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264 | © 2008 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim Chem. Unserer Zeit, 2008, 42, 264 – 269 Zur Chemie einer besonderen Spirituose Scotch Single Malt Whisky T HOMAS S CHNEIDER Schreibweisen sind möglich), ausgesprochen „usch-ki-bea- a“, was sich im Lauf der Zeit zu „uiskie“ entwickelte und schließlich in die heutige Form „whisky“ verändert wurde [8]. Für die moderne Schreibweise gilt dabei: Die schotti- sche Variante des Lebenswassers, gleichzusetzen mit der Bezeichnung „Scotch“, schreibt sich ohne „e“. Im Gegen- satz dazu gilt für die irischen und nordamerikanischen Ver- sionen dieser Spirituose die Schreibweise „Whiskey“, wäh- rend Kanada die schottische Schreibung übernommen hat [14]. Von einem Scotch kann streng genommen nur dann ge- redet werden, wenn ein Whisky vor seinem Verkauf min- destens drei Jahre lang auf schottischem Boden in Eichen- fässern gelagert wurde. Dies lässt sich auf den 1915 vom bri- tischen Parlament erlassenen Immature Spirits Act zurück- führen, ein Gesetz, welches den Verkauf von new spirit (s. Produktionsprozess) für illegal erklärte und den Whisky- Konsum in den Kriegszeiten einschränken sollte [8]. In diesem Aufsatz geht es um Single Malts, d. h. Whis- kys, die aus gemälzter Gerste hergestellt wurden und ledig- lich einer Brennerei entstammen. Wird ein Whisky aus ei- S cotch, schottischer Whisky, ist ein wichtiges schotti- sches Exportprodukt. Er ist nach Gin und Wodka die am dritthäufigsten konsumierte Spirituose weltweit, und die Whisky-Industrie belegt in der Rangliste der bedeutendsten Industriezweige des Landes den achten Platz [8]. Schotti- sche Single Malts sind zwar in den meisten Fällen allein Aus- löser subjektiver Genusserlebnisse, darüber hinaus aber auch immer wieder Ausgangspunkt objektiver wissenschaft- licher Studien. Dieser Essay ist das Ergebnis zweier Destil- leriebesichtigungen während eines Schottlandurlaubs so- wie der nachbereitenden Beschäftigung mit einigen inte- ressanten Fragen rund um das Thema Single Malts. Was ist eigentlich Whisk(e)y? Die früheste schriftliche Erwähnung von schottischem Whisky findet sich in einem Dokument aus dem Jahr 1494 als folgender Eintrag: „eight bolls of malt to Friar John Cor wherewith to make aquavitae“ [8, S. 3]. Besagter Mönch er- warb also eine große Menge Malz zur Herstellung von „Le- benswasser“. Die gälische Übersetzung für den lateinischen Begriff „aqua vitae“ ist „uisge beatha“ (verschiedene DOI: 10.1002/ciuz.200800451 What is’t? A spirit? [...] Believe me, sir, It carries a brave form. But ’tis a spirit. William Shakespeare: The Tempest, I.2

Scotch Single Malt Whisky. Zur Chemie einer besonderen Spirituose

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Zur Chemie einer besonderen Spirituose

Scotch Single Malt WhiskyTHOMAS SCHNEIDER

Schreibweisen sind möglich), ausgesprochen „usch-ki-bea-a“, was sich im Lauf der Zeit zu „uiskie“ entwickelte undschließlich in die heutige Form „whisky“ verändert wurde[8]. Für die moderne Schreibweise gilt dabei: Die schotti-sche Variante des Lebenswassers, gleichzusetzen mit derBezeichnung „Scotch“, schreibt sich ohne „e“. Im Gegen-satz dazu gilt für die irischen und nordamerikanischen Ver-sionen dieser Spirituose die Schreibweise „Whiskey“, wäh-rend Kanada die schottische Schreibung übernommen hat[14].

Von einem Scotch kann streng genommen nur dann ge-redet werden, wenn ein Whisky vor seinem Verkauf min-destens drei Jahre lang auf schottischem Boden in Eichen-fässern gelagert wurde. Dies lässt sich auf den 1915 vom bri-tischen Parlament erlassenen Immature Spirits Act zurück-führen, ein Gesetz, welches den Verkauf von new spirit (s.Produktionsprozess) für illegal erklärte und den Whisky-Konsum in den Kriegszeiten einschränken sollte [8].

