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Im Handschuhsheimer Jahrbuch beschäftigten sich schon von Anfang an viele Artikel mit der Handschuhsheimer Ge- schichte. In der Geschichtswissenschaft wird erforscht, was in der Vergangenheit geschah und wie dies die Entwicklung bis zur Gegenwart beeinflusst hat. Wir wollen im Jubiläums- jahr die Geschichte einmal anders untersuchen. Wir haben uns nicht gefragt, was in Handschuhsheim in der Vergangen- heit geschehen ist, sondern was nicht geschehen ist: Was gab es in Handschuhsheim in der Vergangenheit an Ideen, Planungen und Beschlüssen, die nicht umgesetzt wurden, weil sie von den Handschuhsheimern verhindert wurden? Und wie sähe Handschuhsheim heute aus, wenn diese Pla- nungen nicht verhindert, sondern verwirklicht worden wä- ren ? Es gibt den sinnigen Spruch: „Nicht stattgefundene Ereig- nisse ziehen eine unübersehbare Kette ausgebliebener Fol- gen nach sich.“ So wie die Zukunft nicht exakt vorhersehbar ist, können natürlich auch nicht stattgefundene Entwicklun- gen in der Vergangenheit nicht exakt beschrieben werden. Trotzdem haben wir versucht, dies mit den heutigen digita- len Möglichkeiten so gut es geht darzustellen. Die Ergeb- nisse haben uns selbst überrascht und so haben wir uns ent- schlossen, eine Auswahl der für die Entwicklung Hand- schuhsheims wichtigen „nicht stattgefundenen Ereignisse“ und ihren Einfluss auf die Gegenwart im Folgenden etwas näher dazustellen. 1 Geplanter Abriss der Tiefburg Schon vor 115 Jahren gab es „fortschrittliche“ Straßenplaner. Im Vorgriff auf die geplante Eingemeindung Handschuhs- heims nach Heidelberg sollte damals das Straßennetz im Zentrum Handschuhsheims „optimiert“ werden. Dazu gab es 1899 Pläne, die damalige Mittelstraße (heute Steubenstra- ße) direkt auf die kurz zuvor neu angelegte Burgstraße durchzubinden. Dazu hätte man zwar die Tiefburg abreißen müssen, was der damaligen Ortsbaukommission aber an- scheinend keine weiteren Probleme bereitete. Die Tiefburg war damals eine alte, ziemlich verfallene Ruine und die Stra- ßenplaner waren der Meinung, dass eine solche Ruine einer modernen Straßenplanung nicht im Weg stehen dürfe. Die Nachricht vom geplanten Abriss der Tiefburg verbreitete sich allerdings schnell. Wie Dr. Thomas F. Mertel im Jahr- buch Handschuhsheim 2013 anschaulich beschreibt 1 , war es u.a. der bekannte Prof. Karl Pfaff, der als ehrenamtlicher Bezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmale in einem Brief vom 13.10.1899 an den Großherzoglichen Konserva- tor und Oberbaurat Prof. Philipp Kircher sein Unverständnis darüber ausdrückte, dass „die Ruine der Tiefburg Hand- schuhsheim … einer Straße weichen soll.“ Er sprach in die- sem Zusammenhang von einem „Akt der Barbarei, wenn ein solch geschichtliches Denkmal von solch malerischem Charakter vernichtet werden sollte.“ Zum Glück setzten sich damals die Gegner dieser Straßenplanung durch. Die Dis- kussion ging allerdings über mehrere Jahre. Erst 1904 wurde eine Ergänzung des Ortsbauplans beantragt, in dem nun die Straßen um die Tiefburg herum geplant wurden. 1907 wurde dann die westliche, 1910 bis 1912 die östliche Straße um die Tiefburg herum gebaut und die Tiefburg ab 1912 restauriert. Auch 115 Jahre später steht die Tiefburg deshalb noch und ist seither ein Ortsmittelpunkt, der gerade in den letzten Jahren durch die teilweise Befreiung seines Vorplatzes von parken- den Autos aufgewertet wurde. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie es heute an dieser Stelle wohl aussehen würde, wenn den damaligen Straßen- planern kein Einhalt geboten worden wäre. Das Ergebnis zeigen die Bilder 2 und 4. Jahrbuch 2013 1 Geschichte einmal anders So könnte Handschuhsheim heute aussehen, wenn nicht … – Petra Bauer und Dieter Teufel – 1 Mertel, T.F., Die Restaurierung der Tiefburg in Handschuhsheim 1911-1913, Jahrbuch Handschuhsheim 2013, S. 9ff Bild 1: Tiefburg heute von der Steubenstraße aus Bild 2: So könnte es heute im Ortszentrum ohne Tiefburg aussehen: Blick vom selben Standort wie Bild 1 von der Steu- benstraße nach Norden (Fotomontage)

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Im Handschuhsheimer Jahrbuch beschäftigten sich schonvon Anfang an viele Artikel mit der Handschuhsheimer Ge-schichte. In der Geschichtswissenschaft wird erforscht, wasin der Vergangenheit geschah und wie dies die Entwicklungbis zur Gegenwart beeinflusst hat. Wir wollen im Jubiläums-jahr die Geschichte einmal anders untersuchen. Wir habenuns nicht gefragt, was in Handschuhsheim in der Vergangen-heit geschehen ist, sondern was nicht geschehen ist: Wasgab es in Handschuhsheim in der Vergangenheit an Ideen,Planungen und Beschlüssen, die nicht umgesetzt wurden,weil sie von den Handschuhsheimern verhindert wurden?Und wie sähe Handschuhsheim heute aus, wenn diese Pla-nungen nicht verhindert, sondern verwirklicht worden wä-ren ?

