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DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT Schwerpunkt: OFFSPACES Dreispitz: IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ iaab: VERGABE DER STIPENDIEN # 3 Dezember 2013

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Das Kulturmagazin der christoph Merian Stiftung Schwerpunkt Offspaces

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Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

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AM FREILAGERPLATZ —

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

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c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

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Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

AM FREILAGERPLATZ —

ShoRTcuT #3AM

FREILAGERPLATZ — ShoRTcuT #3AM

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#3

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3 Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

Depot Basel, M

usterzimm

er von Karin H

ueber und David Schäublin. Bild: Flurin Bertschinger

h

c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

Page 3: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

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AM FREILAGERPLATZ —

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

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c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

Page 4: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

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AM FREILAGERPLATZ —

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

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c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

Page 5: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni– August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

AM FREILAGERPLATZ —

ShoRTcuT #3AM

FREILAGERPLATZ — ShoRTcuT #3AM

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3 Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

Depot Basel, M

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er von Karin H

ueber und David Schäublin. Bild: Flurin Bertschinger

h

c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

Page 6: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

AM FREILAGERPLATZ —

ShoRTcuT #3AM

FREILAGERPLATZ — ShoRTcuT #3AM

FRE

ILAG

ERPL

ATZ

— S

hoRT

cuT

#3

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3 Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

Depot Basel, M

usterzimm

er von Karin H

ueber und David Schäublin. Bild: Flurin Bertschinger

h

c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ1

Page 7: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

AM FREILAGERPLATZ —

ShoRTcuT #3AM

FREILAGERPLATZ — ShoRTcuT #3AM

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3 Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

Depot Basel, M

usterzimm

er von Karin H

ueber und David Schäublin. Bild: Flurin Bertschinger

h

c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

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Page 8: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni– August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

AM FREILAGERPLATZ —

ShoRTcuT #3AM

FREILAGERPLATZ — ShoRTcuT #3AM

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#3

Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG SHORTCUT

Schwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3 Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

Depot Basel, M

usterzimm

er von Karin H

ueber und David Schäublin. Bild: Flurin Bertschinger

h

c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

AM FREILAGER-

PLATZ

4

Page 9: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

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19

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15

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50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 10: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 11: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 12: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 13: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 14: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

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50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 15: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

2

520

10

1221

15

7

16

50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 16: Shortcut 3

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

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50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Bahnhof SBB

Museum für Gegenwartskunst

Kunstmuseum Basel

Badischer Bahnhof

Messeplatz

1114

14

3 17 6

18

9

22

19

8

13

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520

10

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15

7

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50 FRAGEN* ZU GALERIEN UND OFFSPACES IN BASEL

Wie gut kennen Sie die Szene der Galerien und Off-spaces in Basel? In 50 Fragen können Sie Ihr Wissen testen. Da es weder «die» Offspaces noch «die» Ga-lerien gibt, gehen Sie am besten so vor, dass Sie sich beim Beantworten konkret einen Ihnen bekannten Offspace und eine Galerie, die Sie kennen, vorstellen.

Wie funktioniert ein Offspace? •

Ermöglichen Offspaces experimentelle Kunstausstellungen?

Ist Basel eine Stadt der Museen und des Mäzenatentums?

Wer sind Roland und Oliver? •

Sind Offspaces «in»? •

Ist es in Basel verpönt, Geld zu verdienen?

Von was und von wem sind die Offspaces unabhängig?

Hat Basel punkto Kunstförderung ein anderes Selbstverständnis als

Zürich? •

Sind Galerien an Offspaces interessiert? •

Wer arbeitet mit wem zusammen? •

Bemühen sich junge Kunstschaffende um eine Galerievertretung?

Warum sind Offspaces nicht gewinn orientiert?

Ist die Galerie ein Auslaufmodell? •

Gibt es immer weniger Galerien in Basel?

Sind Offspaces kurzlebig und unverbindlich?

Leben Galerien länger? •

Besuchen nur junge Leute Offspaces? •

Ist ein Offspace mit einer Kunsthalle vergleichbar?

Sind Offspaces Luxus? •

Ist ein Offspace cooler als eine Galerie? •

Sind Offspaces dynamischer als Galerien?

Geben hundert Räume mehr Licht als ein Leuchtturm?

Kauft der Kunstkredit auch in Galerien an?

Kommen die Galerien in Basel nicht weiter?

FLATTERSCHAFFTSCHAFFT TAT.SACHEN

An der Solothurnerstrasse 4 im Gundeli feierte ein neues Atelierhaus für Kunst- und Kulturschaffende und Musiker Eröffnung, mit dazugehörigem Pro-jektraum und einem Lokal.

«Unser Inneres nach aussen. Wir sind noch nicht. Wir werden vielleicht. Bei uns.» So lau­teten die letzten Zeilen der Einladung in die Flatter­schafft während der Art Ba­sel im Juni 2013. Inmitten der Umbauphase öffnete der Verein das kleine Lokal im Erdgeschoss, um zu sa­gen: «Wir sind noch nicht – aber genau das ist das Interessante.» Inzwischen ist der Verein Flatterschafft mit seinem Haus an der Solothurnerstrasse 4 aber immer mehr und konkre­ter geworden: Im Erdgeschoss befinden sich das Lokal und der Projektraum, die Binde­glieder zwischen dem Treiben im Haus und der Öffentlichkeit. Flatterschafft organisiert Veranstaltungen als Basis für Austausch und Gespräche. Im Projektraum werden schöp­ferische Prozesse thematisiert und Einblicke in die Entwicklung von Projekten und die Konditionen des (kreativen) Schaffens ermög­

licht. Eine Arbeitsgruppe aus Ateliermietern und externen Mitgliedern kümmert sich um das Ausstellungsprogramm und entwickelt organisatorische Strategien für ein prozess­haftes Bespielen des Projektraums. Ziel ist es, Kunstschaffende, Musikerinnen, Besucher und

Organisatorinnen im Dia­log zusammenzubringen.

«Prozess» ist unser Credo, denn das vielseitig genutzte Gebäude vereint Schaffende aller Sparten des kreativen Arbeitens und setzt den Fokus auf Synergien. So musste je­der Mieter seinen eigenen Beitrag, im Sinn von Infra­struktur oder Knowhow, mitbringen und diesen für andere zugänglich ma­

chen. Der Verein wiederum versucht sich mit anderer Institutionen zu vernetzen.

Flatterschafft wurde Mitte Oktober mit 56 Musikern, Kunst­ und Kulturschaffenden offiziell eröffnet.

Mimi von Moss, Steven SchochMimi von Moss ist Künstlerin und Vorstandsmitglied im Verein flatterschafft. Steven Schoch ist Künstler und Co­Geschäftsleiter von flatterschafft.

FREIRAUM FLATTERSCHAFFTAls das junge Flatterschafft­Team im Herbst 2012 der Christoph Merian Stiftung seine Projektidee vorstellte, waren die Reaktionen durchweg positiv. Denn das Haus (und insbesondere der Projektraum) passte ideal zu zwei Schwerpunkten der Christoph Merian Stiftung: der Quartier­entwicklung Gundeli/Dreispitz sowie der Offspace­Förderung. Die Flatterschafft­Initiative hat

das Potenzial, sich zu einem echten Treffpunkt für verschie­dene Bevölkerungsgruppen im Gundeli mit Strahlkraft über das Quartier hinaus zu entwickeln und den tristen Hinterausgang des Bahnhofs zu beleben. Obwohl die Finanzierung zu Beginn nicht gesichert war, überzeugten Idee, Eigeninitiative, Kreativität und das Durchhaltevermögen der Initiantinnen. Die Eröffnung im

Oktober 2013 war «fulminant» und belebte kräftig das nüchterne Gebäude. Das lebendige Zusam­menwirken der Nutzerinnen und Nutzer verspricht, dass es auch nach dem Start nicht ruhig wird an der Solothurnerstrasse 4.

Monika Wirth

Projektleiterin Bereich Stadtentwicklung, Christoph Merian Stiftung

DEPOT BASELOFFSPACE AN NEUEM ORT

Wir sind keine Messe. Wir sind kein Festival, kein Museum, kein Showroom, keine Galerie. Wir sind ein temporärer Ort für kontemporäre Gestaltung, mit den besten Absichten.

Die Idee von Depot Basel war bei seiner Gründung im Jahr 2011 unkonventionell, neu und nicht einfach zu vermitteln. Entsprechend fiel die Beschreibung des Vorhabens durch Abgrenzung am leichtesten. Auch nach zwei erfolgreichen Jahren im Silogebäude auf dem Erlenmattareal und einem Gastspiel an der Uferstrasse 90 im Hafen bleibt es schwierig, dem umfassenden Anspruch und Inhalt des Konzepts mit einer knappen und knackigen Definition Genüge zu tun: trotz und gerade wegen über 20 Ausstellungen, Ereignissen, Workshops, Einblicken, Filmvorführungen, trotz der Verleihung des Basler Kulturförder­preises 2012 und des Eidgenössischen Design Awards 2013.

Wir möchten die Vielfalt gestalterischer Arbeit in allen Facetten sicht­ und erfahrbar machen, alle Ausprägungen des gestalteten Gegenstandes – zwischen Gebrauchsding, Er­

zeugnis mit gesellschaftlichem, politischem oder wissenschaftlichem Anspruch und Kunst­objekt – beleuchten, ohne beim Blick auf Zeit­genössisches das Vergangene aus den Augen zu lassen. Uns interessieren die Geschichten, die Menschen mit Dingen verbinden, und wir möchten zeigen, wie viel Design mit jedem zu tun hat. Vor allem jene Bereiche der Ge­staltung sollen im Zentrum stehen, die dem Käufer beim Erwerb eines Produkts oft verbor­gen bleiben: insbesondere die Macherinnen und Macher, deren Ideen und Konzepte, die Herstellung, das Handwerk und relevante Pro­zesse. Denn jedem geschaffenen Gegenstand geht ein Gestaltungsprozess voraus. Bisweilen ist er sogar wichtiger als das Objekt, das aus ihm resultiert.

