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JULI 07/2012 EUR 3,90 EINFACH . GUT . LEBEN 2 2 So ein schöner Sommer Nymphen im Teich Wenn die Seerosen erblühen Im Namen der Gams Der Bartbinder von Mittenwald HEILKRÄFTIGE STEINE & KOCHEN MIT ROSEN & DIE SAGE VOM KÖNIG WATZMANN & OBERBAYERISCHE PORZELLANKUNST & FALKNEREI Starnberger Fischerstechen & Zu Gast im Nördlinger Ries & Oberfränkische Korbflechtkunst > in Stadt & Land & 07/2012

Servus in Stadt & Land - Bayern 07/2012

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Servus in Stadt & Land - Vorschau auf die Ausgabe Bayern 07/2012

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Page 1: Servus in Stadt & Land - Bayern 07/2012

Juli 07/2012

EuR 3,90

E i n f a c h . G u t . L E b E n 22

So ein schöner Sommer

Nymphen im TeichWenn die Seerosen erblühen

Im Namen der Gams Der Bartbinder von Mittenwald

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Starnberger Fischerstechen & Zu Gast im Nördlinger Ries & Oberfränkische Korbflechtkunst >

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12 Nymphen im TeichDie zarten Farben der Seerosen lassen Seen und Teiche erblühen.

22 Leben am WasserZu Besuch in einem wildromanti-schen Garten in Rittershof.

30 Steinzeit im GartenTrockensteinmauern als Lebensräume.

34 Selbst gebautEin Grill aus alten Ziegeln.

128 Der wilde FalkZwischen dem mutigen Flugakroba-ten und dem Menschen besteht eine jahrtausendealte Verbindung.

Natur & Garten 44 Spröde Schönheit

Die Artischocke ist eine Mimose und zart im Geschmack.

48 So schmeckt der SommerEin lauschiges Platzerl, liebe Freunde und was Gutes zum Essen.

56 Aus Omas KochbuchBayerische Hauberlinge.

58 Frisch vom FeuerWir bauen einen Ofen und räuchern die Fische direkt am Bach.

60 Mit einer Prise RosenduftFünf Rezepte, bei denen die Liebe garantiert durch den Magen geht.

Küche 68 Ein Bauernhaus im Allgäu

In Bolsterlang hat das Ehepaar Strauß ein denkmalgeschütztes Haus liebevoll hergerichtet.

74 FundstückWie ein ausrangierter Kummet zu einem dekorativen Spiegel wird.

76 Tanz der LichterSo zaubert man mit Stoffresten, Gräsern und Fantasie hübsche Lichtreflexe in den Garten.

80 Blühende KronenKinder basteln Blumenkranzerl.

Wohnen

Juli 2012Inhalt

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86 Von leichter HandIm oberbayerischen Miesbach bemalt Rosi Wilfert kunstvoll Porzellan.

102 Beim Barte der GamsHans Schober aus Mittenwald ist einer der besten Wildbartbinder des Alpenraumes.

108 Ursprüngliches GeflechtThomas Backof flicht in Hallerndorf noch Körbe wie vor 400 Jahren.

112 Vom Leben auf der AlmWie Servus-Fotografin Maren Krings der Hektik der Großstadt entfloh.

134 Das Nördlinger RiesAn der Grenze zu Württemberg gibt es paradiesische Ecken zu entdecken.

Land & Leute 18 Mit der Energie der Erde

Seit der Antike verspricht man sich Schutz und Gesundheit von Steinen und Kristallen.

90 Auf Biegen und Stechen

Das Starnberger Fischerstechen ist eine Riesengaudi. Dahinter stecken eine alte Tradition und viel Weisheit vom Leben.

122 DachwacheIn Triftern werden tönerne First- figuren modelliert. Ein Brauch, der auf antike Schutzfiguren zurückgeht.

158 Leben in alten ZeitenSchon die alten Römer schätzten die Gaumenfreuden auf bayerischen Almen.

Brauchtum

5 Editorial 10 Servus daheim 28 Schönes für draußen 36 Der Garten-Philosoph 38 Gartenpflege, Mondkalender 42 Natur-Apotheke: Buchweizen 66 Schönes für die Küche 84 Schönes für daheim 98 Michael Köhlmeier: Der Watzmann 146 Gutes vom Bauern 148 Werner Schneyder: Der alte Mann und der See 152 ServusTV: Sehenswertes im Juli 156 Feste, Märkte, Veranstaltungen 162 Impressum, Ausblick

Coverfoto: Peter von Felbert, Fischunkelalm am Obersee

Standards

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Nymphen im TeichIhre zarten Farben lassen große und kleine Gewässer erblühen. Und wenn sie nicht grad Ungeheuer im Bodensee besänftigen, dann sorgen die Seerosen nebenbei für gutes Klima im Teich.

Redaktion: Veronika Schubert

natur & Garten

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uch wenn sie botanisch mit der echten Rose gar nicht näher verwandt ist: An Mystik, Symbolkraft und vor allem an Schönheit kann sie es mit der Königin der Blumen locker aufnehmen. Vor 4.000 Jahren wurde die Seerose, die wir im Volksmund auch gern Wasserlilie nennen, schon gemalt. Damals von den alten Ägyptern, denen sie als Sinnbild der Wiedergeburt, aber auch als Todesblume, die dem Jenseits-Gott Osiris zugeordnet war, galt.

Und es waren die Nymphen, diese bezau-bernden weiblichen Naturgeister, die der Seerose ihren lateinischen Namen gaben: Nymphaea. Womit wir mitten in der griechi-schen Mythologie wären: Dort blieb die Liebe einer Wassernymphe zum Helden Herakles, dem Sohn des Göttervaters Zeus und Schützling der Athene, unerwidert. Die schöne Nymphe starb an gebrochenem Herzen, kehrte aber als Seerose wieder auf die Welt zurück. Geblieben ist ihr nur der Name. So heißt die anmutige Wasserpflanze im Griechischen bis heute Herakleios.

In der Sage rund um das Ungeheuer vom Bodensee spielt die Seerose ebenfalls eine wichtige Rolle: Bei Lindau, wo der See die Grenze zwischen Deutschland und Öster-reich bildet, trieb sich einst ein Ungeheuer herum. Es hinterließ nur Zerstörung und Unglück, bis ihm ein gewitzter Bursche die im Mondlicht leuchtenden Blüten als Schatz überreichte und es damit besänftigte. ➻

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Gut zu wissen> Seerosen enthalten in Blüten, Samen und Wurzeln kleine mengen giftiger alkaloide.

> Ungewöhnliche Rezepte lassen sich mit teilen der Seerose trotzdem verwirklichen – vorausgesetzt, man verspeist sie in maßen. ein Salat aus jungen Seerosenblättern, die 8 minuten in Salzwasser gekocht wurden, ist jedenfalls unbedenklich und schmeckt mit ei-ner einfachen essig-Öl-marinade richtig gut.

> In der Volksmedizin wurde die Seerose bei entzündlichen Krankheiten eingesetzt. mönche und nonnen tranken einst eine es-senz, um ihre Keuschheit zu schützen. Schon der römische Gelehrte Plinius war davon überzeugt, dass der Verzehr von Blüten oder Samen dazu führt, dass man 12 nächte lang von wollüstigen träumen verschont bliebe. > In Notzeiten hat man früher die im See-boden steckenden wurzelartigen Rhizome geerntet, sie zu mehl verarbeitet und dem Getreidemehl zum Brotbacken beigemengt.

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Und gewiss hat es sich dabei um Nym-phaea alba, also um die Weiße Seerose, ge-handelt. Schließlich ist sie neben der seltenen Nymphaea candida, der Glänzenden Seerose, die einzige, die bei uns in Europa auch wild vorkommt. Sie blüht zwar nur in schlichtem Weiß, kann aber gerade dadurch im Mond-licht besonders schön und hell strahlen.

Die Seerose ist nicht nur in Geschichten eine einzigartige und besonders zart wirken-de Schönheit. Sie ist auch botanisch ein sehr spezialisiertes Geschöpf. Wie alle Wasser-pflanzen hat sie im Laufe der Zeit besondere Fähigkeiten entwickelt, um in ihrem unge-wöhnlichen Lebensraum zu bestehen.

