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Soziale und kommunikative Praktiken auf sozialen Netzwerken
anhand des Beispiels Facebook unter besonderer Berücksichtigung des Phänomens Hans Sarpei
Vorgelegt von
Kevin Volker Schmidt Kniprodestr. 100, 10407 Berlin, Tel.:0176/32493949
Matr.-Nr.: 541768 [email protected]
im Fach Medienwissenschaft (M.A.) Seminar: Netzkultur als soziale Praxis
Wintersemester 2012/13 Seminarleiter: PD Dr. Stefan Münker
Berlin, den 10.04.2013
Inhaltverzeichnis
1 Einleitung ......................................................................................... 2
2 Das Internet: vom Medium der Information zum Medium der Anwendung
......................................................................................... 3
3 Vertreter des Web 2.0 ......................................................................................... 6
3.1 Weblogs ......................................................................................... 6
3.2 Plattformen ......................................................................................... 7
3.3 Sonstige ......................................................................................... 8
4 Die Kommunikation in sozialen Netzwerken .......................................... 8
4.1 Das Internet als globales Dorf der Gegenwart .......................................... 9
4.2 Die Netzwerkgesellschaft und soziale Netzwerke ........................................ 10
5 Die Netzwerkplattform Facebook als Anwendungsbeispiel ........................................ 11
5.1 Praktiken der Kommunikation in sozialen Netzwerken ........................................ 13
5.2 Identitätsgenese und Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken
........................................ 15
5.3 Das performative Handeln auf Facebook ........................................ 17
6 Das Phänomen Hans Sarpei ....................................................................................... 18
7 Fazit ....................................................................................... 20
8 Literaturverzeichnis ....................................................................................... 23
9 Eigenständigkeitserklärung ....................................................................................... 25
2
1 Einleitung
Das soziale Netzwerk „Facebook“ ist seit den letzten Jahren zu einem wahren
Giganten des Internets aufgestiegen. Mehrere hundert Millionen Benutzer sind auf
der Plattform vertreten und vernetzen sich untereinander. Allerdings gibt es nicht
nur eine kommunikative Ebene, die Facebook so erfolgreich macht. Zusehends
positioniert sich die Plattform als internationales Unternehmen und stellt in der
Internetgemeinde den Global Player der sozialen Netzwerke dar.
Werden soziale Netzwerke als Forschungsgegenstand untersucht, können diese als
Vertreter des Web 2.0 identifiziert werden. Diese veränderte Kommunikation bietet
viele neuen Möglichkeiten für User ebenso wie für Unternehmen und
Einzelpersonen. Es wird dabei versucht das Ansehen und öffentliche Bild
verschiedener Firmen zu verbessern und eine relative Nähe zu den jeweiligen
Kunden zu suggerieren. Gleiches gilt für Hollywood-Stars, Sänger, Politiker, etc.,
welche die Bindung zu ihrer Anhängerschaft stärken und als besonders nah
erreichbar erscheinen wollen.
Hierfür kann als Beispiel sehr gut die Person Hans Sarpei herangezogen werden.
Als ehemaliger Fußball-Profi machte er sich in den letzten Jahren seiner Karriere
eher neben als auf dem Platz bemerkbar, was die Internet-Gemeinde mit einer
großen virtuellen Aufmerksamkeit belohnte.
Doch wieso partizipieren so viele Menschen an der sozialen Welt des Internets?
Woher finden sie ihre Motivation zur Partizipation, was stellen die Vorteile für sie
dar? Handeln sie dabei automatisch/routiniert oder unerfahren/jugendlich-
leichtsinnig? Haben sich hier nicht schon vielleicht alltagsähnliche Strukturen
aufgebaut, die sonst eher analogen/sozialen Praktiken gleichen?
