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Ausgabe Nr. 04 / November 2015 Meisterhaftes Handwerk SONDER PUBLIKATION

SONDER - baugewerks-innung.de · werks engagieren! Auf den folgenden Seiten haben wir viele Geschichten zusammengetragen, die eines gemeinsam haben: Sie handeln von besonderen Menschen,

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Page 1: SONDER - baugewerks-innung.de · werks engagieren! Auf den folgenden Seiten haben wir viele Geschichten zusammengetragen, die eines gemeinsam haben: Sie handeln von besonderen Menschen,

Ausgabe Nr. 04 / November 2015

Meisterhaftes Handwerk

SONDERPUBLIKATION

Page 2: SONDER - baugewerks-innung.de · werks engagieren! Auf den folgenden Seiten haben wir viele Geschichten zusammengetragen, die eines gemeinsam haben: Sie handeln von besonderen Menschen,

Liebe Leserinnen und Leser,

wer einen Meisterbetrieb beauftragt, erwar-

tet eine Qualitätsarbeit. Und dies zu Recht:

Der Begriff Meister beinhaltet ein Qualitäts-

versprechen an den Kunden, das von meis-

terhaft arbeitenden Handwerkern mit Leben

gefüllt wird. Der Meister im Handwerk ist also gelebter Verbraucherschutz. Er ist

aber noch mehr als das.

Der Meisterbrief ist Ausdruck eines funktionierenden Generationenvertrags im

Handwerk. Damit meine ich die konkrete Verantwortung des Einzelnen der Bran-

che gegenüber, die der Dreh- und Angelpunkt einer handwerklichen Karriere ist.

Aus Handwerks-Lehrlingen werden Gesellen, und diese sitzen in ihren Prüfungen

Unternehmern gegenüber, die sich ehrenamtlich für den Fachkräftenachwuchs

einsetzen. Aus Gesellen wiederum werden häufig Meister, die dann selbst junge

Menschen ausbilden, ihr handwerkliches Wissen weitergeben und dieses in Prü-

fungsausschüssen einbringen.

Auch ich setze mich seit über 26 Jahren aktiv für den Fortbestand meines Gewerks

ein. Nicht nur als Innungsobermeister, sondern auch als Mitglied im Meisterprü-

fungsausschuss der Stuckateure. Ich sehe dies als meine Verpflichtung an gegen-

über dem Nachwuchs, den unsere Branche so dringend benötigt. Daher weiß ich:

Es ist viel Arbeit, neben der unternehmerischen Tätigkeit abends noch als Dozent

für Meisterprüfungsanwärter zur Verfügung zu stehen oder in Kommissionen über

die nächsten Prüfungen zu beraten. Ich möchte an dieser Stelle allen Unternehme-

rinnen und Unternehmern danken, die ihrer gesellschaftlichen Verpflichtung auf

diese oder ähnliche Weise nachkommen und sich für den Fortbestand des Hand-

werks engagieren!

Auf den folgenden Seiten haben wir viele Geschichten zusammengetragen, die

eines gemeinsam haben: Sie handeln von besonderen Menschen, die besondere

Leistungen erbringen. Sie erzählen von jungen Leuten, die mit dem Meisterbrief in

der Tasche Großes vorhaben. Sie porträtieren Unternehmer, die ihre Angestellten

auf vielfältige Weise fördern. Und sie erzählen vom Meistertitel selbst – von seiner

Erfolgsgeschichte und dem Qualitätsversprechen, das er seit Jahrzehnten den

Handwerkskunden gibt.

Ich wünsche Ihnen eine angenehme und anregende Lektüre.

Ihr

Klaus-Dieter Müller

Innungsobermeister

04 Grußwort

Der Meister macht den

Unterschied

05 Der Meister im Spiegel der Zeit

Der Meister als „Großer Befähigungs-

nachweis“ wurde 1935 eingeführt,

allerdings galt seit 1908 bereits

der „Kleine Befähigungsnachweis“,

demzufolge die Meisterprüfung Vor-

aussetzung der Ausbildung von Lehr-

lingen war. Heute steht der Meister

im Handwerk in der Diskussion:

Während er den einen als Ausweis

höchster fachlicher Qualifikation gilt,

wollen andere die als Zwang emp-

fundene Meisterpflicht im Handwerk

abschaffen.

06 Schlaglichter

07 Geschichte des Handwerks

08 Der Meister in der Diskussion

09 Konkret gefragt:

Der Meister im europäischen Diskurs

Interview mit ZDH-Präsident

Hans-Peter Wollseifer

10 Das Ehrenamt als tragende Säule

des Handwerks:

Wie sich zwei Berliner Unternehmer

für den Meisternachwuchs einsetzen

9

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12 Nachwuchsförderung:

Den Meisterkurs komplett bezahlt

13 Nahaufnahme: Meisterprüfungen 2015

In insgesamt vier Gewerken haben

junge Fachkräfte in diesem Jahr

ihre Meisterprüfungen im Bauhand-

werk abgelegt. Während sich die

Teilnehmeranzahl in den Bereichen

Stuck, Maurer- und Betonbau und

Straßenbau auf dem Niveau der

Vorjahre bewegte, ist die Anzahl der

Nachwuchsfliesenlegermeisterinnen

und –meister in 2015 ungewöhnlich

hoch.

14 Berufswunsch:

Meister im Fliesenlegerhandwerk

16 Als Stuckateur das Stadtbild

Berlins mitprägen

18 „Wer rastet, der rostet“:

Junger Maurer- und Straßenbau-

meister auf der Überholspur

20 Viel mehr als Stein auf Stein:

Maurer- und Betonbauer

21 3 Fragen an…

Michael Mahlo

22 Überblick: Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen

Was genau ist der Meister im Hand-

werk eigentlich, wer kann eine Prü-

fung absolvieren, was kostet das

und wo erhält man eine Förderung?

Dieses und weiteres Faktenwissen

ist in unserem Überblick zusammen-

gestellt – wer mehr wissen möchte,

findet unter „Wer hilft weiter?“ hilf-

reiche Tipps.

23 Wissenswertes rund um den

Meistertitel in Deutschland

25 Wer hilft weiter

26 Meister im Handwerk:

Getragen vom ehrenamtlichen

Engagement vieler Unternehmer

27 Impressionen

ImpressumFachgemeinschaft Bau

Berlin und Brandenburg e.V.

Nassauische Str. 15

10717 Berlin

Tel.: 030 / 86 00 04-0

Fax: 030 / 86 00 04-12

E-Mail: [email protected]

Internet: www.fg-bau.de

Redaktion

Christiane Witek / W (V.i.S.d.P.)

Tel.: 030 / 86 00 04-19

E-Mail: [email protected]

Gestaltung

explonauten.net GmbH

Agentur für Design

& Kommunikation

www.explonauten.net

Bildnachweise

Titelbild: Carolin Weber, Stuckateur-Meisterin, S. 2: Zentralverband des Deut-schen Handwerks (ZDH); S. 3, Mitte: Holzschnitt von Jost Amman, Der Steinmetz, in: Von St. Nikolai zum Reichstag. 500 Jahre Bauen in Berlin. Bauverlag GmbH Berlin, 1987; S. 4:

Handwerkskammer Berlin; S. 5, oben: siehe S. 3; S. 9: ZDH; S. 22, oben rechts: Fotolia, Eisenhans; S. 22, unten links: Fotolia, liveostockimages, Fotos der Meisterstücke Stuck und Fliese: Andreas KämperAlle übrigen Bilder: Fachgemeinschaft Bau

14

07

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4 Der Meister macht den Unterschied

Der Meister macht den Unterschied

Grußwort von Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin

Im Berliner Handwerk nehmen die Bau- und Ausbaugewerke eine herausragende Rolle

ein: Mehr als die Hälfte der etwa 30.000 Berliner Handwerksunternehmen gehören zu

dieser Branche. Damit ist das Bauhandwerk eine der tragenden Säulen des Handwerks

in unserer Stadt.

Dabei profitiert das Bau- und Ausbauhandwerk von der guten Berliner Konjunktur. Die

deutsche Hauptstadt wächst – und in einer wachsenden Stadt wird gebaut. Erst vor

kurzem zogen die Berliner Bau- und Ausbauhandwerker eine überaus positive Bilanz

der vergangenen Monate. Die Unternehmen freuen sich über prall gefüllte Auftragsbü-

cher und stellen Arbeits- und Ausbildungsplätze zur Verfügung. Vor allem die Ausbau-

handwerke verfügen seit Anfang 2010 über sehr gute Konjunkturdaten und prägen so

auch die sehr gute Stimmung im Berliner Gesamthandwerk.

Wesentlich zum Gelingen des Erfolges trägt der hohe Qualifikationsstand der Mitarbei-

terinnen und Mitarbeiter bei. Mehr als 1.400 junge Menschen wurden im vergangenen

Jahr in einem Bau- oder Ausbauberuf ausgebildet.

Aus ausgelernten Azubis werden die Meister von morgen. In diesem Jahr haben in

vier Bereichen junge Menschen ihre Meisterprüfungen absolviert. Während sich die

Anzahl der Prüfungsteilnehmer in den drei Gewerken Stuck, Maurer- und Betonbau so-

wie Straßenbau auf dem hohen Niveau der Vorjahre bewegte, hat sich die Anzahl der

Meisterprüflinge im Fliesenlegerhandwerk nahezu verdreifacht: In diesem Jahr legten

13 Teilnehmer die praktische Prüfung ab – darunter auch eine Frau.

Der Meisterbrief ist auch weiterhin im Berliner Handwerk die zentrale Qualifikation. Er

leistet einen wichtigen Beitrag zur Qualitätssicherung und trägt ganz wesentlich dazu

bei, dass die Betriebe am Markt erfolgreich sind und bleiben. Mit Recht beneidet uns

ganz Europa um diese Qualifikation. Der qualifikationsgebundene Berufszugang ist

Voraussetzung für ein nachhaltiges, qualitätssicherndes Unternehmertum im Hand-

werk und darüber hinaus die beste Versicherung gegen Arbeitslosigkeit.

Viele Berliner Handwerksbetriebe unterstützen die Meisterbestrebungen ihrer Mit-

arbeiterinnen und Mitarbeiter in vielfältiger Art und Weise: Sie machen sich auf die

Möglichkeit einer Aufstiegsfortbildung aufmerksam, unterstützen sie bei der Suche

nach dem passenden Meisterkurs, stehen ihnen für fachliche Fragen zur Verfügung

und stellen die jungen Leuten für die Teilnahme an Prüfungen frei.

Besonders hervorzuheben ist, dass sich viele Handwerksbetriebe bzw. deren Meis-

terinnen und Meister ehrenamtlich in den Meisterprüfungsausschüssen engagieren.