In diesem Aufsatz geht es um Single Malts, d. h. Whis-kys, die aus gemälzter Gerste hergestellt wurden und ledig-lich einer Brennerei entstammen. Wird ein Whisky aus ei-

Scotch, schottischer Whisky, ist ein wichtiges schotti-sches Exportprodukt. Er ist nach Gin und Wodka die am

dritthäufigsten konsumierte Spirituose weltweit, und dieWhisky-Industrie belegt in der Rangliste der bedeutendstenIndustriezweige des Landes den achten Platz [8]. Schotti-sche Single Malts sind zwar in den meisten Fällen allein Aus-löser subjektiver Genusserlebnisse, darüber hinaus aberauch immer wieder Ausgangspunkt objektiver wissenschaft-licher Studien. Dieser Essay ist das Ergebnis zweier Destil-leriebesichtigungen während eines Schottlandurlaubs so-wie der nachbereitenden Beschäftigung mit einigen inte-ressanten Fragen rund um das Thema Single Malts.

Was ist eigentlich Whisk(e)y?Die früheste schriftliche Erwähnung von schottischemWhisky findet sich in einem Dokument aus dem Jahr 1494als folgender Eintrag: „eight bolls of malt to Friar John Corwherewith to make aquavitae“ [8, S. 3]. Besagter Mönch er-warb also eine große Menge Malz zur Herstellung von „Le-benswasser“. Die gälische Übersetzung für den lateinischenBegriff „aqua vitae“ ist „uisge beatha“ (verschiedene

DOI: 10.1002/ciuz.200800451

What is’t? A spirit?[...] Believe me, sir,It carries a brave form. But ’tis a spirit.

William Shakespeare: The Tempest, I.2

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nem anderen Getreide als aus Gerste hergestellt, so handeltes sich um Grain Whisky. Mischungen aus Malts und Grainssind Blends.

Der ProduktionsprozessFür die Herstellung von Malt Whisky benötigt man folgen-de Zutaten: Wasser, Gerste, Torf und Hefe. Die wichtigstennotwendigen Gerätschaften sind mindestens zwei Kupfer-destillen und Eichenfässer für die Lagerung des gewonne-nen Destillats. Hier soll nur ein grober Einblick in den Pro-duktionsprozess gegeben werden, der aus sechs Schrittenbesteht [8; 17]: Mälzung (malting), Mahlen (milling), Mai-schen (mashing), Gärung (fermentation), Destillation (dis-tillation) und Reifung (maturation).

Für die Herstellung von Malz wird Gerste zwei Tage inWasser eingeweicht, danach wird das Wasser entfernt. DieGerste beginnt nun zu keimen, wobei die darin enthalteneStärke enzymatisch zu Maltose abgebaut wird. Nach fünf biszehn Tagen wird die Keimung durch Trocknung über ei-nem Torffeuer unterbrochen. Nach beendeter Mälzung wirddie Gerste zu Malzschrot gemahlen, das im nächsten Pro-duktionsschritt gemaischt wird.

Das Malzschrot aus dem zweiten Produktionsschrittwird mit warmem Quellwasser versetzt und in einem Mai-schekessel (mash tun) von einem rotierenden Rechendurchmischt. Nach ca. sechsstündigem Rühren ist ein zu-ckerhaltiger Extrakt (wort) entstanden, der vom Maische-rückstand getrennt und in einen Gärkessel (washback; Ab-bildung 1) überführt wird.

Im Gärkessel wird durch das Hinzufügen von Hefe, tra-ditionell werden unterschiedliche Stämme von Saccharo-myces cerevisiae eingesetzt, die Gärung des wort herbeige-führt. Nach einer Gärzeit von 40 bis 46 Stunden ist die en-zymatische Umwandlung der Zucker in Alkohole abge-schlossen. Die erhaltene bierartige Flüssigkeit (wash) ent-hält dann zwischen sechs und neun Volumenprozent Etha-nol.

