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Fachdidaktik Arbeitslehre - Skriptum zur Vorlesung - Dr. Herbert Rausch, LfE, TUM ([email protected]) Pestalozzi in der Schule, 1799 Ausgabe SS 2016

Skriptum zur Vorlesung · 1 Fachdidaktiker TUM nach Empfehlungen des Kulturausschusses Bayern 1968 2 Lehrplan PLUS „Fachprofil“: Wirtschaft und Beruf Inhalt Die Vorlesung gliedert

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Page 1: Skriptum zur Vorlesung · 1 Fachdidaktiker TUM nach Empfehlungen des Kulturausschusses Bayern 1968 2 Lehrplan PLUS „Fachprofil“: Wirtschaft und Beruf Inhalt Die Vorlesung gliedert

Fachdidaktik Arbeitslehre - Skriptum zur Vorlesung -

Dr. Herbert Rausch, LfE, TUM

([email protected])

Pestalozzi in der Schule, 1799

Ausgabe SS 2016

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Vorbemerkungen Das Skriptum enthält Hinweise auf die wichtigsten Inhalte und ersetzt nicht intensives Literaturstudium. Die

Vorlesung setzt fachwissenschaftliche Kenntnisse aus den berufskundlichen, arbeitswissenschaftlichen und

wirtschaftswissenschaftlichen und technisch orientierten Lehrveranstaltungen des Studiengangs und allgemeine

erziehungswissenschaftliche Kenntnisse, die im Rahmen des erziehungswissenschaftlichen Grundstudiums

erworben werden voraus.

Test:

Erläutern Sie die Begriffe:

Ausbildungsrahmenplan, Berufswahlreife

Dauerleistungsgrenze, Jobenlargement

Markt, Bruttosozialprodukt

Wirkungsgrad, Werkzeug

Ziele der Vorlesung Definition der Fachdidaktik:

"Die Fachdidaktik führt sowohl in fachwissenschaftliche Fragestellungen, als auch in sachadäquate und

schulgerechte Vermittlung bildungsrelevanter Inhalte und Methoden ein."1

Die Fachdidaktik soll einerseits helfen gezielt bildungsrelevante Inhalte eines Faches auszuwählen und

andererseits die Vermittlung dieser Inhalte unterstützen.

Didaktischer Aspekt

Die normativen Vorgaben der Gesellschaft, bzw. des Staates in Form von Gesetzen und Verordnungen und die

vorherrschende Ethik lassen den akademisch ausgebildeten Lehrkräften bewußt weite Freiräume, um

schülergerecht und aktuell Lerninhalte auszuwählen und zu gewichten. Im Rahmen der Fachdidaktik sollen

Fachinhalte, Methoden und Maßstäbe vorgestellt werden, die im Rahmen der vorgegebenen Normen und Ideale

eine effektive Auswahl der Lerninhalte für den Arbeitslehreunterricht erleichtern.

Methodischer Aspekt

Die wirkungsvolle Vermittlung dieser Inhalte unterstützt die Fachdidaktik durch wissenschaftliche

Hintergrundinformation und konkrete Entscheidungshilfen. Kenntnisse aus der Lernpsychologie, der

Verhaltensforschung und der Pädagogik liefern Begründungen für beobachtbare Phänomene im Unterricht, die

gemeinsam mit Erfahrungen hervorragender Pädagogen bis hin zu einfachen Tips und Regeln eigene,

zielgerichtete und immer erfolgreichere Lehrversuche ermöglichen.

Grenzen

Die Fachdidaktik kann und will nicht eigene Erfahrungen ersetzen, sie liefert die Anleitung, Werkzeuge und

teilweise das Baumaterial um einen soliden Unterricht zu konstruieren und Maßstäbe, um diesen zu beurteilen.

LPO I

§ 40 LPO I (2008)

(2) Inhaltliche Prüfungsanforderungen 5. Fachdidaktik

a) Ziele, Gegenstandsfelder und Konzeptionen des Lernfeldes Arbeitslehre,

b) Interaktionspartner und Lernorte im Lernfeld Arbeitslehre

c) Methoden und Medien im Lernfeld Arbeitslehre.

Aktueller Lehrplan

„Lehrplan PLUS Fachprofil Wirtschaft und Beruf: Ziele und inhaltliche Schwerpunkte

Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule treten in der Regel früher als andere in das Berufsleben ein.

Vorrangiges Bildungsziel des Faches Wirtschaft und Beruf ist es, sie auf jene von Arbeit geprägten Bereiche

vorzubereiten, in denen sie in Zukunft als Erwerbstätige, als Produzenten von Gütern und Dienstleistungen, als

Verbraucher und Wirtschaftsbürger leben werden. Das Fach Wirtschaft und Beruf beginnt in Jahrgangsstufe 5

und knüpft an Themenbereichen der Grundschule an. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler besonders in

grundlegenden und fachspezifischen Methoden bzw. Arbeitstechniken wie Beobachten, Befragen, Interviewen,

Beschreiben, Auswerten und Erkunden geschult. Somit legt das Fach Wirtschaft und Beruf die Basis für ein

Methodencurriculum an der Mittelschule. Der Blick auf den eigenen Lebensbereich der Schülerinnen und

Schüler wird geschärft und inhaltlich kontinuierlich weitergeführt. “Die Schülerinnen und Schüler erwerben ein

grundlegendes Verständnis in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft, Technik, Berufsorientierung und Recht und

begreifen Arbeit als Grundphänomen menschlichen Daseins. 2

1 Fachdidaktiker TUM nach Empfehlungen des Kulturausschusses Bayern 1968 2 Lehrplan PLUS „Fachprofil“: Wirtschaft und Beruf

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Inhalt Die Vorlesung gliedert sich in zwei Hauptabschnitte, die systematisch aufbauend die wesentlichen Grundlagen

für einen wirkungsvollen Arbeitslehreunterricht liefern. Dabei werden wissenschaftliche Erkenntnisse mit

Zielvorgaben verknüpft und für die Unterrichtsplanung aufbereitet.

Vorbemerkungen .................................................................................................................................................. 2

Ziele der Vorlesung ................................................................................................................................................. 2 LPO I ............................................................................................................................................................... 2 Aktueller Lehrplan .......................................................................................................................................... 2

Inhalt ...................................................................................................................................................................... 3

Didaktik: Welche Inhalte sollen vermittelt werden? ......................................................................................... 4

Fachinhalte ............................................................................................................................................................. 4

Kompetenz, Schlüsselqualifikationen, ..................................................................................................................... 5 Literatur ........................................................................................................................................................... 7 Kontrollfragen ................................................................................................................................................. 7

Auswahl der Inhalte aus geschichtlicher Sicht ........................................................................................................ 8 Historische Entwicklung der Arbeitslehre bis 1945 ........................................................................................ 8 Die Entwicklung des Faches Arbeitslehre von 1964 bis heute ..................................................................... 14

Darstellungsformen der Lerninhalte (Lehrpläne) ................................................................................................. 26 Gesetze und Verordnungen ........................................................................................................................... 26

Auswahl der Inhalte für eine Unterrichtseinheit ................................................................................................... 29 Vorgaben ....................................................................................................................................................... 29 Sachuntersuchung ......................................................................................................................................... 29 Adressatenanalyse ......................................................................................................................................... 29 Grundsätze der Didaktik ............................................................................................................................... 29 Didaktische Reduktion .................................................................................................................................. 30 Problemanalyse ............................................................................................................................................. 31 Didaktische Analyse...................................................................................................................................... 31 Feinziele einer Unterrichtseinheit ................................................................................................................. 32 Kontrollfragen ............................................................................................................................................... 33

Methodik: Wie sollen diese Inhalte vermittelt werden? .................................................................................. 34

Handlungsorientierter Unterricht ......................................................................................................................... 34

Gestaltung von Unterrichtseinheiten .................................................................................................................... 35 Artikulation ................................................................................................................................................... 35 Methoden ...................................................................................................................................................... 36 Lernzielkontrollen ......................................................................................................................................... 38

Unterrichtsverfahren ............................................................................................................................................. 39 Die Betriebserkundung .................................................................................................................................. 39 Das Betriebspraktikum .................................................................................................................................. 43 Pro- und Contradebatte ................................................................................................................................. 53 Brainstorming ................................................................................................................................................ 54 Das Experteninterview .................................................................................................................................. 57 Die Fallstudie ................................................................................................................................................ 59 Simulationsspiele als Unterrichtsverfahren ................................................................................................... 61 Planspiele ...................................................................................................................................................... 61 Das Rollenspiel ............................................................................................................................................. 63 Projekte ......................................................................................................................................................... 66 Zukunftswerkstatt .......................................................................................................................................... 71 Leittexte ........................................................................................................................................................ 74

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Didaktik: Welche Inhalte sollen vermittelt werden? Problematisch erweist sich die Erschließung und die Auswahl der Fachinhalte. Besonders für Arbeitslehre kann

nicht auf eine einzelne Fachwissenschaft mit anerkannten Sachstrukturen verwiesen werden, da entsprechend

den lebensnahen Aufgabenstellungen viele unterschiedliche Quellen herangezogen werden müssen. Dabei

besteht die Gefahr oberflächlich mit unverbindlichen Phrasen Wissenslücken zu kaschieren.

Die Lerninhalte gliedern sich in Fachinhalte einzelner Bezugswissenschaften und in die so genannten

„Schlüsselqualifikationen”, die in unserer modernen Welt eine erhebliche Bedeutung haben.

Fachinhalte

Die Fachinhalte können in sich

teilweise überschneidende Bereiche

gegliedert werden

(s. Bild 1):

Beruf,

Wirtschaft,

Technik,

Recht

Haushalt

[s. KMK 1969], wobei Arbeit stets

übergeordnet als Leitkategorie dient.

Bild 1: Gegenstandsbereiche der Arbeitslehre

Arbeit

bestimmt das menschliche Leben sowohl im eigenen Haushalt, als auch im Beruf.

Berufsorientierung umfasst als Gegenstandsbereich Bedingungen und Formen von Arbeit, die vorwiegend Erwerbszwecken

dient und auf die meist in Ausbildungsgängen vorbereitet wird sowie die Entwicklung einer

Berufswahlfähigkeit.

Wirtschaft:

umfasst als Gegenstandsbereich wirtschaftliche Bedingungen und Verfahren zur Produktion, zum

Austausch von Waren und zur Bereitstellung von Dienstleistungen, insbesondere Verteilung und

Verbrauch unter Berücksichtigung sozialer Verpflichtungen.

Technik:

umfasst als Gegenstandsbereich technische Mittel und Verfahren zur Herstellung und Verwendung von

Waren und zur Erbringung von Dienstleistungen.

Recht

vermittelt Kenntnisse über einschlägige rechtliche Bestimmungen. Im Vordergrund stehen

Rechtsthemen mit denen Schüler in naher Zukunft – als Einsteigerinnen und Einsteiger in die Berufs-

und Arbeitswelt – betroffen sind.

Diese Gegenstandsbereiche bedingen und durchdringen sich wechselseitig; sie sind grundsätzlich offen und

können in bestehende Unterrichtsfächer hinein wirken. Sie bedürfen der ständigen Reflexion, um neueren

Wirklichkeitsanforderungen Raum zu geben. So werden z. B. die für Unterricht und Erziehung allgemein

Arbeit:Zielgerichtetes

Handeln...

Technik:Technische Mittel

und Verfahren zur

Herstellung und

Verwendung von

Waren und zur

Erbringung von

Dienstleistungen.

Wirtschaft: Wirtschaftliche

Bedingungen und Verfahren zur Produk-

tion, zum Austausch von Waren und zur

Bereitstellungen von Dienstleistungen,

insbesondere Verteilung und Verbrauch

unter Berücksichtigung sozialer

Verpflichtungen.

Beruf: Bedingungen und For-

men von Arbeit, die vorwiegend

Erwerbszwecken dient und auf die

meist in Ausbildungsgängen vor-

bereitet wird...

Fachinhalte der Arbeitslehre

Haushalt, Freizeit...

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anerkannten Herausforderungen im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der

Ökologie auch in diesen Gegenstandsbereichen berücksichtigt.

Arbeit hat bei der inhaltlichen Bestimmung des Lernfeldes, bei der Formulierung von Anforderungen sowie bei

der für den Unterricht notwendigen didaktischen Verknüpfung der Gegenstandsbereiche besondere

Bedeutung.”[KMK 1969]3

Kompetenz, Schlüsselqualifikationen, Durch den technischen Wandel (Beispiel: Computer) und die zunehmende Globalisierung werden von den

Arbeitnehmern neben fachspezifischen immer mehr Berufsfeld übergreifende Kenntnisse und Fähigkeiten

sowohl kognitiver als auch manueller Art verlangt. Wenn sich nun, wie die letzten Jahre zeigen, diese

berufsbezogenen Inhalte "selbst überholen" (technisch veralten), dann muss der Berufstätige oder der Fach-

Auszubildende über ein Instrumentarium (Methoden) verfügen, welches ihn im Laufe seines Arbeitslebens

(eventuell mehrmals) befähigt, sich den neuen technischen, ökonomischen als auch sozialen Herausforderungen

erfolgreich zu stellen. 1974 definierte Mertens (Bundesanstalt für Arbeit) Schlüsselqualifikationen als „solche

Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten, welche nicht unmittelbaren und begrenzten Bezug zu bestimmten,

disparaten praktischen Tätigkeiten erbringen”. [Mertens, 19744] Schelten konkretisiert sie als Qualifikationen

hoher Reichweite, die sowohl zeitlich über Jahre ein Berufsleben lang als auch inhaltlich Berufsfeld übergreifend

gelten (s. Tabelle 1).

Sie gewinnen an Bedeutung, weil

Kenntnisse und Fertigkeiten zunehmend schneller veralten und

die heutigen Arbeitsanforderungen und Arbeitsorganisationen einen flexiblen Mitarbeiter notwendig

machen. [nach Schelten, 1991]

Tabelle 1: Schlüsselqualifikationen nach Schelten5

Schlüsselqualifikationen Qualifikationen mit hoher Reichweite

Materiale Kenntnisse und Fertigkeiten

1. Berufsübergreifende, d.h. allgemeinbildende Kenntnisse und Fertigkeiten: z.B. Kulturtechniken, Fremdsprachen, technische, wirtschaftliche und soziale Allgemeinbildung

2. Neu aufkommende Kenntnisse und Fertigkeiten: z.B. Elektronische Datenverarbeitung, Mikroelektronik, Pneumatik, Hydraulik, neue Technologien

3. Vertiefte Kenntnisse und Fertigkeiten, d.h. Ausbau von Grundlagen, die wenig veränderbar sind: z.B. höherer Messlehrgang, Fachfremdsprache

4. Berufsausweitende, d.h. über den Einzelberuf hinausgehende Kenntnisse und Fertigkeiten: auf Berufsfeldbreite, auf weitere inhaltlich und funktional verwandte Gebiete

Breitenelemente (n. Mertens) Vintagefaktoren (n. Mertens) Tiefenelemente (nach Bunk) Konzentrische Elemente (nach Bunk)

Formale Fähigkeiten kognitiver und psychomotorischer Art

1. Selbständiges, logisches, kritisches Denken 2. Gewinnen und Verarbeiten von Informationen, Informiertheit über

Information 3. Selbständiges Lernen, das Lernen lernen, sich etwas erarbeiten können 4. Anwendungsbezogenes Denken und Handeln, Einsatz der eigenen

Sensibilität und Intelligenz, z.B. bei Umstellungen und Neuerungen, im Vorschlags- und Erfindungswesen

5. Entscheidungsfähigkeit, Führungsfähigkeit, Gestaltungsfähigkeit, z.B. Selbständigkeit bei Planung, Durchführung und Kontrolle

Basis-Qualifikationen (n. Mertens) Horizontal-Qualifikationen (n. Mertens) Lern-Qualifikationen (nach Bunk) Handlungs-Qualifikationen (nach Bunk)

Personale Verhaltensweisen (und soziale

Fähigkeiten)

1. Verhaltensqualifikationen, mit einzelpersönlicher Betonung: u.a. Selbstvertrauen, Optimismus, Wendigkeit, Anpassungsfähigkeit, Gestaltungskraft, Leistungsbereitschaft, Eigenständigkeit

2. Verhaltensqualifikationen mit zwischenmenschlicher Betonung: u.a. Kooperationsbereitschaft, Fairness, Verbindlichkeit, Gerechtigkeit, Aufrichtigkeit, Dienstbereitschaft, Teamgeist, Solidarität

3. Verhaltensqualifikationen mit gesellschaftlicher Betonung: u.a. Fähigkeit und Bereitschaft zu wirtschaftlicher Vernunft, technologischer Akzeptanz und zum sozialen Konsens

Werthaltungs-Qualifikationen (nach Bunk)

3Konferenz der Kultusminister, KMK-Empfehlung zum Lernfeld Arbeitslehre, Bonn, 8. Oktober 1987 4 Dieter Mertens: MittAB, 1/1997, S.40 5 Andreas Schelten: Arbeitspädagogik, Carl Hanser Verlag, München 1987

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4. Arbeitstugenden, u.a. Genauigkeit, Sauberkeit, Zuverlässigkeit, Exaktheit, Pünktlichkeit, Ehrlichkeit, Ordnungssinn, Konzentration, Ausdauer, Pflichtbewusstsein, Fleiß, Disziplin, Hilfsbereitschaft, Rücksichtnahme

Schlüsselqualifikationen veralten im Zuge der technischen Entwicklung nicht. Im Unterschied zu

Qualifikationen mit geringer und mittlerer Reichweite sind sie nicht schon nach wenigen Jahren überholt. Sie

bilden eine Basis für die berufliche als auch für die soziale Existenz. Schlüsselqualifikationen bedürfen

allerdings immer konkreter Inhalte mit geringer bzw. mittlerer Reichweite.

Der Begriff „Kompetenz“ wurde von Heinrich Roth 19716 in der Erziehungswissenschaft eingeführt und wird in

der Berufspädagogik als Weiterentwicklung der Schlüsselqualifikationen synonym verwendet. Bildungspolitisch

hat der Begriff vor allem durch die Pisastudien an Bedeutung gewonnen. Franz Weinert definiert Kompetenz als

„die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um

bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen

Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und

verantwortungsvoll nutzen zu können“7. Unterschieden werden im Sinne beruflicher Handlungsfähigkeit

(Handlungskompetenz) folgende Teilkompetenzen:

Entscheidungskompetenz

personale Kompetenz

soziale Kompetenz

Sachkompetenz/Fachkompetenz

Methodenkompetenz

Das Konzept der aktuellen Lehrpläne für alle Schularten in Bayern basiert konsequent auf der Vermittlung von

Kompetenzen. „Die Mittelschule als weiterführende Pflichtschule stärkt die Schülerinnen und Schüler in

fachlichen, methodischen, personalen und sozialen Kompetenzen sowie im Bereich der Berufsorientierung.“

[LehrplanPlus, S. 12 ]

Der LehrplanPLUS verwendet die Kurzfassung des Kompetenzbegriffs von Weinert:

„Kompetent ist eine Person, wenn sie bereit ist, neue Aufgaben- oder Problemstellungen zu lösen, und dies auch

kann. Hierbei muss sie Wissen bzw. Fähigkeiten erfolgreich abrufen, vor dem Hintergrund von Werthaltungen

reflektieren sowie verantwortlich einsetzen.“ [Weinert, F. (2001): Vergleichende Leistungsmessung in Schulen –

eine umstrittene Selbstverständlichkeit. In: F. Weinert (Hrsg): Leistungsmessung in Schulen. Weinheim)]

LehrplanPLUS steht für ein umfangreiches Lehrplanprojekt, in dem zeitgleich und inhaltlich abgestimmt die

Lehrpläne für alle allgemein bildenden Schulen sowie die Wirtschaftsschulen und die beruflichen Oberschulen

überarbeitet werden. ..

Die Lehrpläne sind kompetenzorientiert ausgerichtet. Sie geben Auskunft über die im Unterricht nachhaltig

aufzubauenden Kompetenzen und beschreiben, an welchen Inhalten diese erworben werden. Diese Kompetenzen

gehen über reines Wissen hinaus und haben stets konkrete Anwendungssituationen im Blick. Die Schülerinnen

und Schüler schaffen sich also „Werkzeuge“, die sie zur Lösung lebensweltlicher Problemstellungen, zur aktiven

Teilhabe an gesellschaftlichen Prozessen und an kulturellen Angeboten sowie nicht zuletzt zum lebenslangen

Lernen befähigen. Durch die Orientierung am Erwerb von Kompetenzen berücksichtigt der neue bayerische

Lehrplan die Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz.

Wissen allein ist noch keine Kompetenz, stellt jedoch die Grundlage für jeden Kompetenzerwerb dar. Deshalb

verbindet der LehrplanPLUS den aktiven Erwerb von Wissen und Kompetenzen im Unterricht. Dies wird u. a.

dadurch deutlich, dass die bayerischen Lehrpläne auch in Zukunft explizit Inhalte ausweisen werden, an denen

verschiedene Kompetenzen erworben werden können.

[ISB: http://www.lehrplanplus.bayern.de/seite/lehrplanplus, 9.5.16]

6 Heinrich Roth (1971): Pädagogische Anthropologie. Bd. 2, Hannover. S.180 7 Franz E. Weinert (Hrsg.)(2001): Leistungsmessung in Schulen. Weinheim und Basel: Beltz, 27f.

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Literatur

Andreas Schelten: Arbeitspädagogik, Carl Hanser Verlag, München 1987

Heinz Dedering: Einführung in das Lernfeld Arbeitslehre. Oldenbourg Verlag, München, Wien 1994,

S. 95 – 101

Gmelch, Andreas, R. Dörfler: Praxis 5 Arbeit-Wirtschaft-Technik, Hauptschule Bayern, Lehrerband

mit Kopiervorlagen. Westermann, Braunschweig 2004

Dieter Mertens: MittAB, 1/1997, S.40

Lothar Retz, Reitmann, Thomas (Hrsg.): Schlüsselqualifikationen. Dokumentation eines Symposiums in

Hamburg. Feldhaus Verlag Hamburg, 1990

Roman Dörig: Das Konzept der Schlüsselqualifikationen. Dissertation, Hochschule St. Gallen 1994

Kontrollfragen

1. Welche inhaltlichen Schwerpunkte nennt der LehrplanPlus für das Fach Wirtschaft und Beruf (s.

Fachprofil)?

2. Nennen Sie für die Gegenstandsbereiche des Fachs jeweils ein konkretes Lernziel!

3. Warum werden Lehrkräfte bei uns akademisch ausgebildet?

4. Wie unterscheiden sich „materiale Kenntnisse“ von „formalen Fähigkeiten“? Nennen Sie jeweils ein

konkretes Beispiel!

5. Nennen Sie eine Problemstellung, bei der neben der Handlungskompetenz mindestens drei weitere

Kompetenzbereiche erforderlich sind! Skizzieren Sie welche Kompetenzen im Rahmen Ihrer

Problemstellung wofür erforderlich sind!

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Auswahl der Inhalte aus geschichtlicher Sicht Anhand eines geschichtlichen Rückblickes soll gezeigt werden, wie in der Vergangenheit Schüler auf die

Arbeits- und Wirtschaftswelt vorbereitet wurden und wie die einschlägigen Lehrpläne bis zum heutigen Stand

entwickelt wurden. Dies erleichtert die fachgerechte Interpretation der aktuellen Zielsetzung und hilft konkrete

aktuelle Inhalte aber auch Methoden verantwortungsbewusst auszuwählen.

Historische Entwicklung der Arbeitslehre bis 19458

Der lebenspraktische Bezug und die Hinführung zur Berufs- und Wirtschaftswelt waren in der Vergangenheit

stets Ziele der schulischen Bildung. Exemplarisch werden im Folgenden wesentliche Lehrer-

Tabelle 2 : Zeittafel9

Pädagogik Geistesleben Politische Geschichte und

Gesellschaft

Wirtschaft und Technik

Johannes Amos Comenius (1592-1670)

John Locke (1632-1704)

Pietismus in Deutschland:

Jakob Spener (1635-1705)

August Herm. Francke

(1663-1727)

Rene Descartes (1595-

1650)

Gottfr. Wilh. Leibniz

(1646-1716)

1750 Jean Jacques Rousseau (1712-1778) Philantropen:

Basedow (1724-1790)

Salzmann (1744-1811)

Campe (1746-1818)

Trapp (1745- 1818)

Rochow (1734-1805)

Johann Winckelmann

(1717-1768)

Enzyklopädie (1752-

1771)

Friedrich d. Gr. (1740-1786)

Rousseaus Contrat Social (1762)

Watts Dampfmaschine (1769)

1775 Johann Heinrich Pestalozzi (1746-1827) Imanuel Kant (1724-

1804)

Amerikanische Unabhängig-

keitserklärung (1776)

Französische Revolution (1789)

Adam Smith begründet die

klassische Nationalökonomie

(1776)

Cartwrights mech. Webstuhl

(1786)

Ecole Polytechnique (1794)

1800 Johann Friedrich Herbart (1776-1841) Neuhumanismus:

Herder (1744-1803)

Humboldt (1767-1835)

Jean Paul (1763-1825)

Romantik:

Fröbel (1782-1852)

Weimarer Zentrum der

deutschen Klassik:

Joh. W. v. Goethe (1749-

1832)

Fr. Schiller (1759-1805)

Georg Wilh. Hegel (1770-

1831)

Napoleon (1797-1815)

Preußens Niederlage;

Befreiungskriege (1813/15)

Deutscher Bund (1815)

System Metternich

Kontinentalsperre (1806)

Krupps erste Gußstahlfabrik (1812)

Harkorts erste Maschinenfabrik

(1818)

1825 Wichern gründet das Rauhe Haus (1832)

Kolping gründet Gesellenvereine (1845)

Adolf Diesterweg

(1790-1866)

Pestalozzianer Soziale Utopisten

Karl Marx (1818-1883)

Juli-Revolution in Frankreich

(1830)

Weber-Unruhen (1844)

Februar-Revolution (1848)

National-Versammlung

(1848/49)

Erste deutsche Technische

Hochschule in Karlsruhe (1825)

Gründung des Zollvereins (1834)

Friedrich List

(1789-1844)

1850 Stiehlsche Regulative (1854)

Abitur der preuß. Realgymnasien verleiht

Hochschulberechtigung (1859)

Herbartianer

Schulpädagogen

Bismarck (1862-1890)

Genfer Konvention (1864)

Deutsches Reich gegründet

(1871)

Erste Weltausstellung in London

(1851)

1875 Bodelschwingh gründet Bethel (1872)

staatl. Schulaufsicht in Preußen (1872)

Experimentelle Pädagogik

William Preyer

(1841-1897)

Wilh. Aug. Lay

(1862-1926)

Ernst Meumann

(1862-1915)

Wilhelm Wundt (1832-

1920)

Friedrich Nietzsche

(1844-1900)

Daimler-Benz: Benzinkraftwagen

(1885)

Röntgenstrahlen entdeckt (1895)

1900 Pädagogik vom Kinde aus:

Ellen Key (1849-1926)

Berthold Otto (1859-1933)

Maria Montessori (1870-1952)

Abitur der Oberrealschulen verleiht

Hochschulberechtigung (1900)

Geisteswissensch. Pädagogik:

Wilh. Dilthey

(1833-1911)

Hermann Nohl

(1879-1960)

Theod. Litt (1880-1962)

Eduard Spranger

(1882-1963)

Wilh. Flitner (1899.)

Erich Weniger

(1894-1961)

Otto Friedr. Bollnow (1903..)

Vierjährige Grundschule obligatorisch

(1920)

anschließend Schulreform durch Hans

Richert

Reformpädagogik:

Jugendbewegung:

Wandervogel (1898)

Hoher Meißner (1913)

Kunsterz. Bewegung:

Alfr. Lichtwark (1852-

1914)

Landerziehungsheim-

bewegung:

Herm. Lietz (1868-1919)

Peter Petersen

(1884.1952)

Rudolf Steiner (1861-

1925 Anthroposoph)

Produktionsschulbe-

wegung:

Pawel Blonskij

Arbeitsschulbeweg.:

John Dewey

(1859-1923)

Georg Kerschensteiner

(1854-1932)

Hugo Gaudig (1860-

1920)

Max Planck (1858-1947)

Sigmund Freud (1859-

1933)

Albert Einstein (1879-

1955)

Oswald Spengler (1880-

1973)

Paul Klee (1879-1940)

Pablo Picasso

(1881-1973)

Wilhelm II.

(1888-1918)

I. Weltkrieg

(1914-1918)

Weimarer Republik (1919-1933)

3. Reich

Tonfilm entwickelt (1923)

Inflation (1923)

Rundfunk in Deutschland (1923)

persönlichkeiten bestimmter Zeitabschnitte und pädagogischer Richtungen erläutert. Tabelle 2 liefert zunächst

eine Übersicht mit Hinweisen auf das Geistesleben, die politische Geschichte und wichtige Ereignisse aus

Wirtschaft und Technik der Zeitabschnitte.

8 nach Paul Kupser: Arbeitslehre zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1986 und Dauenhauer, Erich: Einführung in die Arbeitslehre. Uni-Taschenbücher 471, Pullach 1974 9 nach U. v.d.Burg: Geschichte der Pädagogik. August Bebel Verlag 1979

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Johann Amos Comenius (1592 - 1670)

Im Zeitalter des Absolutismus und den Wirren des 30-jährigen

Krieges dominierte das Streben nach straffer Führung und

Systematisierung des Lebens. Beeinflusst von den Erfolgen der

Wissenschaft (z.B. Descartes) erkannte Comenius die Macht des

Wissens und Verstehens. Wenn man die Begriffe, in denen die Welt

präsent ist, beherrscht, beherrscht man die Welt. Dies schlug sich

auch in den Idealen und Lerninhalten von Comenius nieder. Im

Mittelpunkt seines Weltbildes stand der fromme Mensch mit

umfassenden, gründlichen Kenntnissen für das Leben. Nach den

christlichen Idealen und dem Glauben an Gott ordnete Comenius

alles umfassende, „nutzbringende” Lerninhalte aus dem Alltag,

handwerklich geprägter Arbeit und künstlerischem und

philosophischem Streben an (s. Bild 2). Für den muttersprachlichen

Unterricht forderte er: „Zweck und Ziel der muttersprachlichen

Schule soll sein, daß die gesamte Jugend zwischen dem 6. und 12

(oder 13.) Altersjahr alles erlerne, wovon sie für das Leben

bleibenden Nutzen haben kann. Nämlich:...soviel von den

wirtschaftlichen und politischen Verhältnissen wissen, als zum

Verständnis dessen, was sie täglich im Haus und Gemeinde vorgehen

sehen, nötig ist;... Schließlich sollen sie von den Handwerken

allgemeine Kenntnis erwerben, sei es nur zu dem Zweck, daß sie auf

keinem Gebiet des menschlichen Lebens völlig unwissend bleiben,

sei es dazu, daß man die natürliche Neigung eines jeden leichter zu

erkennen gibt, wohin es ihn am meisten drängt.” [Comenius, zitiert

nach Flitner10, 1985, S. 195 f] Die Lerninhalte beziehen sich also auf

die Systematik, die Ordnung der Dinge im Besonderen auf das Schreiben und Lesen der Muttersprache, das

Rechnen, die wirtschaftlichen und politischen Verhältnisse und allgemeine Kenntnisse von den Handwerken.

Seine methodischen Überlegungen basieren auf der Erkenntnis, dass Lernen zunächst mit der Anschauung, der

eigenen Erfahrung und dem „Begreifen“ mit möglichst vielen Sinnen beginnt, worauf dann das Verstehen und

schließlich das selbständige Urteil folgt. Die Lernorganisation soll dem Verlauf der Natur folgen. Er verfasste

ein Aufsehen erregendes dreisprachiges Lehrbuch (Orbis sensualum pictus), worin Texte mit vielen Bildern

veranschaulicht sind.

Jean Jacques Rousseau (1712 - 1778)

Das Zeitalter der Aufklärung stellt den freien und selbstverantwortlichen Menschen in

den Vordergrund. Rousseau's Ideal, des von der ursprünglichen Natur aus den Händen

des Schöpfers geprägten Menschen, demonstriert diesen Zeitgeist und steht im

Gegensatz zu den von der Zivilisation geformten Menschen. Nach seinen

Vorstellungen sollen Kinder erst im 12. Lebensjahr nützliche, handwerkliche

Erfahrungen machen und systematisch lernen. Dabei spielt die Art des Handwerks

keine Rolle. Wichtig ist ihm, dass das Kind etwas "nützliches" tut. "Ich will unbedingt,

daß Emile ein Handwerk lernt.. Wählen wir also .. ein ehrbares Handwerk, aber

bedenken wir, daß es nur ehrbar ist, wenn es nützlich ist. ... oder vielmehr nicht wir

wollen ihn wählen, sondern er selbst. Denn da er eine gründliche Abneigung gegen

alles Unnütze hat, wird er seine Zeit nicht mit wertlosen Beschäftigungen verbringen

wollen. Er kennt keinen anderen Wert der Dinge als den ihres wirklichen Nutzens. Er braucht ein Handwerk, das

Robinson auf seiner Insel dienen könnte. ... Wenn man alles überdenkt, so wäre es mir am liebsten, wenn Emile

an der Tischlerei Gefallen fände. Sie ist sauber, nützlich und kann im Hause ausgeübt werden. Sie hält den

Körper genügend in Bewegung und verlangt Geschicklichkeit und Kunstsinn. Sind auch die Formen der

Werkstücke zweckbestimmt, so sind doch Schönheit und Geschmack nicht ausgeschlossen."[Rousseau, 1978 11]

In seinem Buch "Emile" beschreibt er auch seine Methoden. Der Erzieher stellt lediglich Erfahrungssituationen

bereit, in denen die Kinder frei und ungezwungen Erfolg und Misserfolg erleben. "Die Natur oder die Menschen

oder die Dinge erziehen uns. Die Natur entwickelt unsere Fähigkeiten und Kräfte; die Menschen lehren uns den

10 Johann Amos Comenius: Große Didaktik. Hrsg. von A. Flintner. Stuttgart 1985, S. 195. 11 Jean Jaques Rousseau: Emile oder Über die Erziehung. Vollständige Fassung in neuer deutscher

Fassung, 4. Aufl. Paderborn, 1978, S. 196 f

Bild 2 : Johann A. COMENIUS: DIDACTICA OPERA OMNIA 1592

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Gebrauch dieser Fähigkeiten und Kräfte. Die Dinge aber erziehen uns durch Erfahrung, die wir mit ihnen

machen, und durch die Anschauung."12

Johann Herrmann Basedow (1724 - 1790) - Die Philanthropen

Die Philanthropen (Basedow, Campe, Salzmann, Trapp u.a. ) wollten für die

bürgerlichen Mittelschichtkinder eine Allgemeinbildung mit arbeitspädagogischem

Einschlag. Basedow beschreibt die Lerninhalte: ”Verständlich lesen, leserlich schreiben,

nach den Anfangsgründen, ohne demonstrative Kenntnis, rechnen; für den großen

Haufen gehörige Sittenlehre; soviel Einsicht von der Seele und der Ordnung der Natur,

als bei dem großen Haufen zur Grundlage dienen muß, wenn eine wirkliche, nicht in

bloßen Worten bestehende Erkenntnis der Religion erbauet werden soll, und als auch

sonst etwa zu ihrem Hauswesen und Gewerbe nützlich und unentbehrlich sein möchte;

und endlich eine ebenso eingeschränkte Kenntnis der Landesgesetze.”[Basedow13, 1768,

S. 40 u. 51].

Die Philanthropen (Menschenfreunde) streben nach der Bildung des Intellekts, ebenso

wie nach Naturnähe und der Einfachheit der Lebensverhältnisse. Im Gegensatz zu Rousseau wollen sie auch den

Erwerbssinn wecken und die Berufstüchtigkeit steigern. Der Mensch soll möglichst schnell zum tüchtigen,

praktischen, fleißigen und aufgeklärten Bürger in der Gesellschaft werden. Realien sind wichtiger als alte

Sprachen.

Methodisch gestalten sie spielerisches Lernen, Belohnungen haben Vorrang vor Bestrafung. Die Ziele sollen

kindgemäß und lebensnah erreicht werden. U. a. begründen sie eine neue Literaturgattung, das

Jugendschrifttum.14

Johann Heinrich Pestalozzi ( 1746 - 1827) und die Industrieschulen

Der Name der Industrieschulen leitet sich vom Lateinischen ”industria”: Fleiß,

Betriebsamkeit ab und darf nicht mit dem heutigen Industriebegriff verwechselt werden.

Im politisch zersplitterten, monarchischen Deutschland, das noch wirtschaftlich durch

den 30-jährigen Krieg und die preußischen Eroberungskriege geschwächt war, wuchs die

verarmte Landbevölkerung rasch an. Schulreformer versuchten sich der Not der Armen

anzunehmen und ihre Schüler besser auf die Lebensverhältnisse vorzubereiten.