So befinden sich die zur Atmung notwen-digen Spaltöffnungen bei Schwimmblatt-pflanzen wie der Seerose nicht wie sonst üblich unter den Blättern, sondern an der Blattoberseite. Im Teichgrund gibt es nur wenig Sauerstoff, deshalb wird er von den Blättern, die über große Lufträume im Ge-webe verfügen, über eigene Kanäle im Blatt-stiel bis zu den Wurzeln geleitet.

kühlende schönheit

Nicht ohne Grund ist jene Zone im Teich, die am tiefsten liegt, nach den Seerosen be-nannt. In dieser „Seerosenzone“ bedecken Schwimmblattpflanzen das Wasser. Sie schirmen die Sonne ab und verhindern da-durch eine zu starke Erwärmung des Teichs.

Stark erwärmtes bzw. allzu nährstoff- reiches Wasser begünstigt das Algenwachs-tum. Seerosen, aber auch viele klassische Unterwasserpflanzen sind ausgesprochen nährstoffhungrig. So helfen sie, die Algen-bildung dauerhaft einzudämmen. Damit sind beide Pflanzentypen auch von großer Bedeutung für den Erhalt des natürlichen Gleichgewichts. ➻

9In Träumen, SpIegeln und Im waSSer SIehT man den

hImmel und dIe erde.alte redewendung

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nymphaea albaFamilie: Seerosengewächse (Nymphaeae).standort: Im Teich als Schwimmblattpflanze, Wasserstandtiefe ca. 40 bis 150 cm.Blüte: Weiße, sternförmige, etwa 12 bis 14 cm große Blüten von Juni bis September.Pflanzung: Im Frühjahr oder im Herbst in Körben mit nährstoffreicher Erde, gemischt mit groben Steinen; diese Körbe auf den Grund absenken.Pflege: Wenn Seerosen blühfaul werden, kann man sie im Mai und Juni teilen und wieder einpflanzen. Dazu spült man die Erde von den Wurzeln und teilt den Wurzelstock mit einem scharfen Messer. Ein Rhizomstück wird in einen Korb gepflanzt und wieder im Teich versenkt.seerosen im Winter: Alle Gartensorten, die von der winterharten, bei uns auch wild vorkommenden Weißen Seerose (Nymphaeae alba) abstammen, sind kälteresistent. Nur exotische Seerosen dürfen nicht im Freien überwintern.

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Wilde Naturschönheit: die „Wasserlilie“ Nymphaea alba (links). Oben und unten: Rosarote Zucht-Seerosen gibt es in allen Tönungen.

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9Die stille Wasserrose

steigt aus Dem blauen see, Die feuchten blätter zittern,

Der Kelch ist Weiss Wie schnee. Da giesst Der monD vom himmel

all seinen golDnen schein, giesst alle seine strahlen

in ihren schoss hinein.emanuel geibel (1815–1884), aus: „Die stille Wasserrose“

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Seerosen in der Kunst

Claude Monet malte in den letzten 30 Jahren seines Lebens immer und immer wieder dasselbe Motiv: Nymphéas. Der Impressionist war 1890 in ein Landhaus in Giverny vor den Toren von Paris gezogen, wo er im Garten einen Seerosenteich anlegt hatte. Die Seerose und die Spiegelungen im Wasser faszinierten ihn über alle Maßen. Das oben abgebildete Gemälde (Öl auf Leinwand, 151,4 x 201,0 cm) entstand übrigens um 1915 und hängt heute in der Neuen Pinakothek in München.

In Ovids Metamorphosen verschmäht die Nymphe Syrinx die Liebe von Hirtengott Pan. Sie flüchtet und lässt sich von ihrem Vater, dem Flussgott Ladon, in Schilfrohr verwandeln. Diese berühmte Szene aus der griechischen Mythologie hat Barockmaler Peter Paul Rubens unter anderem mit Seerosen geschmückt.

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In der Natur stellt sich dieser gesunde Kreislauf von Pflanzen und Tieren in Ge-wässern von selbst ein. Von Menschenhand geschaffene Teiche hingegen sind oft nicht ideal gebaut bzw. müssen ihr Gleichgewicht erst finden. Und dabei können eben auch die Seerosen hilfreich sein.

In einen Schwimmteich sollten Seerosen eher nicht gepflanzt werden: Ihr wider-standsfähiges Wurzelsystem lässt Schwim-mern wenig Bewegungsfreiheit. Man könnte sich verwickeln und tatsächlich ertrinken – wovor manch alte Sage ebenfalls warnt.

wie die seerose in den teich kommt

Doch in einem schönen Zierteich darf die Seerose nicht fehlen. Sie blüht den ganzen Sommer über und bietet mit ihrem Blüten-staub Schilfkäfern und Hummeln Nahrung. Vorausgesetzt natürlich, die Bedingungen im Teich sind entsprechend gut. Ein Kom-promiss aus einem schattigen Ufer und einer Sonnenseite ist ideal, damit sich das Wasser nicht zu stark erwärmt und die Sonnen- anbeter trotzdem genug Licht bekommen.

Hat man sich als Teichbesitzer für die Seerose entschieden, gibt’s oft ein Problem: Eine Schwimmblattpflanze in einen bereits mit Wasser gefüllten Teich zu pflanzen ist gar nicht leicht. Wenn man sie aber in einen mit Steinen, Gartenerde und Kompost ge- füllten Korb aus verrottbarem Material gibt, lässt sich dieser mit einem Haken punkt- genau versenken. Der Korb zerfällt später, die Wurzeln verankern sich rasch im Grund.

Für unterschiedliche Standorte gibt es auch entsprechende Züchtungen, zum Bei-spiel solche, die tiefe oder träge fließende Gewässer bevorzugen, oder andere, die mit nur 10 cm Wasserstand zufrieden sind und im alten Fass am Balkon gedeihen.

seerosentage im Bayerischen wald

Damit wirklich die richtige Wassernymphe ihren Weg in den Teich findet, gibt es dieser Tage in Walderbach im Bayerischen Wald, wo die größte öffentliche Seerosensamm-lung im deutschen Sprachraum beheimatet ist, eine schöne Gelegenheit: Bei den „In- ternationalen Seerosentagen“ vom 15. bis 18. Juli wird der 20. Geburtstag der Gesell-schaft der Wassergartenfreunde gefeiert.

Und noch ein Tipp für alle Seerosen-freunde: Besonders widerstandsfähige Pflanzen gedeihen in der nahegelegenen Seerosen-Farm Erhard Oldenhoff im rauen Klima auf 700 m Seehöhe. 3

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die wunderschöne Nymphaea Gladstoniana wurde kürzlich zur seerose des Jahres 2012 gekürt.

sie eignet sich besonders gut für große, tiefe teichanlagen.

Buchtipp: Seerosen, Dieter Bechthold und Harro Hieronimus; Dähne Verlag.

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blütenrezepte

Die Königin der Blumen betört uns mit ihrem feinen Aroma auch in der Küche. Bei diesen Rezepten geht die Liebe garantiert durch den Magen.

Redaktion: Uschi Korda & christian teUbner FotoS: eisenhUt & Mayer

Mit einer Prise Rosenduft

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Zutaten2 grüne Kardamomkapseln 1 Stange Ceylon-Zimt1 eL Korianderkörner 1 tL schwarze Pfefferkörner125 g grobes Meersalz15 g getrocknete Blätter von unbehandelten Duftrosen (am besten aus dem eigenen Garten)1 tL getrocknete Pfefferminze 20 g Zucker

Ein Gewürzsalz, das besonders mit Lammfleisch und Geflügel harmoniert. Gebratenes Geflügel erst kurz vor Ende der Garzeit damit würzen.

ZuBereitunG1. Die Kardamomkapseln aufbrechen und nur die

Kerne verwenden. 2. Die Zimtstange in Stücke brechen. Zimt, Kar-

damom-, Koriander- und Pfefferkörner in einer trockenen Pfanne rösten, bis die Gewürze zu duften beginnen.