Es gibt den sinnigen Spruch: „Nicht stattgefundene Ereig-nisse ziehen eine unübersehbare Kette ausgebliebener Fol-gen nach sich.“ So wie die Zukunft nicht exakt vorhersehbarist, können natürlich auch nicht stattgefundene Entwicklun-gen in der Vergangenheit nicht exakt beschrieben werden.Trotzdem haben wir versucht, dies mit den heutigen digita-len Möglichkeiten so gut es geht darzustellen. Die Ergeb-nisse haben uns selbst überrascht und so haben wir uns ent-schlossen, eine Auswahl der für die Entwicklung Hand-schuhsheims wichtigen „nicht stattgefundenen Ereignisse“und ihren Einfluss auf die Gegenwart im Folgenden etwasnäher dazustellen.

1 Geplanter Abriss der TiefburgSchon vor 115 Jahren gab es „fortschrittliche“ Straßenplaner.Im Vorgriff auf die geplante Eingemeindung Handschuhs-heims nach Heidelberg sollte damals das Straßennetz imZentrum Handschuhsheims „optimiert“ werden. Dazu gabes 1899 Pläne, die damalige Mittelstraße (heute Steubenstra-

ße) direkt auf die kurz zuvor neu angelegte Burgstraßedurchzubinden. Dazu hätte man zwar die Tiefburg abreißenmüssen, was der damaligen Ortsbaukommission aber an-scheinend keine weiteren Probleme bereitete. Die Tiefburgwar damals eine alte, ziemlich verfallene Ruine und die Stra-ßenplaner waren der Meinung, dass eine solche Ruine einermodernen Straßenplanung nicht im Weg stehen dürfe.

Die Nachricht vom geplanten Abriss der Tiefburg verbreitetesich allerdings schnell. Wie Dr.  Thomas F. Mertel im Jahr-buch Handschuhsheim 2013 anschaulich beschreibt 1, wares u.a. der bekannte Prof. Karl Pfaff, der als ehrenamtlicherBezirkspfleger der Kunst- und Altertumsdenkmale in einemBrief vom 13.10.1899 an den Großherzoglichen Konserva-tor und Oberbaurat Prof. Philipp Kircher sein Unverständnisdarüber ausdrückte, dass „die Ruine der Tiefburg Hand-schuhsheim … einer Straße weichen soll.“ Er sprach in die-sem Zusammenhang von einem „Akt der Barbarei, wenn einsolch geschichtliches Denkmal von solch malerischemCharakter vernichtet werden sollte.“ Zum Glück setzten sichdamals die Gegner dieser Straßenplanung durch. Die Dis -kussion ging allerdings über mehrere Jahre. Erst 1904 wurdeeine Ergänzung des Ortsbauplans beantragt, in dem nun dieStraßen um die Tiefburg herum geplant wurden. 1907 wurdedann die westliche, 1910 bis 1912 die östliche Straße um dieTiefburg herum gebaut und die Tiefburg ab 1912 restauriert.

Auch 115 Jahre später steht die Tiefburg deshalb noch und istseither ein Ortsmittelpunkt, der gerade in den letzten Jahrendurch die teilweise Befreiung seines Vorplatzes von parken-den Autos aufgewertet wurde.

Wir haben uns Gedanken gemacht, wie es heute an dieserStelle wohl aussehen würde, wenn den damaligen Straßen-planern kein Einhalt geboten worden wäre. Das Ergebniszeigen die Bilder 2 und 4.

Jahrbuch 2013 1

Geschichte einmal andersSo könnte Handschuhsheim heute aussehen, wenn nicht …

– Petra Bauer und Dieter Teufel –

1 Mertel, T.F., Die Restaurierung der Tiefburg in Handschuhsheim 1911-1913, Jahrbuch Handschuhsheim 2013, S. 9ff

Bild 1: Tiefburg heute von der Steubenstraße aus Bild 2: So könnte es heute im Ortszentrum ohne Tiefburgaussehen: Blick vom selben Standort wie Bild 1 von der Steu-benstraße nach Norden (Fotomontage)

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2 Erweiterung der BäumengasseIn einem lesenswerten Bericht über den ehemaligen Burg-garten der Tiefburg beschreibt Dr. Jürgen Keidel eine interes-sante Geschichte, die ebenfalls bis in die heutige Zeit nach-wirkt:2 Im Jahr 1893 plante die Gemeinde eine neue 10 mbreite Straße zwischen der damaligen Dorfgrabenstraße(heute Friedenstraße) und der Dossenheimer Landstraße imBereich Schlösschen. Zwischen Dorfgrabenstraße und demheutigen Haus Bäumengasse 5 war das Gelände damals un-bebaut. Die Bewohner dieses Hauses, das Ehepaar Michaelund Felicitas Heiß, opponierten jedoch gegen das Vorhaben,da für die Straße ein Drittel ihres Hauses hätte abgerissenwerden müssen. Unterstützt wurden sie durch ihre Nachba-rin, die Witwe Luise Pfeifer, die in dem ebenfalls heute nocherhaltenen Haus Bäumengasse 3 wohnte. Die Auseinander-setzungen verliefen heftig und lange, am Ende hatte der hart-näckige Widerstand jedoch Erfolg. Die Bäumengasse wurdenur nördlich des Hauses von Michael Heiß breit ausgebaut,der Ausbau des restlichen südlichen Straßenstücks wurde„zunächst zurückgestellt“.3 Und daran hat sich zum Glückbis heute, über ein Jahrhundert später, nichts geändert. Da-durch blieb der südliche romantische Teil der Bäumengasse

im Herzen Handschuhsheims mit der altehrwürdigen Burg-gartenmauer erhalten. Dies ist nicht nur zur Kerwe ein ge-mütlicher Platz des alten Handschuhsheims geblieben (sieheBild 7).