Diese und ähnliche Fragen untersucht die hier vorliegende Seminararbeit. Um
aussagekräftige Ergebnisse erzeugen zu können, müssen zunächst die
Verlaufsgeschichte des Internets kurz skizziert und der Begriff Web 2.0 mit seinen
Vertretern definiert werden. In Kapitel 2 wird daher die Entwicklung des Internets
näher beleuchtet und geklärt, wie es vom Medium der Information zum Medium
der Anwendung wurde. Im 3. Kapitel dieser Arbeit werden schließlich die Vertreter
des Web 2.0 näher definiert, unter besonderer Berücksichtigung der Weblogs und
der Plattformen, welche für die Ergebniserzeugung der Seminararbeit von
elementarer Wichtigkeit sind. Kapitel 4 behandelt die genau vorliegende
3
kommunikative Situation in sozialen Netzwerken. Essentielle Forschungsimpulse
von Marshall McLuhan und Manuel Castells werden hier in die Untersuchungen
einfließen und zur weiteren Präzisierung des Forschungsgegenstandes dieser Arbeit
beitragen. Inwieweit sich die sozialen Praktiken, die Selbstdarstellung und das
performative Handelns auf sozialen Netzwerken darstellen, soll mit Hilfe des
Beispiels Facebook als Vertreter des Web 2.0 im 5. Kapitel weitergehend geklärt
werden. Gleichzeitig werden im 6. Kapitel mit der Aufnahme Hans Sarpeis als
Untersuchungsgegenstand die vorangestellten Beobachtungen verifiziert und lassen
detaillierte Aussagen und Forschungsergebnisse zu sozialen Praktiken auf
Facebook, bzw. generell in sozialen Netzwerken, zu. Abschließend werden in
Kapitel 7 die erzeugten Ergebnisse in einem Fazit zusammengefasst und weitere zu
klärende Forschungsfragen und mögliche Forschungsfelder hierzu vorgestellt.
2 Das Internet: vom Medium der Information zum Medium der Anwendung
Ursprünglich hat das Internet seine Entstehung der militärischen Kommunikation
zu verdanken. Als „ARPA-NET“ wurde erstmals ein Rechnernetzwerk dafür
verwendet, eine virtuelle Kommunikationsform innerhalb des Militärs zu
integrieren. Bereits nach wenigen Jahren wurden Forschungsinstitute und
Universitäten an dieses Netz angeschlossen, wodurch eine schnellere und
organisierte Weitergabe gesammelter Forschungsergebnisse erzielt werden sollte.
Mit der Entwicklung des WorldWideWebs wurde das Internet Anfang der 90er
Jahre der breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht.1
Die Anfänge des heute im Alltag der Gesellschaft angekommenen Mediums
Internet waren durch eine starke textliche Prägung bestimmt und nur wenige
Pioniere benutzten es, um ihre Kommunikation via E-Mail und Chatrooms zu
erweitern.2 Seit dieser Pionierzeit hat sich im Internet viel verändert. Eine seit 1997
jährlich durchgeführte ARD/ZDF-Onlinestudie versucht neue Trends und
demographische Entwicklungen im Hinblick auf die Internetnutzung der deutschen
1 Vgl. Münker, Stefan: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im Web 2.0, Frankfurt am
Main 2009 [im Folgenden zitiert als: Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten], S. 21f, 23. 2 Vgl. van Eimeren, Birgit/ Frees, Beate: Fast 50 Millionen Deutsche online – Multimedia für alle?
Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010, in: Media Perspektiven 7-8/2010 [im Folgenden zitiert als: van
Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online], S. 334.