Uns ist es wichtig, in Ausstellungen nicht nur kontemporäre Entwürfe zu zeigen, son­dern auch Prozesse darzulegen, dem Besucher den Bezug und das Verständnis des Gezeigten zu ermöglichen und ihm die persönlichen Ge­schichten zugänglich zu machen, die hinter den Exponaten stehen. Dazu werden etwa

OSLO10Der Raum OSLO10 bietet 2013/2014 ein Pro­gramm, das Kunst und Musik in hybridem Zusammenspiel zeigt. Das Organisatorenteam gibt einer nicht zeitgebundenen und expe­rimentellen Kunst Raum und Auftrittsmög­lichkeiten. Unter dem Label OSLO10 werden

Happenings, Konzerte und Ausstellungen durch Veröffentlichungen und Gesprächsrun­den begleitet und in Form von Publikationen, Tonträgern, Künstlereditionen und Radiosen­dungen verbreitet.

REVUE OU – POESIE SONORE – POESIE OUVERTE – POESIE KONKRET 1964 – 1974

Ausstellung vom 22.11.2013 – 25.1.2014, Do – Sa 16:00 – 19:00

Henri Chopin war seit Beginn der 1960er­Jahre mit seiner Künstlerzeitschrift REVUE OU und dem gleichnamigen Verlag COLLECTION OU der Knotenpunkt künstlerischer Strö­mungen, die in verschiedenen Medien und durch eigenwillige Techniken eine eigene Sprache der Abstraktion entwickelten.

Dutzende verschiedener Künstler (Brion Gysin, William S. Burroughs, Paul de Vree, Francoise Janicot, Åke Hodell, Anna Lock­wood, Man Ray u.v.a.) veröffentlichten in der OU eigenständige künstlerische Beiträge. Diese Mappenwerke, gefüllt mit losen Blät­tern, Siebdrucken, Poster, Leporellos und sogar dreidimensionalen Objekten wie einer Schallplatte, als «Zeitschrift» zu bezeichnen, ist unzureichend. Schon eher erinnern die Konvolute an die Boîtes­en­valise von Marcel Duchamp oder die Fluxkits der Fluxus­Bewe­gung, die verschiedenartige Inhalte in einem materiellen Träger zusammenfassen.

Die REVUE OU funktioniert auf verschie­denen Ebenen: zum Sehen, zum Lesen und zum Hören. Diese einzelnen Zuordnungen lassen sich meist nicht voneinander trennen. So sind Partituren der Lautdichtungen und der akustischen Kunst parallel auf Postern oder Siebdrucken enthalten, Texte sind so abenteuerlich gestaltet, dass sie auch als Bild wirken, oder Performances, die im Zusam­menhang mit der OU stattfanden, sind in der Zeitschrift dokumentiert.

In dieser editorischen Singularität wurde auch der Humor zelebriert. In der Publikati­on waren Wortspiele in Form von Kleidungs­ansteckern, ein Klang­Hut, kombinatorische Dichtung in kleinen Briefumschlägen oder karikaturistische Miniaturen im Inhaltsver­zeichnis zu finden. Eine Ausgabe enthielt so­gar ein Brettspiel, auf dem die Geschichte der OU auf spielerische Weise vermittelt wurde.

Henri Chopin und die OU geisterten in den letzten Jahren durch den zeitgenössischen Ausstellungsbetrieb. Exemplare der OU oder Werke von Henri Chopin waren beispielsweise im Museum Weserburg (Bremen), im MACBA (Barcelona) oder im ZKM (Karlsruhe) zu se­hen. Eine umfangreiche Retrospektive der kompletten OU sowie des damit zusammen­hängenden internationalen künstlerischen Netzwerks wurde aber bisher noch nicht un­ternommen.

Die geplante Ausstellung könnte – 50 Jahre nach Erscheinen der ersten Ausgabe der OU – dazu beitragen, ein wichtiges, ein bisher zu wenig beachtetes Kapitel der Nachkriegsavant­garde aufzuarbeiten und einen historischen Kontext für aktuelle Strömungen experimen­teller Kunstformen zu formulieren.

Gilles Furtwängler, Franziska Glozer, Emanuel Rossetti und Michael Zaugg sind die Kuratoren im Projektraum OSLO10 von 2013 bis 2015.

A ROLAND FOR AN OLIVEREIN KATALOG DER BASLER PROJEKTRÄUME

Menschen in den Gestaltungs­ und Produk­tionsprozess involviert oder zu Diskussionen über die verschiedenen Facetten von Design eingeladen. Die Ergebnisse der Workshops und des Austausches wiederum fliessen in die Ausstellungen und Dokumentationen ein. So soll das Publikum für Fragen im Zu­sammenhang und im Umgang mit Material, Handwerk, Gestaltung, Wert und Wertigkeit sensibilisiert werden.

Wenn Gestalterinnen und Gestalter vor Ort entwerfen und produzieren, wenn ein Gross­vater mit seinem Enkelkind vorbeikommt und auf einen Gestalter trifft, wenn Generationen untereinander in einen Diskurs kommen und Gestalterinnen mit den Konsumenten in Kon­takt treten, dann hat Depot Basel jene Brücke zwischen Design und Alltag geschlagen, die notwendig ist.

Diesen Brückenschlag wird Depot Basel nun für drei Jahre am neuen Standort am Voltaplatz 43 in einer ehemaligen Wechselstu­be wagen. Die rund 60 Quadratmeter ehema­lige Ladenfläche mit zweiseitiger Schaufens­terfront werden Ausstellungsort, Veranstal­tungsort, Werkstatt und Büro sein. In dem sich entwickelnden Quartier, mit der Novartis in direkter Nachbarschaft und zahlreichen Cafés, Restaurants, Läden und Offspaces in der Um­gebung soll Depot Basel – und damit auch die zeitgenössische Gestaltung – mitten in der Stadt sichtbar und erlebbar werden. Depot Basel – das ist Gestaltung, Handwerk, Aus­stellung, Werkstatt, Vortrag, Film und Dialog.

Rebekka Kiesewetter, Matylda Krzykowski, Laura Pregger, Elias Schäfer und Moritz WaltherIm Team von Depot Basel sind Designerinnen, Jour­nalisten, Bloggerinnen, Designtheoretiker, Ökonomin­nen, angehende Kulturmanager und Kuratorinnen. Sie verbinden Theorie mit Praxis. Ihr gemeinsamer Nenner ist das Interesse an Gestaltung und deren ge­sellschaftlichen Dimensionen.

Aktuell: «CHANGES – CHANCEN»

Gespräch, Ausstellung & Publikation, 22.11. – 15.12.13

Fünf Schweizer Gestalter aus verschiedenene Ge­nerationen und mit unterschiedlichen beruflichen Hintergründen haben sich im Depot Basel zum Austausch über den Arbeits­, Produktions­ und De­signstandort Schweiz getroffen. (Mit: Verena Huber, Claude Lichtenstein, Jörg Boner, Stefan Rechsteiner und Meret Probst.)

Depot Basel illustriert den Ablauf und die Ergeb­nisse des Gesprächs und lanciert eine Publikation mit Auszügen aus der Diskussion und zusätzli­chen schriftlichen und bildlichen Kommentaren von verschiedenen Autoren. (Mit: Trix & Robert Hauss mann, Hansjörg Maier­Aichen, Adam Štech, Tido von Oppeln, Jesko Fezer und Friedrich von Borries, Frédéric Dedelley, Köbi Gantenbein u.a.)

Während es im Rahmen der Diskussion und der Pu­blikation auch um den Austausch von Wissen, um die Weitergabe und den Wandel von Werten geht, thematisieren fünf fotografische Positionen den physischen Übergang von der einen in die nächste Generation. Sie beleuchten, wie und welche Dinge weitergegeben werden – u.a. in Porträts von Men­schen mit geerbten und zu vererbenden Gegenstän­den. (Mit: Gregor Brändli, Gina Folly, Sophie Jung, Moritz Lehner, Anne Gabriel­Jürgens & Marvin Zilm.)

DIE SCHWARZWALDALLEEEIN ZWISCHENBERICHT

«Wieso die immer so spät kommen müssen», wundert sich Daniel Karrer, Künstler und Gründungsmitglied des Basler Ausstellungs­raums Schwarzwaldallee, schmunzelnd über die am Vorabend stattgefundene Finissage, der ein besonderer Charakter innewohnte: Sie war die letzte Veranstaltung am Ursprungsort des Ausstellungsraums auf dem NT­Areal in Klein­basel, wo sich nun in kürzester Zeit aus einem kaum zugänglichen industriellen Brachland am Stadtrand eine vollintegrierte städtische Landschaft zu formen scheint.

Unter den Gästen waren «viele bekannte Gesichter, aber auch neue Leute», so Daniel Karrer. Künstler, Kreative und Freunde waren zusammengekommen, um sich wiederzu­sehen, zu feiern und die Schwarzwaldallee zu verabschieden von dem Ort, an dem alles begonnen hatte. Der Offspace hatte sich hier in der Nische regionaler Stadtentwicklung

zwischen Unort und Ort entfaltet, sich einge­nistet als eine Art positiver Parasit. Während die anliegende Strasse geöffnet wurde und sich als kostenfreie Parkmöglichkeit rumge­sprochen hat, bricht der Ausstellungsraum zu neuen Ufern auf.