Die Industrieschulen sollten ihre Schüler zunächst auf niedere Berufe, wie Tagelöhner,

vorbereiten und das verbreitete Bettelwesen (um 1700) eindämmen. Sextro (1746-1827)

und Kindermann (1740-1838) hoben die pädagogische Motivation hervor. Breite

Volksschichten sollten sowohl theoretisch als auch praktisch auf ihr künftiges

Erwachsenenleben vorbereitet werden. Die Schüler sollten durch Handarbeit ihr

Schulgeld, bzw. ihr Brot verdienen, ohne dabei ihre geistige Bildung zu vernachlässigen. Aus den

Industrieschulen kristallisierten sich zwei Richtungen ab, zum einen die mehr theoretisch orientierten

Bildungsgänge, die schließlich in die Realschulen und Oberrealschulen münden, und zum anderen die Schulen,

die mit handwerklicher bzw. industrieller Tätigkeit verbunden sind. Ihr Ideal war der leistungsfähige und

vielseitige Mensch, der sich auszeichnet durch Selbständigkeit, Sparsamkeit, Denkvermögen, Eigeninitiative,

Erwerbswillen und Arbeitsamkeit (das Ideal des frühkapitalistischen Menschen)15.[vgl. Iven 1929,S.50]

Die Hauptvertreter waren Kindermann (1740-1838) in Böhmen, Pestalozzi (1746-1827) und H. Ph. Sextro (1746

- 1838). Viele Schulen dienten um 1800 zunehmend der Produktion von Waren zum Verkauf, verwandelten sich

in Fertigungsbetriebe und der Unterricht wurde zurückgedrängt.

Ursachen der Auflösung waren:

• der Einfluss des Neuhumanismus,

• das fehlende pädagogische Konzept,

• Geldmangel,

• fehlende qualifizierte Lehrkräfte und

• die Mechanisierung des Arbeitsprozesses, der keine Kinderarbeit mehr erforderte.

12Jean Jaques Rousseau. A.a.O.S.9 13 Johann Bernhard Basedow: Vorstellung an Menschenfreunde und vermögende Männer über

Schulen, Studien und ihren Einfluß in die öffentliche Wohlfahrt. 1768. In: Albert Rebele: Ausgewählte Schriften. Paderborn 1965.

14 nach Reble, Albert: Geschichte der Pädagogik. Ernst Klett Verlag Stuttgart, 5. Auflage, 1960, S. 148 f

15 vgl. Iven 1929,S.50

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Pestalozzi strebte den allseitig gebildeten Menschen an, auch um damit eine Ursache der Not in der armen

Bevölkerung zu lindern. Allseitig bedeutet die Bildung von ”Kopf, Herz und Hand”, sie schließt kognitive,

affektive und psychomotorische Lerninhalte ein. Die Arbeit hat für ihn einen eigenen Bildungswert, der

praktische Fertigkeiten, Arbeitstugenden und Urteilsvermögen enthält. Sowohl die Neuhumanisten als auch die

Vertreter der Arbeitsschulbewegung können sich deshalb auf Pestalozzi beziehen. Er selbst schreibt an einen

Freund: „Indessen betrachtete ich schon in diesem Anfangspunkt die Arbeitsamkeit mehr im Gesichtspunkte der

körperlichen Übung zur Arbeit und Verdienstfähigkeit, als in Rücksicht auf Gewinnst der Arbeit. Und ebenso sah

ich das eigentlich so geheißene Lernen ebenso allgemein als Übung der Seelenkräfte an und hielt besonders

dafür, die Übung der Aufmerksamkeit, der Bedachtsamkeit und der festen Erinnerungskraft müsse der

Kunstübung zu urteilen und zu schließen vorhergehen, und die erstern müssen festgegründet sein, ehe die

letztern vor der Gefahr bewahrt werden können, durch Fertigkeiten äußerer, wörtlicher Erleichterungsmittel zur

Oberflächlichkeit und zum anmaßlichen, täuschenden Urteilen geführt zu werden, welches ich für das

Menschenglück und die menschliche Bestimmung für viel gefährlicher achte, als eine Unwissenheit in hundert

Dingen, die aber mit einer festen anschauenden Erkenntnis seiner wesentlichen nächsten Verhältnisse und durch

ein einfaches, reines , aber fest entwickeltes Kraftgefühl gesichert ist.” [Pestalozzi, 1799, S. 26316]

Methodisch orientiert er sich an dem Gang der Natur, wobei unter Natur zu verstehen ist was den Menschen als

Menschen ausmacht. Seine „Elementarbildung” baut Bildung auf Elementen, Grundformen oder Grundbegriffen

auf, die die Basis für seinen Rechen-, Geometrie- und Sprachunterricht liefern. „Die Idee der Elementarbildung

sey als die Idee der naturgemäßen Ausbildung der Kräfte und Anlagen des menschlichen Herzens , des

menschlichen Geistes und der menschlichen Kunst anzusehen.”[Pestalozzi, 1799, S.57]

Wilhelm von Humboldt (1767 - 1835) Die Neuhumanisten

Durch den Einfluss des Neuhumanismus wurden die Industrieschulen im

Volksschulbereich völlig verdrängt, es entstehen Volksschulen mit

allgemeinbildenden Charakter.

Die Französische Revolution, Napoleon und der Zusammenbruch der alten Staaten

führten zu allgemeinen Reformbestrebungen (Verstaatlichung, die Zentralisierung der

Aufklärung wird fortgesetzt, Schaffung eines Volksheeres, Verselbständigung der

Bauern, Selbstverwaltung der Städte).

Aus der Idee der Philosophie heraus wurde die Universität des 19. Jahrhunderts

geschaffen und im neuhumanistischen Sinne das Gymnasium gestaltet [Reble, 1960]17.

Der Neuhumanismus strahlte auf das gesamte Bildungswesen aus und beeinflusste

damit auch das Volksschulwesen.

Im Vordergrund stand die allseitige, individuelle, alle Kräfte weckende Menschenbildung, nicht nur die bloße

Selbstverwirklichung des Menschen im Beruf, sondern die „Schaffung einer idealistischen Individualität”

[Menze, 1975, 48 f]18. Die unmittelbare Vorbereitung auf die Arbeits- und Wirtschaftswelt, wurde für Jahrzehnte

aus den Schulen verbannt. Menschen- und Berufsbildung wurden streng getrennt. „Alle unmittelbare Rücksicht

auf Berufsbildung muß von dem Erziehungsunterricht schlechthin ausgeschlossen bleiben.”[Niethammer19, S.

188]

Wilhelm von Humboldt (1767-1835), Süvern, Schleiermacher in Preußen, Niethammer und Thiersch (1784-

1860) in Bayern u. a. waren die Hauptvertreter des neuhumanistischen Gedankengutes, das bis heute unsere

Schulen prägt.

Tabelle 3: Entwicklung im Neuhumanismus

1809 Humboldt übernimmt die neu geschaffene, zentrale Bildungsstelle in Preußen „Sektion für den

Kultus und öffentlichen Unterricht”

1810 Schaffung der Universität Berlin

1810 Schaffung eines Lehramtes an Gymnasien in Preußen (Lehre keine Vertreter der Kirche mehr)

1812 erste Reifeprüfungsordnung an Gymnasien in Preußen

1817 eigenständiges Kultusministerium in Preußen

1826 Gründung der Universität München

1834 Reifeprüfung allgemeine Voraussetzung zum Studium in Preußen

1840 bereits 45 Lehrerseminare in Preußen für Volksschulen

Turnen statt handwerklicher Ausbildung (Turnvater Jahn)

1849 Rückschlag nach der Revolution - Volksschulen und Lehrerseminare werden zurückgebildet

16 Johann Heinrich Pestalozzi: Grundlehren über Mensch, Staat, Erziehung. Seine Schriften in

Auswahl. In Verbindung mit Max Zollinger hrsg. von Hans Barth, Stuttgart 1956. 17 Reble,A.: Geschichte der Pädagogik. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1960. 18 Menze, C.: Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, Hannover 1975.

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ab 1850 stärke Differenzierung in Fortbildungsschulen, Winterschulen aus denen schließlich die

Berufsschulen entstehen

In einer Streitschrift Niethammers „Philanthropinismus - Humanismus”[Niethammer19, 1968, S.76 ff] werden

die Gegensätze zwischen den Philanthropen und den Neuhumanisten hinsichtlich der Erziehungsziele (s. Tabelle

5) und Unterrichtsverfahren (s. Tabelle 6) deutlich.

Die Arbeitsschulbewegung

Die Bildungstheorie des Neuhumanismus hat die Arbeit aus den Schulen verdrängt. Die Pädagogik von Herbart

prägte die Volksschulen. Herbart folgt mit der „Bildsamkeit des Zöglings”, der Schüler wird mit

gesinnungsgeladenen Stoffen gefüllt. Die Vertiefung mit phasengerechten Formalstufen nach Herbart - keine

Synthese von Sinn und Geist, von Tun und Denken - führt zur Passivität der Schüler.

Mit einer Gegenbewegung durch die „Pädagogen vom Kinde aus” - wieder beeinflusst von Rousseau und der

Aufklärung wird das Ziel ”die Urnatur des Menschen zu fördern” angestrebt. Der Lehrer hält nur schädliche

Einflüsse der Umwelt fern und läßt den Menschen sich frei entwickeln. Das heißt aber auch, dass der Mensch

von den schädlichen Einflüssen der Industrie abzuhalten ist.

Aus den folgenden Versuchen mit Werkunterricht, Handarbeiten und Naturerkundungen unmittelbare

Wahrnehmungen als didaktische Hilfsmittel in den Unterricht mit einzubeziehen, entwickelt sich der

Arbeitsunterricht.

Die Hauptrichtungen des Arbeitsunterrichtes nach Kaiser sind:

„Arbeitsunterricht • als Pflege einer nützlichen Handarbeit, die zugleich auf den praktischen Lebensberuf

vorbereitet, • als eigenständiges Unterrichtsfach, • als Praktisches Tun, das zu theoretischen Erkenntnissen hinführt, • als praktischer Anwendungsunterricht für theoretische Erkenntnisse, • als gestaltende Darstellung (im Sinne Fröbels), • als Arbeit im Sinne der Erwachsenen, als ein Unterrichtsprinzip” [Kaiser 1974, S.35 f]20.

Gaudig (1860 - 1923)

Hugo Gaudig (1860-1923) vertrat in Sachsen- Anhalt die „geistige Form“ der Arbeitsschule. Ihr vornehmstes

Merkmal ist die freie Tätigkeit des Schülers. Manuelle Arbeit wird nur am Rande mit einbezogen. Es soll eine

Technik der geistigen Arbeit vermittelt werden, die auf immer neue Ziele angewandt werden kann. Eine Klasse

soll vollständig frei und doch planmäßig arbeiten.

19 Friedrich Emanuel Niethammer: Philanthropinismus - Humanismus, bearbeitet von Werner

Hillebrecht. Weinheim, Berlin, Basel 1968. 20 Kaiser, F.-J.: Arbeitslehre. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1974

Tabelle 5: Vergleich der Erziehungsziele

Neuhumanismus - Philanthropen17

Erziehungsziele

Neuhumanismus - Philanthropismus

• Der Erziehungsunter-

richt hat einen eigenen

für sich bestehenden

Zweck, allgemeine Bil-

dung des Menschen.

• Es kommt bei dem

Erziehungsunterricht

nicht sowohl darauf an,

bestimmte Kenntnisse

zu sammeln, als viel-

mehr darauf, den Geist

zu üben.

• Der Erziehungsunter-

richt hat keinen eigenen

für sich bestehenden,

sondern nur den

relativen Zweck,

Bildung des Menschen

für seine künftige

Bestimmung in der

Welt.

• Es kommt bei dem

Erziehungsunterricht

nicht sowohl darauf an,

den Geist an und für

sich zu üben, als viel-

mehr darauf, ihn mit der

möglich größten Masse

brauchbarer Kenntnisse

auszurüsten.

Tabelle 4 : Vergleich der Unterrichtsverfahren Neuhumanismus - Philanthropen17

• Lernen als ernsthaftes

Geschäft, um an Fleiß

und Arbeitsamkeit zu

gewöhnen

• Nicht alles auf einmal

anfangen, sich auf

wenige eigentliche

Elementarübungen

beschränken

• Sich auf einzelne Kreise

des Wissens

beschränken

• Gedächtnis üben

• Lernen auf jede

mögliche Weise

erleichtern

• Alles mit Einemal

beginnen

• auf die ganze Sphäre

des Wissens ausdehnen

• Urteilskraft früh üben

Unterrichtsverfahren

Neuhumanismus - Philanthropismus

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Die Kräfte der Jugendlichen sollen geweckt und gesteigert werden, so dass sie ohne fremde Hilfe zu

Persönlichkeiten heranreifen und aktiv in die Umwelt eingreifen. Ihr Wissen und Können soll auch außerhalb

des Unterrichts und nach der Schulzeit noch lebendig und wirksam bleiben.

Kerschensteiner (1854 - 1932)

Georg Kerschensteiner (1854-1932) beruft sich auf Pestalozzi, Dewey und knüpft damit an die

Industrieschulbewegung an.

Sein Ziel war der brauchbare Staatsbürger, der auf dem Boden seines Volkes und Berufs steht. Der Weg zum

idealen führt über den brauchbaren Menschen. „Kerschensteiner geht es darum, klarzumachen, daß in der alten

Lernschule zwar auch gearbeitet wird, diese Arbeit jedoch fast ausschließlich geistige Arbeit ist und sich damit

auf die intellektuelle Bildung beschränkt. Er will diese Einseitigkeit aufheben, indem er die intellektuelle Bildung

ergänzt durch die Möglichkeit zur Handarbeit: ‘Was die neue Arbeitsschule braucht, ist ein reiches Feld für

manuelle Arbeit, das nach Maßgabe der Befähigung des Schülers auch zum geistigen Arbeitsfeld werden kann’”

[Kaiser 1974, S. 37]. Er orientiert sich an den praktischen und sozialen Notwendigkeiten des Lebens. Das

Grundmotiv seiner Arbeitspädagogik ist sein stetes Bemühen, einen Brückenschlag zu schaffen zwischen Schule

und Leben. Er fordert

• einen starken lebenspraktischen Bezug des gesamten Unterrichts,

• den berufsvorbereitenden Unterricht,

• Arbeitsunterricht als Prinzip (nicht nur bloße Tätigkeit, sondern sinnvolle geistige und manuelle Arbeit, die

zu Erkenntnissen führt),

• systematischen Arbeitsunterricht als Fach, der sach- und fachgerechtes Arbeiten verlangt.

Sozialistische Arbeitsschule

Die Verbindung der produktiven Arbeit mit der Bildungsidee nach Marx prägt die sozialistische Arbeitsschule

von Blonskij (1884-1941). Seine Vorschläge sind Weiterentwicklungen der Ansätze Deweys und

Kerschensteiners.

Kenntnisse, Einsichten und kollektive Ordnung sollen durch Selbständigkeit und selbstschöpferisches Suchen

aus der Unordnung und Not heraus gewonnen werden. Der Erzieher soll nur unterstützen und behutsam lenken.

Blonskij setzt voraus, dass die guten Naturanlagen des Kindes mit dem Bewusstsein des klassenlosen Menschen

übereinstimmen und dass sich in der Kommune und in der Fabrik die Anlagen des Kindes zur kommunistischen

Lebenshaltung und Bewusstseinshaltung entwickeln.

Da erst die Arbeit das Wesen des Menschen hervorruft, vollziehen sich Bildung und Erziehung in der Arbeit und

durch die Arbeit. Daher muss der Unterricht aus der Industriearbeit erwachsen. Das Prinzip der politechnischen

Bildung läßt die Schule in ihrem Wesen zur Lebens- und Arbeitsstätte des Jugendlichen werden. Schule und

Leben stellen keine Gegensätze mehr dar, sie vereinigen sich zur Bildungsstätte für die Menschheit.

Literatur

Heinz Dedering: Einführung in die Arbeitslehre. Oldenburg Verlag, 1994. S. 177 - 194

Uwe Jenzen: Die Entwicklung arbeitsorientierter, technischer und ökonomischer Grundbildung. Dissertation

Uni-Bremen 1993.

Kupser, Paul: Arbeitslehre zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1986

Kaiser, F.-J.: Arbeitslehre. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1974

Dauenhauer, Erich: Einführung in die Arbeitslehre. Uni-Taschenbücher 471, Pullach 1974

Spranger, E.: Zur Geschichte der deutschen Volksschule, Heidelberg 1949

Reble, A.: Geschichte der Pädagogik. Ernst Klett Verlag, Stuttgart 1960

Menze, C.: Die Bildungsreform Wilhelm von Humboldts, Hannover 1975

Kontrollfragen:

1. Welche „Kerninhalte“ hat z. B. Kerschensteiner zum Thema „Berufsorientierung“ ausgewählt?

2. Welche Methoden hat er für diese Inhalte angewendet?

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Die Entwicklung des Faches Arbeitslehre von 1964 bis heute

Tabelle 6: Zeittafel

1964 Hauptschulgutachten vom Deutschen Ausschuß zum Aufbau der Hauptschule

Neuordnung der Volksschuloberstufe: Arbeitslehre soll als eigenes Unterrichtsfach

eingeführt werden.

1969 Beschlüsse der ständigen Konferenz der Kultusminister

Arbeitslehre soll eingeführt werden.

1969 Einführung des 9. Schuljahres an Hauptschulen in Bayern

Arbeitslehre wird an den Hauptschulen in Bayern eingeführt.

1970-1974 vorläufige Lehrpläne ”Schulreform in Bayern”

Versuche an Modellhauptschulen mit Ausweitung der Arbeitslehre auf die 7. und 8.

Jahrgangsstufe.

ab 1974 Erarbeitung neuer Lehrpläne

1976 Curricularer Lehrplan für Arbeitslehre an Hauptschulen

Arbeitslehre wird eigenständiges Fach. Wirtschaftskundliche Inhalte dominieren.

1977 Für das Fach Arbeitslehre an den Berufsoberschulen (seit 1969/70) wird ein Lehrplan für

Berufsoberschulen eingeführt

1985 Lehrplan für Arbeitslehre an Hauptschulen

Betriebserkundung und Betriebspraktikum sind die dominierenden Methoden, weniger

wirtschaftliche Themen, mehr Berufskunde.

1987 Betriebspraktikum für alle Schüler in der 8. oder 9. Klasse verpflichtend vorgeschrieben.

1987 Material zum Lernfeld Arbeitslehre im Sekundarbereich I (KMK)

Einteilung in Gegenstandsbereiche: Technik, Wirtschaft, Haushalt, Beruf.

1997 Lehrplan Arbeitslehre

Schlüsselqualifikationen mit wirtschaftskundlich strukturierten Inhalten

2004 Lehrplan Arbeit/Wirtschaft/Technik

Arbeit-Wirtschaft-Technik ab der 5. Jahrgangsstufe

2018 ? Lehrplan PLUS Wirtschaft und Beruf

Die Entwicklung der Arbeitslehre in Bayern nach dem 2. Weltkrieg

Nach dem 2. Weltkrieg streben die katholische Kirche und die CSU die Humanisierung und Christianisierung

durch eine innere Reform der Schule an. Schulorganisatorisch wird an die Epoche vor 1933 mit der

Lehrerordnung von 1926 angeknüpft. Der Bildungsplan von 1955 festigt die Konfessionalisierung der

Volksschule auf der Basis einer „volkstümlichen, lebenspraktischen Grundlage”. Die Vorbereitung auf die

Berufs- und Arbeitswelt wird vernachlässigt.

Offenkundige Mängel der Volksschulbildung, wie Schwächen im Bildungsauftrag, übergroße Klassen (50- 60

Schüler!!), Schichtunterricht, Lehrermangel führen zu einem Verlust der Volksschule an Ansehen und Wert in

den Augen der Öffentlichkeit. Die Wirtschaft klagt über mangelnde Rechtschreib- und Rechenkenntnisse und

Lücken in der Allgemeinbildung. Ein Trend zur Restschule bahnt sich an.

Deutscher Ausschuss für das Erziehungs- und Bildungswesen (DA)

Der DA konstituiert sich 1953.Seine 20 unabhängigen Sachverständigen haben die Aufgabe, das deutsche Bil-

dungswesen zu beobachten, Probleme aufzuzeigen und realisierbare Lösungsvorschläge zu unterbreiten, die die

Neuordnung und Vereinheitlichung des Schulwesens betreffen.

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1959 schlägt der DA einen Rahmenplan zur Umgestaltung und Vereinheitlichung des allgemeinbildenden

öffentlichen Schulwesens vor und veröffentlicht 1964 seine Empfehlungen zum Aufbau der Hauptschule,

die eine breite öffentliche Diskussion auslöst.

Der DA weist dem Fach Arbeitslehre eine profilbildende Funktion in seiner Bildungskonzeption der Hauptschule

zu. Dabei soll Arbeitslehre

als vorberufliche Bildung auf die Berufswahl vorbereiten, die Berufswahlreife fördern,

auf die Arbeitswelt vorbereiten und

dies durch praktisches Tun erreichen. (s. a. Gmelch 1995)

Aus heutiger Sicht orientierte sich der damalige Berufsbegriff stark an handwerklichen Arbeiten und bezog

berücksichtigte kaum Arbeitsplatzwechsel.

Die KMK reagiert 1969 mit ihren Empfehlungen der KMK zur Hauptschule und zur Arbeitslehre.

Folgende Bildungsaufgaben waren für das Fach Arbeitslehre vorgesehen:

• Allgemeine Orientierung über die Wirtschafts- und Arbeitswelt (Strukturen, Leistungsanforderungen

unter technischen, wirtschaftlichen und sozialen Anforderungen betrachten);

• Erziehung zum Arbeitsverhalten (Konzentration, Genauigkeit, Fähigkeit zur Umstellung und zur

Zusammenarbeit sowie wirtschaftliches Denken und planvolles Handeln entwickeln und üben);

• Hinführung zur Berufswahl.

Diese Bereiche sind auf der Grundlage praktischen Tuns und theoretischer Durchdringung zu erschließen. Dies

erfordert eine Umorientierung der praktischen Fächer und der Betriebserkundung bzw. der Betriebspraktika.

In den KMK-Empfehlungen finden sich die wesentlichen Gedanken des DA wieder und werden weiter

präzisiert. Stärker betont ist die gesellschaftspolitische Komponente und die Bedeutung der Wirtschaft. Offen

wird erstmalig von einem Fach “Arbeitslehre” gesprochen, das aber nicht weiter schulorganisatorisch ausgeführt

wird. Damit ist der Rahmen für die Entwicklung der Arbeitslehre in den einzelnen Ländern abgesteckt. Bayern

führt daraufhin das “Unterrichtsgebiet Arbeits- und Soziallehre” in der neuen 9. Jahrgangsstufe 1969 ein. In

Nordrhein- Westfalen wird AL in den drei Fächern (Haushaltslehre, Technik, Wirtschaftslehre vereint im

Bereich Technik/Ökonomie) eingeführt.

Der erste AL-Lehrplan von 1969

AL wird neben Englisch in der neuen 9. Jahrgangsstufe grundgelegt. Das Fach heißt Arbeits- und Soziallehre.

Tabelle 7: Arbeits- und Soziallehre (Kern- und Kursunterricht) Lehrplan von 1969

Arbeits- und Soziallehre (Kern- und Kursunterricht)

Arbeits- und Soziallehre

(Allgemeiner Teil)

Kernunterricht

Arbeits- und Soziallehre

(Praktischer Teil)

Kursunterricht

Allgemeine Arbeitslehre

(Hinführung zur Wirtschafts-

und Arbeitswelt)

Soziallehre

(Staat und Gesellschaft)

Technisches Werken

Technisches Zeichnen

Hauswirtschaft

Handarbeit und Textiles

Gestalten

Kurzschrift

Maschinenschreiben

2 2 2 x 2 Wochenstunden

Wie Tabelle 7 zeigt, nimmt der Arbeitslehreunterricht acht Wochenstunden in Anspruch, das bedeutet ein Drittel

bei insgesamt 33 Wochenstunden Unterricht. Die Betriebserkundung spielt eine tragende Rolle.

In Zusammenarbeit mit den anderen Unterrichtsfächern soll die Arbeitslehre folgende vier Funktionen erfüllen:

Sie soll einen Beitrag zur grundlegenden Allgemeinbildung leisten,

sie soll zu einer besseren Berufswahlreife hinführen,

sie soll zu einer guten Arbeitshaltung erziehen,

sie soll ein Vorverständnis für die Wirtschafts- und Arbeitswelt liefern.

Wesentliche Übereinstimmung mit den KMK-Empfehlungen von 1969 bestehen im politischen Aspekt

(Soziallehre) und bei der Erziehung zum Arbeitsverhalten. Nur die Anordnung der Inhalte weichen ab.

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Tabelle 8: Inhalte des Lehrplans 1969

1. Bedürfnisse der Verbraucher Vielfalt der Bedürfnisse, Aufgaben der Wirtschaft,

Ökonomisches Prinzip

2. Gliederung der Wirtschaft

Urerzeugung

Weiterverarbeitung

Verteilung der Güter durch den Handel

Dienstleistungen in der modernen Wirtschaft

Verbrauch

Bodenanbau, Rohstoffabbau, einschlägige Berufe

Handarbeit - Maschinenarbeit, Arbeit und Kapital, Kapi-

talbildung, Lohn,

Lohnkonflikte, Arbeitgeber, Arbeitnehmer, betriebliche

Mitbestimmung

Berufe in Handwerk und Industrie, Außenhandel, Groß-

handel und Einzelhandel, Berufe im Handel

Dienstleistungsbetriebe und soziale Einrichtungen, Dienst-

leistungsberufe

Warentest, Preisvergleich

3. Preisbildung Faktoren der Preisbildung, Angebot und Nachfrage, Käufer

und Verkäufer, Lohn und Preis

4. Probleme der Datenverarbeitung Aufgaben und Möglichkeiten, Hilfsmittel, Berufsaussichten

Die Arbeitslehrediskussion, die aufgrund dieses Lehrplanes entstand, wurde ausschließlich von Praktikern, die

im Schuldienst tätig waren, geführt, da es das Fach Arbeitslehre an den Pädagogischen Hochschulen noch nicht

gab. Diese bemühten sich, bei Veröffentlichungen Zielsetzungen und methodische Schwerpunkte zu formulieren

und den Lehrern unterrichtspraktische Hilfen zu geben. Sie wollten damit versuchen, unklare Vorstellungen über

das Fach Arbeitslehre zu beseitigen und fehlende praktische Erfahrung anzugleichen.

Schulreformpläne 1970

In diesen Plänen wurde das Unterrichtsgebiet “Arbeits- und Soziallehre” auf die Jahrgangsstufen 7 - 8

erweitert. Dies bedeutete eine Erneuerung der Inhalte gegenüber dem Lehrplan von 1969. Hierzu wurde

erstmals eine Systematik im Konzept deutlich (z. B. von der einzel- zur gesamtwirtschaftlichen

Betrachtungsweise, aufbauend von der 7. bis zur 9. Jahrgangsstufe) [vgl. Kupser, S. 132]. Der didaktische

Schwerpunkt des Arbeitslehreunterrichts lag eindeutig bei den Betriebserkundungen. Diese waren in jeder

einzelnen Jahrgangsstufe (7. - 9. Jahrgangsstufe.) in den verschiedenen Wirtschaftsbereichen vorgesehen.

Die Probleme, die Jahre nach Einführung der Arbeitslehre vorhanden waren, wie die fehlende Qualifizierung der

Lehrer, die fehlenden Unterrichtsmittel, die langsame Forschung und die mangelhafte Verbindung von Haupt-

und Berufsschulen mußten bei einer Neukonzeption beseitigt werden.

Der curriculare Lehrplan Arbeitslehre von 1976

Mit dem neuen, curricularen Lehrplan wird die Hauptschule als weiterführende Schule etabliert. Die

Jahrgangsstufen 7 mit 9 bilden eine Einheit. Arbeitslehre ist u. a. als profilbildendes Fach der Hauptschule

vorgesehen, das eng mit anderen Fächern in Verbindung stehen soll. Formal ist der Lehrplan in vier Spalten

gegliedert, wobei die Lernziele und Lerninhalte verbindlich vorgeschrieben werden (siehe Tabelle 9).

Tabelle 9: Beispiel aus der 7. Jahrgangsstufe Lernziel 3.4

Lernziel Lerninhalt Unterrichtsverfahren Lernzielkontrolle

Überblick über die

wichtigsten Marktformen im

Hinblick auf ihre

preisbeeinflussende Wir-

kung

Marktformen:

Monopol, Oligopol, Polypol

Information durch Lehrer:

Monopol, Oligopol, Polypol

Fallstudie:

a) Angebot und Nachfrage

beim Monopol

b) ... beim Oligopol

c) ... beim Polypol

Bezeichnen

verschiedener

Marktformen anhand

von Fallbeispielen

Der Aufbau ist nach didaktischen Prinzipien ausgerichtet:

“das Prinzip der Entwicklung allgemeiner abstrakter Begriffe aus anschaulich-konkreten Beispielen;

das Prinzip der Ausweitung von der einzel- zur gesamtwirtschaftlichen Betrachtungsweise;

das Prinzip der Kooperation zwischen dem theoretischen Fach Arbeitslehre und den dazugehörigen prakti-

schen Fächern (vgl. Handreichungen 1976, S. 31)”.21

In Tabelle 10 sind die Themen der einzelnen Jahrgangsstufen aufgeführt.

21 Kupser, Paul: Arbeitslehre zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Klinkhardt 1986, S. 171

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Tabelle 10: Inhalte des curricularen Lehrplans von 1976

7. Jahrgangsstufe: 1 Wochenstunde

Bedürfnisse - Bedarf

Grundzüge des wirtschaftlichen Handelns

Der Markt

8. Jahrgangsstufe: 2 Wochenstunden

Vorbereitung der Berufswahl

Betrieb - Arbeit - Beruf

(Handwerk, Industrie, Handel, Dienstleistungssektor)

Grundtatsachen des Wirtschaftens

9. Jahrgangsstufe: 2 Wochenstunden

Stellung des Einzelnen in Ausbildung und Beruf

Geld - Geldinstitute - Wirtschaftskreislauf - Wirtschaftssysteme

Schwerpunkte staatlicher Wirtschafts- und Sozialpolitik

Begrüßt wird der systematische Aufbau und die klare Zielsetzung des neuen Lehrplans.

Die Kritik greift Teilprobleme auf, er sei

inhaltlich zu theoretisch, abstrakt und lebensfremd,

stofflich überladen und mit inhaltlichen Überschneidungen zu Geographie und Geschichte angelegt,

mit der Berufsorientierung in der 9. Jahrgangsstufe zu spät und zu gering ausgestattet.

ungenügend mit handlungsorientierenden Methoden, wie Fallstudie, Rollenspiel u. ä. versehen.

Trotz der Stofffülle fehlen allgemein-technische Aspekte der Arbeitslehre, denn die wirtschaftskundlichen und

berufsorientierenden Themen prägen den Lehrplan.

Der Lehrplan von 1986

Der Lehrplan von 1986 wurde verbindlich ab dem Schuljahr 1987/88 eingeführt. Das Vorwort lautet:

“Ziele und Aufgaben Das Fach Arbeitslehre führt den Schüler an die Arbeits- und Wirtschaftswelt heran und bietet ihm Hilfe bei der Entscheidung

für einen Beruf und zum Eintritt in die Berufsausbildung. Der Schüler soll die Bedeutung von Arbeit und Beruf im

menschlichen Leben erkennen und Grundwissen und Einsichten über Arbeit, Beruf, Wirtschaft und Technik erwerben.

Kenntnisse über einzelne Berufe, Erscheinungsformen des Wandels in der Arbeitswelt und Gegebenheiten im heimatlichen

Wirtschaftsraum dienen der beruflichen Orientierung und dem Verständnis der Gegenwart. Bei Betriebserkundungen in den

verschiedenen Wirtschaftsbereichen, die durch ein Betriebspraktikum ergänzt werden können, soll der Schüler Gelegenheit

erhalten, den beruflichen Alltag zu erleben, Anforderungen und Möglichkeiten verschiedener Berufe sowie Beispiele für das

Wirtschaften im Betrieb kennenzulernen und gegebenenfalls auch Arbeitserfahrungen zu sammeln.

Der Schüler wird über Inhalte und Art der Berufsausbildung in Betrieb und Schule informiert. Er soll den Wert einer

qualifizierten Berufsausbildung erkennen und einsehen, wie sehr es im Beruf auf fachliches Können und Haltungen wie

Zuverlässigkeit, Genauigkeit, Kooperations- und Verantwortungsbereitschaft ankommt. Er soll begreifen, dass Mobilität und

Weiterlernen über die Erstausbildung hinaus für seinen beruflichen Werdegang von Bedeutung sind. An den gewonnenen

Erfahrungen soll er seine berufliche Eignung und Neigung überprüfen, um seine Berufswahl verantwortlich treffen zu

können. Die Einordnung der vermittelten Kenntnisse und Erfahrungen öffnet das Verständnis für wirtschaftliche Zu-

sammenhänge. Der Schüler gewinnt ein erstes Verständnis für Merkmale der sozialen Marktwirtschaft, das im Unterricht der

beruflichen Schulen erweitert und vertieft wird.

Der Lehrplan orientiert sich wieder mehr an der Erziehungswirklichkeit und betont den erzieherischen Aspekt. Die Heran-

führung der Schüler an die Berufs- und Arbeitswelt basiert auf praktischen Maßnamen, wie Betriebserkundungen und

Betriebspraktika. Im Unterricht sollen die dort gewonnenen Erfahrungen theoretisch verwertet werden, so daß der Schüler

seinen Standort in der arbeitsoffenen, demokratischen Gesellschaft erfassen kann. Damit soll dem Theorieüberhang des

vorangegangenen Lehrplans entgegengetreten werden und dem Schüler anschaulich und realistisch seine existentielle

Zukunft vor Augen geführt werden.

Unterricht Der Unterricht geht von lebensnahen Fragestellungen, Beispielen und Situationen aus. Kenntnisse und Einsichten werden auf

der Grundlage unmittelbarer Begegnung mit der Arbeits- und Wirtschaftswelt gewonnen. Bei den für alle Schüler

verbindlichen Betriebserkundungen stehen Formen des Erlebens, Beobachtens und gezielten Erkundens im Vordergrund. Das

Erproben und Erkennen der eigenen Fähigkeiten kann bei der Ableistung eines Betriebspraktikums oder beim praktischen

Tätigwerden in einer Berufsschule oder einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte der Kammern bzw. Innungen erfolgen.

In den Unterricht werden auch Erfahrungen aus dem eigenen Arbeiten und Gestalten einbezogen, die in Fächern wie

Werken/Technisches Zeichnen, Kunsterziehung, Textilarbeit und Hauswirtschaft gewonnen werden und für das Verständnis

von Arbeit und Beruf sowie die Berufsorientierung Bedeutung besitzen. Sachverhalte werden geklärt, Wertungsfragen

erörtert, fachliche Ausdrucksweisen und Begriffe gelernt und Ergebnisse entsprechend gesichert. Zusätzliche erzieherische

Möglichkeiten ergeben sich bei der Beteiligung der Schüler an der Planung des Unterrichts, der Durchführung von

Erkundungen und Praktika sowie im anschließenden Erfahrungsaustausch. Um eine sinnvolle Durchführung der

Betriebserkundungen zu gewährleisten, bedürfen diese einer eingehenden Vorbereitung und Nacharbeit. Bei allen Beteiligten

muss Klarheit über die Zielsetzung, die Wahl von Schwerpunkten, die Verteilung von Aufgaben und den Ablauf der

Erkundung herrschen.

Eine gründliche Einführung in die erste Betriebserkundung ist unerläßlich. Die Schüler sind über richtiges Verhalten im

Betrieb aufzuklären. Bei den anschließenden Erkundungen wird auf frühere Erfahrungen zurückgegriffen. Der Lehrer ist an

folgende Reihenfolge gebunden: Jahrgangsstufe 7: Erkundung in einem Betrieb der Urproduktion; Jahrgangsstufe 8:

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Erkundung in einem Handwerksbetrieb. Von den Betriebserkundungen in der Industrie und im Dienstleistungssektor kann

eine der beiden aus der Jahrgangsstufe 8 in die Jahrgangsstufe 9 verlagert werden, falls es in der Jahrgangsstufe 8 zu einem

Betriebspraktikum oder einem praktischen Tätigwerden in der Berufsschule oder in einer überbetrieblichen Unterwei-

sungsstätte der Kammern bzw. Innungen kommt.

Der Tag der offenen Tür in der Berufsschule oder in einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte kann in den Jahrgangsstufen

8 oder 9 stattfinden.

