Upload
others
View
1
Download
0
Embed Size (px)
Citation preview
1
Sonntag, 30. Juni 2013 (20:05-21:00 Uhr) KW 26
Deutschlandfunk - Musik & Information
FREISTIL
„Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen“
Erkundungen zwischen Recht und Unrecht
Von Uta Rüenauver
Redaktion: Klaus Pilger
Produktion: Deutschlandfunk 2010
Urheberrechtlicher Hinweis
Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt und darf vom Empfänger ausschließlich zu rein privaten Zwecken genutzt werden. Die Vervielfältigung, Verbreitung oder sonstige Nutzung, die über den in §§ 44a bis 63a Urheberrechtsgesetz geregelten Umfang hinausgeht, ist unzulässig.
©
- ggf. unkorrigiertes Exemplar
2
M a n u s k r i p t
----------------------------------------------------------------------------------------------------------
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“,
Anfangstakte nur ganz kurz, ohne Gesang)
O-Ton 1
Man hat mir erst die Autoreifen zerstochen, dat Auto abgebrannt, mich mit ner
Waffe bedroht und wie ich dann nach nem knappen Jahr wieder (..) auf dem
Anrufbeantworter (...) hatte, dass mein Auto (..) in Flammen aufgehen müsste,
da (…) hat ich keine Lust mehr, da bin ich denn sauer geworden. (..) Da ist
dann mehr oder weniger allet hochgekommen (...) was sich das ganze Jahr
praktisch aufgestaut hatte und (..) da hab ich dann, wollt ich mich also (..)
rächen, wenn man so will.
Atmo Gewitter
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“, Take 1, ab
00:05 nur Titelzeile, über Gewitter legen
O-Ton 2 (Bongardt)
Da gibt es einen Vers aus Psalmen, der sehr gern zitiert und sehr gern
missverstanden wird, der lautet entweder Gott in den Mund gelegt: „Mein ist
die Rache, spricht der Herr“ oder vom Beter ausgesprochen: „Dein ist die
Rache“.
Atmo Gewitter
Atmo (über Gewitter „Erbarmungslos“)
„Heut bring ich sie um (...) für den Tod von Let.“ Schritte, Donner, Gewehr
wird geladen.
3
Atmo („Erbarmungslos“)
Glas zerschlägt, Schüsse. „Er hat den Tod verdient, er hat ihn verdient für das,
was er getan hat.“
Atmo ( aus „Erbarmungslos“, 00:05:01)
Schießerei
Atmo (über Schießerei, „Erbarmungslos“, 00.00:58)
„Das ist nicht fair, (...) das ist nicht fair.“
Atmo („Zorro“)
„Zorro ist das Volk, Zorro ist die Gerechtigkeit!“
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
„Auge um Auge, Zahn um Zahn.“
Atmo (am Ende nur noch Gewitter)
Schießerei, Gewitter
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“)
O-Ton 3 (Passanten, über Musik)
Nee, so wat auf keinen Fall, was mit Brutalität zu tun hat oder so.
O-Ton 4 (Passanten, über Musik)
Jeder hat sich doch mal gerächt, oder? Ich denke, Rache ist alltäglich, denk ich
mal. Immer Auge um Auge wa. (…)
Atmo
Sirren, Lasergeräusch
Zitator (über Atmo legen)
Der Fluch der Atriden.
4
Sprecherin
Griechenland in der Antike. Die Götter verlangen Rache für das Vergießen von
Blut. Kriege werden deshalb geführt, zwischen Ländern, Sippen, Familien,
Brüdern. Agamemnon, Herrscher von Mykene, der sich schon mehrfach blutig
für den Mord an seinem Vater, König Atreus, an der Familie des Täters, gerächt
hat, befindet sich im Krieg gegen Troja. Um die Götter günstig zu stimmen,
opfert er auf Geheiß des Sehers Kalchas seine Tochter Iphigenie. Dafür hasst
ihn seine Frau Klytaimestra und sinnt auf Rache.
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“, über
vorigen O-Ton legen)
O-Ton 5 (Passanten, über Musik legen)
Also nen Killertrupp würden wir jetzt nicht auf jemanden hetzen, aber (...) alles,
was noch im Bereich einigermaßen des Legalen ist, find ich schon in Ordnung.
Musik (hochziehen)
Atmo Donner
O-Ton 6 (Kriener)
Ich glaub, dass Rache ja auch immer (...), dass man als Strafender auch auftritt.
Also irgendwie enthält das auch so ne Überhöhung, also (..) man wird
gewissermaßen auch zum strafenden Gott, der (..) Gerechtigkeit
wiederherstellt auf dieser Welt. (...) Es hat auch immer was von so ner kleinen
Vergöttlichung.
Atmo (aus “Erbarmungslos”)
Gewitter, Gewehr wird geladen.
Musik („Der Hölle Rache“)
Zitator (über Musik)
Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen.
5
Erkundungen zwischen Recht und Unrecht.
Von Uta Rüenauver.
Musik („Spiel mir das Lied vom Tod“, aus “The very best of Ennio Morricone)
O-Ton 7 (Passanten)
Ich räch’ mich immer, Rache ist süß.
O-Ton 8 (Passanten, über Musik lagen)
Rache ist ja was Schlechtes. (...) Warum sollte man Rache empfinden? (...) Soll
einem selber so wat angetan werden?
Musik (hochziehen)
Sprecherin
Klytaimestra glaubt sich im Recht und Einvernehmen mit den Göttern und
erschlägt ihren Gatten Agamemnon nach dessen Rückkehr aus Troja. Ihr
Geliebter Aigisthos, der Mörder von Agamemnons Vater Atreus, steht ihr bei
der Rache zur Seite und besteigt anschließend den Thron.
Atmo Sirren
Sprecherin (über Atmo legen)
Orest, der einzige Sohn von Agamemnon und Klytaimestra, wächst heran, und
als er ein Mann ist, rächt er im Auftrag des Gottes Apoll des Vaters Tod und
erschlägt seine Mutter und Aigisthos. Nun wird der Muttermörder von den
Rachegöttinnen, den Erinnyen, verfolgt und in den Wahnsinn getrieben.
Ruhelos irrt er durch die Welt.
Atmo Getuschel
O-Ton 9 (Passanten, über Atmo legen)
(...) Also, da würden wir dort hingehen, wo’s angesagt ist, vors Gericht. (…)
6
Atmo (Schüsse aus „Erbarmungslos“)
Schuss und Gegenschuss. Schrei
Musik (Ulrich Stranz, „Wergo“„nicht mehr – noch nicht“)
O-Ton 10 (Kriener, anfangs über Musik legen)
Also die Ausmaße sind sicher von Mensch zu Mensch sehr unterschiedlich,
aber den Impuls, glaube ich, (...) hat jeder Mensch, und das ist ja auch nicht
nur ne (..) rein persönliche Sache, sondern das ist ja auch in ganzen Kulturen
überliefert, und diese Blutrache. Und es findet natürlich auch auf politischer
Ebene statt, ja, bis hin zum Genozid, also...
O-Ton 11 (Martina Fischer)
(...) Ein gutes Beispiel für nen Rachefeldzug ist (...) die Kriegserklärung an
Afghanistan nach dem 11. September (..) 2001. (..) Da haben wir’s ja eigentlich
zu tun mit einem Krieg (..) international erklärt (...) mit diesem Etikett (..) der
Verfolgung von Terrorismus und der Eindämmung von internationalem
Terrorismus. (...) Auf der anderen Seite (..) war’s aber auch ein
Vergeltungsfeldzug in dem Sinne, dass die amerikanische (..) Regierung auch
unter dem Druck stand zu zeigen, wir lassen uns das nicht gefallen, wir
schlagen zurück.