Per November 2013 zog die Schwarzwald­allee in die Räumlichkeiten einer ehemali­gen Postfiliale ein, zentral am Voltaplatz gele­gen. An der Seite des alten­neuen Nachbarn Depot Basel wird sie das St. Johanns­Quartier die nächsten drei Jahre kulturell bereichern. «Dank der Vermittlung des Vereins für Zwi­schennutzung ‹unterdessen› haben wir diese tollen neuen Räume gefunden», freut sich Dominique Berrel, selbstständiger Grafiker und Gründungsmitglied. Er richtete dort neue Arbeitsplätze für Freischaffende ein. Zusammen mit dem Künstler Daniel Kurth, ein neues Teammitglied, musste noch viel ge­

DOCKARCHIV, DISKURS- UND KUNSTRAUM

DOCK ist quasi ein Meta­Offspace: Hier wird Kunst archiviert, vermittelt, gezeigt und disku­tiert. Entstanden aus einer Künstlerinitiative, umfasst das DOCK-Künstlerarchiv aktuell rund 270 Positionen unterschiedlicher Gene­rationen und Gattungen. Sowohl vor Ort als auch in einer webbasierten Datenbank gibt es hier Einblick ins aktuelle Kunstgeschehen der Region.

Das DOCK-Archiv bietet einen repräsenta­tiven Einblick in die künstlerische Produktion in und um Basel. Künstlerinnen und Künstler können aktuelles Dokumentationsmaterial in einer physischen Archivbox präsentieren und sich ins Online­Verzeichnis eintragen. Im September 2013 wurde ein neuer, attraktiver

Web­Auftritt mit Künstlerdatenbank lanciert. DOCK bietet so allen Kunstinteressierten leicht zugängliche Informationen über das aktuelle Kunstschaffen in Basel und der Regi­on sowie die entsprechenden Kontakte.

DOCK versteht sich nicht nur als Doku­mentationsstelle, sondern auch als Treffpunkt.

Es gibt einen funktionalen und ruhigen Ar­beitsplatz, eine Kontaktperson vor Ort berät Ausstellungsmacher, Kunstkritikerinnen und alle Interessierten. Für Gruppen (Firmen, Schulen etc.) und andere Gäste veranstaltet sie Führungen.

DOCK ist auch ein Ort für Ausstellungen, Werkgespräche und Diskussionen. Die grossen Schaufenster werden mit verschiedenen For­maten bespielt. Im Herbst 2013 startete eine neue Reihe mit dem Namen « Gastspiel». Dabei agiert DOCK als Gastgeber, der einerseits of­fen ist für spontanen Besuch und andererseits aktiv Gäste einlädt. Unter dem Titel « Traces from iaab» stellen Gastkünstler von iaab zwei­mal pro Jahr ihre Arbeiten vor. DOCK wird getragen vom gemeinnützigen Verein Doku­

mentationsstelle Basler Kunstschaffender. Der Vorstand setzt sich zusammen aus den Kunst­schaffenden Ruth Buck, Marica Gojevic, Denis Handschin, Rosanna Monteleone, Katharina Good und Tom Senn (Beirat).

Die permanente Präsenz in Form einer öf­fentlich zugänglichen Dokumentation sowie eines webbasierten Künstlerverzeichnisses ist für die Basler Kunstschaffenden sehr wichtig. DOCK ist der einzige professionell geführte Ort, wo sich Interessierte (vor allem Kurato­ren) über die lokale Kunstszene informieren können.

Christoph Meneghetti

(ST)OFF, AUS DEM DIE (T)RÄUME SIND

Die Bezeichnung Offspace suggeriert, dass es sich hier um ein Phänomen am Rande des grossen Geschehens handelt. Doch die Marginalität ist nur eine scheinbare. Viele Augen des Kunst- und Kul-turlebens richten sich auf diese lebendige Szene.

«off» war ursprünglich der Begriff im New Yorker Showbusiness für Produktionen abseits des zentralen Schauplatzes Broadway. Im eng­lischen Sprachraum ist seine Verwendung auf die Theaterszene begrenzt, während er in der Schweiz und in Deutschland im Kunstkontext auftritt. In diesem Präfix ist pointiert gefasst, was all diese Projekte im Kern vereint: Es sind nichtinstitutionelle, unabhängige Initiativen der Kunstszene.

Visionen anderer RäumeOft werden die Orte der freien Kunstszene in Foucaults Sinn als Heterotopien, als «andere Räume», bezeichnet. Einen Funken Utopie mögen diese freien Kunsträume tatsächlich enthalten. Weit weniger verbreitet ist jedoch das Verständnis für die Motivation, selbst einen solchen Raum zu betreiben. Oft wird man als Betreiberin mit erstaunten Fragen konfrontiert wie: Seid ihr eine Galerie? Werdet ihr bezahlt? Und wenn man verneint, kommt die noch verblüfftere Frage: Warum macht ihr das? Doch die nichtkommerzielle Ausrichtung ermöglicht erst eine Freiheit zum Experiment mit nicht etablierten künstlerischen Positi­onen und neuen Formen der Ausstellung. Fehlende Verkäuflichkeit oder Akzeptanz der gezeigten Kunst ist hier kein Ausschlusskrite­rium – gerade deshalb sind Offspaces Räume für Visionen.

Bei diesem hohen Grad an Selbstbestimmt­heit es nicht verwunderlich, dass sich die Räu­me hinsichtlich ihrer Organisationsstruktur, des kuratorischen Konzepts sowie der Wahl

der Ausstellungs­ oder Veranstaltungsorte stark voneinander unterscheiden. Schon eine kleine Auswahl Schweizer Offspaces zeigt ein Spektrum verschiedenster Ausrichtungen: Kasko (Basel) fokussiert auf performative Po­sitionen, Depot (Basel) bietet eine Plattform für Design und Gestaltung, Tom Bola (Zü­rich) hat das Losverfahren zum kuratorischen Konzept erhoben, deuxpiece (Basel, New York, Berlin) ist wiederum ein nomadisches Aus­stellungsprojekt mit drei Standorten, und das Zwischennutzungsprojekt Flatterschafft (Basel) vereint Atelierhaus, Ausstellungsort, Kunstvermittlung und Konzertbühne unter einem Dach. An der Vielfalt der Ansätze ist das Bedürfnis und Potenzial dieser selbstor­ganisierten Initiativen ablesbar.

Courbets ErbeDer Versuch, abseits der Institutionen Kunst zu zeigen, blickt auf eine lange Geschichte zurück – und diese ist sehr politisch. Als Vor­läufer der Offspaces können zum Beispiel die deutschen Kunstvereine gelten, durch die es dem Bürgertum im 19. Jahrhundert gelang, die Vormachtstellung des Adels auf dem Kunstmarkt abzulösen. In Frankreich rief die Société des Artistes Indépendants 1884 den Salon des Indépendants ins Leben und stellte damit die Definitionsmacht der Académie in­frage. In Wien schuf 1887 die Secession einen Ausstellungsraum jenseits des konservativen Künstlerhauses. Gustave Courbet organisierte bereits 1855 in Eigenregie und auf eigene Kos­ten die Ausstellung «Réalisme: G. Courbet» samt Katalog. Diese unterschiedlichen Vorläu­fer eint die folgenreiche Leistung, neue, dem Geschmack des Establishments nicht gemässe Kunst ungeachtet der künstlerischen und fi­nanziellen Risiken sichtbar gemacht zu haben.

Weg vom «off»Die modernen, unabhängigen Kunsträume, die ab den späten 1960er­Jahren zuerst in USA und England als «artist­run spaces» und sukzessive in anderen europäischen Ländern entstanden, verstanden sich oft als politisch subversiv und oppositionell zum übrigen Kunstbetrieb. Heute ist zumindest in der Schweiz zu beobachten, dass sich viele von der Bezeichnung Offspace distanzieren. Sie be­vorzugen Namen wie Projektraum, Produzen­tengalerie, selbstorganisierter, unabhängiger, nichtkommerzieller Kunstraum. Dies liesse sich als Scheu vor Vereinheitlichung deuten. Doch auch der Begriff «alternativ» hat nicht mehr Konjunktur. Die heutigen Offspaces verstehen sich weniger als Gegenposition oder Infragestellung des Kunstbetriebs denn als komplementäre Elemente innerhalb der Kunstwelt. Sie sind sich ihrer Rolle und ihres Beitrags sehr bewusst: Sie schliessen Lücken zwischen den Institutionen und dem Markt, zwischen der Kunstschule und der Karriere, zwischen Künstlerinnen und Kuratorinnen, zwischen zeitgenössischer Kunst und dem Publikum. Darüber hinaus fungieren sie als Ideenpool und Karriereschmiede für die Ins­titutionen. Diese übernehmen gerne die inno­vativen Formen des Ausstellungsmachens, die von den Kunsträumen «entdeckten» Künstler oder auch das durch diese Eigeninitiative «kos­tenlos» ausgebildete Personal.

Dabei handeln die Akteure der freien Kunstszene in einer finanziell extrem pre­kären Situation, da sie auf projektbezogene Förderung von Stadt, Kanton und Bund (Pro Helvetia) oder privaten Stiftungen angewiesen sind. Das bedeutet ein hohes Mass an nicht entlohnter Arbeit und wenig Planungssicher­heit. In den letzten Jahren entstanden in meh­reren Ländern politische Zusammenschlüsse von Kunsträumen, die eine strukturelle För­derung ihrer Aktivitäten fordern. Die von Stefan Wagner, Betreiber des Corner College (Zürich), lancierte Petition «Hundert Räume

geben mehr Licht als ein Leuchtturm» protes­tierte gegen die Streichung des Preises für freie Kunsträume von Pro Helvetia. Das Berliner Bündnis Haben und Brauchen argumentiert direkt mit dem wirtschaftlichen Mehrwert, den die freie Kunstszene generiert, und schlägt eine Touristensteuer vor. In Norwegen ist man einen Schritt weiter: Dort führt das Kultus­ministerium, angeregt von einer Initiative der Unge Kunstneres Samfund (Vereinigung junger Künstler), eine Modellstudie durch, in welcher fünf Offspaces über die Dauer von drei Jahren strukturell gefördert werden.