Sie übernehmen damit gesellschaftliche Verantwortung. Als Präsident der Handwerks-

kammer Berlin möchte ich mich auf diesem Wege sehr herzlich bei allen Menschen

bedanken, die in der Aus- und Weiterbildung Verantwortung übernehmen. Ohne das

vorbildliche Engagement der zahlreichen Ehrenamtlichen wäre unser Handwerk nicht

das, was es ist: Die Wirtschaftsmacht von nebenan.

Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin

» Geb: 1965 in Berlin

» Studium der Geschichts-

wissenschaften und Philosophie in

Berlin und Paris

» Seit 1990 im Familienunternehmen,

der Großberliner Reinigungsgesellschaft

(GRG), tätig, seit 1996 Geschäftsführen-

der Gesellschafter der GRG

» Seit 2003: Präsident der Handwerks-

kammer Berlin

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Der Meister im Spiegel der Zeit 5

Der Meister im Spiegel der Zeit

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Konkret Sonderpublikation6 Unternehmensnachfolge – Wandel als Chance begreifen

Schlaglichter

1810

1869

1881

1897

19001908

1927

1935

1953 1961

1965

1993 1998

2004

» Grundsatz der allgemeinen Gewerbefreiheit in PreußenDamit erfolgte erstmals eine staatliche Regelung der Verhältnisse der Handwerker und Gewerbetreibenden

» Gewerbeordnung für den Norddeutschen Bund Trat für ganz Deutschland in Kraft

» Neuregelung des InnungswesenNovelle der 1869 erlassenen Gewerbeordnung, die auf Bestrebungen der Handwerker zurückging, die besonderen Verhältnisse des Handwerks, die Ausbildung des Nachwuchses und den Zusammenschluss von Handwerkern der gleichen Berufe zu novellieren

» HandwerkerschutzgesetzGesetz „betreffend die Abänderung der Gewerbeordnung“: Überwachung des Lehrlings- und Gesellenwesens durch die Handwerkskammern Einführung der Meisterprüfung als eine künftig bei den Handwerkskammern abzulegende Prüfung » Gründung von 71 Handwerkskammern

» Einführung des kleinen Befähigungsnachweises, demzufolge die Meisterprüfung die Voraussetzung ist, um Lehrlinge ausbilden zu können

» HandwerksnovelleVerpflichtet die Handwerkskammern, eine Handwerksrolle als Verzeichnis aller selbstständigen Handwerker zu führen

» Einführung des Großen BefähigungsnachweisesDer Meisterbrief wird Voraussetzung für die selbstständige Betätigung im Handwerk und die Ausbildung von Lehrlingen

» Deutsche Handwerksordnung tritt in Kraft

» Bundesverfassungsgericht bestätigt Verfassungsmäßigkeit der deutschen Handwerksordnung

» „Gesetz zur Änderung der Handwerksordnung“Das vom Bundestag verabschiedete Gesetz ermöglicht eine dynamische Anpassung des Handwerks an den technisch-wirtschaftlichen Fortschritt

» Bundestag novelliert Handwerksordnung

» Novellierung der HandwerksordnungAus 127 werden 94 Handwerksberufe, die Zahl der handwerksähnlichen Gewerbe wächst von 50 auf 57

» Novellierung der HandwerksordnungIn diesem Zusammenhang entfällt die Meisterpflicht im Fliesenlegergewerk

Quellen: ZDH, Handwerkskammer Berlin, Wikipedia, FG Bau

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Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 7

Geschichte des Handwerks

Die Geschichte des Handwerks ist so alt wie die Geschich-

te der Menschheit selbst. Zu den ersten Handwerkern

gehörten Schmiede, Zimmerleute, Tischler, Gerber, Töp-

fer und Weber. In der Zeit des Römischen Reiches hatten

Maurerhandwerk sowie Gold- und Kupferschmiede ihre

Blütezeit - das Handwerk wurde zum Kulturträger. In den

Klöstern des frühen Mittelalters versammelte sich eine

große Zahl von Bauern mit handwerklichem Geschick, die

freilich ausschließlich für den Klerus zu arbeiten hatten.

Während dieser Zeit gründeten sich die ersten Gilden,

aus denen später die Zünfte entstehen sollten. In der Zeit

des Mittelalters spezialisierten sich die Handwerksberufe

zunehmend - nicht zuletzt eine Folge der steigenden Ver-

städterung und der Hochzeit des Handels. Aus dieser Zeit

stammen auch die ersten Zunftordnungen. Die Erfindung

von Dampfmaschine, mechanischem Webstuhl oder auch

der ersten Spinnmaschine (alle Mitte des 18. Jahrhun-

derts) kündigte das industrielle Zeitalter und zugleich grö-

ßere Umgestaltungen im Handwerk an. Handwerksberufe

verschwanden und immer neue kamen hinzu.

Die Wurzeln des Handwerks, wie wir es heute kennen,

reichen fast zwei Jahrhunderte in die Vergangenheit zu-

rück. In den Jahren 1810/1811 war in Preußen durch die

erstmalige Erstellung des Grundsatzes der allgemeinen

Gewerbefreiheit eine staatliche Regelung der Verhältnisse

der Handwerker und Gewerbetreibenden erfolgt. Im Jahre

1869 folgte die Gewerbeordnung für den Norddeutschen

Bund, die schließlich in ganz Deutschland in Kraft trat.

Die Bestrebungen der Handwerker, die Gewerbeordnung

im Hinblick auf die besonderen Verhältnisse des Hand-

werks, auf die Ausbildung des handwerklichen Nach-

wuchses und den Zusammenschluss von Handwerkern

des gleichen Berufes zu novellieren, waren vielfältig und

wurden in einer Gesetzesnovelle von 1881 ("Neuregelung

des Innungswesens") festgelegt. Im Jahr 1897 wurde

durch das Handwerkerschutzgesetz die Überwachung

des Lehrlings- und Gesellenwesens durch die Handwerks-

kammern gesetzlich geregelt - dies war der Beginn einer

organisierten und vereinheitlichten Handwerksstruktur.

Das Handwerkerschutzgesetz veranlasste jedoch nicht

nur eine einheitliche Ordnung des Handwerks, sondern re-

gelte darüber hinaus auch das Prüfungswesen. So wurde

die Meisterprüfung als eine künftig bei den Handwerks-

kammern abzulegende Prüfung eingeführt. 71 dieser

Kammern entstanden im Jahr 1900 im Deutschen Reich.

1908 brachte eine Novelle zur Gewerbeordnung den Klei-

nen Befähigungsnachweis, nach dem niemand Lehrlinge

ausbilden darf, wenn er die Meisterprüfung nicht abgelegt

hat. Der Große Befähigungsnachweis, nach dem der Meis-

tertitel für die Führung eines Handwerksbetriebes obliga-

torisch ist, wurde mit der Handwerksordnung im Jahr 1935

eingeführt.

Im Jahr 1953 wurde durch das neu geschaffene – Gesetz

zur Ordnung des Handwerks – (Handwerksordnung/HWO)

der Grundstein für die Neuentstehung eines leistungsfähi-

gen Handwerks gelegt. Die Handwerksordnung ist nach wie

vor gültig und wurde zuletzt zum 1. Januar 2004 novelliert.

Handwerkskammer Berlin

u Meisterbrief von Heinrich Schmidt, zur Verfügung gestellt von der Fa. Schmidt-Dunkel, Straßen- und Tiefbau GmbH & Co. KG

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Konkret Sonderpublikation8 Der Meister im Spiegel der Zeit

Der Meister in der Diskussion

Der Meister in Deutschland ist nicht unumstritten: Für die

einen Ausdruck höchster Qualität und fachlichen Könnens,

stellt er für die anderen eine unnötige Marktabschottung

dar, welche Einzelnen den Zugang zum freien Dienst-

leistungswettbewerb erschwert. Sie sprechen von Meis-

terzwang und wollen die Pflicht, einen Titel erwerben zu

müssen, um sich selbstständig zu machen, lieber heute als

morgen abschaffen. Warum eigentlich?

Mit einer Mitteilung im Oktober 2013 sorgte die Euro-

päische Kommission für Aufsehen: Sie rief die Mitglied-

staaten dazu auf, ihre „Zugangsschranken für regulierte

Berufe zu begründen und zu hinterfragen“. Dies bezog

sich explizit auch auf die Meisterpflicht in den derzeit

41 zulassungspflichten Gewerken des deutschen Hand-

werks. Die Branche reagierte irritiert, und in der Öffent-

lichkeit entspann sich eine heiß geführte Diskussion

um die Sinnhaftigkeit der Meisterpflicht in Deutschland.

Kritiker klagten, die Meisterpflicht sei in Wirklichkeit ein

Meisterzwang und stelle eine unnötige Zugangshürde zur

freien Berufsausübung dar. Damit würden nicht zuletzt

wesentliche Grundrechte eingeschränkt. Auch das Qua-

litätsversprechen, das ein Meisterbrief den Verbrauchern

gibt, wurde hinterfragt: Liefert wirklich jeder Meisterbe-

trieb die herausragende Qualität, die ein Meisterbrief

verspricht? Und geht es dem Handwerk nicht auch neben

dem Schutz dieser besonderen Qualität um eine Markt-

abschottung?

Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Beispiel Fliese:

2004 wurde im Zuge der Novellierung der Handwerks-

ordnung die Meisterpflicht im Fliesenlegerhandwerk

abgeschafft. Ein Meistertitel kann hier zwar nach wie vor

erworben werden, er ist allerdings freiwillig und nicht

mehr zwingende Voraussetzung einer Selbstständigkeit

und der Ausbildung von Gesellinnen und Gesellen. Elf Jah-

re nach Abschaffung der Meisterpflicht offenbaren sich

strukturelle Änderungen im Traditionsgewerk: Allein in

Berlin hat sich die Anzahl der bei der Handwerkskammer

geführten Betriebe verzehnfacht, von 239 Betrieben im

Jahr 2003 auf 2.388 im Jahr 2014, viele davon Ein-Mann-

Betriebe. Die Anzahl der Lehrlinge ist zwischen 2003 und

2011 massiv zurückgegangen: von 106 Auszubildenden

im Jahr 2003 auf nur noch 46 im Jahr 2011. Der Trend hält

bis heute an. Bundesweit stieg die Anzahl der Fliesenle-

gerbetriebe von rund 12.000 Betrieben nach 2004 auf

mittlerweile über 50.000 Betriebe.