4
Bevölkerung abzubilden. Demnach ist die Nutzung von Onlineangeboten in den
letzten Jahren stark angestiegen. Während 1997 nur etwa 6,5% der Befragten
Zugriff auf das Internet hatten, waren im Jahr 2010 bereits 69,4% mindestens
gelegentlich online. Das Durchschnittsalter der Internetuser beträgt 39 Jahre,
wohingegen die onlineaffinste Gruppe die Jugendlichen zwischen 14 und 19 Jahren
darstellen. Laut der Onlinestudie konnte erstmals im Jahr 2010 der Wert von 100%
in dieser Bevölkerungsgruppe erreicht werden.3
In den letzten Jahren haben sich aber nicht nur die demographischen Daten der
Internetnutzung verändert. Es kam generell zu einer Verlagerung von textbasierten
zu audiovisuell-geprägten Anwendungen wie Bildern, Fotos, Webradios, Videos,
etc.4 Die neuen Inhalte des Internets stellen einen klaren Kontrast zu den Webseiten
der späten 90er Jahre und denen am Anfang des jetzigen Jahrtausend dar. Um
diesen medialen, technischen und soziokulturellen Wandel zu beschreiben, hat der
amerikanische Verleger Tim O'Reilly den Begriff des „Web 2.0“ in die
Forschungsdiskussion eingebracht.5
Auf technischer Ebene haben sich durch neue Programmiersprachen die
Möglichkeiten für integrierte Applikationen und Dienste auf Internetseiten stark
verändert. Im Gegensatz zu früheren Versionen einer Homepage können
beispielsweise durch die Programmiersprache „Ajax“ die zu übertragenen Daten für
eine Funktion auf ein Minimum reduziert werden.6 Die Nutzer müssen keine
Software für die Benutzung der Anwendungen installieren, weil diese Aufgabe im
Web 2.0 von den Browsern und Internetseiten übernommen werden.7
Ebenfalls haben es andere technische Entwicklungen und neue elektronische
Produkte, wie Digitalkameras, Smartphones, Navigationsgeräte, usw., geschafft
einen großen Anteil im Alltag der Gesellschaft einzunehmen. Die Digitalisierung
3 Vgl. Huber, Melanie: Kommunikation im Web 2.0, Konstanz 2008 [im Folgenden zitiert als: Huber:
Kommunikation im Web 2.0], S. 16; van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 335. 4 Vgl. van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 343.
5 Vgl. Huber: Kommunikation im Web 2.0, S. 13; van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 334;
Schmidt, J./ Paus-Hasebrink, I./ Hasebrink, U. (Hrsg.): Heranwachsen mit dem Social Web. Zur Rolle von
Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, Berlin 2009 [im Folgenden zitiert
als: Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web], S. 58; Münker: Emergenz digitaler
Öffentlichkeiten, S. 20. 6 Vgl. O'Reilly, Tim: What is Web 2.0? Design Patterns and Buisness Models for the Next Generations of
Software. Online 2005 (Online verfügbar: http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html, Stand
04.04.2013)[im Folgenden zitiert als: O’Reilly: What is Web 2.0?], S. 5; Münker: Emergenz digitaler
Öffentlichkeiten, S. 16. 7 Vgl. Schmidt, Jan: Das neue Netz – Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0, Konstanz 2009 [im
Folgenden zitiert als: Schmidt: Das neue Netz],, S. 13; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit
dem Social Web, S. 58; O’Reilly: What is Web 2.0?, S. 1, 4.
