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SONDERREPORT August 2009 Arthrose | Rheumatoide Arthritis | Biologika | Systemische Sklerodermie | Osteoporose | Rheumatologie Jahreskongress EULAR European League Against Rheumatism Kopenhagen, 10. bis 13. Juni 2009

SONDERREPORT - Rosenfluh Publikationen AG€¦ · 3-Kinasehemmer CP-690,550 (CP) vor. 384 Patienten mit ak-tiver rheumatoider Arthritis und mangeln-dem Ansprechen auf DMARD (disease

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SONDERREPORT

August 2009

Arthrose | Rheumatoide Arthritis | Biologika |Systemische Sklerodermie | Osteoporose |

Rheumatologie

Jahreskongress EULAREuropean League Against Rheumatism

Kopenhagen, 10. bis 13. Juni 2009

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SONDERREPORT

Kongressnotizen. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4

Kongressecho . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8

10 Jahre Biologika in der Rheumatologie . . . . . . . . . . . . 10Welchen Nutzen haben die Patienten?

Klinische und radiologische Remission ist möglich . . . . . 13Rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis, Morbus Bechterew

Systemische Sklerodermie. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 16Komplexe Erkrankung mit vielfältigen Komplikationen

Medikamente bei Arthrose. . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 18Schmerzmittel, Injektionen, Nahrungsergänzungsmittel oder Plazebo?

Chondroitinsulfat bei Kniegelenkarthrose . . . . . . . . . . . 20Aktualisierung der EULAR-Empfehlungen gefordert

Biphosphonate bei postmenopausaler Osteoporose . . . . 22Brückenschlag von der Forschung zur Praxis

3Rheumatologie

InhaltImpressum

VerlagRosenfluh Publikationen AGSchaffhauserstrasse 138212 Neuhausen a/Rhf.Tel. 052-675 50 60Fax 052-675 50 61E-Mail: [email protected]: www.rosenfluh.ch

RedaktionDr. Renate Bonifer, BadenweilerTel. 0049-7632-82 86 06Fax 0049-7632-82 86 07E-Mail: [email protected]

Sekretariat/AdministrationBjanka CoricSchaffhauserstrasse 138212 Neuhausen a/Rhf.Tel. 052-675 50 60Fax 052-675 50 61

AnzeigenverkaufSusi Glaus, SuMed AdvertisingEisenbahnweg 87, 4125 RiehenTel. 061-641 24 32Fax 061-641 24 43

AnzeigenregieRosenfluh Media AGManuela BehrSchaffhauserstrasse 138212 Neuhausen a/Rhf.Tel. 052-675 50 50Fax 052-675 50 51

Satz und GestaltungRosenfluh Publikationen AGManuela Bührer

Druck, Ausrüstung, VersandAVD Goldach, 9403 Goldach

CopyrightRosenfluh Publikationen AG8212 Neuhausen a/Rhf.Alle Rechte beim Verlag. Nachdruck undKopien von Beiträgen und Abbildungen injeglicher Form, wie auch Wiedergaben aufelektronischem Weg und übers Internet,auch auszugsweise, sind verboten bzw.bedürfen der schriftlichen Genehmigungdes Verlags.

HinweiseDer Verlag übernimmt keine Garantie oderHaftung für Preisangaben oder Angabenzu Diagnose und Therapie, im Speziellenfür Dosierungsanweisungen.

SONDERREPORT ist eine Beilage zu ARS MEDICI

99. Jahrgang; ISSN 0004-2897

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4 Rheumatologie

Spezifische Tyrosinkinasehem-mer werden in der Onkologiebereits eingesetzt. Nun laufenin der Rheumatologie ersteStudien mit dieser Substanz-klasse. An einer Pressekonfe-renz stellte Professor RoyFleishmann von der UniversitätTexas eine Studie mit demnoch markennamenlosen JAK-3-Kinasehemmer CP-690,550(CP) vor. 384 Patienten mit ak-tiver rheumatoider Arthritis und mangeln-dem Ansprechen auf DMARD (disease mo-difying antirheumatic drugs) erhielten indieser Dosisfindungsstudie sechs Monatelang zweimal täglich eine Tablette mit 1, 3,5, 10 oder 15 mg CP. Die Vergleichsgruppe

erhielt in den ersten drei Mo-naten 40 mg Adalimumab sub-kutan alle zwei Wochen und inden letzten drei Monaten zwei-mal täglich entweder 5 mg CPoder ein Plazebo. Nach dreiMonaten war der Anteil der Pa-tienten mit einer 70-prozenti-gen Besserung der Gelenk-sym ptome (ACR70) mit CP höher als in den Vergleichs-gruppen. Er betrug mit CP

12,2, 24,6 und 28,1 Prozent (5/10/15 mg)gegenüber 3,8 Prozent mit Adalimumabund 5,1 Prozent mit Plazebo. Die häufigs-ten CP-Nebenwirkungen waren Harnwegs -infektionen (4,4%), Diarrhö (4%), Bronchi-tis (3,7%) und Kopfschmerzen (3,7%).

Schwere Infektionen traten nicht auf. «DieEntwicklung niedermolekularer JAK-Inhibi-toren als orale Medikamente sind ein neuerAnsatz für die Behandlung bei rheumatoi-der Arthritis», sagte Fleishmann. Die Wir-kung dieser Substanzen sei potenziell prä-ziser als die der bekannten DMARD, und siewären überdies als Tabletten einfacher undbequemer zu applizieren als bisherige Bio-logika, die injiziert werden müssen. Aus-serdem sollten diese Substanzen nicht soteuer sein, da es sich nicht um Proteinehandelt, meinte Fleishmann.

Abstract OP-0159: Kanik K, Fleischmann R et al.:Phase 2b dose ranging monotherapy study of theoral JAK inhibitor CP-690,550 or Adalimumab vsplacebo in patients with active rheumatoid arthri-tis with an inadequate response to DMARDs.

Tyrosinkinasehemmer kommen auch inder Rheumatologie

Roy Fleishmann

Falls TNF-alpha-Hemmer bei Patienten mitankylosierender Spondylitis nicht den ge-wünschten Erfolg bringen, besteht wenigHoffnung, dass andere Biologika helfenkönnten. So erfüllte sich die Hoffnungnicht, dass ein anderer Angriffspunkt –nämlich die B-Lymphozyten – Erfolg ver-sprechend sein könnte. Eine offene,sechsmonatige Pilotstudie mit 20 Patien-ten mit aktiver ankylosierender Spondyli-

tis ergab, dass bei den 10 TNF-alpha-Blocker-naiven Patienten mit RituximabErfolge zu verzeichnen waren (3 von 10Patienten in Remission), während dieseTherapie bei den 10 Patienten versagte,die zuvor bereits erfolglos mit TNF-alpha-Hemmern behandelt worden waren. Einanderes Team verabreichte den T-Lym-phozyten-Inhibitor Abatacept einem Mor-bus-Bechterew-Patienten, bei dem ver-

schiedene TNF-alpha-Hemmer nicht ge-wirkt hatten; auch hier stellte sich keinnachhaltiger Erfolg ein.

Abstract OP-0021: Song I et al.: Major clinical re-sponse of rituximab in active TNF-blocker-naivepatients with ankylosing spondylitis but not inTNF-blocker-failure patients – an open label clini-cal trial.

Abstract SAT0252: Berner B et al.: Abatacept fortherapy of spondyloarthritis due to therapy failureor contraindications of TNF-alpha antagonists.

Wenn auch TNF-alpha-Hemmer versagen

SONDERREPORT Kongressnotizen

Fast alle Fälle von Kniearthrose könntenmithilfe von sechs klinischen Kriterien er-kannt werden, so das Fazit einer EULAR-Expertengruppe. Als Schlüsselsymptomegelten anhaltender Bewegungsschmerz,kurzzeitige Morgensteifigkeit und redu-zierte Funktion, hinzu kommen Krepitatio-nen, eingeschränkte Beweglichkeit undknöcherne Auftreibungen. Die Wahrschein -

lichkeit einer Kniearthrose steige von 19Prozent bei persistierenden Knieschmer-zen auf 39 Prozent bei gleichzeitigem Vor-liegen kurzzeitiger Morgensteifigkeit undauf 99 Prozent, wenn alle klinischen Kri-terien zutreffen. Die EULAR-Experten-gruppe empfiehlt zudem das Röntgen desKniegelenks in drei Ebenen. KlassischeMerkmale der Arthrose im Röntgenbild

sind Gelenkspaltverschmälerung, Osteo -phyten und Sklerose des subchondralenKnochens. Andere bildgebende Verfahrenwie MRI, Sonografie oder Szintigrafieseien hingegen nur selten nötig.

Abstract OP-0209: Zhang W et al.: EULAR evidencebased recommendations for the diagnosis of kneeosteoarthritis.

Schlüsselsymptome für Kniearthrose

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Der Antikörper Rituximab (MabThera®)bindet das Oberflächenprotein CD20 aufB-Lymphozyten, diese werden dadurchzerstört. Somit werden alle Entzündungs-prozes se gehemmt, die auf die Anwesen-heit CD20-positiver B-Lymphozyten ange-wiesen sind.Bei jedem dritten bis vierten Patienten mitrheumatoider Arthritis versagt Rituximab,obgleich in der Standard-Durchfluss -zytometrie keine CD20-positiven B-Lym-phozyten mehr nachweisbar sind. Bishervermutete man als Ursache eine B-Lym-phozyten-un ab hän gige rheumatoide Ar-thritis, wie Dr. Edward Vital von der Uni-versität Leeds sagte. Doch das scheintnicht der Fall zu sein. Vielmehr konntenVital und sein Team mit einer hochsensi-tiven Durchflusszytometrie nachweisen,dass sich im Blut von 92 Prozent der Pa-tienten mit Therapieversagen bei Rituxi-mab doch noch B-Lymphozyten fanden.Aber auch bei fast jedem zweiten Patien-ten, der auf Rituximab ansprach, fanden

sie mit der empfindlicherenMethode noch B-Lymphozy-ten, nämlich bei 48 Prozent.Die britischen Forscher ver-warfen darum die Hypotheseeiner B-Lymphozyten-un ab -hän gi gen rheumatoiden Ar-thritis und versuchten nachsechs Monaten bei den ver-meintlichen Therapieversa-gern einen zweiten Zyklus Rituximab.In der entsprechenden Studie wurden104 RA-Patienten zunächst mit Rituximabbehandelt (1. Zyklus). Bei rund einemViertel der Patienten, 25 Personen, schlugdie Therapie nicht an. Die Persistenz vonB-Lymphozyten sowie eine höhere Ratezirkulierender Plasmazellen war mit demschlechten oder fehlenden Ansprechenassoziiert. Allerdings fand sich auch imBlut von 3 der Non-Responder eine kom-plette B-Lymphozyten-Depletion.Nach dem zweiten Zyklus Rituximab wa-

ren bei jedem zweiten ur-sprünglichen Non-Responderkeine B-Lymphozyten mehrim Blut nachweisbar. Hin-sichtlich der Wirksamkeit er-gab der zweite Zyklus folgen-des Resultat: kein Effekt bei28 Prozent, mittleres bis gu-tes Ansprechen bei 72 Pro-zent, gutes Ansprechen bei32 Prozent und Remissionbei 16 Prozent der ursprüng-

lichen Non-Responder. «Das bedeutetHoffnung für Patienten, die als Non-Res-ponder klassifiziert wurden und für dienormalerweise nur eingeschränkte andereBehandlungsoptionen zur Verfügung ste-hen», sagte Edward Vital in einer Presse-konferenz.

