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FRANKFURTER ALLGEMEINE SONNTAGSZEITUNG, 25. SEPTEMBER 2016, NR. 38 reis e 69 O b es eine gute Idee war, in diesen Talkessel zu fahren? Das Thermo- meter zeigt 40 Grad im Schatten. Über dem Fluss Una steigt die Feuchtig- keit in Schlieren auf. Gleißend weiß ragt am anderen Ufer das Minarett der Klein- stadt Bosanska Krupa in die Höhe, dane- ben die Ruinen der Festung aus osmani- scher Zeit. Die Kinder, die vom Ufer in den Fluss springen, herausklettern und sich immer wieder hineinstürzen, sind das einzig Lebendige an diesem Mittag. Und Hamdo Cihajic, der eine Zigaret- te in den Fingern hin und her rollt, ohne sie anzuzünden. Trotz der Hitze trägt er eine lange Hose, dazu ein weißes Hemd. Er überquert die alte Holzbrücke, die bei- de Ortsteile von Bosanska Krupa verbin- det, bis zur Mittelinsel im Fluss. Von hier zweigen nach rechts und links mehrere Stege ab. Darunter rauscht und gluckert es, wir spüren die Kühle des Wassers. Dann öffnet sich der Blick. Vor uns ste- hen drei Blockhütten auf hohen Stelzen in den Stromschnellen, darunter drehen sich Mühlräder. Hamdo Cihajic, im Hauptberuf freier Unternehmensberater, hat die Blockhütten geplant und errich- tet. Stolz zeigt er uns Schwarzweißfoto- grafien aus der Zeit, als an dieser Stelle zahlreiche Mühlen im Fluss standen, und erzählt in holprigem Deutsch, wie er sie wieder aufgebaut hat. Die Mühlräder dar- unter treiben nichts an, es sind Attrap- pen, die an alte Zeiten erinnern sollen. An alte – und bessere – Zeiten möchte Cihajic mit dem Bau der Ferienhütten an- knüpfen: Bosanska Krupa war einst Sitz einer Künstlerkolonie und berühmt für die Sommerfrische am klaren Fluss, den die Römer einst Una, die Einzigartige, tauften. An diesem Ort teilt sich der Strom in mehrere Arme und bildet Inseln und Stromschnellen. Das 30 000-Einwoh- ner-Städtchen mit den alten Brücken, ei- ner Moschee, zwei Kirchen und der osma- nischen Festung ist ins Abseits geraten. Hierhin fährt kein Reisebus, es gibt keine Souvenir-Shops. Die meisten Besucher sind Studenten aus der nahe gelegenen Universitätsstadt Bihać. Urlaub in Bos- nien? Wem immer man zu Hause davon erzählt, der schüttelt verständnislos den Kopf. Es ist der Krieg, der immer noch in den Hinterköpfen spukt. Über 20 Jahre sind vergangen, seit das alte Jugoslawien im Bürgerkrieg zerfiel, dennoch sind sei- ne Spuren auch in Bosanska Krupa über- all noch zu sehen. Viele Häuser tragen die Narben von Einschusslöchern. Den Marktplatz beherrscht ein Springbrun- nen, den Tafeln mit den Namen der Er- mordeten säumen, meist junge Männer mit muslimischen Namen, die im Kampf gegen bosnisch-serbische Truppen fielen. Der Krieg habe hier „sehr schlimm“ ge- wütet, erinnert sich Hamdo Cihajic. Den- noch sei Bosanska Krupa längst wieder eine multikulturelle Stadt. „Die Religio- nen leben friedlich zusammen“, sagt er. Zwei Drittel der Einwohner sind muslimi- sche Bosniaken, christlich-orthodoxe Ser- ben stellen das restliche Drittel. Am nächsten Morgen um sechs Uhr er- tönt ein Knall, der die ganze Stadt erzit- tern lässt. Hamdo Cihajic hatte uns ge- warnt: Wir mögen nicht erschrecken, die Schüsse seien Tradition am Bajram-Tag, dem Tag des Fastenbrechens, der den muslimischen Fastenmonat Ramadan ab- schließt. Im Abstand von wenigen Minu- ten knallt es wieder, und so geht es den ganzen Morgen weiter. Wir haben be- reits gestern geplant, die Stadt zu verlas- sen, und wollen unternehmen, was Touris- ten in Bosanska Krupa unternehmen: eine Rafting-Tour auf der Una. Ervin Eki begrüßt uns mit festem Handschlag. Der Mittdreißiger mit den wässrig blauen Au- gen ist nicht nur Rafting-Anbieter, son- dern Herrscher über die Mittelinsel in der Una. Er betreibt hier einen Vergnü- gungskomplex mit Pizzeria, Grillrestau- rant, Fitness-Center und Diskothek, in der regelmäßig bosnische Stars auftreten. Unsere Rafting-Guides stehen bereit: der blonde Armin und Hadzi, ein Muskelpa- ket mit spärlichem Haar. Hadzi leitet das Fitness-Center im „Eki“ und ist leiden- schaftlicher Bodybuilder. Stolz zeigt er uns auf dem Smartphone Bilder seines elf- jährigen Jungen, der einen beachtlichen Bizeps in die Kamera hält. Er fährt mit dem Schlauchboot voraus, wir fahren bei Armin mit. Als wir uns anschnallen wol- len, reißt Armin hektisch am Gurt und lacht laut. „Anschnallen? Doch nicht in Bosnien!