5
schreitet dadurch seit Anfang des Jahrtausends weiter voran. Am Beispiel der
Smartphones kann dieser Umstand leicht nachvollzogen werden. Durch die
Möglichkeit ortsunabhängig Zugriff auf das Internet zu erhalten, können die Nutzer
für sie wichtige Informationen sofort abrufen. Die Suche nach Sehenswürdigkeiten,
Restaurants oder Hotels in der direkten Umgebung macht das Mobiltelefon zum
nützlichen Begleiter für den Alltag.8
Nicht mehr die Suche nach Informationen steht im Vordergrund, sondern das
Interesse nach Kommunikation, die Verknüpfung sozialer Kontakte und die
Produktion personalisierter Inhalte. Alle Inhalte werden durch die User ratifiziert,
indem sie Bewertungen, Kommentare, etc. auf den Seiten hinterlassen. Die
Kommunikation nimmt insgesamt 48% der im Internet verbrachten Zeit ein, wobei
etwa ein Drittel davon über soziale Netzwerke abläuft.9
Hierdurch kann ein Kollektivwissen erzeugt werden, das nicht mehr auf das Wissen
von Experten angewiesen ist. Internetnutzer werden gewissermaßen zur
„Netzpolizei“ und entscheiden über die Relevanz oder Richtigkeit eines Online-
Artikels. Es entsteht ein Raum für Minderheiten, denen ein bestimmtes
Nischenwissen zu Grunde liegt. Gerade dieses Nischenwissen ist ein Bestandteil
der kollektiven Intelligenz, das anderweitig nur schwer zugänglich wäre.10
Durch die vorherigen Beobachtungen kann das wichtigste Merkmal der neuen
Praktiken im Web 2.0 identifiziert werden: Die Nutzer einer Webseite generieren
deren Inhalte. Möglich machen dies die neuen Inhalte und Anwendungen des Web
2.0. Sie erleichtern den publizistischen Zugang und die verschiedenen
Applikationen mit individuellen Funktionen können auf der eigenen Homepage
leicht integriert werden. Dadurch entsteht der Anschein von Professionalität auf den
persönlichen Inhalten des Internets, obwohl der Produzent einer Seite keinen
Einfluss auf die Entwicklung der Funktionen hat. Die gegebene Interaktivität der
Internetseiten des Web 2.0 formiert den heimischen Computer und das Internet zu
einer Plattform, die publizierende und rezipierende Aktivitäten unterstützt. 11
8 Vgl. van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 338; Huber: Kommunikation im Web 2.0, S. 19;
Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 62, 78. 9 Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 16, 18; Huber: Kommunikation im Web 2.0, S. 19;
van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 342. 10
Vgl. Huber: Kommunikation im Web 2.0, S. 15ff, 25; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 90;
O’Reilly: What is Web 2.0?, S. 2f; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 59f. 11
Vgl. Huber: Kommunikation im Web 2.0, S. 13, 18, 58; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S.
15, 88; Schmidt: Das neue Netz, S. 37; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S.
33.
6
Web 2.0 ist sicherlich ein geeigneter Begriff um neue Kommunikationsformen und
Praktiken im Internet zu definieren. Die mit der „2.0“ - der Versionsgeschichte
einer Software entsprechend – verbundene Postulierung einer Revolution des
Internets ist sicherlich übertrieben. Der Begriff beschreibt eher einen Mythos oder
einen Werbeslogan, um mehr Firmen, Kunden und somit Nutzer, Teil dieses
Phänomens werden zu lassen.12
3 Vertreter des Web 2.0
3.1 Weblogs
Ein Weblog - oder kurz Blog - ist im engeren Sinne nichts anderes als ein
onlinebasiertes Tage- oder Logbuch. Eine Hervorhebung des einzelnen Autors eines
Blogs oder Blogbeitrags machen die Routinen der personalisierten Produktion von
Inhalten deutlich. Die Urheber versuchen oft mit Hilfe individueller, spezialisierter
oder revolutionärer Beiträge die Präsenz und Bekanntheit des Blogs zu vergrößern.
Kommentare der Blogleser spiegeln den Produzenten deren Interessen und weitere
Publikationsthemen wieder, wodurch sich das Forum für einen individuellen, bzw.
laienhaften Journalismus verstärken kann.13
Für die Veröffentlichung eines Blogs oder dessen Beiträge wird den Produzenten
die nötige Infrastruktur kostenlos im Internet zur Verfügung gestellt. Die Software
von „Wordpress“ stellt einen der größten Vertreter für die Produktion eines Weblogs
dar. Sie bietet der Internetgemeinde spezielle Designs und Elemente, die mit Hilfe
weniger Schritte auf der eigenen Homepage eingebunden werden können.14
Zudem besteht die Möglichkeit auf verschiedenen Webseiten, zum Beispiel
www.blogspot.com, einen Blog auf einer Unterseite zu implementieren. Der Vorteil
besteht im nicht mehr benötigten Webspace, bzw. in der einfachen Bedienbarkeit
der Funktionen, sodass keine fundierten Kenntnisse bezüglich der
Programmiersprachen zur Homepage-Erstellung vorhanden sein müssen. In der
jüngsten Zeit kam die Möglichkeit hinzu mit Hilfe des sogenannten
12
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 21; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 21, 70;
Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 60. 13
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 65. 14
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 24.
