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NDR Info – Das Forum, vom 28.05.2019
Selbstbewusst, aber fremdgesteuert: Wer bezahlt die Hacker?
Ein Feature von Anna Loll
Redaktion: Jens Brommann
*****************
SPRECHERIN Dezember 2018. Auf dem Gelände der Leipziger Messe findet die
größte Hacker-Veranstaltung der Welt statt: der Chaos Communication
Congress. 17.000 Besucher sind dabei.
In der „Hardware Hacking Area“, eine der riesigen Aussteller-Hallen,
hat der Berliner Hackerverein c-base eine Raumstation gebaut - mit
dem Berliner Fernsehturm als künstliche Antenne. Der Blick in den
wolkenlosen Winterhimmel ist versperrt, beleuchtete Regenschirme
hängen an der Decke wie fluoreszierende Quallen.
Ein paar große Räume weiter, auf der Hauptbühne, diskutiert Frank
Rieger, Sprecher des Chaos Computer Clubs, über Hacker-
Verantwortung.
Frank Rieger, Chaos Computer Club
Egal ob man in Systeme eindringt oder über Sicherheitslücken stolpert
oder Systeme baut: Eine gute Frage ist: heiligt der Zweck hier eigentlich
die Mittel, Oder konkreter: was wäre wenn das, was du da gerade tust,
dir jemand zufügen würde - wenn du davon betroffen wärest, wäre es
immer noch okay?
SPRECHER Die Quintessenz lautet also: Was Du nicht willst, das man dir tu, das
füg‘ auch keinem anderen zu.
SPRECHERIN Doch dieses Prinzip nach seinen eignen Werten zu handeln, muss man
sich leisten wollen.
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SPRECHER Der Chaos Computer Club, kurz: CCC, tut es.
Anders als viele andere Vereine, Nichtregierungsorganisationen und
Stiftungen der Szene, lehnt es der Chaos Computer Club strikt ab, von
Regierungen oder Unternehmen Geld zu nehmen. Er finanziert sich
fast ausschließlich durch Mitgliedsbeiträge. Die Arbeit im „Club“, wie
ihn seine Mitglieder liebevoll nennen, ist bis auf sehr wenige
Organisationsjobs beim Kongress ehrenamtlich.
Frank Rieger erklärt den einfachen Grund: Geld macht abhängig, selbst
bei besten Intentionen.
Frank Rieger, Chaos Computer Club
Natürlich haben Menschen, die von Spenden bezahlt werden oder
überhaupt bezahlt werden, in solchen Kontexten natürlich Interesse
daran, ihren Job zu behalten. Das ist halt erst einmal deren vorderstes
Ziel, was dazu führt, dass man Kompromisse macht oder
Entscheidungen trifft, die jetzt möglicherweise nicht so radikal sind
oder nicht so konsequent sind, wie man sie treffen kann, wenn man es
nur freiwillig macht, was man gerade Lust drauf hat.
SPRECHER Das sei kein Werturteil, betont Rieger, sondern eine Frage der
Prioritätensetzung.
Frank Rieger, Chaos Computer Club
Es ist ja durchaus zum Beispiel in der universitären Forschung so, dass
Wissenschaftler explizit von bestimmten Gebieten weg gehalten
werden, indem man eine Förderung für anderes gibt. So ähnliche
Tendenzen lassen sich da, glaube ich, auch so bei diesem ganzen
Privacy Sponsoring und so durchaus auch beobachten, dass halt
gewisse Gebiete, die irgendwie einen hohen Impact haben würden
eben nicht gefördert werden und welche, die eher relativ harmlos sind,
relativ viel Geld bekommen.
SPRECHERIN Solch einen externen Einfluss will man beim CCC vermeiden.
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SPRECHER Einer der prägendsten Figuren des Chaos Computer Clubs war der
Journalist und Computer-Aktivist Wau Holland, ein entschiedener Anti-
Militarist mit einem Hang zu anarchistischem Gedankengut.