Abstract OP-0027: Vital EM et al.: How to managenon-response to rituximab: predictors and out-come of retreatment provide data for a treatmentalgorithm.

Zweiter Versuch mit Rituximab ist eine Option

Im Tierversuch ergab die Zu-gabe von Interleukin 10 beider Impfung mit einem be-stimmten Lupus-erythemato-des-Antigen eine Reduktionder sich entwickelnden Auto-antikörper. Mäuse, bei denenman eine dem systemischenLupus erythematodes (SLE)ähnliche Erkrankung erzeu-gen kann, wurden mit demSm-Antigen geimpft, einem

bekannten SLE-Autoantigen.Hinzu kamen entweder Inter-leukin 10 oder Interferongamma. Es zeigte sich, dassmit Interleukin 10 wenigerSm-Autoantikörper gebildetwurden als mit Interferongamma. Auch das Ausmassder SLE-bedingten Nieren-schädigung war mit Interleu-kin 10 geringer. Man wissezwar noch wenig über die Me-

chanismen, die zur Produktion von SLE-Autoantikörpern führen, sagte Dr. BeatrizMartin Márquez von der Universität Gua-dalajara, Mexiko, aber: «Unsere Studiezeigt einen möglichen Weg auf, wie mandie ursächlichen Mechanismen der Nie-renschädigung bei SLE beeinflussenkönnte.»

Abstract OP0121: Martin Márquez BT et al.: In-duction of tolerance by DNA-vaccination using lu-pus autoantigen (Sm D1, Sm D2 or Sm B/B’) com-bined with IL-10 in a mouse model of lupus.

SLE: Immuntoleranz erzeugen

Beatriz Martin Márquez

Edward Vital

SONDERREPORT Kongressnotizen

Rheumatologie

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SONDERREPORT

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Dr. med. Adrian Forster, Diessenhofen

«Sehr interessant und eindrücklich waren die vielen Prä-sentationen von Studien mit neuen Biologika bei rheuma-toider Arthritis. Das heute zur Verfügung stehende, riesige

Armamentarium von Basismedikamentenwäre noch vor zehn Jahren kaum vor-stellbar gewesen. Damit ist das Erreicheneiner Remission bei der rheumatoiden Ar-thritis heute endlich ein realistisches Be-handlungsziel geworden.Verschiedene wichtige Problemstellun-gen beim Management der rheumatoi-den Arthritis kamen meines Erachtensaber zu kurz, nämlich der Stellenwertvon nicht medi kamentösen Behand-lungs modalitäten, die Anwendung her -kömmlicher Basismedikamente und dieFrage, welche Prädiktoren es für das An-sprechen auf ein Basistherapeutikumbeim individuellen Patienten gibt.Einziges Highlight hinsichtlich dieserFrage war der Beitrag von John D. Isaacs(Abstract FIR0256), welcher zeigte, dassPatienten mit Autoantikörpern (Rheuma-faktor, Anti-CCP) besser auf Rituximabansprechen. Es wäre wünschenswert,bald weitere solche für die Praxis ver-fügbaren Prädiktoren zu kennen, um bei

der rheumatoiden Arthritis noch bessere Entscheidungs-hilfen bei der Wahl der Therapie zu haben beziehungs-weise um noch rascher erfolgreich behandeln zu können.»

Dr. med. Adrian Forster ist Klinikdirektor und Chefarzt Rehabilitation ander Thurgauer Klinik St. Katharinental, Diessenhofen.

Prof. Dr. med. Haiko Sprott, Zürich

«Schmerzen sind das häufigste Leitsymptom bei Patientenmit muskuloskeletalen Erkrankungen. Der europäischeRheuma-Kongress (EULAR) hat zum Thema Schmerz in denletzten Jahren eine enorme Entwicklung durchgemacht:Noch vor wenigen Jahren fand man kaum einzelne Vorträgezum Thema Schmerz – 2009 gab es mehrere grosse Ver-

anstaltungen, die sich mit unterschiedlichen Schmerzenbefassten. Immer wieder beeindruckend ist die Präsenzder Industrie, die mit immer grösser werdenden Ständenfür ihre Produkte wirbt. Dieses Jahr stand einmal mehr imFokus das Krankheitsbild der Fibromyalgie und einige Sub-stanzen, die in den USA bereits zur Behandlung diesesKrankheitsbilds zugelassen sind, bis jetzt jedoch nicht inEuropa sowie speziell in der Schweiz. Spannend sind im-mer wieder die Versuche, bei rheumatologischen Grunder-krankungen, die in einem hohen Mass mit Schmerzen as-soziiert sind, nicht medikamentöse Therapieverfahren,insbesondere zur Schmerzreduktion, einzusetzen. So gabes Studien zum Low-power-Laser bei Arthrose und zur lokalen/systemischen Kryotherapie bei der rheumatoidenArthritis. Mein Eindruck war, dass auch bei entzündlichrheumatischen Erkrankungen das Schmerzphänomen beiden Betroffenen immer mehr in das Bewusstsein der Rheu-matologen rückt, da man eben auch bei einer sehr effi-zienten antientzündlichen Behandlung interessanterweisenicht zwingend die Schmerzen der Patienten gleichzeitigmitbehandeln kann. In einer eigenen Forschungsarbeit präsentierten wir ausunserer molekularen Schmerzforschung ein Poster überschmerzassoziierte Moleküle im Gelenk von Patienten mitArthrose und rheumatoider Arthritis (Abstract THU0377)und konnten interessante Moleküle zeigen, die bisher imsynovialen Fibroblasten noch nicht beschrieben wurden. Für mich am interessantesten waren jedoch die einzelnen,eher kleineren und räumlich abgelegeneren Veranstaltun-gen zur Grundlagenforschung, insbesondere auf dem Ge-biet der Epigenetik. Der Wissenszuwachs auf diesem Ge-biet in den letzten Monaten und Jahren ist enorm, dieErkenntnisse, die man aus dieser Forschung gewinnenkann, sind äusserst spannend, und man bekommt mehrund mehr das Gefühl für die Komplexität dieser System-erkrankungen und sogar für mögliche therapeutische An-sätze.

Prof. Dr. med. Haiko Sprott ist leitender Arzt, Rheumaklinik und Institutfür Physikalische Medizin, Universitätsspital Zürich.

Rheumatologie

Am interessantesten war …

Die über 13 000 Teilnehmer am EULAR-Kongress in Kopenhagen hatten die Qual der Wahl:

152 Sessions, 30 Industriesymposien und über 3500 eingereichte Abstracts warben um Auf-

merksamkeit. Wir sprachen mit zwei Schweizer Teilnehmern über ihre ganz persönlichen Kon-

gresshighlights.

Adrian Forster

Haiko Sprott

Kongressecho

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ls ich ein Student war, kamen noch viele Rheuma-patienten im Rollstuhl in unsere Ambulanz», erin-nerte sich Professor Gerd Rüdiger Burmester von der

Humboldt-Universität Berlin an das Schicksal von Patientenmit rheumatoider Arthritis in den Siebzigerjahren des ver-gangenen Jahrhunderts. Seitdem hat sich viel getan. Die Situation der Rheumapatienten hat sich durch den frühenund intensiven Einsatz von Methotrexat, Glukokortikoidenund Kombinationstherapien deutlich verbessert. Seit derJahrtausendwende kamen die Biologika hinzu, doch diemedikamentöse Behandlung hat sich seitdem nicht nur hin-sichtlich dieser neuen Medikamente verändert, berichteteBurmester. Im Jahr 2007 erhielten im Vergleich zu 1995mehr Patienten Methotrexat (59 vs. 45%) oder Kombina -tionstherapien (7 vs. 25%). Der Gebrauch von Sulfalazinund Goldpräparaten ging zurück. Bei den Schmerzmedika-menten sank der Gebrauch von NSAR von 61 auf 38 Pro-zent, während vermehrt andere Analgetika zum Einsatz kamen. Glukokortikoide werden heutzutage etwas häufigerund in höheren Dosierungen eingesetzt, und zunehmendwurden auch Osteoporosemedikamente bei Patienten mitrheumatoider Arthritis (RA) verordnet (Abbildung 1). GerdBurmester schätzt den Anteil der RA-Patienten, denen Bio-logika verordnet werden sollten, auf etwa 30 Prozent. Zur-zeit erhalten in Deutschland nur 17 Prozent der RA-Patien-ten Biologika, was in erster Linie auf die hohen Kostendieser Medikamente zurückzuführen sei, fügte er hinzu.