Bild 7: Kerwe in der Bäumengasse heute

2 Jahrbuch 2013

2 Dr. Jürgen Keidel, Der ehemalige Burggarten der Handschuhsheimer Tiefburg, Heidelberg 1991

3 Stadtarchiv der Stadt Heidelberg, Uraltakten Handschuhsheim Nr. 52

Bild 3: Tiefburgplatz im Jahr 2014 Bild 4: So könnte es heute an derselben Stelle ohne Tiefburgaussehen; Blick vom selben Standort wie Bild 3 (Fotomonta-ge)

Bild 5: Bäumengasse heute Bild 6: Bäumengasse, wie sie heute vielleicht aussehen wür-de, wenn der Ausbau 1893 nicht verhindert worden wäre(Fotomontage)

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3 Leitz’sche MühleDie Gebäude der 4. Mühle im Mühltal, der Schönauer oderLeitz’schen Mühle, sind heute noch gut erhalten. 1907 woll-te die Stadt Heidelberg das Anwesen kaufen, um die damalsgeplante Bergstraße direkt zum Zapfenberg verlängern zukönnen. Der damalige Müller Leitz aber lehnte ab, die Müh-le wurde nicht abgerissen. Als Müller Leitz die Mühle zweiJahre später doch verkaufte, war die Straßenplanung geän-dert worden, die Mühlengebäude blieben bis heute erhal-ten.4

Bild 8: Leitz’sche Mühle heute

4 Nordzubringer im FeldSchon Anfang der 60er-Jahre des letzten Jahrhunderts unterOberbürgermeister Robert Weber gab es Pläne für einenAutobahnzubringer durch das Handschuhsheimer Feld(„Nordzubringer“). 1970 wurde in Heidelberg der erste „Ge-neralverkehrsplan“ 5 erstellt und vom Gemeinderat beschlos-sen. Er enthielt u.a. den Bau des sog. Kurpfalzrings (5. Ne -ckarbrücke mit Ausbau des Klausenpfads) und den Nordzu-bringer, beide verbunden mit einem riesigen Straßenklee-blatt, außerdem einen sechsspurigen Ausbau der Ernst-Walz-brücke verbunden mit einer Beseitigung der dortigen Stra-ßenbahngleise. Der Nordzubringer wurde besonders durchden damaligen Oberbürgermeister Reinhold Zundel gefor-dert und insgesamt fünfmal vom Gemeinderat beschlossen,aber letztlich durch die Handschuhsheimer verhindert. DerWiderstand wurde vor allem vom Stadtteilverein und derGärtnervereinigung getragen, unterstützt vom Obst- undGartenbauverein, Bauernverband Heidelberg, Erzeuger-Großmarkt Bergstraße, Obst- und Gemüse-Erzeugergenos-senschaft Heidelberg, Nutzwasserverband und vielen Hand-schuhsheimern. Tiefen Eindruck hinterließ eine von Willi Kü-cherer am 20. März 1966 organisierte Aktion, bei der derVerlauf des geplanten Nordzubringers durch brennendeAutoreifen im Feld markiert und einer Gruppe eingeladenernordbadischer CDU-Politiker vom Studentenhochhaus imKlausenpfad aus gezeigt wurde.

Im Treppenhaus des 2014 neu gebauten Anbaus des Univer-sitätsbauamts kann diese Planung der 60er Jahre heute nochbesichtigt werden (Bild 10). Ausgehend von der BerlinerStraße wäre der Autobahnzubringer mitten durch das Hand-schuhsheimer Feld zum Autobahnanschluss Dossenheimverlaufen.

Bild 9: Handschuhsheimer Feld heute

Bild 10: Plan des Nordzubringers und Kurpfalzrings mit Stra-ßenkleeblatt, ausgebautem Klausenpfad und Überführungs-bauwerk Tiergartenstraße im Universitätsbauamt, 2015

Im Jahr 1989 sollten die Pläne des großen Nordzubringersnoch einmal zurückkommen. Zur Schaffung eines Lücken-schlusses für die Straßenbahn von der Berliner Straße nachHandschuhsheim legte die Stadtverwaltung einen Plan zum4-spurigen Ausbau und zur fast rechtswinkligen Verschwen-kung der Berliner Straße nach Norden vor. Nicht alle er-kannten, dass dies bereits eine Vorbereitung des Nordzu-bringers gewesen wäre. Dafür sollten insgesamt 4,4 HektarGartenland zusätzlich asphaltiert werden. Die Stimmung zudem Vorhaben war gespalten. Widerstand leistete vor allemdie Interessengemeinschaft Handschuhsheim e.V. unter ih-rem Vorsitzenden Wilhelm Seeger-Kelbe. Stadtverwaltung,Oberbürgermeister Reinhold Zundel und CDU und FWV imGemeinderat waren für die Verschwenkung, dagegen warenSPD, GAL und LD. Den Ausschlag gab letztlich StadträtinHelga Bräutigam (FDP), mit deren Stimme eine denkbar

