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SILVESTERNACHT (1991) Lichter zerfächern sich über den Dächern – knallen – zerfallen – laufen wie Sand durch die offene Hand – Zeichen, wie Weichen der Zukunft gestellt. – Täglich erhellt die Nacht sich zum Tage, ganz ohne Frage. – Heute zerstreute zerfächerte Lichter – Silvester-Gesichter – laut – unvertraut – feiert doch jeder Tag im Grunde sein neues Jahr zu dieser Stunde. - aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

SILVESTERNACHT (1991) zerfallen – laufen wie Sand der ...ALLEGORIE (1991) (Flamme in der Lehre des Karma = menschlicher Geist) Kerzen zünden, Noch entzünden zu erleuchten – neue

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Page 1: SILVESTERNACHT (1991) zerfallen – laufen wie Sand der ...ALLEGORIE (1991) (Flamme in der Lehre des Karma = menschlicher Geist) Kerzen zünden, Noch entzünden zu erleuchten – neue

SILVESTERNACHT (1991)

Lichter zerfächern

sich über den Dächern –

knallen –

zerfallen –

laufen wie Sand

durch die offene Hand –

Zeichen,

wie Weichen

der Zukunft gestellt. –

Täglich erhellt

die Nacht sich zum Tage,

ganz ohne Frage. –

Heute

zerstreute

zerfächerte Lichter –

Silvester-Gesichter –

laut –

unvertraut –

feiert doch jeder Tag im Grunde

sein neues Jahr zu dieser Stunde. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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ALLEGORIE (1991) (Flamme in der Lehre des Karma = menschlicher Geist)

Kerzen zünden, Noch entzünden

zu erleuchten – neue Kerzen

zu beleuchten deine Wege – sich an meinem Herz voll Liebe. -

deine Seele zu beschützen – Deine Seele zu beschützen,

Schutz zu legen auf dein Leben würd‘ ich dich auf Händen tragen -

grenzenloser Ewigkeiten, gern dir jeden Wunsch erfüllen -

allegorisch still die Flamme

ausgeleuchtet, - weitergeben. –

Hell entzündet –

nie verlöschend

möge deine liebe Seele

mich auf meinen Wegen leiten –

wie die übertrag’ne Flamme

stets dasselbe Licht uns spendet –

allegorisch

ewiglich. -

SCHERENSCHNITT-BILDER (1991)

Wintertraumschneeweißer Baum Frühlingstraumpechschwarzer Baum

am schwarzen Horizont – am weißen Horizont. -

Scherenschnitt. – was er litt,

Ohne jedes Gegenlicht liest kein Mensch ihm vom Gesicht -

entdeckt er versteckt

sein ureig‘nes Negativ – das ureig’ne Positiv -

versteckt er verdeckt

in der Umkehr sein Gesicht, von dem grellen Gegenlicht -

was er litt, Scherenschnitt. -

was schattig, was besonnt – Schattenlos besonnt

bleibt wintertraumverschneiter Baum. - der frühlingstraumerblühte Baum. -

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MYSTERIUM (1991)

Christus am Kreuze –

im Lichterglanz

der Kerzen Flammentanz

erstrahlst du seltsam eigen –

dein Haupt herabzuneigen

im lichten Strahlenkranz –

von Dornen ganz

verwundet und zerstochen –

dein Lebenslicht gebrochen,

starbst du für uns am Kreuze. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

DER UNERFÜLLTE WUNSCH (1991)

In bitt‘ren Tränen stirbt ein Wunsch,

erlischt, doch lässt sich nicht vernichten –

ein Schmerz, der bleibt

und Wurzeln treibt –

die Seele sucht sich aufzurichten

in einem neuersehnten Wunsch -

von Hoffnungstränen weggetragen,

macht er sich schon

wieder davon. –

Nur Trauer bleibt und Schmerzen nagen

noch hoffnungsvoll an diesem Wunsch. –

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ENDLOS (1991)