Die Abschaffung des Meisters hat also tatsächlich zu-

nächst zu einer Betriebszunahme und damit zu einem grö-

ßeren Wettbewerb geführt, allerdings mit unerwünschten

Folgen: So hat sie weder Vorteile für Verbraucher, noch

für die Betriebe gebracht, vielmehr sind für Handwerk

und Verbraucher strukturelle Defizite entstanden, unter

denen die Branche heute leidet. Die Zahlen zeigen: Wo

Meisterbetriebe fehlen, fehlen Ausbildungsplätze – und

wo kein Nachwuchs ist, kann keine qualifizierte Dienst-

leistung mehr erbracht werden. Auch die Qualität der von

den neuen, ohne Meisterbrief arbeitenden selbststän-

digen Betrieben erbrachten Leistungen lässt offenbar

zu wünschen übrig. 2011 ermittelte eine Umfrage unter

Sachverständigen die durchschnittliche Schadenshöhe,

die durch wenig qualifizierte Fliesenleger verursacht

wurden: Auf durchschnittlich 9.000 Euro sei der Schaden

zu beziffern, der dem jeweils betroffenen Bauherren und

Endkunden durch mangelnde Qualifikation entstanden

sei, berichtete das Branchenblatt „Deutsche Handwerks-

Zeitung“ in seiner Ausgabe 13/2011. Hinzu kommt das

Thema Schwarzarbeit: So sehen Branchenvertreter im

Wegfall der Meisterpflicht ein Einfallstor für Illegalität am

Bau und die Gefahr von Scheinselbstständigkeit.

Mittlerweile ist man auf europäischer Ebene zurückgeru-

dert: Im Februar 2014 stellte die Kommission per Pres-

semitteilung klar: „EU-Kommission will Meisterbrief nicht

abschaffen“. Und auch die für den Binnenmarkt zuständi-

ge EU-Kommissarin Elzbieta Bienkowska sagte im März

2015 dem Deutschen Handwerksblatt, der Meisterbrief

werde nicht abgeschafft. Inwieweit darauf Verlass ist,

wird sich zeigen.

Wussten Sie schon?

Seit November 2015 fördert das Land Brandenburg

junge Unternehmensgründer im Handwerk mit der

Meistergründungsprämie. Informationen dazu

unter www.ilb.de

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Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 9

Konkret gefragt: Der Meister im europäischen Diskurs

Die Diskussion auf europäischer Ebene zum Abbau von

Zugangsbeschränkungen zu bestimmten Berufen hat die

Meisterpflicht im Handwerk in Deutschland in Frage gestellt.

Mit seiner Kampagne „Ja zum Meister“ setzt der Zentralver-

band des deutschen Handwerks ein starkes Zeichen für

den Meisterbrief: Dieser ist, so die Kampagnenmacher, ein

„Instrument für mehr Ausbildung, weniger Jugendarbeitslo-

sigkeit und höhere Wettbewerbsfähigkeit“, kurz: ein Vorbild

für Europa. Hans Peter Wollseifer, ZDH-Präsident, erklärt im

Interview die Hintergründe.

FG Bau Konkret: Herr Wollseifer, immer wieder geis-

tern Meldungen durch die Medien, der Meisterbrief in

Deutschland stehe absehbar zur Disposition, offiziell, um

den Zugang zu reglementierten Berufen zu erleichtern.

Rüttelt Brüssel am Meisterbrief?

Hans Peter Wollseifer: Die Europäische Kommission hat

durch eine Mitteilung im Oktober 2013 einen Prozess

eingeleitet, der im Wesentlichen darauf abzielt, die Regle-

mentierung von Berufen in Europa kritisch zu hinterfragen.

Hierzu gehören neben vielen freien Berufen wie beispiels-

weise Ärzten, Apothekern oder Rechtsanwälten auch die

zulassungspflichtigen Handwerksberufe. In Deutschland

sind derzeit 141 Berufe reglementiert. Diese Zahl liegt un-

ter dem europäischen Durchschnitt - in Großbritannien sind

beispielsweise 210 Berufe reglementiert, in Polen 354.

Was will die Kommission damit erreichen?

Die Europäische Kommission behauptet, dass Berufsre-

glementierungen die Mobilität von Selbständigen und

abhängig Beschäftigten im Binnenmarkt negativ beein-

trächtigen. Allerdings gelten im Binnenmarkt seit über

fünf Jahrzehnten besondere Regelungen zur Anerkennung

von Berufsqualifikationen. Diese haben sich insgesamt

bewährt. Die Argumentation der Kommission ist daher

letztlich nicht überzeugend.

Wie hat der ZDH darauf reagiert?

Wir haben frühzeitig diesen Kommissionsansatz kritisiert.

Die zulassungspflichtigen Handwerke unterliegen aus

guten Gründen einer Reglementierung. Hier geht es nicht

nur um die Gefahrengeneigtheit bestimmter Tätigkeiten

und darum, den Verbraucherschutz sicherzustellen. Wir

wollen auch die Ausbildungsleistung im Interesse der

Gesamtwirtschaft sichern. Wir werben aktiv für das Sys-

tem der zulassungspflichtigen Handwerksberufe, unter

anderem im Rahmen der Kampagne „Ja zum Meister“. Mit

Erfolg: Bundesrat und Bundestag haben die klare Position

des Handwerks aufgegriffen und der Deregulierungspo-

litik der Europäischen Kommission eine Absage erteilt.

Und wir setzen uns für Transparenz zwischen den Mit-

gliedstaaten ein. Das Offenlegen und Bekanntmachen der

unterschiedlichen Regelungen ist ein sinnvoller Schritt zu

mehr grenzüberschreitenden Geschäften.

Gefahr also gebannt?

Vorsicht! Die Europäische Kommission lobt zwar die

berufliche Bildung in Deutschland ausdrücklich und er-

kennt an, dass dieses System einen wichtigen Beitrag

dazu leistet, dass die Jugendarbeitslosigkeit in Deutsch-

land die niedrigste in ganz Europa ist. Dabei wird aber

nicht anerkannt, dass unser duales Ausbildungssystem

im Handwerk von Meisterbetrieben getragen wird. Im

Rahmen ihrer Binnenmarkstrategie für 2016/17 will die

Europäische Kommission die Mitgliedstaaten nach wie

vor zur Anwendung von Kriterien verpflichten, die den

Mitgliedstaaten „helfen“ sollen, die Verhältnismäßigkeit

bestehender Berufsreglementierungen zu überprüfen.

Auch sollen den Mitgliedstaaten in den so genannten

länderspezifischen Empfehlungen Vorgaben hinsichtlich

bestehender Berufsreglementierungen gemacht werden.

Wir werden also weiter engagiert für ein "Ja zum Meister"

auch auf europäischer Ebene kämpfen.

Herr Wollseifer, wir danken Ihnen für Ihre Antworten.

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Konkret Sonderpublikation10 Der Meister im Spiegel der Zeit

u Meisterprüfungsobjekt 2015, Ausschnitt

Das Ehrenamt als tragende Säule des Handwerks: Wie sich zwei Berliner Unternehmer für den Meisternachwuchs einsetzen

Ohne das ehrenamtliche Engagement vieler Bauun-

ternehmer wäre das Handwerk nicht das, was es ist.

Ob in Gesellen- oder Meisterprüfungsausschüssen,

in Verbandsgremien oder in der Handwerkskammer,

überall bringen sich Unternehmer ein und sorgen

mit ihrem unentgeltlichen Einsatz dafür, dass das

Handwerk eine starke Interessensvertretung hat

und die Wissensvermittlung an die Fachkräfte von

morgen funktioniert. Auch die Brüder Thomas und

Wolf-Dieter Nagel sind ehrenamtlich im Dienste des

Handwerks ativ, neben ihrer hauptamtlichen Arbeit

im eigenen Unternehmen, der mittelständischen

Baufirma Stuck Nagel GmbH. FG Bau Konkret hat

sich mit ihnen über ihr Engagement unterhalten.

FG Bau Konkret: Sie sind beide seit Jahren im Ge-

sellenprüfungsausschuss und im Meisterprüfungs-

ausschuss im Bereich Stuck aktiv. Warum?

Wolf-Dieter Nagel: Mit dem Engagement verhält es

sich letztendlich so wie mit dem Fachkräftemangel:

Wenn keiner ausbildet, kommt auch keiner nach.

Wir fördern den Nachwuchs, weil wir ein Interesse

daran haben, dass es viele gute Leute im Stucka-

teur-Handwerk gibt. Das tut uns allen gut, denn es

stärkt unsere Branche.

Thomas Nagel: Das Engagement macht uns Spaß:

Man reflektiert ja durch so ein Engagement auch

seine eigenen Kenntnisse und überprüft automa-

tisch seinen Wissensstand. Außerdem sind wir

traditionsbewusst: Bereits unser Vater, der auch

schon einen Stuckbetrieb über vierzig Jahre geführt

hat, war Mitglied im Meisterprüfungsausschuss

und hat seinen Teil zur Wissensvermittlung beige-

tragen. Ich selbst war in diesem Jahr erstmals auch

als Dozent tätig und habe an 20 Unterrichtsaben-

den den theoretischen Lernstoff für die anschlie-

ßende Prüfung vermittelt. Dass ich einmal in einem

Unterricht als Dozent vorne stehen würde, hätte ich

mir in meiner eigenen Schulzeit zwar nie vorstellen

können: Es hat aber funktioniert und wird mit Si-

cherheit wiederholt werden.

Die Meisterprüflinge stecken viel Zeit, Geld und

Energie in ihre Aufstiegsfortbildung. Das schreckt

viele erst einmal ab. Unterstützen Sie Ihre eigenen

Leute auf dem Weg zum Meister?

Thomas Nagel: Wir gehen aktiv auf unsere Mit-

arbeiter zu und sprechen sie an, wenn wir der

Meinung sind, dass der Meister etwas für sie sein

könnte. Und dann unterstützen wir je nach Bedarf

individuell, indem wir auf die zeitlichen Anforderun-

gen einzugehen versuchen, Werkzeug oder Material

bei Bedarf stellen oder die Anwärter auch mal an

der einen oder anderen Stelle von der Arbeit frei-

stellen, damit sie Zeit für die Prüfung haben.

Wolf-Dieter Nagel: Uns ist es wichtig, dass wir un-

sere eigenen Fachkräfte ausbilden. Das gilt nicht

nur für die Ausbildung, sondern auch für die Auf-

stiegsfortbildung.

Wird der Meistertitel vom Kunden als Qualitätsver-

sprechen gesehen?