Atmo (Internet)
Anfangsmusik von Internet-Video von Welt-TV, dann Getuschel)
Zitator (über Getuschel legen. Zitator und Zitatorin im Nachrichtenstil
abwechselnd von links und rechts, auch überlappend, als Gewisper unter die
dann folgenden O-Töne legen, evtl. kürzen)
Rache für Bombardierung
Zitatorin
Schreckliche Rache: Drogenmafia schlachtet Familie von Soldat ab
7
Zitator
Rache am Ex: Die Wut des Herzens
Zitatorin
Lyon: Zwölfjähriger aus Rache erschossen
Zitator
US-Militär im Jemen: Al Kaida schwört Rache
Zitatorin
Rockerprozess im Namen der Rache
Zitator
Mutmaßlicher Täter rief „Rache“ und „Blut“
Zitatorin
41-Jähriger will aus Rache seine drei Kinder ermorden
Zitator
Junge zerkratzte Auto aus Rache
Zitatorin
Anschläge auf Hamburger Polizei. Vermummte wollen Rache
Zitator
Amoklauf in Winneden: Rache an der ganzen Welt
Musik (“Music of Takemitsu”)
O-Ton 12 (Bylow)
Rache ist ein ganz subjektiver, persönlicher Akt, um den andern zu treffen und
zu verletzen als Reaktion auf eine Kränkung, egal, ob die nun wirklich
stattgefunden hat oder ob die nur so empfunden worden ist. (..) Ich glaub (..),
das Motiv der Rache ist das der Genugtuung.
8
Zitator, Zitatorin, Sprecherin (gemeinsam, bilden Chor, über Atmo legen)
Ist es Satzung ja, dass des Mordbluts Strom ...
Musik („Spiel mir das Lied vom Tod”, aus „The very best of Ennio Morricone“)
Atmo („Kill Bill 1“, über Musik legen)
“Du hast allen Grund, es mir heimzuzahlen.”
O-Ton 13 (Macho)
Ja, ich hab (..), als ich über das Thema nachgedacht hab (..), vor allem die
Alliteration im Ohr gehabt zwischen Rache und Recht. (...) Rache ist in der
Regel etwas (..) , was nicht mit Affekt oder nicht primär jedenfalls mit Affekt zu
tun hat, sondern mit Planung. (..) Rache muss kalt, kühl genossen werden,
nicht sozusagen (...) in der hitzigen Reaktion auf eine Untat, die einem
zugefügt wird oder auf ein Unrecht (...). Und das verweist schon auch auf
etwas, was mit Rache zusammenhängt, nämlich eine bestimmte Idee von
Symmetrie. Das heißt, (..) man rächt sich, indem man etwas, zum Beispiel ein
Vielfaches des Erlittenem zurückgibt, Vergeltung.
Atmo Schritte, Gewehr wird geladen
Musik („Für eine Handvoll Dollar“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
O-Ton 14 (Kriener)
Du fährst mit jemand anderen zusammen an die Parklücke, und dann nimmt
der dir den Parkplatz weg und da komm natürlich die Idee, (..) dem stech ich
jetzt die Reifen auf, und umgekehrt ist es mir auch schon passiert, dass mir
Reifen durchstochen worden sind. (...) Das ist der Klassiker gewissermaßen der
Rache
Musik („Für eine Handvoll Dollar“, aus „The very best of Ennio Morricone“,
des vorigen O-Tons unterlegen)
9
O-Ton 17 (Ates)
(...) Einer Person, der etwas angetan wurde, die fühlt sich ja in der Regel in
ihrem Recht auf irgendetwas verletzt. Und das heißt dann, wenn du mir etwas
antust, mir mein Recht nimmst oder meine Rechte verletzt, dann tu ich dir
auch was an und ich habe das Recht dazu.
Musik („Für eine Handvoll Dollar“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
O-Ton 18 (Moufao, 003, 00:14)
Ich komme aus sehr, sehr kleinen Dorf in Kamerun (...) und da haben man
schon als Kind schon gewissen Erziehung, der Rache (...) verbietet. (..)
Rache wird bei uns als Gewalt betrachtet. Auch wenn das manchmal als
berechtigte Gewalt verstehen wird, wird bei uns einfach als (..) Gewalt bewertet.
Musik (Steve Reich, „Triple Quartet“)
O-Ton 19 (Passanten über Musik legen)
Ja, Gleiches mit Gleichem.
O-Ton 20 (Passanten)
(Frau:) Man fühlt sich ne gewisse Zeit besser, auf jeden Fall. (Mann:) Und
wenn man kein schlechtes Gewissen hat, find ich’s gut.
Atmo (“Kill Bill 1”)
“Du weißt, dass wir noch ne offene Rechnung haben, OK?“
Musik („ Der Hölle Rache“, nur Anfang)
O-Ton 21 (Passanten)
Ich kann mir vorstellen, ich bin 20 Jahre verheiratet, (...) und wenn mein Mann,
der heute 60 ist und ich bin knapp über 50 und wenn der sich auf einmal so ne
20-, 25-, 30-Jährige nehmen würde, dann würd ich mir auch wat einfallen
lassen.
10
O-Ton 22 (Macho)
Wenn wir den Begriff Rache ins Spiel bringen, dann ist eben schon diese Idee
von (...) Planung, von Rechtsform, von Tauschhandlung mit im Spiel.
Musik („Kill Bill 1“ „Bang Bang“, Anfang)
O-Ton 23 (Erica Fischer)
Ich hatte eine Geschichte, das sind immer wieder dieselben
Männergeschichten, (..) einer, der auch nicht mit mir sprechen wollte und (..)
an dem hab ich mich wie folgt gerächt: Ich habe sein Auto in der Nacht mit lila
Farbe besprüht, also das war in der feministischen Hochzeit, ja, in den 70er
Jahren, und da auch noch was draufgeschrieben, (..) ich hab so nen
Männerzeichen mit so einem runterfallenden Pfeil gemalt, wie wir das damals
eben gemacht haben und irgendwas draufgeschrieben (...), irgendein Slogan,
einen feministischen. (..) Und hab sehr genossen die Vorstellung, wie er (..)
dreinschauen wird, wenn er das in der Früh, wenn er zu seinem Auto kommt,
wenn er das dann sieht, ja.
Musik („Kill Bill 1“, Take 1, „Bang Bang“, Refrain)
O-Ton 25 (Lindstedt)
Basierend auf einer Art Enttäuschung und (..) einem Grundgefühl von
Opfersein oder (..) ins Unrechtgestelltsein oder übervorteilt worden zu sein (..)
und auf diese Situationen reagiert man in der Regel in irgendeiner Art mit
Gegenimpulsen, die innerlich Entlastung bringen sollen. Das muss nicht Rache
sein. Das kann Verständnis sein für den andern oder für die Situation. (..) Das
kann auch der Impuls oder der Wunsch sein, irgendwie Ausgleich zu schaffen.
Musik („Kill Bill 1“, Take 1, „Bang Bang“, von Refrain nur “Bang Bang”)
O-Ton 26 (Kriener, über Musik lagen)
Ich hab gelernt, dass (..) Racheüben, Heimzahlen auch nen Akt von
Selbstbehauptung ist.
11
Atmo („Erbarmungslos“) Gewehr laden, Schuss und Schreie
O-Ton 27 (Erica Fischer)
Es ging (...) darum, mein Selbstwertgefühl und (..) meinen Druck irgendwie zu
lösen, also ein Ventil zu finden, um mich selbst besser zu finden. Dass ich auch
gehandelt habe, nicht, dass ich nicht passiv (..) Opfer von diesen Männern war,
sondern dass es in meiner Macht stand, auch eine Aktion zu setzen.