Ein Engel, mir ins Haus gesendet Wie Kreis zu Kreis sich weiterleitet,

und meinem Schicksal zugedacht. – mir tief verborg’ne Träume weckt -

Wo immer irgendetwas endet mein Weg in neue Wege gleitet

und einen neuen Anfang macht, und unberührten Pfad entdeckt. -

verschlingen sich des Lebens Kreise Ein Engel hat – kometengleich -

auf vieldimensionale Weise. - mich reich beschenkt, fast überreich. –

DER MENSCHLICHE GEIST (1991)

Von Gott gegeben

für ein Leben –

es zu gehen,

zu bestehen –

Lachen, Weinen

zu vereinen –

Glück und Trauern

überdauern. -

Wege sucht des Menschen Geist,

die das Schicksal ihm verheißt,

bis er endlich

unabwendlich

Kampf und Leben

aufgegeben

jenen einen

Weg nennt seinen –

ihn beschreitet. –

Langsam gleitet unser Geist zu Gott zurück,

war von Gottes Geist ein Stück. -

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GÜCKSMOMENT (1991)

Der Himmel hat mir ein „Kind“ geschenkt.

Sein Herz ist groß –

Gefühl ist Instinkt

und ungeschminkt. –

Sein herzliches Lächeln winkt

meiner verstoßenen Seele zu,

klopft an die Tür meines Herzens. –

Ich lasse es ein,

ganz allein –

sehe den Schein

seines Glückes das meine entzünden. –

Wie schön, zu empfinden

heute für etwas gut zu sein. –

Aller Schmerz versinkt

einen Augenblick

in der Flut von Glück. –

DIE GROSSE FRAGE (1991)

Sind es nicht dieselben Menschen, Sind es nicht dieselben Menschen,

die kreierend die betreten

faszinierend schweigend beten -

wunderbare Dinge schaffen – blind geworden

ohne Scheuen töten, morden -

Hass verstreuen, Siege zählen -

Geld und Geltung an sich raffen – Tiere quälen - -

unter Schwüren HERR, was ließest Du die Affen

Kriege führen gleich in Herden

mit erbarmungslosen Waffen - - Menschen werden - - -

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RÜCKKEHR (1991)

Verlorene Kinder – Verloren, zu erwachen -

ausgeflogen zum Leiden, trotz aller Müh und Beschwerden

Sich bescheiden – endlich erwachsen zu werden. -

sie schlingen Sie streben

Misslingen und heben

empor an ihrer Einsamkeit die noch geschloss’nen Augen auf zum Licht.

und wachsen an dem Leid der Zeit In das erwachende Gesicht

ein klein wenig geschwinder. - kehrt wieder längst verlor’nes Lachen. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

VERNETZT (1991)

Seelenfäden spinnen Netze Fäden spinnen Seelennetze,

aus der Liebe meiner Kindheit, alle Liebe aufzufangen,

die das Herz sich stets bewahrte alle Trauer, alles Glück -

durch die jahrelange harte Wünsche reichen weit zurück -

Zeit der Rebellion und Blindheit. - traumverborgenes Verlangen. –

Seelen spinnen Fadennetze,

sich begegnend, sich verstrickend

zu Gemeinsamkeit und Leben –

gebend nehmen – nehmend geben –

hoffnungsvolle Zukunft blickend

spinnen Seelen neue Netze. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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DA – SEIN (1991)

Versäumte Stunden, Versäumte Träume, Versäumtes Leben,

unnachholbar – unerfüllbar - unersetzbar -

unheilbar unbelebbar unaufhaltbar

vernarbte Wunden tote Räume ewig neues Daseins-Streben

aus Zerronnenheit. - ausgeblühter Zeit. - nach Bewusstsein nah und weit.