“, ruft er. Ironie? Wir schnallen uns an. Besser so. Wir fahren in engen Kurven den Fluss hinauf, der unter uns hellgrün leuchtet. Bedrohlich steile Felswände überragen die Straße, an einer Stelle lie- gen kopfgroße Gesteinsbrocken im Fahr- weg. Nach rund zehn Kilometern treffen wir auf Hadzi, der das Schlauchboot be- reits zu Wasser gelassen hat. Armin drückt jedem von uns ein Paddel in die Hand und stößt das Boot vom Ufer ab. Die Una trägt ihren Namen zu Recht. Sie zeigt hinter jeder Biegung eine Viel- falt an Formen und Farben, mal strömt sie in hektischem Brodeln zwischen klei- nen Inseln hindurch, auf denen Sträucher und kleine Bäume stehen. Dann wieder öffnet sie sich zu einem großen, grünen See. In einer kleinen Grotte schweben wir mit dem Boot inmitten von fluoreszie- rendem Blau. Tief unten im klaren Was- ser sehen wir große Fische in der Strö- mung stehen. Die Stromschnellen sind auf diesem Abschnitt der Una eher harm- los. Gemütlich treiben wir hinunter, vor- bei an Gruppen von jungen Leuten, die am Ufer sitzen, grillen und Bier trinken. Armin und Hadzi grüßen alle. „Das ist ein Leben, was?“, sagt Armin und lächelt schief. Wieder diese seltsame Ironie. Kurz zuvor hatte Armin erzählt, dass er drei Jobs ausübe, als Sportlehrer, Raf- ting-Guide und Konzertbooker für Ervin Ekis Diskothek. „Ich habe Glück“, sagt er. Die meisten seiner Freunde schlügen sich mit Hilfsjobs durch. Laut Studien ge- hen fast 60 Prozent der jungen Bosnier keiner festen Arbeit nach. Jeder zweite würde gerne auswandern. Armin hebt ab- wehrend seine Hände. „Ich brauche die Natur, ich brauche den Fluss. Ich habe hier ein gutes Leben“, sagt er, diesmal ohne Ironie. Unberührte Berge, klare Flüsse, Kul- turschätze, günstige Preise – eigentlich bietet Bosnien eine Menge Potential für den Tourismus. Doch es fehlt an Infra- struktur, Initiative, an guten Ideen. Nicht nur, weil die Jugend auswandert, sondern auch, weil der Staat Bosnien- Hercegovina ein künstliches Gebilde ist, der nach dem Krieg 1995 auf Basis des Abkommens von Dayton gegründet wur- de. Der Staat wird gemeinsam von den einst verfeindeten Volksgruppen der Ser- ben, Kroaten und Bosniaken regiert, de- nen es immer noch schwerfällt, an einem Strang zu ziehen. Die Verwaltung ist be- häbig und ineffizient, Interessen der Nachbarländer Serbien und Kroatien wiegen manchmal schwerer als die des Heimatlandes. Seine ethnische und reli- giöse Vielfalt hat es Bosnien schwerge- macht, eine eigene Identität zu entwi- ckeln. Stets in Randlage bildete die Regi- on jahrhundertelang die Westgrenze des Orients, war Teil des Osmanischen Reichs, das den Islam auf die Balkanhalb- insel brachte. Mit der Berliner Konfe- renz 1878 wechselte die Region plötzlich an die Ostgrenze, diesmal die der öster- reichisch-ungarischen Donaumonarchie. Deutsch wurde und blieb noch lange Pflichtfach in der Schule, und viele Älte- re sprechen zumindest ein wenig Deutsch. Nach dem Rafting essen wir Ćevapčići in Ervin Ekis Grillrestaurant, einem offenen Pavillon mit Blick auf die Una und übergroßem Fernseher an der Wand, auf dem bosnische Musikvideos laufen. Die Hitze lastet immer noch schwer auf der Stadt. Wir sitzen beim Bier und schauen auf den Fluss, der an dieser Stelle tief und dunkelgrün ist. Von der alten Holzbrücke springen Jugendliche hinein, sechs, sieben Meter in die