Für das praktische Tätigwerden in der Berufsschule oder in einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte der Kammer bzw.

Innungen und für die Durchführung des Betriebspraktikums sind die hierfür erlassenen Richtlinien zu beachten.”22

Der curriculare Lehrplan von 1976 war sehr auf Effizienz ausgerichtet. Unterrichtsgrundsätze, wie

Zielorientierung, Motivierung, Strukturierung, Aktivierung, Angemessenheit (optimale Passung), und

Leistungssicherung betonen die inhaltliche Dominanz. Mit zunehmenden Unterrichtsschwierigkeiten im Alltag

musste im neuen Lehrplan der menschliche Bezug stärker herausgestellt werden und der Lehrer mehr

individuellen Handlungsspielraum erhalten. Der erziehende Unterricht geht von geplanten Erfahrungsräumen in

der Schule und in den Betrieben aus, die möglichst ganzheitlich betrachtet werden. “Für den erziehenden

Unterricht sind folgende Gesichtspunkte leitend:

Allgemeinwissen und Grundbildung

Kultur- und Gesellschaftsangemessenheit

Altersgemäßheit

Gewordensein der Gegenwart und Grenzen der technisch-industriellen Zivilisation

Verantwortlichkeit

Interkulturalität, Mentalitätspädagogik

Hinführung zur Arbeits- und Berufswelt

Anlehnung an allgemeine didaktische und methodische Grundsätze (Sachanspruch, Schülergemäßheit, Stoffbeschränkung, Konzentration, Vermeidung von Überforderung, Differenzierung, Individualisierung, Personalisierung, situativer und wertender Aspekt, Begriffs- und Verfahrensbezug, Realitätsorientierung, Klassenleiterprinzip, Epochalgedanke)

Planung durch den Lehrer”23

Arbeitslehre soll eine Schlüsselstellung im Unterricht einnehmen, um für die Erkenntnisse der anderen Fächer

den lebens- und berufspraktischen Bezug herzustellen. Die Themenbereiche des Lehrplans sind in Tabelle 11

zusammengefasst.

Tabelle 11: Themen des Lehrplans für die Hauptschule von 1986

Jahrgangsstufe 7

1. Überblick über Ziele und Inhalte des Faches

2. Bedeutung der Arbeit

3. Güter und Dienstleistungen werden erarbeitet

4. Betriebserkundung in der Urproduktion

5. Entscheidungskriterien für die Berufswahl Jahrgangsstufe 8 1. Betriebserkundung in einem Handwerksbetrieb

2. Betriebserkundung in einem Industriebetrieb

3. Betriebserkundung im Dienstleistungsbereich

4. Wichtige Bereiche des Dienstleistungssektors

5. Wandel in Arbeit, Technik und Beruf 6. *Freiwilliges Betriebspraktikum oder praktisches Tätigwerden in der Berufsschule oder in einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte

der Kammern bzw. Innungen

7. *Kennenlernen einer beruflichen Schule bzw. einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte der Kammern bzw. Innungen (Tag der offenen Tür)

22 Bayerisches Staatministerium für Unterricht und Kultus (Hrsg.): Lehrplan für die Hauptschule, Teil1

(KMBL I, So.-Nr. 13/1985). Jehle Verlag, München 1985, S. 251-519 23 Karg, Hans Helmut: Arbeitslehre heute. 1. Auflage, Prögel, 1986, S. 14

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Jahrgangsstufe 9 1. Berufsbildungsgänge in Schule und Betrieb; Möglichkeiten beruflicher Fort- und Weiterbildung; regionale Wirtschafts- und

Berufsstruktur

2. Die wichtigsten Inhalte des Berufsausbildungsvertrages 3. *Freiwilliges Betriebspraktikum oder praktisches Tätigwerden in der Berufsschule oder in einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte

der Kammern bzw. Innungen

4. Betriebserkundung in einem Industriebetrieb oder im Dienstleistungsbereich 5. Lohn und Gehalt

6. Verantwortlicher Umgang mit Geld

7. Freie Berufs- und Arbeitsplatzwahl und soziale Sicherung der Arbeitnehmer als Merkmale der sozialen Marktwirtschaft 8. Der Verbraucher in der Marktwirtschaft

9. Erschließung eines aktuellen Themas

10. *Kennenlernen einer beruflichen Schule bzw. einer überbetrieblichen Unterweisungsstätte der Kammern bzw. Innungen (Tag der offenen Tür)

Hinweis: Die mit * bezeichneten Maßnahmen sind nicht verbindlich

(Anm.: ab 1987 Betriebspraktikum verpflichtend eingeführt)

Material zum Lernfeld Arbeitslehre im Sekundarbereich I (KMK) von 1987

Die KMK verabschiede 1987 folgende Erklärung als “Material”, da man sich auf eine Empfehlung nicht einigen

konnte:

“Vorbemerkung:

Die vorliegende Empfehlung will die schulischen Inhalte und Verfahrensweisen für den Sekundarbereich I erneuern, die sich

aus der Veränderung der Arbeits-, Wirtschafts- und Berufswelt und der Bewegung im Sozialgefüge der Gesellschaft sowie

der Forderung an die Jugendlichen ergeben, als Bürger künftig Verantwortung zu übernehmen.

Diese Empfehlung ermöglicht unterschiedliche Gestaltungsmöglichkeiten und schulartbezogene Umsetzungen entsprechend

dem föderativen Prinzip.

Zielsetzungen:

Die jugendliche Generation muß sich rechtzeitig auf Lebensbedingungen einstellen, die sich durch einen schnellen

technischen und ökonomischen Wandel ergeben haben. Die Schule will dabei im Unterricht und der Erziehung alle

Schülerinnen und Schüler befähigen, ihre gegenwärtige und zukünftige Lebensweise im Zusammenhang mit Arbeit, Technik,

Wirtschaft und Haushalt zu begreifen.

Ziel der Arbeitslehre ist es, die Jugendlichen auf ein verantwortungsbewußtes, selbstbestimmtes und soziales Handeln in der

Arbeitswelt vorzubereiten. Dabei sollen besonders technische, wirtschaftliche und ökologische Aspekte von Arbeit sowie

deren Zusammenhänge einsichtig gemacht werden.

Die Jugendlichen sollen durch neue, grundlegende Kenntnisse und Fertigkeiten in den Gegenstandsbereichen Technik,

Wirtschaft, Haushalt und Beruf urteils- und handlungsfähig werden.

Gegenstandsbereiche:

..."Das Lernfeld Arbeitslehre konkretisiert sich - unabhängig von seiner Organisationsform - in Gegenstandsbereichen. Diese

sind weder aus den Einzelwissenschaften direkt ableitbar noch allein Abbild praktischen Lebens. Aus verschiedenen

Wissenschaften und der Alltagswelt werden diejenigen Inhalte ausgewählt und verknüpft, an denen Schülerinnen und Schüler

Selbsterfahrung, Wissenserweiterung, Handlungs- und Urteilsfähigkeit entwickeln können.

Die folgenden Gegenstandsbereiche gehören heute zum Bildungsangebot für jeden Jugendlichen:

Technik:

umfaßt als Gegenstandsbereich technische Mittel und Verfahren zur Herstellung und Verwendung von Waren und zur

Erbringung von Dienstleistungen.

Wirtschaft:

umfaßt als Gegenstandsbereich wirtschaftliche Bedingungen und Verfahren zur Produktion, zum Austausch von Waren und

zur Bereitstellung von Dienstleistungen, insbesondere Verteilung und Verbrauch unter Berücksichtigung sozialer

Verpflichtungen.

Haushalt:

umfaßt als Gegenstandsbereich den Lebensbereich des privaten Haushalts und die in dieser sozio-ökonomischen Einheit

enthaltenen Bedingungen, Bedürfnisse und Verfahren.

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Beruf:

umfaßt als Gegenstandsbereich Bedingungen und Formen von Arbeit, die vorwiegend Erwerbszwecken dient und auf die

meist in Ausbildungsgängen vorbereitet wird sowie die Entwicklung einer Berufswahlfähigkeit.

Diese Gegenstandsbereiche bedingen und durchdringen sich wechselseitig; sie sind grundsätzlich offen und können in

bestehende Unterrichtsfächer hineinwirken. Sie bedürfen der ständigen Reflexion, um neueren Wirklichkeitsanforderungen

Raum zu geben. So werden z. B. die für Unterricht und Erziehung allgemein anerkannten Herausforderungen im Bereich der

Informations- und Kommunikationstechnologien sowie der Ökologie auch in diesen Gegenstandsbereichen berücksichtigt.

Arbeit hat bei der inhaltlichen Bestimmung des Lernfeldes, bei der Formulierung von Anforderungen sowie bei der für den

Unterricht notwendigen didaktischen Verknüpfung der Gegenstandsbereiche besondere Bedeutung.

Anforderungen:

Ausgehend von den Zielsetzungen werden nachfolgend - bezogen auf die Gegenstandsbereiche erstrebenswerte

Anforderungen benannt, die ohne Rangabstufung aufgereiht werden und keine Taxonomie darstellen. Sie entsprechen auch

einem inhaltlichen Kernbestand des Lernfeldes, wie er sich während der rund 20jährigen Entwicklung in Schulpraxis und

Fachdidaktik herausgebildet hat. Die weitere Differenzierung und Konkretisierung erfolgt im Rahmen der Lehrplanarbeit der

Länder.

Arbeit und Technik

- unterschiedliche Werkstoffe nach bewährten Regeln der Technik bearbeiten,

- elementare technische Verfahren und Problemlösungen kennen und anwenden,

- einfache Gegenstände mit Gebrauchswert planen, zeichnerisch darstellen, herstellen und beurteilen,

- technische Gebilde aus dem Erfahrungsbereich der Schülerinnen und Schüler nach ihrer Zweck-Mittel-Beziehung,

ihrem Gebrauchswert sowie ihren sozialen und ökologischen Auswirkungen analysieren,

- einsehen, daß Arbeiten sachgerecht, kreativ und kooperativ nach Kriterien der Übersichtlichkeit, der Genauigkeit und

der Sicherheit geplant und durchgeführt werden müssen,

- Einsichten in die Notwendigkeit der Gestaltung sach- und menschengerechter Arbeitsplätze gewinnen,

- Einblick in anwendungsorientierte Grundlagen und Folgewirkungen der Elektronik/ Mikroelektronik, insbesondere in

den Informations- und Kommunikationstechniken gewinnen.

Arbeit und Wirtschaft

- Grundtatsachen des Wirtschaftens erkennen und erklären,

- wesentliche Merkmale des Aufbaus und der Arbeitsorganisation eines Betriebes einschließlich der Interessenvertretung

kennenlernen,

- einzel- und gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge von Arbeit, Beruf und Konsum erkennen, unter Beachtung der

regionalen Wirtschaftsstruktur,

- wirtschaftliche, soziale und ökologische Aspekte des technischen Wandels kennenlernen,

- Einsichten in wirtschaftliche Aspekte der Informations- und Kommunikationstechniken erlangen,

- sozial- und wirtschaftspolitische Sachverhalte beurteilen lernen, soweit sie für den Einzelnen sowie für die Gesellschaft

von Bedeutung sind.

Arbeit und Haushalt

- hauswirtschaftliche Arbeiten analysieren, planen und durchführen,

- grundlegende Einsichten in Organisation und wirtschaftliche Führung eines privaten Haushalts gewinnen,

- Lösungsmöglichkeiten für Ver- und Entsorgungsprobleme des privaten Haushalts unter Kriterien des Umweltschutzes

kennen und aktiv unterstützen,

- ernährungsphysiologische Grundlagen kennen und die Bereitschaft zu gesundheitsgerechter Ernährung entwickeln,

- Konsumverhalten und Verbraucherpolitik und ihre Zusammenhänge auch unter Berücksichtigung neuer Kommu-

nikationssysteme kennen und beurteilen lernen,

- Verständnis für Bedingungen des Zusammenlebens in der Familie unter Einbeziehung der Pflege und Erziehung von

Kindern erwerben,

- Zusammenhänge von Hausarbeit, Erwerbsarbeit und Tätigkeiten außerhalb der Erwerbsarbeit in ihrer Bedeutung für

die eigene Lebensgestaltung erkennen und beurteilen lernen.

Arbeit und Beruf

- Überblick gewinnen über schulische Bildungsgänge und berufliche Ausbildungsmöglichkeiten in der Region,

- Einflüsse von Familie, Umwelt und Schule auf die Berufswahl von Mädchen und Jungen erkennen und für die eigene

Entscheidung nutzen,

- individuelle Fähigkeiten und berufliche Erwartungen einschätzen lernen und mit Anforderungen beruflicher Tätigkeiten

vergleichen,

- eine Berufswegplanung entwerfen und dabei sowohl individuelle Voraussetzungen als auch Arbeitsmarktverhältnisse

berücksichtigen und die Dienste der Berufsberatung nutzen,

- Chancen und Gefahren beruflicher Flexibilität und räumlicher Mobilität erkennen,

- Beschäftigungschancen und -probleme im Hinblick auf soziale, technische und ökonomische Bedingungen erkennen und

sich mit ihren individuellen und gesellschaftlichen Auswirkungen auseinandersetzen,

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- wichtige Bestimmungen aus dem Jugendarbeitsschutzgesetz und einige weitere Bestimmungen des Arbeitsrechts

kennen"...24

Der Lehrplan von 1997

Reformgründe Folgende Gründe führten maßgeblich zur Revision des Lehrplans:

Die bildungspolitische Revisionsvorgaben der KMK von 1987, mit der Gliederung des Lernfeldes

Arbeitslehre in die Gegenstandsbereiche Arbeit, Beruf, Technik, Wirtschaft und Haushalt und die

ebenfalls thematisierten Bereiche Ökologie, Informations- und Kommunikationstechnologien, Arbeit

und Freizeit.

Die veränderte Schülerschaft, geprägt durch starke Auslese, Ausländer, Aussiedler und Lerndefizite.

Die veränderte Arbeits- und Berufswelt mit Personalabbau, veränderter Arbeitsorganisation und dem

Wandel der Qualifikationsstruktur.

Reformziele Mittels induktivem, anschaulichen, ganzheitlichem, erfahrungs- und handlungsorientiertem Lernen sollen

Praxisbezug (anwendungsbezogenes Wissen)

Zukunftsrelevanz (für Leben und Beruf)

Lernbereitschaft

Motivation

Verantwortung

erreicht werden.

Generell steht der Erwerb von Schlüsselqualifikationen und Handlungskompetenzen im Vordergrund. Unter den

Handlungskompetenzen werden die Entscheidungs- und Methodenkompetenz besonders betont.

Die Wesensmerkmale der Hauptschule sind Differenzierung, fächerübergreifender Unterricht, Fremdsprachen-

unterricht, Kooperation mit anderen Sekundarschulen und eine engere Ausrichtung an der Realschule.

Die Stundentafel für die Hauptschule von 1993 enthält folgende Änderungen: Zusammengehörende Fächer sind in drei große Lernfelder (allgemeinbildende Fächer im eigenen Sinne, musische Fächer

und der Bereich Arbeit, Wirtschaft, Technik, Haushalt) fachsystematisch gegliedert.

spezifische Lernrückstände sollen durch klassenübergreifende Stütz- und Förderkurse gezielt behoben werden und

gleichzeitig begabte, leistungsfähige Schüler gefördert werden.

Englisch erhält den Status als Pflichtfach in der 8. und 9. Jahrgangsstufe.

Der Sachunterricht konzentriert sich in einem naturwissenschaftlichen und einen gesellschaftswissenschaftlichen

Fächerverbund, um ganzheitliches und projektorientiertes Lernen effektiver zu gestalten.

Der Leitfachcharakter der Arbeitslehre wird verstärkt.

Die arbeitstechnischen Fächer konzentrieren sich in drei Schwerpunkten, die auf das Leben und den Beruf abgestimmt

sind.

Die informationstechnische Grundbildung wird durch Integration der Inhalte in die Fachlehrpläne aufgewertet.

Durch die eingebrachten Individualisierungs- und Differenzierungsmaßnahmen soll die Hauptschule als

Erziehungsschule betont werden. Mit einem ausgewogenen Verhältnis von theoretischen und praktischen

Unterricht und der noch ausgeprägteren Hinwendung zu fächerübergreifenden, handlungs- und

projektorientierten Methoden sollen auch “schwierige” Schüler angesprochen werden können. Auch die

praktischen Fächer wurden erweitert, damit u.a. lernschwache Schüler Mißerfolge in mehr theoretischen Fächern

kompensieren können.

Die Leitlinien für die Weiterentwicklung des Lehrplans enthalten eine Reihe von Grundpositionen:

Solide Allgemeinbildung;

Berufsorientierung, Berufswahlvorbereitung;

ganzheitliches Lernen;

schülerangemessener Unterricht;

weiterführender Bildungsweg;

Lebenshilfe.

´

Die Lernziele der Lehrplans von 1997 Jahrgangsstufe 7

7.1 Die Arbeitswelt hat viele Gesichter

7.2 Arbeiten und Wirtschaften im privaten Haushalt

7.3 Schüler arbeiten und wirtschaften für einen Markt in der Schule - Projekt im Lernfeld Arbeitslehre

24 Konferenz der Kultusminister, KMK-Empfehlung zum Lernfeld Arbeitslehre, 8. Oktober 1987, Bonn,

unveröffentlicht.

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7.4 Grundlagen der Berufsorientierung

Jahrgangsstufe 8

8.1 Der Betrieb als Ort des Arbeitens und Wirtschaftens

8.2 Die persönliche Berufsorientierung

8.3 Schüler arbeiten und wirtschaften für einen Markt im Schulumfeld - Projekt im Lernfeld Arbeitslehre

8.4 Lohn und Gehalt

Jahrgangsstufe 9

9.1 Beruf und Arbeit

9.2 Der Betrieb als Ort des Arbeitens und Wirtschaftens

9.3 Schüler testen Waren oder Dienstleistungen - Projekt im Lernfeld Arbeitslehre

9.4 Die Bedeutung der Geldinstitute im Einzelnen

9.5 Bausteine, Herausforderungen und Perspektiven der sozialen Marktwirtschaft

Jahrgangsstufe 10

10.1 Berufe mit dem mittleren Schulabschluss

10.2 Struktur und Entwicklung des regionalen Wirtschaftsraumes

10.3 Wirtschaft ohne Grenzen?

10.4 Die Schüler üben wirtschaftliches Handeln in einem Unternehmensplanspiel oder Die Aktienbörse

10.5 Bürgerliches Recht und Öffentliches Recht

Der Lehrplan von 2004

Die wichtigsten Änderungen sind:

Allgemein wurden P- und M-Klassen eingeführt, Wiederholungseinheiten festgelegt und wesentliches

Grundwissen definiert.

Der Name des Unterrichtsfaches wird in Arbeit ▪ Wirtschaft ▪ Technik (AWT) umbenannt.

In der erweiterten Stundentafel wird AWT jetzt bereits in der 5. und 6. Jahrgangsstufe je 1stündig

unterrichtet.

Das Gegenstandsfeld Arbeit und Technik wird explizit ausgewiesen.

Handlungskompetenz und Schlüsselqualifikationen werden besonders hervorgehoben.

Projekte sind in den Jahrgangsstufen 7-9 verpflichtend vorgeschrieben. Realitäts- und

Simulationsmethoden werden klarer angegeben.

Arbeit/Wirtschaft/Technik – Fachprofil

Leitfach Das Unterrichtsfach Arbeit/Wirtschaft/Technik und die Fächer Werken/Textiles Gestalten, Gewerblich-technischer Bereich, Hauswirtschaftlich-sozialer Bereich, Kommunikationstechnischer Bereich und Buchführung bilden in der Stundentafel für die Hauptschule das Lernfeld Arbeit – Wirtschaft – Technik. Arbeit/Wirtschaft/Technik hat darin die Funktion eines Leitfaches. Sie wirkt mit theoretischen und praktischen Inhalten und Lernzielen in die arbeitstechnischen Fächer und im fächerübergreifenden Sinn auch in die übrigen Fächer hinein. Ziel und inhaltliche Schwerpunkte Das Fach Arbeit/Wirtschaft/Technik beginnt in Jahrgangsstufe 5 und knüpft an Themenbereichen der Grundschule an. Zentrale Themen des Faches Arbeit/Wirtschaft/Technik in den Jahrgangsstufen 5 und 6 sind den Bereichen Arbeit, Konsum, Haushalt und Technik zuzuordnen. Dabei werden die Schüler besonders in Arbeitstechniken wie Beobachten, Befragen, Interviewen, Beschreiben, Auswerten und Erkunden geschult. Der Blick auf den eigenen Lebensbereich wird geschärft und inhaltlich kontinuierlich weitergeführt. Die Schüler der Hauptschule treten in der Regel früher als andere in das Berufsleben ein. Vorrangiges Bildungsziel des Faches Arbeit/Wirtschaft/Technik ist es, sie auf jene von Arbeit geprägten Bereiche vorzubereiten, in denen sie in Zukunft als Erwerbstätige, als Produzenten von Gütern und Dienstleistungen, als Verbraucher und Wirtschaftsbürger leben werden. Die Schüler sollen ein grundlegendes Verständnis in den Bereichen Wirtschaft, Technik, Beruf und Haushalt erwerben und die Arbeit als Grundphänomen menschlichen Daseins begreifen. Dazu setzen sie sich mit wichtigen Tatsachen und Zusammenhängen der Arbeits- und Wirtschaftswelt auseinander. Sie beschäftigen sich mit Entwicklungen in diesen Bereichen und deren Auswirkungen auf das persönliche Leben und die Gesellschaft. Sie bemühen sich, dabei auch auf ökologische, soziale und politische Gesichtspunkte zu achten und lernen entsprechend zu handeln.

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Übersicht Jahrgangsstufe 5 5.1 Arbeit im persönlichen Umfeld 5.2 Bedürfnisse, Werbung und Konsum 5.3 Mensch und Technik Jahrgangsstufe 6 6.1 Menschen in der Arbeitswelt 6.2 Geld und Konsum 6.3 Mensch und Technik im Arbeitsprozess 6.4 Erste Schritte: Die eigene Zukunft planen Jahrgangsstufe 7 / M7 7.1 Erster Zugang zu betrieblicher Erwerbsarbeit und Beruf 7.2 Wirtschaften im privaten Haushalt 7.3 Schüler arbeiten und wirtschaften für einen Markt 7.4 Arbeit und Technik im privaten Haushalt Jahrgangsstufe 8 / M8 8.1 Der Betrieb als Ort des Arbeitens und Wirtschaftens 8.2 Schüler arbeiten und wirtschaften für einen Markt 8.3 Die persönliche Berufsorientierung 8.4 Arbeit und Entgelt Jahrgangsstufe 9 / M9 9.1 Arbeit und Beruf 9.2 Der Betrieb als Ort des Arbeitens und Wirtschaftens 9.3 Wohnen – Wunsch und Wirklichkeit 9.4 Schüler testen Dienstleistungen oder Waren 9.5 Aufgaben und Bedeutung der Geldinstitute 9.6 Ausgewählte Merkmale und Problemfelder der sozialen Marktwirtschaft Jahrgangsstufe M10 10.1 Berufe mit dem mittleren Schulabschluss 10.2 Schüler gründen eine Schülerfirma 10.3 Struktur und Entwicklung des regionalen Wirtschaftsraumes 10.4 Die Aktienbörse 10.5 Wirtschaft ohne Grenzen? 10.6 Bürgerliches Recht und öffentliches Recht

Der LehrplanPlus von 2018

„Seit PISA (PISA 2000 - PISA2003/06 - PISA 2009 ) spielen sog. Bildungsstandards im Zusammenhang mit der

Qualitätsentwicklung von Schule bundesweit eine wachsende Rolle. Durch die Einführung bundeseinheitlicher

KMK-Bildungsstandards wird eine stärkere Outputorientierung von Schule forciert, wie sie in Bayern z. B. über

die Diskussion um Grundwissen und Leistungstests bereits seit einigen Jahren verfolgt wird. Die Kernidee dieser

Outputorientierung ist es, den Kompetenzerwerb der Schüler stärker in den Blick zu nehmen und Lernergebnisse

konsequent zu überprüfen.“ [ISP 2016 Kompas

http://www.kompas.bayern.de/index.php?Seite=1008&PHPSESSID=ecfa73dcecfb4aabd7d75619509b3c32 v. 1.3.2016]

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[ISP 2016 http://www.kompas.bayern.de/index.php?Seite=1008&PHPSESSID=ecfa73dcecfb4aabd7d75619509b3c32 vom 1.3. 2016]

Ziele und inhaltliche Schwerpunkte [http://www.lehrplanplus.bayern.de/fachprofil/mittelschule/wib] „Die Schülerinnen und Schüler der Mittelschule treten in der Regel früher als andere in das Berufsleben ein.

Vorrangiges Bildungsziel des Faches Wirtschaft und Beruf ist es, sie auf jene von Arbeit geprägten Bereiche

vorzubereiten, in denen sie in Zukunft als Erwerbstätige, als Produzenten von Gütern und Dienstleistungen, als

Verbraucher und Wirtschaftsbürger leben werden.

Das Fach Wirtschaft und Beruf beginnt in Jahrgangsstufe 5 und knüpft an Themenbereichen der Grundschule an.

Dabei werden die Schülerinnen und Schüler besonders in grundlegenden und fachspezifischen Methoden bzw.

Arbeitstechniken wie Beobachten, Befragen, Interviewen, Beschreiben, Auswerten und Erkunden geschult.

Somit legt das Fach Wirtschaft und Beruf die Basis für ein Methodencurriculum an der Mittelschule. Der Blick

auf den eigenen Lebensbereich der Schülerinnen und Schüler wird geschärft und inhaltlich kontinuierlich

weitergeführt.

Die Schülerinnen und Schüler erwerben ein grundlegendes Verständnis in den Bereichen Arbeit, Wirtschaft,

Technik, Berufsorientierung und Recht und begreifen Arbeit als Grundphänomen menschlichen Daseins. Dazu

setzen sie sich mit wichtigen Tatsachen und Zusammenhängen der Arbeits- und Wirtschaftswelt auseinander. Sie

beschäftigen sich mit historischen und aktuellen Entwicklungen in diesen Bereichen und deren Auswirkungen

auf das persönliche Leben und die Gesellschaft. Sie achten dabei auch auf ökologische, soziale und politische

Gesichtspunkte und erwerben entsprechende Handlungskompetenz.

Durch diese komplexe Zielstellung trägt das Fach zur Persönlichkeitsentwicklung der Schülerinnen und Schüler

bei. Neben den Fach- und Methodenkompetenzen werden somit besonders auch die Personal- und

Sozialkompetenzen der Schülerinnen und Schüler weiterentwickelt.

Auf die individuellen Möglichkeiten abgestimmte Aufgabenstellungen und Medien eröffnen den Schülerinnen

und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf angemessene Zugänge zu den Fragestellungen des Faches

Wirtschaft und Beruf. Die spezifischen Gegebenheiten und Unterstützungsmöglichkeiten zur Sicherung des

Rechtes auf Teilhabe am Arbeitsleben finden dabei besondere Berücksichtigung. Kooperation mit den

zuständigen Beratungsstellen der Agentur für Arbeit sowie mit Diensten und Einrichtungen zur beruflichen

Eingliederung (z. B. Berufsbildungswerke, Berufsschulen zur sonderpädagogischen Förderung,

Integrationsfachdienste) bieten für Jugendliche, Eltern und Lehrkräfte Impulse und Hilfestellungen im Rahmen

der Berufsorientierung und Berufswahlvorbereitung.“ [LehrplanPlus]

Literatur

Dörfler, Roland und Andreas Gmelch: Praxis 5, Arbeit-Wirtschaft-Technik. Hauptschule Bayern.

Lehrerband mit Kopiervorlagen. Westermann, Braunschweig 2004

Gmelch, Andreas: Zukunftsperspektiven der Arbeitslehre. In Pädagogische Welt, H 6. S. 265-271. 1995

Kaiser, F.-J.: Arbeitslehre. Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1974

Kupser, Paul: Arbeitslehre zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1986

Karg, Hans Helmut: Arbeitslehre heute. 1. Auflage, Prögel, 1986

Dauenhauer, Erich: Einführung in die Arbeitslehre. Uni-Taschenbücher 471, Pullach 1974

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Ständige Konferenz der Kultusminister der Länder (KMK): Material zum Lernfeld Arbeitslehre im

Sekundarbereich I. Beschlussfassung KMK vom 235. Plenum am 8./9. Oktober 1987 in Berlin. In: arbeiten

+ lernen 10/1988. H 57, S. 3-7

Schweizer, G., Selzer, H.-M.: Arbeit-Wirtschaft-Technik. Materialien zur Revision des Lehrplans im

Lernfeld Arbeitslehre. Röll, Dettelbach 1995

Lehrpläne und entsprechende Kommentare

Kontrollfragen

1. Warum wurde das Fach „Arbeitslehre“ eingeführt?

2. Wie hat sich die Gewichtung des Gegenstandsbereichs Technik in den verschiedenen Lehrplänen

verändert?

3. Wie berücksichtigt der aktuelle Lehrplan den raschen Wandel in der Berufswelt inhaltlich und

methodisch?

4. Warum werden im LehrplanPlus Kompetenzen vorgegeben?

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Darstellungsformen der Lerninhalte (Lehrpläne) Von der Gesellschaft, bzw. vom Staat werden die Lernziele und Lerninhalte in Form von Gesetzen und

Verordnungen (Lehrpläne) vorgegeben.

Gesetze und Verordnungen

Verfassung

Ausgehend vom Art.7(1) GG:

Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates.

findet man die obersten Bildungsziele im Art.131 der Bayerischen Verfassung.

(Bildungsziele)

Artikel 131 Ziele der Bildung

(1) Die Schulen sollen nicht nur Wissen und Können vermitteln, sondern auch Herz und Charakter bilden.

(2) Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung und vor der Würde des Menschen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft und Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt.

(3) Die Schüler sind im Geiste der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinne der Völkerversöhnung zu erziehen.

(4) Die Mädchen und Buben sind außerdem in der Säuglingspflege, Kindererziehung und Hauswirtschaft besonders zu unterweisen.

Bayerisches Erziehungs- und Unterrichtsgesetz (BayEUG)

Art. 1: Bildungs- und Erziehungsauftrag

(1) 1Die Schulen haben den in der Verfassung verankerten Bildungs- und Erziehungsauftrag zu verwirklichen. 2Sie sollen Wissen und Können vermitteln sowie Geist und Körper, Herz und Charakter bilden. 3Oberste Bildungsziele sind Ehrfurcht vor Gott, Achtung vor religiöser Überzeugung, vor der Würde des Menschen und vor der Gleichberechtigung von Männern und Frauen, Selbstbeherrschung, Verantwortungsgefühl und Verantwortungsfreudigkeit, Hilfsbereitschaft, Aufgeschlossenheit für alles Wahre, Gute und Schöne und Verantwortungsbewusstsein für Natur und Umwelt. 4Die Schüler sind im Geist der Demokratie, in der Liebe zur bayerischen Heimat und zum deutschen Volk und im Sinn der Völkerversöhnung zu erziehen. (2) Bei der Erfüllung ihres Auftrags haben die Schulen das verfassungsmäßige Recht der Eltern auf Erziehung ihrer Kinder zu achten.

Art. 2: Aufgaben der Schulen

(1) 1Die Schulen haben insbesondere die Aufgabe,

Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln und Fähigkeiten zu entwickeln,

zu selbständigem Urteil und eigenverantwortlichem Handeln zu befähigen,

zu verantwortlichem Gebrauch der Freiheit, zu Toleranz, friedlicher Gesinnung und Achtung vor anderen Menschen zu erziehen, zur Anerkennung kultureller und religiöser Werte zu erziehen,

Kenntnisse von Geschichte, Kultur, Tradition und Brauchtum unter besonderer Berücksichtigung Bayerns zu vermitteln und die Liebe zur Heimat zu wecken,

zur Förderung des europäischen Bewusstseins beizutragen,

im Geist der Völkerverständigung zu erziehen,

die Bereitschaft zum Einsatz für den freiheitlich-demokratischen und sozialen Rechtsstaat und zu seiner Verteidigung nach innen und außen zu fördern,

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die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken,

die Schülerinnen und Schüler zur gleichberechtigten Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten in Familie, Staat und Gesellschaft zu befähigen, insbesondere Buben und junge Männer zu ermutigen, ihre künftige Vaterrolle verantwortlich anzunehmen sowie Familien- und Hausarbeit partnerschaftlich zu teilen,

auf Arbeitswelt und Beruf vorzubereiten, in der Berufswahl zu unterstützen und dabei insbesondere Mädchen und Frauen zu ermutigen, ihr Berufsspektrum zu erweitern,

Verantwortungsbewusstsein für die Umwelt zu wecken. 2Die sonderpädagogische Förderung ist im Rahmen ihrer Möglichkeiten Aufgabe aller Schularten. 3Sie werden dabei von den Mobilen Sonderpädagogischen Diensten unterstützt. (2) Die Schulen erschließen den Schülern das überlieferte und bewährte Bildungsgut und machen sie mit Neuem vertraut. (3) 1Bei der Erfüllung der Aufgaben der Schulen wirken alle Beteiligten, insbesondere Schule und Elternhaus, vertrauensvoll zusammen. 2Dies gilt auch für die Entwicklung eines eigenen Schulprofils. (4) 1Die Öffnung der Schule gegenüber ihrem Umfeld ist zu fördern. 2Die Öffnung erfolgt durch die Zusammenarbeit der Schulen mit außerschulischen Einrichtungen, insbesondere mit Betrieben, Sport- und anderen Vereinen, Kunst- und Musikschulen, freien Trägern der Jugendhilfe, kommunalen und kirchlichen Einrichtungen sowie mit Einrichtungen der Weiterbildung.

Art. 7: Die Grundschule und die Hauptschule (die Volksschule)

(1) Die Volksschule besteht aus der Grundschule und der Hauptschule. (2) 1In den Volksschulen werden die Schüler nach den gemeinsamen Grundsätzen der christlichen Bekenntnisse unterrichtet und erzogen. 2In Klassen mit Schülern gleichen Bekenntnisses wird darüber hinaus den besonderen Grundsätzen dieses Bekenntnisses Rechnung getragen. (3) 1Angesichts der geschichtlichen und kulturellen Prägung Bayerns wird in jedem Klassenraum ein Kreuz angebracht. 2Damit kommt der Wille zum Ausdruck, die obersten Bildungsziele der Verfassung auf der Grundlage christlicher und abendländischer Werte unter Wahrung der Glaubensfreiheit zu verwirklichen. 3Wird der Anbringung des Kreuzes aus ernsthaften und einsehbaren Gründen des Glaubens oder der Weltanschauung durch die Erziehungsberechtigten widersprochen, versucht der Schulleiter eine gütliche Einigung. 4Gelingt eine Einigung nicht, hat er nach Unterrichtung des Schulamts für den Einzelfall eine Regelung zu treffen, welche die Glaubensfreiheit des Widersprechenden achtet und die religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen aller in der Klasse Betroffenen zu einem gerechten Ausgleich bringt; dabei ist auch der Wille der Mehrheit, soweit möglich, zu berücksichtigen. (4) 1Die Grundschule schafft durch die Vermittlung einer grundlegenden Bildung die Voraussetzungen für jede weitere schulische Bildung. 2Sie gibt in Jahren der kindlichen Entwicklung Hilfen für die persönliche Entfaltung. 3Um den Kindern den Übergang zu erleichtern, arbeitet die Grundschule mit dem Kindergarten zusammen. (5) 1Die Grundschule umfasst die Jahrgangsstufen 1 bis 4. 2Sie vereinigt alle Schulpflichtigen dieser Jahrgangsstufen, soweit sie nicht eine Förderschule besuchen. (6) 1Die Hauptschule vermittelt eine grundlegende Allgemeinbildung, bietet Hilfen zur Berufsfindung und schafft Voraussetzungen für eine qualifizierte berufliche Bildung, sie eröffnet in Verbindung mit dem beruflichen Schulwesen Bildungswege, die zu einer abgeschlossenen Berufsausbildung und zu weiteren beruflichen Qualifikationen führen können, sie schafft die schulischen Voraussetzungen für den Übertritt in weitere schulische Bildungsgänge bis zur Hochschulreife. 2Die Hauptschule spricht Schüler an, die den Schwerpunkt ihrer Anlagen, Interessen und Leistungen im anschaulich-konkreten Denken und im praktischen Umgang mit den Dingen haben. 3Das breite Feld von unterschiedlichen Anlagen, Interessen und Neigungen wird durch ein differenziertes Auswahlangebot neben den für alle Schüler verbindlichen Fächern berücksichtigt; hierfür ist die Bildung eigener Klassen und Kurse möglich, z.B. Praxisklassen, Klassen bzw. Kurse für Aussiedlerschüler und Schüler mit nicht deutscher Muttersprache. 4Für besonders leistungsstarke Schüler werden ab der Jahrgangsstufe 7 Mittlere-Reife-Klassen angeboten, in den Jahrgangsstufen 7 und 8 zur Vorbereitung auf Mittlere-Reife-Klassen auch Mittlere-Reife-Kurse. (7) 1Die Hauptschule baut auf der Grundschule auf und umfasst die Jahrgangsstufen 5 bis 9 und, soweit Mittlere-Reife-Klassen in der Jahrgangsstufe 10 angeboten werden, auch die Jahrgangsstufe 10. 2In der Jahrgangsstufe 9 verleiht sie, wenn die erforderlichen Leistungen erbracht sind, den erfolgreichen Hauptschulabschluss; die Schüler können durch eine besondere Leistungsfeststellung den qualifizierenden Hauptschulabschluss erwerben. 3In der Jahrgangsstufe 10 führt die Mittlere-Reife-Klasse zum mittleren Schulabschluss. (8) 1Die Hauptschule stellt auf Antrag das Zeugnis über den qualifizierten beruflichen Bildungsabschluss aus, wenn der qualifizierende Hauptschulabschluss, befriedigende Kenntnisse in Englisch, die dem Leistungsstand eines fünfjährigen Unterrichts entsprechen, sowie ein überdurchschnittlicher Berufsabschluss nachgewiesen werden; Art. 11 Abs. 2 Satz 2 Halbsätze 2 und 3 gelten entsprechend. 2Örtlich zuständig ist die Hauptschule, an der der qualifizierende Hauptschulabschluss erworben worden ist.