Damit die Offspaces nicht weiterhin ins Ab­seits gedrängt werden und nicht ein Grossteil der Energien für die komplizierte Beantra­gung von Mitteln verloren geht statt in in­haltliche Arbeit zu fliessen, sollte die hier ge­leistete Arbeit auch finanzielle Anerkennung erhalten. Vielleicht könnten sich die privaten und staatlichen Förderer ein Stück weit von dem visionären Mut der freien Akteure an­stecken lassen.

Stefanie Bringezu und Claire HoffmannStefanie Bringezu ist Kunstvermittlerin, sie arbeitet in der Städtischen Galerie Dresden und seit 2013 bei deuxpiece.

Claire Hoffmann ist Kunsthistorikerin, sie arbeitet am Kunsthaus Zürich und ist seit 2010 Mitbetreiberin von deuxpiece.

tan werden: Alte Schalterflächen – aus Stahl, Stein und Panzerglas – wurden entfernt, neue Wände eingezogen und das alte Interi­eur nutzbringend saniert. Die grosszügigen Räumlichkeiten der alten Post bieten neue Dimensionen für das aufstrebende Team: «Die Schwarzwaldallee versteht sich als agi­les künstlerisches Experimentierfeld, in und auf dem vieles bereits möglich wurde und in und auf dem in Zukunft grundsätzlich alles möglich sein sollte», so Lorenz Wiederkehr, an­gehender Kunsthistoriker und Teammitglied der ersten Stunde.

Von Offspace spricht intern eigentlich nie­mand. Vielleicht ist der Begriff einfach zu alt, zu etabliert. Eher sind es einzelne Merkmale, die dem Ausstellungsraum seine Kraft und sein Charisma verleihen: eine starke visuelle Identität, die Karin Borer, einziges weibliches Teammitglied, und Dominique Berrel seit den Anfängen 2011 kontinuierlich verfolgen, ein stimmiges Programm und nicht zuletzt ein authentisches, freundschaftliches Team, das ohne Hysterie und mit Hingabe Kunst und

Kultur vermittelt. In den kommenden drei Jahren am Voltaplatz soll vermehrt auf ein multidisziplinäres Programm aus bildenden Künsten gesetzt werden, das sich abwechselt mit Konzerten und Screenings. «Neben Ver­nissagen und gängigen Öffnungszeiten sol­len Talks und Führungen für eine dezidierte Vermittlung sorgen und unser angebotenes Programm vertiefen», sagt Karin Borer. Letzt­lich scheint die Schwarzwaldallee in eine neue Rolle zu wachsen, weg vom Offspace und hin zum Openspace. Ende offen.

Herzlichen Dank an Martin Josephy für das gute Gespräch.Natalia SuwalskiNatalia Suwalski ist freischaffende Produktdesignerin und schreibt neben ihrer gestalterischen Tätigkeit für diverse Zeitschriften und Institutionen in den Berei­chen Design und Kultur.

An den Rändern der Stadt und des Kunstbetriebs findet man sie: Orte für kollaborative Experimente mit offenem Ausgang, für leise Töne ebenso wie für explosive Innovation. Offspaces, kura­torische Initiativen in selbstorganisierten Kunsträumen, bilden eine wichtige Alternative zu den etablierten, staatlichen, grossen und permanent geförderten Institutionen. In dieser «Shortcut»­Ausgabe bieten wir Basler Offspaces und verwandten Projekten eine Plattform und stellen unsere Fördermassnahmen vor.

Was sind günstige Voraussetzungen für eine relevante junge Kunstproduktion? Der Kunst­kritiker, Verleger, Essayist und Schauspieler Patrick Frey antwortete darauf in einem Inter­view mit dem Schweizer Fernsehen: «Ein gut funktionierendes kulturökonomisches Netz­werk, das Ausbildungsstätten und Art Spaces, die trotz Professionalisierung natürlich immer noch auf dem Prinzip der Selbstausbeutung beruhen, mit dem kommerziellen Kunstmarkt verbindet.»

Die Inspiration und Initiative für diese Räume kommt immer aus privatem Engage­ment. Dieses bleibt unersetzlich und unbe­zahlbar. Für staatliche und private Förderer gilt es aber, sich Folgendes zu überlegen: Was kann man mit finanziellen Beiträgen bewir­ken, damit engagierte Initiativen zur Geltung kommen? Förderer sollten nicht neue Angebo­te mit inhaltlichen Vorgaben herbeizwingen, sondern eine Situation schaffen, in der es sich für Akteure lohnt, ein Wagnis einzugehen.

In der ihre Mühe und Arbeit mit Erfolg be­lohnt wird.

Was aber ist ein erfolgreicher Offspace? Die gesellschaftlichen Wirkungen rund um Offspaces sind vielfältig und haben nichts mit der Frage zu tun, was gute Kunst ist. Offspaces sind Räume, in denen Erfahrungen gemacht, Ereignisse erlebt und Erfolge gesammelt wer­den. Dies gilt sowohl für Künstler, Kuratorin­nen, Vermittler, Veranstalterinnen, Helfer als auch für Besucher. Es sind Orte, von deren Ausstrahlung die Beteiligten und das Umfeld profitieren und wo hoffnungsvolle Karrieren starten. OSLO10 ist ein Beispiel für Kuratoren­förderung im Offspace­Format. Ausgewählte Kuratorenteams können zwei Jahre lang, mit Betriebsbudget und Honorar ausgestattet, eine konstante Ausstellungstätigkeit entwickeln, die sie für weitere berufliche Stationen qua­lifiziert.

Offspaces basieren auf privatem Engage­ment und strapazieren dabei personelle und

finanzielle Ressourcen. Sie gehen an die Gren­zen und aufs Ganze und sind ganz wesentlich prekär – was sich auch in ihrem Image und einer Tätigkeit widerspiegelt, die keiner etab­lierten Institution in derselben Weise gelingen kann. In der Regel tut sich das niemand lange an, sondern sucht nach etwa vier Jahren eine neue Form der künstlerischen Arbeit. Es gilt also, das Beste aus dieser intensiven Zeit he­rauszuholen und die Förderung diesem Um­stand anzupassen. Die Betreiber brauchen Sicherheit, um planen zu können, sie brau­chen Geld ohne übertriebenen bürokratischen Aufwand und sie verdienen eine Form der Be­treuung, die ihnen hilft, Risiken abzuschätzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.

Das kulturökonomische Netzwerk wird stärker, je mehr Knoten und Kontakte es gibt. Gerade die kuratorische und künstleri­sche Tätigkeit lebt vom Austausch, vom Zu­sammenspiel und von Kollisionen. Je grösser und variantenreicher das Experimentierfeld ist, desto fruchtbarer ist der Nährboden für Künstler und Kunstwirtschaft.

Die Christoph Merian Stiftung fördert seit vielen Jahren Offspaces, im Jahr 2013 inves­tiert sie chF 175 000.– in diesen Bereich. In der Prüfung der Gesuche stehen nicht inhalt­liche Kriterien zuoberst; wichtiger sind die Erfolgschancen und Anknüpfungspunkte innerhalb der Kunstszene. Ziel ist es, für die Stadt Basel, ihre Künstler und ihre Kunstinte­ressierten eine möglichst grosse Wirkung zu erzielen. Wir haben uns dafür entschieden, in diesem Netzwerk die Vielfalt zu fördern

und konzentrieren nicht grosse Beträge auf einige wenige Leuchttürme. Es gibt weder inhaltliche Vorgaben noch eine Alterslimi­te, weder Ausschreibungen noch Deadlines. Sondern wir reagieren auf Gesuche und sind offen für Gespräche. Die Unterstützung ist auf drei Jahre beschränkt, danach muss ein Jahr ausgesetzt werden. Dies soll eine Abhän­gigkeit verhindern, und wir Förderer vermei­den damit, dass unsere Mittel in dauerhaften Subventionen gebunden sind und keinen neuen Initiativen zugutekommen. So verstan­den ist unsere Offspace­Unterstützung eine Grassroots­Förderung – während Pro Helvetia für Kunsträume erst dann Geld spricht, wenn bereits ein professioneller Leistungsausweis (während mindestens drei Jahren) und ein kontinuierlicher Ausstellungsbetrieb gegeben sind. Anders als bei anderen Förderinstitutio­nen können unsere Beiträge auch für Betriebs­ und Infrastrukturkosten verwendet werden.

Auf diesen «Shortcut»­Seiten stellen sich Basler Offspaces vor. Einen Überblick ver­schafft die Karte von «A Roland for an Oliver». Claire Hoffmann und Stefanie Bringezu be­leuchten in ihrem Essay die Eigenheiten die­ser Räume und Françoise Theis geht einem Thema nach, das dieser Text bisher ausge­blendet hat: Welche offenen Fragen gibt es zwischen kommerziellem Kunstmarkt und Offspaces?

Christoph Meneghetti

Führt der Weg zu einer eigenen Galerie über einen Offspace?

Geht ein Offspace kein finanzielles Risiko ein?

Fördern die Galerien junge Kunst? •

Sind Offspaces sozial gerechter? •

Kaufen Sammler lieber an der Art Basel?

Haben Galerien wenig Besucher? •

Ist es suspekt, mit Kunst Geld zu verdienen?

Soll nicht marktkonforme Kunst von Pro Helvetia unterstützt werden?

