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Vereine
AusgAbe 05 / 06-2013 49
Ein Grossteil der lokalen Bevölkerung
war bestürzt, als am 1. April 2011 das
40 m hohe, prägnante Backsteinka-
min der ehemaligen Färberei in
Oberuzwil /SG gesprengt wurde. Es
musste genauso wie die übrigen Ge-
bäulichkeiten einer Wohnüberbau-
ung weichen. Man wollte seinerzeit
den Schornstein, das Wahrzeichen
Oberuzwils, nicht als erhaltenswert
registrieren lassen.
Begonnen hatte alles, als die
Firma Heer + Co. 1838 von Thal nach
Oberuzwil übersiedelte und sich an
den Gestaden der Uze prächtig entwi-
ckelte. 1920 wurden 450 Mitarbeiter
beschäftigt. In den Jahren vor dem 2.
Weltkrieges wollte sich der Französi-
sche Textilkonzern DMC eine sichere
Produktionsstätte sichern und kaufte
den Betrieb. Später in Friedenszeiten
verloren die Franzosen trotz massiven
Investitionen leider immer mehr ihr
Interesse am Schweizer Standort; die
intakte Firma drohte geschlossen zu
werden. 1987 schliesslich erwarb das
Unternehmen Johann Müller in Stren-
gelbach die Färberei als Standbein in
der Ostschweiz und firmierte unter
dem Namen HC Färberei Oberuzwil.
Die Übernahme wurde vom lang-
jährigen Betriebsleiter, Frank Melmuka
mitinitiiert. Frank Melmuka, damals
auch SVTC-Mitglied, war die «gute
Seele» der Unternehmung und hat wäh-
rend 42 Jahren an den Geschicken der
Fabrik mitgearbeitet, davon 32 Jahre
als Betriebsleiter.
Er absolvierte zuerst ein Studium
als Textilveredler in Wien, praktizierte
in verschiedenen Ausrüstbetrieben in
Österreich, Australien und der Schweiz.
Nach einem Abstecher zur Firma Abegg
in Horgen suchte er nach kurzer Zeit
eine grössere Herausforderung, die er
ab 1.5.1969 als Betriebsleiter bei Heer +
Co. in Oberuzwil fand.
Es war die Zeit, als den Textilver-
edlungsbetrieben noch keine grossen
Auflagen gemacht wurden, je nach ge-
färbter Partie kam damals die Uze in
den verschiedensten Farben daher ge-
flossen… Das war denn auch für Herr
Melmuka eine gewaltige Herausforde-
rung, diesen ökologischen Missstand
zu beheben. Nachdem das Unterneh-
men auch eine Mercerisation betrieb,
konnte man ein ausgeklügeltes System
zur Neutralisation der anfallenden
stark alkalischen Abwässer mit Rauch-
gas umsetzen. Während 32 Jahren war
Herr Melmuka dem Betrieb in Oberuz-
wil ein umsichtiger Leiter und den Mit-
arbeiterInnen ein fairer und menschli-
cher Chef.
Nach der Übernahme durch die J.
Müller – es zeichnete sich damals
schon ab, dass viele Kunden planten,
sich im kostengünstigeren Ausland
einzudecken – war man gezwungen,
auf Spezialitäten auszuweichen und
zu innovieren. Zwar färbte man wei-
terhin im Lohn für die (Ost)Schweizer
Webereien und bediente die Ost-
schweizer und Vorarlberger Stickerei-
industrie. Das allein aber genügte
nicht mehr. So entwickelte man Spezi-
alitäten wie Rückholfäden für Ladies
Tampons, forcierte das bereits für die
Marken «Heer» und «DMC» vorhandene
Wissen im Bereich Handstick- und
Handstrickgarne und mercerisierte
über viele Jahre Baumwollzwirne in
sehr unterschiedlichen Partiengrös-
sen für eine anspruchsvolle Kund-
schaft. So blühte während längerer
Zeit der Export. Man exportierte nach
Deutschland, Frankreich, Österreich
und Grossbritannien, ja selbst in Israel
und Dänemark hatte man Abnehmer
für Spezialitäten.
Mit dem weiteren Niedergang der
Textilindustrie und dem Mangel an
Kunden verlor man dann gezwunge-
nermassen das Interesse an Investitio-
nen und schloss schliesslich auf die
Betriebsferien 2000 die Produktions-
stätte.
Unter Leitung von Frank Mel-
muka wurden die Gebäulichkeiten
noch einige Jahre als Gewerbe- und
Lagerräume vermietet, bis zum gro-
ssen Klapf am 1.4.2011! In Spitzenzei-
ten waren bis zu 60 (!) Mietverträge
aktiv. Herr Melmuka fand dank seines
Bekanntheitsgrades immer meistens
gute Mieter. Auch war er während 8
Jahren für die Gemeinde Oberuzwil in
der GPK tätig.
Senioren flaSh: frank MelMukaunter dieser rubrik wird Piero Buchli verflossenen Textilunternehmungen nachspüren und auch berichten, was heute aus ihnen geworden ist.
Frank Melmuka
50 AusgAbe 05 / 06-2013
Heute nach seiner Pensionierung ge-
niesst es Herr Melmuka, dass er in
seinem inzwischen geliebten Oberu-
zwil eine schöne Wohnung gefunden
hat, nachdem er seit seiner Ankunft
im Dorf das firmeneigene Haus im
Betriebsgelände bezogen, und dabei
die Vor- und Nachteile eines identi-
schen Wohn- und Arbeitsortes ken-
nen gelernt hatte. Auch freut es ihn,
dass er damit seine Freunde und Be-
kannten weiterhin in allernächster
Nähe weiss.
Herr Melmuka hält sich mit sport-
lichen Betätigungen fit, Velofahren,
Schwimmen, Wandern, und er achtet
Der Backsteinkamin der ehemaligen Färberei in Oberuzwil /SG.
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auf gesunde Ernährung. Von Zeit zu
Zeit unternimmt er mit seiner Frau
auch eine grössere Reise.
Alle vorhandenen Unterlagen
über das Unternehmen hat Herr Mel-
muka übrigens dem Ortsmuseum
Oberuzwil anvertraut, wo viel Interes-
santes über Oberuzwil und die Färberei
zu erfahren ist.
Ortsmuseum Oberuzwil,
Wiler strasse 22, 9242 Oberuzwil,
Okt. – März 2. Sonntag im Monat,
14–16 Uhr, übrige Zeit nach Vereinba-
rung. ■