Atmo Schuss, Gegenschuss
Musik („Kill Bill 1“ “Bang Bang”)
O-Ton 28
Ich hatte nen Bekannten (..) Bescheid gesagt. Ich sage, hör zu, so und so. Ick
helf dir. Weil (..) ich wusste, der ist immer zu zweit unterwegs. Und (...) dann
hatten wir abgewartet und tatsächlich mitten in der Nacht kam er dann und (..)
den anderen kannte er nicht, weil der vorher noch nie zu sehen gewesen ist.
Und (..) der hat ihn dann zur Rede gestellt und dann artete das in ne Prügelei
aus. Ich bin dazu und (...) die Türe, die hatte er verriegelt, die Beifahrertüre. Ich
konnte also nicht rein und ich hab dann mit dem Messer versucht, das Ding
aufzuhebeln (..) und irgendwann war die Tür offen. Und (...)dann hab ich auch
mit zugeschlagen und hab vergessen, das Messer aus der Hand zu legen, ja.
Atmo Sirren
Musik („Die Todesmelodie“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
O-Ton 29 (Macho)
Dass wenn jemand ein Unrecht geschieht oder bzw. übel mitgespielt wird, (...)
das Bedürfnis entsteht, sozusagen dadrauf zu reagieren, das könnte man
sagen, ist eine Konstante. Aber wie diese Reaktion dann aussieht, das ist eben
grad nicht konstant, sondern historischen Wandlungsprozessen unterworfen.
Musik („Die Todesmelodie“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
12
O-Ton 30 (Rüping)
Und die erste spontane Reaktion wird mich die ganze Zeit begleiten, aber das
enthebt mich nicht davon, dieses Rachebedürfnis staatlich kanalisiert sein zu
lassen. (…) Ich kann nicht als Privatmann mich mit nem Kleinkalibergewehr
dann auf die Selbstjustiz machen, das ist keine Lösung.
O-Ton 31 (Erica Fischer)
… auch wirklich ein Ausdruck (...) von Hilflosigkeit, also wenn man keinen
anderen Ausweg weiß, wenn man nicht in Besitz der Macht ist. Ja, jemand der
mächtig ist (..) hat das nicht nötig, ja, da kommt’s gar nicht soweit.
O-Ton 32
Vier Stichverletzungen, aber wie gesagt (…) er hat überlebt, er hat auch keine
(..) bleibenden Schäden davongetragen, nicht, aber daraus wollte man mir
versuchten Totschlag machen. Dazu muss man allerdings wissen, ich hatte
auch (...), weil er mich mit ner Waffe schon mal bedroht hatte, selbst eine
besorgt und ich hatte die dabei.
Atmo Gewitter
Zitator, Zitatorin, Sprecherin (gemeinsam, bilden Chor, evtl. mit Hall)
Ist es Satzung ja, dass des Mordbluts Strom,
Vergossen zur Erd, aufs neue verlangt
Nach Blut. Ruft doch Mord die Erinys auf,
Die zur Blutschuld an vordem Gemordeten führt
Immer wieder herbei neue Blutschuld.
Musik (“Der Hölle Rache“)
Atmo („Ruf nach Vergeltung“ über Musik legen )
„Ich habe eine riesige Verwandtschaft und die erwartet ein gewisses Maß an
Gerechtigkeit für diesen Tod.“
Atmo Sirren, Getuschel
13
Sprecherin (über Atmo legen)
Orest, der Rächer des Vatermordes, Orest, der Muttermörder. Die Blutschuld
treibt ihn durch die Welt, wahnsinnig. Die Erinnyen jagen ihn, rufen nach
Rache. Orest stellt sich dem Gerichtshof unter dem Vorsitz der Pallas Athene,
der Tochter der Zeus. Die Erinnyen klagen ihn an, Apoll verteidigt ihn. Durch
die entscheidende Stimme der Pallas Athene wird Orest schließlich
freigesprochen.
O-Ton 33 (Birkhoff)
Also die Kulturleistung, die zivilisatorische Leistung, die wir haben, ist eben die
Gewaltenteilung. Die ist Abgabe des eigenen Rechts auf Vergeltung (..) an den
Staat. Das ist eine ganz große Kulturleistung, die es schafft, Rechtfrieden
herzustellen.
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
„Ich schwöre dir, wir finden Garretts Mörder und dann bringen wir ihn vor
Gericht und sie werden ihn wegen Mordes verurteilen. – Verdammt Mann, er
war unser Bruder. – Leben um Leben. Amen.“
Musik (“Allein gegen die Mafia”, aus „The very best of Ennio Morricone“)
O-Ton 34 (Plath über Musik)
Unter Rache verstehe ich (..) uralte Stammesfehden (..), die sogenannte
Blutrache, die ja heute auch noch stattfindet (..), aber in unserer Gesellschaft,
in unseren christlichen Abendland gibt es diese Rache in diesem Sinne, wie sie
früher abgehalten wurde (...), ja nicht mehr. Ich würde Rache heute anders
bezeichnen, also wenn man mir sehr nahe tritt und mich sehr verletzt, dann
würde ich mich zur Wehr setzen, aber ich würde mich nicht so zur Wehr
setzen, dass ich jemand verletze oder (..) dass ich ihn umbringen würde. Das
würde ich auf keinen Fall tun.
O-Ton 35 (Cantarella)
The greek philosophers (..) were the first in the western world to think about it.
14
Zitatorin (over-voice nach “greek philosophers”)
Die griechischen Philosophen waren die Ersten in der westlichen Welt, die
darüber nachgedacht haben.
Atmo Schritte. Gewehr wird geladen
O-Ton 36
Das Gericht hatte mich verurteilt wegen versuchten Totschlags und wegen
Erwerbs und Besitzens einer automatischen Selbstladewaffe zu einer
Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren. (..) Da steht natürlich mit drinne (..)
wieso weshalb warum det eben (..) passiert ist, (..) dass das eben (..) mehr
oder weniger auf Rache eben basierte.
Atmo Polizeisirenen
O-Ton 37 (Rüping)
Rache erscheint in zwei Aspekten heute. Sie ist einmal die Urform der Reaktion
auf eine Verletzung, solange es noch keine staatlich organisierte Strafjustiz gibt
und deshalb wir auf die Selbsthilfe angewiesen sind, um einen Ausgleich zu
erhalten. Und Rache ist heute negativ besetzt, indem, um nur einen
Anlehnungsfall zu nennen, die Tötung eines anderen Menschen aus Rachsucht
ist ein Mordmerkmal und stigmatisiert den Betroffenen.
Atmo Polizeisirene
O-Ton 38
Man hat mir Selbstjustiz vorgeworfen, weil ich (...) geplant, ich hatte (..)
geplant, (..) das ist jetzt nicht aus dem Affekt (..) gekommen.
O-Ton 39 (Lindstedt)
Ich glaube, in Ansätzen kennt das jeder. (...) Also nen Racheimpuls zu haben
oder ne Rachefantasie zu haben, heißt ja nicht gleich zu handeln, sondern es
ist zunächst mal eine innere Szene (..) und diese Szene kann einen stärker
bewegen oder sie ebbt einfach ab. (..) Überwiegend würd ich sagen, die
15
meisten Menschen erleben das mehr als Fantasie, als innere Szenenbilder,
starke Affekte unter Umständen, die aber unter Kontrolle von anderen
Impulsen, von anderen Gefühlen, häufig Schuld und Scham, die dagegen
stehen dann, (..) in Schach gehalten werden.
O-Ton 40 (Kriener)
(...) Als Kind war das da auch anders, da hat man wirklich seine Rachegefühle
(...) noch intensiver ausgelebt und unkontrollierter und ungehemmter. Ja, da
kann man sich schon erinnern, dass man dem einen oder andern mal
aufgelauert hat (..) und ihm den Zahn gezogen hat, ja.