Positive Bilanz: Anteil der Biologika noch unklar

Zu den Veränderungen, die sich für die RA-Patienten inden letzten zehn Jahren ergeben haben, zog Burmesteranhand des deutschen Rheumaregisters eine positive Bi-lanz. Er betonte, dass diese Veränderungen selbstver-ständlich nicht nur auf die Biologika, sondern auch aufMethotrexat, Kombinationstherapien und die generelleOptimierung der Rheumabehandlung zurückzuführenseien. Wie gross der Anteil der Biologika an der positiven

Entwicklung ist, sei jedoch noch nicht klar: «Die Lang-zeitresultate haben sich in der Tat verändert. Noch zu er-forschen bleibt, welche Resultate direkt auf den Gebrauchder Biologika zurückzuführen sind.»Die Spitaleinweisungen wegen rheumatoider Arthritis gin-gen seit Mitte der Neunzigerjahre um die Hälfte zurück,und die Aufenthaltsdauer im Spital sank beträchtlich:Während ein RA-Patient 1994 im Durchschnitt noch 3,7Wochen im Spital war, seien es heute zwei Wochen und inuniversitären, spezialisierten Zentren nur noch sechsTage, berichtete Burmester.Die durchschnittliche Krankheitsaktivität im DAS28(«disease activity score» in 28 Gelenken) sank im gleichenZeitraum von 4 auf 3 bis 3,5 Punkte. Der DAS28 reicht von0 bis 10, wobei Werte über 5,1 Zeichen einer hohen Krank-heitsaktivität sind; der mittlere Bereich reicht von 3,2 bis5,1. Unter 3,2 spricht man von niedriger oder fehlenderKrankheitsaktivität, bei weniger als 2,6 von Remission.Auch die Zahl der chirurgischen Eingriffe wegen Gelenk-zerstörung durch rheumatoide Arthritis ist rückläufig. Gemäss den Aufzeichnungen des deutschen Rheuma -registers benötigte 1993 rund jeder fünfte Patient mitrheumatoider Arthritis eine Gelenkoperation, 2007 war esnur noch jeder zehnte.

Arbeitsfähigkeit mit Biologika besser?

Eine US-amerikanische Kohortenstudie von 1974 bis 1992ergab, dass jeder vierte RA-Patient nach 6,4 Jahren ar-beitsunfähig wurde, nach 20,9 Jahren war es jeder zweite.Gerd Burmester machte darauf aufmerksam, dass prädik-tive Faktoren für den Verlust der Arbeitsfähigkeit hierbeijedoch nicht nur die Krankheitsaktivität waren, sondernauch Faktoren wie beispielsweise Bildungsstand, BMI,Schmerz oder HAQ-Score (HAQ: health assessment ques-tionnaire; ermittelt Behinderungsgrad mithilfe einer Pa-tientenbefragung zu acht alltäglichen Tätigkeiten; je hö-her der Wert, desto höher die Behinderung; als klinischrelevant gilt eine Änderung um mindestens 0,5 Einheiten).

10 Jahre Biologika in derRheumatologieWelchen Nutzen haben die Patienten?

Seit etwa einem Jahrzehnt bieten die sogenannten Biologika neue therapeutische Optionen für

Patienten mit rheumatoider Arthritis. Am EULAR-Kongress in Kopenhagen ging es um die

Frage, inwieweit sich die Therapie dadurch verändert hat und was man zurzeit über den lang-

fristigen Nutzen dieser Medikamente weiss.

A

SONDERREPORT

Rheumatologie

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SONDERREPORT

Am Risiko der Arbeitsunfähigkeit scheint sich seit der Jahr-tausendwende nichts geändert zu haben: «Jeder dritte Pa-tient, bei dem seit der Jahrtausendwende rheumatoide Ar-thritis diagnostiziert wurde, wird innerhalb von fünfJahren arbeitsunfähig», sagte die finnische Rheumato -login Dr. Tuulikki Sokka an einer Pressekonferenz. Sie be-ruft sich dabei auf Auswertungen der QUEST-RA-Da ten -bank. In diesem Projekt wurden von 2005 bis 2009 rund7800 Patienten mit rheumatoider Arthritis in 33 Ländern(Europa, Nord- und Südamerika, Asien) erfasst. Dabeizeigte sich auch, das der Verlust beziehungsweise dasAufgeben der Arbeitsstelle wegen rheumatoider Arthritisin allen Ländern, ob arm oder reich, zwar etwa gleich vielePatienten betraf, diejenigen in den armen Ländern jedochnoch bei einer weitaus stärkeren Beeinträchtigung undKrankheitsaktivität ihrem Job nachgingen.Gerd Burmester sagte, dass 46 Prozent der Männer und36 Prozent der Frauen mit rheumatoider Arthritis inDeutschland im Jahr 2002 berufstätig waren. 2007 warenes 57 beziehungsweise 45 Prozent: «Dies könnte an einerniedrigeren Krankheitsaktivität liegen», spekulierte er. Einen ähnlichen Trend sehe man bei den Krankmeldun-gen, die im gleichen Zeitraum ebenfalls zurückgegangenseien. In welchem Masse Biologika wirklich die Arbeitsfä-higkeit und -leistung fördern, ist noch unklar, auch wennentsprechende Beobachtungen publiziert wurden. Bei-spielsweise wurde am EULAR eine Beobachtungsstudiepräsentiert, wonach die Dauer der Krankmeldungen beiRA-Patienten mit Adalimumab von 2,6 auf 1,9 Wochen proHalbjahr sank.Andererseits gibt es gegenteilige Studien, in denen keinEffekt der Biologika auf die Arbeitsfähigkeit nachgewiesenwerden konnte. Das Team der Epidemiologin Dr. KimmeHyrich, Manchester, hatte die Entwicklung der Arbeitsleis-tung von zwei berufstätigen RA-Patientengruppen im Laufvon drei Jahren verglichen. Eine Gruppe erhielt DMARD,die andere TNF-alpha-Inhibitoren. Es zeigten sich keinestatistisch relevanten Unterschiede: 11 Prozent der Pa-tienten mit TNF-alpha-Inhibitoren und 14 Prozent derjeni-gen mit DMARD reduzierten ihr Arbeitspensum, und 9 be-ziehungsweise 5 Prozent (TNF-Inhib./DMARD) wurdenarbeitsunfähig. Auch die Autoren Wolfe, Allaire und Mi-chaud kamen in ihrer vor zwei Jahren publizierten Studiemit rund 4000 berufstätigen RA-Patienten und einem Be-achtungszeitraum bis zu fünf Jahren zu dem Schluss, einen positiven Effekt einer anti-TNF-Therapie auf das Ri-siko der Arbeitsunfähigkeit nicht feststellen zu können.

Lebensqualität auch eine Frage der Erwartungshaltung

Daten, die Auskunft zu der Frage geben können, ob TNF-alpha-Inhibitoren die Lebensqualität steigern, stammenzumeist aus klinischen (Zulassungs-)Studien. Hier zeigtesich, dass alle TNF-alpha-Inhibitoren die Behinderung ver-minderten und auch längerfristig zu einer besseren

Lebensqualität im Vergleich mit den Patienten in der Pla-zebogruppe führten. Vergleicht man jedoch einen TNF-al-pha-Inhibitor mit Methotrexat, sähe es etwas anders aus,sagte Hyrich. So fanden sich beispielsweise in einer Stu-die mit Etanercept im Vergleich mit Methotrexat in beidenGruppen vergleichbare HAQ-Werte; die positive Wirkungsetzte mit Etanercept aber früher ein.Abschliessend wies Kimme Hyrich auf ein weiteres Phä-nomen hin: Obwohl, wie bereits erwähnt, die durch-schnittliche Krankheitsaktivität der rheumatoiden Arthritisin den letzten zehn Jahren deutlich zurückgegangen ist,führte dies nicht immer automatisch auch zu einer höhe-ren Lebensqualität. So sank der von den Patienten ange-

11Rheumatologie

Abbildung 1: Medikamentöse Therapie bei rheumatoider Arthritis inDeutschland 1995 und 2007; *Leflunomid, Biologika und Coxibe werdenerst seit 2000 erfasst (Quelle: Kerndokumentation der regionalen, koope-rativen Rheumazentren; Deutsches Rheuma-Forschungszentrum Berlin).

Abbildung 2: Patienten mit rheumatoider Arthritis haben ent -gegen dem allgemeinen Trend eine kürzere Lebenserwartung(oben: Männer; unten: Frauen); gestrichelte Linie: Mortalitäts-rate in der Allgemeinbevölkerung; durchgezogene Linie: RA-Pa-tienten; graue Fläche: 95%-Konfidenzintervall (Quelle: GonzalesA et al., Arthrit Rheum 2007; 56: 3583–3597).

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SONDERREPORT

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gebene Behinderungsgrad bei alltäglichen Tätigkeiten(HAQ-Score) im gleichen Zeitraum nicht in gleichem Mas -se, sagte Hyrich und führte dies auf die gestiegene Er-wartungshaltung der Patienten zurück.Trotz teils dürftiger und widersprüchlicher Daten beur-teilte die Epidemiologin den Einfluss der Biologika auf Arbeitsfähigkeit und Lebensqualität letztlich positiv:«Anti-TNF-Therapien verbessern Behinderungsgrad undLebensqualität sowohl in frühen wie späten Stadien derrheumatoiden Arthritis.» Ihr Nutzen bezüglich der Arbeits-fähigkeit beschränke sich auf späte RA-Stadien, währenddie schnellere Linderung der Symptome die Arbeitsleis-tung in frühen Stadien steigern und Ausfalltage vermin-dern könne.

Mortalität und Komorbidität

Patienten mit rheumatoider Arthritis sterben früher als derDurchschnitt. Entgegen dem allgemeinen Trend hat sichihre Lebenserwartung in den letzten 40 Jahren nicht ver-längert (Abbildung 2). Gerd Burmester sagte, dass seinTeam bei den Auswertungen von Studiendaten zu Adali-mumab und Etanercerpt eine niedrigere Mortalitätsrateals in der Normalbevölkerung festgestellt habe, dies je-doch möglicherweise auch auf einen «healthy cohort ef-fect» zurückzuführen sei. Jedenfalls dürfe man annehmen,dass die Biologika die Mortalitätsrate nicht erhöhen. In ei-ner am EULAR präsentierten Studie fand ein holländischesTeam um Zuzana de Jong von der Universität RotterdamHinweise darauf, dass sich die Lebenserwartung von Pa-tienten mit rheumatoider Arthritis seit 1999 etwas ver-bessert habe. Die Autoren gehen davon aus, dass dies derfrühzeitigen Therapie mit Methotrexat alleine beziehungs-weise in Kombination mit DMARD oder Biologika zu ver-danken sei.In erster Linie führt man die kürzere Lebenserwartung derRA-Patienten auf kardiovaskuläre Erkrankungen zurück,sagte Professor Sherine E. Gabriel von der Mayo Clinic Rochester, Minnesota, USA. So fand sich bei RA-Patientenzum Zeitpunkt der Diagnose in der Anamnese dreimalhäufiger ein Spitalaufenthalt wegen Herzinfarkt und fünf-mal häufiger ein stiller Myokardinfarkt. RA-Patienten ent-wickelten im Lauf der Zeit häufiger eine Herzinsuffizienzals der Bevölkerungsdurchschnitt. Auch der Anteil der Hypertoniker sei bei ihnen grösser. In der publizierten Literatur gebe es keine Anhaltspunkte dafür, dass sich da-ran in den letzten Jahren etwas geändert habe, berichtete Gabriel. Sie deutete jedoch gleichzeitig an, dass man vor -aussichtlich am kommenden Kongress des American College of Rheumatology (ACR) im Oktober neue «aufre-gen de» Daten dazu präsentieren werde, die sie in Kopen-hagen noch nicht verraten dürfe.Wenn man die Bedeutung der Biologika hinsichtlich Ko-morbidität und Mortalität bei rheumatoider Arthritis be-trachte, sei es geradezu unmöglich, potenziell verfäl-schende Faktoren völlig auszuschliessen, sagte Gabriel.