3. Abkühlen lassen und mit dem Mörser fein zerstoßen.

4. Erst dann die Rosenblätter und die Minze zugeben und verreiben.

5. Alle Zutaten mit Salz und Zucker vermischen. Das Gewürz kühl und trocken lagern.

Rosen-Zimt-salZ

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Zutaten1 kg säuerliche Äpfel500 g GelierzuckerSaft von K Zitrone20 g unbehandelte Rosenblätter2 einweckgläser für je 450 g Inhalt

ZubeReItunG1. Für das Gelee Äpfel waschen und vom

Kerngehäuse befreien. Mit einem Ent-safter Apfelsaft herstellen. Es sollten etwa 500 ml Saft entstehen.

2. Den Saft mit Gelierzucker und Zitronen-saft in einem großen Topf aufkochen. Etwa 5 Minuten kochen und dabei den

Schaum abschöpfen. Rosenblätter zugeben und 1 Minute lang mitkochen. Noch heiß in die vorbereiteten Einweck-gläser füllen und sofort verschließen.

3. Abkühlen lassen und dabei öfter schütteln, damit sich die Rosenblätter gleichmäßig im Gelee verteilen.

RosenGelee

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Page 13: Servus in Stadt & Land - Bayern 07/2012

ScharfeS huhn mit Äpfeln und roSengeleeZutaten für 2 Portionen1 ausgelöstes Huhn (ca. 1 kg) 1 kleine Zwiebel200 g Suppengemüse (Gelbe rübe, Sellerie, Petersilwurzel)Salz, Pfeffer2 säuerliche Äpfel1 mittelscharfer Pfefferoni5 g frische ingwerwurzel4 eL erdnussölK tL Speisestärke 30 g rosengelee (siehe linke Seite)unbehandelte rosenblätter für die Garnitur

ZubereitunG1. Aus dem Huhn Keulen und Brustfilets lösen. 2. Zwiebel schälen und halbieren, Suppengemüse

putzen und in Stücke schneiden. 3. Die Karkasse (also den Rest des Huhns mitsamt

den Flügeln) mit Zwiebel und Suppengemüse in einem Topf mit kaltem Wasser bedecken. Salzen, pfeffern und aufkochen. Bei kleiner Hitze etwa 1 Stunde lang köcheln lassen und dabei immer wieder den Schaum abschöpfen.

4. Den Fond durch ein Sieb gießen und bei schwa­cher Hitze auf 150 ml reduzieren.

5. Die Äpfel schälen und vierteln. Vom Kerngehäuse befreien und in 1 cm dicke Stücke schneiden. Pfefferoni längs halbieren, Samenkerne entfernen und das Fruchtfleisch in dünne Streifchen schnei­den. Ingwer schälen und ebenfalls in Streifchen schneiden.

6. Das Öl in einer Pfanne erhitzen. Pfefferoni und

Ingwer darin kurz anschwitzen. Die Apfelstücke zugeben und etwa 5 Minuten braten. Heraus­nehmen und warm halten.

7. Hühnerbrust und Keulen enthäuten, mit Salz und Pfeffer würzen. Im erhitzten Öl mit Pfefferoni und Ingwer rundherum anbraten. Die Hitze reduzieren und das Huhn langsam fertig braten. Herausneh­men und warm stellen.

8. Den Hühnerfond in die Pfanne gießen und auf­kochen. Speisestärke mit ganz wenig Wasser anrühren und den Fond damit binden. Rosen­gelee zugeben und unter ständigem Rühren zum Schmelzen bringen. Brust, Keulen und Äpfel wie­der einlegen und bei schwacher Hitze kurz ziehen lassen. Abschmecken, anrichten und mit Rosen­blättern garnieren.

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Zutaten für 2 BackBleche280 g MehlK tl Backpulver150 g Butter200 g Zucker1 ei Mark von K Vanilleschoteabgeriebenes von 1 Bio-Orange1 Msp. Salz100 g geriebene Mandeln 2 el Orangenmarmeladerosenzucker zum Bestreuen (siehe oben)

ZuBereitung1. Mehl und Backpulver auf die Arbeitsfläche sie-

ben, in die Mitte eine Vertiefung drücken. Butter, Zucker, das Ei und die Gewürze in die Mulde ge-ben und darin verkneten. Dann das Mehl und die geriebenen Mandeln darüberhäufen und alles zu einem Teig verkneten.

2. Den Teig auf eine bemehlte Arbeitsfläche legen und halbieren. Zu zwei etwa 30 cm langen Strän-gen rollen. In den Kühlschrank legen und etwa 30 Minuten lang fest werden lassen.

3. Ein Blech mit Backpapier auslegen und das Back-rohr auf 180 °C vorheizen.

4. Den Teig in K cm dünne Scheiben schneiden

und diese mit genügend Abstand auf dem Blech verteilen. (Die Taler werden beim Backen deut-lich größer.)

5. Etwa 15 Minuten hellbraun und knusprig backen. 6. Orangenmarmelade durch ein Sieb passieren

und mit 1 EL Wasser aufkochen. Die noch heißen Taler hauchdünn damit bestreichen und sofort mit Rosenzucker bestreuen.

Zutaten100 g duftende, unbehandelte rosenblätter500 g kristallzucker

ZuBereitung1. Die Blütenblätter auf einem mit Backpapier be-

legten Kuchenblech locker verteilen. Es sollten möglichst wenige Blätter übereinanderliegen.

2. Backrohr auf 50 °C vorheizen.3. Backblech einschieben und die Blätter trocknen,

dabei die Ofentüre einen Spalt breit offen lassen (am besten einen Kochlöffel dazwischenstecken).

4. Die getrockneten Blütenblätter mit wenig Zucker im Mörser fein zerstoßen, dann mit dem übrigen Zucker vermischen. In Gläser füllen und einige Wochen ziehen lassen.

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RosensoRbet mit WaldeRdbeeRsauceZutaten für 4 PersonenFür das Sorbet:80 g Zucker2 eL rosensirup (siehe oben)300 ml Wasser20 g Blütenblätter von duftenden, unbehandelten rosen2 eL Limettensaft300 ml roséwein

Für die Sauce:250 g Walderdbeeren60 g Zucker6 cl Wasser2 cl erdbeerlikör

ZuBereitung1. Zucker mit Rosensirup in kochendem Wasser

auflösen. Die Blütenblätter zugeben und ab­kühlen lassen.

2. Durch ein Sieb abseihen, mit Limettensaft und Roséwein vermischen. Die Masse in die Eis­maschine füllen und cremig frieren.

3. Für die Sauce die Walderdbeeren putzen und vorsichtig waschen. Gut abtropfen lassen, pürieren und durch ein Sieb passieren.

4. Zucker mit Wasser aufkochen und das Erdbeer­mark einmischen. Etwa 3 Minuten einkochen und vom Herd nehmen. Likör ein­ rühren und erkalten lassen.

5. Aus dem Sorbet Kugeln ausstechen und mit der Walderdbeersauce anrichten.

Zutaten für 2 fLaschen à 750 mL150 g Blütenblätter von stark duftenden, unbehandelten rosenK l Wasser 1 kg Zuckersaft von 2 Limetten

Der Rosensirup ist ein vielseitiges Süßungsmittel, z. B. für Desserts, Obstsalate oder Getränke. Erfrischend: einfach 2 cl Rosensirup in ein Glas geben, mit 150 ml Mineralwasser auffüllen und mit Eiswürfeln servieren.

ZuBereitung1. Die Blütenblätter in kaltem Wasser vorsichtig

waschen und gut abtropfen lassen. Wasser in einem großen Topf aufkochen, Blütenblätter zu­geben und bei kleiner Hitze 5 Minuten köcheln.

2. Vom Herd nehmen und 2 Stunden ziehen lassen. 3. Die Flüssigkeit abseihen und zurück in den Topf

gießen. Zucker einmischen und den Sirup bei mittlerer Hitze so lange kochen, bis er klar ist. Das dauert etwa 15 bis 20 Minuten.