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

VERSÄUMNIS (1991)

Eine Sekunde im Fluge der Zeit –

ein winziger Punkt in der Endlosigkeit –

Blitzlicht-Reflex, der ein Dunkel erhellt,

so wie ein Wort, das an Schweigen zerschellt.

Ein Augenblick, der zu rasten versäumt –

ein Funken Hoffnung , für immer verträumt –

blind übersehene Chance aus Glück,

sinnlos verpasst – keine Zeit läuft zurück. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

AURA (1991)

Wenn Sterne aufeinanderprallen, Wenn Wege zueinander führen,

stieben die Funken – sich zu vereinen -

wenn Seelen ineinander fallen, wenn Seelenwellen sich berühren,

glückstrunken vor Glück weinen

sich einsam verpuppen – und Sternschnuppen fallen,

Sternschnuppen, in allen

gedankenvereint. - Gedanken vereint. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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ABSCHIED I (1991)

Abgeschieden für eine kleine Zeit –

unentschieden

vermieden

jeden Gedanken an Endgültigkeit

im Schwanken zwischen ja und nein,

es könnt der letzte Abschied sein. –

Sich abscheiden,

verscheiden

für alle Ewigkeit. –

Angstbeklommen

Abschied genommen –

entschieden gehofft

wie schon so oft,

es würde der letzte nicht sein –

und wieder dieses Ja und Nein,

die Angst vor der Endgültigkeit. –

HARMONIE (1991)

Momente ungestörter Zweisamkeit –

losgelöst

in der Stille unserer Welt –

gedankenvereint –

umgeben vom Schutzwall des Sich-Verstehens –

des ungestörten Gemeinsam-Seins

in der uns eigenen Welt. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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REQUIEM FÜR EINE KRÄHE (1991)

Kreischend ziehen Vogelwogen

schwarze Bogen –

in den grauen Nebelschwaden

Baumfassaden –

auf dem Kreuzweg aus Asphalt,

leblos – kalt,

Krähe, ganz im Totenkleide

wie aus Seide –

eisig streift der Wind darüber,

streut ein trüber

Nieselregen

Gottes Segen aus. –

Requiem im Totenhaus –

grelle Krähenschreie steigen

aus den kahl entlaubten Zweigen –

Totenklänge –

Grabgesänge –

namenlos –

amen los -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

OHN-MACHT (1991)

Tränen brennen, Träume schnellen, Tränen töten,

Ängste rennen, Ängste stellen Ängste löten

malen Fragen, Hoffen.

Qualen, nagen Offen

die mich bücken, an zertrennten bleiben Zweifel liegen,

niederdrücken. Glücksmomenten. doch zu siegen?

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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FRÜHLINGSWEIDE (1991)

Lichtgrün-Haus – Frühlingsdach -

schwingst deine Lianen aus – rufst verborg’ne Wünsche wach -

spür sie über meinen Wangen lässt sie aus den zarten Zweigen

träumend hangen. - zu mir steigen. –

Weidenbaum –

bist mein Frühling und mein Traum,

stirbt mein Schmerz in deinen warmen

schlanken Armen. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

POKER (1991)

Das Leben spielt mit meinem Herzen – Ein Würfelspiel mit meiner Seele,

taucht es in Glück, das Straßen baut,

wirft es zurück Abgründe schaut

in tiefe Bitterkeit und Schmerzen. - durch manchen Tritt, den ich verfehle.-

Das Leben pokert mit der Zeit,

die Sehnsucht stillt,

aus Fugen quillt –

zerfließt in Zeit-Zeitlosigkeit. -

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PASSION (1991)

Herr,

geschlagen ans Kreuz blinder Schwachheit –

getragen das Kreuz fremder Sünden,

zu lösen

vom Bösen

den fehlgelenkten Geist dieser Welt. –

Herr,

dein Geist, aufgestiegen zum Himmel

kehrt er zurück in den Geist deines Vaters,

um wieder

und wieder

von neuem geboren zu werden im Geist eines jeden.