SPRECHERIN Unter Hollands Einfluss gab sich der Chaos Computer Club im
Orwell’schen Jahr 1984 ein Manifest: Ein Bekenntnis zur Transparenz
und Zugänglichkeit von öffentlichen Informationen, zum Schutz der
Privatsphäre des Einzelnen , zum Misstrauen gegenüber Autoritäten
und zur Dezentralisierung von Machtstrukturen.
SPRECHER Mit dieser Hackerethik und der Entscheidung gegen staatliche und
militärische Finanzierung hat der Chaos Computer Club den
Nährboden für eine einzigartige Subkultur geschaffen: für eine
internationale Zivilgesellschaft aus kreativen Freigeistern und politisch
interessierten Erfindern; eine technische Avantgarde mit hehren
ethischen Überzeugungen wie Machtkontrolle, Gemeinwohl und
Toleranz.
SPRECHERIN Der Rest einer freiheitlich orientierten Gesellschaft profitiert davon.
Etliche Leaks - also: heimlich veröffentlichte Daten wie die von
WikiLeaks oder Edward Snowden - sind mit der Hackerszene eng
verbunden.
SPRECHER Aber auch Erfindungen aus der Hackerszene bereichern den Alltag der
Menschen: 3-D-Drucker, Forschung zu Schnittstellen zwischen Gehirn
und Maschinen, der freie Zugang zu Verschlüsselungssystemen. Private
Computer. Auch Wikipedia geht auf eine Idee aus der Hackerszene
zurück.
SPRECHERIN 18 Jahre nach Hollands Tod ist Andy Müller-Maguhn, Mitgründer des
Chaos Computer Clubs und Vorstand der Wau Holland Stiftung, alles
andere als glücklich mit der Entwicklung der Hackerszene.
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Auf dem Kongress sitzt der 47-Jährige etwas abseits, am Tisch seiner
Stiftung, am Rande der „Freedom Area“. NGOs präsentieren sich hier
mit Flyern, Broschüren und Postern. Die meisten Kongress-Besucher
interessieren sich mehr für die Sticker vom Stand nebenan als für die
Spendenbox von Wau Holland.
Andy Müller-Maguhn, Wau Holland Stiftung
Jetzt gibt es aber in der Hackerszene noch nicht eine durchgehend
geprägte Immunität gegenüber wenn man jetzt einer mit `nem großen
Sack Geld ankommt und sagt Ihr könnt jetzt mit der Technologie mal
richtig geil rumspielen. Und ja gut wir haben da einen kleinen Zweck
mit und der ist so und so und so. Und da gibt`s irgendwie nach meinem
Empfinden noch nicht genug Leute die dann sagen: Nö. Diesen Zweck
unterstütze ich nicht.
SPRECHER Für Andy Müller-Maguhn ist diese unpolitische Haltung unter
anderem eine Folge der Amerikanisierung.
Die US-amerikanische Hackerszene sei von einer apolitischen
Technologie-Begeisterung geprägt. Wenn jenseits des Atlantiks ein
Hacker unter dem Schlagwort „Informationsfreiheit“ für die Polizei
oder die Nachrichtendienste arbeite, sei das dort völlig okay. Inwiefern
seine Arbeit Bürgerrechten schade, interessiere aber kaum. Diese
leistungsorientierte, opportunistische Einstellung machten sich
Regierungen zu nutze. Auch in Deutschland. Für Müller-Maguhn ist
dies nicht mit der Hackerethik vereinbar.
Andy Müller-Maguhn, Wau Holland Stiftung
Das sind so ganz fiese Verstrickungen, wo dann erst mal Geld ohne
Bedingungen auf dem Tisch liegt und alle sich freuen und alle denken:
aber die reden mir doch gar nicht rein. Und wenn ich da versuche eine
kritische Diskussion anzuregen ... dann heißt es, es stimmt ja gar nicht,
wir machen ja was wir wollen, wir sind doch Anarchisten. Und dann,
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aus dieser Bequemlichkeit, entstehen mittel bis langfristig
Abhängigkeiten, wo dann auf einmal eben doch Regeln durchgesetzt
werden, die überhaupt nicht den ursprünglichen Ansätzen entstanden.