Thomas Nagel: Die Kunden finden es gut, wenn sie

bei einem Betrieb auf eine kompetente Beratung

und auf eine qualitativ hochwertige Umsetzung

vertrauen können. Dass dies aber unmittelbar mit

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Konkret Sonderpublikation Der Meister im Spiegel der Zeit 11

s Thomas Nagel, Wolf-Dieter Nagel (v.l.n.r.)

dem Meistertitel zusammenhängt, können sich

vermutlich die wenigsten vorstellen. Am Markt

herrscht leider nach wie vor die „Geiz-ist-geil-

Mentalität“: Die Kunden wollen eine meisterliche

Arbeit, dafür aber nur einen Hilfsarbeiterlohn be-

zahlen. Ich denke, dass der Meister vor allem auch

eine Innenwirkung entfaltet: Für den Handwerker

und Betriebsinhaber ist es wichtig, insbesondere

im kaufmännischen Bereich fit zu sein. Der Meister

ist aus meiner Sicht daher auch ein Mittel, seine

eigenen Fähigkeiten im Sinne eines kritischen Qua-

litätsmanagements noch einmal zu hinterfragen.

Wolf-Dieter Nagel: Einen Hausmeisterservice kann

erst einmal jeder aufmachen. Das heißt aber noch

nicht, dass derjenige auch kalkulieren kann. Man

braucht als Unternehmer heute ein bestimmtes

Know-how, um sich am Markt halten zu können.

Und das bekommt man durch die Aufstiegsfortbil-

dung zum Meister.

Umso erstaunlicher ist es doch, dass der Meister in

der öffentlichen Debatte immer wieder zur Disposi-

tion steht. Was halten Sie von der Debatte?

Thomas Nagel: Als die Handwerksordnung 2004

novelliert wurde, ist nicht nur die Meisterpflicht im

Fliesenlegerhandwerk abgeschafft worden. Auch

die Stuckateure sollten künftig ohne den Meister-

brief auskommen. Erst aufgrund einer gewissen

Risikobewertung hat man sich dann doch anders

entschieden: Wenn eine Fliese von einer Wand fällt,

erschlägt sie in aller Regel keinen. Wenn sich aber

irgendwo eine Stuckkonsole löst oder etwas von

einer Fassade abbricht, ist der damit zusammen-

hängende Personenschaden vermutlich wesentlich

größer. Das war ein wesentliches Sicherheitsargu-

ment und ausschlaggebend für die Beibehaltung

der Meisterpflicht im Stuckateur-Handwerk.

Ist der Meisterbrief also eine Qualitätsgarantie?

Wolf-Dieter Nagel: Gewissermaßen ja, der Meister-

brief ist eine Qualitätsgarantie und ein Leistungs-

versprechen an den Kunden. Gerade deshalb ist es

wichtig, dass sich etwas an der Billigmentalität der

Kunden ändert. Wer meisterhafte Arbeiten abliefert,

verdient auch eine entsprechende Bezahlung. Durch

unser Engagement wollen wir nicht zuletzt auch zu

einem Mentalitätswandel beitragen.

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Konkret Sonderpublikation12 Der Meister im Spiegel der Zeit

Fa. Friedrich P. Schuster, Stukkateur

GmbH & Co. KG

» Stukkateurmeister in Berlin und Brandenburg

» Deutschlandweit tätig, rund 30 Beschäftigte

sowie Auszubildende

» Bundespreis für das Handwerk in der Denk-

malpflege 2010 in Berlin

» Leistungen: Arbeiten im Bereich Stuck, Putz,

Rabitz, Stuckmarmor und Sgraffito

www.stuckgewerbe.de

Nachwuchsförderung: Den Meisterkurs komplett bezahlt

Wer seinen Meister machen will, muss hohe Kosten in Kauf nehmen. Derzeit liegt eine berufsbegleitende

Meisterausbildung im Stuck-Handwerk bei rund 7.000 Euro. Für viele Weiterbildungswillige stellt diese

Summe zumindest eine Schwierigkeit dar, auch wenn sie größtenteils über das sogenannte Meister-BAföG

finanziert werden kann. Der Stuckateurmeister und Restaurator Friedrich P. Schuster will diese Zugangshür-

de abbauen – und bezahlt seinen Angestellten die Meisterausbildung komplett.

Zwei Beschäftigte der Firma Friedrich P. Schuster

aus Wandlitz haben 2015 die praktische Meister-

prüfung im Bereich Stuck auf dem Lehrbauhof der

Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg

absolviert. Finanziert wurden sie dabei komplett

vom Chef, dem Firmeninhaber Friedrich P. Schuster.

Warum macht er das? „Ich sehe die Finanzierung

der Meistergebühren meiner Beschäftigten als

Investition in das Unternehmen“, erklärt der Unter-

nehmer. „Das ist nicht ganz uneigennützig: Zu Be-

ginn der Meisterprüfungen setzen wir einen Vertrag

auf, der die Prüflinge verpflichtet, nach Abschluss

ihres Meisters mindestens zweieinhalb Jahre in

meinem Unternehmen weiterzuarbeiten und sich

nicht woanders zu bewerben.“ Mit seinem Engage-

ment sorgt Schuster dafür, dass sein Unternehmen

über gut qualifizierte Kräfte verfügt, die auf dem

neuesten Wissensstand sind, sein Betrieb profitiert

davon. „Auch unsere Kunden wissen zu schätzen,

dass sie bei uns die höchste Qualität bekommen.

Wer einen solchen Standard halten will, der muss

eben auch investieren“, erklärt Schuster.

Der Stuckateurmeister und Restaurator verkörpert

einen Unternehmertypus, der leider längst keine

Selbstverständlichkeit mehr ist: „Unternehmer im

Handwerk zu sein heißt, eine Aufgabe zu erfüllen,

etwas weiterzugeben und dafür Sorge zu tragen,

dass das Handwerk auch in Zukunft weiter exis-

tieren kann. Wer stellt die Weichen für die weitere

Entwicklung unserer Branche, wenn nicht wir? Wir

haben als Unternehmer einen gesellschaftlichen

Auftrag, den wir erfüllen müssen.“ Schuster erfüllt

den Auftrag mit Leib und Seele: Neben seiner Tä-

tigkeit als Unternehmer engagiert er sich bereits

seit über 15 Jahren ehrenamtlich im Meisterprü-

fungsausschuss des Stuckateurhandwerks sowie

im Gesellenprüfungsausschuss. Hier arbeitet

er mit seinen Kollegen daran, dass Qualität und

fachliches Know-how der Nachwuchsfach- und

Führungskräfte erhalten bleibt und weitergegeben

wird. In einer guten Aus- und Weiterbildung liegt

für Schuster das A und O jeglicher qualitativer

Handwerksleistung: „Wir sind stark in der Ausbil-

dung, wir Stuckateure. Im Schnitt bilden wir rund

25 bis 30 Lehrlinge pro Jahr aus.“ Der immer wieder

aufkeimenden Debatte um die Abschaffung des

Meistertitels steht er verständnislos gegenüber:

„Wenn bei uns Stuckateuren die Meisterpflicht

abgeschafft werden sollte, gibt es bald auch keine

Lehrlinge mehr – und damit fehlen dem Kunden

dann die Fachkräfte, die seine Aufträge fachgerecht

ausführen könnten. Der Meister ist was wert – nicht

nur für uns, sondern vor allem für unsere Kunden.“

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Nahaufnahme – Meister 2015 13

Nahaufnahme Meisterprüfungen 2015

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Konkret Sonderpublikation14 Nahaufnahme – Meister 2015

Berufswunsch: Meister im Fliesenlegerhandwerk

Obwohl die Zulassungspflicht per Meisterbrief im Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerk seit 2004

weggefallen ist, haben in Berlin in diesem Jahr doppelt so viele junge Menschen wie sonst ihre Meister-

prüfungen absolviert. Dafür nehmen sie Kosten von derzeit gut 6.000 Euro und einen Arbeitsaufwand

von rund 900 Stunden auf sich.

Als einzige Frau hat Elena Nawrocki im Frühjahr

2015 Teil I und II ihrer Meisterausbildung im Be-

reich Fliese absolviert. Obwohl sie aus einem

traditionellen Fliesenlegerbetrieb stammt,

kehrte sie dem Handwerk zunächst den Rücken

und ging nach ihrem Abitur zum Studium ins

niederländische Maastricht. Doch irgendwie

fehlte hier immer etwas, so Elena Nawrocki:

„Ich konnte mir nicht vorstellen, den Rest mei-

nes Lebens an einem Computer zu sitzen und

Statistiken auszuarbeiten“, erzählt sie heute.

Sie sattelte kurzerhand um und entschied sich

für eine Lehre im Familienbetrieb zur Fliesen-,

Platten- und Mosaiklegergesellin. „Fliesen ist

etwas mit Hand und Fuß. Bei so einem Hand-

werk weiß man am Abend immer, was man

tagsüber getan hat“, resümiert sie und fügt hin-

zu: „Vom Kunden bekommt man ein promptes

Feedback zur eigenen Arbeit.“

Bei der Ausbildung kam ihr die schulische Vor-

bildung zugute: Aufgrund des Abiturs sowie

ihrer guten Leistungen konnte sie die Ausbil-

dung von den vorgesehenen drei Jahren auf

zwei Jahre verkürzen. Von der Ausbildungszeit

ist ihr vor allem das erste, fachübergreifende

Jahr auf dem Lehrbauhof der Fachgemein-

schaft Bau in guter Erinnerung geblieben:

„Für mich war es ungemein hilfreich, einmal

alle Gewerke zu durchlaufen. So versteht man

nachher besser, wer eigentlich was macht und

wie die unterschiedlichen Gewerke auf einer

Baustelle ineinander greifen“, erinnert sie

sich.

Meistertitel gilt nach wie vor als Qualitätsnachweis für Kunden

Warum nimmt man als junger Mensch rund

6.000 Euro an Kosten und ca. 900 Stunden

Arbeit – hauptsächlich in den Abendstunden

und am Wochenende – in Kauf, um einen Titel

zu erwerben, der seit über 10 Jahren für eine

Selbstständigkeit keine Rolle mehr spielt? „Mit

einem Meistertitel kann man sich auch im Flie-

senlegergewerk immer noch abheben von der

großen Masse! Beim Kunden gilt zu Recht: Wer

sein Handwerk beherrscht, der ist ein Meister

seines Faches. Mit dem Meistertitel verschaffe

ich mir also einen Vorteil vor der Konkurrenz

am Markt. Er ist Ausweis meines fachlichen

Könnens“, erklärt Elena Nawrocki.