Jahrbuch 2013 3

4 siehe dazu die Beiträge von Alfred Bechtel, Ludwig Haßlinger „Besitzer, Pächter, Beständer der 4. Mühle, Mühltalstraße 91“ und Alfred Bechtel: „Ein festeBurg ist unser Gott – Lebenserinnerungen, Katharina Leitz, geb. Schober † “ in diesem Jahrbuch

5 Schaechterle, KH., Holdschuer, G., Verkehrsuntersuchung zur Aufstellung eines Generalverkehrsplans für die Stadt Heidelberg, Ulm, 1970

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knappe Mehrheit des Gemeinderats von 1 Stimme die Reali-sierung dieses Plans ablehnte. Die Berliner Straße wurdedaraufhin zusammen mit dem Neubau der Straßenbahn aufder bisherigen Trasse saniert. Und später wurden im Bereichder damals geplanten Verschwenkung Gebäude des Techno-logieparks errichtet, die die geplante Zufahrt zu einem zen-tralen Nordzubringer an dieser Stelle verbauten.

Das Handschuhsheimer Feld wurde zwar in den letzten Jahr-zehnten durch verschiedene Planungen immer mehr be-schnitten, eine Zerschneidung durch Straßen konnte aberverhindert werden. Der zentrale Bereich des Handschuhs-heimer Felds ist nach wie vor wertvolles Gärtner- und Gar-tenland, Naherholungsgebiet und wichtiges Rückzugsgebietfür zahlreiche gefährdete Tier- und Pflanzenarten.

5 „Kleiner” NordzubringerWährend der große Nordzubringer in den 60er- bis 80er-Jah-ren des vorigen Jahrhunderts verhindert wurde, war am3.4.2003 plötzlich in der Rhein-Neckar-Zeitung zu lesen,dass das Neuenheimer Feld nach einer Übereinkunft der da-maligen Oberbürgermeisterin Beate Weber und des damali-gen Universitätsrektors Prof. Dr. Hommelhoff durch einen„kleinen” Autobahnzubringer erschlossen werden solle.Man habe sich in einem Vier-Augen-Gespräch darauf geei-nigt, für die Verkehrserschließung des Neuenheimer Feldeseine „Übergangslösung” in Form des „kleinen“ Autobahn-zubringers durch das Handschuhsheimer Feld umzusetzen.Zusätzlich solle der Klausenpfad ausgebaut und eine 5. Ne -ckarquerung gebaut werden. Das Ganze sollte in einem Ver-trag zwischen der Stadt, der Universität und dem Land fest-geschrieben werden.

Allein der „Kleine” Nordzubringer und der Ausbau des Klau-senpfads hätten im Handschuhsheimer Feld einen direktenGeländeverlust von 60 000 qm zur Folge gehabt. Durch dieunmittelbaren Auswirkungen der Straße (Abgase u.a.) würdedarüber hinaus eine Fläche von rund 700 000 qm oder 70Hektar entwertet. Die Ankündigung rief den Widerstand derHandschuhsheimer hervor, allen voran der Gärtner im

Handschuhsheimer Feld und des Stadtteilvereins. Nach ei-ner Informationsveranstaltung im Carl-Rottmann-Saal fandam 9.4.2003 vor dem Heidelberger Rathaus eine Protest-kundgebung der Handschuhsheimer Gärtner statt.6 In deranschließenden Gemeinderatssitzung kam ein Prüfauftragan die Verwaltung für einen Nordzubringer, wie es die OBgewünscht hatte, nicht zustande. Es wurde aber beschlossen,eine große Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU) füreine 5. Neckarbrücke zu machen, bei der der Nordzubringerauch untersucht werden sollte. In diesen Jahren entfalteteder Stadtteilverein eine rege Tätigkeit zur Verteidigung desHandschuhsheimer Felds. Martin Hornig, damals 1. Vorsit-zender, nutzte jeden Neujahrsempfang und jede Kerweeröff-nung, um den erschienenen Politikern ins Gewissen zu re-den und den Schutz des Feldes ans Herz zu legen. Vor derGemeinderatswahl 2004 führte der Stadtteilverein eine vielbeachtete Befragung aller 240 Kandidaten mit 16 Fragendurch, die zu messbaren Änderungen in der Zusammenset-zung des neuen Gemeinderats führte.7

2004 ließ die Stadtverwaltung unter dem damaligen Um-weltbürgermeister Dr. Eckart Würzner die UVU über eineNeckarbrücke durch das Flora-Fauna-Habitat Alt-Neckarund einen kleinen oder großen Nordzubringer durch dasHandschuhsheimer Feld durchführen. Das Ergebnis war,dass eine 5. Neckarquerung durch das streng geschützteFFH-Gebiet nicht möglich ist, solange Alternativen zur bes-seren Verkehrsanbindung des Neuenheimer Felds nicht um-gesetzt sind und dass das Handschuhsheimer Feld in seinerökologischen Wertigkeit ähnlich wertvoll ist wie das Natur-schutzgebiet Alt-Neckar. Eine nördliche Anbindung des Uni-versitätsgeländes an die A5 über das HandschuhsheimerFeld wäre nicht möglich, ohne wichtige Teile des Hand-schuhsheimer Feldes zu zerschneiden. Bereits im Zwischen-bericht vom 26.11.2004 hatte die UVU den außerordent-lichen Wert des Handschuhsheimer Feldes als „größtes zu-sammenhängendes (nicht von verkehrsreichen Straßendurchschnittenes) Erholungsgebiet in unmittelbarer Stadtnä-he“ beschrieben.8,9 Die Aktionen und die Ergebnisse der