Patienten mit rheumatoider Arthritis, die Biologika erhal-ten, unterscheiden sich in der Regel auch in anderen Ei-genschaften von RA-Patienten, denen diese Medikamentenicht verordnet werden. So würden auf der einen SeiteBiologika eher bei Patienten mit hoher Krankheitsaktiviät(und möglicherweise weiteren Begleiterkrankungen) ver-ordnet, während man sie bei RA-Patienten mit bestimm-ten Erkrankungen, wie beispielsweise Herzinsuffizienzoder Tumoren, eher vermeidet.Nach Einführung der TNF-alpha-Inhibitoren berichtetenmehrere Autoren von einem erhöhten Risiko schwerer In-fektionen bei dieser Therapie. In der kürzlich publiziertenMetaanalyse der Autoren Salliot, Dougados und Gossecwar ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für schwereInfektionen nur für Anakinra, nicht aber für Rituximaboder Abatacept nachweisbar. Allerdings waren die Rituxi-mab- und Abataceptstudien für diese Fragestellung «un-derpowered», und es habe sich der generelle Trend ge-zeigt, dass eine höher dosierte Therapie mit einemhöheren Infektionsrisiko verbunden war. Gabriel erläu-terte: «Es gibt starke Anhaltspunkte dafür, dass ein er-höhtes Risiko für einige Infektionen durch Biologika be-steht.»Weniger konsistent seien hingegen die Daten bei kardio-vaskulären und malignen Erkrankungen. Während mancheAutoren einen eher protektiven Effekt gegen Herzinfarktfür TNF-alpha-Inhibitoren und Methotrexat bei RA-Patien-ten annehmen, fanden andere ein erhöhtes Herzinsuffi-zienzrisiko bei der Anwendung dieser Medikamente. Be-züglich der malignen Erkrankungen ist die Lage ebensounklar. Man wisse, dass RA-Patienten einerseits ein er-höhtes Risiko für manche Tumoren (Lymphom, Lungen-krebs) aufweisen, anderereseits sei es für andere Tumo-ren erniedrigt, sagte Gabriel und forderte, diesemPhänomen in der Forschung verstärkt nachzugehen.

Renate Bonifer

Quellen:

Clinical Science Session: «10 years of biologics in RA: What is the longterm benefit for patients?», EULAR Kopenhagen, 12. Juni 2009

Pressekonferenz : «Every third patient with new rheumatoid arthritisbecomes work disabled in the 2000s – people in poor countries remainworking with high levels of disability and disease activity», EULAR Ko-penhagen, 12. Juni 2009

Abstract: FRI0520 Krüger K. et al.: Decrease in sick leave for patientswith rheumatoid arthritis (RA) receiving Adalimumab (Humira®): datafrom a german non-interventional study.

Abstract: SAT0047 de Jong Z. et al.: Up-to-date treatment strategiesprevent increased mortality in RA.

Rheumatologie

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SONDERREPORT

ittlerweile ist unbestritten, dass die klinische Re-mission das oberste Therapieziel in der Behand-lung von Patienten mit rheumatoider Arthritis (RA)

ist. Zusätzlich wird heute die Wirksamkeit einer Therapie da-durch definiert, dass auch die strukturelle Destruktion anden Gelenken zum Stillstand kommt. Die traditionellenkrankheitsmodifizierenden Antirheumatika (DMARD) reduzie-ren zwar die Krankheitsaktivität, das Fortschreiten der Ge-lenkschädigung beeinflussen sie aber nur suboptimal (1–3).

Etanercept plus Methotrexat: die COMET-Studie

COMET (COmbination of Methotrexate and ETanercept inActive Early Rheumatoid Arthritis) ist die erste grössereklinische Studie zur Behandlung der RA mit Etanercept(Enbrel®) im Frühstadium mit der klinischen Remission(DAS28 unter 2,6) als primärem Studienendpunkt. Weitereklinische Endpunkte waren die Funktion im Alltag, ge-messen mit dem HAQ-Score, und das Verzögern der ra-diologisch sichtbaren Progression (Total Sharp-Score). DieEinjahresdaten zeigten bereits eine deutliche Überlegen-heit der Kombinationstherapie gegenüber der MTX-Mono-therapie: 50 Prozent der Patienten erreichten unter Etanercept plus MTX eine klinische Remission; unter MTX-Monotherapie waren es nur 28 Prozent (p < 0,001).Die am EULAR 2009 vom Studienleiter Professor PaulEmery, Universität Leeds, Grossbritannien, im Rahmen desSatellitensymposiums «Changing Practice, ChangingLives: Advancing Care in RA» vorgestellten Zweijahres -daten der COMET-Studie zeigen eine Fortsetzung der Er-folgsstory: Die frühe, aggressive Kombinationstherapiemit Etanercept und MTX verhinderte im zweiten Jahr bei90 Prozent der Patienten eine radiologische Progression.Patienten, die das erste Studienjahr mit der Kombina -tionstherapie beziehungsweise der MTX-Monotherapie er-

folgreich absolvierten (n = 411), wurden ein weiteres Jahrbehandelt. Die Teilnehmer der ursprünglichen Kombina -tionsgruppe erhielten entweder weiter die Kombinations-therapie (EM/EM-Gruppe, n = 111) oder nur Etanercept(EM/E-Gruppe, n = 111). Die ursprüngliche MTX-Monothera-piegruppe wechselte entweder zur Kombinationstherapie(M/EM-Gruppe, n = 90) oder wurde mit der MTX-Monothe-rapie weiterbehandelt (M/M-Gruppe, n = 99). Die Gruppen-zuteilung für das zweite Jahr wurde bereits bei Studienbe-ginn festgelegt und blieb über die gesamte Zeit verblindet.Nach zwei Jahren hatten in der Gruppe mit durchgehenderbeziehungsweise nach einem Jahr verzögert begonnenerKombinationstherapie 57 respektive 58 Prozent eineDAS28-Remission erreicht. In der MTX-Monotherapie-gruppe waren es 35 Prozent (p < 0,001). Ein Aufhalten derradiologisch sichtbaren Gelenkzerstörung wurde unter derfortgeführten Kombinationstherapie ebenfalls signifikanthäufiger beobachtet als in allen anderen Gruppen. In derEM/EM-Gruppe zeigten 90 Prozent der Patienten eine ra-diologische Stagnation gegenüber 68 Prozent in der M/M-Gruppe (p < 0,001); in der EM/E (n = 99) und M/EM-Gruppe (n = 79) waren es jeweils 75 Prozent. Abbildung1 zeigt die mittlere Veränderung des TSS-Werts gegenüberBaseline. Bezüglich Funktion erreichten nach einem Jahrsignifikant mehr Patienten unter der Kombinationsthera-pie eine Normalisierung der körperlichen Funktion (HAQ0,5) als unter MTX-Monotherapie (55% vs. 39%, p <0,001). Dieser Unterschied blieb auch im zweiten Jahr derCOMET-Studie erhalten, wie Abbildung 2 illustriert.Die Kombinationstherapie wurde im zweiten Jahr weiter-hin gut vertragen, Anlass zu neuen Sicherheitsbedenkengab es keinen. Ernsthafte Nebenwirkungen, insbesondereschwerwiegende Infektionen, traten unter der Kombina -tionstherapie nicht häufiger auf als unter der MTX-Mono-therapie.

13Rheumatologie

Rheumatoide Arthritis (RA), Psoriasis-Arthritis (PsA), Morbus Bechterew

Klinische und radiologischeRemission ist möglich

Bei der Behandlung rheumatischer Erkrankungen hat sich in den letzten zehn Jahren enormes

getan. Mit der Zulassung der TNF-alpha-Blocker ist bei Patienten mit rheumatoider Arthritis

nicht nur die klinische Remission von der Utopie in die Realität gerückt; auch die radiologisch

nachweisbare Knochendestruktion lässt sich mit den Biologika langfristig aufhalten. Dies zeig-

ten die am EULAR 2009 vorgestellten Zweijahresdaten der COMET-Studie. Die TNF-alpha-

Blockade bei Psoriasis-Arthritis und Morbus Bechterew lässt ebenfalls auf eine wesentlich bes-

sere Krankheitskontrolle hoffen.

M

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Sicherheitsaspekte der Langzeit-anwendung von TNF-alpha-Blockern

Nach der Einführung von Anti-TNF-alpha-Antikörpern zurBehandlung der rheumatoiden Arthritis wurden in einigeneuropäischen Ländern Register zur langfristigen Auswer-tung, vorwiegend der Sicherheit der Biologika, eingeführt;diese liefern umfangreiche «Real-life»-Daten. Insgesamtwerden Daten von fast 45 000 Patienten gesammelt.Professor Gerd Burmester von der Humboldt-Universität inBerlin präsentierte Daten des deutschen RABBIT-Regis-ters, die zeigten, dass unter der Therapie mit TNF-alpha-Blockern vermehrt mit Infektionen gerechnet werdenmuss; die Rate schwerwiegender Infektionen (Notwendig-keit einer intravenösen Antibiose und/oder Hospitalisie-rung) war im Vergleich zur Therapie mit konventionellenDMARD etwa verdoppelt. Hinsichtlich viraler Infekte be-stand ein statistisch signifikant erhöhtes Risiko für die Re-aktivierung eines Herpes Zoster unter monoklonalen TNF-alpha-Antikörpern, während dies für Etanercept nicht derFall war (4). Für das Auftreten oder Wiederauftreten einersoliden Tumorerkrankung liess sich in der RABBIT-Kohortekein erhöhtes Risiko nachweisen. Die Sorge, dass TNF-alpha-Blocker eine Herzinsuffizienz fördern oder ver-schlechtern könnten, bestätigte sich ebenso wenig. Erste