Nun wird im fünften Produktionsschritt der wash in ei-ner ersten Kupferdestille, der wash still, destilliert. Der re-sultierende Rohbrand enthält um die 24 VolumenprozentEthanol und wird als low wines bezeichnet. Dieser wird ineiner kleineren Kupferdestille (spirit still) aufkonzentriert.Bei der zweiten Destillation gehen drei Fraktionen über(Vorlauf, Mittelfraktion und Nachlauf), die im FachjargonKopf (head), Herz (heart) und Schwanz (tail) genannt wer-den. Beim Schneiden der einzelnen Fraktionen werden zurKontrolle des Ethanolgehalts Alkoholometer eingesetzt. DieMittelfraktion aus der spirit still liefert den new spirit, derzwischen 69 und 71 Volumenprozent Ethanol enthält undnach Verdünnung auf einen Alkoholgehalt um die 63 Volu-menprozent zur Lagerung in Eichenfässer abgefüllt wird.Vor- und Nachlauf werden zum nächsten Rohbrand-Batchhinzugefügt und erneut destilliert.

Der wichtigste Schritt in der Herstellung von Scotch istdie Reifung, die sich während der gesetzlich vorgeschriebe-nen mindestens dreijährigen Lagerung des new spirit in Ei-chenfässern vollzieht. Während der Reifung gehen jährlichca. 2 Prozent des Fassinhalts durch Verdunstung verloren,und dieser angels’ share (Engelsanteil) führt ebenso zurAromabildung im werdenden Whisky wie die Aufnahmevon Stoffen aus der Fasswand.

Chemie oder Alchemie?Fragt man in einer bestimmten Destillerie nach dem che-mischen oder technischen Parameter, der den größten Ef-fekt auf Aroma und Geschmack ihres charakteristischstenSingle Malts hat, so ist die Antwort meist: Wasser, Torf, Des-tillen und Art des zur Lagerung verwendeten Eichenfasses.Damit sind dann fast alle Schritte des Produktionsprozessesabgedeckt und der Fragende ist in der Regel nicht viel klü-ger als zuvor, ist doch der Gesamtherstellungsprozess in al-len Brennereien im Prinzip derselbe. Auch wenn einzuse-hen ist, dass bei der Herstellung eines Genussmittels auskomplexen natürlichen Zutaten (Gerste, Torf) unter Einsatz

Abb. 1 Gärkessel-Raum der Glen-fiddich Distillery.Diese 1887 vonWilliam Grant ge-gründete Destille-rie ist für Viele einSynonym fürschottischen Single Malt. [alleFotos: Schneider]

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von biotechnologischen Arbeitsschritten (Gärung) sowiecomputergesteuerter Prozesskontrolle alle Komponenteneinen Teil zum Endprodukt beitragen, ist eine solche Ant-wort doch unbefriedigend. Da im Rahmen dieses Artikelsnur ein kleiner Einblick in die Geheimnisse der Whisky-Pro-duktion gegeben werden kann, will ich auf drei Fragen ein-gehen, die mich während meiner Literatursuche besondersbeschäftigt haben: 1. Wie beeinflusst der Torf den Whisky?,2. Welche Rolle spielt das Kupfer der Destillen?, 3. Was pas-siert bei der Reifung im Fass?

Wie beeinflusst der Torf den Whisky?Die meisten Destillerien mälzen heute nicht mehr selbst,sondern lassen sich von Mälzereien beliefern. Diese produ-zieren, je nach Vorgabe der Destillerie, die gewünschteMalzsorte. Unterschiede bestehen hauptsächlich in derMenge des eingesetzten Torfs während der Befeuerung so-wie der Verweildauer der Gerste im Torfrauch [8].

Torf (Abbildung 2) ist eine in der Regel zweischichtigeHumusform der Moore aus wenig zersetzten Pflanzenresten[7]. Moorböden enthalten mindestens 30 % organische Sub-stanz, da deren mikrobieller Abbau durch einen von Was-serüberschuss hervorgerufenen Luftmangel unterbundenwird. Weitere Voraussetzungen für die Torfbildung sind ne-ben dem bodenüberstauenden, nährstoffarmen Grundwas-ser ein feuchtkühles Klima sowie ein saures Bodenmilieu.Die Moore der Britischen Inseln sind verschiedene Typendes Hochmoors (u. a. Deckenmoore), weshalb der dortigeTorf überwiegend aus Torfmoosen, Sauergräsern und Hei-dekrautgewächsen entstanden ist. Die Artenzusammenset-zung der Pflanzengesellschaften eines Hochmoors könnenStandortabhängigkeiten aufweisen.