Sind Offspaces nomadisch, wandelbar und unvorhersehbar?

Warum kauft ein Basler Sammler ein Kunstwerk eines Basler Künstlers

in New York? •

Wo finden sich schnell Informationen über aktuelle Ausstellungen in Galerien

und Offspaces? •

Können Fördergelder hemmend sein? •

Wieviele Offspaces gibt es in Basel? •

Warum will ein Offspace an die Art Basel?

Sind Galerien mutig? •

Sind Offspaces Experimentierfelder für Kuratorinnen?

Müssen sich Galerien «wirklich etwas überlegen»?

Warum gibt es ausser dem Season­Opening keine gemeinsamen

Aktivitäten der Basler Galerien? •

Gibt es in Basel über 50 Galerien? •

Machen Offspaces den Galerien Konkurrenz?

Besucht ein amerikanischer Sammler in Basel die Museen, nicht aber Galerien

und Offspaces? •

Funktioniert ein Offspace als Startrampe für junge Kunstschaffende?

Gibt es in Basel vergleichsweise viele Offspaces?

Verstehen Galeristinnen sich als Manager der Galerie­Künstler?

Darf ein Offspace nicht selbst tragend sein?

Sind Offspacer Idealisten? •

Françoise TheisFrançoise Theis ist Kunstwissenschaftlerin und in der Kunstvermittlung (Texte, Ausstellungen, Führungen) tätig. www.vedarte.ch

*In Gesprächen über das eigene Selbstverständnis und die Wahrnehmung der anderen Form von Ausstellungsraum mit Galeristen und Personen, die sich in Offspaces engagieren, hat sich ein breites Spektrum an Meinungen und Behauptungen auf­getan. Diese wurden in 50 Fragen umformuliert.

OFFSPACESSCHWERPUNKT

«A Roland for an Oliver» richtet den Scheinwerfer auf Orte und Projekte, die im Schatten der renommierten Häuser und Messegebäude Impulse für eine vielfältige und lebendige Kunstszene geben. Er faltet eine andersartige Karte der Kulturstadt Basel auf und entwirft einen divergenten Kunstraum, der auf Entdeckung und Erschliessung wartet. «A Roland for an Oliver» erscheint seit 2011 und stellt nichtkommerzielle Projekträume aus dem Bereich der Kunst vor. Er orientiert über deren Konzepte, Ausstellungen und Veranstaltungen. Die jährlich erscheinende Printausgabe ist das ganze Jahr über in den meisten Räumen erhältlich, die Website ( arolandforanoliver.ch) dazu wird laufend aktualisiert.

HOTAVANTGARDEHOTHOTDas Buch zum Programm OSLO10, 2011 – 2013, kuratiert von Simone Neuenschwander und Christiane Rekade.Online erhältlich unter: www.blurb.de

1 Ausstellungsraum Klingental Kasernenstrasse 23, 4058 Basel ausstellungsraum.ch

2 bblackboxx Freiburgerstrasse 36, 4057 Basel bblackboxx.ch

3 BelleVue Breisacherstrasse 50, 4057 Basel bellevue­fotografie.ch

4 Cargo Kultur Bar St. Johanns­Rheinweg 46, Basel cargobar.ch

13 lhommage Theaterstrasse 7, 4051 Basel lhommage.org

14 MATRIX St. Johanns­Vorstadt 38, 4056 Basel matrixdesign.ch

15 New Jerseyy Hüningerstrasse 18, 4056 Basel newjerseyy.ch

16 OSLO10 Oslostrasse 10, 4142 Münchenstein oslo10.ch

17 Plattfon Stampa Feldbergstrasse 48, 4057 Basel plattfon.ch

18 Projektraum M54 Mörsbergerstrasse 54, 4057 Basel visarte­basel.ch

19 SALTS Hauptstrasse 12, 4127 Birsfelden salts.ch

20 Schwarzwaldallee Voltastrasse 41, 4056 Basel schwarzwaldallee.ch

21 Villa Renata Socinstrasse 16, 4051 Basel villa­renata.ch

22 ZIP Wettsteinallee 71, 4058 Basel ausstellungsraum­zip.blogspot.com

5 Depot Basel Voltastrasse 43, 4056 Basel depotbasel.ch

6 DOCK Klybeckstrasse 29, 4057 Basel dock­basel.ch

7 Filter4 Einfahrt Reservoirstrasse, 4059 Basel filter4.ch

8 flatterschafft Solothurnerstrasse 4, 4053 Basel flatterschafft.ch

9 Gallery Daeppen Müllheimerstrasse 144, 4057 Basel gallery­daeppen.com

10 Hebel_121 Hebelstrasse 121, 4056 Basel hebel121.org

11 HeK@KECK Kiosk Klybeckstrasse 1b, 4057 Basel haus­ek.org, k­eck.ch

12 invitro Gerbergasse 24, 4001 Basel niel­thaler.com

Projekte mit wechselndem Standort: deuxpiece, deuxpiece.com FALKO, raumfalko.blogspot.ch I Never Read, ineverread.com LASSO, lassomagazin.ch

g Der neue Standort von Depot Basel am Voltaplatz 43 c Depot Basel: Laura Pregger, Elias Schäfer, Moritz

Walther, Matylda Krzykowski, Rebekka Kiesewetter

Flatterschafft an der Solothurnerstrasse 4

c Hinter diesen Postfächern wird nun Kunst gezeigt. g Vernissage in der «alten» Schwarzwaldallee – im

Hintergrund die Installation «Far off the beaten track» von Pascale & Arienne Birchler.

Page 17: Shortcut 3

Zum 134. Mal erscheint Ende Januar das « Basler Stadtbuch». Was war 2013 wichtig für Basel? Welche Ereignisse und Begeben­heiten blieben in Erinnerung? Welche wichtigen Jahrestage galt es zu würdigen und von welchen Persönlichkeiten mussten wir Abschied nehmen? All dies kann man im Basler Stadtbuch nach­lesen. Die Beiträge des Schwer­punktthemas «Basel: in – out»

befassen sich dieses Mal mit der Logistik. Eine Stadt will versorgt werden: mit Energie, Waren, Lebensmitteln. Und was passiert eigentlich mit dem Abfall und dem Abwasser, welche wir alle hinterlassen? Das Stadtbuch gibt Antworten. Die Vernissage findet am 27. Januar um 18.30 Uhr in der Markt­halle beim Bahnhof SBB statt.

BASLER STADTBUCH 2013 – «BASEL: IN – OUT»

HeK: Workshopraum

HeK: AusstellungsraumHeK: Büroräume

Foyer / Café

Durchgang zu OSLO10

HeK: Veranstaltungsraum

Ateliers

Ateliers

TreppenhausEingang

iaab: Ausstellungsraum

iaab: Gemeinscha�sküche /Projektraum

OG

EG

UG

iaab: Wohnateliers

EDITORIAL—

Ein «Shortcut» zum Offspace – dem Schwerpunkt dieser dritten Ausgabe des Kulturmagazins der Christoph Merian Stiftung – befördert Sie, liebe Leserin, lieber Leser, keineswegs auf schnells­tem Weg ins Off, sondern vielmehr mitten hinein. Hinein in eine lebendige Szene engagierter Kulturschaffender. Offspaces sind unabhängige Räume für zeitgenössische Kunst und ein wichtiger Faktor in der Basler Kunstszene. In «Shortcut» kom­men die Akteure selbst zu Wort und stellen sich vor. Darüber hinaus berichten wir über die Hintergründe unserer Kultur­förderpraxis. Vielleicht entdecken Sie hier einen Offspace, den Sie noch nicht kannten?Kultur ist zweifellos der Motor der Transformation des Dreispitz­areals vom Gewerbe­ zum Stadtquartier. Auf dem Gebiet des ehemaligen Zollfreilagers haben sich längst die ersten Pioniere niedergelassen, und an der Oslo­Night wuseln Besucher und Künstlerinnen zwischen den Baustellen. Seit September baut die Christoph Merian Stiftung an der Oslo­Strasse 12 – 14, und zwar für das Haus für elektronische Künste und für iaab. Wir stellen Ihnen in dieser Ausgabe das Projekt «Am Freilagerplatz» vor.Viel Spass bei der Lektüre!Christoph Meneghetti Projektleiter Abteilung Kultur der Christoph Merian Stiftung

OFFCUTMATERIALMARKT FÜR KREATIVE WIEDERVERWERTUNG

Aus Abfallmaterial wird Kreativmaterial

Der Verein Offcut will auf ökolo­gisch und gemeinnützig nach­haltige Weise vermeintlich ausge­dientes Material kostengünstig für Kreativschaffende zugänglich zu machen. Er sammelt und verkauft gewöhnliche und aussergewöhn­liche Gebrauchtmaterialien, Über­schüsse und Produktionsabfälle, welche anderswo in der Mulde landen würden. Dabei speziali­siert sich Offcut, wie es der Name sagt, auf Abschnitte und Rest­posten von Holz, Papier, Metall, Textilien und Kunststoffen. Durch die Zusammenarbeit mit Firmen kommt Offcut an Material ab Rolle und grössere Restposten he­ran, welche für eine Privatperson kaum zu beschaffen wären. Dieser «Materialmarkt für kreative Wie­derverwertung», welcher Lager und Laden zugleich ist, befindet sich in einer Zwischennutzung im ehemaligen Turbinenhaus der Aktienmühle Basel.