Hinweise deuten vielmehr darauf hin, dass sich die Re-duktion der Entzündungsvorgänge durch Biologika wohleher günstig auf das Herzinsuffizienzrisiko auswirkenkönnte, ergänzte Burmester.Auswertungen des britischen Registers BSRBR deuten da-rauf hin, dass es vor allem in den ersten 90 Tagen nachBeginn einer TNF-alpha-Blocker-Therapie zu einem deutli-chen Anstieg der Infektionsrate kommt. Dabei handelt essich primär um Infekte der unteren Luftwege und um bak-terielle Haut- und Weichteilinfektionen, so Professor PeterC. Taylor vom Imperial College, London. Auch im BSRBRbestand kein erhöhtes Malignomrisiko nach vorangegan-gener Tumorerkrankung; möglicherweise besteht jedochein erhöhtes Melanomrisiko nach gehabtem Melanom.Im schwedischen ARTIS-Register ergab sich ebenfalls einerhöhtes relatives Infektrisiko bei RA-Patienten im Ver-gleich zu Patienten ohne TNF-alpha-Blocker. Dieses warim ersten Behandlungsjahr am deutlichsten erhöht undsank im zweiten und dritten Behandlungsjahr wieder aufNull, wie Professor Roland van Vollenhoven vom Karo-linska Institut in Stockholm erklärte. Bezüglich malignerTumore war in ARTIS über eine Behandlungszeit von übersechs Jahren im Vergleich zur Basistherapie kein erhöhtesRisiko unter TNF-alpha-Blockern nachweisbar. Das Lymphomrisiko scheint gemäss Daten aus dem fran-zösischen RATIO-Register unter TNF-alpha-Blockern nichtgenerell erhöht zu sein. Allerdings scheint ein unter-schiedliches Lymphomrisiko in Abhängigkeit von der Substanz zu bestehen: RA-Patienten unter den monoklo-nalen Antikörpern Infliximab (Remicade®) und Adalimu-mab (Humira®) hatten ein höheres Lymphomrisiko als unter Etanercept, so Professor Xavier Mariette, BicetreHospital, Universität Paris.

Psoriasis-Arthritis und Morbus Bechterew

Bis zu 30 Prozent der Patienten mit schwerer Psoriasisweisen neben ihrer Hauterkrankung gleichzeitig einen Ge-lenkbefall auf (PsA). Wahrscheinlich liegt die Dunkelziffersogar wesentlich höher, da die PsA aufgrund der unter-schiedlichen Manifestationsformen unterdiagnostiziertist, wie der Rheumatologe Professor Philip J. Mease ausSeattle vermutete. Die meisten Patienten entwickeln ohnewirksame Therapie eine deformierende Arthritis mit er-heblichen Einschränkungen der Funktion und der Lebens-qualität. Neben schweren Gelenkdeformationen tragenDaktylitis (schmerzhafte Schwellung und Rötung einzelnerFinger und Zehen) und vor allem die Enthesitis (schmerz-hafte Entzündung der Sehnenansätze) massgeblich zurSymptomatik bei; in bis zu 60 Prozent der Fälle ist auchdie Wirbelsäule betroffen. Die Kombination von PsA undHautbeteiligung – insbesondere bei grossflächigem pso-riatischem Befall – belastet den Patienten oft stark. De-pressionen sind daher keine Seltenheit. Nicht zuletzt wirddie PsA auch mit einer erhöhten kardiovaskulären Morbi-

Rheumatologie

Abbildung 1: Radiologische Progression in der COMET-Studie; LOFC: ge-mäss letzter Untersuchung (last observation carried forward); E: Etan-cerpt; M: Methotrexat.

Abbildung 2: Verbesserung der körperlichen Funktion in der COMET-Stu-die (Normalisierung der körperlichen Funktion: HAQ ≤0,5); E: Etancerpt;M: Methotrexat.

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dität (KHK, metabolisches Syndrom) und Sterblichkeit inZusammenhang gebracht. All diese Gründe sprechen füreine möglichst frühe und aggressive Therapie, so Mease.Die Behandlung der PsA richtet sich gegen den entzünd-lichen Prozess mit dem Ziel, Gelenkschäden zu minimie-ren oder sogar zu verhindern. Bei milder Erkrankung kom-men konventionelle Basistherapeutika (nichtsteroidaleAntirheumatika, Steroide, DMARD) zum Einsatz. Eine mo-derate bis schwere Erkrankung und insbesondere ein Be-fall des Achsenskeletts und der Enthesen werden durchdie genannten Basismedikamente nur unwesentlich be-einflusst. Hier wird gemäss internationalen Richtlinien der«Group for Research and Assessment of Psoriasis andPsoriatic Arthritis (GRAPPA)» der Einsatz von TNF-alpha-Blockern empfohlen (5).Die kürzlich publizierte PRESTA-Studie mit 752 Psoriasis -patienten mit gleichzeitiger PsA bestätigte die gute undanhaltende Wirksamkeit von Etanercept, das entwedereinmal oder zweimal wöchentlich in einer Dosierung von50 mg verabreicht wurde. Nach 24 Wochen hatten 70 Pro-zent der Patienten bei zweimal wöchentlicher Gabe einenPASI 75 erreicht; parallel dazu verbesserten sich bei 72bis 77 Prozent der Patienten auch die Gelenksymptomedeutlich (6). Nicht schlechter schnitten Infliximab und Adalimumab beider Therapie der PsA ab. In der IMPACT2-Studie erreichteein signifikanter Anteil Patienten unter Infliximab ein sehrgutes klinisches Ansprechen (22% ACR70 nach zwei Jah-ren). Darüber hinaus liess sich auch ein Aufhalten der ra-diologischen Progression nachweisen. Adalimumab ver-half in der ADEPT-Studie zu einem sehr gutenACR-Ansprechen; nahezu 60 Prozent der Patienten er-reichten einen PASI 75. Professor Maxime Dougados, Cochin Hospital Paris, un-terstrich die enorme Bedeutung einer frühen Diagnose derSpondylitis ankylosans (SA), da die einmal eingetreteneVersteifung der Wirbelsäule nicht mehr reversibel ist.Dazu stehen mittlerweile Klassifikationskriterien zur Ver-fügung, die – im Gegensatz zu den nach wie vor gültigenNew Yorker Kriterien – unabhängig vom radiologischenBefund sind und sich damit zur Frühdiagnose besser eig-nen. Dazu gehören die Klassifikationskriterien der Spon-dyloarthropathie-Studiengruppe ESSG sowie die Amor-und ASAS-Kriterien. Zudem gewinnt die Magnetresonaz-tomografie bei der Diagnostik früher Fälle an Bedeutung,wie Dougados weiter ausführte.Krankheitsmodifizierende Basistherapeutika (DMARD),die bei der rheumatoiden Arthritis erfolgreich eingesetztwerden, sind bei der SA nur bedingt wirksam, da sie bei-spielsweise die axiale Symptomatik kaum beeinflussen.Mit den TNF-alpha-Blockern steht nun eine wirksame The-rapieoption für die verschiedenen klinischen Aspekte derSA zur Verfügung, so Dougados. Neben der Symptomlin-derung der artikulären und extraartikulären Manifestatio-nen ermöglichen sie erstmals, die Progression der Er-

krankung zu bremsen oder sogar aufzuhalten. In der AS-CEND-Studie mit fast 600 Patienten, dem ersten Direkt-vergleich zwischen einem Biological und einem DMARD,erwies sich Etanercept signifikant wirksamer als Sulfasa-lazin, sowohl bei der axialen Form der Erkrankung alsauch bei der peripheren Arthritis (7). Auch die Enthesio-pathie, die vor allem junge Patienten oft erheblich ein-schränkt, konnte unter Etanercept verbessert werden, soDougados.

Sicherheit von Etanercept bei PsA und SA

Professor Dr. med. Dr. h.c. Joachim R. Kalden vom Univer-sitätsklinikum in Erlangen gab einen Überblick über dieEvidenz zur Langzeitanwendung der TNF-alpha-Blockerbei PsA und SA; Daten von Patienten mit PsA stammenbeispielsweise aus dem britischen Register (8). Dass diegute Wirksamkeit von Etanercept bei Patienten mit SAauch in der Langzeittherapie erhalten bleibt und sogarnoch zunimmt, zeigt gemäss Kalden eine Studie von Da-vis und Kollegen, die als 12-wöchige, randomisierte, pla-zebokontrollierte Studie begonnen und danach als offeneVerlängerungsstudie fortgesetzt wurde. Die bisherige Aus-wertung umfasst 192 Wochen. Nach 96 Wochen hatten71 Prozent der Patienten ein ASAS20-Ansprechen erreicht(9); nach insgesamt 192 Wochen waren es 81 Prozent (10).Mittlerweile gibt es 5-Jahres-Daten bei 18 Patienten mitSA, die ebenfalls eine anhaltende gute Krankheitskon-trolle (33% in partieller Remission) bei akzeptabler Si-cherheit unter Etanercept zeigten (11). Nur 5 Prozent derPatienten entwickeln unter Etanercept nicht neutralisie-rende Antikörper, welche die Wirksamkeit in der Langzeit-therapie nicht mindern, so Kalden.

Gerhard Emrich

Quellen: Satellitensymposien «Changing Practice, Changing Lives: Ad-vancing Care in RA», «A Decade of Clinical Experience: Lessons fromthe Biologics Registries» und «Changing Practice, Changing Lives: Ad-vancing Care in AS and PsA», Sponsor Wyeth Pharmaceuticals, EULARKongress, 11. und 12. Juni 2009

Interessenlage: Der Bericht wurde von Wyeth finanziell unterstützt.