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Lehrplan für die Mittelschule

Allgemein versteht man unter einem Lehrplan eine pauschale Unterrichtsplanung, die von übergeordneten

Globalzielen ausgeht und dem Lehrer ein Sammelpaket von Stoffen an die Hand gibt, das dieser selbständig

aufteilen und verwenden muss.25 Die im Lehrplan angegebenen Kompetenzen, Ziele und Inhalte sind

verbindlich, den Umfang und die Intensität der unterrichtlichen Umsetzung bestimmt eigenverantwortlich

der/die Lehrer/in.

Stoffverteilungsplan

Ein Stoffverteilungsplan beinhaltet die Themen eines Unterrichtsfaches. Dabei werden die Unterrichtsthemen

von der Lehrkraft schulintern oder klassenspezifisch nach Unterrichtsmonat oder -woche festgelegt.

Begriffsklärungen zu den Lehrplänen

Lehr- oder Lernziele Das Leitziel beinhaltet die (obersten) Bildungsziele nach Art.131 BV und ist schul- und fächerübergreifend;

Richtziele sind schul- u. fächerspezifisch ausformuliert und den Lernzielen eines Lehrplans vorangestellt; (s.

Fachprofil)

Groblernziele entsprechen den Lernzielen eines Lehrplans;

Feinlernziele werden im Unterrichtsentwurf des Lehrers selbständig festgelegt.

Unter einem Lernziel in allgemeiner Form versteht man nach einer Definition von Mager “die Beschreibung

eines Verhaltens, das der Lernende nach erfolgreicher Lernerfahrung erworben hat"26.

Lernzielarten Lernziele unterscheidet man nach drei Bereichen:

Kognitive (materielle) Lernziele, d.h. Lernziele aus dem Denk-, Wahrnehmungs- und Gedächtnisbereich, z.B.

Realitäten, Gesetze usw..

Affektive (formale) Lernziele, d.h. Lernziele aus dem Gefühls-, Interessen-, Einstellungs- u. Wertbereich, z.B.

Bewusstsein von Recht und Unrecht, Freude an, Interesse ... usw..

Psychomotorische Lernziele, d.h. Lernziele aus dem Bereich der manuellen Fertigkeiten, z.B. Vergaser eines

Motors einstellen können, Drehmaschine bedienen können, schreiben, zeichnen usw..

Lernzielklassen und ihre Anforderungsstufen Die verbindlichen Lernziele beschreiben Art, Umfang und Intensität dessen, was im Unterricht erreicht werden

soll. Man unterscheidet im Lehrplan vier Lernzielklassen :

Wissen (für kognitive Lernziele), Informationen,

Können (für kognitive u. psychomotorische Lernziele), Handlungen,

Erkennen (für kognitive u. affektive Lernziele), Probleme,

Werten (für kognitive u. affektive Lernziele), Einstellungen.

Wiederum gliedert sich eine Lernzielklasse in verschiedene Anforderungsstufen (Intensitätsstufen) auf, z.B.

Wissen in Einblick, Überblick, Kenntnis und Vertrautheit;

Können in Fähigkeit, Fertigkeit und Beherrschung;

Erkennen in Bewusstsein, Einsicht und Verständnis;

Werten in Bereitschaft und Interesse (Freude).

Dabei bedeutet:

Einblick: Erste Begegnung mit dem Wissensgebiet (flüchtiges Wissen);

Überblick: Ermöglicht die systematische Zuordnung von Begriffen und die Unterscheidung von

Lerngegenständen;

Kenntnis: Verankerung von Fakten (Wissen), die zu einer zutreffenden Beschreibung der Inhalte und der

Zusammenhänge befähigt;

Vertrautheit: Erweiterte, vertiefte, geläufig verfügbare Kenntnisse;

Fähigkeit: Dasjenige Können, das zur Durchführung einer Tätigkeit notwendig ist, welche aber noch der

Unterstützung bedarf;

Fertigkeit: Ein durch intensives Üben erworbenes, eingeschliffenes und müheloses Können;

Beherrschung: Souveränes (profihaftes) Verfügen (Können) über die eingeübten Fertigkeiten;

25 Vgl. Westphalen, K.: Praxisnahe Curriculumentwicklung, a.a.O. 26 Vgl. Westphalen, K.: Praxisnahe Curriculumentwicklung, a.a.O.

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Bewusstsein: Es soll zum Weiterdenken anregen;

Einsicht: Erkenntnis einer bestehenden Problematik, die einer sachgerechten Lösung zugeführt und damit als

grundlegende Anschauung erworben und beibehalten wird;

Verständnis: Setzt verschiedene Einsichten voraus, die dann geordnet zu einem begründeten Urteil führt;

Bereitschaft: Die im Unterricht erworbenen (erfahrenen) Werte werden anerkannt und als eigene Ziele gesetzt;

Interesse: Eine sich aus der eigenen Motivation heraus erwachsende Aufgeschlossenheit und Neigung an

bestimmten Lerngegenständen27.

Auswahl der Inhalte für eine Unterrichtseinheit Um eine konkrete Unterrichtseinheit zu planen, müssen zunächst die Rahmenbedingungen und die Fachinhalte

geklärt und zusammengestellt werden. Anschließend werden relevante Inhalte ausgewählt und in Form von

Feinlernzielen dokumentiert.

Vorgaben

Ausgehend vom Lehrplan und Stoffverteilungsplan, den vorangegangenen Unterrichtseinheiten und der

aktuellen Situation in der Klasse läßt sich das Groblernziel und allgemein der angestrebte Lerninhalt festlegen.

Sachuntersuchung

Die Sachuntersuchung dient der fachlichen Vorbereitung. Der zu vermittelnde Stoff soll voll erschlossen und in

seiner fachwissenschaftlichen Struktur systematisiert werden. In Arbeitslehre helfen dabei Grundlagenwerke aus

den Bereichen Arbeit, Wirtschaft, Technik oder Berufskunde, die durch aktuelle Informationen (z.B. aus

Zeitungen, Zeitschriften, dem Internet u.ä.) zu ergänzen sind. Die Fülle der Informationen wird

fachsystematisch, hierarchisch geordnet, um durch Überbegriffe und Abschnitte einen möglichst umfassenden

Überblick der Sachstruktur zu erhalten. Bei den Recherchen werden auch Anschauungsmittel oder Beispiele

gesammelt, die im Unterricht eingesetzt werden könnten.

Adressatenanalyse

Um geeignete Inhalte auswählen zu können, braucht man möglichst genaue Informationen über die Schülerinnen

und Schüler, die Adressaten oder Zielgruppe und die zu erwartenden situativen Bedingungen.

anthropogene Voraussetzungen:

Fähigkeiten der einzelnen Schüler (z.B. Selbständigkeit, Fähigkeit zu Gruppenarbeit, Sprachkenntnisse,

Konzentrationsfähigkeit, Schauspielerfähigkeiten der Lehrkraft, ..)

sozio - kulturelle Voraussetzungen:

Herkunft (Ausländer: - Muttersprache - Aufenthaltsdauer..), Religion, Vorbildung, Elternhaus, Schulen,

Freundeskreis, Betrieb;..

situative Bedingungen:

Jahreszeit, Tageszeit, Wetterlage, Lage und Ausstattung des Unterrichtsraumes (Straßenlärm, Lüftung,

Beleuchtung..), vorausgegangener Unterricht (Sport, Probearbeit..), außerschulische Ereignisse (Fasching,

Fernsehen, Freizeit..).

Grundsätze der Didaktik

Diese Grundsätze basieren auf langjährigen, praktisch pädagogischen Erfahrungen. Die einzelnen Lerninhalte

werden so gewählt und geordnet, dass diese Prinzipien möglichst gut beachtet werden.

Das Prinzip der Ganzheitlichkeit

Lernziele sollten in ihrem natürlichen Zusammenhang verdeutlicht werden.

27 Vgl. Curriculare Lehrpläne für die Fächer Arbeitslehre und Informatik an Berufsoberschulen, S.

1014, KMBl I So.Nr. 33/1977

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Das Prinzip der Anschaulichkeit

Anschauung bedeutet mit allen Sinnesorganen erfassen, begreifen. “ Der Unterricht ist anschaulich, wenn sich

der Schüler bei allen Worten, die im Unterricht auftreten, ein klares und deutliches Bild machen kann, so daß er

mit den auftretenden Worten und durch sie die gemeinten Sachen voll erfaßt” [Huber, 1963, S. 88].

Beispiele:

Die richtige Haltung beim Sägen ist sehr viel anschaulicher, wenn der Lehrer sie vormacht und nicht

nur beschreibt. Die Betriebserkundung ist ‘anschaulicher’ als Lehrerberichte. Ein Simulationsspiel

veranschaulicht bestimmte Situationen besser als Filme. Veranschaulichungen von Tabellen in

amerikanischen Medien. Veranschaulichung durch Gebärden, Schilderungen..

Das Prinzip der Aktualität

“Der Unterricht ist dann lebensnah (aktuell), wenn der Lehrer die ‘Individuallage’ seiner Klasse und seiner

Schüler beachtet” [Huber, 1963, S. 85].

Z. B.

die Erlebnisse und Erfahrungen der Schüler (nicht des Lehrers!),

der Lebenskreis der Klasse (Familie, Standort, Staat, Volk, Menschheit),

das gegenwärtige Geschehen im Umfeld der Schüler.

Aber: Lebensnähe nicht um jeden Preis! Nur treffende Beispiele verwenden!

Das Prinzip des Exemplarischen

Der Wesenskern soll nicht in der Stofffülle untergehen, sondern soll mit treffenden Beispielen erläutert werden

(lieber weniger aber intensiv)! Oberflächliches Wissen täuscht Bildung vor. Anhand der behandelten Beispiele

können die Schüler sich weitere Anwendungen erschließen (Transfer).

Das Prinzip der Schwierigkeitsstufung und - isolierung

Nicht alle Probleme zugleich angehen, vom Leichten zum Schweren aufbauen, der Stoff soll für die Schüler im

Zusammenhang überschaubar bleiben, durch die Stufung des Unterrichts, allgemein durch die Artikulation des

Unterrichts werden schwere, umfangreiche Aufgaben in fassbare Schritte geteilt.

Das Prinzip der Selbständigkeit

Die Schüler sollen selbst tätig werden, nicht nur geschäftig etwas ausmalen, sondern durch ihre Tätigkeit zu

neuen Erkenntnissen kommen. Das Schwergewicht wird auf Eigen- und Freitätigkeit sowie auf die Spontaneität

der Schüler gelegt. Was die Schüler selbständig machen können, soll er Lehrer nicht vormachen. (Siehe

Forderungen der ‘Arbeitsschulbewegung’.)

Das Prinzip der Abwechslung

Inhaltliche und methodische Abwechslung fördert die Motivation und hemmt die Ermüdung.

Das Prinzip der Erfolgssicherung (Leistungsprinzip)

Leistung schließt Leistungsbereitschaft und Leistungsfähigkeit ein. Mittel zur Leistungserzielung sind:

- Eindruck erzielen,

- Stoff einprägen und üben (z.B. Wettbewerb),

- Anwendung des Gelernten,

- häufige Wiederholung (unmittelbar, periodisch, gelegentlich) und

- Leistungskontrollen (Selbst- und Fremdkontrolle).

Das Prinzip der Innerlichkeit

“Echte Bildung wurzelt im Irrationalen, nicht im Rationalen.”[Huber, 1963, S. 99]

Die Gemütskräfte und die emotionale Seite der Bildung dürfen nicht vernachlässigt werden. Der Unterricht muss

auch Gelegenheit zur innerlichen Verarbeitung geben. Raumgestaltung, gegenseitiger Umgang, Klassengeist,

erlebnisstarke Einzelstunden und Feiern tragen zur Innerlichkeit bei.

Beispiel:

Besinnung, nicht Belehrung, nach einem Arbeits- (Schul-)unfall [Huber, 196328].

Didaktische Reduktion

28 Huber, F.: Allgemeine Unterrichtslehre. Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1963

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Ausgehend vom Prinzip des Exemplarischen und aus der Notwendigkeit, den Wesenskern zu vermitteln, muss

die Stofffülle reduziert werden. Grundsätzlich können gleichwertige Inhalte weggelassen werden (horizontale

Reduktion: nicht alle Ausbildungsberufe, nicht alle Anforderungen werden erwähnt) oder Inhalte werden

vereinfacht dargestellt (vertikale Reduktion: Aufbau eines Rechners im Blockschaltbild), eine Problemanalyse

soll ‘dem problemorientierten Unterricht’ vorausgehen.29

Horizontale Reduktion

Aus vielen Gegenstandsbereichen werden exemplarische Inhalte gewählt, die stellvertretend für alle gründlich

behandelt werden. Anschließend können die Erkenntnisse auf die anderen Bereiche mittels Transfer übertragen

werden.

Beispiel:

Informationstechnische Grundbildung - Textverarbeitungsprogramme

Es können nicht alle Textverarbeitungsprogramme erlernt werden, die wesentlichen Funktionen wie

Texteingabe, Formatierung, Hilfsfunktionen usw. können exemplarisch mit einem Programmsystem

dargestellt werden. Im Transfer können mehrere andere Programme im Überblick mit ihren

Besonderheiten angesprochen werden.

Vertikale Reduktion

[Grüner, 1967]

Schrittweise auf wesentliche Inhalte reduzieren. Hilfsfragen nach Grüner: Was ist wesentlich?

Problemanalyse

Die Problemfindung ist ein wichtiges Verfahren der didaktischen Aufbereitung und der Unterrichtsvorbereitung

[Gerstl, Allgemeine Unterrichtslehre Teil 1, 1981/82]. Ein Problem ist eine Aufgabe, deren Lösungsweg noch

gefunden werden muss. Problemanalyse heißt zum Lernen geeignete Probleme aus dem Lernstoff finden.

Die Probleme sollen so gewählt werden, dass sie

- die Schüler interessieren, motivieren, aktivieren und durch Praxisnähe überzeugen;

- am Beginn einer Unterrichtseinheit stehen und die Stunde didaktisch gliedern;

- die Überleitung zu einem Teilziel oder zur Stufe geistiger Verarbeitung bilden;

- wirklichkeitsnah und schülergerecht formuliert sind, Leitfragen können die Problemlösung steuern.

Beachte:

- keine zu schwierigen / einfachen Probleme stellen,

- keine unechten Probleme,

- keine zu zeitraubenden Probleme ...

Didaktische Analyse

Mit Hilfe der “didaktischen Analyse” nach Wolfgang Klafki kann der “Bildungsgehalt” eines Unterrichtsthemas

durch fünf didaktische Grundfragen erschlossen werden:

“I. Welchen größeren bzw. welchen allgemeinen Sinn- oder Sachzusammenhang vertritt und erschließt dieser Inhalt? Welches Urphänomen oder Grundprinzip, welches Gesetz oder Kriterium, Problem, welche Methode, Technik oder Haltung läßt sich in der Auseinandersetzung mit ihm ‚exemplarisch‘ erfassen?

1. Wofür soll das geplante Thema exemplarisch, repräsentativ, typisch sein?

2. Wo läßt sich das an diesem Thema zu Gewinnende als Ganzes oder in einzelnen Elementen - Einsichten, Vorstellungen, Wertbegriffen, Arbeitsmethoden, Techniken - später als Moment fruchtbar machen?

II. Welche Bedeutung hat der betreffende Inhalt bzw. die an diesem Thema zu gewinnende Erfahrung, Erkenntnis, Fähigkeit oder Fertigkeit bereits im geistigen Leben der Kinder meiner Klasse, welche Bedeutung sollte er - vom pädagogischen Gesichtspunkt aus gesehen - darin haben?

III. Worin liegt die Bedeutung des Themas für die Zukunft der Kinder?

29 Vgl. Grüner, G.: Die didaktische Reduktion als Kernstück der Didaktik, Auszug aus dem vom

Verfasser am 24. April 1967 vor dem Ausschuß Pädagogik und Technik in Offenbach gehaltenen Vortrag "Grundlagen des werkkundlichen Berufsschulunterrichts", S. 421

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IV. Welches ist die Struktur des (durch die Fragen I, II und III in die spezifisch pädagogische Sicht gerückten) Inhaltes?

1. Welches sind die einzelnen Momente des Inhalts als eines Sinnzusammenhanges?

2. In welchen Zusammenhang stehen diese einzelnen Momente? a) In einem logisch ‚eindeutigen‘ Zusammenhang? b) In einem faktischen Wirkzusammenhang, bei dem alle oder einige Momente in Wechselwirkung stehen, so dass die Reihenfolge ihrer Betrachtung nicht schon durch die Logik der Sache zwingend vorgezeichnet ist?

3. Ist der betreffende Inhalt geschichtet? Hat er verschiedene Sinn- und Bedeutungsschichten?

4. In welchem größeren sachlichen Zusammenhang steht dieser Inhalt? Was muss sachlich vorausgegangen sein?

5. Welche Eigentümlichkeiten des Inhaltes werden den Kindern den Zugang zur Sache vermutlich schwer machen?

6. Was hat als notwendiger, festzuhaltender Wissensbesitz (‚Mindestwissen‘) zu gelten, wenn der im Vorangegangenen bestimmte Bildungsinhalt als angeeignet, als ‚lebendiger‘, ‚arbeitender‘ geistiger Besitz gelten soll?

V. Welches sind die besonderen Fälle, Phänomene, Situationen, Versuche, Personen, Ereignisse, Formelemente, in oder an denen die Struktur des jeweiligen Inhaltes den Kindern dieser Bildungsstufe, dieser Klasse interessant, fragwürdig, zugänglich, begreiflich, ‚anschaulich‘ werden kann?

1. Welche Sachverhalte, Phänomene, Situationen, Versuche, Kontroversen usw., m.a.W.: welche ‚Anschauungen sind geeignet, die auf das Wesen des jeweiligen Inhaltes, auf seine Struktur gerichtete Fragestellung in den Kindern zu erwecken, jene Fragestellung, die gleichsam den Motor der Unterrichtsverlaufs darstellen soll?

2. Welche Anschauungen, Hinweise, Situationen, Beobachtungen, Erzählungen, Versuche, Modelle usw. sind geeignet, den Kindern dazu zu verhelfen, möglichst selbständig die auf das Wesentliche der Sache, des Problems gerichtete Fragestellung zu beantworten?

3. Welche Situationen und Aufgaben sind geeignet, das am exemplarischen Beispiel, am elementaren ‚Fall‘ erfasste Prinzip einer Sache, die Struktur eines Inhaltes fruchtbar werden, in der Anwendung sich bewähren und damit üben ( - immanent wiederholen -)zu lassen?”

[nach Klafki30, 1964, S.135ff]

Feinziele einer Unterrichtseinheit

Am Ende der Überlegungen können für die konkrete Unterrichtseinheit Feinziele formuliert werden, die das

Grobziel unter Berücksichtigung der Schüler, des Lehrers und der situativen Bedingungen interpretieren.

Besonders geeignet erscheinen hier ‚operationalisierte Lernziele‘, mit qualitativen und quantitativen Angaben.

Sie geben den Lerngegenstand und das befähigende Handeln an.

(Z.B. Die Schüler sollen...

... mindestens vier Sparformen aufzählen können,

... Sparformen hinsichtlich der Rendite, Sicherheit und Verfügbarkeit der Einlagen beurteilen können...

Diese Feinlernziele begrenzen und präzisieren die folgende methodische Planung und bilden die Grundlage für

Lernerfolgskontrollen.

30 Wolfgang Klafki: Studien zur Bildungstheorie und Didaktik. Beltz, Weinheim 1964

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Kontrollfragen

1. Welche Ziele für das Fach WuB werden in Art. 7 EUG genannt?

2. Nennen Sie ein Grobziel, eine Kompetenzerwartung aus dem LehrplanPlus für das Fach Wirtschaft und

Beruf!

3. Die S. sollen…

a. … wichtige Ziele der Werbung aufzählen können

b. … einsehen, dass Werbung sie beeinflusst

c. … fachgerecht Preise vergleichen können

Ordnen Sie jeweils die Lernzielart, Lernzielklasse und die Anforderungsstufen zu!

1. Was bedeutet das Prinzip der „Aktualität“?

2. Nennen Sie ein operationalisiertes, kognitives Feinlernziel für eine Wirtschaft und Beruf

Unterrichtseinheit!

3. Formulieren Sie je ein Lernziel der Klasse Wissen mit den Anforderungsstufen Einblick, Überblick,

Kenntnis und Vertrautheit!

4. Wo (in welchen Quellen) können Sie effektiv die „Struktur des Inhaltes“ recherchieren?

(Erstellen Sie eine didaktische Analyse zum Thema „Sparformen“!)

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Methodik: Wie sollen diese Inhalte vermittelt werden?

Handlungsorientierter Unterricht31 Handlungsorientierter Unterricht wird als eine wichtige methodische Lösung für aktuelle Probleme besonders im

Arbeitslehreunterricht betrachtet. „Handlungsorientierter Unterricht ist ein ganzheitlicher und schüleraktiver

Unterricht, in dem die zwischen dem Lehrer/der Lehrerin und den SchülerInnen vereinbarten

Handlungsprodukte die Gestaltung des Unterrichtsprozesses leiten, so dass Kopf- und Handarbeit der

SchülerInnen in ein ausgewogenes Verhältnis zueinander gebracht werden können.“32

Begründung

Aufgrund der Erfahrungen der Lehrer aus der eigenen Schulzeit (Prägung durch Vorbilder), der Machtstruktur

im Unterricht (Lehrer in der Führungsrolle), tradierter neuhumanistisch begründeter Werte in den Lehrplänen

und in der Schulorganisation erscheint „kopflastiger“, d.h. durch Worte und Begriffe gekennzeichneter

Unterricht als Regelfall. Die einseitige mentale Belastung der Schüler führt zu Ermüdungserscheinungen

(Konzentrationsabfall), zu Langeweile, dann zu Unterforderung und schließlich Kompensationshandlungen, die

oft als Unterrichtsstörungen aufgefasst werden. Schläfrige Schüler und Unterrichtsstörungen bedingen wiederum

erhöhte Lehreraktivität, so dass der Unterricht von Lehrerhektik und Schülerträgheit gekennzeichnet ist.

Abhilfe kann eine Arbeitsform leisten, die die einseitige mentale Belastung der Schüler mildert. Entsprechend

der Leistungsfähigkeit des Menschen soll der Unterricht Schüler emotional, mental und physisch zeitlich

wechselnd belasten.

Eine streng geführte Klasse läßt dem einzelnen wenig Handlungs- und Entscheidungsfreiraum, so dass die

Schüler folgerichtig auch die Verantwortung für den Unterricht und den Lernerfolg subjektiv eher als Leistung

des Lehrers empfinden. Schüler sollten eine Chance erhalten, selbst Verantwortung für ihr Lernen zu

übernehmen.

Im modernen Leben und besonders in der Berufs- und Wirtschaftswelt etabliert sich Anspruchs- und

Konsumdenken, Bedürfnisse können zunehmend durch Technik und Wohlstand bequem passiv befriedigt

werden (z.B. Video, Computer), so dass Eigeninitiative und Selbstverantwortlichkeit oberflächlich betrachtet

nicht mehr lohnend erscheinen. Eine weitere Ursache der Passivität mancher Jugendlicher liegt in der

komplexen, oft unüberschaubaren Umwelt, die Erfolg versprechendes Handeln erschwert. Da werden z.B.

unverstandene Computer gestreichelt oder getreten, um gewünschte Ausgaben zu erhalten, leider meist ohne

Erfolg. Demzufolge müssen in der Schule Handlungsräume mit angemessenen Aufgaben geschaffen werden,

wo Schüler ihre Fähigkeiten erproben und vervollkommnen können.

Handelndes und problemlösendes Lernen sind besonders effektiv, die Lerninhalte werden leichter behalten.

„Denken geht aus dem Tun hervor und wirkt als Handlungsregulation auf dieses zurück.“33

Aebli beschreibt in „Denken: Das Ordnen des Tuns“34 die Verknüpfung von Denken und Handeln, wie aus dem

konkreten Handeln abstrakte Begriffe ableitet werden, sich kognitive (Denk-)Strukturen bilden und daraus

wieder Handlungsschemata entstehen. Piagets operative Didaktik deklariert Erkenntnis als individuelle operative

Konstruktion, d. h. Handeln liefert die Anschauungen, aus der sich der Mensch sich ein strukturiertes Bild der

Welt „konstruiert“. Lernen beruht danach auf kognitiven Strukturen und wird durch kognitive Konzepte des

Individuums repräsentiert. Der Lernprozess wird als permanente Anpassungsleistung interpretiert, bei der

erworbene Konzepte an veränderte Gegebenheiten angepasst werden, damit ein dynamisches Gleichgewicht

entsteht.

Merkmale

Ganzheitlicher Aspekt Der Schüler soll als Ganzes, mit seinen Gefühlen, seinen Händen und mit seinem Kopf dabei sein. Die

Lerninhalte umfassen als Ganzes die Problemstellung, nicht spezifische, fachsystematisierte Inhalte.

Schüleraktivität Die Schüler sollen möglichst viel selbst tun und damit auch Handeln lernen. Die Selbsttätigkeit nimmt mit dem

Lernerfolg zu, die Lehreraktivität nimmt entsprechend ab.

31 nach Werner Jank, Meyer, Hilbert: Didaktische Modelle. Cornelson Scriptor, Berlin 1994, S. 337 ff 32 Jank, Hilbert, 1994, S. 354 33 vgl. Gudjons, H.: Handlungsorientiert lehren und lernen. Bad Heibrunn 1997 34 vgl. Aebli, H.: Denken: Das Ordnen des Tuns, Band I: Kognitive Aspekte der Handlungstheorie. Stuttgart 1980. Band II: Denkprozesse, Stuttgart 1981

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Handlungsprodukte „Handlungsprodukte sind die veröffentlichungsfähigen materiellen und geistigen Ergebnisse der

Unterrichtsarbeit“35, z.B. ein Rollenspiel, Spickzettel, Leserbrief, Experiment, Schülerbuch, Elternabend oder

Klassenausflug.

Subjektive Schülerinteressen Die Handlungen sollen möglichst von subjektiven Interessen der Schüler ausgehen. Schüler lernen zunächst ihre

inhaltlichen, personalen und sozialen Interessen zu erkennen, zu artikulieren und öffentlich zu behaupten.

Schüler gestalten den Unterricht Die Schüler sind von Anfang an an der Planung, Durchführung und Auswertung des Unterrichts beteiligt. Der

Lehrer wechselt allmählich von seiner dominierenden, führenden Rolle mit wachsenden Lernfortschritten in eine

beratende Rolle.

Öffnung der Schule Innerhalb der Schule werden individuelle Lernwege, fächerübergreifende Bezüge und Zusammenarbeit mit

anderen Lehrkräften gepflegt. Kontakte nach außen (Betriebe, Institutionen, Arbeitsämter usw.) erweitern den

Handlungsraum.

Verbindung von Hand- und Kopfarbeit

Gestaltung von Unterrichtseinheiten Wenn die Frage „Was soll unterrichtet werden?“ beantwortet ist, folgen Überlegungen der Lernorganisation. In

diesem Abschnitt werden z.B. die Schritte oder Phasen einer Unterrichtseinheit entworfen, Methoden oder

Unterrichtsverfahren gewählt und Lernzielkontrollen vorgesehen. Allgemein sollen mit der methodischen

Planung die gewählten Feinlernziele möglichst sicher erreicht werden. Abhängig vom Inhalt, den Methoden und

dem Können des Lehrers und der Schüler wird der Unterricht mehr oder weniger detailliert festgelegt. Bei den

vielfältigen hier anfallenden Entscheidungen helfen wissenschaftliche Erkenntnisse aus

- der Lernpsychologie über Wahrnehmung, Gedächtnis, Behalten und Lernen,

- der Entwicklungspsychologie über Grundlagen und Phasen der typischen Entwicklung und die typische

Entwicklung einzelner Personenmerkmale,

- der pädagogischen Soziologie über Sozialkontakte, Sozialbeziehungen und Sozialgebilde

und Informationen über Kenntnisse und Fähigkeiten der Schüler und des Lehrenden, der Lernumgebung und

verfügbare Lehr- und Lernmittel. In Arbeitslehre sind darüber hinaus Kooperationsmöglichkeiten innerhalb und

außerhalb der Schule zu berücksichtigen.

Artikulation

Die Unterrichtsgliederung hat wesentlichen Einfluss auf den Lernerfolg. Deshalb haben schon sehr früh

Pädagogen Artikulationsschemata entwickelt, z.B.:

Rein: Vorbereitung - Darbietung - Verknüpfung - Zusammenfassung - Anwendung, Huxley: Observation - Generalproposition - Deduktion - Verifikation ,

Huber: Erschließung - Besinnung - Bewältigung ,

Roth, Corell, Klafki, Tausch u. v. m..36

Eine problemorientierte Unterrichtseinheit kann wie folgt logisch aufbauend gegliedert werden:

Hinführung (Motivation, Anknüpfung an Bekanntem, Überblick)

Zielangabe (Ausgangsproblem, Themenstellung)

1. Teilziel (Problemlösungsschritt 1)

Teilzielkontrolle

2. Teilziel (Problemlösungsschritt 2)

Teilzielkontrolle

...

Verknüpfung der Teillösungen zur Gesamtlösung (Zusammenfassung, Vertiefung)

Gesamterfolgskontrolle

Anwendung und Transfer der Ergebnisse

Schluss (Ausblick, Resümee)

35 Jank, Hilbert, 1994, S. 356 36 vgl. Göttler, J.: System der Pädagogik. Kösel Verlag, München 12. Aufl. 1964

Huber, F.: Allgemeine Unterrichtslehre. Verlag Julius Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 8. erw. Aufl.1963 Bach, H.: Die Unterrichtsvorbereitung. A.W. Zichfeldt, Hannover, 3. Aufl. 1962 Roth, H.: Pädagogische Psychologie des Lehrens und Lernens. 9. Aufl. , Schroedel, Hannover 19

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Methoden

Der charakteristische Unterschied zwischen den genannten Hauptformen besteht nicht in ihrem jeweiligen Maße

möglicher Schüleraktivität (denn diese läßt sich in allen Formen anregen), sondern vielmehr in dem

verschiedenen Maß an Selbständigkeit, welches dem Schüler gewährt wird.

Die Auswahlkriterien sind:

die gewählte Unterrichtsart,

die Erfordernisse der Lernziele,

die Berücksichtigung der einzelnen Phasen des Unterrichtes (Hinführung, Lernzielkontrolle..),

die Verfügbarkeit von Unterrichtsmitteln (ausreichend Arbeitsmaterial, Werkplätze) und

die Individuallage der Klasse (Leistungsfähigkeit, Gruppenarbeit geübt..).

Die Unterrichtsform muss auf die gewählte Unterrichtsart abgestimmt sein. So werden z.B. bei einem

differenzierenden oder individualisierenden Vorgehen im Allgemeinen die Formen des Führens oder Anleitens

angebracht sein37. Im Lehrplan sind vielerorts bereits Hinweise auf geeignete oder vorgeschriebene Verfahren

zu finden.

Darbietender Unterricht

Der Lehrer steht im Vordergrund, die Schüler empfangen, beobachten, hören zu, z.B. Vortrag, Vorführung,

Demonstration, Film- oder Tonaufnahmen... Die Darbietung muss Lernprozesse organisieren.

Vortragen Ein höchstens fünf Minuten langer Vortrag soll zunächst motivieren, also eine Lernlücke eröffnen, und ein

Ausgangsproblem aufwerfen. Durch knappe, klare Sätze werden die Schüler über die Sachlage informiert und

anschließend die Informationen im Sinne der Lerninhalte interpretiert, erklärt oder nachvollzogen (Operieren).

Schließlich folgen am Ende Kontrollfragen oder Beispiele, mit denen der Hörer sein Verständnis prüfen kann.

Der Vortrag soll mit vorbildlicher, prägnanter und modulierter Sprache, unterstützt durch die Gliederung, Gestik

und Mimik, Charisma und etwas Esoterik, die Aufmerksamkeit fesseln und Lernaktivitäten anstoßen.

Nicht immer und jedem gelingt dies, was ein alter Schülervers bezeugt: „Wenn alle schlafen, einer spricht, so

nennt man dieses Unterricht.“

Vorzeigen Beim Vorzeigen (Folien, Lehrbuch) wird der optische Informationskanal genutzt. Wahrnehmung und

Vorstellung liegen nahe beieinander. Die Aufmerksamkeit wird durch Zeigen, durch Vorgaben (z.B. von außen

nach innen betrachten) oder durch Aufgaben (z.B. worin unterscheiden sich die beiden Bilder?) gelenkt.

Vorführen Beim Vorführen werden Abläufe optisch veranschaulicht. Die Schüler können die Informationsflut nur durch

Beobachtungsaufträge bewältigen. Eine Filmvorführung ohne Beobachtungsauftrag ist meist für den Unterricht

wertlos.

Vormachen Die uralte erfolgreiche Lernfolge Vormachen-Nachmachen-Üben sollte zu folgender Organisationskette

erweitert werden: Aufgabenstellung - Gliederung in Einzelschritte - Vormachen - Nachmachen - Prüfen und

Werten des Ergebnisses. Der Lehrer muss beim Vormachen die Handlungen sicher beherrschen.

Entwickelnder Unterricht

Der Lehrer steuert laufend die geplante Schüleraktivität, z.B. Unterrichtsgespräch, impulsgesteuerter Unterricht,

Diskussion, Wettbewerb, Spiel, Hausaufgaben..

Frage Die Lehrfrage zeigt zunächst eine Lernlücke auf, die den Schwierigkeitsgrad kennzeichnet. Sie enthält

Informationen als Grundlage der Antwort und eine Richtung, in der die Antwort erwartet wird. Am geeignetsten

erscheinen schlussfolgernde Fragen, wie „Was folgt daraus? u. ä. .

Impuls Lernimpulse liefern lediglich Lernanstöße. Sie enthalten im Vergleich mit der Frage nur Informationen und

Richtung. Die geringere Organisationsdichte führt zu selbständigeren Denken und Handeln der Schüler aber

auch zu größeren Streuungen.

Gespräch / Diskussion Zunächst wird eine Gesprächsspannung durch eine Informationsfrage (Informationsgespräch) oder eine

überspitzte Behauptung (Streitgespräch)erzeugt. Anschließend berichten oder argumentieren die Schüler

während des Gesprächsverlaufs. Schließlich fasst der Lehrer, bzw. der Diskussionsleiter das Ergebnis

zusammen (Gesprächsertrag).

37s. Bach 1963

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Aufgebender Unterricht

Nachdem der Lehrer die Aufgaben gestellt hat, hält er sich im Hintergrund, er hilft gelegentlich und überwacht

die selbständigen Schüleraktivitäten (Leittexte, Projekt, Freiarbeit...)

Arbeitsauftrag Der Arbeitsauftrag meint eine kleine, eng begrenzte, deutlich erteilte, sicher absehbare Lernarbeit [Reinhardt,

1994, S. 89]38. Er besteht aus der Zielangabe (Notiert alle körperlichen Anforderungen...), einer

Arbeitsgrundlage (z.B. Blätter zur Berufskunde), der Arbeitsanweisung (z.B. der Reihe nach..), einer

Arbeitshilfe (z.B. am besten mit Einmerkzetteln..) und Angaben zur Leistungskontrolle (z.B. möglichst viele

unterschiedliche Anforderungen..).