Musik (Frank Martin, “Concerto for Cello and Orchestra”)
O-Ton 42 (Pape)
Ich hab das (..) mal sehr deutlich erlebt, eigentlich noch fast in der Kindheit, in
der ganz frühen Jugend, als ich in einem Reitstall, in dem ich einen kleinen Job
hatte, (...) da hab ich erlebt, wie ein namhafter Turnierreiter (...) sein Pferd
unsäglich malträtiert hatte, (...) weil das Pferd einen Wassergrabenfehler
gemacht hat. Dieser Reiter hat das Pferd unwahrscheinlich gequält nach
diesem Durchgang, also zig mal musste das diesen Wassergraben wieder
passieren, es wurde geprügelt und geprügelt, wenn es nur eine kleinen
Wasserfehler gemacht hatte. Und da war ich doch so erbost (...), dass ich am
liebsten selbst den Menschen geschlagen oder getreten hätte.
Atmo Sirren
O-Ton 43 (Passanten)
Ja mittlerweile man ist auch älter geworden, und deswegen Rache jetzt
heutzutage nicht mehr so wie früher. Früher war bisschen anders, aber jetzt ist
man älter geworden, erwachsen, und dann möchte man nicht mehr auf die
schiefe Bahn geraten. Also dann auch irgendwelche rechtliche Schritte,
Probleme kriegen oder auch mit der Strafe oder so. Deswegen benehmen wir
uns jetzt lieb und freundlich.
16
Musik („Kill Bill 2“, Original Soundtrack, “Silhouette of Doom”)
O-Ton 44 (Cantarella, über Atmo legen)
We have to think how long it was this process of controlling the private force
and controlling the sentiment of revenge that... because you know in the tribal
societies revenge was (…) a duty. You had to take revenge. If not you would be
shamed because you were not as strong. (…) It was a matter of honour.
Zitatorin (over-voice nach “private force”)
Man muss bedenken, wie lange der Prozess dauerte, bis die private Gewalt und
das Rachegefühl kontrolliert wurden. Denn in Stammesgesellschaften war
Rache eine Pflicht. Man musste sich rächen. Wenn man es nicht tat, war es
eine Schande, weil man sich nicht stark gezeigt hat. Es war eine Sache der Ehre.
Musik („Kill Bill 2“, Original Soundtrack, “Silhouette of Doom”)
O-Ton 45 (Rüping, über Musik legen)
Und solange es keine staatlich organisierte Strafjustiz gibt, blieb nur die
Selbsthilfe. Und es wäre nun historisch ungerecht zu sagen, dass man wie so
ein Raubritter gleich irgendjemand hätte erschlagen können. Rache war ein
geregelter Rechtsgang unter Privaten. Jeder lebte in der germanischen Zeit, also
etwa im 6. bis 8. nachchristlichen Jahrhundert in seinem blutsmäßigen
Sippenverband, und wenn er eine Verletzung erlitt oder getötet wurde, hatte die
Sippe das Recht, sich ein Äquivalent zu besorgen.
Musik (hochziehen)
Atmo Schüsse
O-Ton 46 (Kriener)
Die Kulturleistung besteht (..) darin, (..) die Rachegelüste zu kontrollieren und
in vernünftige Bahnen zu lenken. (..) Dann (..) muss man sich auch
irgendwann am Ohr ziehen und (...) muss sich gezielt ablenken, muss das
17
wegschieben können. (..) Und deswegen find ich’s eigentlich so ne kulturelle
Aufgabe.
Musik („Kill Bill 2“, Original Soundtrack, “Silhouette of Doom”)
O-Ton 47 (Birkhoff)
Rache als Prinzip (..) tolerieren wir nicht, wir tolerieren das nicht als rechtliche
Kategorie. Deswegen werden diese Fälle (..), bei denen es um Tötungsdelikte
geht (...), wenn Rache eine Rolle spielt (...), in der Regel als niedrige
Beweggründe im Sinne eines Mordmerkmals angesehen, und demzufolge folgt
dann auch die lebenslange Freiheitsstrafe.
O-Ton 49 (Pape)
Und dann hab ich es erlebt, dass dieser (..) dieser Tierquäler, (..) Jahre später
gestorben ist an einer schweren Krankheit. (..) Und ich war dann regelrecht
erleichtert sogar und habe eine gewisse Befriedigung empfunden, dass dieser
Mensch an der schweren Krankheit gestorben ist.
Atmo Polizeisirene
Zitator, Zitatorin, Sprecherin
Ist es Satzung ja, dass des Mordbluts Strom,
Vergossen zur Erd ...
Musik („Der Hölle Rache“)
O-Ton 50 (Bongardt)
Rache ist nicht Schuld, sondern im Verständnis vieler die Antwort auf Schuld,
die mit der Erwartung verknüpft ist, dass durch die Rache die Schuld aus der
Welt geräumt wird. Die Schuld bringt etwas in Unordnung, und die Rache stellt
Ordnung wieder her. Es wird jemand ermordet, damit fließt Blut, ungerächt
schreit dieses Blut, auch das ein biblischer Ausdruck übrigens, schreit dieses
Blut zum Himmel, und entweder muss es bedeckt werden oder es muss durch
das Blut des Täters oder der Familie des Täters, der Sippe des Täters (..)
18
heimgezahlt werden. Wenn ich jemandem etwas heimzahle, ihm also
zurückgebe, was er mir aufgebürdet hat, dann ist wieder Gleichgewicht
hergestellt.
Atmo Getuschel
O-Ton 51 (Lindstedt)
Dieses Selbstverständnis, ich bin im Recht, das kann umkippen und plötzlich
bin ich nicht mehr im Recht, sondern sehe mich als schuldig. (...) Rache (..)
aufgrund (...) einer Rechtsüberzeugung kann im nächsten Augenblick (..)
schuldhaft, schamhaft erlebt werden. Das ist quasi so, (...) als ob man die
innere Perspektive ändert (...). Und aus dieser anderen Perspektive fällt
plötzlich die Berechtigung für Rache weg, aber der Impuls ist noch da. Und
dann passiert es häufig, dass der Impuls gegen sich selbst gerichtet wird, also
selbstschädigende Handlungen dann stattfinden.
Musik („Palermo vergessen“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
O-Ton 52
Vendetta Rache, ganz einfach Rache, Vendetta, ne. (...) Wobei Vendetta an sich
immer anhaftet Blutrache, ne.
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
„Ich will den Mann, der meinen Bruder umgebracht hat.“
O-Ton 53 (Bongardt)
Von daher fühlen sich Menschen, die Rache üben, in einem ursprünglichen
Sinne gerade nicht schuldig, sondern eher als die, die Schuld aus der Welt
schaffen.
O-Ton 54
Die hab ich als (..) gerecht empfunden, richtig. (..) Da hab ich kein schlechtes
Gewissen gehabt. (..) Ich kann heute noch in den Spiegel gucken.
19
Musik („Palermo vergessen“, aus „The very best of Ennio Morricone“)
Atmo Schießerei
O-Ton 55
Irgendwann hat einer angefangen mit Blut, und Blut muss mit Blut vergolten
werden. Da gibt’s gar keine andere Regel. Es geht nicht, dass man sagt, hier ist
Blut geflossen, und da gibt’s jetzt nur ein paar Hiebe. Blut ist Blut, und Blut
wird mit Blut vergolten, das ist ne ganz klare Aussage bei der Vendetta.
O-Ton 56 (Ates)
Blutrache ist eine Sitte, eine spezielle Form von Rache, die nicht nur in
islamischen Ländern vorkommt, die durchaus auch in Südamerika bekannt ist
und auch in Ländern wie Italien, (..) im Mittelmeerraum bekannt ist, bei der
sich Familien, aufgrund von Familienfehden und teilweise können sich einzelne
Mitglieder gar nicht mehr des Ursprungs erinnern, was eigentlich passiert ist,
von Generation zu Generationen Rache üben an einem anderen Clan oder einer
anderen Familie. Blutrache eben deshalb, weil Blut fließen muss. (...) Es muss
eine andere Person getötet werden aus der anderen Familie.