7
„Microbloggings“ auf Internetseiten wie www.twitter.com seine eingeschriebenen
Abonnenten durch kurze Blogeinträge über Neuigkeiten, Links, etc. zu informieren.
Diese Inhalte können nicht direkt kommentiert werden, lassen sich aber durch
Verlinkungen aufeinander beziehen.15
3.2 Plattformen
Als weitere Gruppe von Web 2.0-Angeboten können die Plattformen identifiziert
werden. Hierzu zählen Inhalte, die einer großen Zahl von registrierten Nutzern
einen kommunikativen und interaktiven Mehrwert bieten. Die Differenz zu Blogs
besteht in der verstärkten Kommunikation zwischen verschiedenen Usern der
jeweiligen Plattform.16
Des Weiteren ist es sinnvoll, die Klassifikation der Plattform um zwei weitere
Begriffe zu erweitern. Netzwerkplattformen bieten den registrierten Mitgliedern die
Infrastruktur zur Selbstdarstellung, internen Kommunikation sowie gegenseitigen
Interaktion und sind dabei in Netzwerken organisiert. Die sozialen Beziehungen zu
anderen Benutzern der Internetseite werden auf der individuellen Profilseite eines
Nutzers dargestellt. Ebenfalls müssen die sogenannten „Freunde“ oder „Kontakte“
der User bestätigt und zur Einsicht des Profils freigeschaltet werden, sodass ein
abgegrenzter, kommunikativer Bereich entstehen kann. Alle Profile der Mitglieder
einer solchen Netzwerkplattform können über Hyperlinks angesteuert, betrachtet
und kommentiert werden. Die generierten Freundes-, bzw. Kontaktlisten sind
danach für eine vorher ausgewählte Gruppe von Mitgliedern – zum Beispiel allen
Mitgliedern, allen Freunden oder bestimmten Personen – zugänglich und können
wiederum zur Erweiterung des eigenen Netzwerkes gebraucht werden. Bekannte
Vertreter dieser Kategorie sind „Facebook“, „MySpace“, „Wer-kennt-wen“
„Lokalisten“. Es gibt außerdem zahlreiche Angebote für Nischengruppen oder
soziale Minderheiten. „Xing“ als Plattform für Berufskontakte,
„Veggiecommunity“ als Treffpunkt für Vegetarier und „GayRomeo“ als Netzwerk
für Homosexuelle sind nur einige Beispiele.17
Multimedia-Plattformen stellen die zweite, große Gruppierung der Plattformen dar.
15
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 24. 16
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 64. 17
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 23; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 111.
8
Innerhalb dieser Angebote ist es den Nutzern möglich verschiedene mediale Inhalte
wie Videos, Fotos und Musiktitel kostenlos im Internet abzurufen. Als wohl
bekannteste Multimedia-Plattform kann die Seite „YouTube“ identifiziert werden.
Hier lässt sich durch die Vermischung von verschiedenen Web 2.0-Inhalten eine
Besonderheit erkennen. Registrierte User können eigenständig Videos hochladen,
miteinander in Kontakt treten und andere Inhalte kommentieren, bzw. bewerten.18
3.3 Sonstige
Natürlich gibt es innerhalb der Angebote des Web 2.0 eine sehr viel größere Menge
an identifizierbaren Inhalten, wie Instant Messaging, Wikis, RSS Feeds, Social
Bookmarking, Instant Messaging, usw. Für den weiteren Verlauf dieser
Seminararbeit stellen diese allerdings keine wichtigen Elemente dar und werden
daher nicht näher untersucht.