Projektorientierter Unterricht Der projektorientierte Unterricht ähnelt dem Projekt, enthält aber nicht alle Merkmale von Projekten. (s.

Projekt/Vorhaben)

Unterrichtsverfahren In Arbeitslehre werden häufig folgende Unterrichtsverfahren eingesetzt:

Betriebserkundung / Betriebspraktikum

Bei der Erkundung verlassen die Lernenden den Lernort Unterrichtssaal, um sich vor Ort nach eigener

Anschauung und im unmittelbaren Kontakt mit Menschen und Gegenstand über Sachverhalte zu informieren, die

in der Regel außerhalb ihres Lebens- und Erfahrungsbereiches liegen.

Brainstorming

„Latent im Gedächtnis enthaltene Vorstellungen zu einem Problem sollen durch aktuelle Stimuli aus dem

Gedächtnis aktiviert und mit dem Stimulus verknüpft (assoziiert) werden. Durch die (auch unkonventionelle)

Verbindung von Vorstellungen und Stimuli erhofft man sich neuartige Lösungswege für spezifische Probleme."39

"Der Einzelne erlebt seine eigene Ideenkapazität, die sonst kaum aktualisiert wird."40

Experteninterview

Das Experteninterview ist eine ermittelnde Befragung, bei der sich die Befragungsperson durch einschlägiges

Wissen auszeichnet und Zielobjekt der Informationsbeschaffung ist.

Pro- und Contra- Debatte

In einer Pro- und Contra- Debatte tauschen zwei Gruppen ihre Argumente für und gegen einen problematischen

Sachverhalt oder eine umstrittene Meinung nach festgelegten Spielregeln aus. Eine dritte Gruppe, die Jury,

bewertet den Verlauf der Debatte und vergleicht die entgegengesetzte Standpunkte vertretenden Gruppen.

Fallmethode

Die Fallstudie ist eine methodische Entscheidungsübung aufgrund selbständiger Gruppendiskussionen am realen

Beispiel einer konkreten Situation. Die Schüler suchen für einen problembehafteten, realen Fall in Gruppenarbeit

Lösungsmöglichkeiten und vergleichen ihre Ergebnisse mit den tatsächlichen Entscheidungen.

Simulationsspiel

Simulationsspiele repräsentieren komplexe und/oder schwer zugängliche Zusammenhänge und Prozesse in

inhaltlich reduzierter und zeitlich meist geraffter Form in einem Modell, das eine aktive Auseinandersetzung der

Schüler mit dem jeweiligen Lerngegenstand ermöglicht.

Rollenspiel

Das Rollenspiel ist ein Verfahren, das in simulierter Form Situationen aus dem Alltäglichen oder Fiktiven

darstellt, die entweder aus dem Erfahrungsbereich der Beteiligten stammen oder für sie erfahrungsvorbereitend

sind, somit die Interaktionsfähigkeit der Beteiligten anspricht bzw. fördern soll. (Varianten: Theaterspiel,

Psychodrama, Planspiel, Stegreifspiele, Rollengespräche)

Projekt - Vorhaben

Die Projektmethode sieht die weitgehend freie Wahl des Projektes durch die Schüler vor; eigene Planung und

eigene Durchführung; der Lehrer soll möglichst in den Hintergrund treten.

u.v.m (Zukunftswerkstatt, Schüler-Firma, Leittexte …)

38 Reinhardt: Grundlagen des Lernens. Winklers, Darmstadt 1994, S.89 39Modick, H.: Brainstorming. In a+l Nr. 10-10a/2.Jahrg./Juli,August 1980, S. 14 40Sader, M. u.a. : Kleine Fibel zum Hochschulunterricht. Beck, München 1970, S. 167

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Tabelle 12: Methoden im LehrplanPlus

Jahrgangsstufe Lernbereich Methode/ Unterrichtsverfahren 5 1 Projekt Projektspezifische Arbeitsweisen (Planen, Durchführen,

Dokumentieren, Präsentieren, Reflektieren)

2 Arbeit Arbeitsplatzerkundung

3 Berufsorientierung

4 Wirtschaft

5 Recht Fallbeispiele (Fallstudie)

6 Technik Objektbetrachtung

6 1 Projekt Projektspezifische Arbeitsweisen (Planen, Durchführen,

Dokumentieren, Präsentieren, Reflektieren)

2 Arbeit Arbeitsplatzerkundung

3 Berufsorientierung Selbst- und Fremdeinschätzung

4 Wirtschaft

5 Recht Fallbeispiele (Fallstudie)

6 Technik Technikerkundung, Expertengespräche

7 1 Projekt Projektspezifische Arbeitsweisen Projekt

Leittexte

2 Arbeit Zugangserkundung

M: Leittextmethode

3 Berufsorientierung Berufswahlportfolio

Selbst- und Fremdeinschätzung

4 Wirtschaft (Pausenverkauf)

Markterkundung

M: Leittext

5 Recht

6 Technik Technikerkundung

8 1 Projekt Projektspezifische Arbeitsweisen

Projekt

Leittextmethode

2 Berufsorientierung Mind. 2 einwöchige Betriebspraktika (M: einwöchig)

Berufswahlportfolio

Vorstellungsgespräch (Rollenspiel)

3 Wirtschaft Betriebserkundungen

Projekt (Handel mit Gütern oder Dienstleistungen)

4 Recht

5 Technik Betriebserkundung

Betriebspraktikum

9 1 Projekt Projektspezifische Arbeitsweisen

Projekt

Leittextmethode

2 Arbeit

3 Berufsorientierung Berufswahlportfolio

M: einwöchiges Betriebspraktikum

4 Wirtschaft Betriebserkundung (Gruppenerkundung)

5 Recht Fallbeispiele (Fallstudie)

6 Technik Projekt (Wohnen oder Testen von Waren oder Dienstleistungen)

M 10 1 Projekt M: Projekt, Leittextmethode, Planspiel, Schülerfirma

2 Berufsorientierung M: Berufswahlportfolio

M: Vorstellungsgespräch (Rollenspiel)

3 Wirtschaft (Börsenspiel)

4 Recht

5 Technik

Lernzielkontrollen

Allgemein gilt, dass Lernerfolgskontrollen als Erfolgssicherung der vermittelten Inhalte des Unterrichts dienen.

Durch diese Rückmeldung lässt sich der Unterricht optimieren. Eine weitere Verwendung finden sie bei den

Schülerbeurteilungen. Dabei unterscheidet man zwischen Art und Form von Lernerfolgskontrollen.

Sowohl Schüler, Eltern und Betriebe haben Anspruch auf Rückmeldungen von Seiten des Lehrers, wobei diese

Information bei den Schülern lernmotivierend wirken soll.

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Unterrichtsverfahren Die sach- und schülerorientierten Ziele des Unterrichtsfaches Arbeitslehre verlangen fachspezifische

Unterrichtsverfahren. Im Fachprofil werden Betriebserkundungen, Betriebspraktika, Simulationsmethoden, wie

Fallstudien, Rollen- und Planspiele, sowie Projektarbeit hervorgehoben. Die wichtigsten Verfahren werden im

Folgenden skizziert.

Die Betriebserkundung

Definition und Abgrenzung

Nach Klafki bedeutet Erkunden „...unter bestimmten Fragestellungen in methodisch durchdachter Form in

einem bestimmten Wirklichkeitsbereich Informationen einholen, um anschließend mit Hilfe der so gewonnenen

Informationen jene Ausgangsfragen beantworten und die Teilantworten zu einem (kleineren oder größeren)

Erkenntniszusammenhang weiterentwickeln zu können.“ [Klafki, 197941] Klebel konkretisiert für die Schule:

„Unter Erkundung verstehen wir didaktisch die bildende Begegnung der Schüler mit der Berufs- und

Arbeitswelt. Bildende Begegnung ist im Sinne H. Roth’s eine ‘originale Begegnung’“. [Klebel, 1972, S. 14]42

Verfahren zum Kennenlernen betrieblicher Realität

„Die Betriebsbesichtigung hat die Vermittlung eines Gesamteindruckes zum Ziel. In die Besichtigung ist der

Betrieb als Ganzes oder zumindest mit den Abteilungen einbezogen, auf deren Vorstellung der Betrieb selbst

Wert legt. Dem einzelnen Besucher bleibt es aufgrund seiner eigenen Wahrnehmungsstruktur überlassen,

welchen Gegenständen oder Vorgängen er im Einzelnen seine Aufmerksamkeit zuwenden will.

Der Betriebsdurchgang kann als erste Stufe einer Didaktisierung des Realkontaktes durch den Betrieb

bezeichnet werden. Wie bei der Betriebsbesichtigung wird auch hier der Gesamtbetrieb als konturierte Gestalt

vorgestellt. In den Einzelbereichen erfolgt jedoch eine gezielte Auswahl von Gegenständen oder Vorgängen, die

zumeist die spezifische Leistung oder den spezifischen Leistungserstellungsprozess - im Unterschied etwa zu

anderen Betrieben - darstellen.

Die Betriebserkundung als Aspekterkundung zielt ab auf die Kenntnisnahme eines bestimmten ausgewählten

Gegenstandes, Vorganges oder Teilprozesses an einer konkret angegebenen Stelle im Betrieb.

Die Betriebserkundung als Gesamterkundung erlaubt die Verbindung der in Aspekterkundungen näher

analysierten und fixierten Einzelelemente zum Betriebsganzen. Hier erfolgt ein Durchgang durch den Betrieb.

Die Betriebsbegehung beabsichtigt die vergleichende Kenntnisnahme bestimmter Betriebselemente unter

übergeordnetem Gesichtspunkt. Bei der Begehung erfolgt eine kritische Bestandsaufnahme vergleichbarer

Gegenstände, Vorgänge oder Teilprozesse.

Das Betriebspraktikum ist gerichtet auf die Auseinandersetzung des Praktikanten mit einer praktischen

Aufgabenstellung innerhalb eines durch Berufs- und Arbeitsteilung bestimmten, unter technisch-ökonomischen

und sozial-gesellschaftlichen Bedingungen erfolgenden Leistungserstellungsprozesses. Der Praktikant wird über

einen längeren Zeitraum selbst tätig.

Das Betriebspraktikum als Orientierungspraktikum ist gerichtet auf die Auseinandersetzung des

Praktikanten mit mehreren praktischen Aufgabenstellungen an einem Arbeitsplatz oder an mehreren

Arbeitsplätzen und/oder in mehreren Betrieben oder Wirtschaftsbereichen.

Das Betriebspraktikum als Erprobungspraktikum ist gerichtet auf die Auseinandersetzung des Praktikanten

mit praktischen Aufgabenstellungen, die dem Arbeitsfeld eines bestimmten Berufes entnommen sind, den der

Praktikant für sich selbst als möglichen oder gewünschten Eingangsberuf benannt hat.

Das Betriebspraktikum als Kontrastpraktikum ist gerichtet auf die Auseinandersetzung des Praktikanten mit

Aufgabenstellungen aus Berufsfeldern und betrieblichen Arbeitstätigkeiten, die mit dem gewünschten oder

ausgeübten Beruf oder der gewünschten oder ausgeübten Arbeitstätigkeit kontrastieren“43.

41Klafki, W.: Unterrichtsbeispiele der Hinführung zur Wirtschafts- und Arbeitswelt. August Bagel

Verlag, Düsseldorf 1970 42Klebel, H., Horner, A.: Die Betriebserkundung im Unterricht der Hauptschule. Auer Verlag, 1972 43 Platte, H.K.: Lernen vor Ort, Grundlagenband, Bonn-Bad Godesberg, 1986, S. 11

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Zielsetzung

Hofer definiert die Ziele allgemein wie folgt:

„Die Erkundung in der Arbeitslehre zielt auf systematisches Einholen von Informationen über klar abgegrenzte

Sachverhalte oder Bereiche in Betrieben sowie anderen Einrichtungen der Wirtschaft und auf die gründliche

Analyse dieser Informationen in einem organisierten Lernprozeß ab."44

Klebel nennt die gedankliche Durchdringung der erlebten Realität das zentrale Ziel der Betriebserkundung.

Daneben spezifiziert er folgende Ziele:

- Einsichten, Kenntnisse und Fertigkeiten im technischen, wirtschaftlichen und gesellschaftspolitischen

Bereich ermöglichen;

- neue Impulse zur Mitarbeit im schulischen Unterricht geben;

- Hilfen für die Wahl eines Einstiegsberufs aufzeigen, d.h. auf die Berufswahl vorbereiten.45

Die Betriebserkundung verschafft dem Schüler einen praxisnahen Einblick in die komplexen Strukturen der

Arbeits- und Wirtschaftswelt. Erst auf diese praktische, außerschulische Weise wird Schülern die Arbeits- und

Berufswelt durchschaubarer, nachvollziehbarer und letztlich einsehbarer, auch wenn es sich bei

Betriebserkundungen nur um ausschnitthafte, dafür aber realitätsnahe Wahrnehmungen (Eindrücke) handelt.

Lehrplan

Fachprofil:

.. Dabei werden die Schülerinnen und Schüler besonders in grundlegenden und fachspezifischen Methoden bzw.

Arbeitstechniken wie Beobachten, Befragen, Interviewen, Beschreiben, Auswerten und Erkunden geschult.

Somit legt das Fach Wirtschaft und Beruf die Basis für ein Methodencurriculum an der Mittelschule. Der Blick

auf den eigenen Lebensbereich der Schülerinnen und Schüler wird geschärft und inhaltlich kontinuierlich

weitergeführt

.. Von der Begriffsbildung „Arbeit“ in der Jahrgangsstufe 5 ausgehend werden relevante Arbeitsplatzmerkmale

reflektiert, an Arbeitsorten in der Schule, zu Hause sowie im Betrieb erkundet und mit den persönlichen

beruflichen Perspektiven verglichen, sodass am Ende der Schulzeit eine fundierte Berufswahl möglich ist. In

Jahrgangsstufe 8 der Regelklassen sowie in Jahrgangsstufe 9 der Mittlere-Reife-Klassen wird der Schwerpunkt

berufliche Orientierung mit den Makromethoden Betriebserkundung, Betriebspraktikum und Projekt gesetzt.

Zusammenarbeit mit externen Partnern findet in vielfältiger Weise statt.

Anwendungen

Folgende Erkundungen sind im Lehrplan verankert:

WiB 5 LB Arbeit - Arbeitsplatzerkundung in der Schule

WiB 6 LB Arbeit - Arbeitsplatzerkundung im privaten Haushalt

WiB 6 LB Technik - Technikerkundung

WiB 7 LB Arbeit - Zugangserkundung eines betrieblichen Arbeitsplatzes

WiB 7 LB Wirtschaft - Markterkundung

WiB 8 LB Wirtschaft und Technik - Betriebserkundungen

WiB 9 LB Wirtschaft - Betriebserkundung im Betrieb (Gruppenerkundung)

Didaktische Aufbereitung

Erkundungen erfordern vom Lehrer eine umfangreiche unterrichtliche Vorbereitung, eine geplante Durchführung

und Nachbereitung (dagegen ist eine Betriebsbesichtigung eine eher zufällige Einzelmaßnahme). Die curriculare

Anordnung lässt dem Lehrer Freiraum, um regionale und schülergerechte Schwerpunkte zu treffen.

Didaktische Grundsätze Folgende Grundsätze sollen beachtet werden:

Intensive Vor- und Nachbereitung

Aufgrund detaillierter theoretischer Vorinformationen durch den Lehrer sollten die Schüler

Erkundungsstrategien entwickeln, um gezielte Realerfahrungen zu erreichen. Die Erfolgssicherung und

Auswertung nach der Erkundung liefert Strukturen und Wertungen des Erlebten.

44 Hoffer, J.: Erkundung/Betriebserkundung. In: Kolb, G., (Hrsg.): Methode der Arbeits-, Wirtschafts-

und Gesellschaftslehre. Praktische Beispiele für Unterrichtsverfahren. Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn, 1987, S. 64

45Klebel, 1972, a. a. O.

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Selbsttätigkeit

Die Schüler sollen z.B. an der Feinzielformulierung beteiligt sein und mit dem Erkundungskatalog selbständig

und situationsgerecht umgehen können. Instrumentale Fähigkeiten, wie Fotografieren, Interviewen und

Protokollieren müssen vorher geübt werden.

Aspekterkundung

Der Lehrplan erfordert eine aspektorientierte Erkundung, um die Schüler nicht zu überfordern und um die

Effektivität zu erhöhen.

Kooperation

Schulintern

Zusammenarbeit in der Schule durch fächerübergreifende Vorbereitung, besonders mit den arbeitspraktischen

Fächern.

Grundsatz des Exemplarischen

Am Beispiel eines konkreten Betriebes werden gesamtwirtschaftliche Zusammenhänge erhellt. Die Schüler

sollen das wirtschaftliche Prinzip erkennen. „Durch die Veranschaulichung am konkreten Beispiel ist vom

entwicklungspsychologischen Ansatz her berücksichtigt, dass der Hauptschüler seine Aufgaben vorwiegend nach

situations- und zweckgebundenen Denkkategorien angehen lernt, bevor mit Hilfe abstrakter Denkleistungen

übergreifende Zusammenhänge erfasst werden können.“ [Klebel, 1972, S. 19]

Einordnung in den Kontext des Arbeitslehreunterrichts

Mit Erkundungen können Fragen und Probleme der Projektarbeit geklärt werden.

Didaktische Transformation

„Der Sachverhalt soll im Sinne der didaktischen Transformation einen gezielten Ausschnitt der Realität

wiedergeben, ohne diesen zu verfälschen.“ [Klebel, 1972, S. 22ff].

Didaktisches Strukturmodell der Betriebserkundung

Das Strukturmodell liefert eine Anleitung zur Gestaltung einer Betriebserkundung. [Klebel, 1972, S. 30ff]

Folgende Phasen werden unterschieden:

Phase der Lernzielplanung Die Richtziele aus dem Lehrplan entnehmen und Grobziele entsprechend den zu erkundenden

Wirtschaftsbereichen formulieren. Die Feinziele sollen mit detailliertem Wissen über die spezifizierten Betriebe

erstellt werden.

Phase der Orientierung Durch frühzeitige Kontaktaufnahme mit dem Betrieb können die Feinziele auf die betrieblichen Gegebenheiten

abgestimmt werden. Repräsentative Einzelbereiche werden abgesprochen und Vorinformationen gesammelt.

Fragen zum zeitlichen Ablauf und Verhaltensregeln können geklärt werden.

Vorbereitungsphase Der Lehrer achtet auf die sachrichtige Vereinfachung der Informationsfülle, z. B. dass wesentliche Inhalte eines

Berufsbildes oder des Produktionsprozesses dargestellt werden. Unterstützend können Medien oder Pläne des

Betriebes (Produktionsstätten, Materialflussplan, Schema der Organisationsstruktur, Unterlagen der Arbeitsämter

usw.) eingesetzt werden. Die Feinziele sind vom Einfachen zum Komplexen in sachlogischer Reihenfolge

anzuordnen. Der Lehrer muss das Hintergrundwissen seiner Schüler kennen. Die Vorbereitung der Schüler

richtet sich auf die Instruierung der Mitarbeiter, die mit den Zielen der Erkundung vertraut gemacht werden und

bereit sein sollen, den Schülern Informationen weiterzugeben.

Die Schüler werden in dieser Phase über den Betrieb unterrichtet, sie lernen die wichtigsten Räumlichkeiten,

Verfahren, Arbeitsabläufe usw. vorab kennen. Die Verlaufsplanung und der Erkundungsbogen, der kurze

sachliche Fragen enthält, die sich auf die Interessen der Schüler beziehen und unter verschiedenen Aspekten

aufgegliedert sind, werden erstellt und Interviews, Fotografieren und Protokollieren geübt.

Erkundungsphase Man unterscheidet verschiedene Formen der Erkundung:

Grundform I:

Betrieb wird von der ganzen Klasse besucht. Gefahr der Betriebsbesichtigung!

Grundform II:

Die Klasse erkundet gemeinsam, trennt sich aber in Gruppen, die verschiedene Erkundungsaufträge erhalten. Die

Aufträge sind nach Aspekten gegliedert.

Grundform III:

Zu Beginn und am Ende wird gemeinsam erkundet. Dazwischen wird die Klasse geteilt und erkundet

aspektorientiert.

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Grundform VI:

Ausschließliche Gruppenerkundung, z. B. Ergänzungserkundung. Die Gruppe arbeitet selbständig.

Verarbeitungsphase Die Ergebnisse werden z. B. an der Tafel zusammengefasst, grafisch veranschaulicht und im Heft festgehalten.

Es bietet sich an, eine Arbeitsmappe erstellen zu lassen. Eventuell aufgetretene Verständnisschwierigkeiten

müssen geklärt werden. Möglicherweise kann ein Fachmann aus dem Betrieb eingeladen werden.

Ergebnissicherung Die gewonnenen Ergebnisse sollen hinsichtlich weiterer Erkundungen ausgewertet werden (Manöverkritik). In

Arbeitsmappen kann das Ergebnis auch für Dritte (Schulausstellung) anschaulich aufbereitet werden. Die

Erkundungsbögen mit den beantworteten Fragen sollten unbedingt enthalten sein. Gut geeignet sind auch

Presseberichte in einer Schülerzeitung oder in der Lokalpresse.

Literatur zur Betriebserkundung

Gmelch, Andreas, R. Dörfler: Praxis 5 Arbeit-Wirtschaft-Technik, Hauptschule Bayern, Lehrerband

mit Kopiervorlagen. Westermann, Braunschweig 2004

Hofer, J.: Erkundung/Betriebserkundung. In: Kolb, G. (Hrsg.):Methoden der Arbeits-, Wirtschafts- u.

Gesellschaftslehre. Praktische Beispiele für Unterrichtsverfahren. Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn 1978,

S.64 ff..

Horner, A./Klebel, H.: Die Betriebserkundung im Unterricht der Hauptschule . Eine didaktische Grundle-

gung. Auer-Verlag, Donauwörth 1972.

Wilkening, F.: Unterrichtsverfahren im Lernbereich Arbeit und Technik. Otto Maier Verlag, Ravensburg

1980, S.180 ff..

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Das Betriebspraktikum

Definition Beim Betriebspraktikum verlassen die Lernenden den Lernort Unterrichtssaal, um sich vor Ort nach eigener

Anschauung und im unmittelbaren Kontakt mit Menschen und Gegenstand über Sachverhalte zu informieren, die

in der Regel außerhalb ihres Lebens- und Erfahrungsbereiches liegen.

Das Schülerpraktikum ist ein Unterrichtsverfahren, welches den Übergang von der Schule in das Berufsleben

erleichtern und optimieren soll. (vgl. Beck/ Ipfling/Kupser) 45

Es sollen erste Einsichten in grundlegende ökonomische, sozial- und berufskundliche Phänomene der Arbeits-

und Wirtschaftswelt vermittelt werden. (vgl. Kaiser 46)

„Der junge Mensch, der sich Bildende, verläßt zeitweilig den Schonraum der Schule und stellt sich der

Ernsterfahrung, dem Engagement, der Verantwortung, der Bewährung; er kehrt dann wieder in den umhegten

Raum der Schule zurück, deren Aufgabe in dieser Hinsicht… in der strengen Reflexion auf die Erfahrung, in der

Beantwortung der im Engagement erwachten Fragen und in der Transposition der hier zu gewinnenden

Einsichten auf andere und weitere Zusammenhänge und Verpflichtungen besteht“ (W.Klafki47)

Bedeutung

"Das Schülerbetriebspraktikum bietet die Möglichkeit, die Berufs- und Arbeitswelt unmittelbar kennenzulernen

und die Schüler mit ihrer sozialen Wirklichkeit vertraut zu machen.

Diese Erfahrungen - im Sinne einer kritischen Auseinandersetzung mit der Wirtschafts- und Arbeitswelt - sind

auch hilfreich für die Berufswahl. Sie können dazu beitragen, daß Schülerinnen und Schüler ihre Eignung für

bestimmte Tätigkeiten zutreffender einschätzen, so daß sie ihre bisherigen Berufsvorstellungen besser beurteilen

und gegebenenfalls Alternativen entwickeln. Praktika geben darüber hinaus oft positive Impulse für das

schulische Weiterlernen, z.B. für das Erreichen eines Abschlusses." [KM NRW]48

Vergleicht man in der Fachliteratur die Zielsetzungen für das Betriebspraktikum, so herrscht Übereinstimmung

bei den Autoren darüber, dass es als ein Unterrichtsverfahren unter mehreren in den gesamten

Arbeitslehreunterricht integriert sein muss, um dem hohen Stellenwert, der ihm als Mittel zur realen Begegnung

mit der Arbeitswelt zugeschrieben wird, gerecht zu werden [Beck, 1984, S.23; 15, S.37]49.

Einordnung im Lehrplan Praktika sind im LehrplanPlus verpflichtend vorgeschrieben für WiB R8 LB Berufsorientierung – mindestens

zwei einwöchige Betriebspraktika in einem Ausbildungsbetrieb sowie WiB M8 LB Berufsorientierung und WiB

M9 LB Berufsorientierung je ein einwöchiges Betriebspraktikum.

Lehrplan PLUS

R8: Die Schülerinnen und Schüler ...

• erproben in zwei jeweils mindestens einwöchigen Betriebspraktika unter Anleitung berufliche Tätigkeiten,

überprüfen dabei ihren persönlichen Berufswunsch und halten mit geeigneten Mitteln gemachte Erfahrungen

und Beobachtungen fest.

• dokumentieren und präsentieren ihre Beobachtungen und Tätigkeiten im Betriebspraktikum, das sie

inhaltlich und organisatorisch vor- und nachbereiten, und beziehen die gemachten Erfahrungen in ihren

persönlichen Berufswahlprozess ein.

Psychologische Grundlegung

Der kognitive Konflikt "Kognitive Schemata" müssen durch die Auseinandersetzung mit der Umwelt ständig eingesetzt, angepaßt oder

verändert werden. Die Veränderung von kognitiven Schemata nennt man "Lernen" [Gmelch, 198750, S.200ff].

46 Franz-Joseph Kaiser: Arbeitslehre: Materialien zu einer didaktischen Theorie der vorberuflichen Erziehung;

Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1971

47 W. Klafki aus seinem Aufsatz „Engagement und Reflexion im Bildungsprozeß“; 344; 363f.

48Schülerbetriebspraktikum in der Sekundarstufe 1, RdErl. des Kultusministers vom 26.5.1987 (GABl.

NW. S. 320) des Landes Nordrhein-Westfalen. 49Beck H./Ipfling/Kupser (Hrsg.), Das Betriebspraktikum für Schüler und Lehrer, Verlag Julius

Klinkhardt, Bad Heilbrunn 1984 50Andreas Gmelch, Erfahrungs- und handlungsorientiertes Lernen, Verlag Peter Lang GmbH, Frankfurt

1987

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Bei der Veränderung eines Schemas werden meist auch benachbarte Schemata betroffen, d.h. die Stimmigkeit

der kognitiven Struktur wird gestört.

Nach Piaget ist das leitende Prinzip für das Handeln einer Person, die Stimmigkeit der kognitiven Struktur

aufrechtzuerhalten, bzw. wieder herzustellen. Unstimmigkeit wird erlebt, wenn z.B. eine Umweltinformation der

Erwartung widerspricht. Es entsteht ein kognitiver Konflikt. Jedes Individuum wendet sich der Lösung eines

kognitiven Konfliktes mit unterschiedlicher Ausdauer und Intensität zu, je nach der Bedeutsamkeit, die es dem

betroffenen Schema beimisst.

Zudem sagt die Reaktanztheorie aus, dass ein Mensch stets bemüht ist, seine persönliche Entscheidungsfreiheit

wieder herzustellen, wenn er sie bedroht sieht. Das bedeutet, dass von außen kommende Überredungstaktiken

(z.B. durch den Lehrer) nicht soviel bewirken können, wie das Gefühl, selbst entscheiden zu können.

Für den Unterricht folgt daraus, dass den Schülern ermöglicht werden muss, sich selbst zu entscheiden -

möglichst gemäß dem Ziel des Lehrers.

Das "Tun einer Sache" Lernen im Sinne einer Differenzierung und Ausweitung der kognitiven Struktur ist nur dann effektiv, wenn

innerhalb eines Individuums eine bestimmte Stufenfolge durchlaufen wird:

1. "Tun einer Sache"

Darunter versteht Aebli nicht nur das manuelle Tätigsein, sondern ebenso die

Erfahrungsmöglichkeiten, die durch die Wahrnehmungsorgane gegeben sind [Aebli, 197651, S.103ff).

2. Erfahrung durch eine bildliche Darstellung oder die Verwendung des entsprechenden sprachlichen

Zeichens veranschaulichen [Gmelch, 1984, S.213].

3. Sprachliche Darstellungen der Stufe 2 wieder konkretisieren.

Die Konkretisierung der psychologischen Stufenfolge des Lernprozesses ist eine Vereinfachung, doch kann sie

Denkanstöße zur Aufbereitung der Lernziele des Betriebspraktikums geben [Heegen, 1984, S.12 ff]52.

Grundsätzliche Folgerungen für das Betriebspraktikum

Grundsatz der Freiwilligkeit

Eine entscheidende Bedingungsvariable für den Ablauf effektiver Lernprozesse ist das Maß an persönlicher

Freiheit, das ein Individuum bei der Durchführung einer Handlung empfindet (Heegen, 1984, S.14ff).

Freiwilligkeit ist eine entscheidende Komponente für den Aktivierungsgrad der Jugendlichen. Für den Schüler

ist dabei wichtig, daß man ihm Vertrauen zur eigenen Problemlösungsfähigkeit entgegenbringt: Schüler können

beispielsweise selbständig Praktikumsplätze besorgen, Arbeitszeiten oder Kleidungsvorschriften erkunden.

Grundsatz der Aktivierung durch originale Begegnung

Selbsttätigkeit besitzt den höchsten Aktivierungsgrad und kann damit einen optimalen Lernerfolg hervorrufen.

Der Fachmann im Betrieb, der die Handlungsabläufe beherrscht, meint manchmal, daß eine sprachliche

Erklärung das praktische Tun ersetzen kann. In diesem Fall fehlt jedoch, lernpsychologisch gesehen, die erste

und wichtigste Stufe: das Handeln. Deshalb sollte man als Praktikumslehrer versuchen, den Betreuern im Betrieb

die Bedeutung des Selbsttätigwerdens der Schüler als Bestandteil des Lernprozesses zu verdeutlichen: Dem Tun

muß ein möglichst breiter Raum zugewiesen werden. Verbale Detail- und Zusammenhangserläuterungen sollten

auf das Notwendigste beschränkt bleiben.

Grundsatz der Passung

Die Verschiedenheit regionaler wirtschaftlicher Strukturen und der einzelnen Schulklassen lassen eine optimale

Passung nicht zu. Um jedoch ein möglichst hohes Maß an Angemessenheit zu erreichen, sollten die Lehrer drei

wesentliche Aspekte der optimalen Passung berücksichtigen:

Bei der geistigen Passung sollte der Lehrer das Abstraktionsniveau und die Begabungsschwerpunkte der

einzelnen Schüler in allen Phasen des Betriebspraktikums im Auge behalten.

Bei der Berücksichtigung der körperlichen Passung denkt der Lehrer auch an Schüler, die in der Schule

motorisch unterfordert sind und deshalb oft durch abweichendes Verhalten auffallen.

Ein dritter Gesichtspunkt ist die emotionale und soziale Passung: In jeder Klasse gibt es ängstliche, aber auch

vorlaute Schüler. Hat der Lehrer Einblick in betriebliche Sozialstrukturen, so kann er auch hier einen wichtigen

Beitrag zum erfolgreichen Ablauf des Praktikums leisten, indem er die Persönlichkeitsstruktur der Schüler bei

der Verteilung der Praktikumsplätze berücksichtigt.

Ziele

Richtlinien für das Betriebspraktikum Erfahrungen vor Ort sollen die Hinführung zur Arbeits- und Wirtschaftswelt unterstützen und Hilfe bei der

Berufswahl leisten.

51Hans Aebli, Grundformen des Lehrens, Stuttgart 1976 52Heegen, Franz, Rogler, Rolf: Betriebspraktikum konkret. Auer Verlag Donauwörth 1984

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Bereits im Unterricht gewonnene Kenntnisse und Einsichten sollen überprüft, vertieft und ergänzt werden.

Eigenes Tätigwerden, Erleben und gezieltes Beobachten, sowie das Sammeln von Informationen sollen dem

Schüler Erfahrungen über das berufliche Leben vermitteln (z.B. praktisches Erfahren beruflicher

Grundtätigkeiten an einem konkreten Arbeitsplatz, Erfahren des Betriebes als Sozialgebilde).

Der Schüler soll am Arbeitsplatz exemplarisch die Anforderungen einzelner Berufe eines Berufsfeldes

kennenlernen (z.B. Erleben körperlicher, geistiger und charakterlicher Anforderungen im Rahmen eines

Berufes ).

Der Schüler soll seine Vorstellungen von einem Beruf und seine Eignung hinsichtlich der eigenen

Berufswahl an der Wirklichkeit überprüfen.

Aspektorientierung bei der Zielsetzung des Betriebspraktikums Die Komplexität der modernen Arbeits- und Berufswelt und der Betriebsstrukturen macht eine Akzentuierung

des Betriebspraktikums notwendig. In der Fachliteratur haben deshalb die Autoren, wie z.B. Kupser (1984),

Ipfling et al. (1984), Kolb (1983) und Gattermann (1974) die oben genannten Lernziele nach Aspekten geordnet.

Sie unterscheiden den sozialen, den funktionalen (technisch-ökonomischen) und den berufskundlichen

Aspekt.

Lernziele unter berufsorientierendem Aspekt

Die Schüler sollen selbständig praktische Erfahrungen an einem konkreten Arbeits- /Ausbildungsplatz

sammeln.

Der Schüler soll berufstypische Tätigkeiten erproben. Im Service soll er Bestellungen aufnehmen, den

Tisch richtig decken, Speisen und Getränke servieren etc.

Die Schüler sollen berufstypische Anforderungen erfahren. Der Schüler soll körperliche, geistige und

charakterliche Anforderungen dieses Berufes erleben: körperliche Robustheit, anstrengende

Arbeitshaltung, Arbeit im Freien, Sorgfalt bei der Arbeit.

Die Schüler sollen ihre berufliche Selbsteinschätzungsfähigkeit durch Vergleichen der eigenen Leistung

mit den beruflichen Tätigkeitsmerkmalen und Anforderungen von Berufen verbessern. Der Schüler soll

seine beruflichen Wünsche und Vorstellungen überprüfen: "Besitze ich genügend handwerkliches

Geschick, um diesen Beruf erlernen zu können?"

Die Schüler sollen (soweit möglich) die berufliche und betriebliche Ernstsituation erleben.

Die Schüler sollen sich über Aus- und Weiterbildungsmöglichkeiten einzelner Berufe informieren

(Köppl, 198653, S.40ff; 18, S.25ff; 17, S.27f). (Befragung des Betriebsrats, der Mitarbeiter etc.)

Lernziele unter dem sozialen Aspekt

Das Erfahren des Betriebes als Sozialgefüge steht im Zentrum der Lernziele unter sozialem Aspekt.

Die Schüler sollen hier zum Beispiel erkennen, daß in der heutigen Zeit Teamarbeit notwendig ist und daß es

verschiedene Formen der Zusammenarbeit gibt.

Weitere Lerninhalte nehmen beispielsweise auf Jugendarbeitsschutz, Arbeitsschutz, Arbeitsbelastungen,

Betriebsklima, die Mitbestimmung oder auch die Bewertung von Arbeitstugenden Bezug.

Lernziele unter funktionalem Aspekt

Unter diesem Aspekt werden Lerninhalte zusammengefasst, die sich mit der Organisation eines Betriebes und

seiner Stellung innerhalb der Gesamtwirtschaft auseinandersetzen.

Mögliche Lerninhalte sind die Beschreibung und Einordnung eines Betriebs in den betreffenden

Wirtschaftszweig, seine Organisationsstruktur, verschiedene Produktionsverfahren und Fertigungsverfahren,

Arbeitsplätze im Betrieb, Maschineneinsatz, sowie Sicherheitsbestimmungen.

Die Schüler sollen zum Beispiel einen ersten Einblick in einen Handwerksbetrieb erhalten, verschiedene

Fertigungsverfahren beobachten und wichtige Werkzeuge und Maschinen des Betriebs nennen bzw. beschreiben

können.

Organisationsformen

Man unterscheidet Stunden-, Tages- und Blockpraktikum (Gattermann, 197454, S.29). Eine Wiederholung des

Zeitraums, der die Einteilung bestimmt, ist durchaus üblich. So versteht man z.B. unter einem Tagespraktikum

auch ein Praktikum, bei dem die Schüler ein ganzes Schuljahr lang einen Tag in der Woche im Betrieb tätig sind.