4 Jahrbuch 2013

6 Die Geschichte des Widerstands gegen den „kleinen“ Nordzubringer kann auf der Internetseite des Stadtteilvereins Handschuhsheim e.V. nachgelesenwerden: www.tiefburg.de/nordzubringer.htm

7 Die Ergebnisse der Befragungsaktion können auf der Internetseite des Stadtteilvereins Handschuhsheim e.V. nachgelesen werden:www.tiefburg.de/gemeinderatswahl2004.htm

8 Büro Dr. Schemel für Umweltforschung Stadt- und Regionalentwicklung, München, 2005

9 siehe dazu auch: Petra Bauer und Dieter Teufel, Umweltverträglichkeitsuntersuchung bestätigt einzigartigen Wert des Handschuhsheimer Feldes, JahrbuchHandschuhsheim 2006, S. 9-16

Bild 11: Typische Szene im Handschuhsheimer Feld heute Bild 12: So würde es heute im Handschuhsheimer Feld ander gleichen Stelle aussehen, wenn der „kleine“ Nordzubrin-ger gebaut worden wäre (Fotomontage)

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UVU hatten Erfolg: Auf dem Handschuhsheimer Neujahr-sempfang am 6.1.2006 teilte Umweltbürgermeister Dr. Eck -hart Würzner mit, dass der Nordzubringer nicht kommenwird, egal in welcher Variante.

Bild 13: Querweg im Handschuhsheimer Feld, unterbrochendurch Nordzubringer (Fotomontage)

Völlig unerwartet tauchte der Nordzubringer aber im Febru-ar 2015 wieder auf: Da die Universitätsspitze und das DKFZgegen den Planfeststellungsbeschluss des Regierungspräsidi-ums für die Straßenbahn im Neuenheimer Feld klagten, soll-te der Gemeinderat einer Beschlussvorlage10 zustimmen, daß„gutachterliche Untersuchungen mit dem Ziel der besserenVerkehrserschließung des Neuenheimer Feldes“ durchge-führt werden. Dabei sollten ausdrücklich „alle bislang be-kannten Erschließungswege wie zum Beispiel der Ausbaudes Klausenpfads für den Kraftfahrzeugverkehr und einefünfte Neckarquerung für alle Verkehrsträger“ untersuchtwerden. Darin eingeschlossen waren auch die Varianten ei-nes Nordzubringers durch das Handschuhsheimer Feld. DieArbeiten sollten „im ersten Halbjahr 2015 beginnen und inenger Abstimmung zwischen der Stadt Heidelberg und demUniversitätsbauamt beziehungsweise der Universität Heidel-berg und anderer Anlieger durchgeführt“ werden. Nach län-gerer Diskussion, in der sich vor allem Wolfgang Lachenau-er (HEIDELBERGER) und Werner Pfisterer (CDU) vehementfür diese Vorgehensweise einsetzten, stimmten in der Ge-

meinderatssitzung am 5.3.2015 geschlossen CDU; HEIDEL-BERGER, FDP, FWV, AfD, Wassem Butt (gen hd) und der OBdafür. Dagegen stimmte eine knappe Mehrheit von SPD,GRÜNEN, GAL, BL, Linke, Piiraten, HDp&e und MichaelPfeiffer (gen hd). Dadurch wurde der Nordzubringer wieauch der Ausbau des Klausenpfads als Alternative zur bishervon der Unispitze abgelehnten Straßenbahn nicht wiederaus der Schublade geholt.

6 Tiefgarage Grahampark 1979 war im Zentrum Handschuhsheims ein großes Bauvor-haben geplant. Zum Neubau einer großen Versammlungs-halle mit Erweiterung der Musik- und Singschule sollten dieNebengebäude (u.a. die ehemalige Orangerie) des Schlöss -chens abgerissen und in den Grahampark eine Tiefgarage ge-baut werden. In Handschuhsheim regte sich dagegen erheb-licher Widerstand. Die neu gegründete Interessengemein-schaft Handschuhsheim e.V. (IGH) sammelte insgesamt25  000 Unterschriften dagegen. Zunächst war eine zwei-stöckige Tiefgarage im Grahampark geplant, die später in ei-ne einstöckige Variante mit 42 Stellplätzen geändert wurde.In einer Bürgerversammlung erklärte der damalige Oberbür-germeister Reinhold Zundel, dass für die Tiefgarage nur „2Bäume“ gefällt werden müssten, die anderen Bäume könn-ten durch eine „Kronenbewässerung über 10 Jahre“ erhaltenbleiben. Diese wenig fachmännische Behauptung rief einallgemeines Gelächter im Saal hervor, da sich viele Hand-schuhsheimer mit Bäumen auskennen.

Nach längeren Auseinandersetzungen wurde schließlich einguter Kompromiss erzielt: 1984 wurden zwar die Nebenge-bäude abgerissen, die alten Bäume im Grahampark aberblieben erhalten, es wurde keine Tiefgarage hinein gebautund der Carl-Rottmann-Saal wurde in kleinerer angepasste-rer Dimension gebaut.

Mit den Plänen der Tiefgarage verbanden sich Hoffnungenauf eine Lösung des Stellplatzproblems der Autos. 42 zusätz-liche Stellplätze wären allerdings nur ein ganz kleiner „Trop-fen auf den heißen Stein”. Alle Handschuhsheimer zusam-men haben heute 6 400 PKW.11 Damit ist die PKW-Dichte inHandschuhsheim mit 368 PKW pro 1000 Einwohnern imVergleich zu anderen Stadtteilen oder Gemeinden erfreulichniedrig.12 Hätte Handschuhsheim eine PKW-Dichte wie z.B.