Herr,

mein Wissen um dieses, dein Opfer –

Gewissen voll Dank und voll Demut –

Versuche

und Suche

nach Werten im Geist meines Daseins. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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VERMÄCHTNIS (1991)

Meine allerletzte Träne Eure allerletzte Träne

sei euch Nektar fortzuleben, - war mir Nektar für den Frieden,

Tage weben abgeschieden

unaufhörlich neues Licht – von der lauten Irdischkeit -

hoffnungsreiches Geist-Erstehen – jetzt, da ich von euch gegangen,

Weitergehen aufgefangen

auf dem Weg der Zuversicht. - in dem Schoß der Ewigkeit. –

Keine noch so kleine Träne

möchte ich spüren, hören fallen

und verhallen

in des Grabes dunklem Schacht. –

Trostumwob’nes Geist-Verbinden –

Wiederfinden

durch die tränenlose Nacht. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

BAHNHOF (1991)

Ausgebrannt, leer und alleine, Der Weg führt durch schmutzige Hallen,

umgeben von Hast und Geschrei – dies traurige, freudlose Grau -

ein Herz aus gegossenem Blei – Vereinsamkeit voller Radau -

und niemand bemerkt, dass ich weine.- verlorenes Zugtürenknallen. –

Ein Rennen, ein Kommen und Gehen –

sich jagendes Hin und Her –

verwirrendes Kreuz und Quer –

ein Sehen und Niewiedersehen. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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SCHATTEN (1991)

In stummer Begleitung –

beschützt und bewacht

durch einsame Nacht –

ergreift meine Hände –

erklimmt alle Wände

von Häusern und Mauern –

zum Schweigen geboren,

doch unverloren

und ewig mit mir. -

BLUMENTOD (1991)

Nelken

welken –

senken ihrer müden Köpfe

blasse Schöpfe

tief herab. –

Duftlos schwebt in meinem Zimmer

Todesschimmer –

Seelensterben

und – verderben –

ohne Achtung und Gewissen

weggeschmissen. –

Welch ein Grab! -

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IM WECHSEL DER GEFÜHLE (1991)

Vom Alltag

aus dem „Paradies“ vertrieben –

Gedanken,

noch im „Paradies“ verblieben,

lassen Tränen fließen,

Sehnsucht sprießen. –

Es ergießen

Ängste sich aus meinem Herzen –

Heimwehschmerzen. - -

Bahne einsam einen Weg

durch das Dickicht der Gefühle –

ordne Sinne

und gewinne

neues Glück

mir zurück. –

VERBUNDENHEIT (1991)

Du lachst zu mir in der Sonne, Du sprichst zu mir in der Wolke,

machst mich betrunken im Regen, hältst mich in Armen des Windes,

und wenn ich so durch die Wälder streife, und wenn ich über den Rasen springe,

streichelst du zärtlich mein Haar. kitzelst du leicht meine Füße.

Du bist mit mir im Erwachen,

regst des Nachts meine Träume,

und wenn ich dich zu vergessen suche,

scheinst du mir näher denn je.

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ZEITBILD 1991 (1991)

„Unkaputtbar“ – ein Wort unsrer Zeit:

als zahme

Reklame

wirbt es für Wirtschaftlichkeit –

will Achtung gewinnen,

Bedenken zerspinnen

im Elend, das schreit. –

Noch jagen

sich Klagen

nach Hoffnungen weit

hinaus in die Welt. –

Doch jeder der Schreie zerschellt

wie Glas,

das vergaß,

dass es unkaputtbar

nie war. –

Natur ist zerstört,

die Stille zu laut,

der Weg längst verbaut

zu dem Gott, der erhört. –

Kaputtbare Bilder aus Hoffen und Sein –

gebrandmarkte Träume –

gestorbene Bäume,

gespenstige Schatten im schwindenden Schein. -

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ABSCHIED II (1991)

