft (2–4 Inhaber), das
3. Vetternkonsortium (5–29 Inhaber) bis zur
4. Familiendynastie (30 oder mehr Inhaber).
Verortet man die Familienunternehmen in der Stichprobe auf dieser Achse, so dominiert die Geschwister-
gesellschaft (laut Abb. 21 jeweils 54 Prozent der Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung).
Allerdings wird deutlich, dass jene Familienunternehmen mit Familienverfassung offensichtlich mehr
Inhaber haben und deshalb das Vetternkonsortium (32 Prozent) und die Familiendynastie (9 Prozent)
häufiger vertreten sind. Interessant ist, dass alle Familiendynastien eine Familienverfassung haben. Im
Gegensatz dazu haben Alleininhaber sich nur sehr selten eine Familienverfassung gegeben, da hier auch
nicht unterschiedliche Interessen gebündelt werden müssen und oftmals auch der Alleininhaber einziger
Geschäftsführer ist (23 Prozent der Familienunternehmen ohne Familienverfassung befinden sich im
Stadium des Alleininhabers).
Investment-Struktur
In der Investment-Dimension entwickeln sich die Familienunternehmen vom
1. jungen zum
2. auf eine Geschäftstätigkeit fokussierten zum
3. in unterschiedlichen Geschäftsfeldern mit verschiedenen Risikoprofilen investierten, diversifizierten
Familienunternehmen.
4. Hält die Familie ausschließlich Minderheitsbeteiligungen ohne Führungsanspruch neben weiteren
Vermögenstiteln wie Aktien und Immobilien, dann spricht man von einem Family Investment Office.
Die befragten Familienunternehmen unterscheiden sich nicht in Bezug auf ihre Investment-Struktur. Mit
63 Prozent überwiegt das fokussierte Familienunternehmen sowohl bei Unternehmen mit als auch ohne
Familienverfassung (Abb. 21). Ein gleiches oder ähnliches Bild zeigt sich bei den anderen Stufen.
42
Governance-Struktur
Betrachtet man allerdings die Verteilung in der Governance-Dimension, werden Unterschiede zwischen
Familienunternehmen mit und ohne Familienverfassung deutlich. In der Regel entwickelt sich die Füh-
rungs- und Kontrollstruktur vom
1. inhabergeführten (Inhaberschaft und Führung sind identisch) über das
2. familiengeführte (es gibt im Unternehmen aktive und inaktive Inhaber) über das
3. familienkontrollierte (die Familie kontrolliert die ausschließliche Fremdgeschäftsführung über einen
Beirat oder Aufsichtsrat), zum
4. fremdgeführte Familienunternehmen (die Familie ist weder in der Führung noch in der Kontrolle
tätig, sondern ist ausschließlich Inhaber, ähnlich eines Aktionärs in einer Publikumsgesellschaft).
In der Stichprobe dominieren die familiengeführten Unternehmen (Abb. 21). Dabei zeigt sich aber, dass
familienkontrollierte Unternehmen häufiger eine Familienverfassung haben. Hingegen verzichten inhaber-
geführte Familienunternehmen oft auf eine Familienverfassung (43 Prozent). Die fremdgeführten Familien-
unternehmen – immerhin 2 Prozent – haben überraschenderweise keine Familienverfassung. Diesen ist
wohl nicht bewusst, dass hier die Einflussmöglichkeiten der Unternehmerfamilie verschwindend gering
sind und die Gefahr besteht, dass das Unternehmen in der nächsten Generation kein Familienunternehmen
mehr ist.
Die Analyse der befragten Familienunternehmen mit der Hilfe des 3-Dimensionen-Modells verdeutlicht:
Die Erstellung einer Familienverfassung hängt primär von der Inhaber- und Governance-Struktur ab,
sekundär von Größe und Alter. Folgender Zusammenhang ist also evident: Je mehr Inhaber, je älter und
je größer das Familienunternehmen und je weniger Führungseinfluss die Familie geltend machen kann,
desto wichtiger ist es, eine Familienverfassung zu erarbeiten, um die Zukunft des Familienunternehmens
zu sichern.
43
Anhang
Familienunternehmen mit Familienverfassung haben eine deutlich diversifi- ziertere Inhaber-Struktur, sind deutlich seltener inhabergeführt und haben deutlich häufiger ein Fremdmanagement, das die Familie über einen Beirat oder Aufsichtsrat kontrolliert.
