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Social Freezing : Reproduktionsmedizinische, psychische, ethische und juristische Aspekte Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in Berlin Sitzung am 18.02.2015 Prof. Dr. Heribert Kentenich Fertility Center Berlin 1

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Social Freezing : Reproduktionsmedizinische, psychische, ethische und juristische Aspekte

Gesellschaft für Geburtshilfe und Gynäkologie in BerlinSitzung am 18.02.2015

Prof. Dr. Heribert Kentenich

Ferti l i ty Center Berlin

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www.ovita.eu

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Gliederung

Medizinische Thesen: pro/contra Fertiprotekt/Krebserkrankungen Technik Theoretische Geburtschancen Soziale Profi le der Anwenderinnen Risiken der Behandlung Risiken der späteren Schwangerschaft Ethische Überlegungen Fazit

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Medizinische Aspekte These I: „Einfrieren ist

sinnvoll“.

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Frauenarzt 49 (2008) S. 1004

6Fertinews Merck Serono Ausgabe 144; Dezember 2012

Medizinische Aspekte

These II : „Einfr ieren ist (meist) nicht sinnvoll“.

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8 Copyright ©2003 BMJ Publishing Group Ltd.

Taylor, A. BMJ 2003;327:434-436

Epidemiologie der Subferti l i tätCumulative conception rate in the first year of trying

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Abhängigkeit der Inferti l i tät vom Alter und Sexualfrequenz

Schwangerschaftsraten bei 2x GV/WocheDunson, D.B., Baird, D.D. (2004)ObstetGynecol 103: 51-55

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Technik

Bekannte Daten zu

Kryokonservierung von unferti l is ierten Eizellen ferti l isierten Eizellen (Vorkernstadien) Embryonen/Blastozysten Ovargewebe Hodengewebe

Kryokonservierung bei Krebserkrankung

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Prinzip des langsamen Einfrierens

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geringe Konzentration des Gefrierschutzmittels Probenvolumen ca. 100 µl Abkühlen (-10° C /min) bis auf -7 °C Induzierte Eiskristallbi ldung Langsames Einfr ieren (- 0,3 °C/min) bis auf – 130 °C Danach in f lüssigen Stickstoff – 196 °C

Prinzip der Vitr i f ikation

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sehr hohe Konzentration des Gefrierschutzmittels (3 - 4 Molar)dadurch hohe Viskosität

sehr kleines Probenvolumen: < 1 µl: dadurch sehr hohe Kühlraten

Beide Bedingungen bewirken beim schnellen Überführender Probe in f lüssigem Stickstoff (– 196 °C) einen direktenÜbergang vom Flüssigen in einen eiskristallfreien glasartigenAggregatzustand.

Etablierte Kryokonservierungsmethoden

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Unbefruchtete Eizellen Vitr if ikation

Überlebensraten ca. 85 - 90%

PN-Stadien Vitr if ikation

Überlebensraten ca. 85 - 90 %

PN-Stadien langsames Einfrieren, Standard Methode

Überlebensraten ca. 70 – 75 %

PN-Stadien langsames Einfrieren, verbesserte Methode erhöhte Sucrose Konzentration seit 2012

Überlebensraten ca. 80 – 85 %

Blastozysten Vitr if ikation

Überlebensraten ca. 90 - 95 %

Ergebnisse der Kryokonservierung von unbefruchteten Eizellen

„slow freezing“ Vitr i f ikation p

Zyklen (n) 8927 5401 -

Überlebensrate pro aufgetauter Eizelle

51,1% 63,1% signif ikant

Ferti l isierungsrate pro Eizelle 71,6% 70,1% nicht signif ikant

Schwangerschaftsrate pro Zyklus

12,0% 14,4% signif ikant

Schwangerschaftsrate pro Transfer

14,8% 18,0% signif ikant

Implantationsrate pro aufgetauter Eizelle

8,1% 9,5% signif ikant

geborene Kinder (n) 778 560 -

Fehlbildungsrate 0,5% 1,3% nicht signif ikant

18von Wolff et al, Deutsches Ärzteblatt 2015, 112; 27-32

(sign: p < 0,05)

Kosten für Social freezing

keine Übernahme durch PKV/GKV Medikamente etwa 1500-2000 Euro Kosten für

Stimulation/Punktion/Einfr ieren/Lagerung etwa 2000-2500 Euro

Lagerung pro halbes Jahr: 140 Euro spätere Behandlung mit IVF/ICSI und

Transfer etwa 2000 Euro

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Theoretische Geburtenchancen beim „social freezing“

Alter bei Kryokonservierung

kryokonservierte Eizellen/Stimulat ion(± STD)

kryokonservierte Eizellen/Patientin/Jahr(± STD)

zu erwartende geschätzte Zahl transferierbarer Embryonen pro St imulat ion

zu erwartende geschätzte Geburtenrate pro St imulation (circa)

Alter < 35 Jahre: 11,1±6,5 11,4±6,1 3,3 40%

Alter 35-39 Jahren:

8,7±7,3 11,1±8,3 2,6 30%

Alter 40-44 Jahre: 9,1±8,3 9,7±8,8 2,7 15%

20von Wolff et al, Deutsches Ärzteblatt 2015, 112; 27-32

Daten berechnet aus verschiedenen internationalen Veröffentlichungen

Charakteristika der behandelten Frauen und Therapieergebnisse (Fertiprotekt 2013)

Charakterist ika Therapieergebnisse

Behandlungen, n 134 Alter < 35 Jahre, n (%) 35 (26,12%)

Alter 35-39, n (%) 68 (50,75%)

Alter > 40 Jahre, n (%) 31 (23,13%)

Akademiker, n (%) 81/106 (76,4%)

Bereits eigene Kinder, n (%) 3/79 (3,8%)

In einer Partnerschaf t , n (%) 23/117 (19,7%)

1 Stimulat ionszyklus durchgeführt , n (%) 99 /73,9%)

2 Stimulat ionszyklus durchgeführt , n (%) 29 (21,6%)

3 Stimulat ionszyklus durchgeführt , n (%) 5 (3,7%)

4 Stimulat ionszyklus durchgeführt , n (%) 1 (0,8%)

Oozyten/St imulat ionszyklen < 5, n (%) 32 (23,9%)

Oozyten/St imulat ionszyklen 5-10, n (%) 44 (32,8%)

Oozyten/St imulat ionszyklen > 10, n (%) 58 (43,3%)

Oozyten/Gesamtbehandlung < 10, n (%) 70 (52,2%)

Oozyten/Gesamtbehandlung 10-20, n (%) 45 (33,6%)

Oozyten/Gesamtbehandlung > 20, n (%) 19 (14,2%)

21von Wolff et al, Deutsches Ärzteblatt 2015, 112; 27-32

Risiken der Stimulationsbehandlung/Punktion

Überstimulationssyndrom bei 0,8% Schweres Überstimulationssyndrom bei

0,25% Bei Ovulationsinduktion mit GnRH-Agonisten

(Antagonistenzyklus): „nahezu 0“

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Essentials der Beratung/Behandlung

Erfassen der Eizellreserve (med. Anamnese, AFC, AMH)

Medizinische-psychosoziale Beratung Ziel: 10-15 Eizellen pro Zyklus Patientin möglichst < 35 Jahre (< 38 Jahre) Daten zu Langzeitkryokonservierung

begrenzt Aufklärung über jurist ische/familienrechtl iche

Problematik bei Samenspende mögliche Belastung als Alleinerziehende

(soziales Netz)

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Risiken für (spätere) Schwangerschaft

Generelle Risiken der IVF-/ICSI-Behandlung:

Erhöhtes Frühgeburtenrisiko bei EinlingenFrühgeburt bei MehrlingenFehlbildungsrate leicht erhöht (Davies et al: N Engl J Med 2012, 366: 1803-1813)

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Risiken für (spätere) Schwangerschaft ab 40/45 Jahre altersabhängig Zunahme für

Gestationsdiabetes (generell in Gravidität 3,7% (Hutter, Kainer (2012) Gynäkologische Endokrinologie 3: 184-189)

Präeklampsie Frühgeburt/Myome Ab 50. Lebensjahr

- Risiko für Gestationsdiabetes 6-fach erhöht- Risiko für schwere Präeklampsie 4-fach erhöht

(Chibber, Arch Gynecol Obstet. 2005)

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Ethische ÜberlegungenPro Con

Wohltät igkeit/Gutes tun

Fert i l i tätsvorsorge Keine Garantie „falsche Hoffnungen“Problem: „alleinerziehend“

Autonomie Entscheidung über eigene Fert i l i tät

Ängste vor AlterÄngste vor Alleinsein

Nichtschädigen geringes Risikogeringes Abortrisiko

OP-Risiko bei nicht medizinisch indiziertem Eingrif f

Soziale Gerechtigkeit

Eigene Bezahlung ohne Belastung der GKV

Hohe Kosten ohne Garantie

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Empfehlungen (ESHRE 2012)1) Social Freezing kann grundsätzlich angeboten werden.

2) Die Motivation für die „Vertagung“ der Schwangerschaft sollte erfragt werden.

3) Die Zentren brauchen gute Expert ise in der Technik.

4) Keine falschen Hoffnungen wecken.

5) Individuelle Einschätzung der Eizellreserve. Möglichst keine Behandlung bei einer Frau über 38 Jahren.

6) Information und Aufklärung über al le relevanten Prozeduren.

7) Hinweis auf relat iv neue Technologie.

8) Erwägung aller psychosozialen Aspekte.

9) Auf Kosten hinweisen.

10) Möglichkeit der parallelen Eizellspende durch die Patientin (tr i f f t für Deutschland nicht zu).

11) Polit ische Überlegungen über gesamtgesellschaft l iche Lösungen nicht vernachlässigen.

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Fazit1) Social Freezing medizinisch machbar.

2) Technik nicht mehr experimentell.

3) Gute medizinische und psychosoziale ärztl iche Beratung essentiell.

4) Angebot einer (guten) behandlungsunabhängigen psychosozialen Beratung sinnvoll.

5) Behandlung auch möglich ohne Partner (Samenspende)

6) Transfer vor 45./50. Lebensjahr.

7) Erfassung der Daten im Netzwerk Fert iprotekt.

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