Tiefe. Als die Abenddämmerung einsetzt und die Hitze etwas erträglicher wird, müssen Armin und Hadzi los. Heute Abend gibt es ein großes Kon- zert, auf die beiden wartet noch viel Ar- beit. Und Bosanska Krupa, diese träge, drü- ckend heiße Stadt am Fluss: Sie wacht langsam auf. Während der Muezzin zum Gebet ruft, beginnt der große Abendspaziergang. Die Grüppchen wan- dern von der Altstadt aus über die Holz- brücke auf die Mittelinsel. Beim „Eki“ führt eine weitere Brücke in ein Laby- rinth aus zahlreichen bewaldeten Insel- chen im Fluss, die mit schmalen Holzste- gen verbunden sind. Hier bildet die Una natürliche, klare Tümpel mit kleinen Sandbuchten – ein Abenteuerspielplatz wie aus den Geschichten um Tom Saw- yer und Huckleberry Finn. Nach dem Rundgang geht es zurück in die Alt- stadt, wo in den zahlreichen Cafés und Bars das abendliche Sommerfest schon begonnen hat. In der Gasse stehen jun- ge Leute an Tischen, es wird laut ge- lacht und geredet. Wir trinken „Premin- ger“, ein helles Bier aus Bihać. Auf einer winzigen Bühne stehen zwei Jungs mit Gitarren und eine Sängerin und intonie- ren einen Schlager. Dann spielen sie ei- nen langen Auftakt, den Beginn einer Melodie in Moll. Plötzlich ebben die Gespräche der Umstehenden ab, ein Hauch Melancholie weht durch die Alt- stadtgasse. Die Sängerin, mit ernster Miene und fast bewegungslos, singt ei- nen „Sevdalinka“, ein Liebeslied voller Sehnsucht. Es ist, als singe sie es für Bos- nien, dem man eine bessere Zukunft wünscht. MIRKO HEINEMANN Anreise Mit dem Flugzeug oder der Bahn nach Zagreb. Vom Za- greb-Bus-Terminal fahren mehr- mals täglich Fernbusse nach Bihać (www.buscroatia.com, 3,5 Stunden). Von dort aus fahren Busse nach Bosanska Krupa (30 Kilometer). Währung Wer zu Hause immer noch alles in D-Mark umrechnet, der kann sich in Bosnien über ein Déjà-vu freuen: Die Währung heißt „Konvertible Mark“ und ent- spricht exakt dem Wert der frühe- ren D-Mark. Sie ist fest an den Euro gebunden. Unterkunft Hamdo Cihajics Block- haus kann man über die Online- Plattform Airbnb mieten, Stich- wort „Pile dwelling, nature & wa- ter“ (www.airbnb.de). Von Reisen- den gelobt wird auch das „Una Kamp“ einige hundert Meter fluss- abwärts von Bosanska Krupa mit kleinen Blockhütten, wo auch Raf- ting- und Kajak-Touren angeboten werden (www.unacamping.de). Das „Hotel Eki“ auf der Mittelinsel ist, wie auch das Hotel „Stari grad Ilma“ im Zentrum von Bosanska Krupa, bedingt zu empfehlen. Ei- nen Besuch wert hingegen ist das von außen abweisend wirkende Ho- tel „Kostelski Buk“. Es liegt nahe Bihać unmittelbar an den Una-Was- serfällen (www.kostelski-buk.com). Zerfließende Träume Schöne Berge, klare Flüsse, gute Preise: Die Gegend um Bosanska Krupa hat beste Voraussetzungen für Tourismus – nur einen Fehler: Sie liegt in Bosnien Die Hütten am Fluss, die Festung auf dem Hügel: Bosanska Krupa an der Una war einst Sitz einer Künstlerkolonie und berühmt für die Sommerfrische am klaren Fluss. Heute ist es schwer, Touristen nach Bosnien zu locken. Foto Mauritius Wasserfall bei Bosanska Krupa Foto ddp Images DER WEG NACH BOSNIEN Zagreb 50 km Karlovac KROATIEN BOSNIEN- HERCEGOVINA Senj Slunj Bihać Bosanska Krupa Sa v e Un a Sarajevo Sarajevo BOSNIEN- BOSNIEN- HERCEGOVINA HERCEGOVINA KROATIEN KROATIEN SLO- SLO- WENIEN WENIEN SERBIEN SERBIEN UNGARN UNGARN BOSNIEN- HERCEGOVINA KROATIEN SLO- WENIEN SERBIEN UNGARN Zagreb Zagreb Belgrad Belgrad Sarajevo Zagreb Belgrad Adria 100 km 00 km 100 km F.A.Z.-Karte lev. Dubai Zypern Suezkanal MS EUROPA 2 präsentiert den sommer hoch2 BiS zu 30% sparen. Nur bis 30.11.2016! Sechs Reisen und unzählige Erlebnisse. 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sommer hoch2 - Mirko Heinemann · abwärts von Bosanska Krupa mit kleinen Blockhütten, wo auch Raf-ting- und Kajak-Touren angeboten werden (). Das „Hotel Eki“ auf der Mittelinsel