Und das ist eher so eine schleichende Gefahr. (Stimme oben)
SPRECHER Besonders kritisch erwähnt Müller-Maguhn in diesem Zusammenhang
die Rolle der US-amerikanischen Stiftung „Open Technology Fund“.
SPRECHERIN Der Open Technology Fund, kurz: OTF, ist zwar nicht der einzige, aber
einer der wichtigsten und umstrittensten Geldgeber der
internationalen Hackerszene.
SPRECHER Laut OTF-Webseite geht es darum „Demokratie“ in die Welt zu tragen.
Im Fokus für Förderungen sind dabei unter anderem Projekte, die sich
darauf konzentrieren, die staatliche Zensur in Ländern wie dem Iran
oder China zu umgehen.
SPRECHERIN So begrüßenswert dies scheint: Wie man sich gegen die Überwachung
durch die heimische NSA schützen kann, spielt dagegen beim OTF
kaum eine Rolle.
SPRECHER Geld bekommt der OTF vom amerikanischen Kongress. Und durch
seine Organisationsstruktur ist der OTF direkt an den US-Präsidenten
gebunden.
SPRECHERIN Andy Müller-Maguhn beobachtet bei von OTF geförderten Projekten
immer wieder, dass auch staatliche Interessen eine Rolle spielen.
Ein Beispiel sei die WhatsApp-Alternative „Signal“.
SPRECHER Signal ist in der Hackerszene von vielen geschätzt, weil Signal - anders
als WhatsApp - immer verschlüsselt.
SPRECHERIN Müller-Maguhn teilt diese Zuneigung nur bedingt: Signal speichere die
Daten seiner Nutzer auf Amazon-Servern. Und seit Signal vom OTF
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gefördert werde, hätte das Thema „anonyme Kommunikation“ bei
dem Unternehmen keine Priorität mehr.
Andy Müller-Maguhn, Wau Holland Stiftung
Eigentlich ein tolles Projekt, hat auch eine relativ solide
Verschlüsselung, beruht aber merkwürdigerweise immer noch darauf,
dass man da seine echte Telefonnummer angibt. Das heißt, dass die
Metadaten der Kommunikation, wer mit wem kommuniziert, immer
noch offen liegen. Und das ist eigentlich vor Jahren schon mal
thematisiert werden. Aber seit dieses Projekt auch über drei Millionen
von diesem OTF Fund bekommen hat, also State Departement-Geld, ist
da keine Rede mehr von.
SPRECHER Es ist jedoch nicht nur der Open Technology Fund, der Projekte in der
Szene finanziert.
SPRECHERIN Besondere Kritik in der Hackerszene ruft die Forschungsagentur des
US-Verteidigungsministeriums hervor: „DARPA“, die „Defense
Advanced Research Project Agency“.
Die Agentur war schon früh einer der wichtigsten Geldgeber der Szene.
Unter anderem finanzierte DARPA tausende Hacker-Treffs, sogenannte
„Hackerspaces“, an amerikanischen Schulen.
SPRECHERIN Szene-Urgestein Mitch Altman.
In der Szene ist der 62-Jährige unter anderem wegen der Erfindung
von „TV-B-Gone“ bekannt: Eine Universalfernbedienung, die jeden
Fernseher ein- und ausschalten kann.
Nach Berlin kommt er mehrmals pro Jahr. Und wie überall gibt er hier
Lötworkshops. Umsonst. Dazu trägt er meist ein grünes T-Shirt. Es zeigt
eine Hand mit einem Lötkolben und verkündet:
SPRECHER „If it smells like chicken, you are doing it wrong“: “
SPRECHERIN Wenn es nach Hühnchen riecht, machst Du was falsch.”
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Mitch Altman (Over Voice)
Altman: for me a hacker is someone who really has a particular, a
particular way of seeing things a way of being. So seeing the world is
full of resources, full of resources…..
(OVER VOICE )
Für mich ist ein Hacker jemand, der überall Ressourcen sieht. Sein Ziel:
Alle diese Ressourcen sind für jedermann verfügbar, um sie für alles
Mögliche zu verwenden, was man sich wünscht, um Projekte zu
verbessern, sie großartiger zu machen, zu sehen, was funktioniert, was
nicht funktioniert, und das dann mit anderen Leuten zu teilen. Das ist
für mich Hacking.
