7
Serie: Aus Oberfranken – für die Welt 6 Foto: Dr. Schneider

Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

  • Upload
    others

  • View
    0

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

Serie: Aus Oberfranken – für die Welt

6 Foto: Dr. Schneider

Page 2: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

WIRTSCHAFT

Das Auto zum besten Ort der Welt machen – Wie zwei Schwestern einen Global Player führen

Text von Cornelia Masel-HuthFotos von Monika Limmer

Die Dr. Schneider Unternehmensgruppe ist einer der 600 Hidden Champions in Oberfranken. Das Familienunternehmen mit Stammsitz in Kronach-

Neuses ist jedoch nicht irgendeiner unter den zahlreichen Automobilzulieferern in der Region, sondern der Welt-marktführer bei Belüftungssystemen und Fensterrahmen-verkleidungen. Dr. Schneider stellt außerdem hochinteg-rierte Innenraumverkleidungen und ästhetisch wie funktional anspruchsvolle Module für Instrumententafeln

und Mittelkonsolen her. Zum Kundenkreis gehören u. a. Audi, BMW, Ferrari, Fiat Chrysler, Ford, Jaguar/Land Ro-ver, Lamborghini, Maserati, Mercedes-Benz, Opel, Peu-geot, Porsche, Renault, Rolls-Royce, Toyota, Volkswagen und Volvo. Die Geschicke des Unternehmens lenken zwei Schwestern: die Gesellschafterinnen Annette Schnei-der und Sylvia Schmidt. Anlässlich des im Hebst anste-henden 90jährigen Firmenjubiläums haben die beiden mit ECHT Oberfranken ein Gespräch geführt.

7

Page 3: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

Sie sind die Enkelinnen von Franz Schneider, Dr. Franz Schneider war ihr Vater. Anette Schneider und Sylvia Schmidt sind die Gesellschafterinnen der Dr. Schneider Unternehmensgrup-pe mit Hauptsitz in Kronach-Neuses. Im Gegensatz zu manch anderem Ge-sellschafter sind die beiden Schwestern täglich am Stammsitz vor Ort, kennen viele der Mitarbeiter persönlich. An-sonsten eher pressescheu, haben die Inhaberinnen des Hidden Champions anlässlich des im Herbst anstehenden Firmenjubiläums mit ECHT Oberfran-ken gesprochen.

Weil beide Frauen ganz offensichtlich ein harmonisches und gut eingespieltes Zweierteam sind, haben wir einige der Antworten unter „Beide“ zusammenge-fasst.

Frau Schneider, Frau Schmidt, erzäh-len Sie uns etwas zu Ihrem berufli-chen Background. War es Ihr Wunsch, das Unternehmen zu übernehmen oder hätten Sie als Jugendliche gerne etwas anderes gemacht?

Annette Schneider: Ich habe nach dem Abitur Betriebswirtschaft (BWL) an der

Uni Bayreuth studiert. Danach bin ich 1990 sofort ins Unternehmen eingestie-gen. Ich erinnere mich noch genau, es war an meinem 25. Geburtstag.

Sylvia Schmidt: Ich habe ebenfalls BWL studiert, an der Hochschule Coburg. Natürlich hat man als Kind so Berufs-wünsche, als Sechsjährige wollte ich Stewardess werden. Aber wir sind mit dem Unternehmen aufgewachsen, ha-ben das vorgelebt bekommen, und so war für uns beide klar, dass wir die Fir-ma weiterführen werden.

Gleich zu Beginn Ihres Arbeitslebens haben sich neue Chancen aufgetan. 1989 fiel die Mauer, die Grenzen, die den Landkreis Kronach von drei Seiten her einengten, gab es nicht mehr …

Beide: Ja, die Grenzöffnung war ein Se-gen für uns. Wir haben zwar vorher schon expandiert, aber eine weitere Ex-pansion stand an. Deshalb haben wir 1991 das Werk in Judenbach, Thürin-gen gegründet.

Ein erfolgreiches Duo: Die Inhaberinnen des Automobilzulieferers Sylvia Schmidt (links) und Annette Schneider lenken die Geschicke des Familienunternehmens.