Interessant ist daher die Frage, ob Torf unterschiedli-cher Herkunft einen charakteristischen Einfluss auf den spä-teren Single Malt hat. In einer Studie von sechs Probenschottischen Torfs unterschiedlicher geographischer Her-

kunft [4] konnten vier der Proben mittels Fourier-Trans-form-IR-Spektroskopie und anschließender multivariater sta-tistischer Datenanalyse deutlich voneinander abgegrenztwerden. Es handelte sich dabei um Proben von den InselnIslay und Orkney sowie vom Nordosten (St Fergus) undzentralen Norden (Speyside) des schottischen Festlands, al-so den Landesregionen, aus denen der Hauptanteil desschottischen Torfs für die Whisky-Produktion stammt. Da-mit liegt der Schluss nahe, dass unterschiedliche Pyrolyse-produkte bei der Torfverbrennung entstehen, die sich imMalz und schließlich im Scotch wiederfinden. Den IslayMalts wird beispielsweise eine iodige Nuance zugeschrie-ben, die auf den regionalen Torf zurückgeführt wird undden Malts des Festlands fehlt [8].

Welche Rolle spielt das Kupfer der Destillen?Kupfer eignet sich aufgrund seiner Duktilität und gutenWärmeleitfähigkeit sehr gut für die Herstellung von Destil-lierapparaten. Die Kupferdestille wurde im achten Jahrhun-dert von dem arabischen Alchemisten Abu Musa Jabir IbnHaiyan erfunden, und die heutigen Destillen schottischerBrennereien beruhen auf seiner Entwicklung [10]. Formund Größe der Brennblasen haben einen prägenden Ein-fluss auf das Destillat und den späteren Whisky: Kurzhalsi-gen Destillen schreibt man ein „öligeres, fruchtigeres“, lang-halsigen Destillen ein „leichteres“ Destillat zu [8], und jekleiner die Destille, desto „fülliger“ der Whisky [14].

Das Destillationsverfahren bei der Herstellung von MaltWhisky ist ein diskontinuierliches Verfahren, bei welchemDestillen aus Kupfer (pot stills; Abbildung 3) zum Einsatzkommen. Bei der Herstellung von Grain Whisky hingegenwird ein kontinuierliches Verfahren angewandt, wobei Des-tillen aus Stahl (die sogenannten patent stills) verwendetwerden. Diese Tatsache lässt sich zur einfachen analytischenUnterscheidung von Malts und Blends/Grains mittels Atom-absorptionsspektroskopie einsetzen [1]: In einer Untersu-

Abb. 2 Torfdeckeauf dem Ben Rin-nes in der Whisky-Region Speyside.

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chung von 42 Single Malts und 8 Blends lag der Kupferge-halt der Malts zwischen 385 und 480 ng mL–1, derjenige derBlends lediglich bei 143 bis 242 ng mL–1. Während sich al-so die Scotch-Sorte eindeutig anhand der darin enthaltenenKupfermenge differenzieren lässt, lässt der Gehalt an Kup-fer in einem Single Malt keine Rückschlüsse auf seine Her-kunftsregion zu.

Das Kupfer der Destillen spielt in der Malt-Produktioneine wichtige Rolle bei der Entschwefelung des wash undder low wines [12]. Während der Gärung entsteht nämlichdurch Reduktion von Sulfat und organisch gebundenemSchwefel durch intermediär auftretenden WasserstoffSchwefelwasserstoff. Dieser entweicht zwar größtenteilsim Lauf des Gärungsprozesses, löst sich aber auch zu ei-nem geringen Anteil im wash. Während der Destillationtritt der gelöste Schwefelwasserstoff einerseits unverändertaus, wird aber andererseits auch an der inneren Destillen-oberfläche als Kupfersulfid abgeschieden. Ein kleiner Teilgeht in Form von Thiolen und Thioaldehyden ins Destillatüber. Die Kupferbrennblasen verhindern im Lauf des Des-tillationsprozesses einerseits die Bildung zu großer Mengensensorisch unerwünschter Schwefelverbindungen und ka-talysieren andererseits die Bildung aromagebender Ester [8].