Erst Imker, jetzt Fliesenlegermeister

Auch Sergey Nay verspricht sich von seinem

Meistertitel vor allem eines: einen Vorteil beim

Endverbraucher. Der 33-jährige Spätaussiedler

kam erst 2007 mit seiner Familie aus Russland

nach Deutschland – und sprach damals kaum

Deutsch. Daher suchte er sich als erstes einen

Intensiv-Sprachkurs, der es ihm binnen kür-

zester Zeit ermöglichte, nicht nur einfachen

Konversationen zu folgen, sondern sich auch

in den Arbeitsmarkt zu integrieren. „Über

meine Jobs habe ich mir weitere Sprachkennt-

nisse angeeignet“, erzählt Sergey Nay. Dass er

irgendwann einen Meistertitel als Fliesen-, Plat-

ten- und Mosaikleger vorweisen können wird,

u Sergey Nay

u Elena Nawrocki

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Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 15

» 2004 wurde die Zulassungspflicht im Fliesenlegerhand-

werk von der damaligen Bundesregierung abgeschafft,

um den Arbeitsmarkt zu flexibilisieren. Die Folge: ein

sprunghafter Anstieg der eingetragenen Betriebe zu Las-

ten der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung und

Ausbildung sowie der Qualität der Arbeit.

» Bis 2004 absolvierten bundesweit rund 550 junge Fachkräfte

pro Jahr ihre Meisterprüfung. Der Wegfall der Meisterpflicht

führte zu einem Rückgang von rund 80 Prozent: Seither ab-

solvieren rund 100 Fachkräfte ihre Meisterprüfung.

» Im Jahr 2002 konnte das Fliesenlegergewerk noch rund

4.500 Auszubildende zählen, 10 Jahre später war deren An-

zahl um über 50 Prozent auf rund 2.000 Azubis gesunken.

» In Berlin absolvierten trotz Wegfalls der Zulassungspflicht

13 Nachwuchsführungskräfte ihre Meisterprüfung im Jahr

2015. Die Anzahl der Meisterprüflinge war damit unge-

wöhnlich hoch. Prüfungsaufgabe des praktischen Teils war

das Fliesen einer freistehenden Körperform-Badewanne

mit Armablage, was als fachlich höchst anspruchsvoll gilt.

Im Vorfeld mussten eine Entwurfsplanung und eine Kalku-

lationsdokumentation erstellt werden.

t Prüfaufgabe war das Fertigen einer

Körperform-Badewanne

war eher Zufall, so der junge Familienvater: „Eigentlich

bin ich Imker. In Berlin gab es Jobs als Fliesenleger - also

habe ich mich für eine entsprechende Umschulung ent-

schieden.“ Die Umschulung schloss er mit einer Eins ab.

„Das war für mich auch eine große Motivation“, erzählt er.

„Außerdem kommt man mit so einer Qualifikation in der

Tasche beim Kunden einfach besser an“.

Meistertitel ist beim Endverbraucher viel wert

Auch deshalb entschied sich Sergey Nay, weiterzumachen

und die Meisterausbildung zu beginnen. „Ich spreche zwar

gut Deutsch, man hört mir meinen Akzent aber immer noch

an“, erklärt er. „Das ist ein Wettbewerbsnachteil, den ich

durch meinen Meistertitel ausgleichen will. Denn ein Meis-

ter ist beim Endverbraucher nach wie vor viel wert.“ Der

Begriff des Meisters ist in Deutschland geschützt; seit dem

Wegfall der Meisterpflicht im Jahr 2004 kann sich jedoch

jeder „Fliesenlegerbetrieb“ oder „Fachfirma“ nennen. Das

ist für viele Betriebe ein Problem, denn so kann der Kunde

nicht mehr unterscheiden, bei welchem Betrieb er noch auf

qualitativ hochwertige Leistung setzen kann. „Da macht

der Meistertitel einfach den entscheidenden Unterschied“,

ist sich Sergey Nay sicher.

Motivation ist wichtig

Dass man den Titel nicht geschenkt bekommt, ver-

schweigt er nicht: „Natürlich muss man hochmotiviert

sein, um alle vier Teile erfolgreich zu absolvieren. Es ist

schon anstrengend, sich nach getaner Arbeit abends oder

am Wochenende noch einmal hinzusetzen und für die

theoretische Prüfung zu lernen. Auch die Fertigung des

Meisterstücks kostet viel Zeit und Kraft.“ Aber Sergey Nay

ist sich sicher, dass sich die Extra-Anstrengungen und die

hohen Kosten lohnen. „Die Kunden wissen, dass Meister

nicht vom Himmel fallen, sondern dass hinter dem Meis-

terbrief viel Arbeit steckt. Sie wissen aber auch: Wenn ich

einen Meister beauftrage, dann kann ich davon ausge-

hen, dass die Arbeit in hoher Qualität ausgeführt wird.

Bei aufwändigen Arbeiten entscheiden sich viele Kunden

zudem eher für ein teureres anstatt für das billigste An-

gebot, einfach, weil sie hoffen, dass sie damit dann auch

die höchste Qualität bekommen.“

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Konkret Sonderpublikation16 Nahaufnahme – Meister 2015

Als Stuckateur das Stadtbild Berlins mitprägen

„Berlin ist dazu verdammt, immerfort zu werden

und niemals zu sein“: Die Zustandsbeschrei-

bung von Karl Scheffler aus dem Jahre 1910 ist

heute aktueller denn je. Als Verdammung würde

Carolin Weber, 31-jährige angehende Stucka-

teurmeisterin aus Nuthetal, dieses Schicksal

jedoch nicht sehen, im Gegenteil: „Es ist immer

wieder aufs Neue faszinierend, mit seiner eige-

nen Hände Arbeit dazu beizutragen, dass sich

das Bild der Stadt ändert. Dabei zuzuschauen,

wie nach und nach, Schicht für Schicht, auf

rohem Beton etwas Neues entsteht, ist unbe-

schreiblich. Wenn ich dann mit Freunden durch

die Stadt laufe, kann ich zeigen, woran ich mit-

gearbeitet habe.“

Carolin Weber ist die einzige Frau unter den

neun Teilnehmern des Meisterkurses Stuck auf

dem Gelände des Lehrbauhofs der Fachgemein-

schaft Bau, die im Juli 2015 ihre Fachtheorie

absolviert haben. Die 31-jährige Stuckateur-

fachkraft hat bereits im Frühjahr 2011 ihr prak-

tisches Meisterstück gefertigt, ein gotisches

Fenster. Mit ihrer Prüfung im Frühsommer 2015

hat sie nun auch den dazugehörigen Theorieteil

abgeschlossen und könnte sich als Jungmeis-

terin selbstständig machen. „Momentan habe

ich aber nicht vor, in die Selbstständigkeit zu

gehen. Stattdessen freue ich mich, meine neu-

en Kenntnisse in meinen Arbeitsalltag zu inte-

grieren. Qualifizierung ist wichtig, wenn man

weiterkommen will“, erzählt die junge Mutter,

die neben Baby und Vollzeitarbeitsstelle ihre

Meisterprüfung absolviert hat. Angestellt ist sie

bei der K. Rogge Spezialbau GmbH: Das Unter-

nehmen sieht Ausbildung als Teil seiner unter-

nehmerischen Verantwortung und Tradition, es

fördert seine Fachkräfte mit allen zur Verfügung

stehenden Mitteln. Von den zehn Teilnehmern

des aktuellen Meisterkurses Stuck am Lehrbau-

hof der Fachgemeinschaft Bau kamen allein

drei von der K. Rogge Spezialbau GmbH.

Hinter den Kulissen: Arbeiten in Babelsberg

Auch Marc Kagermann war einer der Kursteil-

nehmer. Sein Meisterprüfungsstück stach un-

ter allen anderen hervor: Dort, wo eigentlich

die Feuerstelle sein sollte, leuchtete sein Ka-

min knallgrün. „Beim Film benutzt man häufig

die Greenscreen-Technik“, erläutert Kager-

mann die auffallende Färbung seines Meister-

stückes. „Vor einem grünen Hintergrund wird

eine Szene gedreht. Am Bildschirm wird die

Farbe dann durch eine andere Szene ersetzt.

Bei meinem Prüfobjekt kann ich so also am

Bildschirm ein Feuer brennen lassen.“ Wäh-

rend die meisten der Teilnehmer aus klassi-

schen Handwerksbetrieben kommen, arbeitet

der 38-jährige Stuckateur bei den Filmstudios

in Potsdam-Babelsberg. Und das seit seiner

Ausbildung, seit 17 Jahren.

Die Studio Babelsberg AG beschäftigt alleine

im Bereich des Dekorationsbaus unterschied-

lichste Gewerke – von Tischlern und Schlos-

sern über Bildhauer und Stuckateure bis hin

zu Malern, Kunstmalern und Dekorateuren.

Auch hier machen sich, analog zur Situation

auf dem Handwerksarbeitsmarkt, langsam

der Rückgang an Schulabsolventen und der

damit zusammenhängende Fachkräftemangel

bemerkbar. Die Anzahl der Auszubildenden

im Bereich Stuck liegt seit einigen Jahren bun-

desweit bei rund 2.000 Lehrlingen – das ist

zu wenig, um die irgendwann in Rente gehen-

den Fachkräfte zu ersetzen. Marc Kagermann

erklärt: „Ich würde gerne mit jungen Leuten

zusammenarbeiten und ihnen unsere Arbeit

nahebringen. Mit der Ausbildereignung, Teil

IV der Meisterprüfung, kann ich bei uns aus-

bilden. Das ist mein Ziel und meine Hauptmo-

tivation, den Meistertitel im Bereich Stuck zu

erwerben.“

v Carolin Weber

Übrigens:

Kristijan Bacak, Meisterprüfungsabsolvent der

Fa. K. Rogge Spezialbau GmbH, wurde bei der

Meisterfeier der Handwerkskammer Berlin 2015

als Bester im Bereich Stuck geehrt.

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Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 17

Das Stuckateur-Handwerk ist eines von 41 zulassungs-

pflichtigen Gewerben und wird dem Bereich Ausbau-

gewerbe zugeordnet. Zum 31.12.2014 waren bei der

Handwerkskammer Berlin 57 Betriebe eingetragen,

ein Rückgang von fünf Prozent im Vergleich zum Vor-

jahr. Ein Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt,

dass der Betriebsbestand im Bereich Stuck trotz des

jüngst zu verzeichnenden Rückgangs relativ konstant

geblieben ist.

Im Stuckateur-Handwerk Berlin absolvieren pro Durch-

gang, ca. alle drei Jahre, im Schnitt zwischen sieben

und zehn jungen Nachwuchsführungskräften die

Meisterprüfungen. 2015 fertigten sieben Prüflinge ihr

Meisterstück, neun Teilnehmerinnen und Teilnehmer

absolvierten Teil II (Fachtheorie).

Praktische Prüfungsaufgabe war das Erstellen einer

Rabitzwand sowie das Fertigen eines Berliner Fensters

bzw. einer Kaminumrandung. Die Konzepterstellung

und Nachkalkulation waren ebenfalls Bestandteil der

Prüfung. Außerdem musste eine vom eigentlichen

Prüfobjekt unabhängige Bauschadenanalyse erstellt

werden.