(OVER VOICE)
Würde das auch auf jemanden zutreffen, der für die National Security
Agency arbeitet? Die nutzen ja schließlich auch Ressourcen und hacken
Systeme, indem sie sie auseinander nehmen – eben nur für den Zweck,
der ihnen wichtig ist.
(OVER VOICE )
Nun, sie teilen das nicht, oder?
(OVER VOICE)
Okay... und was ist mit Kriminellen?
(OVER VOICE )
Sie teilen auch nicht, oder?
SPRECHER Ob Hacker nun Kriminelle sind oder nicht – in jedem Fall sind sie
Fachleute, die viel von Computern verstehen.
Unternehmen und vor allem der Staat versuchten von Anfang an,
möglichst viele von ihnen für ihre Zwecke zu vereinnahmen. Mit einem
einfachen, klassischen Rezept: Strafe und Belohnung.
SPRECHERIN Auf der einen Seite droht selbst Jugendlichen für neugieriges
Ausprobieren schon Gefängnis, andererseits winkt für Kooperation mit
den Behörden und Unternehmen Geld. Und zwar viel Geld.
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SPRECHER Mitch Altman erzählt von seinen Erfahrungen im Hackerspace
Noisebridge in San Francisco. Er hatte ihn 1998 mit Mitstreitern
gegründet.
Mitch Altman (OVER VOICE)
The US military has come around. They've tried to recruit people. I have
no idea if people have gone for it or not. That's up to them but
Noisebridge has not accepted money from DARPA. Noisebridge doesn't
accept money from people such as Peter Thiel who wanted to give us
money.
(OVER VOICE)
Das amerikanische Militär kam vorbei. Sie haben versucht, Leute zu
rekrutieren. Ich habe keine Ahnung, ob die Leute sich dafür entschieden
haben oder nicht. Das liegt an ihnen, aber Noisebridge hat kein Geld
von DARPA akzeptiert. Noisebridge akzeptiert auch kein Geld von
Leuten wie Peter Thiel, der uns Geld geben wollte.
SPRECHERIN Peter Thiel, ein in Frankfurt am Main geborener US-amerikanischer
Investor, ist nicht nur Mitbegründer von Paypal, sondern auch von
Palantir Technologies.
Palantir verkauft Überwachungs- und Finanzsoftware. Einer der ersten
Kunden und Investoren war die CIA.
SPRECHER Mitch Altman, das Urgestein der Hackerszene, kommt aus Chicago. In
seiner Jugend gehörte Altmann zu den sogenannten Phone-Freakern,
den Vorläufern der Computer-Hacker. Als es noch keine Computer für
Jedermann gab, geschweige denn das Internet, manipulierten die
jungen „Freaker“ Telefonleitungen – um die Technik zu verstehen.
Aber auch, um umsonst telefonieren zu können.
SPRECHERIN Später setzte sich Altman bei kleinen Start-Up-Unternehmen mit
Gehirnströmen, mit Stimmerkennung und Datenbanken auseinander,
als das noch kaum jemand tat. Vorreitertechnologie - interessant, auch
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für DARPA vom US- Verteidigungsministeriums - zu Altmans
Leidwesen.
Mitch Altman (Over Voice)
So every time when the military has come around in places I've worked,
the people I worked for said yes because their primary thing is making
more profit and…
(OVER VOICE )
Überall, wo ich gearbeitet habe, kam das Militär. Und immer stimmten
die Leute einer Zusammenarbeit zu. Es ging für sie primär um Profit. An
sich ist an Profit nichts falsch. Aber wenn man seine Ethik und das, was
richtig ist, dafür verkauft, ist das absolut inakzeptabel.
Ich musste echt jeden Job kündigen, den ich hatte, weil das passiert ist.
SPRECHER Nicht alle Hacker oder hackernahe Organisationen sind so konsequent.
Ein Beispiel ist das Unternehmen Tor Project aus Seattle.
SPRECHERIN In der Szene ist ein Arbeitsplatz bei Tor sehr beliebt. Die Jobs sind gut
bezahlt, und Tors Verschlüsselungssoftware gilt als „state of the art“.