Jahrbuch 2013 5

10 Drucksache 0054/2015/BV vom 19.2.201511 Stadt Heidelberg, Amt für Stadtentwicklung und Statistik, Statistisches Jahrbuch Kapitel F

12 zu den Gründen siehe u.a.Bauer, Petra und Teufel, Dieter: Klimaschutz in Handschuhsheim, Jahrbuch Handschuhsheim 2014, S. 89-97

Bild 14: Grahampark heute Bild 15: Wie der Grahampark an derselben Stelle wie in Bild14 heute aussehen würde, wenn die Tiefgarage gebaut wor-den wäre (Fotomontage)

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Bergheim oder Ziegelhausen, gäbe es hier 8 400 bzw. 8 600Autos. Das wären 2 000 bzw. 2 200 Autos mehr als heute,die Parkplätze beanspruchen würden. Dafür bräuchte manzusätzlich rund 50 Tiefgaragen von der damals im Graham-park geplanten Größe! Hätten wir in Handschuhsheim einePKW-Dichte wie z.B. der Rhein-Neckar-Kreis, gäbe es inHandschuhsheim sogar 4 100 Autos mehr als heute. Zur Ver-ringerung des Parkplatzproblems sind deshalb eine Förde-rung flächensparender Verkehrsmittel wie Öffentlicher Ver-kehr, Fahrradverkehr, Taxi und zu Fuß gehen, eine Ausdeh-nung des Car-Sharing oder der Erhalt kleinräumiger fußläufi-ger Strukturen sehr viel effektiver als der Bau einer Tiefgara-ge.

7 Tiefgarage Tiefburgschule Im Rahmen der Planung des Carl-Rottmann-Saals im Jahre1980 sollte für die benötigten Stellplätze auf einem 600 qmgroßen Grundstück der ehemaligen Reiber‘schen Gärtnerei,das direkt an die Tiefburgschule angrenzt, eine Garage mit27 Stellplätzen gebaut werden. Das Gelände wurde damalsals Spiel- und Sportfläche verwendet. Mit viel Beton solltedie Garage in das Gelände eingepasst und auf seiner Dach-fläche eine Sportfläche mit Kunststoffbelag für die Tiefburg-schule errichtet werden. Für die Einfahrt sollte in der Bäu-mengasse die alte Burggartenmauer aufgebrochen werden.

Die IGH, der Elternbeirat der Tiefburgschule und Anwohnerwandten sich gegen dieses Projekt und konnten es letztlichverhindern. 1998 erfolgte auf dem Gelände dann der Bau ei-ner Sporthalle. Dadurch bekamen die Kinder der Tiefburg-schule und auch Gymnastik-und Tanzgruppen große Räumeund die kostbare Fläche im Ortskern wurde besser genutzt.

8 Bebauung des Hangs im Bereich HellenbachIn den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, als im Sü-den Heidelbergs die Boxbergsiedlung gebaut und der Em-mertsgrund geplant wurde, entstanden auch in Handschuhs-heim Ideen für eine Hangbebauung. Verschiedene Grund-stücke in diesem Bereich wurden damals, wie dies bei derPlanung von Baugebieten oft vorkommt, spekulativ aufge-kauft, um im Falle einer Ausweisung als Baugebiet von derentsprechenden Wertsteigerung profitieren zu können. Eini-ge verbanden sogar die Zukunft Handschuhsheims mit derRealisierung einer Hangbebauung. In der Rhein-Neckar-Zei-tung vom 10.10.1969 lesen wir:

„Auch der Norden muß Zukunft haben

Ein Arbeitskreis Bauplanung beschäftigt sich nach den Wor-ten seines Vorsitzenden, Architekt Hans-Peter Pollich, mitkonkreten Vorschlägen: Einmal für Neubaugebiete, zum an-deren für die Stadterneuerung. ... Daß die Handschuhshei-mer nicht nachlassen werden, für eine Hangbebauung rechts

6 Jahrbuch 2013

Bild 16: Bäumengasse heute Bild 17: Bäumengasse mit Einfahrt Tiefgarage (Fotomontage)

Bild 18: Hang im Bereich Hellenbach heute Bild 19: Wie der Hang im Bereich Hellenbach heute ausse-hen könnte, wenn die Hangbebauung nicht verhindert wor-den wäre (Fotomontage)

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der B3 einzutreten, daran ließ Stadtrat Kücherer keinenZweifel. ‘Wir verlangen es planerisch und wenn es erst 1972realisiert werden kann.’ Er sprach von einem Gebiet von 35ha (350 000 qm) am Hellenbach und meinte, daß man imSüden der Stadt auch ‘an den Hang gegangen ist’. Hans-Pe-ter Pollich: ‘Auch der Norden muß eine Zukunft haben ...’ "

Auf vollständige Ablehnung stießen die Pläne zur Hangbe-bauung dagegen beim SPD-Ortsverein Handschuhsheim.Die Ausweisung der Bergstraßenhänge als Landschafts-schutzgebiet am 15.Januar 1973 führte zum endgültigen Ausfür die Pläne, die wunderschöne Hanglandschaft blieb er-halten. Dies hat auch für den Klimaschutz positive Nebenef-fekte: Weil Wohngebiete am Hang in der Regel nicht mit ei-nem leistungsfähigen und attraktiven ÖPNV erschlossenwerden können und für nicht-motorisierten Verkehr nurschwer erreichbar sind, beschloss der Gemeinderat im Jahr2014 im Masterplan 100% Klimaschutz das Ziel: „Langfristigsollten in Heidelberg keine Wohngebiete und Bebauung amHang mehr realisiert werden, die nicht durch einen leis -tungsfähigen ÖPNV erschlossen werden können.“