Musik („Music for Takemitsu“)
Atmo Sirren
O-Ton 57 (Macho)
Die ganze Weltliteratur ist voll von Rachegeschichten. (...) Also was weiß ich,
„Hamlet“ oder die Rache für den Mord am eigenen Vater. Das sind eben oft
auch solche (..) Blutrachekonstellationen, ne, (...) die da ne Rolle spielen.(..)
Die ganzen Homerischen Epen sind natürlich auch voll von Rachegeschichten.
O-Ton 58 (Lindstedt)
Also wenn man sich mal ansieht, was sind die Hauptthemen (..) im Fernsehen,
im Kino, aber auch (...) Oper, Theater und so weiter. Was sind die
Hauptthemen?
20
O-Ton 59 (Cantarella)
And the poet Aischylos write this – we are in the 5th century b.c. – wrote this
(…) to convince his citizens that they should not take revenge. But because now
everything has changed. There is a state which did not exist before and in a
state (…) now, revenge is prohibited and there are tribunals, third, third not the
victims who decide it. (…) And so the penalty is not revenge but it is something
that gives back a suffering.
Zitatorin (over-voice nach “Aischylos”)
Der Dichter Aischylos schreibt diese schreckliche Rachegeschichte über Orest
im 5. Jahrhundert vor Christi, um die Bürger davon zu überzeugen, nicht mehr
Rache zu üben. Denn die Situation hat sich grundlegend geändert: Es gibt nun
einen Staat, den es vorher nicht gab, und in dem Staat ist Rache verboten. Es
gibt nun Gerichte, also Dritte, die entscheiden, und nicht mehr die Opfer.
Strafe ist nicht Rache, aber sie gibt ein verursachtes Leid zurück.
Musik („Spiel mir das Lied vom Tod“, kurz Mundharmonika)
O-Ton 60 (Lindstedt)
Wenn es aber um Rache geht ...
Musik („Spiel mir das Lied vom Tod“)
Sprecherin (Über Musik legen)
Und im Wilden Westen beendet die Rache die Gewalt. Der eiskalte Killer ohne
Recht und Gesetz muss erst getötet werden, bevor eine friedliche Gesellschaft
mit Recht und Gesetz entstehen kann.
O-Ton 61 (Lindstedt)
Wenn es aber um Rache geht, dann geht es meistens darum, dass das Gefühl
der (...) eigenen Entwertung oder des (..) Zurückgestellseins oder des
Übervorteiltseins, des Nichtim(..)rechtseins oder (..) kein Recht bekommen
21
haben in einer Situation, dass solche Vorstellungen, Fantasien immer stärker
werden.
Atmo Pferdegalopp, Schüsse,
O-Ton 62 (Pape)
Wobei ich nicht sagen kann, ob diese Genugtuung, wenn jemand wirklich
verletzt wurde, ob die ausreicht, ob die Verletzung da nicht vielleicht noch
größer ist als die Rache.
Musik („Spiel mir das Lied vom Tod“)
O-Ton 63 (Bylow, über Musik legen)
Also wenn ich mich an jemandem räche, der mir zum Beispiel etwas sehr
Liebes genommen hat, dann kommt (...) der Verlust ja nicht mehr zurück.
O-Ton 64
Ne (...) klassische Blutrache ist, (...) wenn eine Familie, sagen wir mal,
irgendwie (..), sagen wir mal, mein Sohn würde jetzt (..) Schaden erleiden
(...),wird überfallen oder (..) wird dann (...) umgebracht aus irgendeinem
Grund, was auch immer, (...), dann geh ich natürlich nicht und warte darauf,
dass (..) sozusagen die richterliche Gewalt da einsetzt und das verfolgt,
sondern dann nehm ich das selbst in die Hände und suche mir dann
sozusagen den Schuldigen selber.
Musik (John Carpenter „Greatest Hits”, Take 5, “Chase Across the 69th Street
Bridge”)
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
„Du bis der Mörder meines Sohnes.“ Schuss.
Musik (John Carpenter „Greatest Hits”, Take 5, “Chase Across the 69th Street
Bridge”)
22
O-Ton 65 (Lindstedt)
Dazu gehört natürlich auch ne relativ festgefügte Überzeugung, also dazu
gehört dann in aller Regel auch ein Eingebettetsein dieses Impulses in ein
inneres Konzept. Häufig sind es Wertvorstellungen, Ideologien (..), das können
politische Ideologien sein oder religiöse Vorstellungen (..), die man dann
benutzt, um diesen Impuls, den man hat, zu rechtfertigen.
Atmo Gewitter
O-Ton 66 (Pape, über Atmo legen)
Ich habe es als Eingreifen Gottes gesehen, (..), dass dieser Tierquäler (...) so
jämmerlich gestorben ist (..) und interessanterweise geht es mir heute noch so,
wenn ich daran denke, dass ich beides noch empfinde, diese Genugtuung und
auch dieses fast herrliche Gefühl, ja, Gott kann schon hier auf Erden eingreifen.
O-Ton 67 (Bongardt)
Wenn man, was für die Bibel und die Theologie selbstverständlich ist, Gott
zunächst (..) einmal als den sieht, der für die Ordnung, auch für die ethische
Ordnung der Welt nicht nur der letzte Grund ist, sondern auch der letzte
Garant ist, der also dafür sorgt, dass Böses bestraft und Gutes belohnt wird,
dass Böses vielleicht auch gerächt wird, um Ordnung wiederherzustellen ...
O-Ton 68 (Kriener)
Grad dieser alttestamentarische Gott, der ja wirklich sehr viel gestraft und
gerächt hat.
O-Ton 69 (Josefine)
Na ja, dass zum Beispiel in Geschichten, dass dann halt vielleicht die Drachen
sind und die geärgert hat und so, dass die sich dann rächen wollen und so. (..)
Also (...) die (...) Kinder, (...) die wollen dann irgendwie den dann halt ärgern,
(...) und dann in der Nacht kommt er halt, wenn die schlafen, und dann will der
sich rächen. (...) Ja, es gibt (..) Drachen, die dann zaubern können und
verwandeln die dann halt irgendwie in nen Frosch oder so.
23
Musik (“Kill Bill 1”, Original Soundtrack, Take 3, “The Grand Duel”)
O-Ton 70 (Mouafo)
Kamerun (…) ist ein sehr großes Land mit über 300 Völker. Das bedeutet
verschiedene Definition von Rache auch (...). Und was ich sage, gilt nur in dem
Dorf in Westkamerun, wo ich herkomme, was überhaupt nicht gilt 20 oder 30
Kilometer (..) nach unsere Dorfgrenze. Es ist völlig was anderes. (..) Es gibt (..)
Dörfer, wo (...) Rache muss geübt werden. (..) Und wer das nicht macht, (..) gilt
als schwach oder feige.
Atmo Schritte, Gewehr wird geladen
O-Ton 71 (über Schritte legen)
Ja, weil sie (...) sich selbst auch als Männer also des Handelns sehen und (...)
sozusagen ihre Ehre wiederherstellen wollen, indem sie sagen, ich habe das
selbst in die Hand genommen, ich habe das erledigt, (..) ich habe das
sozusagen reingewaschen. (..) Und die Ehrbarkeit wird erst wieder erlangt oder
das Ansehen (...), indem man selbst handelt und zwar richtig.
Musik(“Spiel mir das Lied vom Tod”, Anfang kurz)
Zitator, Zitatorin, Sprecherin
Ist es Satzung ja ...
O-Ton 72 (Lindstedt,)
Und diese Sehnsüchte sind natürlich in allen Menschen (..) vorhanden: Wenn
mir Unrecht getan wird, kann ich dafür sorgen, dass ich Recht erfahre. Also
nicht öffentliches Recht, sondern ... das ist ne andere Art von Recht, (...), also
letztlich Rache (..), dass ich mir das selber holen kann.