Auch sehr viele Freiwillige arbeiten dem Non-Profit-Unternehmen zu.
Es stört sie offenbar nicht, dass Tor vom US-Militär entwickelt wurde
und wesentlich von der amerikanischen Regierung finanziert wird: dem
Pentagon, dem Außenministerium und OTF, dem Open Technology
Fund. Es war die US Navy, die Tor entwickelte, um die Kommunikation
von Spionen und Militärs geheim zu halten.
SPRECHER Die Verschlüsselungstechnik war solide. Doch es gab ein strukturelles
Problem: Nutzten nur US-Militärs Tor, wären sie sofort für den Gegner
erkennbar. Also beschloss man, die Software für das breite Publikum
zu öffnen. In der Masse lässt es sich gut verstecken.
SPRECHERIN Der Plan ging auf.
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SPRECHER Heute wird Tor auch von Kriminellen genutzt, um im Darknet
Geschäfte zu machen - genauso wie von politischen Dissidenten wie
Edward Snowden.
SPRECHERIN Der Journalist Yasha Levine hat sich intensiv mit Tor
auseinandergesetzt.
In der Hackerszene ist er nicht besonders beliebt, unter anderem
wegen seiner hin und wieder durchaus provokanten Darstellung der
Sachverhalte.
Yasha Levine (Over Voice)
Imagine you're in the Soviet Union right and you have a dissident who
just got out of jail….. But you just change the KGB to the Navy. (Stimme
oben)
(OVER VOICE)
Stellen Sie sich vor, Sie leben in der Sowjetunion, okay, und da gibt es
diesen Dissidenten. Er ist gerade aus dem Gefängnis entlassen worden.
Und dieser Dissident ist berühmt, und er erzählt Ihnen: Hör’ zu, ich
habe hier diese neue Fax-Technologie mitentwickelt. Und mit dieser
neuen Fax-Technologie kannst Du jetzt faxen, ohne dass die Regierung
es mitlesen kann. Okay, der KGB hat die Entwicklung gesponsert. Aber,
die wissen nicht einmal, was sie da gefördert haben. Die haben keine
Ahnung. Man muss nur den KGB durch die US Navy ersetzen.
SPRECHERIN Dass Tor auch zum Teil eine Bereicherung für die Zivilgesellschaft ist,
streitet Levine nicht ab. Aber er fragt sich, wie weitreichend der Schutz
sein kann, den Tor durch seine Verschlüsselung seinen Nutzern
garantieren will. Und wie selbstständig die Tor-Entwickler letztlich in
ihrer Arbeit sind.
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Yasha Levine (Over Voice)
It's some kind of multilayered national security tool that is kind of
weirdly complex but it's owned and funded entirely by the government.
So you can keep maybe tabs on them and or and you can redirect them
into what essentially like a neutralizing kind of space where they don't
really do anything dangerous. But they feel like they're doing something
dangerous.
(OVER VOICE)
Es ist ein vielschichtiges nationales Sicherheitswerkzeug, das komplex ist.
Am Ende aber gehört es der Regierung und wird vollständig von ihr
finanziert. So können die Aktivisten im Auge behalten werden. und
beschäftigt, sozusagen neutralisiert werden. Indem ihre Energie in einem
Projekt gebunden wird, mit dem sie nicht wirklich etwas für die
Regierung Kritisches oder Gefährliches tun. Trotzdem haben sie das
Gefühl, dass sie das machen.
SPRECHERIN Die Mitarbeiter von Tor sieht Levine fehlgeleitet, gewissermaßen Opfer
staatlicher, aber auch monetärer wie sozialer Manipulation.
Yasha Levine (Over Voice)
I don't think that the majority of people there are, you know, cynically
working for this organization, yet knowing that they're actually
empowering Google or empowering the NSA....