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Page 1: sommer hoch2 - Mirko Heinemann · abwärts von Bosanska Krupa mit kleinen Blockhütten, wo auch Raf-ting- und Kajak-Touren angeboten werden (). Das „Hotel Eki“ auf der Mittelinsel

F R A N K F U R T E R A L L G E M E I N E S O N N TAG S Z E I T U N G , 2 5 . S E P T E M B E R 2 0 1 6 , N R . 3 8 reise 69

Ob es eine gute Idee war, in diesenTalkessel zu fahren? Das Thermo-meter zeigt 40 Grad im Schatten.

Über dem Fluss Una steigt die Feuchtig-keit in Schlieren auf. Gleißend weiß ragtam anderen Ufer das Minarett der Klein-stadt Bosanska Krupa in die Höhe, dane-ben die Ruinen der Festung aus osmani-scher Zeit. Die Kinder, die vom Ufer inden Fluss springen, herausklettern undsich immer wieder hineinstürzen, sinddas einzig Lebendige an diesem Mittag.

Und Hamdo Cihajic, der eine Zigaret-te in den Fingern hin und her rollt, ohnesie anzuzünden. Trotz der Hitze trägt ereine lange Hose, dazu ein weißes Hemd.Er überquert die alte Holzbrücke, die bei-de Ortsteile von Bosanska Krupa verbin-det, bis zur Mittelinsel im Fluss. Von hierzweigen nach rechts und links mehrereStege ab. Darunter rauscht und gluckertes, wir spüren die Kühle des Wassers.Dann öffnet sich der Blick. Vor uns ste-hen drei Blockhütten auf hohen Stelzenin den Stromschnellen, darunter drehensich Mühlräder. Hamdo Cihajic, imHauptberuf freier Unternehmensberater,hat die Blockhütten geplant und errich-tet. Stolz zeigt er uns Schwarzweißfoto-grafien aus der Zeit, als an dieser Stellezahlreiche Mühlen im Fluss standen, underzählt in holprigem Deutsch, wie er siewieder aufgebaut hat. Die Mühlräder dar-unter treiben nichts an, es sind Attrap-pen, die an alte Zeiten erinnern sollen.