4. Den Limettensaft durch ein feines Sieb seihen. Zugeben und weitere 5 Minuten köcheln.

5. Heiß in saubere Flaschen füllen und verschließen.

RosensiRup

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80 Servus

basteln mit kindern

Eine bunte Sommerblumenwiese ist die märchenhafte Schmuckwerkstatt für unsere zarten Blumenkranzerl.

REdaktion: alice Fernau, ines HoFbaur FotoS: rutH eHrmann

risch gepflückte Blumen sind der Stoff, aus dem wir unsere fragilen Kranzerl binden. Mit großer Freude lauschen wir also dem Grillenkonzert und fügen Blume für Blume zu einem bunten Gebinde zu­sammen. Und dabei lässt es sich wunder­ bar über die Namen der Wiesenflora nach­denken, die der Volksmund geprägt hat.

Das Gänseblümchen etwa blüht, anpas­sungsfähig, wie es ist, auf fast jeder Wiese. So auch auf dem Gänseacker, woher sich wohl die geläufigste Bezeichnung für die

kleine Blume ableitet. Außerdem streckt das unkomplizierte Pflänzchen sein hüb­sches Köpfchen – wie die Gänse – gerne nach der Sonne.

Die Glockenblume trägt ihren Namen wegen der Form ihrer Blüte. Auch ihr land­läufiger Name Fingerhut ergibt augen­scheinlich Sinn. Übrigens: Träumt man von Glockenblumen, dann soll ein erfreuliches Ereignis vor der Tür stehen. Und wer sie in der Wiese pflückt, wird alsbald einen treu­en Liebhaber finden. So der Volksglaube.

Der gelbe Hahnenfuß wurde vermut­ lich aufgrund der vogelfußähnlichen Form seiner Blätter so genannt. Wegen der gelben und fettig schimmernden Farbe seiner Blü­tenblätter ist er auch als Butterblume be­kannt. Dass der Genuss von Hahnenfuß die Butter besonders gelb machen soll, ist hin­gegen eine Mär. Kühe halten sich nämlich lieber an andere Wiesenblumen oder Gräser und fressen die wenig bekömmliche und scharf schmeckende Blume nur im getrock­neten Zustand. 3

mit ihrem selbst gebundenen blumenkranz fühlt sich die süße theresa wie eine elfenkönigin.

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Blühende Kronen

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1. Zuerst pflücken wir Blumen mit möglichst langen Stängeln. Gut geeignet sind Margeriten, Butterblumen, Lichtnelken oder Glockenblumen.2. Dann wickeln wir für den Anfang des Kranzerls 2 bis 3 Blumen mit Zwirn zu einem kleinen Sträuß-chen. Die Spule lassen wir einfach in den Schoß fallen, damit wir den Faden später weiter ab- wickeln können.

3. Nun werden nach und nach Blumenbüschel unterhalb der vorigen Blüten dazugebunden.4. Das machen wir, bis das Kranzerl lang genug ist. Dann den Zwirn verknoten, abschneiden und an beiden Kranzenden Bänder befestigen.5. Nun ist die Blütenkrone fertig zum Aufsetzen und muss nur noch mit einer Masche um den Kopf gebunden werden.

6. GÄNSEBLÜMCHENKRANZ Gänseblümchen können ganz ohne Faden zu ei-nem Kranzerl gebunden werden – und zwar, indem mit dem Stängel jedes neuen Blümchens ein ein-facher Bindeknoten um die vorigen Stiele gemacht wird. Das erfordert zwar etwas Geschick, sind aber die ersten Knoten gelungen, wächst das Kranzerl, und die Freude ist groß!

Der Sommer, Der Sommer,Der heiSSt unS luStig Sein:Wir WinDen BlumenkränzeunD halten reigentänzeBeim aBenD- SonnenSchein.August H. Hoffmann von Fallersleben (1798–1874)

DAS BRAuCHt MAN: Wiesenblumen, Zwirn, Schere, Bänder.

So wiRD AuS fRiSCH GEpfLÜCKtEN BLuMEN EiN HERZiGES KRANZERL

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Brauchtum

Wenn sich beim Starnberger Fischerstechen die Kontrahenten gegenseitig vom Brettl stoßen, ist das auf den ersten Blick eine Riesengaudi.

Dahinter stecken eine alte Tradition und auch viel Weisheit vom Leben.TexT: chrIStL rauNEr FoTos: marIa DorNEr

Auf Biegen und Stechen

Schotte christian Wackerl trifft Baby Kilian Schropp. Noch befinden sich beide Stecher in einer guten Position: Zehen eingekrallt, ober- körper nicht stangerlgerade, weich in den Knien. Bei dem starken Wellengang oft nur eine Frage von Sekunden.

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r hat große bernsteinfarbene Augen, ein verschmitztes Lachen, bei dem seine weißen Zähne nur so blitzen, eine drahtig-sportliche Figur – Kilian Schropp, 22, ist einer, den reifere Semester einen feschen Burschen und junge Mädchen einen echt süßen Typen nennen. Als wir ihn treffen, zeigt sich der Kilian von seiner unübertrof-fen niedlichsten Seite – mit Babyhäubchen, Windelhose, Schnuller im Mund. So kommt er uns an der bunten Bootshütte an der Starnberger Seepromenade entgegen.

Nein, man muss sich nicht um ihn sor-gen. Mit dem Kilian ist alles in bester Ord-nung. Er ist pumperlgsund – und mit dem Fasching hat er sich auch nicht in der Jah-reszeit vertan. Kilian zupft das umgebunde-ne Lätzchen um seinen Hals zurecht, grinst und sagt: „A lustiges Kostüm muaß ma beim Fischerstechen scho habn. Des gehört dazu. Da habn d’ Leut glei was zum Lacha.“

Das ist garantiert! Alle fünf Jahre wie-der. Wenn in Starnberg nach alter Tradition die Fischer zum Prinzregent-Luitpold-Fi-scherstechen antreten und der Reihe nach in voller Maskerade ins Wasser platschen – dann ist das eine Mordsgaudi. Zuletzt 2007. Heuer ist es wieder so weit.

Krone statt BaByhäuBchen

Diesmal möchte es der Kilian unbedingt schaffen: Er will der nächste Fischerkönig vom Starnberger See werden. Das Babyhäub-chen soll der Krone weichen. Darauf hat er sich lange vorbereitet – und die Wetten auf ihn stehen gut. Schon vor fünf Jahren, als er sein Debüt gegeben hatte, als Jüngster – der Benjamin unter den Fischern –, schaffte er auf Anhieb den vierten Platz.

„Natürlich is des ois a Riesenspaß“, sagt Kilian, „aber wenn i mitmach, dann wui a gwinna.“

Auf den ersten Blick scheint das Fischer-stechen nur ein lustiger Wettkampf zu sein, ein Spektakel auf dem Wasser, das seit jeher die Zuschauer lockte und deren Schaden-freude aufs Feinste kitzelte.

So frohlockte schon der Schriftsteller Ludwig Steub (1812–1888) in seinem Büch-lein „Sommer in Oberbayern“ über den Wettstreit im Jahre 1860: Das von männig-lich mit banger Freude erwartete Fischerste-chen besteht in folgender Unterhaltung: zwei Nachen, die langsam gegeneinanderru- ➻

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dern, tragen auf dem äußersten Brettchen je einen Fischer, der eine lange Stange (gepols-tert) führt und damit sein Gegenüber herab-zustechen versucht. Es gehört zum „Gspiel“, dass wenigstens einer der beiden Fechter ins Wasser plumpst, ein Vorgang, den natürlich die Stadtleute mit freudigstem Gelächter be-grüßen …

Wer nur die kurzweilige Unterhaltung sucht, mag es bei der amüsierten Betrach­tung belassen. Wer aber bereit ist, ein biss­chen genauer hinzuschauen und in die Prot­agonisten reinzuhorchen, wird bald spüren, dass es hier um mehr geht, dass bei allem Vergnügen auch immer ein Stück aus dem wahren Leben ausgefochten wird.