(OVER VOICE)
Ich glaube nicht, dass die Mehrheit der Leute, die dort arbeiten, zynisch
sind, also im vollen Bewusstsein, dass sie Google oder die NSA
unterstützen. Nein, natürlich nicht. Ich denke, dass sie an Tor glauben
wollen. Natürlich bringt es auch Vorteile: Plötzlich bist Du kein Ingenieur,
der nur an einer lahmen Sache für Amazon oder Google arbeitet. Du bist
ein Ingenieur, der die Welt rettet, der Dissidenten, die Menschenrechte
schützt.
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SPRECHER Nicht nur Geheimdienste bedrohen die Privatsphäre der Bürger. Auch
Internetunternehmen wie Google oder Facebook bedrohen sie.
SPRECHERIN Doch genau gegen deren Datensammel- und Analysegeschäft fehlen
Werkzeuge, mit denen sich die Nutzer wirklich effektiv vor dem Abfluss
ihrer persönlichen Daten schützen können. Bewegungsdaten,
Suchanfragen oder auch die aktuelle Stimmungslage angesichts der
Musikplaylist sind alle dienlich für genaue Persönlichkeitsprofile.
SPRECHER Das Problem: Projekte, die sich gegen diese Überwachung und Analyse
durch Internetriesen richten, finden schwer eine Finanzierung, einen
Geldgeber.
Über diese Schwierigkeiten reden möchte im Interview kaum jemand. In
Hintergrundgesprächen wird jedoch immer wieder deutlich: sobald es um
die Entwicklung von wirklich effizienter Verschlüsselung geht oder aber
gegen Google oder Facebook, scheint das Interesse von Geldgebern
gering.
Auch in Europa.
SPRECHERIN 40 Kilometer südwestlich vor der schwedischen Küste, liegt die zu
Dänemark gehörende Insel Bornholm. Grüne Felder, kleine Häuschen. Viel
Meer und viel Wind.
Auf einem Pfadfindergelände gibt es seit ein paar Jahren im August das
Hackercamp „Bornhack“. Ein Mix aus Festival und Konferenz, es wird
gefeiert und gezeltet, den Computer dabei und die Breitbandanbindung
natürlich auch.
Der Kryptologe David Stainton hat gerade einen Vortrag zu den Vor- und
Nachteilen von „gemischten Netzwerken“ gehalten – einer speziellen
Form der Verschlüsselung. Wasserdicht funktioniert auch sie allerdings
noch nicht.
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David Stainton, Center for Cultivation of Technology (Over Voice)
I think cryptographers have essentially failed us. We don't have a secure
messaging system of any kind. Right now it's true ...
(OVER VOICE)
Die Kryptographen haben uns im Stich gelassen. Wir haben kein sicheres
Nachrichtensystem. Messengerdienste wie WhatApp oder die WhatsApp-
Alternative Signal schützen zwar die Vertraulichkeit von Nachrichten. Aber
das ist kein sicheres Verschicken, denn solche Systeme veröffentlichen eine
Menge Metadaten. Und das ist sehr ernst.
SPRECHERIN Stainton arbeitet für das Center for Cultivation of Technology. Hauptsitz ist
Berlin. Metadaten bereiten ihm und seinen Kollegen großes
Kopfzerbrechen.
SPRECHER Denn Metadaten sind Verbindungsdaten. Das heißt: Auch wenn
Chatnachrichten oder E-Mails selbst verschlüsselt sind, können aus diesen
Daten soziale Profile erstellt werden: wer hat wann, mit wem, wie häufig
und von wo aus kommuniziert? Die Profile sind die Basis für erfolgreiches
Marketing; und für die Kontrolle von Andersdenkenden, oder anders
Lebenden - politische Überzeugungen, sexuelle oder religiöse Präferenzen –
aus den Metadaten lassen sich unzählige Informationen gewinnen.
SPRECHERIN Verantwortlich, sagt David Stainton, seien für diese Situation allerdings
nicht nur die Kryptologen. Ein Problem seien auch die Geldgeber.
Wie andere sieht auch Stainton den amerikanischen Open Technology Fund
kritisch.
SPRECHER Stainton und seine Kollegen bevorzugen deshalb europäische
Geldgeber. Hier habe man noch keine negativen Erfahrungen mit
inhaltlichen Vorgaben gemacht.