9 Bebauung des Hangs im Bereich LeimengrubeEine weitere Bebauung war am Hang des Heiligenbergs be-reits seit Ende der 20er Jahre des vorigen Jahrhunderts ge-plant. Angedacht war eine Hangstraße im Bereich zwischender schon realisierten Sackgasse der Heiligenbergstraße überSteckelweg, Leimengrube, Hainsbachweg bis zum Schwei-zer Weg in Neuenheim. Nach dem Zweiten Weltkrieg wur-de sie in den 60er Jahren im Gebiet Leimengrube mit einergeplanten Hangbebauung von 11 Hektar wieder aufgegrif-fen. Ein Hauptargument dagegen war die äußerst problema-

tische Verkehrsanbindung dieses Gebietes mit kostspieligenHangstraßen und zwei notwendigen Brückenbauten überdas Hainsbachtal und den Steckelweg. Außerdem wurdeschon früh erkannt, dass durch eine weitere Besiedlung derHänge die Frischluftzufuhr für die Ebene besonders in Som-mernächten unterbrochen würde. Dieses Baugebiet hätteschöne Spazierwege und Gärten am HandschuhsheimerHang des Heiligenbergs zerstört und ein deutlich erhöhtesVerkehrsaufkommen im Ortszentrum zur Folge gehabt.

10 Gewerbegebiet westlich GroßmarkthalleAnfang der 90er-Jahre kamen Pläne auf, im Nordosten desHandschuhsheimer Feldes westlich der Großmarkthalle einneues Gewerbegebiet zu entwickeln. Das Gelände war da-mals, genauso wie heute, vielseitig durch Erwerbs- und Frei-zeitgärtner genutzt. Die damals kurz zuvor als Oberbürger-meisterin gewählte Beate Weber lud zur Vorstellung des Pro-jekts einer „Handwerkerzone Heidelberg-Dossenheim“ zu-sammen mit dem damaligen Dossenheimer BürgermeisterPeter Denger zu einer Veranstaltung in die Gaststätte derGroßmarkthalle. Die Idee stieß aber bei allen Anwesendenauf Ablehnung. Insbesondere die Gärtner und die IGH be-fürchteten einen weiteren Flächenverbrauch im Hand-schuhsheimer Feld. Später kamen die Pläne in den Neunzi-ger Jahren zwar noch ein paarmal auf, wurden aber aufgrunddes Widerstands nie verwirklicht. Endgültig aus „freiraum-strukturellen und ökologischen Gründen“ abgelehnt wurdensie im Jahr 2000 im städtischen „Modell Räumliche Ord-nung (MRO)“, einer systematischen Untersuchung aller Frei-flächen in der Stadt. Heute, nach Abzug des amerikanischenMilitärs, sind in Heidelberg genügend Konversionsflächenverfügbar, auf denen Gewerbe angesiedelt werden kann.

Jahrbuch 2013 7

Bild 20: Leimengrube heute Bild 21: Wie das Gebiet Leimengrube heute aussehen könn-te, wenn die Hangbebauung nicht verhindert worden wäre(Fotomontage)

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11 Überbauung WasserrückhaltebeckenMühltalstraße

Zur Bewässerung der Felder und Gärten im Handschuhshei-mer Feld wurde 1928 östlich der ehemaligen Leitz’schenMühle an der Mühltalstraße ein Staubecken zur Wasserver-sorgung der Gärtnereien im Feld angelegt. Mit der Erbohrungvon Brunnen hat diese Anlage zwar ihre ursprüngliche Funk-tion verloren, sie ist aber bei Jung und Alt ein beliebter undortsbildprägender Bestandteil Alt-Handschuhsheims. Kinderkönnen direkt neben der Mühltalstraße Enten beobachten,das Wasser des Mühlbachs ist an dieser Stelle noch im Orts-bereich sichtbar und sein Rauschen hörbar, bald danach ver-schwindet der Mühlbach für 2,5 km Länge im Untergrund.

2006 wurde eine Bauvoranfrage bekannt, die klären sollte,ob dieser Teich beseitigt und zugebaut werden könnte. DiePläne stießen auf regen Widerstand der Anwohner, der u.a.durch die IGH und Bezirksbeiräte unterstützt wurde. Am 22.Dezember 2006 teilte der Erste Bürgermeister Raban von derMalsburg mit, dass aufgrund des Widerstands die Bauvoran-frage zurückgezogen wurde, das Ensemble blieb erhalten.

8 Jahrbuch 2013

Bild 22: Nordöstliches Handschuhsheimer Feld heute Bild 23: Nordöstliches Handschuhsheimer Feld mit Gewer-begebiet (Fotomontage).