Was passiert bei der Reifung im Fass?Für die gesetzlich vorgeschriebene dreijährige Reifung desnew spirit zum Whisky werden traditionell spanische Ei-chenfässer verwendet, in denen zuvor Sherry gelagert wur-de. Heute kommen jedoch vorwiegend gebrauchte ameri-kanische Bourbon-Fässer zum Einsatz. Die meisten Whisky-Hersteller lassen einen Scotch in der Regel aber länger rei-fen als es das Gesetz vorschreibt: Üblicherweise verbleibtein angehender Whisky zehn, oft sogar 12, 16 oder 18 Jah-re im Lagerhaus (warehouse). Die Reifung stellt den wich-tigsten Schritt der Whisky-Produktion dar, denn erst hier er-hält das Produkt seinen Charakter. Die Fässer haben einen

größeren Einfluss auf das fertige Produkt als die anderenProzessparameter [14].

Während der Lagerung des frischen Destillats in den Ei-chenfässern kommt es zu Reaktionen zwischen Destillat-komponenten, zur Extraktion von Holzkomponenten insDestillat sowie zu Reaktionen zwischen extrahierten Holz-komponenten und Destillatinhaltsstoffen [11]. Der rundeCharakter eines Whiskys wird u. a. von den Holzextraktstof-fen Vanillin, Syringaaldehyd und 3-Methyl-4-octanolid (Whis-kylacton) bestimmt [13], womit der Herkunft des Eichen-fasses sowie dessen vorheriger Verwendung und Behand-lung eine wesentliche Rolle bei der Aromabildung zukommt(Abbildung 4).

Folgendes Beispiel verdeutlicht diesen Zusammenhang[11]: Nach 36-monatiger Reifung wurden Proben aus ge-brauchten Bourbon-Fässern (Fass-Typ 1), Proben aus ehema-ligen Bourbon-Fässern, in denen bereits einmal Scotch ge-reift war (Fass-Typ 2), und Proben aus ehemaligen Bour-bon-Fässern, die schon mehrmals für die Scotch-Reifungeingesetzt wurden und nur noch geringes Reifungspotenti-al hatten (Fass-Typ 3), miteinander verglichen. Die HPLC-Analyse nicht-flüchtiger Substanzen ergab für einen newspirit mit einem Ethanolgehalt von 67,5 Volumenprozentbei der Fassabfüllung nach der Mindestlagerzeit eine Vanil-lin-Konzentration von 3,1 mg L–1 für Fass-Typ 1, jedoch nur1,6 mg L–1 Vanillin für die Fass-Typen 2 und 3. Für die Sy-ringaaldehyd-Konzentration lagen die Werte bei 8,0 mg L–1

(Fass-Typ 1), 3,7 mg L–1 (Fass-Typ 2) und 3,0 mg L–1 (Fass-Typ 3).

Da sich benutze Eichenfässer niemals völlig gleichen, istnach beendeter Reifung der Inhalt eines einzelnen Whisky-Fasses ein Unikat, weshalb vor der Flaschenabfüllung einVeredelungsschritt folgt: Der Inhalt verschiedener Fässerwird zusammengeführt, im Fachjargon als marriage (Ver-heiratung) bezeichnet, wobei die Inhalte der unterschied-lichen Fässer so gemischt werden, dass daraus am Ende der

Abb. 3 Destillender GlenfiddichDistillery.

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unverwechselbare Hausstil des gewünschten Single Malt re-sultiert. Die Jahresangabe auf der Flasche gibt dann das Al-ter des jüngsten in der Mischung enthaltenen Jahrgangs an.Wird der Inhalt eines einzelnen Fasses zum Verkauf abge-füllt, so spricht man von einem Single Cask Single Malt. Vorder Abfüllung in Flaschen wird der Alkoholgehalt des Whis-kys in der Regel durch Verdünnen reduziert: Vorgeschrie-ben sind mindestens 40 Volumenprozent Ethanol, üblichsind aber auch 43 oder 46 Volumenprozent. Manche SingleMalts kommen unter der Bezeichnung cask strength (Fass-Stärke) unverdünnt auf den Markt.

Klassifizierung von Single MaltsScotch wird in erster Linie nach seiner regionalen Herkunftunterschieden, wobei man nach folgenden Whisky-Regio-nen unterteilt [8; 14]: Lowlands, Highlands, Speyside,Campbeltown, die Hebriden-Insel Islay (sprich: „eila“) unddie restlichen Inseln.