Es ist die ewige Frage: Wer fällt, wer bleibt oben? Wer ist stark genug, alle und jeden zu besiegen?

EinEr stEht wiE fEstgEnagElt

Schorschi Wenzel, 52, vierfacher Fischer­könig und damit Angstgegner für Genera­tionen von Stechern seit exakt 30 Jahren, bringt es auf den Punkt: „Das ist nicht nur Spaß, das ist eine ernste Sache.“

Womit auch schnell klar ist, warum sei­ne Konkurrenten ihn trotz vollster Bewun­derung so fürchten: „Der hat a Kreuz wie ein Kleiderschrank und Wadln wie ein Preis­boxer.“ Kurzum: Der Schorschi steht auf dem Brett wie festgenagelt. Den stürzt so schnell keiner.

Manchmal aber, auch das lehrt das Le­ben, ist man sich selbst der schärfste Gegner – und bringt sich, den Sieg schon sicher vor Augen, im Rausch der Gefühle durch einen klitzekleinen Moment der Unaufmerksam­keit gleich selbst zu Fall. Und schon ist das Spiel oder – wie hier – das Fischerstechen wieder offen.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass sich der Starnberger See (bis 1962: Würm­see) auf Höhe der Roseninsel schon vor Jahrhunderten unsichtbar – und für Nicht­eingeweihte auch nicht spürbar – geteilt hat: in den Untersee (von Berg bis Starn­berg) und den Obersee (von Ammerland über Seeshaupt nach Possenhofen). Was dem Wettstreit an sich eine noch höhere Ordnung verlieh: Sie führte dazu, dass die Unterseer mit ihren Stechern Paul Dechant (dem einzigen Dreifachsieger in Folge – 1967, 1972, 1977), Schorschi Wenzel (1982, 1987, 1997, 2002) und Franz Gastl (1992) partout nicht von den Brettln zu sto­ßen waren – was wiederum die Oberseer ziemlich wurmte. Erst Michael Menzinger aus Ambach gelang es 2007 nach 45 langen Jahren, den Titel zurückzuholen und die Ehre der Oberseer zu retten.

Aber bei aller Gaudi und allem gesunden Konkurrenzdenken – da ist noch etwas. Ein Gefühl, das alle Familien rund um den See schließlich wieder vereint: der Stolz auf alte Traditionen, überliefert von vielen Genera­tionen, und das Gemeinschaftsgefühl einer Zunft in ihrer wunderbaren Heimat. Viel­leicht die schönste und wertvollste Botschaft, die das Fischerstechen vermitteln kann.

gErEchtigkEit vom sEErichtEr

Schon im 14. Jahrhundert sollen im Starn­berger Fünfseenland die ersten Zunftspiele stattgefunden haben. Damals galt für die Fischer noch der Spruch des Seerichters. Er verteilte Fanggründe und „Gerechtig­keit“. Dieses sogenannte Fischrecht lag – und das gilt auch heute noch – auf einem Grundstück.

Der Vorteil: Wer Eigentümer des Grund­stücks ist, darf auch das Fischrecht nutzen.

In früheren Zeiten hatten die Fischer wenig Freude an diesem Privileg, sie mussten den größten Teil ihrer Fänge für einen Hunger­lohn an den Hof nach München, an Herzöge und Klöster liefern. Sie selbst konnte die Fi­scherei kaum ernähren. Obwohl das Fischrecht nicht nur vererbt, sondern auch verkauft werden oder durch Einheirat in eine andere Familie übergehen kann, sind hier am See viele ihrer Zunft treu geblieben. Mancher Familienstamm geht bis ins 16. Jahrhundert zurück.

Wie es in den Chroniken geschrieben steht, ließ man sich am Hofe in früheren Zeiten nicht nur den frischen Fang aus dem See munden, sondern delektierte sich auch an den Wettkämpfen der Fischer, zu denen damals noch Schwimmwettbewerbe und Schiffsrennen gehörten.

So erlebte das Fischerstechen seine Blü­tezeit im 17. Jahrhundert, als Kurfürst Fer­

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dinand (1636–1679) und seine prunk­liebende Gattin Henriette Adelheid von Savoyen auf der „Bucentaur“, ihrem nach venezianischem Vorbild gebauten legendä­ren Lustschiff – umgeben von einer Genuss­Flotte aus Gondeln und Küchenschiffen, die gekühlten Wein und Tafelsilber lieferten –, ihre ausschweifenden Feste auf dem See feierten.

Einmal, so ist es überliefert, hat seine kurfürstliche Durchlaucht, selbst ein ausge­zeichneter Schwimmer, einem Fischer, dem Niklas Doll, das Leben gerettet, als der un­ter dem Prunkschiff durchgetaucht und ohnmächtig geworden war.

Persönliche einladung Per handschlag

Und als ein andermal das kurfürstliche Lustschiff mitsamt Durchlaucht, Gattin und hohen Gästen von einem ungewöhnlich starken Sturm gebeutelt wurde, ist der Fi­

scher Schropp dergestalten bei- und ins Was-ser gesprungen (…) und holte die Kurfürstin in einem Tragsessel vom Schiff und brachte sie ans Land. Da er durch einen weiteren be­herzten Einsatz auch den Kurfürsten vor nassen Füßen bewahrte, ernannte dieser den braven Fischer für die mutige Helden­leistung „aus Gnade“ zum Steuermeister der „Bucentaur“.

Ganz so ausschweifend geht’s heute beim Fischerstechen nicht mehr zu. Aber dass der Fischerkönig und natürlich auch die Sieger der Sportfischer, die in einer ei­genen Wertung starten, in den eigenen Rei­hen und vom Besuchervolk beim anschlie­ßenden Fest gebührend gefeiert werden, versteht sich von selbst.

Langsam wird’s spannend. Wer wird diesmal aller dabei sein? Wer muss sich mit wem messen? Macht der Wenzel Schorschi entgegen seiner Ankündigung doch noch

mal mit? „Die meisten Meldungen kommen erst in der letzten Woche“, sagt Gerhard Zellner, 50, vom Starnberger Heimat­ und Trachtenverein, der die letzten Wochen um den See gefahren ist, um jeden der 34 Berufs­fischer persönlich und mit Handschlag einzuladen.

Der Heimat­ und Trachtenverein ist offi­zieller Veranstalter des Fischerstechens, seit Seine Königliche Hoheit Prinzregent Luit­pold (1821–1912) im Jahre 1907 anregte, die seit dem 18. Jahrhundert mehr und mehr in Vergessenheit geratenen Wett­kämpfe neu zu beleben. Anlass hierfür war die 1.000­Jahr­Gedenkfeier zu Ehren des Markgrafen Luitpold von Scheyern, des Ahnherrn des Hauses Wittelsbach. Bis heute sind die Wittelsbacher Schirmherren des Stechens.

Zurück zum „Baby“ Kilian, dem hoff­nungsvollen Nachwuchs. Der ambitio­

linke seite: das gemälde des starnberger Malers Joseph Wörsching zeigt die Zunftspiele im Jahr 1874. eine sondermarke anlässlich des zweiten Prinz-luitpold-Fischerstechens 1912 (siehe rechts oben auch der Plakatentwurf) erinnert an die Tra-dition, die von den Berufsfischern bis heute gelebt wird. diese seite: gerhard Zellner (rechts im Bild) vom heimat- und Trachtenverein lädt jeden Be-rufsfischer, hier den starnberger Peter dechant, persönlich ein. sein Vater Paul ist der einzige Fi-scherkönig, der dreimal in Folge gewann.