Seit der Eröffnung im August 2013 stöbern Kultur­ und Kreativ­schaffende aus allen Bereichen in den Ladenregalen, lassen sich in der Do­it­yourself­Bücherecke

inspirieren und beziehen fleissig Kreativmaterial. Offcut ist auch eine Plattform für Gespräche über den Wert der Dinge in unserer Konsum­ und Verbraucherwelt, was den Gründern ein grosses Anliegen ist. Aus der eigenen Be­rufspraxis in der Kreativwirtschaft wissen sie um das Bedürfnis nach Begegnungsorten für den Austausch von Projektideen. Sie wollen eine fruchtbare Material­ und Inspirationsquelle schaffen, welche als Projektraum wahrge­nommen wird. Offcut ist insofern ein Offspace, als hier Materialien «ausgestellt» werden und einen Raum finden, den sie sonst nirgends mehr zur Verfügung gestellt bekommen.

Die Fülle, die Patina und die Einzigartigkeit der ausgestellten Rohmaterialien inspiriert und lässt Ideen wachsen. Die Umset­zung dieser Ideen wird durch das kostengünstige Angebot aktiv gefördert. Im Vergleich zu einem kommerziellen, profitorientierten Betrieb bietet Offcut eine flexible Preisgestaltung entsprechend dem jeweiligen Vorhaben. Im Verkaufs­

gespräch wird nach dem Wofür und Wieviel gefragt, wobei eine Dokumentation der Umsetzung erwünscht ist.

Aus dem Projekt soll ein etablier­ter Betrieb entstehen. Die Grün­der von Offcut wünschen sich, ihre Aufgabe langfristig in Angriff nehmen zu können. Auch wenn sie mit ihrem Materialmarkt den Nerv der Zeit treffen, ist es eine Herausforderung, die notwendi­ge finanzielle Unterstützung zu finden. Vorerst gilt es, möglichst viele Wiederverwerter zu inspi­rieren und Nachahmer für dieses Betriebsmodell zu inspirieren!

Simone Schelker

Simone Schelker ist Projektlei­terin und Vorstandsmitglied im Verein OFFCUT.

Aktienmühle (Turbinenhaus), Gärtnerstrasse 46, 4057 Basel

Öffnungszeiten: Mittwoch 11.30 – 15 Uhr, Samstag 14 – 17 Uhr

www.offcut.ch

IAAB: WAS IST KUNST, ODER PARASITEN IM BASEMENT

Gleich zwei Premieren konnte iaab, das Inter­nationale Austausch­ und Atelierprogramm der Region Basel, mit seiner Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2014 während der Sommermonate feiern: So wurde die Ausschreibung erstmals mit einem Online­Registrierungsverfahren durchgeführt, was erfreulicherweise nicht allzu viele interes­sierte Kunstschaffende von einer Bewerbung abgeschreckt zu haben scheint. Mit rund 150 eingereichten Dossiers haben wir dieses Jahr beinahe den Rekord erreicht, der noch vom Jahr 2011 mit bisher ungesehenen 156 Bewer­bungen gehalten wird. Dass die Beteiligung am iaab besonders rege und auch ungewohnt vielfältig war, hängt jedoch mit der zweiten, viel gewichtigeren Neuerung zusammen, die das Austauschprogramm dieses Jahr bereichert

hat: Seit Frühjahr 2013 ist die Stadt Mulhouse, vertreten durch die Kunsthalle Mulhouse, Pro­jektpartner von iaab, womit sich in der dies­jährigen Ausschreibung zum ersten Mal auch Kunstschaffende aus dem gesamten Elsass für ein Stipendium bewerben konnten. Die iaab­Projektleitung und ­Trägerschaft erhofft sich von der Erweiterung des Einzugsgebiets um die französischsprachige Grenzregion eine fri­sche Durchblutung der lokalen Kunstszene und neue, vielleicht erstaunliche, vielleicht befremdende, tiefgreifende oder auch nur surrealistische Diskussionen zur Frage nach dem Status von Kunst in unserer aktuellen, kunstgierigen Gesellschaft – in einem Kontext, in dem jedes ästhetische Statement sofort und widerstandslos vom Allgemeindiskurs aufge­saugt wird.

«Qu’est­ce que l’art?», fragte denn etwa auch – so naiv wie hinterlistig – Agathe Michalskis Videoarbeit «Tentatively» in der Ausstellung «Ça peut pondre des œufs», die eine Gruppe von (ehemaligen) Studierenden der Haute Ecole des Arts du Rhin (HEAR Mulhouse) im Oktober 2013 im iaab­Projektraum Base­ment ausgerichtet hat. «L’art?!?!?», wiederho­len da die von Michalski befragten Künstler­innen und Künstler entsetzt die Frage, und die Ratlosigkeit, mit der die «professionnels» kichernd, nach Worten ringend und Floskeln beschwörend zu antworten versuchen, wirkt so parodistisch, dass den Betrachter fast schon Melancholie überkommt. Die Ausstellung der HEAR-Studenten war ein erstes von hof­fentlich noch vielen grenzüberschreitenden Projekten auf dem Dreispitzareal, und sie hat die drallen Gemäuer des Basements durch ihren ungebremsten Elan und durch die aus­gefeilte «Parasitentechnik», mit der sich die sieben Kunstschaffenden des Raums an der Oslo­Strasse bemächtigten, in überraschender Weise akupunktiert.

Die Filiationen zwischen den Kunst­begriffen, ­diskursen und ­praktiken haben also schon begonnen, und wir wünschen uns, dass sie in Zukunft rund um das Austausch­programm weiter wuchern werden. Zuver­

sichtlich stimmt in jedem Fall, dass die iaab­Jury von den 24 aus dem Elsass eingereichten Dossiers mit Gwen van den Eijnde, Claire Hannicq, Mathilde Sauzet und Capucine Vandebrouck vier ganz individuelle und zu­gleich im französischen Kontext zu situieren­de Positionen für ein Stipendium ausgewählt hat. Und mit Stefan Hösl / Andrea Mihaljevic, Zora Kreuzer und Andreas von Ow ist auch der südbadische Raum mit starken Positionen unter den Stipendiaten vertreten. Unter den übrigen Kunstschaffenden aus der Schweiz finden sich sowohl einige bekannte Namen als auch viel versprechende Newcomer in der Szene, womit die Auswahl einmal mehr ver­schiedene Künstlerbiografien kartografiert, die sich in ganz unterschiedlichen Karrierestadi­en befinden. Denn iaab versteht sich explizit nicht als Jungförderprogramm, sondern rich­tet sich an alle Kategorien, Genres und Alters­klassen von Kunstschaffenden und möchte durch eine präzise, wohl reflektierte Auswahl der Jury sowohl upcoming, midcareer als auch established artists – wie die landläufigen Kate­gorien so schön heissen – eine Auszeit und neue Inspirationen durch einen Aufenthalt im Ausland ermöglichen.

Alexandra Stäheli

VERGABE DER IAAB-STIPENDIEN FÜR DAS JAHR 2014

Berlin (Januar – Juni 2014): Verena Thürkauf Berlin (Juli – Dezember 2014): Jon Merz Buenos Aires (August – Oktober 2014): Mandla Reuter Delhi (Oktober 2013 – März 2014): Mirjam Spoolder Fremantle (Februar – Juli 2014): Zora Kreuzer Helsinki (Januar – Juni 2014): Stefan Hösl/Andrea Mihaljevic Montréal (Januar – Juni 2014): Capucine Vandebrouck Montréal (Juli – Dezember 2014): Claire Hannicq New York (Januar – Juni 2014): Pedro Wirz Paris (Januar – Juni 2014): David Berweger Paris (Januar – Juni 2014): Raphael Stucky Paris (Juli – Dezember 2014): Max Leiss Paris (Juli – Dezember 2014): Angelika Schori Paris (Januar – Dezember 2014): Anja Braun Peking (Juni – August 2014): Sibylle Hauert Rotterdam (April – September 2014): Andreas von Ow Südafrika (Juli – Dezember 2014): Pawel Ferus Tokio (Januar – März 2014): Tobias Madison Reisestipendium (2014): Gwen van den Eijnde Recherchestipendium (2014): Mathilde Sauzet

Die Ausschreibung der Stipendien für das Jahr 2015 wird im Frühjahr 2014 publiziert.

www.iaab.ch

IMPRESSUM

Redaktion und TexteOliver Bolanz, Leiter Christoph Merian Verlag Anette Gehrig, Leiterin Cartoonmuseum Basel

Christoph Meneghetti, Projektleiter Abteilung Kultur André Salvisberg, Archive & Sammlungen

Alexandra Stäheli, Leiterin iaab Beat von Wartburg, Leiter Abteilung Kultur

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AM FREILAGERPLATZ —

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Gestaltung Hauser, Schwarz – Basel

Druck Gremper AG – Basel / Pratteln

Christoph Merian Stiftung St. Alban­Vorstadt 5

ch­4002 Basel

DAS KULTURMAGAZIN DER CHRISTOPH MERIAN STIFTUNG

SHORTCUTSchwerpunkt:OFFSPACES

Dreispitz:IAAB UND HEK AM FREILAGERPLATZ

iaab:VERGABE DER STIPENDIEN

#3Dezember 2013

AUCH UMWEGE FÜHREN NACH ROMDie Planungsgeschichte der Umnutzung der Lagergebäude an der Oslo­Strasse 12 – 14 und der Neapel­Strasse 5 hat sieben Jahre in An­spruch genommen. Bereits in der Vision von Herzog & de Meuron und mit der Ansiedlung der Fotosammlung Peter & Ruth Herzog war angedacht, die Häuserzeile an der Oslo­Strasse einer kulturellen Nutzung zuzuführen.