Weitere Unterscheidungsmerkmale ergeben sich aus der inneren Gestaltung des Praktikums [Kolb, 198355,

S.117f]. Die Aufteilung der Schüler auf die Praktikumsplätze ist ein solches Kriterium. Es gibt folgende

Möglichkeiten:

Die ganze Klasse leistet ihr Praktikum im gleichen Betrieb ab;

Schülergruppen praktizieren in verschiedenen Betrieben;

53Köppl, Gerhard: Arbeitslehre, Roding 1986 54Gattermann, Heinz (Hrsg.): Betriebspraktikum. Hannover 1974 55Kolb, Gerhard: Arbeit, Wirtschaft, Technik. Ehrenwirth Verlag, München 1983

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je ein Schüler bekommt einen Praktikumsplatz in einem Betrieb;

Schülergruppen und einzelne Schüler werden auf verschiedene Betriebe verteilt.

Auch der Einsatzort im Betrieb ist ein Differenzierungsmerkmal:

Der Praktikant bleibt während des gesamten Praktikums an einem Arbeitsplatz im gleichen Betrieb;

der Praktikant lernt mehrere Arbeitsplätze im gleichen Betrieb kennen (innerbetrieblicher Wechsel);

der Praktikant wechselt den Betrieb und damit auch den Arbeitsplatz (zwischenbetrieblicher Wechsel);

der Praktikant wechselt den Arbeitsplatz und gleichzeitig auch das Berufsfeld.

In den Richtlinien für das Betriebspraktikum an Bayerischen Hauptschulen wird die Dauer des

Unterrichtsverfahrens auf eine, längstens auf zwei Wochen festgesetzt. Sinnvollerweise wird es als

Blockpraktikum durchgeführt. Die Aufteilung der Schüler auf die Betriebe ist freigestellt, so daß diese Frage je

nach den örtlichen Gegebenheiten entschieden werden kann [KM-Bekanntmachung 1987].

Didaktisches Strukturmodell des Schülerbetriebspraktikums

Die meisten Veröffentlichungen zum Betriebspraktikum geben drei Artikulationsstufen an: Vorbereitungs-,

Durchführungs- und Auswertungsphase [Kupser, 198456, S.307ff; Kolb, 1983, S.121ff; 20, S.152ff; Heegen,

1984, S.21ff; Köppl, 1986, S.48ff].

Der Studienkreis Schule - Wirtschaft Bayern unterteilt die Vorbereitungsphase noch in Lernziel-,

Orientierungsphase und unmittelbare Vorbereitungsphase [Studienkreis Schule - Wirtschaft, 1984, S.15] 57.

Aus dem didaktischen Strukturmodell können betriebs- und bereichsspezifische Modelle entwickelt werden, die

auf eine bestimmte Klassensituation abgestimmt sind [Studienkreis Schule - Wirtschaft, 1984, S.12ff].

Lernziel- und Orientierungsphase Bevor mit der Planung des Betriebspraktikums begonnen werden kann, müssen die Schwerpunkte und Lernziele

festgelegt werden.

Auswahl der Praktikumsbetriebe und erste Kontaktaufnahme

Betriebspraktika können, je nach regionalen Bedingungen, grundsätzlich in Betrieben aller Wirtschaftszweige

durchgeführt werden.

Hilfestellung leisten:

Industrie- und Handelskammer;

Handwerkskammer;

Landwirtschaftsämter;

Wirtschafts- und Arbeitgeberverbände der betreffenden Branchen,

Arbeitsamt und

Mitarbeit der Eltern.

Bereits vor der ersten Kontaktaufnahme mit möglichen Praktikumsbetrieben sollte ein ungefährer Bedarfsplan

für die Praktikantenplätze aufgestellt werden.

Das erste Gespräch kann telefonisch oder brieflich erfolgen. Ein telefonisches Nachfragen ist aber auf jeden Fall

sinnvoll. Karteikarten für die kontaktierten Betriebe verschaffen einen Überblick und können auch von mehreren

Kollegen benutzt und ergänzt werden.

Abklärung der Praktikumsziele und -inhalte mit den Betrieben

Der Betrieb soll nach der ersten Kontaktaufnahme in einem Vorgespräch mit einem verantwortlichen

Betriebsvertreter über die Ziele des Praktikums und die Vorstellungen der Schule informiert werden. Folgende

Bereiche sollten angesprochen werden:

Der Lehrer informiert über Ziele und Inhalte des Praktikums und erläutert seine Wünsche hinsichtlich Anzahl

der Praktikumsplätze, Zeitraum des Praktikums, Kennenlernen des Wunschberufs der Schüler;

der Betriebsvertreter erläutert seine Vorstellungen vom Praktikum, stellt die Möglichkeiten und Grenzen

seines Betriebs dar;

der Lehrer gibt Hinweise auf die geplante Vorbereitung und Aufarbeitung im Unterricht;

beide besprechen mögliche Tätigkeitsbereiche der Praktikanten;

der Lehrer erhält Informationen über den Betrieb (schriftlich und mündlich);

die Richtlinien für das Betriebspraktikum werden besprochen, da sie den verbindlichen Rahmen für das

Schülerbetriebspraktikum darstellen;

Fragen zum Versicherungsschutz der Schüler müssen geklärt werden. Die Schülerunfallversicherung gilt für

das Betriebspraktikum, eine Haftpflichtversicherung muß jedoch vor Praktikumsbeginn abgeschlossen

werden [KM-Bekanntmachung 1987];

56Kupser, Paul: Arbeitslehre zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Verlag Julius Klinkhardt, Bad

Heilbrunn 1984 57Studienkreis Schule - Wirtschaft: Das Betriebspraktikum für Hauptschüler. München 1984

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den Schülern wird kein Entgelt bezahlt und die Regelungen des Jugendarbeitsschutzgesetzes müssen beachtet

werden;

Betriebsvertreter weist auf betriebsspezifische Unfallverhütungsvorschriften hin.

Erarbeitung eines Praktikumsplans

Ist der Betrieb bereit, Praktikanten aufzunehmen, so gibt er eine schriftliche Einverständniserklärung ab.

Dann erarbeitet er auf der Grundlage der Vorgespräche mit dem Lehrer den Ablauf des Praktikums und die

Einsatzbereiche des Praktikanten. Außerdem soll ein betrieblicher Ansprechpartner benannt werden, der in

Kontakt mit der Schule bleibt und während des Praktikums für die Betreuung der Schüler zuständig ist

[Studienkreis Schule - Wirtschaft, 1984, S.20].

Vorbereitungsphase Der Vorbereitungsphase werden diejenigen organisatorischen und unterrichtlichen Maßnahmen zugeordnet, die

für die Durchführung des Betriebspraktikums notwendig sind.

Organisatorische Maßnahmen

.1 Kontakte zu den Eltern

Ein Einbeziehen der Eltern in das Vorhaben ist zu empfehlen: Sie können einerseits durch ihre Einflussnahme

auf die Schüler und andererseits durch ihre praktische Mitarbeit, z.B. bei der Beschaffung von fehlenden

Praktikumsplätzen, zum Gelingen des Unterrichtsvorhabens beitragen.

An einem Elternabend sollten zunächst die Ziele und Inhalte des geplanten Vorhabens durch den Lehrer erläutert

werden.

Zudem sollten die Eltern auch über die unterrichtliche Vorbereitung des Lehrers informiert werden. Der geplante

Zeitraum und Zeitpunkt des Praktikums wird bekannt gegeben.

Außerdem sollten Fragen zum Versicherungsschutz der Schüler sowie einer eventuell nötigen amtsärztlichen

Untersuchung geklärt werden.

Ein weiterer Punkt ist die Bitte um Mitarbeit der Eltern bei der Beschaffung von Praktikumsplätzen, falls noch

nicht alle Schüler einen Praktikumsplatz gefunden haben [Köppl, 1986, S.50f; 3, S.52].

.2 Auswahl der Praktikumsplätze

Bei der Auswahl der Praktikumsbetriebe ist zunächst die grundsätzliche Frage zu klären, ob die Schüler in ihrem

"Wunschberuf" praktizieren sollen. Im Großen und Ganzen wird diese Frage bejaht [Kolb, 1983, S.120f; , S.21;

21, S.18; ISB, 198458, S.23]. Berücksichtigt man den Berufswunsch der Schüler nicht, so besteht die Gefahr des

Motivationsverfalls [Platte, 198159, S.158]. Deshalb ist es üblich, zuerst im Berufswahlunterricht die

Berufswünsche der Schüler zu eruieren, die entsprechenden Berufsbilder zu besprechen und den jeweiligen

Berufsfeldern zuzuordnen.

Es spielen aber auch andere Aspekte bei der Auswahl von Praktikumsplätzen eine Rolle:

Mädchen sollten angeregt werden, auch in Frauen untypischen Berufen das Praktikum zu absolvieren;

Ziel des Praktikums ist es auch, Einblicke in Berufe verschiedener Berufsfelder zu bekommen. Gleichen sich

die Berufswünsche innerhalb einer Klasse zu sehr, so sollte dieser Gesichtspunkt berücksichtigt werden;

Betriebe, die keinen Einblick in den Fertigungsprozess oder den Arbeitsablauf ermöglichen, sind ungeeignet

[ISB, 1984, S.18ff];

die Schüler dürfen keinen besonderen Gefahren ausgesetzt werden;

die Lage der Betriebe sollte berücksichtigt werden: Die Fahrtkosten zum Betrieb werden in der Regel nicht

erstattet. Zudem ist die Betreuung der Schüler durch den Lehrer leichter durchzuführen, wenn keine weiten

Strecken zurückgelegt werden müssen [Platte, 1981, S.156].

Nach der Auswahl der Praktikumsbetriebe sollte den zuständigen Betreuern der Praktikumstermin und die

Anzahl der Praktikanten bekannt gegeben werden.

Im Anschluss daran wird für jeden Praktikumsplatz ein endgültiger Einsatzplan erarbeitet. Dieser wird,

zusammen mit der Zuweisung der Praktikanten, an die Betriebe verschickt [Heegen, 1984, S.50].

.3 Amtsärztliche Untersuchung

Kommt der Schüler während des Praktikums mit Lebensmitteln in Berührung, so muss nach §18 des

Bundesseuchengesetzes eine amtsärztliche Untersuchung durchgeführt werden.

Didaktisch-methodische Vorbereitung

58Staatsinstitut für Schulpädagogik und Bildungsforschung: Handreichungen zum Betriebspraktikum für Hauptschüler, München 1984

59Platte, Hans Kaspar: Betriebspraktika in schulischen Bildungsgängen. Koblenz 1981

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Praktikums - relevantes Vorwissen der Schüler

Im Unterricht sollte zunächst auf das individuelle Vorwissen der Schüler Bezug genommen werden. Auch der

Rückgriff auf Lernziele vorausgegangener Betriebserkundungen bietet sich an, z.B. Tätigkeitsmerkmale,

Anforderungen und Zukunftsaussichten eines Ausbildungsberufes, Zukunft des Dienstleistungsbereichs,

Fertigungsverfahren im Bereich der Industrie. Auch Berufserfahrungen der Eltern können zum Sammeln des

Vorwissens dienen.

Motivierung der Schüler für das Praktikum

Zuerst sollten den Schülern die Ziele des Betriebspraktikums verdeutlicht werden. Die unmittelbar

bevorstehende Berufswahl ist ein großer Motivationsfaktor, ebenso wie die Möglichkeit vor Ort verschiedene

berufliche Tätigkeiten kennen zu lernen und sogar selbst tätig zu werden.

Erarbeitung eines Fragen- und Beobachtungskatalogs

Die Erarbeitung eines Fragen- und Beobachtungskatalogs nimmt einen wichtigen Platz in der schulischen

Vorbereitung des Betriebspraktikums ein. Deshalb sollten die Schüler bei der Gestaltung des Fragebogens aktiv

beteiligt werden. Ein selbständiges Erstellen des Fragen- und Beobachtungskatalogs wird sie jedoch überfordern

[Köppl, 1986, S.86f].

Andere Autoren fordern selbständig gestaltete Fragekataloge, da die Schüler damit kompetenter und engagierter

umgehen würden [Reul, 198960, S.21ff). Vorgefertigte Fragebögen, wie sie im Handel erhältlich sind würden die

Schüler dazu verleiten, die Antworten gegenseitig abzuschreiben.

Die Schüler sollten sich bewusst werden, welche Fragen im Betriebspraktikum für sie wichtig sind. Eine

Ausformulierung und Strukturierung eines ganzen Fragenkatalogs wäre jedoch zu viel verlangt. Es empfiehlt

sich den Schülern ein vorgefertigtes Exemplare in die Hand zu geben, das gemeinsam den Bedürfnissen der

Klasse entsprechend modifiziert wird. (Bild Fragebogen)

Typische Inhalte des Fragen- und Beobachtungskatalogs sind:

typische Tätigkeiten, Arbeitszeiten, Arbeitsbelastung, Tagesablauf an einem Arbeitsplatz, Formen der

Zusammenarbeit, Maschineneinsatz, Einblick in wichtige Funktionen und Strukturen von Handwerks-, Industrie-

, Handels- und Dienstleistungsbetrieben sowie von Betrieben der Urproduktion.

Erarbeiten von Grundregeln des Verhaltens im Betrieb

Die Schüler sollen die Bereitschaft und Fähigkeit entwickeln, sich auf die neuartigen sozialen Situationen im

Betriebspraktikum einzustellen und geeignete Lösungsmöglichkeiten für ein angemessenes Verhalten finden.

So kann zum Beispiel im Rollenspiel geübt werden, wie sich der Schüler anderen Mitarbeitern vorstellt. Auch

die Belehrung über generelle Unfallverhütungsmaßnahmen oder über wichtige Bestimmungen des

Jugendarbeitsschutzgesetzes fallen in diesen Bereich.

Durchführungsphase

Aufgaben der Schüler

Die Schüler sollen die Bereitschaft und Fähigkeit haben, das Praktikum für sich erfolgreich zu gestalten: Sie

sollen durch Beobachten, Befragen und (Mit)arbeiten Erfahrungen in der realen Arbeits- und Berufswelt

sammeln. Anhand dieser Erfahrungen sollen sie Rückschlüsse auf Arbeitstugenden wie Pünktlichkeit, Sorgfalt

und Sauberkeit, auf körperliche, charakterliche und geistige Anforderungen sowie auf mögliche Gefahren am

Arbeitsplatz ziehen [Köppl, 1986, S.106ff].

Die Schüler haben die Aufgabe, mit Hilfe der vorbereiteten Erkundungsbögen gezielt Informationen einzuholen,

einen Arbeitsvorgang zu beschreiben und verschiedenes Anschauungsmaterial im Betrieb zu sammeln. Ein

weiterer wichtiger Punkt ist das Erleben von menschlicher Atmosphäre im Betrieb.

Außerdem sollen sie bereit sein, sich von dem betrieblichen Betreuer anleiten zu lassen. Die Teilnahme am

Betriebspraktikum ist verpflichtend: Ein Fernbleiben muss sowohl im Betrieb als auch in der Schule gemeldet

werden.

Aufgaben der Betreuer

Die Betreuer im Betrieb haben die Aufgabe, den Praktikanten anzuleiten und für die Einhaltung des

Praktikumsplans zu sorgen.

Einführung am ersten Praktikumstag mit Informationen über den Betrieb und über bestehende Vorschriften (z.B.

Unfallverhütung, das Tragen von Schutzkleidung oder die Regelung der Arbeitszeit und der Pausen). .

Probleme:

mangelndes Interesse

fehlender Ernst der Schüler

60Reuel,G., Schneidewind, K.: Die Praktikumskartei. In: Arbeiten + Lernen, Heft 2, Velber 1989, S.35ff

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Aufsicht über die Praktikanten ist eine große Belastung

Diese Problematik könnte durch eine engere Zusammenarbeit zwischen Betrieb und Schule, zumindest teilweise,

aus dem Weg geräumt werden. Keine Lösung ist es, die Schüler in die Lehrwerkstatt aufzuräumen. Am letzten

Praktikumstag findet ein Abschlussgespräch im Betrieb statt: Ausgehend von den Erfahrungen der Praktikanten

sollen betriebliche Zusammenhänge erläutert werden.

Aufgaben des Betreuungslehrers

Der Lehrer ist während des ganzen Praktikums von seinen sonstigen unterrichtlichen Verpflichtungen

freigestellt (KM, 1987). Er muss Schülern, Eltern und Betreuern ganztags zur Verfügung stehen und sich durch

regelmäßige Besuche in den Betrieben davon überzeugen, dass das Praktikum planmäßig verläuft [Kreuchauf,

197961, S.24].

Trotz einer gezielten, intensiven Vorarbeit stehen manche Schüler der neuartigen Situation im Betrieb unsicher

und hilflos gegenüber. Aber auch selbstsichere Schüler sind meist froh, wenn der Lehrer sie regelmäßig

besucht: Im Gespräch mit dem Lehrer können die Schüler Erfahrungen mitteilen, die sie alleine vielleicht nicht

bewältigen könnten.

Außerdem kann der Lehrer auf Beobachtungsaufträge aufmerksam machen, die sonst vielleicht vergessen

werden. Grunderfahrungen werden so festgehalten und der Zusammenhang zwischen Erkundungsbogen und

Tätigkeit wird einsichtig.

Der Lehrer sollte seine Schüler also so oft wie möglich im Betrieb besuchen, auch um sich mit dem Betreuer

auszutauschen.

Neben den Besuchen im Betrieb wünschen sich manche Schüler die Gelegenheit zu einer Aussprache

außerhalb des Arbeitsplatzes: Gerade am Anfang stürmt so viel Neues auf die Schüler ein, dass der Lehrer an

den ersten beiden Abenden in der Schule zu einer Aussprache zur Verfügung stehen sollte. Außerdem ist es

wünschenswert, wenn er abends während des gesamten Praktikums zu festen Zeiten erreichbar ist. Diese

Stunden sollten Eltern, Schülern und betrieblichen Betreuern bekannt sein.

Auswertungsphase Die gewonnenen Eindrücke und Erfahrungen müssen reflektiert, vertieft und ergänzt werden.

Kreuchauf et al. gliedern die Auswertungsphase in drei Bereiche: berichten, systematisieren und dokumentieren

[Kreuchauf, 1979, S.23f].

Spontane Berichte

Im ersten Unterrichtsgespräch äußern sich die Schüler spontan zu den Erfahrungen und Erlebnissen im

Praktikum. Dies kann z.B. in Form eines Sitzkreises, bei dem jeder Schüler ein Schlüsselerlebnis allen

Mitschülern mitteilt oder auch in Form von Gruppengesprächen erfolgen.

Die emotionale Beteiligung der Schüler spielt hierbei eine große Rolle: Im Vergleich mit den Erfahrungen der

Mitschüler erkennen sie, dass sich die Erfahrungen im Praktikum gleichen, z.B. dass es Situationen gab, in

denen sie sich unsicher fühlten. Auf der anderen Seite erkennen sie Unterschiede im Ablauf des Praktikums,

die sich aus den verschiedenen Wirtschaftsbereichen oder den unterschiedlichen Einsatzorten ergeben. Das

Interesse der Schüler mehr zu erfahren, auch über andere Betriebe als den eigenen Praktikumsbetrieb, steigt.

Die Motivation ist hoch und damit ist auch die Voraussetzung für die Vertiefung und Ergänzung der

Erfahrungen geschaffen.

Vorstellung und Vergleich verschiedener Praktikumsbetriebe

Auf der Grundlage der Erkundungsaufträge sollen die Schüler ihre Praktikumsbetriebe vorstellen. Von

Interesse sind hier z.B. der Wirtschaftsbereich, Gründung des Betriebs, Firmenprodukte, Beschäftigtenzahl,

Maschineneinsatz oder die Darstellung einzelner Abteilungen und die vorhandenen Ausbildungs- und

Anlernberufe. Hilfen können hierbei Bilder sein, die der Lehrer oder der Schüler im Betrieb aufgenommen

haben. Auch Tonmaterial kann verwendet werden, sowie das Bild- und Textmaterial, das von den Betrieben zur

Verfügung gestellt worden ist.

Beschreiben von im Praktikum kennen gelernten Berufsbildern

Auch hier bildet der Erkundungsbogen die Grundlage für die Absicherung und den Transfer der gewonnenen

Einsichten.

Die Vorstellungen von einem Berufsbild sollen überprüft und eventuell korrigiert und ausgeweitet werden.

Allerdings wird hier noch kein direkter Bezug auf die Berufswünsche der Schüler genommen: Die Schüler

sollen einige berufstypische Tätigkeiten nennen und beschreiben. Außerdem sollen sie Aussagen über die

körperlichen, geistigen und charakterlichen Anforderungen dieses Berufs treffen können. Ein weiterer Punkt ist

die Verbalisierung von unterschiedlichen Arbeitsbedingungen an verschiedenen Arbeitsplätzen. Wichtig sind

auch Kenntnisse über den Ausbildungsweg und die Weiterbildungsmöglichkeiten dieses Berufs.

61Kreuchauf, Klaus et. al.: Schüler im Betriebspraktikum, Weingarten 1979

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Kritische Überprüfung des eigenen Berufswunsches

Die im Betrieb gesammelten Erfahrungen sollen mit den beruflichen Anforderungen, wie sie in

Informationsblättern dargestellt waren, verglichen werden.

Zudem soll die lokale Ausbildungssituation einbezogen werden, mit dem Ziel, die Berufswahlentscheidung zu

verbessern. Falls einzelne Schüler ihren Berufswunsch geändert haben, sollte hinterfragt werden, ob

betriebsspezifische oder berufsspezifische Gründe dafür ausschlaggebend waren.

Verbesserung der Tagesberichte

Zur Auswertung der Praktikumserfahrungen gehört auch die Verbesserung, Ergänzung und Reinschrift der im

Praktikum verlangten Tagesberichte.

Zu diesem Punkt werden kritische Stimmen laut: Gerade Hauptschüler lehnen im allgemeinen schriftliche

Arbeiten ab und haben große Schwierigkeiten damit. Nach einem langen Arbeitstag im Praktikum sind die

Schüler nicht motiviert, Berichte zu schreiben. Sie empfinden dies als lästige Pflicht der Rechenschaftsabgabe.

Deshalb sollten schriftliche Arbeitsaufträge im Praktikum beschränkt sein und den Schülern möglichst

Gelegenheit geben, sich zu den für sie interessanten Themen zu äußern. Ein Vorschlag wäre hier, einen Katalog

mit Aufsatzthemen zu erstellen, aus dem die Schüler zwei wählen können (24, S.35ff).

Anfertigen einer Praktikumsmappe

Der Erkundungsbogen sollte noch einmal überarbeitet und verbessert werden. In der Durchführungs- und

Auswertungsphase gesammeltes Text- und Bildmaterial muß ausgewählt und eingeordnet werden.

Nach Vervollständigung der Praktikumsmappe sollte jeder Schüler eine von ihm selbst erstellte Dokumentation

seines Praktikums in Händen halten [Köppl, 1986].

Einsicht in die Notwendigkeit einer gut funktionierenden Betriebsgemeinschaft

Durch Rollenspiele, Erfahrungsaustausch oder Fallstudie sollen die Schüler zur Einsicht gelangen, dass eine

harmonisierte Betriebsgemeinschaft sowohl für den einzelnen Mitarbeiter als auch für das Funktionieren des

Unternehmens notwendig ist.

Einordnen der Erfahrungen in den betrieblichen und wirtschaftlichen Gesamtzusammenhang

Die im Praktikum gewonnenen Einblicke in die Organisationsstruktur von Betrieben in den unterschiedlichen

Wirtschaftsbereichen bilden die Grundlage für die vertiefte Behandlung der Themen "Funktion eines Betriebes"

oder "ökonomisches Handeln, ökonomisches Prinzip" im Unterricht [Studienkreis Schule - Wirtschaft, 1984,

S.23; Heegen, 1984, S.92].

Einbeziehen der Praktikumsbetriebe in den Auswertungsprozess

Im Hinblick auf eine weitere Zusammenarbeit mit den Betrieben sollten auch die Betriebe in den

Auswertungsprozess mit einbezogen werden. Der erste Punkt ist hier ein Dankschreiben an die Unternehmen,

das im Unterricht von den Schülern verfasst wurde.

Im Allgemeinen wünschen die Betriebe auch eine Rückmeldung über den Praktikumsverlauf und die Eindrücke,

die die Schüler gewonnen haben. Hierzu können z.B. Berichte über das Praktikum erstellt werden oder die

Praktikumsmappen an die Betriebe verschickt werden. Es bietet sich auch eine Einladung der Betriebsvertreter

zu einem Abschlussgespräch oder zu einer Ausstellung an.

Dies sind Vorschläge, die nicht zwingend eingehalten werden müssen. Allerdings sollte man bedenken, dass

jedes Jahr neue Praktikumsplätze gesucht werden müssen und Wünsche und Vorstellungen der Lehrer um so

leichter erfüllt werden, je enger der Kontakt zu den Betrieben ist.

Weitere Maßnahmen

Es gibt noch eine Fülle von weiterführenden Maßnahmen. Im Folgenden sollen einige Anregungen gegeben

werden:

Die Schüler bereiten eine Praktikumsausstellung vor. Hier werden Werkstücke, Berichtsmappen, Collagen,

Schaubilder und Graphiken ausgestellt.

Die Schüler berichten Mitschülern der 7. Jahrgangsstufe über ihre Praktikumserfahrungen.

Die Schüler beantworten einen Fragebogen zu ihren eigenen Erfahrungen im Praktikum. Beispiel: "Bist du

mit deinen Kollegen gut ausgekommen? Welche Situationen waren für dich fremd?"

Die Klasse besucht ein Berufsinformationszentrum.

Der Berufsberater kommt in die Klasse (15, S.122f).

Zusammenfassung

Das Betriebspraktikum ist ein äußerst aufwendiges Unterrichtsverfahren, das langfristig geplant werden muss.

Die einzelnen Schritte des didaktischen Strukturmodells sind eine gute Hilfe, um ein Betriebspraktikum zu

planen, durchzuführen und auszuwerten. Die Vorgehensweise des Praktikumslehrers hängt immer von der

Methoden- und Sachkompetenz der jeweiligen Klasse ab. Das bedeutet, der Lehrer muss das bereits

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vorhandene Wissen und Können der Schüler berücksichtigen: Inwieweit sind die Schüler mit Interviewtechniken

vertraut? Was wissen sie vom vorausgegangenen Stoff? usw.

Ein wichtiger Aspekt ist auch die Zusammenarbeit der Lehrer untereinander: Die organisatorischen

Maßnahmen können durch Kooperation erleichtert und effizienter werden, wenn zum Beispiel ein reger

Erfahrungsaustausch zwischen Lehrern mit Praktikumserfahrungen stattfindet.

Auch auf der fächerübergreifenden Ebene kann Zusammenarbeit wertvoll sein: Lerninhalte aus dem

Betriebspraktikum können auch in anderen Fächern behandelt werden. So kann beispielsweise im

Deutschunterricht das Gesprächsverhalten der Schüler im Betrieb trainiert werden (Wie stelle ich mich vor?).

Die Praktikumsberichte können hier verbessert oder die Interviewtechnik eingeübt werden. Im

Mathematikunterricht finden Rechenbeispiele aus der Praxis Platz. Im Kunsterziehungs- bzw. Werkunterricht

kann die Handhabung von Werkzeugen demonstriert werden. Dies sind nur einige Beispiele für Kooperationen.

Es gibt sicherlich noch weitere Möglichkeiten zur Kooperation im Zusammenhang mit dem Betriebspraktikum.

Betrachtet man die drei Phasen Vorbereitung, Durchführung und Auswertung dieses Unterrichtsverfahrens, so

kommt der Vorbereitung und der Auswertung des Betriebspraktikums besondere Bedeutung zu:

In der Vorbereitungsphase müssen die Voraussetzungen für ein zielgerichtetes Beobachten und Befragen

geschaffen und die Schüler motiviert werden. Besonders wichtig scheint mir auch, dass die Schüler soweit wie

möglich in die vorbereitenden Maßnahmen mit einbezogen werden: Sie können Fahrtwege erkunden und bei der

Beschaffung von Praktikumsplätzen mitwirken. Die Betonung liegt hier auf dem "Selbsttätigwerden" der

Schüler.

Auch in der Auswertungsphase sollten die Schüler möglichst selbständig arbeiten. Die Nachbereitung ist

besonders wichtig und notwendig, damit das Betriebspraktikum nicht nur als Abwechslung zum Schulalltag

gesehen wird, sondern damit die Schüler über die gewonnenen Erfahrungen reflektieren und diese auch kritisch

betrachten.

Bei der Durchführungsphase ist vor allem die Betreuung durch den Lehrer wichtig: Für den Schüler ist er eine

vertraute Person, Anlaufstelle in einer sonst fremden Umgebung. Ich glaube, man darf die Neuartigkeit der

Situation, in der sich der Schüler während dem Betriebspraktikum befindet, nicht unterschätzen: Zum ersten Mal

verlassen die Schüler den Schonraum "Schule", d.h. sie müssen sich in einer völlig fremden Umgebung, wenn

auch auf Zeit, zurechtfinden. Der Lehrer muss deshalb der Vermittler zwischen Schüler und Betrieb sein.

Ob das Betriebspraktikum den hochgesteckten Zielen gerecht werden kann und sich der Aufwand lohnt, wird

unterschiedlich beurteilt (siehe Tabelle 13).

Tabelle 13: Pro- und Contra Betriebspraktikum

Contra-Argumente

Pro-Argumente:

Berufsfindung ist nicht möglich;

Berufsorientierung ist umstritten;

Gründe:

Ausschnitthaftigkeit der Erfahrungen;

zeitliche Begrenztheit;

reale Arbeitserfahrungen nicht möglich

(mangelnde Kenntnisse und Fertigkeiten der

Schüler);

der tradierte Berufsbegriff ist überholt;

Erfahrung des Betriebs als Sozialgefüge nicht

möglich, da Schüler kein Mitglied der

betrieblichen Hierarchie;

keine Steigerung der Rationalität bei der

Berufswahlentscheidung;

Berufsfindungsgedanke ist der größte

Motivationsanreiz für die Schüler;

Berufsorientierung ist in Bayern der dominierende

Aspekt;

berufskundliche Informationen können gesammelt

werden;

Arbeitstugenden und ihre Notwendigkeit können

erfahren werden;

potentielle Berater werden bei der Berufswahl

stärker in Anspruch genommen;

Schüler sammeln Erfahrungen über das

Miteinander im betrieblichen Arbeitsprozess;

Motivationssteigerung, Anregung zum

Weiterlernen;

Minderung des Praxisschocks;

Verhaltensänderungen im sozialen Bereich: z.B.

Verständnis für die Anspannung im Beruf,

gesteigerte Bereitschaft zur Mithilfe im Haushalt.

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Vergleich Betriebspraktikum - Betriebserkundung

Betriebserkundung Betriebspraktikum

Übereinstimmung a) Verfahren der Realbegegnung

b) Anschauungs- und Erfahrungsgrundlage (Klammerfunktion zwischen Berufsorientierung und elementarer

Wirtschaftslehre im WuB-Unterricht)

c) obligatorisches Unterrichtsverfahren (7., 8. oder 9. Jgst. der Mittelschule)

d) Aspektorientierung

Ökonomisch

berufskundlich

technologisch.

berufsorientierend

funktional (ökon., techn.)

sozialer Aspekt

Unterschiede allgemeine, breite Orientierung des Schülers in den

verschiedenen Wirtschafts- und Berufsbereichen

(Urproduktion, Handwerk, Industrie, Dienstleistung,

produzierende Berufe, Dienstleistungsberufe, Berufe

im sozial/pflegerischen Bereich).

gezieltes Erfahren der Wirtschafts- und Berufswelt in

Form praktischen Tätigwerdens und Beobachtens bis

zu max. 2 Wochen an Ausbildungs- bzw.

Arbeitsplätzen in einem Betrieb.

Literatur zum Betriebspraktikum

Beck, Hartmut/ Ipfling, Heinz-Jürgen/ Kusper, Paul (Hrsg.): Das Betriebspraktikum für Schüler und Lehrer.

Konzepte - Erfahrungen - Arbeitshilfen. Bad Heilbrunn 1984

Feldhoff, Jürgen/ Otto, Karl A./ Simoleit, Jürgen/ Sobott, Claus: Projekt BetriebspraktikumDüsseldorf 1985

Geiger, Friedrich/ Kunder, Hans: Betriebspraktikum für Hauptschüler. Donauwörth 21985

Platte, H. K.: Lernen vor Ort. Anleitungen, Informationen und Fakten zum Schülerbetriebspraktikum. Bad

Godesberg 1986

im Anhang:

KWMBL I Nr. 16/19 - Betriebspraktikum für Hauptschüler in Bayern.

Kontrollfragen

1. Ihre Schülerinnen und Schüler planen in der R7 einen Pausenverkauf mit Getränken. Welche nützlichen

Informationen können Sie dazu bei einer Markterkundung erfahren?

2. Formulieren Sie eine konkrete Teilaufgabe für eine Schülerin, die in der 8. Klasse in einem

Malerbetrieb praktiziert! egründen Sie den Unterschied zu einer Aufgabenstellung für das Praktikum

in der M9!

Nennen Sie die wichtigsten „Produkte“, die die Schülerinnen und Schüler mit ihren Erfahrungen im

Praktikum erstellt haben könnten!

4. Wie unterscheiden sich Betriebserkundungen von Betriebsbesichtigungen?

5. Wann sind im Lehrplan welche Betriebserkundungen vorgesehen?

6. Welche Bedeutung haben

der Grundsatz des Exemplarischen und

die didaktische Transformation

bei Betriebserkundungen?

7. Welche Ziele sollen mit dem Schülerbetriebspraktikum erreicht werden?

8. Durch welche Faktoren kann die Lernleistung im Praktikum besonders hoch sein?

9. Wie können negative Erfahrungen eines einzelnen Schülers im Praktikum korrigiert werden?

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Pro- und Contradebatte

Definition

Zwei Gruppen tauschen Argumente für und gegen einen kontroversen Sachverhalt nach festgelegten Spielregeln

aus. Eine dritte Gruppe, die Jury, bewertet den Verlauf und vergleicht die entgegengesetzte Standpunkte

vertretenden Gruppen. Dadurch werden Standpunkte deutlich herausgearbeitet und ein Thema umfassend

ausgeleuchtet. [nach Schoof, 198062]

Zielsetzung

Die Pro- und Contra-Debatte dient neben einer Einübung der Diskutierfähigkeit, der Belebung des Unterrichts

und der Beteiligung möglichst vieler Schüler vor allem der Meinungs- und Urteilsbildung.

Dazu gehört weiter die Auseinandersetzung mit zur eigen Meinung gegensätzlichen Argumenten und ein

größeres Verständnis für die Meinung anderer und ein besseres Verständnis der eigenen Meinung in

kontroversen Debatten.

Anwendung

Im Lehrplan wird die Pro- und Contradebatte im Lernziel WiB 10 LB 3 „Regionale Wirtschafts- und

Infrastruktur“ erwähnt, eignet sich aber für viele Themen, wie z. B. WiB 5 LB 4 Schülerarbeit (Soll Kinderarbeit

verboten bleiben?), WiB 7 LB 3 Persönliche Sichtweisen von Arbeit und Beruf (Soll man überhaupt einen Beruf

erlernen?), WiB 8 LB 3 (Brauchen wir noch die Tarifautonomie?),WiB 9 LB 4 (Die gesetzliche

Rentenversicherung ist unverzichtbar?) usw.

Die Methode kann sowohl als Einstieg als auch als Abschluss einer Unterrichtseinheit eingesetzt werden. Sie ist

besonders für affektive Lernziele geeignet.

Durchführung

Die Spielregeln

Die Einteilung der drei Gruppen muss nicht nach der tatsächlichen Meinung der Schüler vorgenommen werden,

damit die Schüler auch zur eigenen Meinung gegensätzliche Argumente kennen lernen.

Einem „Pro“ Argument folgt stets ein „Contra“ Argument, es wird abwechselnd debattiert. Auf das Argument

eines Vorredners ist einzugehen! Die Jury fällt ein Urteil mit Begründung. Anschließend findet eine Diskussion

statt.

Vorbereitung, Durchführung und Beurteilung der Debatte

Das Thema soll klar formuliert sein und keine Alternativen begünstigen. Es empfiehlt sich vorab die

Gesprächsregeln zu wiederholen. Damit in der Vorbereitungsphase alle Schüler Argumente sammeln, soll die

Klasse in eine gerade Anzahl von Gruppen mit gleich vielen Mitgliedern geteilt werden. Dadurch wird auch die

spätere Jury sachkundig. Jedes Gruppenmitglied sollte mindestens ein Argument ausführlicher begründen

können.