An alte – und bessere – Zeiten möchteCihajic mit dem Bau der Ferienhütten an-knüpfen: Bosanska Krupa war einst Sitzeiner Künstlerkolonie und berühmt fürdie Sommerfrische am klaren Fluss, dendie Römer einst Una, die Einzigartige,tauften. An diesem Ort teilt sich derStrom in mehrere Arme und bildet Inselnund Stromschnellen. Das 30 000-Einwoh-ner-Städtchen mit den alten Brücken, ei-ner Moschee, zwei Kirchen und der osma-nischen Festung ist ins Abseits geraten.Hierhin fährt kein Reisebus, es gibt keineSouvenir-Shops. Die meisten Besuchersind Studenten aus der nahe gelegenenUniversitätsstadt Bihać. Urlaub in Bos-nien? Wem immer man zu Hause davonerzählt, der schüttelt verständnislos denKopf.

Es ist der Krieg, der immer noch inden Hinterköpfen spukt. Über 20 Jahresind vergangen, seit das alte Jugoslawienim Bürgerkrieg zerfiel, dennoch sind sei-ne Spuren auch in Bosanska Krupa über-all noch zu sehen. Viele Häuser tragendie Narben von Einschusslöchern. DenMarktplatz beherrscht ein Springbrun-nen, den Tafeln mit den Namen der Er-mordeten säumen, meist junge Männermit muslimischen Namen, die im Kampfgegen bosnisch-serbische Truppen fielen.Der Krieg habe hier „sehr schlimm“ ge-wütet, erinnert sich Hamdo Cihajic. Den-noch sei Bosanska Krupa längst wiedereine multikulturelle Stadt. „Die Religio-nen leben friedlich zusammen“, sagt er.Zwei Drittel der Einwohner sind muslimi-sche Bosniaken, christlich-orthodoxe Ser-ben stellen das restliche Drittel.

Am nächsten Morgen um sechs Uhr er-tönt ein Knall, der die ganze Stadt erzit-tern lässt. Hamdo Cihajic hatte uns ge-warnt: Wir mögen nicht erschrecken, dieSchüsse seien Tradition am Bajram-Tag,dem Tag des Fastenbrechens, der denmuslimischen Fastenmonat Ramadan ab-schließt. Im Abstand von wenigen Minu-ten knallt es wieder, und so geht es den

ganzen Morgen weiter. Wir haben be-reits gestern geplant, die Stadt zu verlas-sen, und wollen unternehmen, was Touris-ten in Bosanska Krupa unternehmen:eine Rafting-Tour auf der Una. Ervin Ekibegrüßt uns mit festem Handschlag. DerMittdreißiger mit den wässrig blauen Au-gen ist nicht nur Rafting-Anbieter, son-dern Herrscher über die Mittelinsel inder Una. Er betreibt hier einen Vergnü-gungskomplex mit Pizzeria, Grillrestau-rant, Fitness-Center und Diskothek, inder regelmäßig bosnische Stars auftreten.Unsere Rafting-Guides stehen bereit: derblonde Armin und Hadzi, ein Muskelpa-ket mit spärlichem Haar. Hadzi leitet dasFitness-Center im „Eki“ und ist leiden-schaftlicher Bodybuilder. Stolz zeigt eruns auf dem Smartphone Bilder seines elf-jährigen Jungen, der einen beachtlichenBizeps in die Kamera hält. Er fährt mitdem Schlauchboot voraus, wir fahren beiArmin mit. Als wir uns anschnallen wol-len, reißt Armin hektisch am Gurt undlacht laut. „Anschnallen? Doch nicht inBosnien!“, ruft er. Ironie? Wir schnallenuns an.