Nach dem Erwerb der Gebäude der Frei­lager AG 2006 durch die Christoph Merian Stiftung konnte die Planung an die Hand genommen werden. Die Stiftung beauftragte 2007/08 die Architekten Bearth & Deplazes (Chur) mit einer Machbarkeitsstudie, um fest­zustellen, welche Nutzungen in den jeweiligen Gebäuden respektive auf den entsprechenden Parzellen sinnvoll und wirtschaftlich sind. Dabei stellte sich heraus, dass sich die beiden ehe­maligen Lagergebäude an der Oslo­Strasse aufgrund der beschränkten Neubau­

möglichkeiten und der Schutzwürdigkeit be­sonders gut für kulturelle Nutzungen eignen. In der Folge baute die Stiftung mit den Archi­tekten Bearth & Deplazes das Lagerhaus Oslo 10 zum Atelier­ und Gewerbehaus um. Im Ja­nuar 2011 konnten die ersten Kulturakteure in das umgebaute und neu eröffnete Lagerhaus an der Oslo­Strasse 8 – 10 einziehen, darunter Radio X, der neue Kunstraum OSLO10, iaab, die Fotogalerie Oslo 8, das Haus für elektro­nische Künste, 3 Fotobetriebe sowie 21 Kunst­schaffende.

Basierend auf der erwähnten Machbarkeits­studie von 2008 gab die Christoph Merian Stiftung noch im selben Jahr eine weitere Machbarkeitsstudie für einen Neubau an der Oslo­Strasse 12 – 14 für das Kunsthaus Basel­

land, die iaab­Ateliers und das Haus für elektronische Künste in Auftrag. In Zu­sammenarbeit mit dem Kunsthaus, iaab und dem

HeK entwarfen Andrea Deplazes und sein Team einen faszinierenden Neubau und legten im März 2010 ein entsprechendes Projekt vor.

Die kalkulierten Baukosten beliefen sich für das Kunsthaus einerseits und iaab/HeK anderseits auf je chF 10 Mio. Nun war ins­besondere der Kunstverein Baselland gefor­dert, sich erstens zum Projekt zu bekennen und zweitens in Absprache mit dem Kanton Basel­Landschaft die notwendigen Mittel auf­zubringen. Nach anderthalb Jahren Verhand­lungen zeigte sich leider, dass der Kunstverein die Finanzierung nicht sicherstellen konnte. Deshalb musste die Christoph Merian Stiftung das Projekt schweren Herzens beerdigen und nach einer neuen Nutzung suchen. Um das Potenzial der Parzellen auszuloten, beauftragte sie das Architekturbüro Rüdisühli Ibach mit einer Machbarkeitsstudie und entschied sich auf dieser Grundlage, auf einen Neubau zu verzichten und stattdessen die alten Gebäu­de für iaab und das HeK umzunutzen. Nach einer Ausschreibung unter vier Architektur­büros erhielt das Architekturbüro Rüdisühli Ibach den Zuschlag für die Sanierung der Lagerhallen und die Einrichtung der neuen Kultur nutzungen. Der Startschuss für die Realisierung fiel schliesslich im Januar 2013 mit der Bewilligung des Baukredits durch die Kommission der Christoph Merian Stiftung.

Der Kunstverein Baselland blieb indes­sen nicht untätig. Er gründete eine Stiftung zur Verwaltung der eigenen Immobilie in Muttenz, erneuerte den Vorstand, wählte eine neue Leiterin und evaluiert zurzeit intensiv den Standort Dreispitz. Wir sind zuversicht­lich, bald eine Lösung zu finden.

So braucht es in einem Transformations­prozess manchmal ein gescheitertes Projekt, um auf anderen Wegen zum selben Ziel zu gelangen.

Beat von Wartburg

Für Konzerte, aber auch Screenings, Ins­tallationen und Vorträge entsteht im Unter­geschoss ein Veranstaltungsraum für bis zu 250 Personen. Er ist durch dicke Betonwände und Decken bereits gut isoliert und bietet sich deshalb für laute Veranstaltungen an.

Im Empfangsbereich des HeK wird ausser­dem eine Cafeteria eingerichtet werden, wo Veranstaltungs­ und Museumsbesucher bei einem Café sitzen können, mit guter Aussicht von der erhöhten Rampe aus durch die neuen, grossen Fenster. Hier können auch künftig Anwohner die Atmosphäre geniessen, Studie­rende (mit ihren Laptops im WiFi­eingeloggt) verweilen und dem lebhaften Treiben auf dem Freilagerplatz zuschauen.

Neue iaab-Ateliers auf dem DreispitzDas Atelier einer Künstlerin, hält Daniel Buren in seinem pointierten und polemischen Text «Fonction de l’atelier» fest, sei nicht nur der Empfängnis­ und Geburtsort eines künstleri­schen Werks, sondern zugleich auch dessen na­türlicher Lebensraum – der mit dem Umzug des Œuvres ins Museum verloren gehe. Nicht zuletzt deshalb sei es für die Identität eines Werks auch entscheidend, so Buren, welche «architektonischen Charakteristiken» das Ate­lier aufweise. Denn die architektonische Um­

gebung prägt die Formen und Dimensionen der entstehenden Arbeit subtil und subkutan, sie wird zum Unbewussten eines künstleri­schen Werks. Folgt man Daniel Burens Ge­danken, dann haben sich die vier von Michael Alder entworfenen iaab­Wohnateliers im St. Alban­Tal 40a unverkennbar in das Werk von insgesamt 200 Künstlern zwischen Fremantle und Buenos Aires, zwischen Helsinki und Süd­afrika eingeschrieben, die seit 1986 im Zuge des iaab­Atelieraustauschprogramms mehrere Monate in Basel gelebt und gearbeitet haben.

Diese Ära des St. Alban­Fluidums wird nun im Oktober 2014 zu Ende gehen, wenn iaab zusammen mit dem HeK das neue, von Rüdisühli Ibach Architekten umgebaute Ge­bäude am Freilagerplatz bezieht. Doch das iaab­Team freut sich darauf, dass sich mit dem Aufbruch zu neuen Leinwänden auch ein neues, inspirierendes und subliminales Oslo­Fluidum in den Studiosituationen nach «amerikanischem Zuschnitt» – wie Daniel Buren verschiedene Typen von Ateliers un­terscheidet – zusammenbrauen kann: Insge­samt sieben neue Wohn ateliers – fünf davon in grosszügigen, bildhauerischen Dimensio­nen konzipiert, während zwei mehr für die Arbeit am Pult gedacht sind – stehen den iaab­Gastkünstlern aus aller Welt dann auf

der Pflichtlager zur Landesversorgung auf rund einen Drittel des Maximums von 1932 /33 zurück.

1946Wiederaufleben der Lagertätigkeit. Der Waren­umschlag nimmt um mehr als das Dreifache des letzten Kriegsjahres zu. Der eigentliche Nachkriegsboom setzt gegen Mitte der 1950er­Jahre ein.

1968Eröffnung des Zollamts im Gebäude D.

1972Erweiterung um den «Blechspitz» an der Neapel­Strasse 5. Die Natural AG baut auf ei­gene Kosten an das Gebäude D anschliessend ein Büro­ und Lagergebäude.

2002 /03Erarbeitung einer «Vision Dreispitz» durch das Architekturbüro Herzog & de Meuron.

2006Kauf aller Gebäude der Freilager AG durch die Christoph Merian Stiftung.

2008Genehmigung des Quartierplans Kunstfrei­lager durch die Gemeindeversammlung Mün­chenstein.

2009 /10Erarbeitung eines Neubauprojekts auf der Parzelle der Halle D für das KHBL/das HeK und iaab durch Bearth & Deplazes.

2011Einweihung des durch Bearth & Deplazes um­genutzten Lagerhauses E (Oslo­Strasse 8 – 10).

2011(Dezember) Beschluss, das Neubauprojekt von Bearth & Deplazes nicht weiterzuverfolgen.

2012Kauf des «Blechspitz» (Neapel­Strasse 5) durch die Christoph Merian Stiftung.

2012Planung des Umbaus der Liegenschaften Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5 durch das Architekturbüro Rüdisühli Ibach.

2013Beginn der Umbauarbeiten.

Herbst 2014Eröffnung.

der ersten Etage offen. Sowohl nach Osten (zum Freilagerplatz) als auch nach Westen (zum Gleisfeld) hin situiert, befinden sich die gerade entstehenden iaab­Ateliers in direkter Verlängerung jener Studios, die im Gebäude nebenan an der Oslo­Strasse 10 seit bald drei Jahren von rund zwanzig Künstlern aus der Region belegt werden – eine Verbindungstü­re wird den Austausch zwischen iaab­Gästen und routinierten Oslo­Bewohnern, zwischen den verschiedenen Künsten, Disziplinen und Kulturen ermöglichen. Ebenfalls auf der ers­ten Etage des Gebäudes befindet sich dann auch der neue iaab­Ausstellungsraum, der das «Basement» ablösen wird (welches wertvolle Dienste geleistet hat), sowie ein kleinerer Pro­jektraum mit ansehnlicher Küche, der von den Nutzerinnen der beiden Gebäude für Ausstel­lungen, Apéros und andere kreative Projekte gemietet werden kann.

Übrigens: Zusätzlich zu den iaab­Wohnate­liers entstehen im Bürogebäude des Blechspitz drei Schreibateliers für Autoren. So findet die Oslo­Kulturmeile ganz im Sinne des Erfinders einen würdigen Abschluss, als Ort für das Kul­turschaffen vieler Disziplinen.

Alexandra Stäheli und Christoph Meneghetti

BAUGESCHICHTE GEBÄUDE D

1923Betriebseröffnung des Basler Zollfrei lagers. Bereits im ersten Jahr sind alle Lagerflächen ausgebucht.

1924Errichtung und Inbetriebnahme des Gebäudes D an der Ecke der damaligen Freilagerstrassen 4 und 2 (heute Neapel­ und Oslo­Strasse). Der Lagerschuppen mit Erdgeschoss und einem Stockwerk dient hauptsächlich «dem Um­schlag von Automobilen und der Lagerung von Wagenladungsgütern».