Die Pro- und Contra-Gruppe wird bestimmt, die restlichen Schüler zur Jury zusammengefasst. Der

Diskussionsleiter (Lehrer oder Schüler) erteilt abwechselnd das Wort und beendet die Debatte. Die Jury sollte

die Diskussionsgruppen nach Inhalt und Darstellung vergleichen und beurteilen. Jedes Jurymitglied muss nach

jedem Wortwechsel z. B. Punkte für die bessere Mannschaft vergeben und notieren.

Inhaltliche Kriterien können sein:

Waren Argumente und Gegenargumente sachlich richtig?

Gehörten die Argumente zur vertretenen Position?

Fehlten wichtige Argumente?

Waren die Argumente überzeugend?

Kriterien für die Darstellungsweise:

War die sprachliche Darstellung korrekt bzw. geschickt gewählt, waren die Gesprächsregeln

eingehalten?

Werden Gegenargumente schlagfertig und originell vorgebracht?

Wird auf die Gegenargumente eingegangen? [nach Schoof, 1980]

Wenn alle Argumente gefallen sind oder die Zeit drängt, beendet der Diskussionsleiter die Debatte. Jede Gruppe

erhält die Möglichkeit zu einem Schlusswort. Anschließend zieht sich die Jury zurück und bildet ein begründetes

Urteil. In dieser Zeit können die übrigen Schülerinnen und Schüler der Pro- und Contra-Gruppe ihre Argumente

an der Tafel übersichtlich zusammenstellen.

62Schoof, Dieter: Die Pro- und Contra-Debatte. In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980,

S. 70-71.

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Nachdem die Jury ihr Urteil verkündet und begründet hat, diskutieren die Schülerinnen und Schüler das Urteil.

Dabei sollte der Gruppenzwang aufgehoben werden, d.h. jetzt kann jeder seine eigene Meinung artikulieren. Der

Diskussionsleiter fasst am Ende das Ergebnis der Diskussion zusammen und hält es an der Tafel fest.

Literatur zur Pro- und Contra-Debatte

Sader, M. u.a.: Kleine Fibel zur Hochschuldidaktik, C.H. Beck Verlag München 1971.

Kontrollfragen

1. Nennen Sie eine geeignete Problemstellung für eine Pro- und Contra-Debatte! Begründen Sie Ihre

Auswahl!

2. Welche fachlichen und methodischen Kompetenzen werden in der Vorbereitungsphase einer Pro- und

Contra-Debatte verbessert? Nennen Sie jeweils ein Beispiel!

Warum sollten in der abschließenden Diskussion die Schülerinnen und Schüler ihre eigene Meinung

und nicht die ihrer Gruppe vertreten?

Brainstorming

Definition

Das Anfang der fünfziger Jahre vom amerikanischen Werbefachmann Osborn entwickelte Verfahren ist eine

Methode der kreativen Problemlösung. Es soll latente Vorstellungen zu einem Problem oder einem Oberbegriff

aktivieren und möglichst viele, neuartige Lösungsvarianten liefern. Nachdem die Aufgabenstellung und die

Regeln erläutert wurden, nennen die Schüler möglichst freizügig ihre Assoziationen zum Thema. Jeder Beitrag

wird gut sichtbar und ohne jegliche Bewertung notiert. Das Thema und die bereits eingebrachten Beiträge liefern

Stimuli für weitere Ideen. Anschließend werden die gefundenen Vorschläge sortiert, kombiniert, bewertet und

ausgewählt. (vgl. Modick) 59

Zielsetzung

Brainstorming dient der Ideenfindung und dem Erlernen und Einüben von kreativen Problemlösungstechniken.

Außerdem erleben die Schüler ihre eigene Ideenkapazität. Die Phantasie und Kreativität der Schüler wird

gefordert und gefördert. Schlüsselqualifikationen, wie Toleranz und Gruppenarbeit können geübt und gesteigert

werden.

Anwendung

Dieses Unterrichtsverfahren eignet sich besonders als Hinführung und kann bei wichtigen Planungen, Konflikten

und Problemen eingesetzt werden. Es wird in der Regel Teil einer größeren Unterrichtseinheit sein, da ein

Thema nicht vollständig bearbeitet wird und es verhältnismäßig wenig Zeit beansprucht (ca. 10-30 Minuten).

Das Thema sollte mit dem Kenntnisstand der Schüler vielfältige Lösungsmöglichkeiten zulassen.

Verfahrensweise

Nach der Präsentation des Themas sollen zunächst der Ablauf und die Regeln des Verfahrens vorgestellt werden

(s. Bild 3).

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- Keine Kritik

In der ersten Phase der

Ideenfindung dürfen die

einzelnen Beiträge nicht

bewertet werden. Weder

abfällige Bemerkungen,

Gesten oder sonstige

Äußerungen sind erlaubt.

Besonders der Lehrer muss

sich in dieser Phase

zurückhalten, da er

normalerweise im Unterricht

laufend Rückmeldungen

(Lob und Tadel) gibt.

- Notizen

Alle Aussagen werden für

jeden gut sichtbar notiert. Mit

der Visualisierung können

weiterführende Ideen

angeregt werden, die z.B. auf

den bisherigen Beiträgen

beruhen.

- Abschauen erlaubt!

Vorschläge anderer Schüler dürfen und sollen weiterentwickelt werden. Es gilt kein Urheberrecht.

- Quantität vor Qualität

Es sollen möglichst viele und auch ausgefallende Ideen gesammelt werden. Je mehr Gedanken festgehalten

werden, desto größer ist die Chance verwertbare Vorschläge zu erhalten.

Brainstorming kann im Klassenverband oder in Gruppen stattfinden. Die Schüler werden aufgefordert sich zum

Thema zu äußern. Auch „unmögliche“ oder ungewöhnliche Ideen sind erwünscht. In der Phase der Ideenfindung

notiert der Lehrer oder ein Schüler stichpunktartig die vorgebrachten Einfälle an der Tafel. Durch eigene

Beiträge kann der Lehrer die Gedanken der Schüler evtl. anregen und lenken.

In der zweiten Phase der Ideenbewertung können die Einfälle nach Überbegriffen oder Schwerpunkten

systematisiert, nach Kriterien sortiert und schließlich ausgewählt werden. Als Kriterium eignet sich z.B. die

Verwendbarkeit (sofort, evtl. später, kaum verwertbar). Auch „wegfallende“ Punkte liefern oft noch im späteren

Unterricht belebende Impulse.

„Erst in dieser Phase werden die Ideen geordnet und auf ihre Brauchbarkeit hin überprüft. Zunächst werden die

Doppelnennungen gestrichen. Dann werden die Ergebnisse nach drei Typen sortiert:

Ergebnisse, die

1) schnell anwendbar sind bzw. eindeutig zum Thema gehören,

2) erst nach eingehender Prüfung anwendbar sind bzw. nicht auf den ersten Blick zum Thema gehören

(Ideen dieses Typs sind besonders sorgfältig zu prüfen, weil hier häufig interessante und weiterführende

Anregungen versteckt sein können), und solche, die

3) nicht oder zur Zeit nicht anwendbar sind bzw. nicht zum Thema gehören.

Anschließend werden die als brauchbar und weiterführend angenommenen Gedanken in eine bereinigte und

verkürzte Liste übernommen" [Modick, 198063].

Für Brainstorming als Unterrichtsmethode läßt sich feststellen:

Es kann zur Problemlösung bei vielen inhaltlichen Zusammenhängen eingesetzt werden.

Brainstorming ist eine einfache, problemlose Methode. Sie erfordert eine treffende Problemstellung, ein

gewisses Maß an eigener Flexibilität und ein "Ernstnehmen" von Schülerbeiträgen.

Gute Ergebnisse lassen sich meist erst dann erzielen, wenn unter Anwendung der Regeln das Brainstorming

systematisch und wiederholt im Unterricht angewandt wurde.

Literatur zur Methode des Brainstormings

Hans-Eberhard Modick: Brainstorming. In a+l Nr. 10-10a/2. Jahrg., Juli, August 1980, S. 14 - 16;

63Modick, H.E.: Brainstorming; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980, S. 14.

Bild 3 : Brainstorming

Phase IIdeenfindung

(15 min)

Phase 2Ideenbewertung

Unstrukturiert

Spielregeln:

Unzensierte,

unbewertete

Ideensammlung

Einordnung,

Bewertung

Thema des Unterrichts(Lerninhalte)

Ideen

Problem, Thema

Systematisierung,Untersuchung,

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Birgit Weber: Handlungsorientierte Methoden. In: Handlungsorientierte Methoden in der Ökonomie, Hrsg:

Steinmann, Weber. Kieser, Neusäß, 1995, S. 18 - 19;

Clark, C.H.: Brainstorming. Verlag Moderne Industrie, München 1967;

Ulmann, G.: Kreativität. Beltz-Verlag, Weinheim, 1970;

Sader, M., Clemens-Lodde,B.: Kleine Fibel zum Hochschulunterricht. Beck-Verlag, München 1970

Kontrollfragen

1. Nennen Sie eine geeignete Problemstellung für ein Brainstorming! Begründen Sie Ihre Auswahl!

2. Welche psychologischen Effekte unterstützen die Kreativität der Schülerinnen und Schüler beim

Brainstorming?

Wie kann der Schwierigkeitsgrad der Problemstellung reduziert werden?

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Das Experteninterview

Definition

Das Experteninterview ist eine zielgerichtete Befragungssituation, wobei sich der Befragte durch einschlägiges Wissen

auszeichnet. Es dient der Informationsbeschaffung.

“ Die Befragung von Experten gehört zu der Gruppe der Erkundungsmethoden. Mit Hilfe solcher Methoden werden

Schüler in die Lage versetzt, Informationen, die sie für das Verständnis eines Vorganges oder Sachverhaltes benötigen,

möglichst selbstständig dort aufzuspüren, wo sie ihre lebensbedeutsame Funktion innehaben. Dazu gehört unverzichtbar

die Aufgabe, zwischen sinnvollen und überflüssigen Informationen graduelle Unterschiede auszumachen und möglichst

rationell und effektiv jene Wissensinhalte zu erfassen, die von erkenntinisbildender Bedeutung sind. Da dieser Prozess

stets in konkreten Lebenszusammenhängen abläuft, ist er an praktische Handlungen gebunden.“ (G. Klenk64)

Ziel

Der Erfahrungsschatz des Experten soll die Fragenden zu neuen Informationen, Einsichten und besserem Verständnis

verhelfen, so dass diese dann zu einem eigenen, wohlbegründeten Urteil fähig sind. Gleichzeitig sollen die gewonnenen

Informationen die Basis für neue, möglichst selbständige Schüleraktivitäten bilden.

Anwendungsbereich

Experteninterviews eignen sich für Themen aus dem politisch-sozialen und ökonomischen Bereich wie

Rationalisierung, Mitbestimmung, Tarifvertrag, Tarifautonomie, Arbeitslosigkeit, Berufsorientierung u.ä.. Im Lehrplan

sind Hinweise auf Expertenbefragungen gegeben, z.B. WiB 7 LB 1 Projekt, WiB 9 LB 4 Aufgaben und Bedeutung der

Geldinstitute, WiB 9 LB 4 Arbeitnehmervertretung und WiB 10 LB 3 regionale Wirtschafts- und Infrastruktur.

Durchführung

Auswahl der Experten Den „Experte“ sollte man nicht als allwissend und überhöht darstellen, damit seine Aussagen nicht von vornherein als

„wahr“ oder grundsätzlich richtig interpretiert werden. Auf diese Weise sind auch subjektive Aussagen des Experten

möglich, die Raum für Diskussionen und eigene Urteile lassen. Bei den ersten Interviews könnten beispielsweise

Elternteile oder ehemalige Schüler als „Experten“ eingeladen werden, um die Distanz zwischen Fragern und Befragten

möglichst klein zu halten.

Interviewformen Bei der Expertenbefragung lassen sich drei Formen der Interviewtechnik unterscheiden: das strukturierte, das

teilstrukturierte und das nichtstrukturierte Interview.

„Das strukturierte Interview

Die Fragen, die an den Experten gestellt werden sollen, werden vorab in ihrer Reihenfolge und Formulierung

detailliert festgelegt, ebenso die Schüler, die die Fragen stellen sollen. Der Vorteil dieser Strukturierung ist, daß das

Interview planmäßig ablaufen kann. Ein Nachteil besteht in der starren Festlegung, die eine Vertiefung oder

Ausweitung der Diskussion kaum ermöglichen.

Das teilstrukturierte Interview

Die wichtigsten Inhalte, die vorgesehenen Frageformulierungen und die Reihenfolge werden als Interviewleitfaden

festgelegt. Der Vorteil hierbei liegt in der flexiblen Anwendungs- und Umsetzungsmöglichkeit. Die endgültigen

Formulierungen und die Themenabfolge können, der jeweiligen Situation entsprechend, flexibel gestaltet und

eingebracht werden. Hierbei ist auch der Gefahr weitgehend begegnet, daß sich das Gespräch in Nebengleisen verliert.

Das unstrukturierte Interview

Bei der unstrukturierten Befragungsmethode wird nur noch das Ziel festgelegt. Die Reihenfolge der anzusprechenden

Problemkreise und die Einzelfragen dazu bleiben variabel und offen. Dadurch kann an bestimmten Punkten spontan

eine vertiefende Diskussion zustande kommen. Zusätzliche Informationen, die in der Planung noch nicht berücksichtigt

wurden, können eingebracht werden. Ein solches Gespräch kann jedoch auch von der ursprünglichen Zielsetzung

abweichen, es sei denn, der Experte gibt dem Gespräch trotz fehlender Strukturierung die aus seiner Sicht erwünschte

Richtung" [Frackmann, 198065].

64 Gerald Klenk: „Experten befragen“ in Schweizer/Selzer: Methodenkompetenz lehren und lernen Band 3 –

S. 89; 65Frackmann, M.: Experteninterview, In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/ August 1980

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In der Hauptschule sollte aufgrund der Sach- und Methodenkompetenz der Schüler und der didaktischen Funktion

innerhalb des Unterrichts vor allem das strukturierte und seltener das teilstrukturierte Interview gewählt werden.

Unterrichtsablaufplanung 1. Phase Vorbereitung des Experteninterviews

Sachinformationen sammeln und vermitteln,

Grunddefinitionen ausarbeiten,

Sach- und Strukturprobleme herausstellen,

Überprüfung der Phase 1 (Lernzielkontrolle).

2. Phase Inhaltliche Bestimmung der Fragen

Erstellen eines Fragenkataloges,

Interne Beantwortung der Fragen durch die Fragenden.

3. Phase Überprüfung der Interviewsituation

Rollenspiel,

(Eventuell Korrektur des Fragenkataloges),

Einladung der (eines) Experten (mit zumindest teilweiser Angabe der vorausgeplanten Fragen zwecks

Vorbereitung und Bereitstellung von Anschauungsmaterial).

4. Phase Interview

Der Lehrer übernimmt die Diskussionsleitung und erläutert die Grundsätze seiner Gesprächsführung.

Ein Schüler stellt anschließend nochmals die Ausgangslage dar.

5. Phase Auswertung des Experteninterviews

Die gesammelten Erkenntnisse werden schriftlich zusammengefasst, neue

Informationen und Einsichten herausgestellt und vertieft.

Literatur zum Experteninterview

Scheuch, E.K.: Das Interview in der Sozialforschung. In: König, R.(Hrsg.), Handbuch der empirischen

Sozialforschung. Bd.1, Stuttgart 1973, S.66-190.

Tempel, K.-H.: Experimentelle Erfahrungen im politischen Unterricht. In: Endlich, H.(Hrsg.): Politischer

Unterricht in der Haupt- und Realschule. Beiträge aus Theorie und Praxis. Diesterweg, Frankfurt a.M. 1972.

Klippert, Heinz: Der Berufsberater in der Schule. In: Arbeiten und Lernen, Heft 56, April 1988, Friedrich-Verlag,

Seelze, S. 9 - 15.

Kontrollfragen

1. Nennen Sie eine geeignete Problemstellung für ein Experteninterview! Warum ist diese Problemstellung am

besten mit einem Experteninterview zu lösen?

2. Welche Anforderungen sollte der/die „Experte/Expertin“ erfüllen?

3. Warum sollte die Lehrkraft nicht als Experte in einem Experteninterview auftreten?

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Die Fallstudie Angeregt durch die Kasuistik der Juristen, wurde die Fallmethode im Jahre 1908 an der Harvard Business School

(daher auch Harvard-Methode) eingeführt.

Definition und Zielsetzung

Die Fallstudie ist „eine methodische Entscheidungsübung aufgrund selbständiger Gruppendiskussionen am

realen Beispiel einer konkreten Situation“. [Kaiser, 1976, S.5666] Sie wird im Rahmen des handlungsorientierten

Unterrichts angewandt (entspricht mehr der Idee der Arbeitsschule). Die Aneignung des Wissens und die

Problembearbeitung erfolgen stets in selbständiger Arbeit. Den Schülern wird ein konkreter Fall aus der

Wirtschafts- und Arbeitswelt vorgestellt. Sie sollen nach Lösungsmöglichkeiten suchen, sich für eine Lösung

entscheiden und diese begründen können. Dann erfolgt ein Vergleich mit Entscheidungen der Realität und ihren

Bedingungen. Die Fallstudie soll Impulse zu eigenständigen Nachforschungen erzeugen.

Anwendungen

Fallstudien eignen sich z. B. für Lernziele aus der Rechtslehre, z.B. rechtliche Rahmenbedingungen der

Berufswahl, der Arbeit oder z. B. dem Verbraucherschutz.

Tabelle 14: Methodische Varianten der Fallstudie67

Die Phasen der Fallstudie

Der Fall sollte real, schülernah und überschaubar sein und mehrere Lösungsmöglichkeiten offenlassen.

Die Konfrontation mit dem Problemfall (im Klassenverband) Den Schülern soll bewusst werden, dass der entsprechende Fall unmittelbar mit ihrem gegenwärtigen und zu-

künftigen Leben zusammenhängt, und dass die Entscheidungsfindung wesentlich von den Wert- und

Zielvorstellungen der beteiligten Personen abhängig ist.

Die Information (in Gruppen) Die verfügbaren Informationen be- und auswerten, bei Bedarf müssen die erforderlichen Informationen beschafft

werden.

Die Exploration (in Gruppen) Möglichst viele unterschiedliche Lösungsvarianten sollen erarbeitet werden.

66 F.-J. Kaiser: Entscheidungstraining. Bad Heilbrunn, 1976. 67A+L, Heft 10-10a, 1980, S. 41

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Die Resolution (in Gruppen) Vor- und Nachteile sowie Konsequenzen der alternativen Lösungen müssen in Betracht gezogen werden. Die

Gruppe entscheidet sich für eine Variante.

Die Disputation (im Klassenverband) Vorstellung und Diskussion der Gruppenergebnisse im Gesamtverband. Erneute Diskussion unter veränderter

Perspektive. Abschätzen, inwieweit sich die Lösungen realisieren lassen.

Die Kollation (im Klassenverband) Vergleich der unterrichtlichen Lösung mit der in der Wirklichkeit getroffenen Entscheidung.

Literatur zur Fallstudie:

Kaiser, F.-J.: Entscheidungstraining. Die Methoden der Entscheidungsfindung. Klinkhardt Verlag, Bad

Heilbrunn/Obb. 1976.

Kolb, G. (Hrsg.): Methoden der Arbeits-, Wirtschafts-, und Gesellschaftslehre. Maier Verlag, Ravensburg

1978.

Hastenteufel, P.: Fallstudien aus dem Erziehungsalltag, Klinkhardt Verlag, Bad Heilbrunn, 1980.

Kosiol, E.: Organisation des Entscheidungsprozesses, Duncker & Humbolt, Berlin, 1975.

Knapp, R.: Die Fallmethode - ein Modell zur Artikulation von Unterricht, Dissertation, Paderborn, 1976.

Heinze, K.: Anwendung der Fallmethode im beruflichen Unterricht, Volk und Wissen, VEB-Verlag, Ost-

Berlin, 1967

Kontrollfragen:

1. Welche Entscheidungen müssen die Schülerinnen und Schüler in den einzelnen Phasen einer Fallstudie

treffen?

2. Welche Bedingungen muss ein Fall erfüllen, um im Unterricht sinnvoll behandelt werden zu können?

3. Warum sollte ein „realer“ Fall gewählt werden?

4. Wie gehen Sie im Unterricht damit um, wenn die Schülerinnen und Schüler eine „falsche“ Lösung

gefunden haben?

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Simulationsspiele als Unterrichtsverfahren

Für Simulationsspiele als weit gefasster Überbegriff finden sich in der Literatur vielfältige Begriffe und

Bezeichnungen, wie Rollenspiel, Planspiel, Konfliktspiel, Konferenzspiel, Computersimulation, Börsenspiel und

Entscheidungsspiel.

Aus den Wortbestandteilen lassen sich keine klaren Abgrenzungen, wohl aber Gemeinsamkeiten und

wesentliche Elemente erkennen. Der gemeinsame Begriff „Spiel“ verweist auf den Spielcharakter und

„Simulation“ auf ein dynamisches Modell.

Planspiele

Definition

Kaiser definiert allgemein das Planspiel als „eine strategisch orientierte Methode zur Vermittlung von Einsichten

in gesellschaftliche Konfliktsituationen, die modellhaft simuliert und handelnd erfahrbar werden“68. Andere

Autoren erweitern die Anwendung auch auf komplexe gesellschaftliche, wirtschaftliche oder technische

Probleme, die in einem dynamischen Modell dargestellt werden und von Spielern handlungs- und

interessensorientiert zu lösen sind. In dieser erweiterten Form ist der Begriff des Planspiels im Lehrplan zu

verstehen.

Durch die Verwendung von Planspielen können die Konsequenzen von (riskanten oder kostspieligen)

Entscheidungen zunächst im Spiel gefahrlos ermittelt und bewertet werden.

Der Modellcharakter ist nach Kaiser69 von fünf Merkmalen gekennzeichnet:

Reduktion: Die Komplexität der Realität wird auf bedeutsame Merkmale und Grundstrukturen reduziert.

Akzentuierung: Bestimmte Bezüge, Faktoren, Gesetzlichkeiten werden hervorgehoben.

Transparenz: Wesentliche Phänomene der Realität werden durch die Reduktion und Akzentuierung

transparent, durchschaubar.

Perspektivität: Im Modell können einseitige Sichtweisen durch das Betonen bestimmter Strukturmerkmale

geschaffen werden. Durch diese unterschiedlichen Aspekte können Sachverhalte leichter erschlossen

werden.

Produktivität: Die mit den vereinfachten Regeln und Gesetzmäßigkeiten des Modells gefundenen

Erkenntnisse müssen immer wieder in der Realität auf Nützlichkeit überprüft und korrigiert werden.

Den Spielcharakter bestimmen folgende Merkmale:

Die Schüler übernehmen während des Spiels Rollen.

Sie handeln nach den Regeln des Modells. Die Wirklichkeit wird für die Dauer des Spiels durch das Modell

ersetzt.

Sie treffen selbsttätig Entscheidungen, deren Konsequenzen sie im Spiel erleben.

Planspiele sind im weiteren durch eine Gliederung in Zeiteinheiten gekennzeichnet, die im Gegensatz zu

Fallstudien die Spieler unter Zeitdruck setzen und damit Spannung und Ernsthaftigkeit erzeugen.

Anwendungen

Der Lehrplan für die Mittelschule sieht z. B. für

Aufgaben und Bedeutung der Geldinstitute (WiB 9 LB 4),

Struktur und Entwicklung des regionalen Wirtschaftsraumes (WiB 10 LB 3) und

die Aktienbörse (WiB 10 LB 3)

Simulationsspiele vor.

Anforderungen an das Simulationsspiel/Planspiel

Dieses soll:

die Konfrontation mit komplexen und/oder schwer überschaubaren 'Lebens'-situationen (Prozessen) in

inhaltlich reduzierter Form widerspiegeln,

Einblick in mögliche Denk- und Entscheidungsprozesse ermöglichen,

die Durchführung von unterschiedlichen Lösungsvarianten ermöglichen,

die Darsteller (Spieler) in ihrer Handlungs- und Entscheidungskompetenz fördern und damit der Erziehung

zur Selbständigkeit in komplexen Lebenssituationen dienen,

mit seinem Spielthema (Intention) die verbindlichen Lernziele/Lerninhalte abdecken,

keine vorschnellen Lösungen nach kurzer Spieldauer zulassen,

68 Hoppe, M.: Planspiel; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980, Friedrich Verlag,

Seelze, S. 57. 69 Kaiser, Franz-Josef: Arbeitslehre. Klinkhardt, Bad Heilbrunn, 19974. S. 230

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durch seinen formalen Spielbezug (Regeln) die

Darsteller nicht zu stark in einen Handlungsrahmen

einzwängen, um möglichst viele Variationen von

Problemlösungen zuzulassen.

Der Darsteller/Spieler/Lernende darf das Simulationsspiel

nicht als Realität missverstehen. Es muss die Einsicht

vorhanden sein, dass der Modellcharakter des Spiels kein

Ersatz für das verantwortungsvolle Handeln in

'Ernstsituationen' ist. Ferner verlangt die Simulation von

allen Teilnehmern ein gewisses Maß an Spontaneität und

Phantasie.

Die Qualität eines Simulations- oder Plansspieles (daraus

ergeben sich dann auch die Grenzen des methodischen

Einsatzes im Unterricht) hängt davon ab,

„welche Verkürzungen, Vereinfachungen und

Hervorhebungen bei der Konstruktion des Modells

vorgenommen wurden und welche gesellschaftlichen

Teilperspektiven das Spielmodell demzufolge betont,

ob das Spielmodell von den Spielern durchschaut

werden kann,

welche Handlungsfreiheiten es den Spielern

gewährt, bzw. wie stark es deren Handlungsfreiraum durch

Regeln einengt,

inwieweit der Reaktionsbereich auf die Aktionen

der Spieler angemessen reagiert und kalkulierbares

Spielhandeln ermöglicht“70.

Didaktische Funktionen

An Hand eines Simulationsspiels ist es möglich, genau die

Konsequenzen von Fehlern zu erleben, die jeder von uns

im Leben häufig macht. Das Simulationsspiel ist somit ein

sehr gutes Training für die Handelnden, was natürlich keine

Gewähr dafür ist, solche Fehler in Zukunft ein für allemal

zu vermeiden. Die Handelnden lernen aber mit

Handlungsdruck und Misserfolg umzugehen. Kurz: die

Erziehung zu komplexem Denken, einfallsreichem und

spontanem Handeln kann gefördert und trainiert werden.

Das Planspiel im engeren Sinne

In dieser Form handeln die Schüler als Mitglieder von

gesellschaftlichen Interessengruppen. Sie kommunizieren

dabei ausschließlich in schriftlicher Form. Wie auch das

allgemeine Simulations- oder Planspiel, bietet das Planspiel

im engeren Sinne den Schülern die Chance, sich durch die

Auseinandersetzung mit einer simulierten Wirklichkeit auf

das "zukünftige" Leben vorzubereiten. Da sich die

Spieler/Schüler im Planspiel vorrangig als Mitglieder von

Interessengruppen, die sie spielen, identifizieren, eignet

sich diese Methode besonders zur Bewusstmachung der

Verhaltensweisen gesellschaftlicher Gruppen.

Im Unterschied zum Simulationsspiel wird hier das Spiel

zwischen mehreren Gruppen über eine Spielleitung, der

auch der Lehrer angehört, ausgetragen. Ein direkter

Kontakt der einzelnen Spielgruppen ist in der „Spielphase“

bis auf wenige Ausnahmen (kurze Besprechungen

70 Buddensiek, W.: Simulationsspiel; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980,

Friedrich Verlag, Seelze, S. 82-83

Bild 4: Idealtypisches Verlaufskonzept von Simulationsspielen [Buddensiek, 1980]

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zwischen Vertretern von Gruppen) untersagt. Alle Entscheidungen und Handlungen der Gruppen werden

schriftlich ausformuliert und mit mindestens drei Durchschlägen (je ein Exemplar für die Absender-,

Empfängergruppe und die Spielleitung) der Spielleitung zugeleitet. Diese vermerkt die Reihenfolge der

eingehenden Positions- oder Argumentationspapiere und leitet erst im Anschluss daran einen Durchschlag der

vorbestimmten Empfängergruppe zu. Die Spielleitung hat aufgrund ihrer damit gewonnenen Übersicht zum

Spielverlauf auch die Konsequenzen der einzelnen Gruppenentscheidungen zu überdenken und muss, wenn

nötig, korrigierend (sozusagen als gesellschaftliche Umwelt) in das Spiel eingreifen. Dies kann geschehen durch

zusätzliche Informationseingaben an einzelne oder in Form einer "Pressemitteilung" an alle Spielgruppen.

Literatur zum Planspiel

Buddensiek, W.:

Pädagogische

Simulationsspiele im

sozio-ökonomischen

Unterricht der

Sekundarstufe 1.

Theoretische Grundlegung

und Konsequenzen für die

unterrichtliche Realisation.

Klinkhardt Verlag, Bad

Heilbrunn 1979.

Lehmann, J.:(Hrsg.):

Simulations- und

Planspiele in der Schule.

Reihe: Forschen und

Lernen, Bd.3, Hrsg.: F.-J.

Kaiser. Klinkhardt Verlag,

Bad Heilbrunn 1977.

Helmut Keim:

Planspiel, Rollenspiel,

Fallstudie. 1. Aufl.,

Wirtschaftsverlag Bachem,

Köln 1992

Tabelle 15: Verlaufsphasen beim Planspiel

Kontrollfragen:

1. Nennen Sie ein für Mittelschüler geeignetes Planspiel/Simulationsspiel im WuB Unterricht, das im

Internet verfügbar ist!

2. Erläutern Sie die „Produktivität“ dieses Spiels!

3. Welche Kompetenzen verbessern die Schülerinnen und Schüler bei Simulationsspielen?

4. Welche Vorteile bietet die schriftliche Kommunikation zwischen den Gruppen beim Planspiel im

engeren Sinne?

Das Rollenspiel

Definition:

„Das Rollenspiel ist ein Verfahren, das in simulierter Form Situationen aus dem Alltäglichen oder Fiktiven

darstellt, die entweder aus dem Erfahrungsbereich der Beteiligten stammen oder für sie erfahrungsvorbereitend

sind, somit die Interaktionsfähigkeit der Beteiligten anspricht bzw. fördern soll“71.

Gerade die vorberuflichen und beruflichen Themen des Arbeitslehreunterrichts bieten dem Rollenspiel ein

geeignetes Einsatzfeld (z.B. Verhalten während des Betriebspraktikums; Rollenverteilung von Mann und Frau

im Betrieb; welchen Beruf soll ich ergreifen (Berufswahl)?).

71 Behrens, G.: Rollenspiel; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980, Friedrich Verlag,

Seelze, S. 73-74.

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So unterscheidet man hier nach dem spontanen und dem angeleiteten Rollenspiel.

„Im spontanen Rollenspiel werden Konfliktsituationen der Beteiligten aufgegriffen, die im unmittelbaren

Zusammenhang mit ihrem Umfeld stehen, wie z.B. Familiensituation, Freundeskreis, Schulprobleme usw.. Da

diese Situation den Beteiligten bekannt und vertraut ist, kommt es beim spontanen Rollenspiel außer einer

kurzen Einstimmung zu keiner größeren Vorbereitung. Vorgegeben ist nur die Situation, während der Ablauf und

die einzelnen Rollen flexibel gehandhabt werden können.

Beim angeleiteten Rollenspiel steht das Erarbeiten und Lösen von Situationen im Vordergrund, die nicht aus

dem Alltagserleben der Beteiligten stammen, sondern im Vorgriff auf zukünftige Situationen thematisiert werden.

Diese, dem Spieler bisher nicht geläufigen Rollen, können je nach Unterrichtsfach und Lernziel:

aus anderen gesellschaftlichen Bereichen genommen werden,

der Geschichte entstammen,

aus dem eigenen Bereich sein, aber mit fiktiven Verhaltensweisen,

die Zukunft betreffen.

Bei dieser Darstellung ist zu beachten, dass die einzelnen Abgrenzungen und Übergänge nicht immer eindeutig,

sondern fließend sein können“72.

Im Wesentlichen geht es hier nicht um die Vermittlung von Faktenwissen, sondern die Schüler sollen:

Einfühlungsvermögen in die Bedürfnisse anderer gewinnen,

die Fähigkeit erhalten, unterschiedliche Sprechstrategien situationsgerecht einzusetzen,

die Fähigkeit erlangen, übernommene Normen bei veränderten Situationen infrage stellen zu können,

Bereitschaft zeigen, divergierende Erwartungen und Bedürfnisse zu tolerieren und

Handlungsfähigkeiten und soziale Komponenten stärken und erweitern (z.B. ihr Verhalten in

Konfliktsituationen).

„Hieraus lassen sich folgende Lernziele ableiten:

Der Schüler

erkennt seinen eigenen Informationsstand,

erkennt den Informationsstand seiner Kommunikationspartner,

erkennt seinen eigenen Standpunkt,

setzt sich kritisch mit seiner später zu erwartenden Rolle auseinander,

gewinnt Abstand zu seinem eigenen Rollenverhalten,

entwickelt Problemlösungsverhalten und

erfährt die Veränderbarkeit von angeblich festgelegten Fakten.

Aus diesen Zielen kann man ableiten, dass es einerseits darum geht, den Schüler mit seiner eigenen Verhal-

tensweise zu konfrontieren, andererseits ihm mögliche Verhaltensweisen seiner Kommunikationspartner zu prä-

sentieren, mit denen er sich auseinandersetzen muss. Konflikte, die aus diesem Interaktionsprozess entstehen,

machen es möglich, z.B. durch Aufzeigen von Handlungsvarianten, dem Schüler ein Instrument an die Hand zu

geben, das es ihm ermöglicht, mit diesen Situationen umzugehen bzw. sie zu verändern...“73.

Anwendungen

Rollenspiele sind im Lehrplan verpflichtend vorgeschrieben für WiB 8 LB 2, WiB 9 LB 3 und WiB 10 LB 2:

„Vorstellungsgespräch“.

Der Einsatz des Rollenspiels im Arbeitslehreunterricht

Vorbereitung Die Problemstellung bzw. die Ausgangssituation wird erarbeitet und die Ziele des Rollenspiels festgelegt. Je

nach Lernprozess und Lerngruppe können engere oder weiterreichende Situationen und Rollen vorgegeben

72 Kolb, G. (Hrsg.): Methoden der Arbeits-, Wirtschafts- und Gesellschaftslehre, Farber-Hense: Das

Rollenspiel, S. 27-30, O. Maier Verlag, Ravensburg, 1978. 73 Behrens, G.: Rollenspiel; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980, Friedrich Verlag,

Seelze, S. 73-74.

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werden. In Arbeitsgruppen, die identisch mit den Spielgruppen sein können, werden die Situationsdefinition, die

Rollencharakteristika und eventuell Argumentationen vorbereitet. Die Rollenverteilung kann im Plenum oder in

den Kleingruppen selbständig geschehen. Die ganze Lerngruppe, die Zuschauer oder spezifische Beobachter

erarbeiten Beobachtungskriterien bzw. Leitfragen, die sich auf die Problemstellung beziehen.

Durchführung Ausgehend von den erarbeiteten Kriterien oder den Vorgaben wird das Rollenspiel dargestellt. Nach dieser

ersten Spielszene kann es zu einer weiteren Darstellung mit anderen Mitspielern, aufgrund einer Diskussion aber

auch zur Veränderung des Ablaufs kommen.

Auswertung Für eine Auswertung stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung:

1 Nach jeder kurzen Spielszene kann eine Auswertung stattfinden, Vorschläge der Zuschauer und Spieler

können sofort in der nächsten Spielszene aufgenommen werden, wobei primär die emotional-soziale

Komponente der Rolle in den Vordergrund rückt.

Diskussions- und Auswertungsgrundlage können sein:

Aus der Sicht der Spieler:

Wie habe ich mich erlebt?

Ist mir die Rolle leicht gefallen?

Wie habe ich meinen Interaktionspartner erlebt?

Aus der Sicht der Beobachter:

Wie habe ich die einzelnen Spieler erlebt?

Wie hat die Situation auf mich gewirkt?

Wie wurde aufeinander eingegangen?

Was hätte ich anders gemacht?

Diese Form wird angebracht sein, wenn die Anleitung nur als Einstieg gedacht ist, der weitere Verlauf

des Rollenspiels aber offen bleiben soll.

2 Die Auswertung kann nach einer abgeschlossenen Spieleinheit nach den vorher erarbeiteten oder

vorgegebenen Beobachtungskriterien stattfinden. Spezifische Rollencharaktere, Abhängigkeiten und

Determinanten der Interaktion können herausgearbeitet werden.