Die Lowlands liegen südlich der gedachten Linie zwi-schen Dundee und Dumbarton [8] oder Dundee und Gree-nock [14]; hier befinden sich drei Malt-Produktionsstätten[16]. Nördlich dieser Linie liegen die Highlands, zu denenrein geographisch auch die Speyside gehört. Die Abgren-zung der Speyside als eigene Whisky-Region wird dadurchbegründet, dass sie die Region mit der größten Anzahl anDestillerien ist: Von 96 Malt-Brennereien Schottlands befin-den sich 48 in einem Gebiet am River Spey, das annäherndvon den Orten Forres, Elgin, Cullen, Huntly, Tomintoul undGrantown-on-Spey eingeschlossen wird [16]. Die StadtCampbeltown, auf Kintyre gelegen, ist die kleinste derschottischen Whisky-Regionen und bringt es auf drei Bren-nereien [16], von denen heute noch zwei produzieren [14].Die Insel Islay beherbergt sieben der auf schottischen Inselnangesiedelten Malt-Produktionsstätten, weitere Inseln aufdenen Scotch produziert wird sind die Hebriden-Inseln Ar-ran (eine Destillerie), Mull (eine Destillerie), Skye (eine Des-tillerie) und Orkney (zwei Destillerien) [16].

Neben der rein regionalen Klassifizierung eines SingleMalts sucht der Whisky-Genießer vor allem die vergleichen-de Differenzierung nach sensorischen Gesichtspunkten. La-pointe und Legendre [6] leiteten mittels statistischer Metho-den eine geographische Klassifizierung (basierend auf derErmittlung einer Distanz-Matrix), eine regionale Klassifizie-rung (Unterscheidung nach Lowland, Highland, Islay) undeine sensorische Klassifizierung von 109 verschiedenenDestillerie-Produkten her, deren Ergebnisse miteinander ver-glichen wurden. Whishart [15] schlägt dagegen eine Single-Malt-Klassifizierung vor, bei der anhand eines zwölf Parame-

ter umfassenden Aromaprofils zunächst jeder Whisky auf ei-ner fünfstufigen Skala bewertet und danach die Gesamtheitder erhaltenen Aromaprofile einer Cluster-Analyse unterzo-gen wurde, was die Zuordnung eines verkosteten SingleMalt zu einem von zehn Clustern ermöglicht. WhishartsMethode ist ohne Verständnis der mathematischen Hinter-gründe im Rahmen von Whisky-Verkostungen einsetzbarund erlaubt das Auffinden von Unterschieden und Gemein-samkeiten gängiger Single Malt Whiskys.

Theorie und Praxis der Whisky-VerkostungDie Verkostung eines Whiskys besteht aus zwei wesentli-chen Schritten: Geruchsprobe (nosing) und Geschmacks-probe (tasting). In der Whisky-Industrie erfolgt die Quali-tätsbeurteilung der gereiften Produkte ausschließlich mittelsnosing [5]. Das tasting kommt zusätzlich bei der Verkos-tung in Genießerkreisen zum Tragen.

Die bei der Whisky-Verkostung hervorgerufenen Sinnes-eindrücke des Riechens und Schmeckens werden durchflüchtige und nicht-flüchtige Aromakomponenten vermit-telt, wobei die physiologischen Abläufe des nosing und tas-ting von unterschiedlichen physikochemischen Parameterndominiert werden [3]: Beim nosing reichern sich die aus-schlaggebenden flüchtigen Aromakomponenten im Kopf-raum des nosing-Glases (s. u.) an und befinden sich in ei-ner statischen Umgebung, beim tasting unterliegen dieflüchtigen Aromakomponenten Einflüssen einer dynami-schen physiologischen Umgebung wie Atmungsgeschwin-digkeit, Mundtemperatur und Speichelzusammensetzung.Von besonderer Bedeutung für die sensorischen Eindrückebei einer Scotch-Verkostung sind aus diesen Gründen diewährend der Fassreifung extrahierten Holzkomponenten,da diese Aktivitätskoeffizienten und Kopfraum-Verteilungs-koeffizienten flüchtiger Whisky-Komponenten beeinflussen[3].