1934Das Lagergebäude E (Oslo­Strasse 8 – 10) wird gebaut und in Betrieb genommen.

1934Einrichtung einer Zollhalle mit Zollbureau im Gebäude D. Den Mietern in den Lager­häusern D und E wird die zollamtliche Ab­fertigung ihrer Waren erleichtert.

1935 – 1945Betriebskrise. Die Auswirkungen der Welt­wirtschaftskrise ab 1929 beeinträchtigen den Betrieb massiv. Im Zweiten Weltkrieg ab 1939 bricht der Warenverkehr ein und geht trotz

STECKBRIEF PROJEKT «AM FREILAGERPLATZ»

Bauherrschaft Christoph Merian Stiftung

Nutzer Haus für elektronische Künste HeK

iaab – Internationales Austausch­ & Atelier­programm Region Basel

Ateliers

Standort Oslo­Strasse 12 – 14 und Neapel­Strasse 5

Dreispitz, Basel­Münchenstein

Baurechtsparzelle Nr. 4320 / 1930.35 m2

Bruttogeschossfläche 2888 m2

davon Wohnen: 779 m2 davon Kultur: 1840 m2

Gebäudevolumen ehem. Halle D, Oslo­Strasse 12 – 14: ca. 8750 m3

offenes Foyer: ca. 3600 m3ehem. Blechspitz, Neapel­Strasse 5: ca. 750 m3

Generalplaner Rüdisühli Ibach Architekten, Basel

Bauherrenvertretung Dietziker Partner AG, Basel

Kosten chF 9 050 000.–

Eröffnung Herbst 2014

Bauzeit 1 Jahr

DIE ABENTEUER DER LIGNE CLAIRE

DER FALL HERR G. & CO. – BIS 9.3.2014«Die Ligne claire ist ein Zeichnungsstil, mit dem systematisch mit relativ regelmässigem, schwarzem Strich Konturen gezeichnet werden. Es ist eine Grafik, die einfach scheint, es aber in Wirklich-keit überhaupt nicht ist, eine Art Alphabet für Zeichner.»Joost Swarte

Die aktuelle Ausstellung im Cartoonmuseum Basel zu dem vom Niederländer Joost Swarte

(*1947) im obigen Zitat präzis beschriebenen Stil der Ligne claire startet mit Zeichnungen von Georges Remi alias Hergé, Autor und Zeichner von «Tim und Struppi» («Tintin et Milou»). Der Belgier Hergé hat den in Ansät­zen schon vorhandenen Stil ab den späten 1920er­Jahren in seinen Abenteuergeschichten aufgenommen, weiterentwickelt, personali­siert und perfektioniert. Seine enorm erfolg­reiche Serie wurde in den Studios Hergé unter

und mit dem Meister arbeitsteilig produziert und nach seinem Tod nicht weitergeführt.

In Hergés Studio arbeiteten viele bekannte Zeichner wie Edgar P. Jacobs («Blake et Morti­mer»), Jacques Martin («L. Frank», «Alix») oder Bob de Moor («Barelli»), die danach entweder in seinem Stil weiterarbeiteten oder diesen abwandelten und weiterentwickelten.

In den 1980er­Jahren hatte die Ligne claire, um die es inzwischen etwas ruhiger gewor­den war, eine erste Renaissance. Zeichner wie Joost Swarte nahmen den Stil auf, füllten ihn aber, beeinflusst von den Undergroundcomics der 1970er­Jahre und der niederländischen Provo­Bewegung, mit ganz anderen, für eine erwachsene Leserschaft gedachten Inhalten. Joost Swarte, ein grosser Bewunderer der Ar­beit Hergés, war es denn auch, der 1977 an der Ausstellung «Kuifje in Rotterdam» den Be­griff der «Ligne claire» («De klare lijn») prägte, der sich sofort durchsetzte. Swarte baut seine Comics und Cartoons auf der Spannung auf, die aus dem Konflikt zwischen dem klaren und auf eindeutige Verständlichkeit hin ent­worfenen Stil und dem inhaltlichen Bruch mit den damit assoziierten gesellschaftlichen Konventionen entsteht. Joost Swarte, Ever Meulen, Theo van den Boogaard und andere Mitstreiter erweiterten die Ligne claire zudem mit gesprengten Panels, Rasterfolie, freieren Bewegungsabläufen und einer aufregenden Welt aus attraktiven Frauen und aufgeblase­nen Limousinen vor einem Bauhaus­meets­Miami­Dekor.

Nach den Experimenten Swartes und an­derer Neuinterpreten der Ligne claire konnte diese jetzt alles zeigen und alles erzählen. Beste Voraussetzungen also, um auch heute noch ein

attraktives Innovationsfeld für Zeichner zu sein. Die Ausstellung präsentiert deshalb zeit­genössische Arbeiten von Chris Ware, Rutu Modan oder Gion Capeder – alles aktuelle Vertreter einer heutigen Ligne claire.

Ab November 2014 – Retrospektive Joost Swarte Das Cartoonmuseum Basel freut sich ausser­ordentlich, dass Joost Swarte sich entschlossen hat, seine lange erwartete, grosse Retrospektive in Basel zu zeigen. Der international renom­mierte Künstler, der auch als Produktedesi­gner, Glaskünstler und Architekt Impulse setzt, und das Cartoonmuseum Basel werden ab Herbst 2014 einen umfassenden Überblick über sein enorm vielseitiges, humorvolles, po­etisches und hintersinniges Werk geben.

Ab März 2014 – Plonk & ReplonkEbenfalls eine grosse Schau zu ihrem virtu­osen Schaffen an der Grenze zwischen Non­sens und Nonsens werden 2014 die Brüder Hubert und Jacques Froidevaux alias Plonk & Replonk geben. Die Westschweizer recy­celn alte Postkarten und Fotografien, die sie entweder mit Untertiteln subtil umdeuten oder zusätzlich in Photoshop neu kombinie­ren. Ob sie im Musée militaire de Colombier die Neuenburger Polizei demontieren oder in Paris das Postmuseum re­inszenieren – vor ihrem unverwechselbaren, surreal schrägen Humor ist niemand sicher, schon gar nicht die Deutschschweizer, denen Plonk & Replonk mit einem «Basel Special» den Marsch blasen werden.

Anette Gehrig

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c Joost Swarte, «Ohne Titel», Tusche und Farbtusche auf Papier, 1997

Seit September 2013 findet die Transforma­tion der ehemaligen Freilager­Halle D und der benachbarten Gebäude statt. Ab Herbst 2014 werden hier das Haus für elektronische Künste Basel (HeK) und das Internationale Austausch­ und Atelierprogramm (iaab) ein­ziehen. Damit fügt sich ein weiterer Baustein in die Kultur­Meile an der Oslo­Strasse. Wir stellen in diesem «Shortcut» das Projekt und die Nutzer vor.

Neue elektronische Künste in alten HallenMit der Gründung des HeK wurden 2011 die Aktivitäten des Forums für neue Me­dien [ plug.in] und des Festivals der elek­tronischen Künste Shift unter einem Dach zusammengefasst. Damit entstand ein Kom­petenzzentrum mit internationaler Ausstrah­lung: Das HeK ist das nationale Zentrum für zeitgenössische Kunst, die elektronische Me­dien bzw. Technologien verwendet und die kulturellen sowie gesellschaftlichen Auswir­kungen des alltäglichen Mediengebrauchs thematisiert.

Am 27. Mai 2011 wurde das HeK in seinen temporären Räumen auf dem Dreispitz er­öffnet. Die junge Institution gehört zu den Pionieren auf dem Dreispitzareal; seit andert­halb Jahren steht Sabine Himmelsbach dem

Haus für elektronische Künste mit einem Team von neun Leuten vor. Neben der Ver­anstaltungs­ und Ausstellungstätigkeit (ein vielfältiges Programm aus Ausstellungen, kleineren Festivalformaten, Performances und Konzerten) beschäftigt sich das HeK mit der Sammlungsmethodik und dem Erhalt digita­ler Kunst – und dies ab Herbst 2014 in neuen, massgeschneiderten Räumen.

Die ehemalige Freilagerhalle D an der Oslo­Strasse 12 – 14 verfügt über eine einfache, schachbrettartige Trägerstruktur, die neu unterteilt wurde. Es entstehen auf diese Weise ein flexibler und technisch modern ausge statteter Ausstellungsraum (400 m2) mit Video boxen (53 m2 und 25 m2), dazu Büros für Betrieb und Forschung (15 Arbeitsplätze), Lagerraum für die Sammlung von Medien­kunst sowie ein Workshopraum für die Ver­mittlungsarbeit.

Die ehemalige Lagerhalle an der Neapel­Strasse 5, der «Blechspitz», wird im Erdgeschoss von den Wänden befreit und dient fortan als gedecktes öffentliches Foyer. Es wird über eine grosszügige Freitreppe erschlossen und bildet einen neuen Kristallisationspunkt im Quartier: Aufenthaltsort, Festzelt, Marktplatz, Raum für grosse künstlerische Interventionen und Projektionen etc.

Christian Mueller, Lucas Gross, Tanja Gantner, Simone Schelker (Bild: Michael Koller)

g Modellfoto, Rüdisühli Ibach Architekten, 2013 c Campus des Bildes, in: Herzog & de Meuron:

Vision Dreispitz, eine städtebauliche Studie. Hg. von Baudepartement Basel­Stadt et. al., Basel: Christoph Merian Verlag 2006

a Visualisierung Projekt Lagerhaus D, Bearth & Deplazes Architekten, 2010

aa Baustelle am Freilagerplatz, November 2013. Bild: Kambiz Shafei, Dokumentationsteam HGK FHNW

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