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Hans-Jürgen Rauh (links) und Hellmut Schmücker vom Trachtenverein rudern die „Christl“ vorsichtig aus ihrer idyllischen Bootshütte in der Bootswerft Rambeck. Das handgefertigte Flachboot ist der ganze Stolz des Vereins. Es existieren nur noch vier der wertvollen Boote auf dem See.

so ehrgeizig wie da Vater, der früher scho immer den ganzen Winter über Krafttrai-ning gmacht hat und auf irgendwelche Bal-ken rumgeturnt ist. Aber die Familientradi-tion halt i aufrecht, auch wenn für mi mehr der olympische Gedanke zählt: Dabei sein ist alles.“

Zum SiEgER DER HERZEn gEküRT

Nun hat der Junior gerade beim letzten Mal eine blendende Figur gemacht – bis, ja bis die Stechlanze eigene Wege ging. „I hab meinen Gegner schon dringhabt im Wasser. Da haben s’ plötzlich gsagt, das war ein un-erlaubter Tiefschlag“, erzählt Peter Dechant. Zu seiner Verteidigung lässt er mit einem Augenzwinkern wissen: „Mei Gegner hat um den Bauch rum so viel Angriffsfläche ghabt, da musste ma glatt abrutschen!“

Offiziell ist’s noch ein dritter Platz ge-worden. „Aber das Publikum hat mich dann

zum Sieger der Herzen gekürt.“ Dass beim Fischerstechen trotz der Gaudi alles mit rechten Dingen zugeht, überprüfen eine Menge Leute. Allen voran Hans-Jürgen Rauh vom Heimat- und Trachtenverein, der vor dem Stechen noch mal das Meter-maß anlegt, damit auch alle Vorschriften eingehalten sind. Standbrett: nicht breiter als 26 cm. Es muss 100 cm über das Boot rückwärts hinausragen, wobei die äußeren 70 cm als Standplatz für den Stecher gelten. Die darf er Richtung Boot nicht überschrei-ten. Länge der Stechlanzen: exakt 2,80 m.

Beim Stechen geht’s besonders streng zu. Die Stecher müssen maskiert, Oberkör-per und Schultern bedeckt sein. Strengstens verboten: den Gegner festhalten oder schla-gen, Stöße unter die Gürtellinie oder ins Gesicht. Sonst droht Disqualifikation.

Mehrere Schiedsrichter überwachen die Einhaltung der Regeln. Aber die sind

nierte Anwärter auf die Fischerkrone hat schon vor drei Monaten mit verschärftem Trockentraining begonnen, zweimal die Woche, mindestens eine Stunde lang. „Ich mache Slacklining“, verrät er, eine Art Seil-tanz, bei dem man auf einem elastischen Schlauchband zwischen zwei Bäumen ba-lanciert. „Des is ähnlich wackelig wie später auf dem Brettl“, sagt der angehende Fisch-wirt, der traditionell im Geschäft vom Vater arbeitet.

Inzwischen trainieren die Stecher auch auf dem See. Zweimal die Woche, nach Fei-erabend, vor der Bootshütte der Wenzels in Starnberg. Berufsfischer, Sportfischer, Ru-derer. Das ist dann auch jedes Mal ein Wie-dersehen unter Kollegen. Die meisten sind doch immer wieder dabei.

Wie Peter Dechant, 45, Sohn von Drei-fachsieger Paul Dechant, 72, der heuer das fünfte Mal aufs Brettl geht: „I bin zwar ned

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Festnageln, messen, prüfen. Hans-Jürgen Rauh und Hellmut Schmücker befestigen die Bretter an den Booten. Die gepufferten Stechlanzen sind exakt 2,80 m lang. Die 70-Zentimeter-Marke darf der Stecher in Richtung Boot nicht überschreiten.

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halt auch nur Menschen und können ihre Augen nicht überall haben, so geschehen beim letzten Stechen.

Da hat sich unbemerkt am Hals eines Stechers die Lanze eingehakt und ihn schnell ins Wasser gezogen. „Des hamma dann erst hinterher alle auf dem Video gsehn“, sagt Rauh mit ein wenig Wehmut, weil der ins Wasser Gezogene leider sein ei­gener Sohn Markus war. „Aber was willst macha? Des is beim Fischerstechen wie beim Fußball a Tatsachenentscheidung.“

Die Tricks Der sTecher

Freilich gibt’s wie bei jedem Wettkampf ein paar Techniken und Tricks, die man hier auch getrost verraten darf, weil die Stecher sie eh alle kennen und weil sie auf Dauer so­wieso nichts nutzen – außer dem einen, der am Schluss übrig bleibt. Das ist dann der Fischerkönig.

Folgende Maßnahmen haben sich in der Praxis bestens bewährt.

Erstens: ein Stand wie festgepappt. Füße ins Brett einkrallen. Oberkörper grad, aber nicht stangerlgrad, weich in die Knie gehen, den Allerwertesten nicht zu weit unten.

Zweitens: sich schmal machen. Dem Gegner möglichst wenig Angriffsfläche bie­ten. Sprich: Kommt der Stoß auf den Ober­körper zu, sich parallel zur Stoßrichtung drehen. Das erhöht die Chancen ungemein, dass der andere mit voller Wucht ins Leere stößt. Er purzelt direkt vornüber ins Wasser.

Drittens: einen Stoß antäuschen. Oder auf gut Bayerisch: A bisserl hinterfotzig sein. Das geht beim Fischerstechen so: Der Angrei­fer baut mit großer Gebärde einen Stoß auf den Oberkörper des Gegners auf, zieht die Lanze aber im letzten Moment zurück. Was der Angegriffene aber idealerweise nicht ka­piert hat und sich zur Abwehr des vermeint­

lichen Stoßes mit angespannten Muskeln viel zu weit mit dem Oberkörper nach vorne ge­beugt hat. Folge: siehe zweitens.

Viertens: Oberteil eindrehen. Einfach und wirkungsvoll: Stechlanze am geg­nerischen Körper ansetzen, Lanze leicht drehen und dabei den Stoff mitnehmen. Der Rest ist schnell erledigt (Achtung, Schiedsrichter!).

Nur: Der cleverste Stecher taugt nichts, wenn der Ruderer versagt. Hellmut Schmü­cker, 71, sagt man, ist der beste von allen. Seit 50 Jahren, also seit 1962, rudert er beim Fischerstechen, hat schon Paul De­chant zu seiner großen Siegesserie geführt.

Was muss ein guter Ruderer können? „Kraft braucht er, und gschwind muss er sein. Hirn braucht er koans“, sagt der Dok­tor der Ingenieurwissenschaften trocken. Und dann gibt er doch zu: „Ja, freilich, a bisserl a Physik is scho a dabei, aber des

Die ruderer fahren parallel aufeinander zu, sodass sich die stecher gegenüberstehen (links). stöße dürfen nur auf die Oberarme abrutschen (rechts oben). Der stecher gerät stark in Vorlage, jetzt muss der ruderer schwer arbeiten, um das Brett unter den schwerpunkt des stechers zu schieben …

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Armen zu rudern und zu fuchteln, um sei-nen Schwerpunkt, den mehr oder weniger stattlichen Bauch, wieder übers Brettl zu bringen. Bis nur noch ein Hauch von Stup-ser genügt, um den Gegner zum „Fisch“ zu machen. So nennt man beim Fischerstechen die Verlierer.

Die größte Verletzungsgefahr besteht, wenn einer der Stecher nicht ins Wasser, sondern zurück ins Boot fällt. Kleinere Bles-suren wie blaue Flecken und Nasenbluten bleiben da nicht aus.

Und natürlich wünschen sich alle Betei-ligten, dass die Tradition des Fischerste-chens noch lange fortgesetzt werden kann. Wie lange das noch möglich ist, weiß nie-mand so genau. Denn das Allerwichtigste beim Fischerstechen sind die Boote, die sogenannten Flachboote ohne Kiel, aus feinstem Mahagoni oder Eichenholz, beste Handarbeit, geklinkert von beiden Seiten.

Die meisten dieser Boote sind über die Jahre kaputtgegangen. Vier Stück gibt es nur noch auf dem Starnberger See. Eines ist im Besitz der Familie Wenzel. Gabi Wenzel, die Mutter des Vierfach-Fischerkönigs, sagt: „So ein Boot kostet weit mehr als 20.000 Euro. Das kann sich heute niemand mehr leisten.“ Deshalb hegt und pflegt sie „Schor-schi“, benannt nach ihrem Sohn, mit aller-größter Liebe und Sorgfalt.