8 ECHT Oberfranken

Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen. Der gelernte Werkzeugmacher ist seit zehn Jahren im Unternehmen und hat sich hochgearbeitet zum Gesamtbetriebsleiter.

Page 4: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

Silvia Brauer hat eine höchst verantwortungsvolle Aufgabe:

Über einen Monitor erfährt sie direkt vom Kunden,

welches Teil für das bestellte individualisierte Fahrzeug

gerade benötigt wird. Just in Sequence ist längst Standard.

Manuela Caspari muss die Teile mit Verblendungen ebenfalls mit

Glacé-Handschuhen anfassen.Früher aus Chrom, werden sie

heute aus Umweltgründen häufig als Folie aufgetragen.

Dafür entwickelt Dr. Schneider ständig neue Verfahren.

Oben rechts: Johannes Humbert trägt Handschuhe beim Verpacken dieser Fensterrahmen für den Audi A3. Die Oberfläche – dafür ist

Dr. Schneider Spezialist – darf nicht beschädigt werden.

Seit den 1990ern schreitet die Globa-lisierung der Welt immer schneller voran. Sie halten eisern am Stammsitz in Oberfranken fest …

Annette Schneider: Wir leben hier im Landkreis Kronach, hier ist unsere Hei-mat, die uns immer wieder begeistert: die wunderschöne Landschaft, die kul-turellen und sportlichen Möglichkei-ten, die vielen Attraktionen, die oft nur eine Stunde entfernt sind.

Sylvia Schmidt: Ja, wir haben unsere Wurzeln hier. Ich bin nie auf die Idee gekommen, in eine Großstadt zu zie-hen. Wir leben, wohnen und arbeiten hier, kommen immer wieder gerne nach Hause.

Beide: Es macht uns als Familienunter-nehmen aus, dass wir hier sehr nah am Ort des Geschehens sind, Entscheidun-gen können so viel direkter getroffen werden. Wir sind täglich hier, gehen oft durch die Produktion, sind auch für die

Von links: Timo Schirmer, Franziska Grünbeck und der Leiter des Vorrichtungsbau Steven Herpichböhm. Bei Bedarf kann Dr. Schneider alle Werkzeuge selbst herstellen. Es gilt das Null-Fehler-Prinzip.

Page 5: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

Historisches

Schon im Jahr 1936 entschloss sich Firmengründer Franz Schneider sen. seinem bis dato in der Zigarren-Herstellung florierenden Unternehmen ein zweites Standbein zu geben. Mundstücke für Zigarren waren. der Start der Kunststofffertigung.

Dr. Franz Schneider erkannte sehr schnell die Herausforderung, aber auch die Chancen der Digitalisie-rung und revolutionierte die Produktion des Unternehmens.

Produktion 1974.

Alte Presserei 1936.

Das Stammwerk in Kronach-Neuses 1959.

Zwei ganz Wichtige: Jörg Köstner, Herr über das globale Gebäudemanagement,und Bernhard Mattes, Produktionsleiter der chinesischen Niederlssung. Industrie 4.0 hat bei D. Schneider längt Einzug gehalten. Dank der Gleichheit der globalen Systeme kann sich Köstner auch ohne chinesische Sprachkenntnis-se mit den asiatischen Kollegen austauschen und Störungen in der Produktion sofort beheben. Bernhard Mattes gefällt es nach anfänglchem Zögern so gut in China, dass er dafür eine Fernbeziehung in Kauf nimmt.

David Kramer und Dimitirij Fiz beim Dauertest. Alle Teile müssen einem Crahtest unterzogen werden, sie müssen Erschütterungen aushalten, extreme Temperaturunterschiede oder auch Sand- und Staubeinwirkungen.

Produktion 1981.

Page 6: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

Mitarbeiter ansprechbar. Übrigens Mit-arbeiter: Die Menschen hier in Ober-franken sind bodenständig und sehr verlässlich. Viele sind schon sehr lange hier beschäftigt, mit manchen sind wir aufgewachsen. Sie identifizieren sich mit der Firma. Der enge Zusammenhalt der Menschen ist ein großer Vorteil ländlicher Regionen.