4 Die Kommunikation in sozialen Netzwerken
Die starke Nutzung von Plattformen und sozialen Netzwerken wurde bereits in
Kapitel 2 angesprochen. Viele Internetnutzer besitzen ein oder mehrere Profile in
sozialen Netzwerken. Der Anteil der jungen User überwiegt deutlich, allerdings
steigt die Menge der Menschen mit einem Alter über 40 in den Onlinecommunitys
stetig an. Des Weiteren kommt es bei über der Hälfte der Mitglieder eines sozialen
Netzwerkes zu einer täglichen Anwendung, wobei bereits 85% der User diese
Seiten mehrmals pro Woche aufsuchen. Der Gesamtanteil der Nutzer, die eine
Onlinecommunity besuchen, hat im letzten Jahr einen Zuwachs von 5 %
verzeichnet und ist seit 2009 von 27% auf 32 % im Jahr 2010 gestiegen. In der
technisch affinen Zielgruppe der 14-29-Jährigen liegt der Anteil der Nutzer, die
regelmäßig eine Plattform aufsuchen, bei 79%. Die gesellschaftliche
Kommunikation verlagert sich also immer mehr zu den sozialen Netzwerken im
Internet und bedarf daher einer genaueren Betrachtung.19
18
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 64f. 19
Vgl. van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 340; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink:
Heranwachsen mit dem Social Web, S. 109.
9
Die Begriffe Vernetzung und/oder Verflechtung gewinnen in der heutigen,
globalisierten Welt offensichtlich an Bedeutung. Gesellschaftliche Veränderungen
und mediale Wandlungsprozesse gehen ineinander über, sodass kaum eine
Trennung dieser Elemente ersichtlich ist. Soziale Strukturen wie Technik, Medien,
Gesellschaft hängen miteinander zusammen, bzw. bedingen sich gegenseitig.20
4.1 Das Internet als globales Dorf der Gegenwart
Der kanadische Medientheoretiker Marshall McLuhan geht von der Hauptthese aus,
dass es durch die in der Geschichte entstandene elektronische Vernetzung der Erde
zur Bildung eines globalen Dorfes gekommen sei. Dieses Dorf ist im Kontext einer
Stammesgemeinschaft zu verstehen, aus der sich die Menschheit im Verlauf der
Geschichte gelöst hat. Die Veränderung der Gesellschaft durch diesen
Medienwandel sieht er als keinesfalls negativ behaftete Rückkehr in alte
Verhaltensweisens.21
In seinen Hauptwerken untersucht McLuhan unter anderem die Veränderungen des
menschlichen Körpers und der Gesellschaft, welche durch die Einführung von
neuen Medien und Technologien bedingt werden. Für ihn sind Medien lediglich
Ausweitungen des Körpers, eine Art Prothese für neue Techniken der
Wahrnehmung. Die soziale Umwelt der Menschen wird durch sie daraufhin anders
als vorher wahrgenommen und hat eine Transformation der Gesellschaft und ihrer
medialen Praktiken zur Folge.22
Außerdem entwickelte die Menschheit erstmals eine elektronische Erweiterung
ihrer Sinne, die durch die elektronische Vernetzung weltweit wirksam wurde. Die
verschiedenen Schnittstellen operieren in diesem elektronischen Zeitalter simultan
und können somit als ein Netzwerk virtueller Bestandteile angesehen werden, die
20
Vgl. Castells, Manuel: Das Informationszeitalter. Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, Band 1, Opladen
2004 [im Folgenden zitiert als: Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft], S. 6, 36, 527f. 21
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 14, 16; McLuhan,
Marshall/Powers, Bruce R.: The Global Village. Transformation in world life and media in the 21st century,
New York 1992 [im Folgenden zitiert als: McLuhan: The Global Village], S. 15, 85; McLuhan, Marshall: Die
Gutenberg-Galaxis – Das Ende des Buchzeitalters, Bonn; Paris 1995 [im Folgenden zitiert als: McLuhan: Die
Gutenberg-Galaxis], S. 38, 39, 10f; McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Men.
Edited by Terrence Gordon, Corte Madera 2003 [im Folgenden zitiert als: McLuhan: Understanding Media],
S. 152, 562. 22
Vgl. McLuhan: The Global Village, S. 26, 28, 34, 71, 76; McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis, S. 10f, 37f,
51; McLuhan: Understanding Media, S. 332; Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S. 35, 376.