Informationen zu Meisterkursen, Anmeldungen etc.

unter www.lehrbauhof-berlin.de

Meisteranwärter investieren viel Zeit und Geld in ihre Ausbildung

Ein Meisterkurs ist nicht nur arbeits-, sondern auch sehr

zeitintensiv. Rund 1.100 Stunden investieren Meisteran-

wärter in ihre häufig berufsbegleitende Ausbildung. Die

Stunden fallen meist am Abend oder an den Wochen-

enden an, werden also neben der regulären Arbeitszeit

geleistet. Die Kosten von insgesamt ca. 7.000 Euro müs-

sen die Fachkräfte ebenfalls selbst tragen. Viele nehmen

die Möglichkeit des Meister-BAföG wahr, das bestimmte

staatliche Zuschüsse vorsieht. Trotz der hohen Kosten

und des großen zeitlichen Aufwands sind die Zahlen der

absolvierten Meisterprüfungen im Bereich Stuck in den

letzten Jahren weitestgehend konstant geblieben. Darauf

weist die Baugewerks-Innung Berlin hin. Acht bis zehn

Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten sich in der Ver-

gangenheit pro Meisterkurs gefunden.

Den hohen zeitlichen und finanziellen Aufwand, ist sich

Carolin Weber sicher, sieht man auch an der erbrachten

Arbeit. „Auf der Baustelle erkennt man am Arbeitsergeb-

nis, wer Fachkraft ist – und wer eben nicht. Ich würde mir

wünschen, dass sich das Bewusstsein für qualitativ hoch-

wertige Arbeit noch stärker als bisher bei den Kunden

durchsetzt.“ Hier herrsche jedoch oft noch eine nahezu

absurde Billigmentalität, findet Carolin Weber: „Gerade

im privaten Bereich sind die Ansprüche unserer Kunden

gestiegen. Gleichzeitig sehen aber viele nicht, wieviel

Arbeit und welche fachliche Leistung eigentlich hinter ei-

nem erbrachten Auftrag stecken. Dabei ist unsere Arbeit

wirklich zeitaufwändig. Dieser Aufwand muss sich auch

in dem Preis wiederspiegeln, den der Kunde bereit ist, zu

zahlen. Gute Arbeit gibt es nicht umsonst, aber sie lohnt

sich allemal.“

t Gotisches Fenster von Carolin Weber

v Prüfungsaufgabe: Fertigen einer Kaminumrandung

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18 Nahaufnahme – Meister 2015 Konkret Sonderpublikation

„Wer rastet, der rostet“: Junger Maurer- und Straßenbaumeister auf der Überholspur

Mit 26 Jahren zwei Meisterbriefe in der Tasche zu haben, können nicht viele von sich behaupten. David

Poersch schon: Der 26-jährige gelernte Maurer leitet gemeinsam mit seinem Bruder ein mittelständi-

sches Unternehmen in Blankenfelde-Mahlow und hat in diesem Jahr seine Meisterprüfung im Bereich

Straßenbau auf dem Lehrbauhof der Fachgemeinschaft Bau Berlin und Brandenburg absolviert.

Bereits vor der Entscheidung zu einer Ausbil-

dung wusste David Poersch, dass er später

einmal in leitender Position arbeiten möchte.

Dafür wollte er sich das nötige Rüstzeug aneig-

nen: „Ich habe mich schon bei der Ausbildungs-

platzsuche mit der Frage beschäftigt: Wie geht

es weiter?“, erklärt der heute 26-Jährige. Dass

er diesen Gedanken bei seinen Bewerbungsge-

sprächen auch in Worte fasste, stieß allerdings

auf wenig Gegenliebe: „Es war schwer, eine

Ausbildungsstelle zu finden“, erinnert sich

Poersch. „Viele Unternehmen waren offenbar

darauf eingestellt, schlechte Schulabgänger mit

mäßigen Noten einzustellen, die sie dann über

entsprechende Programme fördern konnten.

Meine Zielstrebigkeit und der Wunsch, meine

Ausbildungszeit aufgrund meines Fachabiturs

zu verkürzen, sorgten für Unverständnis, ebenso

die Frage nach dem beruflichen Weiterkommen.“

Ausgiebig wurde dieses Thema auch in der Fa-

milie diskutiert – dabei kam die Idee auf, dass

Poersch seine Ausbildung bei seinem älteren

Bruder beginnen könne.

Dann ging alles sehr schnell: „1 Jahr drei Mo-

nate brauchte ich für die Ausbildung. Das erste

Jahr konnte ich wegen meines Fachabiturs kom-

plett überspringen, und auch das letzte Jahr

habe ich aufgrund guter Leistungen verkürzt.

Nachdem ich dann zwei Monate als Geselle

gearbeitet habe, erzählten mir Kollegen vom

Meisterkurs im Bereich Maurer- und Betonbau

auf dem Lehrbauhof. Der Kurs lief zwar schon,

dennoch bin ich als Späteinsteiger dazu gesto-

ßen.“ So hatte Poersch mit 24 Jahren seinen

ersten Meisterbrief in der Tasche.

In seinem Meisterkurs war er der Jüngste:

Macht sich die fehlende Berufserfahrung

bemerkbar? „Es ist natürlich so, dass ich an

manche Fragestellungen aufgrund meiner

fehlenden Praxis anders herangehe als Kolle-

gen, die zehn Jahre älter sind als ich“, räumt

Poersch ein. „Aber durch Fragen, Zuhören und

Nachmachen lernt man so einiges“. Auch half

ihm das Wissen, das er sich zwischenzeitlich in

seinem Betrieb aneignen konnte: „Es ist nicht

mein Ding, Sachen einfach abzuarbeiten. Mich

interessiert das Warum: Wie funktioniert et-

was? Und wie kann man Aufgaben schnell und

effizient umsetzen?“

Mittlerweile leitet Poersch gemeinsam mit

seinem Bruder das Bau-Unternehmen 3 BI-

Gruppe, das Leistungen im Bereich Hoch- und

Tiefbau anbietet. Außerdem hat er in diesem

Jahr einen weiteren Meisterbrief erworben: den

im Bereich Straßenbau. Eine pragmatische Ent-

scheidung: „Dass unser ehemaliger Betriebs-

führer, ein Straßenbauingenieur, irgendwann

in Rente gehen wird, war absehbar. Somit stan-

den wir vor der Wahl: Wollen wir Leistungen im

Bereich Straßenbau weiter anbieten, müssen

wir entweder einen qualifizierten Kollegen

einstellen, der dann auch die entsprechende

Konzession trägt – oder wir machen es selbst.

Also habe ich mich dafür entschieden, auch

den Meister im Bereich Straßenbau zu absol-

vieren. Das Gute daran: Die Meisterprüfungs-

teile III und IV hatte ich ja bereits im Bereich

Maurer- und Betonbau erfolgreich absolviert

und musste nun nur noch den fachlichen Be-

reich leisten.“

v David Poersch

u Praktische Prüfungsaufgabe:

Vermessen und Pflastern einer

vorgegebenen Fläche

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Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 19

3BI-Gruppe

Seit 2008 am Markt

Gruppe besteht aus:

3BI Berlin-Brandenburgische Bau GmbH

3BI Berlin-Brandenburgische Maler UG

3BI Hoch-, Tief- und GaLa Bau GmbH

Arbeitsgebiete:

Hochbau: Rohbau bis erweiterter

Schlüsselfertigbau

Straßen-/Tiefbau: v.a. Rohrleitungsbauarbeiten

Sanierung: Altbauten, Rekonstruktionen

Kunden:

hpts. private Kunden,

Wohnungsbaugesellschaften

Tätig in Berlin und Brandenburg

www.3bi-gruppe.de

Meisterprüfung

Das Straßenbauer-Handwerk ist eines von 41 zulassungspflichtigen

Gewerben und wird dem Bereich Bauhauptgewerbe zugeordnet. Zum

31.12.2014 waren bei der Handwerkskammer Berlin 146 Betriebe ein-

getragen, ein Rückgang von zwei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein

Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass der Betriebsbestand im

Bereich Straßenbau relativ konstant geblieben ist.

Im Straßenbauer-Handwerk Berlin absolvieren pro Durchgang, ca. alle

zwei Jahre, im Schnitt 15 junge Nachwuchsführungskräfte die Meister-

prüfungen. Dies entsprach auch der Anzahl der Prüflinge in 2015.

Die Prüfung bestand aus einem Meisterprüfungsprojekt, einer planeri-

schen Entwurfs- und Angebotsaufgabe sowie einem praktischen Teil,

der Situationsaufgabe: Innerhalb von einem Arbeitstag musste eine de-

finierte Fläche vermessen und bepflastert werden. Prüfungsbestandteil

waren neben der fachlich korrekten praktischen Ausführung auch die

richtigen Körperhaltungen, um beispielsweise Rücken- oder Knieschä-

den vorzubeugen (Teil I). Hinzu kamen theoretische Prüfungen (Teil II).

Wie die Baugewerks-Innung Berlin mitteilte,

haben im Jahr 2015 insgesamt 15 Fachkräfte

den praktischen Teil der Meisterprüfung im Be-

reich Straßenbau durchlaufen. Das entspricht

dem Durchschnitt der letzten Jahre und zeigt

die nach wie vor große Bedeutung, die dem

Titel beigemessen wird. Was bringt der Meis-

terbrief konkret? „Der Meistertitel vermittelt

den Kunden und Auftraggebern: Hier kommt

Qualitätsarbeit“, ist sich Poersch sicher. „Aber

auch für den einzelnen Arbeitnehmer ist eine

Meisterausbildung sinnvoll: Man ist in unter-

nehmerische Entscheidungen involviert, erhält

Kontakt zu anderen Unternehmern und über-

nimmt Verantwortung für andere. Schließlich

reift man auch persönlich.“ Außerdem habe

jeder Handwerker eine gesellschaftliche Ver-

antwortung, so Poersch weiter: „Wir tragen

mit unserer Qualifikation dazu bei, dass das

Handwerk nicht ausstirbt. Ich gebe Kenntnisse

weiter, nicht zuletzt als Ausbildungsbetrieb.

Das ist für unsere Branche wichtig! Gerade bei

uns gilt: Wer rastet, der rostet.“

David Poersch rastet nicht: Gerade erst hat

er sich für den „Betriebswirt nach der Hand-

werksordnung“ angemeldet, „das ist die letzte

Karrierestufe, die mir noch fehlt“. Der von der

Handwerkskammer Berlin angebotene Kurs ver-

mittelt vor allem vertiefende BWL-Kenntnisse.