Besser so. Wir fahren in engen Kurvenden Fluss hinauf, der unter uns hellgrünleuchtet. Bedrohlich steile Felswändeüberragen die Straße, an einer Stelle lie-gen kopfgroße Gesteinsbrocken im Fahr-weg. Nach rund zehn Kilometern treffenwir auf Hadzi, der das Schlauchboot be-reits zu Wasser gelassen hat. Armindrückt jedem von uns ein Paddel in dieHand und stößt das Boot vom Ufer ab.Die Una trägt ihren Namen zu Recht.Sie zeigt hinter jeder Biegung eine Viel-falt an Formen und Farben, mal strömtsie in hektischem Brodeln zwischen klei-nen Inseln hindurch, auf denen Sträucherund kleine Bäume stehen. Dann wiederöffnet sie sich zu einem großen, grünenSee. In einer kleinen Grotte schwebenwir mit dem Boot inmitten von fluoreszie-rendem Blau. Tief unten im klaren Was-ser sehen wir große Fische in der Strö-mung stehen. Die Stromschnellen sind

auf diesem Abschnitt der Una eher harm-los. Gemütlich treiben wir hinunter, vor-bei an Gruppen von jungen Leuten, dieam Ufer sitzen, grillen und Bier trinken.Armin und Hadzi grüßen alle. „Das istein Leben, was?“, sagt Armin und lächeltschief. Wieder diese seltsame Ironie.Kurz zuvor hatte Armin erzählt, dass erdrei Jobs ausübe, als Sportlehrer, Raf-ting-Guide und Konzertbooker für ErvinEkis Diskothek. „Ich habe Glück“, sagter. Die meisten seiner Freunde schlügensich mit Hilfsjobs durch. Laut Studien ge-hen fast 60 Prozent der jungen Bosnierkeiner festen Arbeit nach. Jeder zweitewürde gerne auswandern. Armin hebt ab-wehrend seine Hände. „Ich brauche dieNatur, ich brauche den Fluss. Ich habehier ein gutes Leben“, sagt er, diesmalohne Ironie.

Unberührte Berge, klare Flüsse, Kul-turschätze, günstige Preise – eigentlichbietet Bosnien eine Menge Potential fürden Tourismus. Doch es fehlt an Infra-struktur, Initiative, an guten Ideen.Nicht nur, weil die Jugend auswandert,sondern auch, weil der Staat Bosnien-Hercegovina ein künstliches Gebilde ist,der nach dem Krieg 1995 auf Basis desAbkommens von Dayton gegründet wur-de. Der Staat wird gemeinsam von deneinst verfeindeten Volksgruppen der Ser-ben, Kroaten und Bosniaken regiert, de-nen es immer noch schwerfällt, an einemStrang zu ziehen. Die Verwaltung ist be-häbig und ineffizient, Interessen derNachbarländer Serbien und Kroatienwiegen manchmal schwerer als die desHeimatlandes. Seine ethnische und reli-giöse Vielfalt hat es Bosnien schwerge-macht, eine eigene Identität zu entwi-ckeln. Stets in Randlage bildete die Regi-on jahrhundertelang die Westgrenze desOrients, war Teil des OsmanischenReichs, das den Islam auf die Balkanhalb-insel brachte. Mit der Berliner Konfe-renz 1878 wechselte die Region plötzlichan die Ostgrenze, diesmal die der öster-reichisch-ungarischen Donaumonarchie.Deutsch wurde und blieb noch langePflichtfach in der Schule, und viele Älte-re sprechen zumindest ein wenigDeutsch.

Nach dem Rafting essen wirĆevapčići in Ervin Ekis Grillrestaurant,einem offenen Pavillon mit Blick auf dieUna und übergroßem Fernseher an derWand, auf dem bosnische Musikvideoslaufen. Die Hitze lastet immer nochschwer auf der Stadt. Wir sitzen beimBier und schauen auf den Fluss, der andieser Stelle tief und dunkelgrün ist.Von der alten Holzbrücke springenJugendliche hinein, sechs, sieben Meterin die Tiefe. Als die Abenddämmerungeinsetzt und die Hitze etwas erträglicherwird, müssen Armin und Hadzi los.Heute Abend gibt es ein großes Kon-zert, auf die beiden wartet noch viel Ar-beit.