Und immer dieser Schmerz im Gehen,

die Angst, dich niemals mehr zu sehen –

und so enthemmend und beklemmend

zerreißt es mich im Hin und Her. –

Herz aus Blei fühlt sorgenschwer

meine Tränen kämpfen, siegen

und sie wiegen

noch viel mehr

als die Sorge, dass mein Gehen

wird zum Nimmerwiedersehen. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

VERLORENHEIT (1991)

Melancholie in verlorenen Gassen:

grau der Himmel,

grau die Fassaden,

grau scheint das Leben der spielenden Kinder

zwischen dem Kehricht zerronnener Tage. –

Welkende Blumen auf düst‘ren Terrassen,

einsam vergehend

sich selbst überlassen. –

Hinter den Resten zerbrochener Scheiben

schläft eine Katze,

träumt von den Mäusen

die, in verwahrlosten Kellern sich tummelnd,

Schabernack treiben. –

Grau-melancholisches Streben und Bleiben –

Ton in Ton mit Fassaden und Himmel

wird es zum Los der verlorenen Gassen. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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VERZAUBERUNG (1991)

Verzauberte Welt:

Erinnerung Verinnerung

als Lichtpunkt als Richtpunkt

einer Einsamkeit – für Gemeinsamkeit –

Leben aus Schatten und Licht,

Vergängnis und Hoffnung –

Freude und Leid

geborgen in Liebe,

die alles erhellt. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

HERBST-WEIDE (1991)

Der Weide Grün ist am Vergehen – Ein Sommerlied fast am Verklingen

in lichten Wogen von Dur zu Moll -

golddurchzogen doch würdevoll

sind kahle Zweige schon zu sehen. - die schlanken Zweige weiterschwingen. –

Der Traum vom weißen Schneegefieder

ist unbefangen

aufgegangen

und summt schon wieder neue Lieder. -

WEIH-NACHT (1991)

Weihnacht, Nichts als Nacht

du geweihte Nacht ist dir geblieben,

für den Frieden – das Gedenken

Ruhe, Stille, an die Stille

Zeit zu denken und den Frieden

und zu lieben. jener einst geweihten Nacht.

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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KOMMUNION (1992)

Herr –

dich in mir tragen –

in Geist und Leib

ganz eins zu sein

mit dir –

Vertrauen aus Vertrauen wächst,

und jeder Augenblick

ist Bruchteil deiner Ewigkeit,

hindurch du mich getragen -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

ERKENNTNIS (1992)

Den Fächer des Lebens

weit öffnen –

betrachten –

durchlebte Erfahrungen

ordnen

und werten –

geläutert zu Demut

an Weisheit

gewinnen,

ist Leben und Weg

in das ewige

Sein. -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

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PERSPEKTIVE (1992)

Stunden vergehen – Zeiten zersprudeln zurück bleibt Erinnern -

Wochen enteilen – wie Wasser aus Quellen - trostreiches Ahnen -

Jahre verfliegen – Worte verhallen Hoffen auf Stille

wir spüren es kaum - im endlosen Raum - im Ewigkeitstraum -

aus: Sonya Weise „Atem der Seele“ 1992

DEPRESSION (1992)

Unter mir Sternenmeere

verbrannte Erde – neu entzündet -

über mir Sand der Wüste

erlosch‘ner Himmel – frisch gepflanzt -

sternenlos wachsen aus der Einsamkeit

und mondverloren – Hoffnungsfunken

aus verkanntem Glück geboren schamversunken -

werden Einsamkeiten groß. - Licht lockt aus dem Tief der Zeit. –

ZERGERBUNG (1992)

Tiefster Schmerz …

Schock, der lähmt.

Verloren in Leere,

zaghafte Versuche,

aus Einsamkeit

Ruhe zu schöpfen

und Kraft,

die im Verborgenen ruht.

Sie reicht

vielleicht,

doch Trost ist weit!