Bild 24: Idyll am Wasserrückhaltebecken

Bild 25: Wasserrückhaltebecken heute, von der Mühltalstra-ße aus

Bild 26: Wie das Wasserrückhaltebecken heute vielleichtaussehen würde, wenn es überbaut worden wäre (Fotomon-tage)

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12 Doppelhof HandschuhsheimerLandstraße 120/122

In der Handschuhsheimer Landstraße 120 und 122 findetsich ein schöner, alter Doppelhof mit Hoftor, großem Ge-wölbekeller und rückwärtiger Scheune, der früher landwirt-schaftlich genutzt wurde. Zuletzt wurde er bewohnt vondem Ehepaar Albert und Liese Kücherer und Frau AnnaGenthner. Nach ihrem Tod erwarb die Stadt das Anwesen. Indieser Zeit trat das Liegenschaftsamt der Stadt Heidelberg imJanuar 1991 an die Besitzer des rückwärtigen Hauses heran,die ein grundbuchmäßig verbrieftes altes badisches Wege-recht über das Grundstück besaßen. Das Liegenschaftsamtwollte ihnen das Wegerecht für 16 200 DM abkaufen, damitdie Stadt das Anwesen belastungsfrei veräußern könnte. DieBesitzer des Wegerechts waren aber nicht bereit, das Wege-recht einfach gegen Geld zu verkaufen und schlugen als Be-dingung für den Verkauf vor, dass im Baulastenbuch festge-legt werde, dass die alten Gebäude nicht abgerissen, die be-stehenden Gebäude in ihrem Charakter erhalten bleibenund saniert werden, keine Tiefgarage oder neuen Stellplätzeerrichtet und bei einer Sanierung die Kubatur der Gebäudeerhalten bleibt. Die Verhandlungen zogen sich über Jahrehin. Da die Stadt die Bedingungen letztlich nicht erfüllte,verkauften die Anwohner das Wegerecht im Jahr 2004 end-gültig nicht. Zwischenzeitlich nutzte die Stadt das Anwesenals Unterkunft für Asylbewerber, was zu einer weiteren Ver-schlechterung des Gebäudezustandes führte und einen Ab-riss und Neubau wahrscheinlicher machte. Allerdings konn-te dies nicht ohne Zustimmung der Inhaber des alten badi-schen Wegerechts erfolgen, was Investoren abschreckte. Am16. 5. 2002 beschloss der Gemeinderat die Erhaltungssat-zung und am 23. 1. 2003 die Gestaltungssatzung Hand-schuhsheim, was die Erhaltung der Gebäude zusätzlich be-förderte. Sie wurden dann letztlich an 3 junge Familien mitKindern verkauft, die das Anwesen liebevoll renovierten.Hier konnte aus Platzgründen nur ein Teil der negativen Pla-nungen beschrieben werden, deren Abwehr die EntwicklungHandschuhsheims positiv beeinflusste. Weitere Beispielesind • der verhinderte Ausbau des Klausenpfads, • eine geplante Verbindungsstraße ins Steinachtal durch das

Hellenbachtal, • eine geplante Hangverbindungsstraße zwischen dem Zap-

fenberg und der Biethstraße,

• der durch ein gemeinsames Vorgehen des Stadtteilvereinsunter seinem 1. Vorsitzenden Gerhard Genthner, des Obst-und Gartenbauvereins unter seinem 1. Vorsitzenden FrankWetzel, der Gärtner und der IGH verhinderte Neubau desReitervereins auf einer Fläche von 5 Hektar mitten imHandschuhsheimer Feld oder

• die verhinderte Zuschüttung und Bebauung des Krodde-weihers, der inzwischen zum flächenhaften Naturdenk-mal erklärt wurde.

EpilogDie relative Ursprünglichkeit des Ortes und seiner ihn umge-benden Landschaft und die Vielfalt erhaltener einzelner Klei-node machen die Einzigartigkeit, Schönheit und Liebenswür-digkeit Handschuhsheims aus. Ob es historische Baudenkmä-ler, alte Wege und Gassen, Mühlengebäude, der Gartenbauim Feld oder die ursprünglichen, bewaldeten Hügel desOdenwaldes sind, sie alle tragen dazu bei, Handschuhsheimsein unverwechselbares Aussehen zu geben und uns allen ei-ne liebenswerte Heimat. Dass hier vieles erhalten werdenkonnte, ist meistens das Werk einzelner Schützer und Bewah-rer, denen wir heute dankbar sein können. Die Menschen in Handschuhsheim waren schon immer et-was wachsamer und kritischer als die Bewohner anderer Ge-meinden. Dabei ist der Sinn für Ästhetik, Geschichtsbe wusst -sein und die Sensibilität gegen verhängnisvolle Ent wick -lungen auch positiv rückgekoppelt: Gerade weil die Men-schen in ihrer Heimat noch Atmosphäre und Ursprünglichkeiterleben können, sind sie aufmerksamer bei geplanten negati-ven Entwicklungen und eher bereit, sich notfalls zu wehren.Dies soll auch in Zukunft so bleiben. Wenn auch vieles vondem hier Beschriebenen und Abgewehrten in heutiger Zeitwohl nicht mehr geplant würde, ist es wahrscheinlich, dassauch in Zukunft weitere Angriffe auf die Integrität Hand-schuhsheims versucht werden oder als Nebenprodukt ande-rer Planungen auftreten können. Die Bedrohung des Hand-schuhsheimer Feldes durch Straßenbau ist noch nicht vorü-ber, ein schon 50-jähriger Kampf, der bisher schon viele Mit-streiter und Unterstützer hatte, wird auch in Zukunft weitergehen. Bis dahin lohnt es sich, bei gelegentlichen sonntäg-lichen Spaziergängen einmal die in diesem Artikel beschrie-benen Stellen aufzusuchen, an denen durch Wachsamkeit,Mut und Beharrlichkeit negative Entwicklungen für unserenStadtteil verhindert wurden und sich über das Erhaltene zufreuen.

Jahrbuch 2013 9

Bild 27: Doppelhofanwesen Handschuhsheimer Landstraße120/122 im heutigen Zustand

Bild 28: Wie es heute in der Handschuhsheimer Landstraßenach einem Abriss und Neubau der Nr. 120/122 aussehenkönnte (Fotomontage)