Und Bosanska Krupa, diese träge, drü-ckend heiße Stadt am Fluss: Sie wachtlangsam auf. Während der Muezzinzum Gebet ruft, beginnt der großeAbendspaziergang. Die Grüppchen wan-dern von der Altstadt aus über die Holz-brücke auf die Mittelinsel. Beim „Eki“führt eine weitere Brücke in ein Laby-rinth aus zahlreichen bewaldeten Insel-chen im Fluss, die mit schmalen Holzste-gen verbunden sind. Hier bildet die Unanatürliche, klare Tümpel mit kleinenSandbuchten – ein Abenteuerspielplatz

wie aus den Geschichten um Tom Saw-yer und Huckleberry Finn. Nach demRundgang geht es zurück in die Alt-stadt, wo in den zahlreichen Cafés undBars das abendliche Sommerfest schonbegonnen hat. In der Gasse stehen jun-ge Leute an Tischen, es wird laut ge-lacht und geredet. Wir trinken „Premin-ger“, ein helles Bier aus Bihać. Auf einerwinzigen Bühne stehen zwei Jungs mitGitarren und eine Sängerin und intonie-

ren einen Schlager. Dann spielen sie ei-nen langen Auftakt, den Beginn einerMelodie in Moll. Plötzlich ebben dieGespräche der Umstehenden ab, einHauch Melancholie weht durch die Alt-stadtgasse. Die Sängerin, mit ernsterMiene und fast bewegungslos, singt ei-nen „Sevdalinka“, ein Liebeslied vollerSehnsucht. Es ist, als singe sie es für Bos-nien, dem man eine bessere Zukunftwünscht. MIRKO HEINEMANN

Anreise Mit dem Flugzeug oderder Bahn nach Zagreb. Vom Za-greb-Bus-Terminal fahren mehr-mals täglich Fernbusse nach Bihać(www.buscroatia.com, 3,5 Stunden).Von dort aus fahren Busse nachBosanska Krupa (30 Kilometer).Währung Wer zu Hause immernoch alles in D-Mark umrechnet,der kann sich in Bosnien über einDéjà-vu freuen: Die Währungheißt „Konvertible Mark“ und ent-spricht exakt dem Wert der frühe-ren D-Mark. Sie ist fest an denEuro gebunden.Unterkunft Hamdo Cihajics Block-haus kann man über die Online-Plattform Airbnb mieten, Stich-wort „Pile dwelling, nature & wa-ter“ (www.airbnb.de). Von Reisen-den gelobt wird auch das „UnaKamp“ einige hundert Meter fluss-abwärts von Bosanska Krupa mitkleinen Blockhütten, wo auch Raf-ting- und Kajak-Touren angebotenwerden (www.unacamping.de). Das„Hotel Eki“ auf der Mittelinsel ist,wie auch das Hotel „Stari gradIlma“ im Zentrum von BosanskaKrupa, bedingt zu empfehlen. Ei-nen Besuch wert hingegen ist dasvon außen abweisend wirkende Ho-tel „Kostelski Buk“. Es liegt naheBihać unmittelbar an den Una-Was-serfällen (www.kostelski-buk.com).

Zerfließende TräumeSchöne Berge, klare Flüsse,gute Preise: Die Gegendum Bosanska Krupa hatbeste Voraussetzungen fürTourismus – nur einenFehler: Sie liegt in Bosnien

Die Hütten am Fluss, die Festung auf dem Hügel: Bosanska Krupa an der Una war einst Sitz einer Künstlerkolonie und berühmt für die Sommerfrische am klaren Fluss. Heute ist es schwer, Touristen nach Bosnien zu locken. Foto Mauritius

Wasserfall bei Bosanska Krupa Foto ddp Images

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