Referenzen:

1. Grigor C. et al., Lancet 2004; 364: 263–269.

2. Allaart C.F. et al., Clin Exp Rheumatol 2006; 24 (6 suppl 43): S77–82.

3. Brown A.K. et al., Arthritis Rheum 2008; 58: 2958–2967.

4. Strangfeld A. et al., JAMA 2009; 301: 737–744.

5. Zochling J. et al., Ann Rheum Dis 2006; 65: 442–452.

6. Sterry W. et al., Poster P29 from the Gene to Clinic meeting, London,2008.

7. Braun J. et al., ACR 2008, Abstract 673.

8. Saad A.A. et al., Arthritis Res Ther 2009; 11: R52.

9. Davis J.C. et al., Ann Rheum Dis 2005; 64: 1557–1562.

10. Davis J.C. Jr. et al., Ann Rheum Dis 2008; 67: 346–352.

11. Braun J. et al., Ann Rheum Dis 2008; 67: 340–345.

15Rheumatologie

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ie systemische Sklerodermie (SSc) ist eine chroni-sche Erkrankung des Bindegewebes, die neben derHaut auch innere Organe wie Niere, Lunge und den

Gast ro intestinaltrakt befällt. Zu den verschiedenen Mani-fes tationen der Krankheit gehören beispielsweise Nieren -versagen, pulmonale Fibrose und pulmonal arterielle

Hypertonie (PAH), gastrointes tinale, kar-diale und muskuloskeletale Erkrankun-gen. Die verdickte, «harte» Haut derSklerodermiepatienten gab dem Syn-drom seinen Namen. Zu den typischenErscheinungsformen dieser Krankheit ge-hören jedoch auch, infolge gestörter Ge-fässfunktionen, Fingerulzera und sekun-däres Raynaud-Syndrom.Eine Gemeinsamkeit der vielgestaltigenAusprägungen der systemischen Sklerosescheint letztlich eine progrediente Gefäss-erkrankung zu sein, sagte die ProfessorinJanet Pope, St. Joseph’s Health Care Lon-don, die gemeinsam mit Professor LoicGuillevin, Hôpital Cochin Paris, das Satel-litensymposium leitete. Das frühzeitige Er-kennen der SSc-assoziierten Komplikatio-nen und entsprechende Mass nahmenseien von entscheidender Bedeutung fürdie Prognose der SSc-Patienten, sagteProfessor Ulf Müller- Ladner, Kerckhoff-Kli-nik Bad Nauheim.

Verdickte Haut und Ulzera an den Fingern

Die Verdickung der Haut ist charakteristisch für die syste-mische Sklerodermie; gemäss einer deutschen Studie fin-det sie sich bei 87,8 Prozent der Patienten. Fingerulzerakommen bei 30 bis 50 Prozent der SSc-Patienten vor, be-richtete Professor Marco Matucci Cerinic, Universität Flo-renz. Fingerulzera sind sehr schmerzhaft, können zum Ab-sterben von Gewebe und in einigen Fällen zu bleibendenSchäden und Behinderung führen. Ein frühes Anzeichenfür die Entwicklung einer systemischen Sklerose kann

(muss aber nicht) das Raynaud-Syndrom sein. Darum istes wichtig, zwischen dem primären, eher harmlosen, unddem sekundären Raynaud-Syndrom zu unterscheiden. Dieveränderte Beschaffenheit der Nagelfalzkapillaren bei sekundärem Raynaud-Syndrom sei dabei ein wichtigesKriterium, sagte Matucci Cerinic. Typisch für das primäreRaynaud-Syndrom sei hingegen die Abwesenheit von Ne-krosen oder Ulzera sowie ein ANA-negativer Status (anti-nukleäre Antikörper).In zwei randomisierten Studien erwies sich Methotrexatals wirksam, um den Hautstatus im frühen Stadium diffu-ser systemischer Sklerodermie zu verbessern. Diese Sub-stanz kann darum nach Auffassung der EUSTAR (EULARScleroderma Trials and Research group) in Betracht gezo-gen werden. Ob Methotrexat auch die SSc-Komplikationenan inneren Organen positiv beeinflussen kann, ist nichtbekannt.Sinnvoll zur Prävention von Fingerulzera sei die regel-mässige Pflege der Hände mit Feuchtigkeitscremes, Ölenund Wachsen; Okklusions- und Hydrokolloidverbändewürden die Ulkusheilung fördern, sagte Matucci Cerinic.Nach den EUSTAR-Empfehlungen kommen als medika-mentöse Optionen i.v. Iloprost (Ilomedin® 20/50) zur För-derung der Ulkusheilung sowie Bosentan (Tracleer®) zurPrävention neuer Ulzera infrage.In der RAPIDS-2-Studie (Randomized, double-blind, pla-cebo-controlled study with bosentan on healing and prevention of ischemic digital ulcers in patients with sys-temic sclerosis) wurden 188 Sklerodermiepatienten mitmindestens einer digitalen Ulzeration entweder mit Bo-sentan (62,5 mg zweimal täglich über vier Wochen, da-nach 125 mg zweimal täglich für mindestens 20 und biszu 32 Wochen) oder mit Plazebo behandelt. Die Gesamt-zahl neuer Ulzerationen über 24 Wochen belief sich auf1,9 ± 0,2 in der Bosentangruppe gegenüber 2,7 ± 0,3 inder Plazebogruppe (p = 0,035). Hinsichtlich der Heilungder digitalen Ulzerationen, dem zweiten primären End-punkt, ergab sich kein statistisch signifikanter Unter-schied zwischen Bosentan und Plazebo.Eine chirurgische Sanierung der Ulzera ist möglich, dochkomme es danach nicht selten zu Rezidiven und das Ri-

Rheumatologie

Komplexe Erkrankung mit vielfältigen Komplikationen

Systemische SklerodermieDie systemische Sklerodermie (SSc) ist eine komplexe, kaum behandelbare Erkrankung. In den

letzten Jahren kam es aufgrund neuer Erkenntnisse zum vaskulär-endothelialen Ursprung der

Erkrankung zu neuen therapeutischen Optionen, die an einem Satellitensymposium der

Firma Actelion vorgestellt wurden.

D

Ulf Müller-Ladner

Janet Pope

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siko einer postoperativen digitalen Ischämie sei ein wei-teres ernstes Problem, sagte der Referent.

Renale und gastrointestinaleKomplikationen sind häufig

75 bis 90 Prozent der SSc-Patienten leiden unter gastro -intestinalen Komplikationen, berichtete Professor Christo-pher Denton, University College Medical School London.Verantwortlich dafür sei die bereits erwähnte zugrundeliegende Gefässerkrankung, die einen Verlust der norma-len rhythmischen Peristaltik bewirkt. Sämtliche Regionendes Gastrointestinaltrakts können betroffen sein und inder Folge entwicklen sich Phänomene wie ösophagealerReflux, Gastroparese, Pseudoobstruktion, Malabsorption,Obstipation oder anorektale Erkrankungen. Die Behand-lung ist im Wesentlichen palliativ und umfasst gemässden EUSTAR-Empfehlungen je nach Manifestation Proto-nenpumpeninhibitoren, Prokinetika oder Antibiotika. Chi-rurgische Eingriffe sind bei SSc-Patienten sehr risikoreichund kommen darum nur in sehr schweren Fällen in Be-tracht, wie etwa bei Darmperforation oder Ischämie.«Die renalen Manifestationen der systemischen Skleroseunterstreichen die vaskuläre Ursache der Erkrankung»,sagte Denton. Man nimmt an, dass endotheliale Schädendie Synthese vasoaktiver Substanzen wie Endothelin 1(ET-1) bewirken und somit am Anfang der Entwicklung eines Nierenversagens bei SSc-Patienten stehen (SRC:scleroderma renal crisis). ACE-Hemmer brachten eine be-deutende Verbesserung der Prognose für SSc-Patienten.Die Quote der SRC-assoziierten Todesfälle sank in denletzten 30 Jahren von 42 auf 6 Prozent. Obwohl man nichtvöllig sicher sein könne, dass ACE-Hemmer die Entwick-lung einer SRC tatsächlich verhindern, sprächen doch dieResultate vieler Fallberichte und offener Studien für einepositive Wirkung, so Denton. Trotzdem bleibt SRC eine Be-drohung für jeden SSc-Patienten. Hypertonie, Proteinurieund erhöhte Serumkreatininwerte sind Alarmzeichen. Da-rum sollten SSc-Patienten ihren Blutdruck selbstständigzu Hause überwachen und auch die erforderlichen Urin-kontrollen regelmässig durchführen.

Pulmonale arterielle Hypertonie bei SSc-Patienten

Bei drei Viertel der SSc-Patienten ist dieLunge befallen, pulmonal arterielle Hy-pertonie (PAH-SSc) oder interstitielleLungenerkrankung (SSc-ILD) sind dieFolge. «Heutzutage sterben die Patien-ten nicht mehr an Nieren ver sagen, son-dern an pulmonalen Manifestationen dersystemischen Sklerose», sagte Dr. SeanGaine, Mater Misericordiae UniversityHospital Dublin, denn pulmonale SSc-Komplikationen sind für rund 60 Prozentder SSc-Todesfälle verantwortlich.Aufgrund des hohen PAH-Risikos solltenalle SSc-Patienten mittels Echokardio-grafie abgeklärt werden, forderte Gaine. Auch die Überlebenschancen für PAH-SSc-Patienten haben sich seit der Ein-führung neuer therapeutischer Optionenbei pulmonaler Hypertonie verbessert(Abbildung). Die aktuellen Richtlinienempfehlen eine jährliche transthorakaleDoppler-Echokardiografie für alle SSc-Pa-tienten mit anschlies sender Rechtsherz -katheteruntersuchung bei Verdacht aufPAH. Ziel sei eine möglichst frühzeitigeTherapie, vorzugsweise mit Bosentan,wie es in den EUSTAR-Richtlinien emp-fohlen werde, sagte Gaine. Auch Kombi-nationstherapien kämen infrage, zumBeispiel Bosentan plus Sildenafil oderSixtasentan plus Sildenafil, wobei Letz-tere auch in den EUSTAR-Richtlinien fürPAH-SSc-Patienten genannt wird.Die interstitielle Lungenerkrankung (SSc-ILD) kann mithilfe hochauflösender Computertomografie er-kannt werden. Auch hier sprach sich Gaine für ein regelmäs-siges Screening von SSc-Patienten aus, obwohl man denPatienten therapeutisch noch kaum etwas bieten kann. Bis-her erwies sich nur Cyclophosphamid als wirksam, sodassdiese Substanz trotz Toxizitätsproblemen in den EUSTAR-Empfehlungen als Option für SSc-ILD-Patienten genannt wird.

Renate Bonifer

Quelle:

Satellitensymposium «A complex patient with systemic sclerosis (SSc):How to manage the different organ manifestations», Sponsor ActelionPharmaceuticals Ltd., EULAR Kopenhagen, 11. Juni 2009

Interessenlage: Der Bericht wurde von Actelion finanziell unterstützt.

Literaturhinweis:

Kowal-Bielecka O. et al.: EULAR recommendations for the treatment ofsystemic sclerosis: a report from the EULAR Scleroderma Trials and Re-search group (EUSTAR). Ann Rheum Dis 2009; 68(5): 620–628.

17Rheumatologie

Christopher Denton

Sean Gaine

Marco Matucci Cerinic

Abbildung: Bessere Überlebenschancen für PAH-SSc-Patientennach Einführung der Endothelinrezeptorantagonisten (ERA); rot:Patienten 2002–2006 (n = 36); schwarz: Patienten 1996–2001 (n= 21); nach Kabunga P. et al., Eur Respir J Suppl 2007; 30: 250s.