Zitator, Zitatorin, Sprecherin (gemeinsam, bilden Chor, evtl. mit Hall)
... dass des Mordbluts Strom,
Vergossen zur Erd, aufs neue verlangt
Nach Blut.
24
O-Ton 73
Weil (..) es bei uns im Haus hier einen bösen, alten Mann gibt, der mich
schikaniert, (..) verspüre ich Rache. (..) Ich muss dazu sagen, ich bin
schwerbeschädigt zu 100 Prozent, (..), ich bin halbseitig gelähmt. (..) Das fing
an, dass er mir unten an meinem Gehstock manipuliert hat, (...) so dass ich (..)
fast bei (..) der Belastung zusammengebrochen wäre. (..) Er ist ein Feind von
Behinderten.
Atmo Sirren
O-Ton 74 (Kriener, über Atmo legen)
Ja, wenn du dich wirklich sehr verletzt fühlst, dann (..) denkst du dir alles
Mögliche aus. Also ich bin auch immer wieder überrascht über (...) die eigene
sadistische Fantasie, die man da so morgens im Halbschlaf entwickelt, ja. Also,
da ist bei mir auch schon mancher Zeitgenosse zerstückelt, zerhackt und
geteert und gefedert worden.
Musik („Der Hölle Rache“, nur Anfangstakte)
O-Ton 75
Ja, man (..) vergeltet Gleiches mit Gleichem. Manchmal (..) schlagen die auch
natürlich nen bisschen über die Stränge und ...
O-Ton 76 (Bongardt)
Und eine ethische Sicht sieht nun die Rache als problematisch an und zwar
deshalb (...), weil (...) die Rache ja eigentlich nicht dazu dient Böses, schuldhaft
getanes Böses wirklich aus der Welt zu schaffen, sondern sie führt ja eher dazu,
dass das verewigt wird.
Musik (“ Der Hölle Rache”)
O-Ton 77 (Rüping, über Musik legen)
Denn im Grunde ist ein solcher privater Rechtsgang auf Endlosigkeit angelegt.
Derjenige, der nun aus der gegnerischen Sippe herangezogen wird, wird wieder
25
das Gefühl nach Rache, die von seiner Sippe ausgeht, provozieren, eine
endlose Geschichte.
O-Ton 78
Jetzt natürlich brodelt's in mir, weil ich hab versucht natürlich, wie krieg (..) ich
ihn am Haken, versucht ne Anzeige zu erstatten. (..) Es ist zwar Schikane, es ist
Mobbing, aber ich kann (..) rein rechtlich gar nicht vorgehen. (..) Wir haben
alles geprüft bei der Polizei, ich war auch noch beim Anwalt, es gibt keine
Chance, gegen diesen Mann vorzugehen. So, jetzt muss ich ihn aber irgendwie
stoppen. Wie kann man so einen Menschen stoppen, wenn's nicht rechtlich
geht?
O-Ton 79 (Kriener)
Weil man sich dann da ausdenkt, wenn ich den noch mal treffe, dann ...
Musik („Taratino Connection“, Take 4, „little green bag“)
O-Ton 81
Da müssen halt die Leute mit dem Stiernacken kommen und ihn mal in die
Luft heben vielleicht. (010, 00:29) Das sind große, kräftige Männer, (...) große,
kräftige Männer mit Glatze. (…) Die würd ich bezahlen müssen, aber ob ich
jetzt 200 Euro (..) für ne Beratung beim Rechtanwalt ausgebe, die nichts
gebracht hat (…). Dann kann ich auch die 200 Euro ausgeben für die Leute mit
dem Stiernacken.
Musik („Taratino Connection“, Take 4, „little green bag “)
O-Ton 82 (Rüping, über Musik legen)
Die Rache ist (..) in der Hand des autorisierten Staates, (..) er hat das
Gewaltmonopol.
O-Ton 83 (über Musik legen)
Da kam noch nen anderer Gedanke, ihm was mit seinem Bein anzutun, ne. Das
hab ich auch überlegt, Mensch, ich würd ihn auf die Straße legen und nen Auto
26
drüber fahren lassen. Damit er mal fühlt, wie das ist, wenn man selber nicht
mehr gehen kann.
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
Schuss, Glas zerspringt. „Den mach ich fertig.“
O-Ton 84 (Bylow, über Atmo legen)
Ich glaube, man muss bei der Rache, wenn man sich rächen will,
wahrscheinlich genau aufpassen, wie weit die gegen einen selber
zurückschlägt.
Musik („Taratino Connection“, Take 4, „little green bag“)
Atmo Pferdegalopp
O-Ton 85 (Bongardt, über Atmo legen)
Wenn Gleiches einfach mit Gleichem vergolten wird, wird diese Gleiche auch
nicht aus der Welt geschafft. Und dieser Kreislauf von Gewalt und
Gegengewalt, von Schuld und Rache ist ein Kreislauf, (...) der kann sich
natürlich ins Unendliche steigern, etwa bis zu einem regelrechten Blutrausch.
O-Ton 87 (Macho)
Und um die Eskalationsdynamik, die in so was drin liegt, um die zu begrenzen,
hat man das Tallionsrecht mal eingeführt. Und hat gesagt, etwa im alten Israel,
hat gesagt, nee nee, also „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ ist nicht sozusagen
(...) ne bösartige Racheforderung, sondern ganz im Gegenteil, ist sozusagen
der Versuch, Systeme der Blutrache, wie wir sie auch manchmal in unseren
Gesellschaften noch vorfinden, zu begrenzen.
Musik (John Carpenter, „Greatest Hits“, “Halloween Theme – Main Title”)
27
O-Ton 88 (Birkhoff)
Einer der missverstandensten Sätze überhaupt in der gesamten
Kulturgeschichte. „Aug um Aug, Zahn um Zahn“ ist schlicht ein Aufruf zur
Mäßigung und nicht ein Aufruf zur Tat.
Musik (John Carpenter, „Greatest Hits“, Take 10, “Halloween Theme – Main
Title”)
O-Ton 89 (Macho, über Musik legen)
Zu sagen: Moment, dir wurde ein Auge genommen, also nimm ein anderes,
aber nicht zehn. (..) Also für ein Auge ein anderes Auge, für einen Zahn einen
anderen Zahn, aber nicht zehn Zähne, nicht sozusagen für (..) einen Toten
zehn Tote, nicht für zwei Tote zwanzig Tote usw.
Atmo Sirren
O-Ton 90 (Ates )
In Rechtssystemen in islamischen Ländern (...) oder in sehr religiös
ausgestatteten Gesellschaften, (...) und das sind mehrheitlich ja die
islamischen Länder, in denen noch religiöse Gesetze gelten wie eben die
Scharia, (..) gibt es schon (..) Vorschriften, (..) die da besagen, „Auge um
Auge, Zahn um Zahn“. Also das Opfer hat das Recht dazu, mitzuentscheiden
darüber, was dem Täter passiert und zwar mit der Absicht, mit dem Ziel, dass
Wiedergutmachung im Sinne von Rache, Vergeltung, erfolgt.
Musik (Frank Martin, „Concerto for Cello and Orchestra“, Anfang)
O-Ton 91 (Bongardt)
(...) Man hat begonnen, ein Strafrecht zu entwickeln, (..) und dieses Strafrecht
hat in der weiteren Entwicklung mehr und mehr den Aspekt der Vergeltung und
Rache weggenommen und hat böses Tun zu bestrafen versucht, einmal in der
Hoffnung durch die Strafe eventuell zu einer Wiedergutmachung des Schadens
beizutragen, was etwa bei Geldstrafen ganz klar ist, durch Strafen zu einer
28
Besinnungsänderung und Besserung der Täter beizutragen, aber eben nicht
einfach nur Vergeltung zu üben.