Abb. 21: Detaillierte Zuordnung der befragten Familienunternehmen im 3-Dimensionen-Modell
vErTEIluNg Nach Typ mIT FamIlIENvErFaSSuNg (%)
ohNE FamIlIENvErFaSSuNg (%)
INh
abE
r-
STru
kTu
r
Alleininhaber 5 23
Geschwistergesellschaft 54 54
Vetternkonsortium 32 23
Familiendynastie 9 0
INv
ESTm
ENT-
ST
ruk
Tur
Junges FU 0 2
Fokusssiertes FU 62 62
Diversifiziertes FU 32 32
Family Investment Office 6 4
go
vEr
Na
Nc
E-
STru
kTu
r
Inhabergeführtes FU 32 43
Familiengeführtes FU 49 50
Familienkontrolliertes FU 19 5
Fremdgeführtes FU 0 2
FV: Familienverfassung; FU: Familienunternehmen n=37 n=111
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Dr. Karsten Schween
ist Geschäftsführender Gesellschafter der INTES Akademie und der INTES
Beratung für Familienunternehmen. Er war mehrere Jahre als Vorsitzender
der Geschäftsführung eines großen Familienunternehmens tätig. Zuvor be-
riet er viele Jahre als Partner der weltweit tätigen Unternehmensberatung
McKinsey & Company, Inc. Familienunternehmen und Konzerne in verschie-
denen Produktions- und Dienstleistungsindustrien in Europa und Asien. Er
absolvierte eine kaufmännische Ausbildung und studierte sowie promovier-
te in Betriebswirtschaftslehre an der WHU – Otto Beisheim School of Ma-
nagement. Die Arbeitsschwerpunkte von Karsten Schween liegen in der Be-
arbeitung strategischer, organisatorischer und operativer Fragestellungen
von Familienunternehmen. In diesen Bereichen arbeitet er eng mit Unter-
nehmern, Familien, Nachfolgern und Fremdmanagern zusammen.
Kontakt: Tel.: +49 228 3 67 80 41, E-Mail: [email protected]
Dr. Alexander Koeberle-Schmid
ist Berater bei der INTES Beratung für Familienunternehmen, wo er Unterneh-
merfamilien zu inhaberstrategischen Themen wie Governance-Strukturen,
Nachfolgegestaltung und Beiratskonzeptionen berät. Er stammt aus einer Un-
ternehmerfamilie und fokussierte sich deshalb schon während seines Studi-
ums und seiner Promotion an der WHU – Otto Beisheim School of Manage-
ment auf Spezialfragen von Familienunternehmen. Außerdem publiziert er
regelmäßig zum Thema Familienunternehmen. Zuletzt hat er das Standard-
werk »Family Business Governance – Erfolgreiche Führung von Familienun-
ternehmen« herausgegeben.
Kontakt: Tel.: +49 228 3 67 80 41, E-Mail: [email protected]
Dr. Alexander Koeberle-Schmid
Dr. Karsten Schween
Anhang | Autoren
45
Dr. Peter Bartels
ist Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Mitglied des Vorstands von PwC. Er
vertritt seit Frühjahr 2010 die Geschäftsbereiche »Familienunternehmen
und Mittelstand« sowie »öffentliche Unternehmen«. Bis August 2008 war er
als persönlich haftender Gesellschafter der Susat & Partner oHG, Wirt-
schaftsprüfungsgesellschaft Hamburg tätig und hat danach die Leitung des
Geschäftsbereichs »Valuation & Strategy« bei PwC übernommen. Herr Peter
Bartels verfügt über 19 Jahre Berufserfahrung im Bereich der Jahresab-
schlussprüfung und Transaktionsberatung, insbesondere die integrierte
Prüfung und Beratung (häufi g börsennotierter) eigentümergeführter Unter-
nehmer und Unternehmensgruppen. Er ist Mitglied des Fachausschusses
für Unternehmensbewertung und Betriebswirtschaft (FAUB) beim Institut
der Wirtschaftsprüfer und öffentlich bestellter Sachverständiger für Unter-
nehmensbewertung.
Kontakt: Tel.: +49 40 63 78 21 70, E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Andreas Hack
studierte BWL in Regensburg und Kopenhagen. Nach einer mehrjährigen
Tätigkeit als Unternehmensberater schloss er 2003 seine Promotion an der
WHU – Otto Beisheim School of Management ab. Danach folgte eine Station
als wissenschaftlicher Assistent an der TU Dortmund. Seit Januar 2009 ist
er erster Inhaber des Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU
und leitet dort zudem seit Januar 2010 das INTES Institut für Familienun-
ternehmen.