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ei den Medikamenten für Arthrosepatienten geht esin erster Linie um Schmerztherapie. Paracetamol istin den Richtlinien von EULAR, OARSI und NICE* un-

umstritten die erste Wahl. Aber auch topische nichtsteroi-dale Analgetika (NSAID) in Form von Gel, Creme oderSalbe seien zu Recht sehr beliebt, sagte Professor MichaelDoherty, Academic Rheumatology City Hospital Notting-ham. Er wies darauf hin, dass bereits mehrere Studien dieäquivalente Wirkung einiger topischer und oraler NSAIDbei Arthrose belegten. Auch topisches Capsaicin wird inden Richtlinien als Option zur lokalen Behandlung von Ar-throseschmerzen genannt.Orale NSAID, Coxibe und schwache Opioide kommen in-frage, sofern mit Paracetamol keine ausreichendeSchmerzlinderung erreicht wird. Während für die Anwen-dung von schwachen Opioiden bei Arthrose nur wenigeDaten vorliegen, werden NSAID und Coxibe häufig ver-ordnet. Allzu grosse Erwartungen dürfe man an diese Me-dikamente trotzdem nicht stellen, denn ihre potenzielleWirksamkeit bei Arthrose sei mit einer Effektgrösse (s. In-fokasten) von 0,2 bis 0,3 recht bescheiden, so Doherty.Problematischer für eine längerfristige Anwendung seiaber das Risiko insbesondere gastrointestinaler Neben-wirkungen. Die NICE-Richtlinien fordern darum, dass je-dem Patienten mit einem NSAID oder einem Coxib zu-sätzlich ein Protonenpumpeninhibitor (PPI) verordnetwird.

Paracetamol doch nicht so «harmlos»?

Doherty machte darauf aufmerksam, dass auch das ver-meintlich so harmlose Paracetamol durchaus dunkle Sei-ten habe. So sorgten vor einigen Jahren zwei Studien vo-rübergehend für Diskussionen, weil man mit Paracetamol

eine erhöhte Hospitalisationsrate wegen gastrointestina-ler Notfälle (z.B. Blutungen) festgestellt haben wollte. Imletzten Jahr sei diese Diskussion aufgrund einer neuenStudie wieder aufgeflammt, berichtete Doherty. Retro-spektiv analysierte eine kanadische Gruppe 1,7 MillionenVerschreibungen von NSAID, Paracetamol und/oder PPI anüber 65-Jährige und zählte die Spitaleinweisungen wegengastrointestinaler Vorfälle (GI). Vergleichsgruppe (Risiko =1,0) waren diejenigen mit weniger als 3 g Paracetamol proTag. Ohne simultane PPI-Gabe ergaben sich folgende, er-höhte GI-Risiken (Hazard Ratio, HR): 1,2 bei mehr als 3 gParacetamol, 1,63 bei NSAID und um mehr als das dop-pelte (HR 2,55) bei NSAID plus Paracetamol. Mit einemPPI verschwand zwar jeweils das erhöhte Risiko für Para-cetamol oder NSAID, aber bei der Kombination NSAIDplus Paracetamol änderte der zusätzliche PPI praktischnichts. Das erhöhte GI-Risiko (HR 2,15) blieb trotzdem be-stehen. Das gebe zu denken, da dies eine durchaus nichtseltene Konstellation bei Arthrosepatienten sei, sagte Doherty. Paracetamol sollte demnach nicht gleichzeitigmit NSAID eingenommen werden.

Hilfreich: intraartikuläre Steroidinjektionen

Intraartikuläre Steroidinjektionen werden von allen dreiRichtlinien als sinnvoll und nützlich bezeichnet. Sie wei-sen eine beträchtliche Effektgrösse von durchschnittlich0,7 auf. Die in Studien ermittelte Wirkdauer sei zwar nurkurzfristig, aber «in der klinischen Praxis profitieren man-chen Patienten sehr lange davon», sagte Doherty. Wennman ein Mindestintervall von drei Monaten einhalte, brau-che man sich auch keine Sorgen wegen allzu häufiger In-jektionen zu machen.

Umstritten: Hyaluronsäure

Weniger eindeutig sei die Situation für intraartikuläre Hya-luronsäureinjektionen: «Wenn man sich nur die grösstenStudien mit einer Intention-to-treat-Analyse anschaut, fin-

Rheumatologie

Schmerzmittel, Injektionen, Nahrungsergänzungsmittel oderPlazebo?

Medikamente bei Arthrose

Bei Arthrose ist der Nutzen von Analgetika und intraartikulären Steroidinfiltrationen un-

umstritten. Anders sieht es für weitere Substanzen aus. An einem State-of-the-Art-

Symposium fasste Michael Doherty zusammen, was heutzutage als medikamentöse Behand-

lung bei Arthrose empfohlen wird.

B

*EULAR: European League Against Rheumatism; OARSI: OsteoarthritisResearch Society International; NICE: National Institute for Health andClinical Excellence (UK)

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det sich überhaupt keine gute Evidenz für eine Wirksam-keit», sagte Doherty. Konsequenterweise werden sie inden NICE-Richtlinien ausdrücklich nicht empfohlen. Soweit gehen die EULAR- und OARSI-Richtlinien nicht. Sieempfehlen Hyaluronsäure zwar nicht, raten aber auchnicht explizit davon ab.

Widersprüchlich: Glukosamin- undChondroitinsulfatpräparate

Die Datenlage für Glukosamin- und Chondroitinsulfatprä-parate ist sehr heterogen. In einigen randomisierten Stu-dien findet sich eine Wirksamkeit, in anderen nicht. Einekürzlich publizierte Metaanalyse habe zwar eine Effekt-grösse von 0,35 für Glukosamin gefunden, aber die zu-grunde liegenden 15 Einzelstudien seien nicht wirklichvergleichbar gewesen, sagte Doherty. Bei Chondroitinsul-fat wurde in einer Metaanalyse aus 20 randomisiertenStudien die beeindruckend hohe Effektgrösse von 0,75 er-rechnet, aber auch hier sei die Vergleichbarkeit der Stu-dien zweifelhaft: «Wenn man die Auswertung auf grosseStudien mit einer Intention-to-treat-Analyse beschränktist die Effektgrösse nahe Null.» Es sehe so aus, als ob inder Summe nur bei den von der Industrie gesponsertenStudien ein bescheidener Effekt von Glukosamin- undChondroitinsulfatpräparaten nachweisbar sei, währendman in unabhängigen Studien keine Wirkung finde, sagteDoherty. Bis jetzt empfehle noch keine der zurzeit gültigen Richtli-nien von EULAR, OARSI und NICE weder bestimmte Medi-kamente noch OTC-Substanzen zur Beeinflussung desKrankheitsverlaufs, auch wenn einige als «disease modi-fying drugs» angepriesen würden, schreibt Doherty in sei-nem Abstract. Wie bei der Hyaluronsäure rät man aber nurin den behördlichen NICE-Richtlinien von Glukosamin-oder Chondroitinsulfatpräparaten ab, während die Fach-gesellschaften EULAR und OARSI zwar nicht zu- aber auchnicht abraten.

Auch wirksam: Plazebo

Im letzten Jahr errechnete ein Team um Michael Doherty,dass die durchschnittliche Effektgrösse bezüglich Schmer-zen und steifen Gelenken mit Plazebo bei 0,51 liege. Siestützten sich dabei auf 198 Studien mit insgesamt rund17 000 Arthrosepatienten. Suggerierte man den Patienteneine besonders wirksame Therapie, stieg die Plazebo -effektgrösse gar auf bis zu stattliche 0,7 – ein Wert, dergemeinhin als starke, spezifische Wirkung gedeutet wird.Je nach betroffenem Gelenk sei der potenzielle Plazebo-effekt aber unterschiedlich hoch. Während bei Handar-throse eine Plazeboeffektgrösse von bis zu 0,8 festge-stellt wurde, betrug diese bei der Kniearthrose 0,56 undnoch weniger bei der Arthrose des Hüftgelenks, dem amschwierigsten zu behandelnden Gelenk, so Doherty.Sollen wir uns also die Medikamente sparen und bei Ar-throse gleich auf Plazebo setzen? So schien es Doherty

nun auch wieder nicht gemeint zu haben. Sein Anliegenam Arthrosesymposium war vielmehr, einerseits auf denpotenziell starken Plazeboeinfluss bei Arthrosestudienaufmerksam zu machen und andererseits daran zu erin-nern, wie wichtig die Begleitfaktoren bei einer Therapiesind, gerade wenn es um Schmerzen geht. So berichteteer von einer Akupunkturstudie, bei der nur 20 Prozent derPatienten von einer Linderung der Schmerzen berichteten,wenn der Therapeut während des Nadelns nicht mit ihnenredete, während es fast doppelt so viele waren (37%),wenn der Therapeut mit ihnen gesprochen hatte.

Renate Bonifer

Quelle:State-of-the-Art / Best Practice Symposium «Osteoarthritis», Vortragund Abstract SP0040 von Michael Doherty: Update on pharmacologi-cal treatment of OA. EULAR Kongress Kopenhagen, 11. Juni 2009

19Rheumatologie

Info

Effect sizeDie so genannte Effektgrösse wird aus der Differenz zwischenAusgangs- und Endwert eines Parameters in einer Studie (z.B.Schmerzreduktion) und der Standardabweichung errechnet. Beider Arthrose geht man von folgender Bewertung der Effektgrös-sen aus:bis 0,2 entspricht natürlichem Verlauf0,2 bis 0,5 moderater spezifischer Effekt0,7 bis 1 starker spezifischer Effekt

Der Plazeboeffekt erreicht in der Regel bis 0,3 Punkte, höhereWerte können vorkommen.

Michael Doherty (links) löste mit seinem Vortrag am EULAR einige Dis-kussionen aus.