Die Zuschauer beim Stechen werden es ihr bestimmt danken. 3

ganze Leben is ja Physik.“ Was heißt das im Fall des Ruderers? Schmücker: „Ein guter Ruderer schaut seinem Stecher immer auf die Füße. Seinen Schwerpunkt hat der Ste-cher im Bauch. Aufgabe des Ruderers ist nun, das Brett immer unter den Schwer-punkt zu schieben.“ Er fügt hinzu: „Aber zu gach darf des a ned sein, weil sonst ziagst dem Stecher die Fiaß weg.“

Der Verlierer heiSSt FiSch

So mancher Stecher hat schon gemeint: So, jetzt ist’s vorbei – und der Ruderer konnte ihm das Brett doch noch mal zurechtrücken. Ist aber der Schwerpunkt des Körpers erst einmal außerhalb des Brettls geraten, dann passiert, was die Zuschauer so lieben: Ein Stecher kriegt das Wackeln in den Knien, der Oberkörper beugt sich bedrohlich nach hinten, eventuell auch nach vorne. In jedem Fall beginnt jetzt der Stecher, wild mit den

Prinzregent-luitpold-Fischerstechen: Sonntag, 22. Juli 2012 (bei Regen am 29. Juli 2012), Festplatz an der Undosa- Promenade. 12.30 Uhr: Darbietungen des Heimat- und Trachtenvereins Starnberg; 13 Uhr: Einzug der Gladiatoren, Stechen der Sportfischer und als Höhepunkt das Turnier der Berufsfischer.

… aber er hat es nicht mehr geschafft. Schotte christian Wackerl geht in voller Montur baden. er startet heuer in der Disziplin der Sportfischer. Als er wieder auftaucht, lacht er und sagt: „Das ist die Gaudi wert.“ Und Baby Kilian hat seine Favoritenrolle eindrucksvoll unterstrichen.

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Arbeit“, sagt Hans Schober, „die muass von da kemma.“ Dabei zeigt der Hans mit der Hand zum Herzen, und wir verstehen. Groß ist sie, die Hand, und wuchtig, und man sieht ihr an, dass der gelernte Maurer zeit seines Lebens damit ordentlich zugepackt hat. Schwerer vor-stellbar ist da schon, dass durch diese kräf-tigen Finger zig Millionen feinster Tierhaare gegangen sind, die dann kunstvoll zu flau-schigen Wildtierbärten gebunden wurden.

Ein gutes Auge und eine sichere Hand braucht man natürlich auch, sagt der Hans, und einen „Mordseifer“, es immer besser machen zu wollen.

An die 200 Bartmacher gibt es im Alpen-raum, aber nur fünf davon sind richtig gut. Sagt der Hans, und der Ordnung halber er-wähnen wir jetzt, dass er natürlich bei den Besten dabei ist. Siebenmal hat er bei der Gamsbart-Olympiade mitgemacht und in der Königsklasse ab 19 Zentimeter fünfmal Gold und zweimal Silber eingeheimst.

Seit 1960 gibt es den Wettstreit um den schönsten Bart, der bis 2004 abwechselnd in Bad Goisern im Salzkammergut und in Berchtesgaden ausgefochten wurde. Als

Berchtesgaden beschloss, nicht mehr als Austragungsort zur Verfügung zu stehen, sprang 2008 Mittenwald ein. Auf Initiative von Hans Schober, denn schließlich soll die Tradition des Bartbindens auch in Bayern weiterhin hochgehalten werden.

An die 100 Bärte werden jedes Mal ein-gereicht, die von sechs Schiedsrichtern –

drei aus Bayern, drei aus Österreich – be-gutachtet und bewertet werden. Mit einem komplexen Punktesystem, bei dem viel zählt (siehe Kasten S. 106), am meisten aber die Länge. Für jeden Zentimeter gibt es einen Punkt, jeder Millimeter bringt noch einen Zehntelpunkt dazu. Sein längster sei

ein Einundzwanzigkommaachter gewesen, sagt der Hans, und mehr als 22 Zentimeter sind nicht möglich.

fünfzehn Böcke für einen neunzehner

Für einen schönen Gamsbart kommen nur die Rückenhaare, die sogenannten Grannen-haare, auf einem etwa vier Zentimeter brei-ten Streifen des Winterfells infrage. Die wach- sen den Gamsböcken zwar bis zu Mariä Lichtmess am 2. Februar und können dann schon bis zu 24 Zentimeter lang sein. In unseren Breiten endet die Jagdsaison aber bereits am 31. Dezember, und da sind sie halt um zwei Zentimeter kürzer. Für einen Neunzehner, sagt der Hans noch, braucht es schon die Haare von fünfzehn Böcken, für einen mittleren Bart reichen acht.

Wichtig ist auch, dass die Haare nicht zu lange liegen bleiben und recht bald gebun-den werden. Deshalb vertrieben sich früher die Jäger die ruhigen Wintermonate damit, ihre Trophäen anzufertigen. Bereits unsere Urahnen schmückten sich gerne mit den Haaren von erlegten Tieren, ab dem 12. Jahrhundert wurden mithilfe von Bienen-wachs Fächer und Gestecke daraus ge-

102 Servus

kopfschmuck

Es gibt nicht viele im Alpenraum, die das Binden eines Gamsbartes so perfekt beherrschen wie Hans Schober in Mittenwald. Und nicht jeder

darf sich so eine von ihm gefertigte Zierde an den Hut stecken.TExT: uschi korda FoToS: marco rossi

Beim Barte der Gams

D’

9DAS AUSklAUBEn

iST Für DEn HAnS wiE MEDiTiErEn.

nUr wEnn iHn wAS FUcHST, lASST Er’S

liEBEr BlEiBEn.9

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Diesen prachtvollen Neunzehner wird Hans Schober bei der Olympiade im Oktober in Mittenwald präsentieren.

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bunden. Die ersten schriftlichen Aufzeich-nungen zum Gamsbartbinden findet man in einer „Allgemeinen Erläuterung zur Jagd“ aus dem Jahr 1802.

So richtig populär machte das Tragen ei-nes Gamsbartes in Bayern aber Prinzregent Luitpold (1821–1912). Der Monarch ging bis zu seinem Tod im 91. Lebensjahr auf die Pirsch, seinen letzten Hirsch erlegte er mit 88. Dafür benötigte er damals schon ein Vergrößerungsglas, für das er sich zum Tra-gen ein Loch in seinen Hut gebohrt hatte. Daneben steckte immer ein grob zusammen-gebundener Gams- oder Hirschbart sowie eine Spielhahnfeder.

Die ManDer Mit Den feschen GaMsbärten

Mit den Hirschbärten, sagt der Hans, schaut es immer schlechter aus. Die Tiere bekämen ja jetzt Kraftfutter und Apfeltrester „und was weiß ich alles“, dadurch bauen sie im Winter viel Fett auf, und ihr Körper reagiert mit weniger starkem Haarwuchs. Nur bei den wilden Gämsen ist die Qualität nach wie vor sehr gut.

70.000 Haare sind das Ausgangsmaterial für einen Bart, und jedes davon wird von Hans Schober in die Hand genommen. Das Ausklauben, sagt er, ist das Wichtigste, da-für gehen schon an die 100 Stunden drauf, übrig bleibt gerade einmal die Hälfte der Haare. Da werden nämlich die schlechten – also die blinden ohne Reif, die braun oder zu lang bereiften, die ohne Spitze und die krummen – von den guten – also den gera-de gewachsenen, dunkelgrauen mit einer weiß bereiften Spitze – getrennt. Das sei wie Meditieren für ihn, sagt der Hans, nur wenn ihn was fuchst, kommt er ins Schwit-zen und dann lasst er’s besser liegen.

Schon als kleiner Bua, sagt der Hans, habe er die Mander mit den feschen Gams-bärten am Hut bewundert. Und sich ge-dacht: „Wennst groß bist, wuist des a!“ Er hat dann eine Zeitlang selbst herumpro-biert, denn es fand sich niemand, der ihm die Kunst des Bartbindens gezeigt hätte. Zwar gab es in jedem bayerischen Tal mit Gamsjagd einen Binder, die Unterschiede in der Erscheinungsform waren aber enorm.