David Poersch ist sich sicher: „Praktisch ändert

sich durch den Betriebswirt für mich nichts. Al-

lerdings hilft mir das so erworbene Wissen in

der Praxis – ich will das, was ich mache, noch

besser machen.“

v David Poersch bei der Arbeit am praktischen Teil seiner Prüfung

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Konkret Sonderpublikation20 Nahaufnahme – Meister 2015

Das Maurer- und Betonbauer-Handwerk ist eines von 41

zulassungspflichtigen Gewerben und wird dem Bereich Bau-

hauptgewerbe zugeordnet. Zum 31.12.2014 waren bei der

Handwerkskammer Berlin 1.266 Betriebe eingetragen, ein

Rückgang von knapp drei Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Ein

Blick auf die vergangenen zehn Jahre zeigt, dass der Betriebs-

bestand im Bereich Maurer- und Betonbauer in den vergange-

nen Jahren konstant bis leicht rückläufig war.

Im Maurer- und Betonbauer-Handwerk Berlin absolvieren pro

Durchgang, ca. alle anderthalb Jahre, im Schnitt 18 junge Nach-

wuchsführungskräfte die Meisterprüfungen. 2015 absolvierten

ebenfalls 18 Prüflinge den praktischen Teil der Meisterprüfung.

Die Prüfung bestand aus einem praktischen Teil, der soge-

nannten Meisterprüfungsarbeit, die aus einer planerischen

Entwurfs- und Angebotsaufgabe besteht. Weiterhin gehörte

die Situationsaufgabe dazu, die die Bereiche Mauern, Beton

einschließlich Schalung aus Holz und der Bewehrung – die

konstruktive Komponente von Beton durch Baustahlgeflecht

– umfasste. Außerdem mussten die Prüflinge unterschiedliche

Bauschäden auf einer bildlichen Darstellung erkennen sowie

fachlich richtig beschreiben und bewerten (Teil I). Hinzu kamen

noch vier theoretische Prüfungen (Teil II).

Zur Erreichung ihres Meistertitels nahmen die Prüflinge Kosten

in Höhe von rund 6.200 Euro sowie einen zeitlichen Aufwand

von in etwa 1.300 Stunden, meistens am Abend und an den

Wochenenden, in Kauf.

Viel mehr als Stein auf Stein: Maurer- und Betonbauer

Der Wohnungsbau in der Hauptstadt boomt, und

mit ihm die Nachfrage nach Fachkräften. Mau-

rer und Betonbauer sind besonders gefragt. 18

Nachwuchskräfte haben 2015 den praktischen

Teil ihrer Meisterprüfung auf dem Gelände des

Lehrbauhofs der Fachgemeinschaft Bau absol-

viert und damit einen großen Schritt in Richtung

Meistertitel getan.

Reinhold Dellmann, Geschäftsführer der Bau-

gewerks-Innung Berlin, verwies auf die hervor-

ragenden Jobchancen der jungen Meisterinnen

und Meister: „Die gute Auslastung der Firmen im

Hochbau, speziell im Wohnungsbau, führt zu ei-

ner steigenden Nachfrage nach Fachkräften wie

Maurer und Betonbauer. Ihre Jobaussichten sind

so gut wie lange nicht. Mit einem Meisterbrief

in der Tasche können sich die Nachwuchskräfte

zudem mit einem eigenen Betrieb selbstständig

machen.“

Auch im Bereich Maurer- und Betonbau ist der

Meisterbrief Ausweis höchster fachlicher Kom-

petenz. Der gerechtfertigte Anspruch von Kun-

den an qualitativ hochwertige Bauausführung

spiegelt sich in der Meisterausbildung wider, die

sehr anspruchsvoll ist. Maurer und Betonbauer

arbeiten heute unter anderem mit bei der Errich-

tung von Bauwerken und Bauwerksteilen vor al-

lem im Wohnungs-, Industrie- und Brückenbau,

wo sie mit unterschiedlichen Materialien und

Bauteilen arbeiten sowie hochtechnisierte Bau-

maschinen bedienen. Bautechnik und moderne

Baustoffe spielen daher auch in der etwa zwei-

einhalb Jahre dauernden, berufsbegleitenden

Meisterausbildung eine große Rolle.

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Konkret Sonderpublikation Nahaufnahme – Meister 2015 21

3 Fragen an…

Michael Mahlo, FA. K. Peter Mahlo & Sohn Baugesellschaft

mbH, Meisterprüfer Maurer-, Beton- und Stahlbetonbau

Warum engagieren Sie sich ehrenamtlich für das

Handwerk?

Mit meinem Engagement möchte ein Zeichen setzen ge-

gen Sparzwänge, die die Qualität der Arbeitsausführung

beeinträchtigen. Ich halte es für notwendig, dass wir Ver-

bandsmitglieder unser Fachwissen und unsere Erfahrung in

die Ausbildung des Nachwuchses einbringen. Ohne diesen

ehrenamtlichen Einsatz können wir die Vielfältigkeit unse-

rer Weiterbildungen und Qualifikationen nicht erhalten.

Was konkret hat Sie dazu bewogen, Mitglied im MPA

Maurer-, Beton- und Stahlbetonbauer zu werden?

Ich bin seit Jahren im Gesellenprüfungsausschuss und

fand es spannend, mich auch in den weiteren Verlauf bis

zur Meisterprüfung einzubringen. So bleibe ich am Puls der

Zeit, und auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen aus

Wirtschaft und Wissenschaft ist äußerst interessant.

Wofür steht Ihrer Ansicht nach der Meistertitel

im Handwerk?

Der Meistertitel steht für Qualität, Kompetenz in Theorie

und Praxis sowie eine korrekte Arbeitsausführung und in

gleicher Gewichtung auch für den betriebswirtschaftlichen

Erfolg. Gerade in der heutige Zeit ist es wichtig, sich durch

dieses Gesamtpaket von der Konkurrenz abzuheben und

nicht nur durch ein geringes Preisniveau.

v Meisterprüfungsarbeit: Schalung aus Holz und Bewehrung

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22 Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen

Überblick Fakten, Hintergrundwissen,

hilfreiche Adressen

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Konkret Sonderpublikation Überblick – Fakten, Hintergrundwissen, hilfreiche Adressen 23

Juni 2015

Zentralverband des Deutschen Handwerks

Quelle: DHKT

Der „Meister“ ist der Nachweis über die vorhandenen the-

oretischen und fachlichen Kenntnisse und Befähigungen,

die ein Handwerker braucht, um selbstständig einen Hand-

werksbetrieb führen zu können sowie Lehrlinge in seinem

Gewerk ordnungsgemäß ausbilden zu können. Darüber

hinaus ist der Meistertitel Beleg für das Vorhandensein

von betriebswirtschaftlichen, kaufmännischen, rechtlichen

und berufserzieherischen Kenntnissen.

Anzahl der bestandenen Meister-prüfungen

Im Jahr 2014 wurden deutschlandweit rund 22.400 Meis-

terprüfungen erfolgreich absolviert. Diese Zahl ist seit

knapp zehn Jahren in etwa konstant, nachdem sie von

1990 an rückläufig war.

Ausbildung und Prüfung

Die sogenannte Aufstiegsfortbildung zum Handwerksmeis-

ter ist in vier Teile gegliedert: die fachpraktische Prüfung, die

fachtheoretische Prüfung, die wirtschaftliche und rechtliche

Prüfung sowie die arbeitspädagogische Prüfung nach der

Ausbilder-Eignungsverordnung. Während die letzten beiden

Teile für alle Handwerksberufe gleich sind, unterscheiden

sich Teil I und II, die fachspezifischen Prüfungsteile, je nach

Beruf voneinander.

Die Inhalte der Vorbereitungskurse für die Teile I und II der

Meisterprüfung orientieren sich an den Anforderungen

der jeweiligen gewerbespezifischen Meisterprüfungsteile.

Diese sind in den Meisterprüfungsverordnungen für die

einzelnen Handwerke festgelegt. Auch die Prüfungsanfor-

derungen für die Teile III und IV sind in einer Rechtsverord-

nung festgelegt.

Voraussetzung zur Prüfung

Wer zur Meisterprüfung in einem der 41 zulassungspflich-

tigen Gewerbe zugelassen werden möchte, muss zuvor

seine Gesellenprüfung, in aller Regel in dem Handwerk, in

welchem er den Meister machen möchte, erfolgreich ab-

gelegt haben. Bis 2004 mussten zudem mindestens drei

Jahre Berufspraxis zwischen Gesellen- und Meisterprüfung

liegen, allerdings ist diese Frist nach der letzten Novellie-

rung der Handwerksordnung entfallen. Wer besonders

Wissenswertes rund um den Meister im Handwerk in Deutschland

0

100.000

1990

1991

1992

1993

1994

1995

1996

1997

1998

1999

2000

2001

2002

2003

2004

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

2014

200.000

300.000

370.995Anzahl

137.376

103.793

22.428

400.000

500.000

600.000

700.000

Ausbildungs- und Weiterbildungsstatistik 1990 bis 2014

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ambitioniert ist, kann nun also direkt nach bestandener

Gesellenprüfung seine Aufstiegsfortbildung zum Meister

anschließen.

Meisterprüfung

Die Meisterprüfung gilt allgemein als bestanden, wenn in

keinem der Prüfteile eine schlechtere Note als ausreichend

erzielt wurde. In vielen Handwerksberufen besteht die

praktische Prüfung neben dem Erstellen einer Situations-

aufgabe in dem Ablegen einer Meisterprüfungsarbeit bzw.

dem Anfertigen eines Meisterprüfungsprojekts. Das ist

beispielsweise in den Gewerken Stuck oder Fliese der Fall.

Meisterprüfungskommission

Die Meisterprüfung übernimmt eine staatliche Prüfungs-

behörde, der Meisterprüfungsausschuss, der am Sitz der

zuständigen Handwerkskammer errichtet wird. Gesetzliche

Grundlage ist die Handwerksordnung, §§ 45 – 51. Die Zu-

sammensetzung der Ausschüsse ist in § 48 geregelt.

In Berlin erfolgt die Berufung der Mitglieder der Meister-

prüfungskommission durch die Senatsverwaltung bzw.

die Handwerkskammer. Vorbereitet wird diese Berufung

allerdings in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Innun-

gen, am Bau mit der Baugewerks-Innung Berlin.

Weiterführende Karriereoptionen

Nach der bestandenen Meisterprüfung kann die Fortbil-

dungsprüfung zum „Geprüften Betriebswirt nach der Hand-

werksordnung“ angestrebt werden, kurz: Betriebswirt/-in

(HWO). Bei dieser Prüfung sollen betriebswirtschaftliche

Kenntnisse insbesondere für Betriebe mit mehreren Mitar-

beitern vertieft werden.