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SPRECHERIN Seine Organisation wird unter anderem von der Renewable Freedom
Foundation gefördert, einer privaten Stiftung aus Ingolstadt, gegründet
vom Verleger Georg Schäff.
SPRECHER Die Renewable Freedom Foundation ist weitgehend unbekannt. Und doch
ist sie eine der wenigen europäischen Stiftungen, die Themen wie
Meinungsfreiheit und Verschlüsselung im Netz fördern. Alternativen zu
amerikanischem Geld sind rar.
SPRECHERIN Das Mozilla-Büro in Berlin.
SPRECHER Mozilla ist eine US-amerikanische Non-Profit-Organisation aus Kalifornien.
Sie setzt sich für die Verbreitung von Freien-Software-Programmen ein. Am
bekanntesten ist Firefox, eine Alternative zu Googles Internetbrowser
Chrome.
SPRECHERIN Im Berliner Stadtteil Kreuzberg hat Mozilla ein schickes Loft in einer alten
Fabrik bezogen, mit Backsteinwänden, gläsernen Konferenzräumen und
Schokobonbons am Empfang.
SPRECHER Die Programmiererin Julia Kloiber ist hier Stipendiatin, eine kleine Frau mit
großer Brille und Kurzhaarschnitt. Bevor sie mit Mozilla
zusammengearbeitet hat, hat Julia Kloiber mit anderen Hackern den
Prototype-Fund gegründet. Er wird vom Bundesforschungsministerium
gefördert. Ihre Motivation entstand aus eigener schmerzlicher Erfahrung,
unabhängige Forschungsgelder für Projekte zu bekommen.
Julia Kloiber, Mozilla-Foundation
Es ist sehr schwierig als Einzelperson als kleines Team, das eine gute
Idee hat an Fördergelder zu kommen, vor allem von Ministerien. Also
man passt da überhaupt nicht in die Förderkataloge rein, man muss ein
Verein oder eine Firma sein um sich auf Fördergelder bewerben zu
können.
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SPRECHER Der Prototype-Fund will nun diese Lücke füllen. Für Kloiber und ihre
Mitstreiter hat eine von politischen Vorgaben unabhängige Förderung
oberste Priorität. In Deutschland sei das allerdings keine so große
Herausforderung wie zum Beispiel in den USA beim Open Technology
Fund, meint die Programmiererin.
Julia Kloiber, Mozilla-Foundation
Also OTF ist ja vom amerikanischen Außenministerium und da ist
bestimmt eine Agenda dahinter nämlich Meinungsfreiheit auf der
ganzen Welt zu fördern und ja, vielleicht dann auch Regime zu
unterlaufen oder Oppositionen zu fördern und zu unterstützen. In
Deutschland ist es dann doch wenn man sich die Ministerien anguckt
nicht so stark mit einer politischen Agenda versehen. Zumindest für das
BMBF kann ich das ganz klar sagen. Es sind wirklich Themen, wo man
sich anguckt, was ist denn gerade relevant für die Forschung. Klar, eine
Organisation, die Gelder vergibt, hat natürlich immer ein Ziel und ein
Interesse. Alles andere wäre ja auch ziellos. Und dann muss man
gucken, ob sich die vereinbaren lassen, die Interessen, ob die
aufeinander passen.
SPRECHER Doch so ganz kann man sich das nicht immer aussuchen.
Kloiber selbst hat sich mit einem Projekt in der Vergangenheit auch
von Google fördern lassen. Für viele in der Hackerszene ein No-Go.
Die Entscheidung ist ihr und ihrem Team deshalb nicht leicht gefallen.
Doch es war klar: außer Google gab es damals keine andere
Möglichkeit, das Projekt in Deutschland zu finanzieren.
Julia Kloiber, Mozilla-Foundation
So haben wir das eine Projekt gestartet und dann über die Jahre wurde
es aber von der Bundeszentrale für politische Bildung finanziert und
auch über das Wissenschaftsjahr. Das heißt: manchmal braucht man
Gelder um etwas zu starten und dann kommen die großen Förderer
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oder staatliche Organisationen weil dieses Thema dann erst in deren
Förderkatalogen auftaucht.