10
sich zu einem Kollektiv zusammenschließen.23
Das Zusammenwachsen der verschiedenen modernen Medien – Computer, Internet,
Fernsehen, Smartphones, usw. - veranschaulicht den Prozess der Vernetzung. Die
Inhalte der einzelnen Medien nähern sich aneinander an und ihre Bedeutungen
bauen aufeinander auf. Medieninhalte treten somit überall im Alltag einer
Gesellschaft auf, beziehen sich interreflexiv aufeinander, wodurch sie die
Gewohnheiten und Lebensweisen der Menschen nachhaltig beeinflussen. Ebenfalls
wird die starke Vernetzung der Medien deutlich.24
Eine Folge dieser Beobachtung ist die mediale Veränderung der Identität von
Individuen und Gesellschaften. Einhergehend ist die Wahrnehmungsveränderung
der partizipierenden Subjekte, da sich der virtuelle Charakter des elektronischen
Zeitalters auf die Eigenschaften des sozialen Gefüges auswirkt.25
Marshall McLuhans Metapher des „globalen Dorfes“ ist demnach auf eine binäre
Art und Weise zu verstehen: Einerseits wird Nähe, Nachbarschaft und ein eher
kleiner Raum symbolisiert, während andererseits der Begriff im Hinblick einer
Gemeinschaft verstanden werden kann. Beide Bedeutungen sind dabei virtuell
geprägt und haben mit dem Nachbarn im Haus nebenan nichts gemein.26
4.2 Die Netzwerkgesellschaft und soziale Netzwerke
Das Netzwerk wird zur wichtigsten kommunikativen Komponente des Alltags der
Menschen. Im Internet nimmt der kommunikative Aspekt ca. 48% der verbrachten
Zeit ein und ein Drittel dieser in Anspruch genommenen Zeit läuft über soziale
Netzwerke ab. Die Netzwerkartigkeit der Kommunikation im Internet lässt dadurch
den Unterschied zwischen Gemeinschaft und Gesellschaft, bzw. realer und
virtueller Welt zusehends verschwimmen.27
23
Vgl. McLuhan: The Global Village, S. 20, 87; McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis, S. 40; McLuhan:
Understanding Media, S. 332f, 337; Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S. 6f, 24. 24
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 14, 16; van Eimeren/Frees: 50
Millionen Deutsche online, S. 348; O’Reilly: What is Web 2.0?, S. 4. 25
Vgl. McLuhan: The Global Village, S. 26, 71, 76, 87, 91; McLuhan: Die Gutenberg-Galaxis, S. 7, 17, 37f;
McLuhan: Understanding Media, S. 130; Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S. 7, 376, 527. 26
Vgl. Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis – Die neuen Kommunikationsverhältnisse, 3. Auflage,
München 2008, S. 111. 27
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 81; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen
mit dem Social Web, S. 15; Schmidt: Das neue Netz, S. 84; van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche
online, S. 342; The Economist: Social networks and statehood: The future is another country, 2010 Berlin;
San Francisco. (Online verfügbar: http://www.economist.com/node/16646000?story_id=16646000, Stand
11
Das aus drei Bänden bestehende Forschungswerk „Das Informationszeitalter“
Manuel Castells greift die Thesen Marshall McLuhans auf und verarbeitet die
Beobachtungen auf das Zeitgeschehen im Hinblick auf die technologische
Weiterentwicklung und Durchsetzung des Internets als populäres Kulturgut. Genau
wie McLuhan sieht Castells den Prozess der Ausbreitung von netzwerkähnlichen
Strukturen keinesfalls als abgeschlossen an. Er thematisiert das
Kommunikationsmittel Internet und sieht hierin die Zukunft der globalen
Verflechtung. Seine aufgestellte Idee von einer Internet-Galaxis geht von einer