Kontakt: Tel.: +49 261 65 09 331, E-Mail: [email protected]. Dr. Andreas Hack
Dr. Peter Bartels
Anhang
46
INTES – Die erste Adresse für Familienunternehmen
Mit über 5.000 Kunden und einer einzigartigen Methodik ist die 1998 ge-
gründete INTES Pionier, Marktführer und erster Ansprechpartner für die
Beratung und Qualifizierung der Inhaber von Familienunternehmen im
deutschsprachigen Raum. Mission der INTES ist es, Familienunternehmen
und Unternehmerfamilien bei der Bewältigung ihrer spezifischen Herausfor-
derungen zu unterstützen. Ziel ist es, Familienunternehmen erfolgreicher
und Unternehmerfamilien stärker zu machen. Grundlage des Angebots in
Beratung und Qualifizierung ist das von Prof. Dr. Peter May entwickelte
INTES-Prinzip, das die Bereiche Unternehmen, Familie, Persönlichkeit und
Vermögen zu einer umfassenden Inhaber-Strategie verbindet.
Schwerpunkte der INTES sind:
Inhaber-Strategien
Nachfolge-Lösungen
Family-Business-Governance-Konzepte
Strategien und Finanzierungskonzepte für Familienunternehmen
Vermögensberatung für Familienunternehmer
Anhang | Unternehmensprofile
47
Anhang
PricewaterhouseCoopers AG Wirtschaftsprüfungsgesellschaft
Unsere Mandanten stehen täglich vor neuen Aufgaben, möchten neue Ideen
umsetzen und suchen Rat. Sie erwarten, dass wir sie ganzheitlich betreuen
und praxisorientierte Lösungen mit größtmöglichem Nutzen entwickeln. Des-
halb setzen wir für jeden Mandanten, ob Global Player, Familienunternehmen
oder kommunaler Träger, unser gesamtes Potenzial ein: Erfahrung, Branchen-
kenntnis, Fachwissen, Qualitätsanspruch, Innovationskraft und die Ressour-
cen unseres Expertennetzwerks in über 150 Ländern. Besonders wichtig ist
uns die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit unseren Mandanten, denn je
besser wir sie kennen und verstehen, umso gezielter können wir sie unterstüt-
zen. Mittelständische und familiengeführte Unternehmen erhalten bei uns
eine Betreuung, die sich durch Engagement und Kontinuität auszeichnet. Un-
seren Mandanten steht ein persönlicher Ansprechpartner zur Seite, den sie
jederzeit zu allen Fragen konsultieren können. Er kennt ihr Geschäft, hat die
Interessen der Gesellschafter im Blick und koordiniert die Arbeit der jeweils
erforderlichen Fach- und Branchenexperten. So bekommen sie alle Leistungen
aus einer Hand, zeitnah und direkt vor Ort – auch im Ausland.
PwC. 8.700 engagierte Menschen an 28 Standorten. 1,33 Mrd. Euro Gesamt-
leistung. Führende Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsgesellschaft in Deutsch-
land. Partner für Familienunternehmen und Mittelstand.
WHU – Otto Beisheim School of Management, INTES Institut für Familienunternehmen
Die WHU – Otto Beisheim School of Management ist eine international ausge-
richtete, privat finanzierte Wirtschaftsschule. Inzwischen gehört die WHU zu
den renommiertesten deutschen Wirtschaftsschulen und genießt international
hohes Ansehen. Das INTES Institut für Familienunternehmen an der WHU wid-
met sich gezielt der Erforschung spezifischer Herausforderungen von Familien-
unternehmen. Wichtige Aspekte sind die Lösungsvermittlung und der Aus-
tausch von Forschungsergebnissen mit der Unternehmerpraxis. Geleitet wird
das Institut von Prof. Dr. Andreas Hack, der ebenso wie Prof. Dr. Sabine Klein
Inhaber eines Lehrstuhls für Familienunternehmen an der WHU ist. Das Ins-
titut wird durch die Honorarprofessur von Prof. Dr. Peter May und dem asso-
ziierten Mitglied der Fakultät Prof. Dr. Franz W. Kellermanns weiter verstärkt.
INTES Akademie für FamilienunternehmenKronprinzenstraße 31 53173 Bonn - Bad GodesbergTelefon +49 228 36780-61 Fax +49 228 [email protected] www.intes-akademie.de