Und endlos gerbt, zermürbt die Zeit. - aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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MORGENGRAUEN (1992)

Die Zeit, Schicksale,

wenn die Vögel zu singen plötzlich entschieden -

beginnen, Leid wie Glück,

wachsen die Sorgen dreht sich des Lebens Zeiger

um dich. nie zurück.

Die Zeit, Die Zeit,

da auf endloser Reise wenn die Vögel zu singen

ganz leise beginnen,

im jungen Morgen werde ich beten,

Neugierde des Todes schwebt - dass dein Zeiger sich nicht mal berühren lasse.-

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

ERMUNTERUNG (1992)

Die Angst vor dem Erwachen,

die Freude, es zu tun,

mit Hoffen und mit Zagen

die Augen aufzuschlagen,

den einen Weg zu finden,

da Weitermachen

lohnt. –

Fast wie gewohnt,

nur viel bewusster

verwebt, das Muster

jedes neuen Tages. –

Atme tief – und wag‘ es!

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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ZUM GELEIT (1992)

Geliebt bist du –

Erinn’rung wiegt,

und immerzu

Gedanken kreisen. –

Spür sie reisen

ganz mit dir!

Einsamkeit

sei Pol der Zeit,

worin

Gewinn

und Hoffen für dich liegt. -

SOMMERABEND (1992)

Die Fenster geschlossen, Gedanken verstricken

die Schlagläden dicht, Gedanken in Zeit,

nur Vogelgezwitscher erstehend, vergehend,

im dämmrigen Licht. - gedankenlos weit.

Verlassen das Plätzchen,

Gezwitscher wird schwach,

die Straßenlaterne

ruft Nachtfalter wach.

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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PSYCHOGRAMM (1992)

An Seidenfäden

Ängste baumeln

in Abgrundtiefen

irgendwo

zerrüttet

verschüttet

im Nirgendwo

verstrickt

erstickt –

Gefühle taumeln

abgrundtief

an Seidenfäden –

ABENDRUHE (1992)

Abendwinde,

Blätterlieder,

Atem, der nach Freiheit ringt –

Duft der großen alten Linde

dringt

durch Stille,

alles ruht -

Sonnenglut,

fast vergangen,

streut

auf Wald und Haus

Frieden aus,

tauumhangen -

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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MORGENSPAZIERGANG (1992)

Morgen

atmet Sonntagsfrieden –

Träume schweben

schlafgeborgen –

Alltagsleben

abgeschieden –

nur

Natur

lässt ihre Lieder

leise schwingen

und verklingen,

kehrt des Alltags Hektik wieder. –

GEBET II (1992)

Verwahr mir alle meine Tränen, Erspar mir keine einz’ge Sorge,

lass sie zu Perlen werden lass sie zur Stütze werden

all jenen, all jenen,

denen sie geweint. - denen sie gemeint. –

Bewahr mir wahre Endloskräfte,

lass sie mich neu gewinnen

in Seelen,

die mit mir vereint. -

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FRAGE (1992)

Dass ich dich brauche, Hilflos erstarrt

möchte ich dir sagen – fällt meine Träne

auf Gott vertrauen, in deinen Schoß

ohne zu fragen – und verendet -

zu viele Steine ein stummer Schrei

auf endlosen Wegen – an Gottes

drückende Ängste Ohr

allem entgegen - vorbei? -

AUGENDIAGNOSE (1992)

In Kinderaugen: In Greisenaugen:

erkorene Träume – verlorene Träume -

Steine Steine -

erbauen ein Leben zerfallenes Leben

aus Hoffnung und Licht. - aus Glück und Verzicht. -

GEBET III (1992)

Mein Kleinod

in Deinen Händen

geborgen,

die Seele meines Engels

darin getragen zu wissen

ist Trost –

doch Sorgen

werden bleiben

trotz allem –

die menschliche Unzulänglichkeit

Dir ganz zu vertrauen. -

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BALANCE (1992)