O-Ton 92 (Martina Fischer)
Trotzdem (..) ist und bleibt das Ganze gestützt auf (..) diese Idee der
Vergeltung.
Musik (Frank Martin, „Concerto for Cello and Orchestra“)
O-Ton 93 (Ates)
Und da ist das Beispiel einer Iranerin (...) ganz anschaulich, die aufgrund eines
abgelehnten Heiratsantrages von dem (..) Abgelehnten mit einem (..)
Säureattentat attackiert wurde. Er hat Säure in ihr Gesicht geschmissen und sie
ist dadurch erblindet. Sie hat ihr Augenlicht verloren, Ihr gesamtes Gesicht ist
verunstaltet. Sie lebt im Iran (...). Dort sieht das Gesetz vor, dass sie das Recht
hat, darüber zu entscheiden, dass ihm auch das Augenlicht genommen wird.
(…) Von diesem Recht hat sie Gebrauch gemacht. (..) Sie will ihm beide Augen
erblinden lassen. Sie findet das auch richtig (...), sie hat das Recht dazu, weil
das Rechtssystem das vorsieht. (..) In unserem Rechtssystem gibt es das nicht,
dass ein Opfer darüber entscheidet, wenn ihm derart Schaden zugefügt wurde,
ähnlichen Schaden dem Täter zuzufügen.
Musik („The very best of Ennio Moricone“)
O-Ton 95 (Birkhoff, 007, über Musik)
Bei uns ist ein Paradigma, das unsere Gesellschaft, auch unsere christianisierte
Gesellschaft, gesetzt hat, dass wir das nicht wollen. Das ist ne gesellschaftliche
Übereinkunft.
O-Ton 97 (Bylow, 013, 00:38)
Ich erinner mich an den Fall Bachmeier zum Beispiel sehr genau, die den
Mörder ihres Kindes im Gerichtssaal erschossen hat. (..) Ich glaube, dass
damals wahrscheinlich viele gedacht haben, das war eine Frau, (..) die einfach
29
(..) ihr Liebstes verloren hat, und ich glaube, dass vor allem Mütter das
nachempfinden können, ja.
O-Ton 98 (Macho)
(..) Sie machen’s dann, wenn sie das Gefühl haben, dass (..) das Recht nicht
genügt, also (...) im Sinne dieser Symmetrievorstellungen. (...) Also zum
Beispiel jemand bringt jemanden um, und dann geht er vor Gericht, und dann
sagt das Gericht (..), du kriegst (..), was weiß ich, für diese Tat die Höchststrafe
(...). Faktisch heißt das für denjenigen, der zum Beispiel nen Angehörigen
verloren hat, nach nen paar Jahren ist der vielleicht wieder draußen. Das
empfinden viele Menschen als extrem ungerecht.
Musik („The very best of Ennio Moricone“,„Todesmelodie“)
Atmo Gewitter
O-Ton 99 (Bongardt, 03:01, über Atmo legen)
„Mein ist die Rache, spricht der Herr“ oder vom Beter ausgesprochen: „Dein ist
die Rache“. (..) Das klingt zunächst so, als sei hier nur ein fürchterlich
rächender Gott im Blick. Darum geht es nicht. (...) Wenn Rache die Sache
Gottes ist, ist es nicht mehr Sache der Menschen, in Form der Vergeltung
untereinander Ordnung zu schaffen, die dann doch immer nur wieder neue
Unordnung wird. Diese Delegation des Rechts zur Rache an Gott hat natürlich
Parallelen zu der Delegation des Rechts zur Strafe vom Einzelnen etwa an die
Gemeinschaft, an den Staat.
Atmo Donner, Schritte
Atmo Maschinengewehr
Musik (Ulrich Stranz, “Wergo”)
30
O-Ton 100 (Rüping)
Wenn Sie sich zum Herr über Leben und Tod eines anderen aufschwingen,
dass man dieses für sich beansprucht, dass man die ganze
Entwicklungsgeschichte um 2000 Jahre zurückspult und sich die Gewalt über
Leben und Tod anmaßt. Das ist das, was wir heute dogmatisch bei den
Mordmerkmalen des Paragrafen 211 des geltenden Strafgesetzbuches als einen
niedrigen Beweggrund bewerten, die Selbstanmaßung.
O-Ton 101 (Mouafo)
Wir haben (..) im Dorf (..) gewisse Regel, die schon seit Jahrhunderte existiert,
Konflikte zu lösen (...) und das war immer das Gleiche: Dialog. Man stellt die
Betroffene, der Täter und der Opfer wird konfrontiert und diskutiert. (..) Man
versucht, (...) ne einfache Lösung durch Dialog zu finden und eine
Wiedergutmachung. Wenn das nicht klappt, geht man in höhere Stufe. (...) Das
könnte der Dorfälteste, der Häuptling sein, und später bis zur Justiz. (..) Aber
man verbietet (...), dass das Opfer selbst Rache übt.
Zitator, Zitatorin, Sprecherin
Ist es Satzung, dass...
O-Ton 102 (Birkhoff)
Rache zeigt ja auch immer nen Stück der Überforderung. Natürlich (..) habe
auch ich Emotionen und auch ich denke, wenn das wäre, wenn dieses oder
jenes wäre, also dieses ständige Gefühl, dass man dann hat, wo man die Faust
in der Tasche weiß: Eigentlich würde ich gerne. Aber (..) meine (..) Sozialisation
und das Leben das eingebundene in dieses Normengefüge verhindert das
natürlich, weil ich sage, das ist im Grunde genommen auch nicht recht, denn
ich schwinge mich ja dann damit auf, mich wiederum auch über eine
Konvention, nämlich das, was die Gesellschaft von mir verlangt,
hinwegzusetzen.
Atmo („Ruf nach Vergeltung“)
Schießerei, Glas zerspringt
31
O-Ton 103 (Lindstedt)
Oder was auch sein kann, dass man (..) statt Racheimpulse
(...)Zwangsvorstellungen hat. (..) Also (..) ein Beispiel mal von einem
Patienten, der konnte keine scharfen, spitzen Gegenstände in die Hand
nehmen, (...) er meinte (..), er hätte Angst jemand zu verletzen. (..) Derjenige
wär nie auf die Idee gekommen, dass er Racheimpulse hat, die er hatte
Musik („Kill Bill 1“, Original Soundtrack, “Battle without Honor or Humanity”,
Anfang)
O-Ton 104 (Macho)
Man kann sogar darüber nachdenken, ob nicht ganz bestimmte Vorstellungen
der Religion eigentlich nur entwickelt wurden, um dieses (...) Gefühl ein Stück
weit (..) zu bekämpfen, das Gefühl nämlich, dass es doch so viele Übeltäter
gibt, die ein prima Leben haben. (..) Das verstehen die Menschen ja nicht, (..)
weil sie eben die Differenz zwischen Recht und Gerechtigkeit nicht genau
verstehen.
Atmo Gewitter, Schüsse
O-Ton 105 (Rüping)
Wir werden mit der Kluft leben müssen. (..) Eine absolute Gerechtigkeit ist der
staatlichen Justiz (...) versagt. Es bleibt immer eine säkulare Veranstaltung.
O-Ton 106 (Macho)
Und da haben sie das Gefühl, irgendwas ist falsch in unserm Rechtssystem,
weil dieser Ausgleich nicht geleistet wird, und entweder werden sie dann
religiös und sagen, na, den letzten Ausgleich macht der liebe Gott am Jüngsten
Tag und der wird dann schon sagen, „Du übler Kerl kommst ...“ ne, „ich hab
genau mitgezählt, du kommst in die Hölle oder ins Fegefeuer oder sonst
irgendwo hin“.