Beim Einsatz des Rollenspiels in der Klasse sollten von der Lehrkraft folgende Kriterien beachtet werden:

Es darf nicht inhaltlich überladen sein;

die einzelnen Spielszenen dürfen nicht zu lange dauern;

beim erstmaligen Einsatz sollten kleinere Spieleinheiten eingebracht werden und

es sollten nicht zu viele Schüler in einer Szene mitspielen“74.

Literatur zum Rollenspiel

Kolb, G. Hrsg.) Klaus Farber, Friedrich W. Hense: Methoden der Arbeits-, Wirtschafts- u.

Gesellschaftslehre, O. Maier-Verlag, Ravensburg, 1.Auflage,1978.

Coburn-Staege, U.: Lernen durch Rollenspiel, Theorie u. Praxis für die Schule, Fischer-Verlag,

Frankfurt/M.,1977

Kontrollfragen:

1. Nennen Sie je ein Beispiel für ein spontanes und ein angeleitetes Rollenspiel!

2. Nennen Sie mögliche Beurteilungskriterien für die „Beobachter“ eines Rollenspiels!

3. Wie können Sie den Schwierigkeitsgrad eines Rollenspiels für extrem introvertierte Schülerinnen und

Schüler stark reduzieren?

74 Hoppe, M.: Planspiel; In: Arbeiten und Lernen, Heft 10-10a, Juli/August 1980, Friedrich Verlag,

Seelze, S. 57.

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Projekte

Kaiser und Kaminski definieren die Projektmethode als eine Unterrichtsform, „die getragen von einer Sichtweise

des Unterrichts, bei der von einem zunehmend gleichberechtigten Rollenverständnis von Lehrenden und

Lernenden ausgegangen wird und die Projektgruppe im Sinne einer gemeinsamen Zielsetzung ihre Lern- und

Arbeitsschritte gemeinsam plant, durchführt und reflektiert.“75 Die klassische Form des handlungsorientierten

Unterrichts ist durch eine Reihe von Merkmalen gekennzeichnet. Wenn nur einige dieser Merkmale auf den

Unterricht zutreffen, spricht man vom projektorientierten Unterricht.

Merkmale

Die folgenden Merkmale wurden von Gudjons76 zusammengetragen und liefern eine ausführliche Beschreibung

von Projekten. Manche Autoren fassen einzelne Positionen zusammen, stimmen aber inhaltlich mit Gudjons

größtenteils überein..

Situationsbezug Die Lerninhalte werden nicht fachsystematisch sondern aufgabenbezogen ausgewählt. Maßgeblich ist ihrer

Bedeutung für die Lösung der Aufgabe, so wie sie die Schüler in der Wirklichkeit erleben.

Orientierung an den Interessen der Beteiligten Die Aufgabenstellung soll aus dem aktuellen oder zukünftigen Leben der Schüler entnommen sein und von den

Schülern als bedeutsam anerkannt werden. Die Schüler sollen das Thema mit auswählen und während der

Bearbeitung gegebenenfalls flexibel verändern können, um eine hohe Motivation zu erreichen.

Gesellschaftliche Praxisrelevanz Das Ergebnis dient nicht ausschließlich den Interessen der Schüler, sondern auch der Gesellschaft als Ganzes.

Gesellschaftliche Ziele und Wertvorstellungen dienen als Korrektiv zu willkürlichen Schülerentscheidungen und

fördern den Ernstcharakter. Die Aussicht auf öffentliche Anerkennung steigert die Motivation.

Zielgerichtete Projektplanung Die Aufgabe liefert das Ziel, die Erfolgskriterien und den Beurteilungsmaßstab. Die Schüler planen

Arbeitsschritte und prüfen alle auftretenden Entscheidungen anhand dieser Vorgaben.

Selbstorganisation und Selbstverantwortung Die Schüler sollen möglichst viele Entscheidungen selbst treffen. Besonders bei organisatorischen

Entscheidungen innerhalb eines Projekts mit klaren Erfolgskriterien können die Folgen einzelner

Entscheidungen schnell von den Schülern selbst erkannt und gegebenenfalls korrigiert werden. Die

Verantwortung für den Erfolg oder Misserfolg übernehmen die Schüler nur bei selbsttätigen Entscheidungen.

Einbeziehen vieler Sinne Natürliche Handlungen beziehen viele Sinne ein und verursachen nachhaltige Eindrücke, die das Behalten

fördern. Wenn, wie bei Projektarbeit, sich geistige und manuelle Arbeit notwendigerweise ergänzen, wird der

ganze Mensch gefordert und einseitige Belastung und Ermüdung reduziert.

Soziales Lernen Die gemeinsame Zielsetzung führt in den Gruppen zur Kommunikation zwischen den Schülern und dem Lehrer.

Effektive Verhaltensweisen, wie demokratische Verkehrsformen, unterstützen erkennbar den

Informationsaustausch, die Entscheidungsfindung und die Produktivität. Sie lernen kooperativ Konflikte zu

lösen.

Produktorientiertheit „Am Ende des Projektunterrichts stehen nicht wie im herkömmlichen Unterricht ein mit theoretischem Wissen

überfrachteter Schüler, sondern es stehen Ergebnisse, die Gebrauchs- und Mitteilungswert haben.“77

Vordergründig dienen die Produkte als Grundlage für die Beurteilung der Leistung durch die Schüler selbst, den

Lehrer und die Öffentlichkeit. Für den Lehrer ist aber oft der Weg zum Produkt letztendlich ausschlaggebend.

Als Produkte eignen sich

Aktions- und Kooperationsprodukte ( z.B. Hilfe für Katastrophengebiete)

Vorführungs- und Veranstaltungsprodukte (z.B. Theatervorführung)

Dokumentationsprodukte (z.B. Broschüre)

Ausstellungsprodukte (z.B. Wanderausstellung)

Gestaltungsprodukte (z.B. Schulhof, Klassenzimmer)

75 F.-J. Kaiser, H. Kaminski: Die Projektmethode. In: Methodik des Ökonomieunterrichts. Klinkhardt,

Heilbrunn, 1994, S. 267 76 Herbert Gudjons: Handlungsorientiert lehren und lernen. 4. Aufl., Klinkhardt, Bad Heibrunn, 1994 77 Ludwig Duncker, Götz, Bernd: Projektunterricht als Beitrag zur inneren Schulreform. 2. Aufl.,

Langenau Ulm ,1984, S. 139

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Interdisziplinarität Durch den Systembezug sind die Lerninhalte des Projekts meist verschieden Schulfächern zugeordnet. Aus den

einzelnen Fächern werden die benötigten Informationen mit einbezogen, idealerweise arbeiten die „Fach“-Lehrer

mit. Auf diese Weise kann das Projekt Impulse für viele Fächer liefern und vertiefende Überlegungen anregen.

Die Rolle des Lehrers „Der Lehrer lenkt und leitet das Planen. Er greift ein, wenn Schüler Hilfe brauchen.“[Frey, 1990, S. 182]78 Je

nach Übungs- und Kenntnisstand der Schüler beteiligt sich der Lehrer ordnend und helfend an den Arbeiten.

Durch seine umfassenderen Kenntnisse und Fähigkeiten (Vorbereitung!) behält er den Überblick und kann

Fehlentwicklungen gegebenenfalls verhindern.

Ziele

Neben inhaltlichen Zielen stehen bei Projektarbeit vor allem Schlüsselqualifikationen im Vordergrund. Durch

handlungsorientiertes, problemlösendes Verhalten verbessern die Schüler effektiv ihre Handlungs- und

Entscheidungskompetenz.

Im Hinblick auf die zukünftige berufliche Tätigkeit sind drei Ziele hervorzuheben:

1. „Im Rahmen der Projektarbeit sollen die Schüler insbesondere Fähigkeiten und Fertigkeiten erwerben, die

von ihnen als zukünftiger Facharbeiter verlangt werden.

2. Durch die Projektarbeit sollen extrafunktionale Qualifikationen wie Problemlösungsfähigkeit,

Teamfähigkeit, Denklebendigkeit, Kommunikationsfähigkeit, Planungsfähigkeit, Kreativität, Kritikfähigkeit

und Verantwortungsbewußtsein gefördert werden, die für die Bewältigung der beruflichen Aufgaben an

Bedeutung zunehmen. Dies wird erreicht durch die Grundforderung der Projektarbeit, daß die

Projektgruppen ihre Arbeit so weit wie möglich selbständig und eigenverantwortlich planen und ausführen.

3. Überall dort wo schulisches Lernen in Routinearbeit zu erstarren droht, soll die Projektarbeit diese durch

besondere Aufgabenstellungen und Vorhaben durchbrechen und Arbeit initiieren, die von den Jugendlichen

besondere Denkanstrengungen, Kreativität, Phantasie und Eigeninitiative verlangen.“79

Durchführung

Die vier klassischen Projektschritte Zielsetzung - Planung - Ausführung - Beurteilung erweitern Kaiser u.a. auf

einen 5-stufigen Ablaufplan (s. Bild 5). Eingebaute „Fixpunkte“ sollen Teilabschnitte während des Projekts

markieren, bei denen die bisherigen Ergebnisse vorgestellt, überprüft und evtl. korrigiert werden und sich die

Gruppen neu abstimmen lassen. „Meta-Interaktionen“ (Zwischengespräche) innerhalb einzelner Gruppen helfen

auftretende soziale oder inhaltliche Probleme (Streit, Mutlosigkeit) zu überwinden.

78 Karl Frey: Die Projektmethode. 3. Aufl., Weinheim Basel, 1980 79 F.-J. Kaiser, H. Kaminski: Die Projektmethode. In: Methodik des Ökonomieunterrichts. Klinkhardt,

Heilbrunn, 1994, S. 271 f

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Bild 5: Verlaufsstruktur der Projektmethode80

Beurteilung projektorientierten Arbeitens

Neben den abfragbaren kognitiven Lerninhalten kann auch die Handlungs- und Entscheidungskompetenz

einzelner Schüler beurteilt werden. Probleme bereitet hier

die individuelle Bewertung, da die Schüler meist in Gruppen arbeiten und aufgrund der Aufgabenstellung

das gemeinsame Produkt im Vordergrund steht, das die individuelle Leistung oft nicht mehr erkennen läßt;

die Wirkung der Beurteilung auf die Motivation einzelner Schüler, da der Freiraum wieder eingegrenzt

wird;

der möglicher Leistungsdruck, der kontraproduktiv zu sozialem Lernen stehen kann und

fehlende Standardisierung und Grundlegung der Beurteilung von Handlungs- und

Entscheidungskompetenzen im Unterricht und in den Zeugnissen.

80 Kaiser, Brettschneider, Flottmann: , 1993, S. 136

3. Projektplan Hier sind die konkreten Pläne zu schmieden. Was soll tatsächlich von wem in welcher Form und Zeit angepackt werden?

1. Projektinitiative Betätigungsvorschlag - inhaltlich noch nicht mehr als höchstens skizziert. Kann von einem Außenstehenden, einem Mitglied der Lerngruppe, dem Lehrer kommen.

2. Auseinandersetzung mit der Initiative Verwerfen oder Aufgreifen der Initiative innerhalb eines zuvor vereinbarten Zeitrahmens. Skizzierung möglicher Inhalte und Tätigkeiten.

5. Abschluss des Projektes Je nach Gegenstand des Projekts:

• bewußter Abschluß durch eine Aufführung, Ausstellung o. ä.

• es kann auslaufen

• es kann bereichernd in den Alltag münden (z.B. Wenn das Projekt eine Änderung des Sozialverhaltens zum Gegenstand hatte)

• es kann durch eine Rückkopplung mit der Initiative beendet werden, etwa durch den Vergleich der erworbenen mit den zuvor vorhandenen Fähigkeiten

4. Projektdurchführung Die zuvor geplanten Schritte sind nun ‚aufzuarbeiten‘. Dabei können, bzw. müssen im Laufe der Durchführung je nach Bedarf die nebenstehenden Zwischenschritte eingebaut werden.

4.1 Fixpunkt Er dient dazu, Teilergebnisse vorzustellen und abzustimmen, den Zeitverlauf zu überprüfen, ggf. Revisionen vorzunehmen usw.

4.2 Zwischengespräch Hier sollen Fragen der Zusammenarbeit der Gruppe, auftretende und unvorhersehbare Probleme des Umgangs miteinander geklärt werden.

2. Auseinandersetzung mit der Initiative Verwerfen oder Aufgreifen der Initiative innerhalb einer zuvor vereinbarten Zeitspanne. Skizzierung möglicher Inhalte und Tätigkeiten. (Ideensammlung)

Nach Kaiser/ Brettschneider/ Flottmann 1993, S. 136

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Um die Methoden-, Sach- und Sozialkompetenz zu beurteilen, müssen die Bewertungsmerkmale dem

Schüleralter, der Schülerpersönlichkeit und den schulischen Anforderungen des einzelnen Projektes entsprechen.

Bild 6 zeigt ein Beispiel eines Beurteilungsbogens, bei dem den einzelnen Projektphasen Bewertungskriterien

zugeordnet sind. Die Bewertung muss mit den Schülern abgesprochen werden und sollte nur bei größeren

Projekten, die länger als zwei Wochen dauern, angewandt werden.

Lehrkraft, Eltern und Schüler erhalten mit Hilfe dieser Bögen eine Rückmeldung über die Stärken und

Schwächen des Schülers während des gesamten Projektverlaufs.

Beurteilungsbogen für den Projektunterricht

Name, Vorname: Projekt

Beurteilungszeitraum: bis Klasse

Beurteilungsmerkmal Merkmalsausprägung (zutreffende Punktzahl einrahmen)

Informieren alle Informationen werden selbständig besorgt

wesentliche Informationen werden alleine erarbeitet

Schwierigkeiten bei der Informationsbeschaffung

selbständige Informationsbeschaffung fehlt

3

2

1

0

Hinweise:

Planen, Entscheiden plant systematisch und zielorientiert

plant meist zielorientiert

verliert häufig den Überblick

Planung fehlt

3

2

1

0

Hinweise:

Ausführen hält sich an die geplanten Arbeitsschritte und arbeitet zügig

(auch schriftlich)

hält sich im allgemeinen an die geplanten Arbeitsschritte

benötigt noch zusätzliche Anweisungen

benötigt durchwegs Hilfestellungen

3

2

1

0

Hinweise:

Qualität, Kontrolle Arbeitsergebnis entspricht voll den Anforderungen; Arbeit wird

selbständig überprüft

Arbeitsergebnis entspricht den Anforderungen

Anlaß zu Beanstandungen

Ergebnis entspricht nicht den Anforderungen

3

2

1

0

Hinweise:

Arbeitsstil, Teamarbeit bleibt bei der Sache, arbeitet mit anderen gut zusammen,

argumentiert überzeugend

bleibt meist bei der Sache, arbeitet mit anderen zusammen

bleibt noch nicht beständig bei der Sache

zu leicht ablenkbar, keine Teamarbeit

3

2

1

0

Hinweise:

Präsentation verbal und optisch (Medien) gut verständlich und kritisch

präsentiert

Wesentliches gut verständlich vorgestellt

die Arbeit wird nur in Teilbereichen vorgestellt

Präsentation fehlt

Hinweise:

Datum Gesamtpunktzahl Note

Bild 6: Beispiel eines Beurteilungsbogens für den Projektunterricht81

Literatur zum Projekt:

Franz-Josef Kaiser, Hans Kaminski, Methoden des Ökonomieunterrichts, Bad Heilbrunn 1994

Herbert Gudjons: Handlungsorientiert lehren und lernen. 4. Auflage. Bad Heilbrunn 1994

81 Innovative Formen des Lehrens und Lernens. - Handreichung - . Hrsg: Studienkreis Schule-

Wirtschaft Bayern. Schrifenreihe des bbw Band 23. München 1993, S. 37

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Karl Frey: Die Projektmethode. 3. Auflage. Weinheim, Basel 1990

Dagmar Hänsel, Müller. H.: Das Projektbuch Sekundarstufe. Weinheim 1988

Roland Dörfler, Andreas Gmelch: Praxis 7 Arbeit – Wirtschaft – Technik, Lehrerband mit Kopiervorlagen.

Westermann. Braunschweig 2005.

Kontrollfragen:

1. Nennen Sie je ein Beispiel für ein Projekt im WuB - Unterricht!

2. Formulieren Sie eine geeignete Problemstellung für dieses Projekt aus der auch die Qualitätskriterien

des zu erstellenden Produktes ersichtlich sind!

3. Wie können Sie den Schwierigkeitsgrad eines Projektes für besonders leistungsfähige Schülerinnen und

Schüler anheben?

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Zukunftswerkstatt82

Die Zukunftsforscher und Friedenskämpfer Robert G. Jungk und sein Mitarbeiter Norbert Müllert entwickelten

in den 60iger Jahren die Methode (hier Unterrichtsverfahren) der Zukunftswerkstatt. Die Ansätze der

amerikanischen und europäischen Studentenbewegungen wurden von Bürgerinitiativen aufgegriffen, um

konstruktive Lösungen für soziale und ökologische Probleme zu liefern. Die Zukunftswerkstatt wurde 1997 im

bayerischen Hauptschullehrplan erstmalig erwähnt.

Merkmale

Nach Apel (1996) handelt es sich bei Zukunftswerkstätten um Zusammenkünfte von Bürgerinnen und Bürgern

bzw. Betroffenen, die mit Hilfe kreativer, moderierter Workshoptechniken gemeinsam versuchen, Strategien zur

Lösung eines Problems im Sinne einer besseren Zukunft zu erarbeiten. Dies geschieht gedanklich, verbal und

handwerklich.

Zukunftswerkstätten bestehen aus mindestens 3 Phasen:

Die Kritikphase, in der bestehende Missstände aufgedeckt werden,

der Utopie- bzw. Fantasiephase, in der ideale zukünftige Zustände kreativ entwickelt werden und

der Realisierungsphase, in der Unsetzungsstrategien der Utopien entwickelt werden83.

Anwendungen

Die Zukunftswerkstatt ist im Lehrplan verpflichtend vorgeschrieben für WiB 8 LB 2 Berufswegplanung und

WiB 8 LB 2 Reflexion des eigenen schulischen Leistungsvermögen.

Ziele

„In Zukunftswerkstätten sollen Menschen alternative Zukunftsvisionen und Strategien zur Realisierung

entwickeln. Auf diese Weise soll Zukunft als offen und gestaltbar erlebt werden und nicht als schicksalhafte

Fortschreibung gegenwärtig gefährdender Entwicklungen …“84

Im Hauptschullehrplan ist eine Zukunftswerkstatt im Rahmen der Berufs- und Lebensplanung in M-Klassen

(M8) vorgesehen. In Haupt- und Förderschulen bieten sich darüber hinaus viel komplexe Themenbereiche an,

die mit Zukunftswerkstätten thematisiert werden können, z. B.:

Arbeits- und Berufswelt, z. B. arbeiten in der im Jahr 2040 (Automatisierung, Globalisierung)

Soziale Gesellschaft, z. B. Leben im Alter und bei Krankheit (Dienstleistungen, Finanzierung)

Umwelt, z. B. Energieversorgung, Elektrosmog, Abfallentsorgung

Durchführung85

Das Strukturmodell einer Zukunftswerkstatt kann nach Weinbrenner/Häcker86 in fünf Abschnitte gegliedert

werden.

Vorbereitungsphase In der Vorbereitungsphase wird das Thema festgelegt. Es soll alle Beteiligten betreffen, als lösungsbedürftig und

auch als grundsätzlich lösbar angesehen werden. Als Raumausstattung werden ein Sitzkreis, Tafeln, Stellwände,

Platz zum Aufhängen von Plakaten und evtl. Rückzugsmöglichkeiten zur Entspannung bereitgestellt. Ideal

wären z. B. die Räumlichkeiten in einem Schullandheim. Als Arbeitsmaterial benötigt man Schreibzeug, große

Papierbögen für Plakate, Klebeband zum Aufhängen, einen PC mit Drucker und evtl. eine Kopiermöglichkeit.

Die ideale Gruppengröße beträgt 20 Personen. Sind es mehr Teilnehmer, sollten mehrere Moderatoren und

Gruppenräume organisiert werden. Kleingruppen bis zu drei Personen sollten sich in Nischen oder andere

Räume zurückziehen können. Die Zeitplanung muss sicherstellen, dass die drei Hauptphasen (Kritik-, Fantasie-

und Verwirklichungsphase) in jedem Fall durchlaufen werden. Gruppen mit unbekannten Teilnehmern sollten

sich zunächst einstimmen, d. h. sich kennen lernen können und die Geschichte, die Zielsetzung und den Ablauf

bzw. die Spielregeln der einzelnen Phasen des Verfahrens vorgestellt bekommen.

82 vgl. Kathrin Pfeufer: Das Unterrichtsverfahren der Zukunftswerkstatt. Zulassungsarbeit an der TU-

München, Lehrstuhl für Ergonomie, 2001 83 vgl. Weber, Birgit: Zukunftswerkstatt. In: Schweizer, G., Selzer, H.M. Hrsg.: Methodenkompetenz

lehren und lernen. Röll, Dettelbach 2001, S. 245 84 Weber, Birgit: Zukunftswerkstatt. In: Schweizer, G., Selzer, H.M. Hrsg.: Methodenkompetenz lehren

und lernen. Röll, Dettelbach 2001, S. 245-250 85 vgl. Dörfler, Gmelch 2005, S. 15 86 Peter Weinbrenner, Häcker, W.: Theorie und Praxis von Zukunftswerkstätten. In: Olaf-Axel Burow,

Neumann-Schönwetter, M.N. (Hrsg.): Zukunftswerkstatt in Schule und Unterricht. Bergmann+Helbig, Hamburg, 1997, S. 26ff

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Kritikphase Hier sollen möglichst präzise und radikal bestehende Missstände und ungelöste Probleme in drei Schritten

aufgedeckt werden.

1. Kritiksammlung

Durch provozierende Leitfragen der Lehrkraft bzw. der Moderatoren sollen die Schüler Kritikpunkte und

Problem z. B. auf Handzetteln oder einem gemeinsamen Plakat in kurzen Stichworten sammeln.

Verschiedenste Ängste und Sorgen werden, angeregt durch die Äußerungen anderer Schüler, aufgedeckt und

bewusst gemacht.

2. Systematisierung und Bewertung

Die einzelnen Kritikpunkte werden zu Problembereichen zusammengefasst. Die Bereiche können

anschließend von der Klasse nach Dringlichkeit und Wichtigkeit bewertet werden, indem z. B. jeder 5

Punkte nach seinen Interessen vergeben kann.

3. Thematische Schwerpunkte bilden

Die als vorrangig bewerteten Problembereiche werden präzisiert und deutlich sichtbar, z. B. auf einem

großen Plakat als Ergebnis der Kritikphase zusammengestellt.

Fantasiephase In der Fantasiephase sollen möglichst kreative Lösungen für die aufgedeckten Probleme der Kritikphase

gefunden werden, um so eine positive Stimmung bei den Schülern zu erreichen. Die Spielregeln erlauben

ausdrücklich auch utopische Lösungen, so als ob beliebig viel Geld und Macht verfügbar wäre. Kritik ist nicht

erlaubt!

Es kann in vier Einzelschritten vorgegangen werden:

1. Kritikpunkte positiv umformulieren

Zu jedem Kritikpunkt wird eine positive Alternative formuliert. Diese Alternativen liefern Anregungen für

umfassendere, kreative Vorstellungen.

2. Brainstorming

Die Schüler sollen möglichst phantasievolle Vorschläge einer idealen Zukunft entwickeln, ohne an die

Machbarkeit oder Zwänge durch Vorschriften zu denken. Alles ist machbar, alles ist möglich (s. Kapitel

Brainstorming!).

3. Systematisierung und Bewertung

Die Ideen werden nun geordnet und, evtl. wieder durch Punktevergabe, bewertet.

4. Ausarbeitung und Konkretisierung eines utopischen Entwurfs

Dieser Schritt erfolgt in Kleingruppen, die die ausgewählten Ideen eines idealen Zustandes präzisieren und

ausarbeiten. Jede Gruppe stellt ihr Ergebnis möglichst eindrucksvoll (z. B. durch Rollenspiel,

Kurzgeschichte, Gedicht, Comic, Gruppenbild…) vor.

Verwirklichungsphase Hier sollen die utopischen Zukunftsentwürfe mit der Realität konfrontiert und Realisierungsmöglichkeiten

gefunden werden. Der ideale Zustand ist das (ferne) Ziel, das möglichst weitgehend erreicht werden soll. Mit

Fantasie und Einfallsreichtum sollen möglichst vielfältige, neuartige und Erfolg versprechende Wege gefunden

werden. Auch diese Phase ist in einzelne Schritte, die z. T. in Gruppenarbeit gelöst werden, gegliedert:

1. Kritische Prüfung der utopischen Entwürfe

In einer Recherche werden bereits bestehende Lösungsmöglichkeiten zusammengestellt und

Umsetzungsprobleme benannt. Fragen, wie „Was lässt sich heute schon realisieren?“ oder „Was wird bei

der Umsetzung Probleme bereiten?“ oder „Wie beurteilen Experten die Erfolgschancen?“, helfen bei der

systematischen Analyse.

2. Entwicklung von Durchsetzungsstrategien

Auch hier können Fragen, z. B. „Woran muss unbedingt festgehalten werden?“, Wie müsste vorgegangen

werden, um zumindest Teile zu retten?“87, helfen Strategien zu finden.

3. Planung eines gemeinsamen Projektes oder einer Aktion

Mit konkreten Handlungsplänen schließt die Zukunftswerkstatt. Die gefundenen Lösungen sollen als

Ergebnis (s. handlungsorientierter Unterricht!) gemeinsam in Angriff genommen werden.

Nachbereitungsphase Eine Zukunftswerkstatt ist der Beginn gezielter Aktionen, die in der folgenden Zeit durchgeführt werden. Es

empfiehlt sich, in gewissen Zeitabständen die Fortschritte immer wieder zu überprüfen und die in der

Zukunftswerkstatt gefundenen Überlegungen, Strategien und Ziele mit dem Erreichten zu vergleichen.

Literatur zur Zukunftswerkstatt:

Kathrin Pfeufer: Das Unterrichtsverfahren der Zukunftswerkstatt. Zulassungsarbeit an der TU- München,

Lehrstuhl für Ergonomie, 2001

87 weitergehende Fragen bei Robert Jungk, Müllert, N. R.: Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen

Routine und Resignation. München. 1989, S. 129

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Roland Dörfler, Andreas Gmelch: Praxis 7 Arbeit – Wirtschaft – Technik, Lehrerband mit Kopiervorlagen.

Westermann. Braunschweig 2005. S. 14-15

Robert Jungk, Müllert, N. R.: Zukunftswerkstätten. Mit Phantasie gegen Routine und Resignation. München.

1989

Olaf-Axel Burow, Neumann-Schönwetter, M.N. (Hrsg.): Zukunftswerkstatt in Schule und Unterricht.

Bergmann+Helbig, Hamburg, 1997

Weber, Birgit: Zukunftswerkstatt. In: Schweizer, G., Selzer, H.M. Hrsg.: Methodenkompetenz lehren und

lernen. Röll, Dettelbach 2001

Kontrollfragen:

1. Nennen Sie je ein Beispiel für eine Zukunftswerkstatt im WuB - Unterricht!

2. Formulieren Sie eine geeignete Problemstellung für diese Zukunftswerkstatt aus der auch die

Qualitätskriterien der zu erreichenden Lösungsvarianten ersichtlich sind!

3. Warum wird die Phantasiephase nach der Kritikphase durchgeführt?

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Leittexte88

Definition „Leittexte sind schriftliche Anleitungen, mit deren Hilfe die Lernenden, durch Fragen geführt, weitgehend mehr

oder weniger komplexe Aufgaben oder Projekte bearbeiten.“ (Ulrich Müller)

Zielsetzung Die Leittexte leiten durch Fragen die Erkundung in der Realität oder die Erarbeitung mit verschiedenen Medien

an und führen so zu einem Lernerfolg durch `vollständiges Handel` (ein Handeln das alle Teilschritte von der

Planung über die Durchführung bis zur Kontrolle umfasst).

Zentrale Ziele sind: Förderung von Selbstständigkeit, Befähigung zur Teamarbeit Entwicklung von

Problemlösungskompetenzen.

Anwendung Die Leittextmethode kann eingesetzt werden um komplexe Sachverhalte zu vermitteln (z.B. Kenntnisse über

Organisationsstrukturen) und um Schlüsselqualifikationen wie Selbstständigkeit, Planungs- und

Problemlösungskompetenzen und Kooperationsfähigkeit erwerben zu lassen. (Alsheimer/ Müller/ Papenkort

1996, Lesekarte „Leittext“)

Die Leittextmethode ist im Lehrplan verpflichtend vorgeschrieben z. B. für WiB 7 LB 2 Erkundung eines

betrieblichen Arbeitsplatzes durch die Leittextmethode, WiB 7 LB 1, Markterkundung anhand der

Leittextmethode und im Falle einer Gruppenerkundung für WiB 9 LB 4, als Vorbereitung der

Gruppenerkundung.

Verfahrensweise

Die Leittexte sind entsprechend Hackers Theorie der „vollständigen Handlung“89 in sechs Phasen gegliedert:

1. Informieren: Klären der Aufgabenstellung und beschaffen der benötigten Informationen

2. Planen: Mit Hilfe der Leitfragen den Arbeitsablauf festlegen, d. h. einen Arbeitsplan erstellen.

3. Entscheiden: Absprache und Freigabe des Arbeitsplanes mit der Lehrkraft.

4. Ausführen: Selbständiges Lösen der Aufgabe mit „Unterstützung“ der Lehrkraft.

5. Kontrollieren: Möglichst selbständige Kontrolle der Ergebnisse durch die Lernenden. Die Lehrkraft

kann hier ebenfalls unterstützend mithelfen.

6. Bewerten: Lehrkraft und Lernende bewerten gemeinsam die Ergebnisse. Stärken und Schwächen

werden analysiert und das weitere Vorgehen (Weiterführung, Schließen von Lücken u. ä.) beschlossen.

Elemente des Leittextes

Leittexte enthalten meist folgende Systemelemente90:

- Leitfragen dienen zur Orientierung, Steuerung und Überprüfung der Planung und Durchführung der

Aufgabe.

- Leitsätze enthalten zusammengefasste Informationen, die die Bearbeitung erleichtern.

- Vorbereitete Arbeitsblätter, die den zu erstellenden Arbeitsplan (Ablaufschritte) vorstrukturieren.

- Kontrollbögen dienen mit ihren Fragen der selbständigen Erfolgskontrolle.

Vorteile: - eigenständiges methodisches Handeln der Schüler

- Entwicklung von selbstorganisiertem Lernen

- Erwerb von Schlüsselqualifikationen (Selbstständigkeit. Planungs- und Problemlösungskompetenzen)

Nachteile: - großer Aufwand für Einarbeitung in die Methode und Entwicklung von Leittexten

Literatur: - Ulrich Müller: Leittext-Methode, in: Gerd Schweizer, Helmut M. Selzer (Hgg.): Methodenkompetenz

lehren und lernen, Dettelbach 2001, S. 155-161.

- Finger, A./ Schweppenhäußer, A. (1996): Leittexte und minimale Leittexte, in: Greif/Kurtz 1996, S. 99-

108.

88 vgl. Ulrich Müller: Leittextmethode. In: Methodenkompetenz lehren und lernen. Hrsg.: Gerd

Schweizer, H.M. Selzer. Röll, Dettelbach, 2001. S. 155-159 89 W. Hacker: Arbeitspsychologie. VEB Verlag der deutschen Wissenschaften. Berlin 1986 90 vgl. Möller, D.: Die Leittextmethode – eine Methode zur Organisation selbständiger Lernprozesse?

Paderborn 1999

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- Möller, D. (1999): Die Leittextmethode-eine Methode zur Organisation selbstständiger Lernprozesse?

Paderborn.

Kontrollfragen:

1. Durch welche Merkmale des Leittextes wird der Schwierigkeitsgrad einer Problemstellung reduziert?

2. In welcher Phase der Leittextmetode hat die Lehrkraft entscheidenden Einfluss auf den

Problemlösungsweg der Schülerinnen und Schüler?

3. Wie wird bei der Leittextmethode das „Feedback“ für Schülerinnen und Schüler unterstützt?

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Schülerfirma91

Definition: Schülerfirmen sind von Schülern gegründete Firmen in Form eines Schulprojektes, in denen wie in einem

Betrieb gearbeitet wird. Schüler planen, produzieren und verkaufen Produkte und / oder bieten Dienstleistungen

an. Durch das Agieren in einer Schülerfirma sollen die Schüler auf den Beruf vorbereitet werden sowie

Eigeninitiative entwickeln.

Zielsetzung: „Es geht bei der Schülerfirma nicht darum, Schüler zu Unternehmern zu machen (…). Es geht darum Schüler zu

stimulieren, selbst aktiv zu werden, sich etwas vorzunehmen (…), dabei aber die Machbarkeit, die Kosten, die

Beschaffung der Mittel mit einzubeziehen. Die Durchsetzung, die Überprüfung an der Wirklichkeit, die

Bestätigung durch Erfolg wird angestrebt.“ (Rennie 1992)

Anwendung: Die Schülerfirma kann im Rahmen des Unterrichts vorbereitet und geplant werden, sollte sich dann jedoch zu

einem Projekt entwickeln, das über einen längeren Zeitraum (1 Schuljahr) außerhalb der Unterrichtszeit

umgesetzt aber weiterhin von einer Lehrkraft betreut wird.

Die Schülerfirma ist im Lehrplan verpflichtend vorgeschrieben für WiB 10 LP 1, Schüler gründen eine

Schülerfirma.

Verfahrensweise: Die drei Phasen einer Schülerfirma:

Planung: Entwicklung der Geschäftsidee, Schließen von Arbeitsverträgen, Suche einer Patenfirma, Marktanalyse,

Ablauforganisation, Aufbauorganisation/ Gehaltsstruktur, Lagerkarte (Was braucht/ hat man?), Anschaffung von

Geräten/ Materialien, Klärung der Rechtsfragen, Startkapital/ Aktienverkauf, Gewinnanlage,

Gesellschaftsversammlung, Werbung

Durchführung: Bekanntgabe der Firmengründung, Beginn der Produktion/ der Dienstleistungen, Umfragen, Firmensitzungen

(Was läuft wie geplant, was ist zu ändern, hat man sich verkalkulier? Ausarbeitung von Problemlösungen evtl.

auch mit Hilfe der Patenfirma), Hauptversammlung (mit den Aktionären),Auflösen der Schülerfirma

Endauswertung: Die Schüler berichten, ob sich die Firma entwickelt hat wie erwartet oder nicht und was die Faktoren der

Entwicklung waren. Rückblickend wird die Schülerfirma analysiert und bewertet und gegebenenfalls mit Lehrer/

Patenfirma Verbesserungsmöglichkeiten diskutiert.

Vorteile:

Vorbereitung auf die berufliche Wirklichkeit/ Berufswahl (Bewerbungsgespräch,

Arbeitsvertragsabschluss, Betriebsrat… können durchgespielt werden)

Vermittlung von ökonomischem Grundwissen

Kooperation von Schule und Wirtschaft vor Ort

Öffnung der Schule nach außen bewirkt neue Möglichkeiten des Lernens

Nachteile:

immenser Zeitaufwand v.a für Schüler in leitenden Positionen und die betreuende Lehrkraft

erfordert von allen Schülern ein sehr hohes Maß an Selbstständigkeit, Disziplin und Einsatzbereitschaft

bei schlechter Planung kann eine Schülerfirma zum totalen Fehlschlag werden

Literatur zur Schülerfirma:

Heinz Kociubski: Juniorfirma, in: Gerd Schweizer, Helmut M. Selzer (Hgg.): Methodenkompetenz

lehren und lernen, Beiträge zur Methodendidaktik in Arbeitslehre, Wirtschaftslehre,

Wirtschaftsgeographie, Dettelbach 2001, S. 137-147.

Die Schüler-Firma, Fit machen für`s Berufsleben, LBS Ordner

Reetz, L.: Konzeptionen der Lernfirma, in: Wissenschaft und Erziehung, H. 11, 1986

Institut der deutschen Wirtschaft (Hg.) Junior Projekthandbuch, S.7. 1996

91 Heinz Kociubski: Juniorfirma, in: Gerd Schweizer, Helmut M. Selzer (Hgg.): Methodenkompetenz lehren und

lernen, Beiträge zur Methodendidaktik in Arbeitslehre, Wirtschaftslehre, Wirtschaftsgeographie, Dettelbach

2001, S. 137-147.

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Kontrollfragen:

1. Nennen Sie ein Beispiel für eine Schülerfirma!

2. Wie unterscheidet sich eine Schülerfirma von einer realen Firma?

3. An welchen Zielen sollen sich die Schülerinnen und Schüler während der Arbeit in einer Schülerfirma

orientieren?