Zur Erreichung optimaler Verkostungseindrücke ver-wendet man ein gestieltes, tulpenförmiges Glas, das sichnach oben verjüngt (nosing-Glas). In einem ersten Durch-gang sollte der Whisky unverdünnt, in einem zweiten ver-dünnt probiert werden. Das Glas sollte für beide Durchgän-ge jeweils zu einem Viertel gefüllt sein und die Probe fürden zweiten Durchgang auf 20 Volumenprozent Alkoholge-halt verdünnt werden, was beim nosing die Aromanuan-cen besser hervortreten lässt [5].

Zur alten Streitfrage „Trinkt man einen Single Malt nunmit Wasser oder ohne?“ soll hier als Antwort ein schotti-sches Sprichwort zitiert werden: „Never drink Whisky withwater and never drink water without Whisky“ ([9], S. 28).

Experimenteller TeilIn den vorangehenden Abschnitten wurden Single Malts ei-ner überwiegend objektiven Betrachtung unterzogen. DerZugang zum schottischen „Nationalgetränk“ eröffnet sichaber nur durch das subjektive Geschmackserlebnis. FürNeueinsteiger, die einen Verkostungsversuch wagen wol-len, folgen daher zum Abschluss zwei Experimentiervor-

OH

OCH3

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OCH3H3CO

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WhiskylactonVanillin Syringaaldehyd

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Abb. 4 Währendder Lagerung desDestillats gehenHolzkomponentenin den Whiskyüber. Charakteris-tisch für den Ge-schmack sind u.a.Vanillin, Syringaal-dehyd und 3-Me-thyl-4-octanolid(Whiskylacton).

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schläge. Ein nosing-Glas muss nicht zwingend verwendetwerden, schmale Kelchgläser (Weißwein- oder Sherry-Glä-ser) sind eine gute Alternative. Eine für den Neuling über-schaubare Anzahl an probierenswerten Single Malts findetsich in dem Buch des bekannten Barmeisters Franz Brandl[2].

Verkostungsexperiment 1: Torf- und Rauchgeschmack

Verwendete Single Malts: Glenfiddich 12 Year Old; Glenfid-dich Caoran Reserve 12 Year Old.

Begonnen wird mit dem 12 Year Old. Auch unverdünntzeigt sich deutlich der Unterschied zwischen beiden SingleMalts: Der Caoran (sprich: „kuran“; gälisch für „Torfglut“)Reserve hat eine Rauch- oder Torfnote, die dem 12-Jährigenfehlt. Letzterer gilt als repräsentativer Highland Single Malt.

Verkostungsexperiment 2: FasseinflussVerwendete Single Malts: Aberlour 10 Year Old; Aberloura’bunadh (ohne Altersangabe).

Der a’bunadh (sprich: „a-buhn-arh“; gälisch für „vomUrsprung“) wird in Fass-Stärke nach ausschließlicher Rei-fung in Sherry-Fässern abgefüllt. Unverdünnt hinterlässt erden Eindruck von dunkler Schokolade, ein typisches Ein-flussmerkmal der Sherry-Fässer. Der 10 Year Old hat einedeutliche Vanille-Note. Er ist im Gegensatz zum a’bunadhdouble-cask matured: Ein Teil des new spirit reift vor derAbfüllung in Sherry-, der andere Teil in Bourbon-Fässern.Das Vanille-Aroma lässt sich auf den Einfluss der Bourbon-Fässer zurückführen.

ZusammenfassungVon einer einzigen Destillerie abgefüllte Malt Whiskys bezeich-net man als Single Malts. Die Zutaten zur Herstellung schot-tischer Single Malts sind torfgeräuchertes Gerstenmalz undHefe. Aus diesen wird durch Gärung eine alkoholhaltige Flüs-sigkeit gewonnen, die in Kupferbrennblasen destilliert wird.Nach der gesetzlich vorgeschriebenen Lagerung des frischenDestillats (new spirit) in Eichenfässern für mindestens dreiJahre darf das Produkt als Scotch Whisky verkauft werden.Sein Aroma erhält er hauptsächlich während der Lagerungdurch in einem Reifungsprozess gebildete chemische Kompo-nenten, doch auch der beim Mälzen eingesetzte Torf und dieDestillen üben einen Einfluss auf seinen Charakter aus.