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ei rund 30 Prozent aller über 65-Jährigen findensich radiologische Anzeichen einer Arthrose und ein Drittel davon leidet unter entsprechenden Sympto-

men», bezifferte Professor Burkhard F. Leeb, Landes -klinikum Stockerau, Österreich, das Ausmass der Arthrose -problematik in den westlichen Industrieländern. Amhäufigsten ist die Arthrose des Kniegelenks. Die Knie ge-lenkarthrose ist darum auch diejenige Arthrosemanifesta-tion, zu der die meisten Studiendaten vorliegen, währenddie Arthrose der Fingergelenke – gemessen an den verfüg -baren Publikationen – zu den «vergessenen Krankheiten»zu zählen scheint. Die derzeit gültigen EULAR-Empfehlun-gen zur Therapie der Kniegelenkarthrose sind sechs Jahrealt. Hier erscheine eine Aktualisierung angesichts kürzlichpublizierter Studien angebracht, sagte Burkhard Leeb. DieTherapieempfehlungen bei Hüftarthrose seien jedochnach wie vor auf dem neuesten Stand, während bei derFingergelenkarthrose aufgrund der sehr dürftigen Daten-lage noch keine Aktualisierung möglich sei.Für Professor André Kahan, Cochin Hospital Paris, standausser Frage, dass eine Aktualisierung der EULAR-Richt -linien notwendig sei: «Es ist an der Zeit, insbesondere dieRichtlinien für die Behandlung der Kniegelenkarthrose zuändern», forderte er in Kopenhagen. Wegen seiner klarstrukturerhaltenden Wirkung sei Chondroitinsulfat hierdas Medikament der Wahl, meinte der Erstautor der kürz-lich publizierten STOPP-Studie (Study on OsteoarthritisProgression Prevention) (1). André Kahan begründeteseine Forderung nicht nur mit seiner eigenen Studie. Erpräsentierte in Kopenhagen eine Metaanalyse von PD Dr.Daniel Übelhart, Zürich, und Professor Florent De Vathair,Paris, in welcher die Rohdaten aus zehn randomisierten,plazebokontrollierten Studien zur Kniegelenkarthrose mithochreinem Chondroitinsulfat berücksichtigt wurden.Übelhart und De Vathair errechneten die Effektgrössen derWirksamkeit von Chondroitinsulfat («effect size») bezüg-lich der Symptomatik anhand der Schmerzabnahme nachdrei und/oder sechs Monaten sowie der strukturellen Wir-

kung anhand der radiologischen Gelenkspaltveränderungnach 12 und/oder 24 Monaten. Bei der Arthrose sprichtman ab einer Effektgrösse von 0,8 von einem grossen the-rapeutischen Effekt (≥ 0,5: moderat; ≤ 0,2: klein). Die Ef-fektgrösse bezüglich der Schmerzlinderung nach drei Mo-naten betrug für Chondroitinsulfat 0,43 (95%-KI: 0,23–0,63), nach sechs Monaten waren es 0,66 (95%-KI: 0,37–0,95). Die Effektgrösse für die strukturerhaltende Wir-kung, das heisst das Aufhalten der Gelenkspaltverengung,betrug -0,32 (95%-KI: -0,44 bis -0,20); die Progressionder Gelenkspaltverengung war mit Chondroitinsulfat alsogeringer als ohne.

Datenqualität und Erfassungszeiträume

André Kahan betonte, dass dieser Metaanalyse die Roh-daten der einzelnen Studien zugrunde gelegt wurden. Fürdie Bewertung der Wirksamkeit von Medikamenten inAthrosestudien sei es gleichermassen wichtig, den Zeit-rahmen für die Erfassung symptomatischer und struktu-reller Effekte richtig zu wählen. Allfällige Veränderungenstruktureller Parameter, wie die Entwicklung des Gelenk-spalts, werden erst nach vielen Monaten deutlich, sodassdiese erst nach zwei bis drei Jahren ausgewertet werdensollten. Anders sieht es bei den Symptomen aus:«Schmerz sollte man nur in den ersten sechs Monaten be-trachten, auch in Langzeitstudien. Später ist das nichtmehr sinnvoll», sagte Kahan und begründete dieses Zeit-fenster mit dem natürlichen fluktuierenden Verlauf der Ar-throsesymptomatik und seinen Erfahrungen aus derSTOPP-Studie. Hier war nach zwölf Monaten kein Unter-schied mehr bezüglich den Schmerzen zwischen Plazebo-und Chondroitinsulfatgruppe messbar gewesen. Mansollte für die Zukunft neben den therapeutischen EULAR-Empfehlungen auch Richtlinien für die Erfassung thera-peutischer Effekte in Arthrosestudien erarbeiten, schlugKahan vor.

Aktualisierung der EULAR-Empfehlungen gefordert

Chondroitinsulfat bei Kniegelenkarthrose

Die EULAR-Empfehlungen zur Behandlung von Arthrosepatienten sind einige Jahre alt. An

einem Satellitensymposium der Firma IBSA anlässlich des EULAR-Kongresses in Kopenhagen

ging es um die Frage, inwieweit diese Empfehlungen aufgrund neuer Studien einer Aktuali-

sierung bedürfen.

B

Rheumatologie

SONDERREPORT

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STOPP-Studie: Profitieren nurPatienten mit höherem BMI?

In die STOPP-Studie wurden insgesamt 622 Kniegelenk -arthrosepatienten (313 Plazebo, 309 mit 800 mg/TagChondroitinsulfat) im Alter zwischen 45 und 80 Jahren ein-geschlossen, die zum Zeitpunkt des Studienbeginns einenVAS-Schmerzwert von mindestens 30 Millimeter angaben;ausgeschlossen wurden Patienten mit schwerer Kniege-lenkarthrose (Kellgren/Lawrence Grad 4). Bei Studienbe-ginn sowie nach 12, 18 und 24 Monaten erfolgten Rönt-genaufnahmen der Knie. Diese Aufnahmen wurdenanonymisiert von zwei unabhängigen Gutachtern bewer-tet, wobei sich eine sehr gute Übereinstimmung ergab.Primärer Endpunkt war die Verringerung der Gelenkspalt-weite. Nach zwei Jahren war die Abnahme der Gelenkspaltweitein der Chondroitinsulfatgruppe statistisch signifikant ge-ringer als in der Plazebogruppe (-0,07 vs. -0,31 mm). DerAnteil der progredienten Patienten (Abnahme der mini-malen Gelenkspaltweite um ≥ 0,25 mm) mit Chondroitin-sulfat betrug 28 Prozent und in der Plazebogruppe 41 Pro-zent. Dies entspricht einer relativen Risikoreduktion von33 Prozent (95%-KI: 16–46%) und einer «number neededto treat» (NNT) von 8. Statistisch betrachtet müssen dem-nach acht Patienten mit Chondro itinsulfat behandelt wer-den, um bei einem von ihnen die radiologisch messbareProgression von ≥ 0,25 mm Abnahme der Gelenkspalt-weite zu verhindern. Auch bei einer strengeren Definitonder Progression (Abnahme der minimalen Gelenkspalt-weite um ≥ 0,5 mm) zeigte sich noch ein Vorteil für Chon-droitinsulfat (13% vs. 27%).Der BMI war der einzige patientenrelevante Faktor, der so-wohl die symptomatische wie die strukturelle Entwicklungbeeinflusste, sagte André Kahan. Bei schlanken Arthrose-patienten (BMI 20–25) zeigte sich kein wesentlicher Un-terschied zwischen Plazebo- und Verumpatienten, wäh-rend dieser bei einem BMI von 25 bis 30 und darüberdeutlich wurde.

Topische, systemische undintraartikuläre Medikamente

Professor Jean-Pierre Pelletier, Universität Montreal, be-stätigte, dass Chondroitinsulfat mittlerweile zu den soge-nannten «disease modifying drugs» gegen Arthrose(DMOAD) gezählt werde. Es gebe zwar eine Reihe von Medikamenten, die ihre Wirksamkeit hinsichtlich einerVerzögerung der Arthroseprogression, insbesondere beiKniegelenkarthrose, unter Beweis gestellt hätten. Diemeisten Studien und Beweise für einen DMOAD-Effektgebe es aber für Chondroitinsulfat und Glukosamin, sagteer, wobei das Chondroitinsulfat sich nicht nur bei Arthroseder Knie-, sondern auch der Fingergelenke bewährt habe.Die Wirtschaftswissenschaftlerin Professor Rosanna Tarri-cone vom Centre of Research on Health and Social CareManagement CERGAS an der Bocconi Universität Mailand

präsentierte auf dem Satellitensymposium ein weiteres Ar-gument für den Gebrauch von Chondroitinsulfat. Nach ih-ren Modellrechungen wären grosse Einsparungen mög-lich, wenn Arthrosepatienten diese Substanz anstelle vonNSAID einnehmen würden.Breiter ist die Palette der symptomatisch wirksamen Ar-throsemedikamente. Jean-Pierre Pelletier nannte nebenden sogenannten SYSADOA (symptomatic slow actingdrug in osteoarthritis) Chondroitinsulfat, Glukosamin -sulfat, Diacerin und ASU (Avocado-Soja-Ölextrakt) dieschmerz- beziehungsweise entzündungshemmenden Me-dikamente Paracetamol, NSAID und Opioide. Für topischeNSAID wie diclofenachaltige Pflaster, Salben und Gelespräche zum einen die verminderte systemische Exposi-tion, ein geringeres Risiko unerwünschter Neben- undWechselwirkungen sowie die Tatsache, dass topische undorale NSAID eine ähnliche Wirksamkeit bei Arthrose hät-ten. Pelletier riet zu einem vernünftigen Gebrauch in-traartikulärer Injektionen bei Patienten mit Gelenkergüs-sen und/oder Anzeichen einer Entzündung: «WährendKortikosteroide eine rasche Schmerzlinderung bewirken,die nach etwa vier bis zwölf Wochen wieder abnimmt,setzt die Wirkung von Hyaluronsäure verzögert ein undhält dafür länger an.» Ein Vergleich (2) zwischen Hyalu-ronsäure und Hylan, einem Hyaluronsäurederivat mit hö-herem Molekular gewicht, hatte vor zwei Jahren ergeben,dass beide Präparate etwa gleich wirken, bei Hylan jedochmit einer höheren Nebenwirkungsrate gerechnet werdenmüsse, berichtete Pelletier.

Renate Bonifer

Quelle:

Satellitensymposium «Structure modification in osteoarthritis: Time toupdate the guidelines», Sponsoren IBSA und Laboratoires Genévriere,EULAR Kopenhagen 11. Juni 2009

Interessenlage:

Der Bericht wurde von IBSA, Institut Biochimique SA, finanziell unter-stützt.

Literaturhinweise:

1. Kahan A. et al.: Long-term effects of chondroitins 4 and 6 sulfate onknee osteoarthritis. The study on osteoarthritis progression preven-tion, a two-year, randomized, double-blind, placebo-controlled trial.Arthritis Rheum 2009; 60: 524–533.

2. Reichenbach S. et al.: Hylan versus hyaluronic acid for osteoarthri-tis of the knee: a systematic review and meta-analysis. Arthritis Rheum2007; 57: 1410–1418.

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SONDERREPORT

Rheumatologie