An Tagen, In Stunden

die tragen zerschunden

den Reichtum von Jahren und leer -

in sich. – verlorenheitsreich. -

Federn gleich Bleischwer

hebt mein Dank hebt mein Dank

sich aus der Fülle sich aus der Asche

erfüllter Illusionen. - zerstörter Illusionen. –

Und doch gottgewollt

baut beides vereint

die einzige Chance

zu Balance

GEBOT (1992)

Die Fähigkeit zu lieben, Die Fähigkeit zu danken

das freiwillige Opfer - für die geschenkte Seele -

Gebot der innern Stimme Gebot der innern Stimme

hast HERR hast HERR

in mich gelegt. - in mir geregt. –

Erkenntnisreiche Vielfalt,

verwebend Dank und Liebe –

Gebot der innern Stimme,

das Dich, HERR, in sich trägt.

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ZEIT- SCHABLONEN (1992)

Festgelegt

in Zeit-Schablonen,

fortbewegt

im Lauf des Seins. –

Doch Versäumtes nachzuholen

wird im Wünschen wie im Hoffen

nie sich lohnen. –

Einsicht schwere Schatten warf –

lehrt betroffen

akzeptieren,

was nicht sein darf

und doch ist. –

Ohne Frist

stehen Zukunftswege offen,

fortbewegt

im Lauf des Seins,

festgelegt

in Zeit-Schablonen. –

ZU (1992)

Zu viele Menschen

in zu engen Gassen,

zu viel Gerede

mit zu wenig Sinn. –

Zu alle Türen,

Ohren

verloren,

streben die Menschen

zu wem?

Wohin? aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994

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GERSTUNGEN (1992) (ehemalige Zonengrenze)

Turm,

der du vergessen hast,

Turm zu sein:

grau und putzentblättert,

schwarz zerborstene Fensterscheiben,

Einsamkeit

starrt erstarrt ins Loch der Zeit. –

Jetzt, wo einst Zwang

im blassen Schein den Geist durchdrang,

begrab’ner Last, Befehle sagten,

machtverwittert, was zu tun und was zu lassen sei,

amtsenthoben die Menschen

musst du sehn, kaum zu atmen wagten;

wie neue Welten dort entstehn, NICHTS war FREI –

Gedanken nur,

solange sie Gedanken blieben,

zerrieben

in der Mühle blinder Wut. –

Du wachtest dienstbeflissen,

bestraftest jeden Mut,

verfolgtest jede Spur. –

Turm,

der du vergessen hast,

Turm zu sein,

warst Schreckensauge,

hinter dessen Scheiben

die Posten standen

und ohne Gnade ihre Opfer fanden. -

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EVOLUTION DES GEISTES (1992)

Paradies –

aus Erkenntnis

wächst das Böse,

wie das Gute.

Mensch,

geboren

zu erkennen deinen Weg,

abzuwägen

zwischen Recht und Unrecht. –

Im Bestreben

Seiner Gottheit nahzukommen,

sei der Tod

das große Tor

zu Ewigkeit

und Paradies. –

FEUER ÜBER SODOM (1992)

Wie Feuer über Sodom lag

und lichterloh vernichtet

der Menschen Werk zerfällt, zerbricht –

verglühter Tag,

von Flammenlicht

erfüllte Nacht –

der Finger Gottes züngelt gleiß –

Verweis und Aufschrei,

jäh, wonach … -

Das Feuer über Sodom brach

der Menschen hohlen Stolz entzwei.

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CHRIST-NACHT (1992)

Geboren, Gottlosgewordene Menschheit. -

die Welt zu erlösen. Verloren

Menschgewordene Gottheit, hat sie

dir geweiht die wahren

sei die Nacht Gedanken

deiner Geburt. an dich. -

aus: Sonya Weise „Gezeiten des Seins“ 1994