2001 haben Sie das Unternehmen über- nommen, seit längerem arbeiten Sie mit Fremdgechäftsführern. Wie kann man sich diese Arbeitsteilung vorstellen?

Beide: Es liegt uns am Herzen, über die Entwicklung des Unternehmens mitzu-entscheiden. Wir legen die Eckpfosten für die Unternehmensziele fest. Und wir kontrollieren natürlich die Ergeb-nisse. Mit den Geschäftsführern, die diese Ziele ausarbeiten und umsetzen, sind wir natürlich in engem Kontakt. Und wir orientieren uns gerne an den vielen jungen Mitarbeitern – der Alters-durchschnitt am Standort Kronach ist 40 Jahre. Sie halten uns auf dem Stand der Technik, insbesondere der IT.

Der demografische Wandel und die nächste Stufe der Digitalisierung, Stichwort „Industrie 4.0“ sind für die Unternehmen in Oberfranken die Themen mit der höchsten Priorität. Wie stellt sich Dr. Schneider darauf ein?

Beide: Das sind in der Tat große Her-ausforderungen. Wir dürfen sie nur nicht zum Problem werden lassen. Und

wir versuchen, uns rechtzeitig darauf einzustellen und entgegenzuwirken.

Annette Schneider: In Sachen demo-grafischer Wandel wird ja auf vielen Ebenen dagegen gehalten. Gerade hier in Stadt und Landkreis Kronach. Hier ist z. B. der Sitz des Demografie-Kompe-tenzzentrums. Wir selbst versuchen möglichst viele „Eigengewächse“ her-anzubilden. Augenblicklich bilden wir 144 Auszubildende in 14 verschiede-nen Berufen aus. Obwohl wir einer der größten Ausbilder hier sind, bekommen wir mehr Bewerbungen als Plätze zur Verfügung stehen.

Sylvia Schmidt: Außerdem bieten wir vier verschiedene Möglichkeiten des dualen Studiums an und wir arbeiten sehr eng mit den Hochschulen in Hof, Coburg und Ilmenau zusammen. Schon während des Studiums soll eine gewis-se Bindung an das Unternehmen ent-stehen. Und wir bieten unseren Mitar-beitern sehr viel Internationalität. Schon während der Ausbildung können junge Leute an unseren weltweiten Standorten Erfahrungen sammeln.

Im neuen F+E-Zentrum (Forschung und Entwicklung). Für jeden der großen Automobilkunden gibt es eine eigene Abteilung – mit ausreichend Besprechungsräumen, aber auch mit Café-Lounges und Kreativräumen zum inspirerenden Miteinander. Auf dem Foto von links: Jürgn Toeffels, Mario Küfner, Heiko Puff, Leiter der Produktentwicklung für die VW-Gruppe, Christian Brauer. Puff hat sich ebenfalls vom Werkeugmacher hochgearbeitet. Die meisten der Entwickler sind um oder unter 30. Da musste sich Puff schon an den neuen, offenen Ton gewöhnen. Er hätte gerne mehr Frauen im Team. Sie wirken nach seiner Erfahrung sozial sehr ausgleichend.

Stefan Wich und Marco Kotschenreuther im Werkzeugbau. Hier werden auch Notfälle simuliert, damit die Produktion im Eventualfall ungestört weiter laufen kann.

Page 7: Serie: Aus Oberfranken – für die Welt · 2019. 11. 4. · 8 ECHT Oberfranken Wolfgang Beer hat das Kunststoffgranulat in Händen, aus dem alle Dr. Schneider-Produkte entstehen

12 ECHT Oberfranken

WIRTSCHAFT

Und das Thema „Industrie 4.0.“? Weiteres Stichwort „autonomes Fahren“?