Der Zufall spielte ihm schließlich ein Prachtexemplar von Hans Steger, einem Be-rufsjäger aus Kufstein, in die Hände. Ein voller Gamsbart, der sich formvollendet zu einer Kugel wölbte. Aufs Geratewohl fuhr der junge Hans nach Tirol, klopfte beim Steger Hans an und fragte vorsichtig, ob

Die meiste arbeit ist das ausklauben der guten, der bereiften haare und das sortieren nach Größe. an die 100 stunden gehen dafür schon drauf.

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Servus 105

Fünfmal Gold und zweimal Silber hat Hans Schober bereits bei der Gamsbart-Olympiade eingeheimst. Die Prachtexemplare entstehen in purer Handarbeit. Dafür braucht der Hans Leinenbindfaden, Pinzette, Schere, Eprouvette, Kamm und ein Lineal.

Rund um den WildbartDie Gamsbart-OlympiadeSeit 1960 gibt es alle vier Jahre im österreichi-schen Bad Goisern die Kür der schönsten Gams-bärte. 2008 fand die Olympiade das erste Mal auch im oberbayerischen Mittenwald statt, seit-her gibt es sie alle zwei Jahre abwechselnd in den beiden Orten. Heuer ist sie am 14. Oktober in Mittenwald. Bewertet werden die Kriterien allgemeiner Eindruck, Länge, Bund, Haarqualität, Reif und Dichte in folgenden Klassen:• Gamsbärte über 19 cm, 16 bis 19 cm, bis 16 cm• Dachsbärte• Alpenländische Rothirschbärteüber 16 cm, bis 16 cm

Die richtige Pflege: Da ein Gamsbart bis zu 3.000 Euro kosten kann, wenn man die Haare nicht wie die Jäger selbst liefert, sollte man ihn gut pflegen.Am besten hängt man ihn mit den Spitzen nach unten in einen kleinen Kasten. Schlecht ist Son-nenlicht, seine Feinde sind die Motten. Dagegen helfen Zirbenspäne, auf keinen Fall Mottenkugeln, da die Haare den Geruch aufnehmen.Transportiert wird er in einer Kartonröhre. Sie ist luftdurchlässig und schützt vor Knicken. Wird er nass, sofort zum Trocknen aufhängen und vorsichtig durchkämmen.Nach rund 10 bis 15 Jahren verliert er an Glanz, wird braun und trocken. Dann sollte man ihn

zum Auffrischen und Neubinden zum Bartbin-der bringen. Die Lebenserwartung: Sau- und Dachsbärte können bis zu 50 Jahre alt werden, Gams- und Hirschbärte maximal 30 Jahre.

So wird er getragen: Zwei Wildbärte auf einem Hut gehen gar nicht. Ein großer Gams- oder Hirschbart wird generell hinten auf den Hut ge-steckt, ein kleiner Dachsbart auch seitlich. Kom-binieren kann man am Hut dazu entweder ein Radel oder eine Feder. Berufsjäger tragen ihren Hirsch- oder Gamsbart als Erkennungsmerkmal schräg am Hut.

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er denn einmal zusehen dürfe. Er durfte. Ganze sechsmal erlaubte der Jäger, ihm beim Bartbinden auf die Finger zu schauen und sich seinen eigenen Reim darauf zu machen.

Geredet wurde kaum, sagt der Hans, nur beim letzten Mal habe der Meister lapidar gesagt: „Jetzt brauchst nimma kimma, jetzt bischt wia i!“ Eventuell aufkeimende Eu-phorie wurde jedoch von Stegers Frau mit einem „Da fehlt’s no weit!“ sofort zunichte gemacht. 1977 hat der Hans dann seinen ersten Gamsbart gebunden, aber erst fünf Jahre später war er so etwas, was man viel-leicht mit zufrieden beschreiben darf.

Wenn das Ausklauben, wie man im Sport sagen würde, die Pflicht ist, dann ist das Binden die Kür. Zunächst werden fünf bis zehn gleich lange Haare mit der bereiften Spitze nach unten in eine Glas-Eprouvette gesteckt und oben mit einem Leinenfaden zusammengebunden. Diese Büschel legt der Hans dann akkurat, ähnlich einer Turnrei-

he, von klein nach groß auf ein liniertes Blatt, damit das alles ganz exakt passt.

Wie bei einer Wendeltreppe werden die Büschel dann um die Seele, also eine feste Halterung, die man später nicht sehen und spüren darf, gebunden. Die meisten nehmen einen Draht, beim Hans ist die Seele eine Fahrradspeiche, weil sie dünn genug, stabil und leicht drehbar ist. Wirklich elegant sind die Gamsbärte für den Mittenwalder nur, wenn sie beim Bartaustritt, sprich an der Stelle, wo sie alle zusammengebunden sind, nicht dicker als 10 Millimeter sind.

Bei ihm wird der Bart von einem roten Ring, der mit einem grünen Faden umwi-ckelt wird, zusammengehalten. Ein Marken-zeichen, das auch einen Teil seiner Kunst ausmacht. Es gibt Gamsbärte, sagt der Hans und wachelt dabei verächtlich mit der Hand, die kommen zusammengeklebt mit einem Isolierband daher.

Und dann ist da noch die Sache mit der „Gruabn“. Damit der Bart richtig schön ku-

Hans Schober sieht sich als Bewahrer von Traditionen. Dazu gehören auch die Trophäen von Wildtieren. Zur richtigen Pflege sollte man den Bart mit den Spitzen nach unten aufhängen.

9Für oktoberFest-

trachtler, die den bart nur zum

angeben brauchen, gibt sich der hans

nicht her.9

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Servus 107

Bartbinder Hans Schober: Schöttlkarstr. 13, 82481 Mittenwald, Tel.: +49/8823/5562

gelig auseinanderfällt, muss der Binder ganz oben an der höchsten Stelle mit viel Gespür und Augenmaß eine Vertiefung er-zeugen, die man nur sieht, wenn man den Bart wie einen Pinsel zusammendrückt.

So groß wie eine Euro-Münze, sagt zum Beispiel Österreichs bester Bartbinder Bertl Lahnsteiner. Hans Schober mag’s lieber kleiner und schwört, dass das perfekter aus-sieht. Im Gegensatz zum Bertl, der blinde Haare auch künstlich bereift, kommen beim Hans nur natürlich bereifte in den Bart. Doch das sind jetzt schon Haarspaltereien unter Könnern, wobei es sicher einen Unter-schied macht, ob man das Bartbinden, so

70.000 Grannenhaare von Bartgämsen hat Hans Schober für so einen Bart in der Hand. Wichtig ist, dass das schöne Stück flauschig und kugelrund auseinander fällt – so wie hier dieser Neunzehner.

wie der Hans, nur als Hobby betreibt oder man sich, so wie der Bertl, seinen Lebens-unterhalt damit verdient.

Wertvoller alS jedeS kruckerl

Mit einem Jahr Wartezeit muss man übri-gens bei Hans Schober rechnen, sofern man nicht Jäger ist und die eroberten Haare selbst mitbringt.

So ein Gamsbart sei wertvoller als jedes Kruckerl, sagt der Hans, und daher könne auch nicht jeder einen von ihm bekommen. Die Jäger sind klar, auch die heimische Blasmusik und die Trachtengruppen dürfen sich so eine Schober’sche Zierde an den Hut

stecken. Aber für Oktoberfesttrachtler, sagt der Hans, die den Bart nur zum Angeben brauchen, für die gebe er sich nicht her.

Stolz stülpt er sich jetzt seinen Werden-felser auf den Kopf, den neben einem Neun-zehner, der heuer bei der Olympiade in Mit-tenwald mitmachen wird, noch ein selbst - ge pflücktes Edelweiß schmückt. „Das sind halt Trophäen“, sagt er und zwinkert schel-misch mit dem linke Auge, „damit wird der Mann do glei’ viel mehr bewundert.“ 3

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