Einstufung in den DQR/EQR

Mit der Einstufung des Meisters in den Deutschen Qualifi-

kationsrahmen (DQR) auf Niveau sechs ist der Meistertitel

formal dem Universitätsabschluss Bachelor gleichgestellt

und berechtigt damit zu einem Hochschulstudium. Aller-

dings kann mit dem Meistertitel nicht gleich in ein wei-

terführendes Studium, sprich: den Master, eingestiegen

werden, da es sich bei Bachelor und Meister zwar um

„gleichwertige“, nicht aber „gleichartige“ Abschlüsse

handelt. Gleichwohl ist mit der Einstufung in den DQR ein

wichtiger Schritt hin zur Gleichwertigkeit von akademi-

schen und beruflichen Abschlüssen getan. Darüber hinaus

wird der Meisterbrief innerhalb der EU anerkannt, wie aus

der EU-Richtlinie über die Anerkennung von Berufsqualifi-

kationen hervorgeht.

Meister-BAföG

Wer einen Vollzeitlehrgang besucht, hat grundsätzlich

Anspruch auf Meister-BAföG zur Förderung des Lebens-

unterhalts und der Lehrgangs- und Prüfungskosten. Die

Mehrheit der Meisterprüflinge absolviert die Prüfungen

berufsbegleitend, also in Teilzeit. Auch die Teilzeitkurse

sind förderfähig. Das Meister-BAföG ist geregelt nach

dem Aufstiegsfortbildungsförderungsgesetz (AFBG).

Es regelt für Fachkräfte, die sich zum Meister und ge-

prüften Polier qualifizieren, die Gewährung attraktiver

Fördermittel.

Erst im Oktober 2015 hat Bundesbildungsministerin

Johanna Wanka angekündigt, das Meister-BAföG auszu-

bauen. So soll der Zuschussanteil beim Unterhaltsbei-

trag auf 47 Prozent steigen, auch soll ein größerer Teil

des Darlehens als bisher bei erfolgreichem Abschluss

der Prüfung erlassen werden. Zudem sollen die Zuschlä-

ge für Kinderbetreuung erhöht und die Lehrgangs- und

Prüfungskosten in größerem Umfang als bisher geför-

dert werden. Ebenso sollen die regulären Fördersätze

steigen.

Mit dem Meister-BAföG fördert der Bund seit 1996 die

Weiterbildung von Handwerkern und Fachkräften. Ein

Teil der Förderung wird als Zuschuss gewährt, der ande-

re Teil als Darlehen, das nach Abschluss der Ausbildung

getilgt werden muss.

Image des Meisters

Der Meisterbrief ist ein wichtiges Qualitätssiegel und damit

auch ein Marketinginstrument für jeden Betrieb. Deutsche

Handwerksmeisterinnen und –meister sind weltweit ge-

fragte Experten. Innerhalb der EU hat die Meisterqualifika-

tion im Rahmen der EU-Berufsanerkennungsrichtlinie eine

angemessene Berücksichtigung erfahren, sodass deutsche

Handwerksmeister in der Regel problemlos in der gesam-

ten EU tätig werden können. Darüber hinaus hat Deutsch-

land mit einigen Ländern (Frankreich, Österreich) spezielle

Gleichstellungsabkommen abgeschlossen, wodurch die

Meisterprüfungen in beiden Ländern wechselseitig aner-

kannt werden.

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t Kontakt: Baugewerks-Innung BerlinNassauische Str. 1510717 Berlin

Tel.: 030 / 86 00 04 - 15Fax: 030 / 86 00 04 - 12E-Mail: [email protected]: www.baugewerks-innung.de

t Kontakt: Berufsförderungswerk der Fachgemeinschaft Bau Belßstraße 1212277 Berlin

Tel. 030 / 723 89-6E-Mail: [email protected]: www.lehrbauhof-berlin.de

Wer hilft weiter?Baugewerks-Innung Berlin

Die Baugewerks-Innung Berlin vertritt als Anstalt öffentli-

chen Rechts Berliner Bauhandwerksbetriebe der Gewerke

Abbruch und Recycling, Abdichtung und Bauwerkstrocken-

legung, Brunnen- und Spezialtiefbau, Estrich und Fußbo-

dentechnik, Fliesen, Hochbau, Holzbau, Leitungstiefbau,

Straßenbau sowie Stuck und Trockenbau. Zentrales The-

ma der Baugewerks-Innung Berlin ist die berufliche Aus-,

Weiter- und Aufstiegsfortbildung der am Bau Beschäftig-

ten. Dazu arbeitet sie eng mit dem Berufsförderungswerk

der Fachgemeinschaft Bau zusammen und ist, ebenso

wie das Berufsförderungswerk Bau, Ansprechpartner für

Fragen und Belange, die mit der Aus-, der Weiter- und der

Aufstiegsfortbildung von Arbeitskräften am Bau in Berlin

zusammenhängen.

Berufsförderungswerk (BFW) der Fachgemein-schaft Bau Berlin und Brandenburg gGmbH

Das Berufsförderungswerk (BFW) der Fachgemeinschaft

Bau ist das überbetriebliche Ausbildungs- und Kompetenz-

zentrum der Bauwirtschaft in Berlin. Es bildet erfolgreich

Jugendliche in insgesamt 14 Bauberufen aus und führt

im Auftrag der Kammern die Zwischen-, Gesellen- und

Abschlussprüfungen durch. Als anerkannte Ausbildungs-

stätte finden am Lehrbauhof des Berufsförderungswerks

zudem fachliche Weiterbildungen mit Zertifikatsabschluss

sowie Vorbereitungslehrgänge, bspw. für den „geprüften

Polier“ in verschiedenen Berufen sowie für die Meisterprü-

fungen statt. Auch die Meisterprüfungen selbst werden

hier durchgeführt. Seit 2012 bietet das BFW die nach der

bundeseinheitlichen Neuregelung gestaltete Aufstiegsfort-

bildung in Teilzeit an.

Quelle: BFW

Weitere Adressen

Handwerkskammer BerlinGeschäftsstelle der Meisterprüfungsausschüsse bei der

Handwerkskammer Berlin

Blücherstr. 68

10961 Berlin

Tel.: 030 / 25 903 – 370/371

Email: [email protected]

Zentralverband des deutschen Handwerks (ZDH)Mohrenstraße 20/21

10117 Berlin

Tel.: +49 30-206190

Fax: +49 30-20619460

(Quellen: Wikipedia, ZDH, Handwerkskammer Berlin)

Aufstiegsfortbildung

Facharbeiter/Gesellen

Vorarbeiter

Werkpolier

Meister- HWK/ Geprüfter Polier

Hochschule

Qua

lifika

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aben

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Konkret Sonderpublikation26

Meister im Handwerk: Getragen vom ehrenamtlichen Engagement vieler Unternehmer

„Die Ausbildung junger Menschen macht mir Spaß. Über die Liebe zur Ausbildung bin ich zu der

Arbeit in den Prüfungsausschüssen – sowohl dem Gesellen- als auch dem Meisterprüfungsaus-

schuss – gekommen. Hier habe ich frischen Wind reingebracht und dazu beigetragen, dass die

Prüfungsaufgaben überarbeitet wurden. Sich in dieser Art einzubringen und durch seine Arbeit ein

Stück weit auch mit definieren zu können, wie die Gesellen- und Meisterprüfungen im Bereich Fliese

aussehen, motiviert mich.“

Karsten Kofeld, Kofeld Fliesen Bau und Handel GmbH, Gesellen- und Meisterprüfer im Bereich Fliese

„Sich ehrenamtlich zu engagieren ist eine Pflicht, die sich aus der Tradition heraus ergibt. Ich bin

Leiter der Fachgruppe Fliese der Fachgemeinschaft Bau und sehe es daher nur als konsequent an,

mich auch in die Aus- und Weiterbildung unserer Fachkräfte einzubringen. Es war ein Fehler, dass

2004 mit der Novelle der HWO die Meisterpflicht im Fliesenlegergewerk abgeschafft wurde. Daraus

ist unserem Handwerk ein immenser wirtschaftlicher Schaden entstanden. Ich engagiere mich nicht

zuletzt auch deshalb ehrenamtlich, um dazu beizutragen, das Fliesenlegerhandwerk aufrecht zu er-

halten. In diesem Jahr hatten wir ungewöhnlich viele junge Leute, die die praktische Meisterprüfung

im Fliesenlegerhandwerk absolviert haben. Ich bin froh, dass es so vielen Menschen noch wichtig

ist, ihren Meister zu machen, obwohl sie das rein rechtlich nicht müssten. Da zeigt sich, dass der

Meister nach wie vor einen hohen Stellenwert hat.“

Peter Zille, Peter Zille Fliesenverlegung und Verkauf, Meisterprüfer und Fachgruppenleiter im Bereich Fliese

„Ob Geselle oder Meister: Wir brauchen dringend Nachwuchs! Daher ist es unsere Aufgabe, aus-

und weiterzubilden. Wir müssen aber auch für eine entsprechende Qualität in der Aus- und Weiter-

bildung sorgen. Deshalb engagiere ich mich im Meisterprüfungsausschuss. Jeden Prüfling nehmen

wir unter die Lupe und stellen uns letztendlich die Frage: Würdest du dir von dem Prüfling dein Haus

bauen lassen? Lautet die Antwort ja, dann hat er seine Sache gut gemacht. Das Schöne an meinem

Engagement ist, dass man sich und seine eigenen Qualitätsvorstellungen auch einbringen kann.

Der zeitliche Aufwand dafür ist überschaubar. Und wer, wenn nicht wir Unternehmer und Handwer-

ker, kann eine solche Arbeit leisten?“

Andreas Kmieciak, Baugeschäft Kmieciak & Sohn GmbH; Meisterprüfer im Bereich Maurer- und Betonbau

„Ich engagiere mich im Meisterprüfungsausschuss des Straßenbau-Handwerks, weil ich es wichtig

finde, zum Qualitätserhalt der Prüfungen beizutragen. Als erfahrene Straßenbauer können meine

Kollegen und ich unser Wissen und unsere Erfahrungen einbringen. Wir als Unternehmer tragen die

Verantwortung dafür, dass unser Handwerk weiterbesteht. Die unabdingbare Voraussetzung dafür

sind Nachwuchsfachkräfte, die gute, hochwertige Arbeit abliefern. Der Meistertitel ist ein Qualitäts-

versprechen an unsere Kunden, zu dessen Einhaltung ich durch mein Engagement beitrage.“

Günther Blaese, Meisterprüfer im Straßenbau-Handwerk

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ImpressionenMeisterprüfungen 2015

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Fachgemeinschaft BauBerlin und Brandenburg e. V.

Nassauische Straße 1510717 Berlin

www.fg-bau.de