Musik („Kill Bill 1“, Original Soundtrack, “Battle without Honor or Humanity”,
ab Anfang, zusätzlich zu Atmo)
32
O-Ton 107 (Kriener)
Die Hölle ist gewissermaßen (..) die konsequenteste Form der Rache,
lebenslänglich sitzt du dann da unten und wirst geschmort bei
Schwefeldämpfen, vom Pferdefuß bewacht. (..) Also ne Bestrafung für das
Nichteinhalten göttlicher Gebote.
O-Ton 108 (Macho)
Wenn’s das aber nicht gibt, ist das schwer erträglich, und dann schreiten
Menschen natürlich (..) zur Rachehandlung, ne, dann versuchen sie selber den
Ausgleich herzustellen.
O-Ton 109 (Martina Fischer)
Die westliche Kultur ist noch in einer anderen Hinsicht auch von diesem
Vergeltungsgedanken durchsetzt. (...) Das gesamte industrialisierte,
militärische Abschreckungssystem, das wir während des Ost-West-
(..)Konfliktes eben beobachten konnten und auch heute weiter beobachten, ist
eben auf diesem Gedanken (..) gestützt. Es hieß ja beispielsweise auch (..)
Konzept (..) der massiven militärischen Vergeltung (..) „massive retaliation“.
O-Ton 110 (Bongardt)
Die Vorstellung, (..) dass Gott auch ein rächender Gott ist, der die Macht hätte,
die Erde zu zerstören, wenn er wollte, die ist (...) für viele (..) sehr wichtig, weil
sie sagen, wenn er diese Macht nicht hätte, wäre er ja nicht der allmächtige
Gott, an den wir glauben. Aber dass er diese Macht hat und dass er sie nutzen
könnte, ist ja nicht gleichbedeutend damit, dass er sie nutzen wird, sondern
mit diesem Konjunktiv, er könnte es, verbindet sich die Hoffnung, dass er’s
nicht tut.
O-Ton 111 (Martina Fischer)
Diese militärische Vergeltung, also die Logik der Abschreckung beruht auf
diesem Prinzip, dass der eine, wenn er angegriffen wird, dem anderen
entsprechend mit militärischen Mitteln begegnet. Natürlich ist die letzte Idee
dabei, dass am Ende keiner zuschlägt, weil man ja sich gegenseitig mit so
33
hohen Potenzialen (...) davon abzuschrecken versucht, dass zu militärischen
Mitteln gegriffen wird.
Musik/Atmo (hochziehen)
O-Ton 112 (Macho)
Diese (...) sogenannten Amokläufe von Erfurt bis Winneden oder Columbine
usw. (..) da gibt’s schon ein sehr diffuses Empfinden von (..) Rache für eine
Vielzahl von erlittenen (..) Benachteiligungen, Demütigungen und dergleichen
(..), aber es ist sozusagen keine (..) Rechtsform (..) in dieser Handlung,
sondern es ist eigentlich eher der Wunsch, sich (..) auszulöschen und dass
man dabei möglichst viele mitnimmt (..) und (...) hat (..) Ähnlichkeiten mit
dem (..), was wir (...) im Nahen Osten sofort als Selbstmordattentat
qualifizieren würden.
Atmo Schießerei, Explosion, Schreien
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“)
O-Ton 113 (Kriener)
Ich (..) bin (..) in der Wirklichkeit eben doch nen kümmerlicher Rächer (..).
Und im Bett ist eben alles erlaubt, morgens früh um vier, da kannst du
vierteilen, zerstückeln, zerhacken und aus dem Fenster werfen, und da kannst
du dir dann (..) sozusagen Erleichterung verschaffen, ohne dass du (..) in der
Realität da dem Opfer gegenüberstehst. Und da kannst da dir das alles
wunderbar ausmalen und da bist du dann auch immer der Champion und der
Sieger natürlich, das ist klar, ne.
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“)
Atmo („Kill Bill 2“, über Musik)
“Wir wollten noch eine offene Rechnung begleichen.“
34
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“,
hochziehen und kurz freistehen lassen)
O-Ton 114 (Bongardt)
Und da wächst (...) schon im Alten Testament, die Vorstellung, allein durch
Vergeltung, auch allein durch Strafe Schuld nicht überwunden werden kann,
sondern dass der eigentlich entscheidende Schritt aus
Schuldzusammenhängen durch Vergebung geschieht. Und Vergebung das ist
ein Wort, das zumindest um Deutschen noch sehr schön an Rache erinnert,
denn der, der geschädigt worden ist und vergibt, gibt etwas weg, der vergibt
sich etwas, nämlich sein Recht auf Vergeltung, sein Recht auf Rache.
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“)
O-Ton 115 (Erica Fischer)
Ich hab ein Buch geschrieben über meine letzte Beziehung. (..) Ich hab das
natürlich verändert, (...) und hab daraus einen Roman gemacht, aber der Typ
kommt nicht so gut weg. (..) Und jetzt hab ich das Gefühl, (..) das letzte Wort
hab jetzt ich gesprochen.
Musik („Der Hölle Rache“ aus Natalie Dessay, „Mozart. Heroines“)
O-Ton 116 (Benson)
Vor 20, 25 Jahren war ich mit zwei Freunden und nem Kind unterwegs (..)
Richtung Frankreich. Und wir haben auf der Autobahn in Deutschland, hielten
bei ner Raststätte an (...). Und die anderen, die waren noch (...) auf dem Klo
oder so und ich (..) stand neben unserm Wagen auf dem Parkplatz mit ner
Wurst und Senf, nen Stück (..) Brot. Und neben mir und ringsrum da waren
was weiß ich wie viele Parkplätze leer. Und da kommt nen Auto rein und (..)
vielleicht weil ich lange Haare, Schnurrbart so was, meinte der Typ, er muss
unbedingt da parken, wo ich gerade stand, ja, und der hat kaum gebremst und
ich musste zur Seite springen, damit er da parken konnte.
35
Zitatorin
Der Hölle Rache kocht in meinem Herzen
Erkundungen zwischen Recht und Unrecht.
Von Uta Rüenauver.
O-Ton 117 (Benson)
Dann verschwand er und ich stand da und dachte, was kann ich machen, weil’s
einfach nicht geht, ja. Und als ich meine Wurst aß und ich gucke auf den (..)
Senf, kam ich auf eine Idee. Also als ich fertig war, ich hab den Senf genommen
und der hat so nen Türgriff an der Tür, wo man die Finger darunter tut, ne, und
dann zieht man. Und ich dachte, wenn ich den Senf darunter tue, der sieht den
gar nicht, ja. Aber wenn (..) er die Finger darunter tut, dann kriegt der nen ganz,
ganz ekelhaftes Gefühl. Und das hab ich gemacht. (..) Und dann sind wir
einfach weggefahren, in der Gewissheit, das (..) dieser Typ den Schreck seines
Lebens bekommt. (Lachen)
Musik („Kill Bill 1“, Original Soundtrack, Take 1, “Bang Bang”)
Zitator (über Musik legen)
Es wirkten mit:
Seyran Ates, Hansgeorg Birkhoff, Rechtsanwälte
Prof. Michael Bongardt, Theologe
Prof. Eva Cantarella, Rechtshistorikerin
Dr. Martina Fischer, Friedens- und Konfliktforscherin
Dr. Klaus Lindstedt, Psychoanalytiker
Prof. Thomas Macho, Kulturwissenschaftler
Prof. Hinrich Rüping, Strafrechtler
Außerdem:
Robin Benson, Christina Bylow, Erica Fischer, Manfred Kriener, Dr. Emmanuel
Mouafo, Margarete Pape, Elisabeth Plath, Josefine Römer, Biagio Vinci und
andere.
36
Zitatorin
Es sprachen:
Viola Sauer
Nina West
Joachim Schönfeld
Regie: Katrin Moll
Redaktion: Klaus Pilger
Eine Produktion des Deutschlandfunk, 2010
Musik (mit „Bang Bang“ enden)
ENDE