SummaryMalt whiskies bottled by one single distillery are called singlemalts. The ingredients for producing Scotch single malts arepeat-smoked barley malt and yeast. After fermentation, the-se yield an alcoholic liquid which is distilled in copper pot stills.Having been stored in oak casks for a legaly ordered time ofat least three years, the new spirit may be sold as Scotch whis-ky. Its flavour is mainly due to chemical components formingduring storage in a maturation process, but the peat used inmalting and the pot stills also have some influence on its character.

SchlagworteWhisky, Scotch, Single Malt, Whisky-Produktion, Whisky-

Verkostung

Literatur[1] T. Adam et al., Investigations into the Use of Copper and Other

Metals as Indicators for the Authenticity of Scotch Whiskies, J. Inst.Brew. 22000022, 108, 459 – 464.

[2] F. Brandl, Whisk(e)y, Südwest Verlag, München, 22000077..[3] J. M. Conner et al., Release of Distillate Flavour Compounds in

Scotch Malt Whisky, J. Sci. Food Agric. 11999999, 79, 1015 – 1020.[4] B. Harrison et al., Differentiation of Peats Used in the Preparation of

Malt for Scotch Whisky Production Using Fourier Transform InfraredSpectroscopy, J. Inst. Brew. 22000066, 112, 333 – 339.

[5] F. Jack, Development of Guidelines for the Preparation and Handlingof Sensory Samples in the Scotch Whisky Industry, J. Inst. Brew.22000033, 109, 114 – 119.

[6] F.-J. Lapointe und P. Legendre, A Classification of Pure Malt ScotchWhiskies, Appl. Statist. 11999944, 43, 237 – 257.

[7] Lexikon der Biologie in vierzehn Bänden (Red.: D. Freudig und R. Sauermost), Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg, 11999999 ––22000044. – Vgl. dort: Deckenmoore; Hochmoor; Hochmoorgesellschaf-ten; Moor; Torf; Torfmoose.

[8] E. Mitchell, A Wee Guide to Whisky, revised reprint, Goblinshead,Musselburgh, 22000044..

[9] H. Ohff, Gebrauchsanweisung für Schottland, 3. Aufl., Piper,München, 22000055..

[10] F. P. Pacult, A Double Scotch: How Chivas Regal and The GlenlivetBecame Global Icons, Wiley & Sons, Hoboken, 22000055..

[11] J. R. Piggott et al., Effects on Scotch Whisky Composition andFlavour of Maturation in Oak Casks with Varying Histories, Int. J. Food Sci. Technol. 11999933, 28, 303 – 318.

[12] D. Plöttner, Korrosionserscheinungen an Brenngeräten: Schwefel-verbindungen der Maische als Ursache der Materialzerstörung,Werkstoffe und Korrosion 11995588, 9, 261 – 262.

[13] Römpp-Lexikon Naturstoffe (Hrsg.: B. Fugmann, S. Lang-Fugmannund W. Steglich), Thieme, Stuttgart, 11999977. – Vgl. dort: Whiskyaro-ma.

[14] W. Schobert, Das Whiskylexikon, 3. Aufl., Fischer TaschenbuchVerlag, Frankfurt, 22000077..

[15] D. Wishart, Whisky Classified: Choosing Single Malts by Flavour,Pavilion Books, London, 22000022..

[16] Whisky Map of Scotland: Scotland´s Distilleries, new edition,Collins, London, 22000055..

[17] www.aberlour.com/productionprocess/ [Zugriff: Mai 2008] – Auf dieser Seite finden sich neben Angaben zur Whisky-Herstellungauch Flash-Animationen der in diesem Artikel besprochenenProduktionsschritte.

Der AutorThomas Schneider, Jahrgang 1975, studierte 1994bis 2000 Chemie an der Universität Heidelberg undfertigte 1999 bis 2000 am Institut für Chemie undBiologie der Bundesforschungsanstalt für Ernährungin Karlsruhe seine Diplomarbeit an. 2000 bis 2003war er als Wissenschaftlicher Angestellter an derUniversität Heidelberg tätig. 2003 bis 2006absolvierte er eine Buchhändlerausbildung mitSchwerpunkt Fachbuch in Mannheim, seither ist erFachbuchhändler in Darmstadt.

KKoorrrreessppoonnddeennzzaaddrreesssseeThomas SchneiderKolmarer Str. 45, 68229 MannheimE-Mail: [email protected]