Beide: Dr. Schneider hat schon zu Be-ginn der Digitalisierung in den 90ern seine Produktion revolutioniert. Der Wandel geht allerdings immer schnel-ler. Ob das autonome Fahren bereits in fünf oder erst in 15 Jahren kommt, das wissen wir nicht. Aber es wird kommen. Diese Zukunft wollen wir bewusst mitgestalten. Am Standort Kronach-Neuses und in Polen sind rund 220 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung tätig. So können wir bei den Trends der Zukunft von An-fang an dabei sein. Beim autonomen Fahren wird sehr viel mehr Wert ge-legt werden auf den Innenraum, er wird nicht mehr nur Fahrgastraum sein, sondern zum Lebensraum wer-den. Das stellt ganz neue Anforderun-gen an Funktionalität und Design. Bei dieser Neugestaltung ist Dr. Schnei-der gut dabei. Wir arbeiten da sehr eng mit unseren Kunden, den großen Automobilmarken, zusammen, wer-den immer mehr zu deren Entwick-

lungspartner. Dazu arbeiten wir auch mit externen Designern zusammen und haben eine eigene Ideenfabrik ins Leben gerufen. Hier sind derzeit 30 kreative Querdenker losgelöst vom Alltagsgeschäft aufgefordert, „herum-zuspinnen“.

Für all diese Entwicklungen haben wir unsere vorher schon praktizierte Unter-nehmensvision 2016 fixiert: Wir sind ein international erfolgreiches Famili-enunternehmen, dessen Herzstück loy-ale Mitarbeiter sind. Mit ihnen gemein-sam machen wir das Auto zum besten Ort der Welt.

Gibt es auch etwas zu kritteln am Standort Kronach-Neuses/Oberfran-ken?

Annette Schneider: Eine bessere Stra-ßen-, aber auch Bahnanbindung wäre schön, aber, naja …

Sylvia Schneider: Förderung lenkt Din-ge, deshalb ist es schade, dass es in Hof Förderung gibt und in Kronach nicht. Aber das ist kein ausschlaggebender Punkt.

Beide: Wir halten am Stammsitz am Standort Kronach-Neuses fest. Die Vor-teile überwiegen allemal – damit sind wir gut gefahren!

Das Interview führte Cornelia Masel-Huth. n

Dr. Schneider

• Die Unternehmensgruppe mit fünf Tochtergesellschaften ist in neun Länder tätig. • Die eigenen Produktionsstandorte sind in Kronach-Neuses, Judenbach, Tschirn,

in Radomierz (Polen) und Valencia (Spanien), in Russell Springs (Kentucky/USA) und Liaoyang (China).

• Dr. Schneider beschäftigt weltweit mehr als 3.900 Mitarbeiter (+ 8 Prozent im Vergleich zu 2015). Davon sind 45 Prozent in Deutschland tätig.

• Die Unternehmensgruppe erzielte im Geschäftsjahr 2016 eine Leistung von knapp 500 Millionen Euro.

• Im laufenden Geschäftsjahr erwartet Dr. Schneider eine Umsatzsteigerung von 11 Prozent auf ca. 555 Millionen Euro. Im Planungszeitraum bis 2020 soll jeweils ein Plus von durchschnittlich 6 Prozent erreicht werden.

• Der Automobilzulieferer investierte im vergangenen Jahr rund 33,6 Millionen Euro. 2017 sollen rund 60 Millionen in die Standorte fließen.

• Am Unternehmenssitz in Kronach-Neuses und in Polen sind rund 220 Mitarbeiter in der Forschung und Entwicklung tätig.

• Zum Bilanzstichtag bildet das Unternehmen 100 Auszubildende in 14 Berufen aus. Die Übernahmequote lag 2015 bei 85 Prozent. Insgesamt sind es aktuell 141 junge Leute, die bei Dr. Schneider über alle Lehrjahre hinweg einen Beruf erlernen.

Der Firmensitz in Konach-Neuses 2016. Erweiterungen stoßen an ihre Grenzen. Zuletzt wurde eine Mensa und das neue Forschungs- und Entwicklungszentrum gebaut. Das Gebäude für die Marke-tingfachleute und den Verkuf soll zum Jubiäum eingeweiht werden.