SPRECHERIN Dass auch die deutsche Hackerszene so abhängig ist von US-Geld, erschwert
nicht nur Innovation und Entwicklung.
SPRECHER Es ist auch ein Problem für die Zivilgesellschaft. Sie braucht die Hacker als
unabhängige Berater. Wo es kein unabhängiges Wissen gibt, ist eine
angemessene Kontrolle der Regierung oder der Unternehmen kaum möglich.
SPRECHERIN Wie schwierig es sein kann, in Deutschland Förderer für kritische Projekte der
digitalen Zivilgesellschaft zu finden, weiß auch Markus Beckedahl,
Chefredakteur von Netzpolitik.org. - eine Nachrichtenseite zu Themen wie
digitalen Freiheitsrechten und Überwachung.
Markus Beckedahl, Netzpolitik.org
Es gibt Teile der digitalen Zivilgesellschaft in Deutschland, die keine andere
Chance in der Vergangenheit hatten, gute Ideen zu realisieren ohne Geld von
Google zu nehmen und die dann natürlich Geld von Google genommen haben,
weil sonst ihre Arbeit nicht möglich gewesen wäre, die ihnen aber seitdem
auch so ein Bias-Stempel dranhängt, dass wenn man sich mit Google ins Bett
gesetzt hat immer irgendwie auch an Google dranhängt. Und das ist ein
ziemliches Problem.
SPRECHER Beckedahl ist einer der bekanntesten netzpolitischen Aktivisten Deutschlands.
SPRECHERIN International bekannt wurde er 2015 durch Ermittlungen der
Generalbundesanwaltschaft wegen Landesverrats. Netzpolitik hatte ein
geheimes Dokument des Verfassungsschutzes veröffentlicht. Die Ermittlungen
wurden nach bundesweiten Protesten eingestellt, der verantwortliche
Generalbundesanwalt verlor sein Amt.
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SPRECHER Was Fördergelder angeht, hat Unabhängigkeit für Netzpolitik Priorität. So hat
sich das Online-Medium gegen Geld von Google entschieden. Eine
Entscheidung, die dem Medium zwar Respekt gebracht hat, aber auch einen
deutlichen Wettbewerbsnachteil.
Markus Beckedahl, Netzpolitik.org
Also ein Beispiel ist die Google News Initiative. Google verteilt auf 150
Millionen an journalistische Medien in Europa ein großer Teil davon geht an
Deutschland und wir hätten sicherlich auch gute Chancen eine halbe Million
Euro zum Beispiel zu beantragen bewilligt zu bekommen um damit unsere
technischen Infrastrukturen mal richtig ausbauen zu können.
Eine halbe Million könnten wir vielleicht sieben bis zehn Entwickler ein ganzes
Jahr lang entwickeln lassen. Stattdessen haben wir eigentlich nur eine
Halbtagsstelle für technische Entwicklungen die zugleich Administrationen ist,
die wir aus unseren Spendengeldern finanzieren.
SPRECHERIN In Deutschland gebe es zu wenige Stiftungen, die sich mit dem Thema der
digitalen Zivilgesellschaft beschäftigen, moniert Beckedahl. Ein riesiges
Innovationspotential liege brach.
SPRECHER Schon die Zahlen verdeutlichen das Problem. Während der US-amerikanische
Open Technology Fund in 2017 8,4 Millionen Dollar Budget zur Verfügung
hatte, hat der Prototype-Fund seit seiner Gründung vor drei Jahren rund 3
Millionen Euro für Projekte vergeben können. Dazu kommt: die geförderten
Projekte erhalten nur eine Unterstützung von maximal 47.500 Euro. Beim
Open Technology Fund sind es maximal 900.000 Dollar.
SPRECHERIN Schwere Zeiten für idealistische Computer-Aktivisten. Und volle Fleischtöpfe
für all jene, für die die alte Hackerethik nichts gilt. Diese einseitige Förderung
ist ein Problem - nicht nur für die Hackerszene. Denn eine freie Gesellschaft
braucht Hacker als unabhängige Erfinder und Berater. Und nicht bezahlt vom
Pentagon.
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Zur Verfügung gestellt vom NDR Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf nur für private Zwecke des
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