raschen Verbreitung der neuen Technik aus und entdeckt die Möglichkeiten, die das
Internet für die Kommunikation bietet. Durch das Fernsehen wurde der globale
Effekt der elektronischen Vernetzung erstmals geschaffen und das Internet werde
diese Entwicklung verstärken und weiterentwickeln.28
Castells sieht bereits einen Aufstieg der sogenannten Netzwerkgesellschaft. Diese
Gesellschaftsform zeichnet sich durch eine in allen Lebenssituationen vernetzte
Gemeinschaft aus, die viele und essentiell wichtige Arbeitsprozesse medial – im
Netzwerk – löst. Die Wirtschaft einer solchen Gesellschaft werde abhängig von den
übermittelten Informationen und der stattfindenden Kommunikation sein, ein
Effekt, der in der Gegenwart durchaus erkennbar ist.29
Soziale Netzwerke im Internet können daher als anschauliches Beispiel für
McLuhans und Castells Thesen angesehen werden, da sich die heutige Gesellschaft
in ihnen zunehmend organisiert. Um die weiteren offenen Fragestellungen dieser
Arbeit besser beantworten zu können, muss die Untersuchung um ein konkretes
Beispiel ergänzt werden. Nur so wird sich die Motivation der partizipierenden
Mitglieder besser nachvollziehen lassen.
5 Die Netzwerkplattform Facebook als Anwendungsbeispiel
Insgesamt besitzen ca. 41% der Internetnutzer ein eigenes Profil auf mindestens
einer Netzwerkplattform, wobei bereits ein Großteil dieser Menge bei mehr als
einer Onlinecommunity angemeldet ist. Facebook stellt die Kommunikation in den
04.04.2013)[im Folgenden zitiert als: The Economist: Social networks and statehood]. 28
Vgl. McLuhan: The Global Village, S. 86; Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S. 36, 56, 527f. 29
Vgl. Castells: Aufstieg der Netzwerkgesellschaft, S. 34, 36, 376, 527f.
12
Mittelpunkt und vernetzt die User untereinander. In der Terminologie McLuhans
kann deshalb Facebook als ein globales Dorf angesehen werden.30
Wie bei anderen sozialen Netzwerken gilt, dass es ohne die Nutzer keine Inhalte auf
Facebook geben würde. Die Plattform ist auf ihre Mitglieder angewiesen, wobei die
Besonderheit in den netzwerkartigen Beziehungen der User und ihren erzeugten
Informationen liegt. Eine Video-Plattform wie „YouTube“ könnte eigenständig
verschiedene Videos aus dem Internet hochladen. Der einschlägige Erfolg
YouTubes bliebe höchstwahrscheinlich aus oder würde zumindest anders ausfallen.
Dennoch würde die Internetseite – im Gegensatz zu Facebook – ihren Nutzern
einen speziellen Mehrwert bieten.31
Das Nutzerverhalten auf Facebook unterstützt die Legitimität der Plattform als
Forschungsgegenstand umso mehr. Der Umstand, dass ca. 10% aller Mitglieder
mindestens täglich ihren Status ändern, zeigt ihre kommunikative Affinität und
inwieweit die User im Internet ihre sozialen Beziehungen in Netzwerken
organisieren.32
Die Partizipation der Mitglieder und deren öffentlicher Umgang mit persönlichem
Informationen erinnert dabei stark an die Strukturen des Reality-TVs – mit „Big
Brother“ als bekanntesten Vertreter – oder den amerikanischen Talk-Shows, wie
zum Beispiel „Jerry Springer“ oder „The Oprah Show“, die in den 90er Jahren
ihren Aufstieg feiern konnten. Verbunden mit dem Begriff des „Trash-TV“
wurden/werden in diesen Sendungen persönliche Gefühle und intime Gedanken der
Öffentlichkeit zur Schau gestellt. Facebook kann demnach als moderne Talk-Show
angesehen werden, die allerdings den in dieser Arbeit aufgezeigten
Voraussetzungen und Praktiken unterliegt.33
Dieser Umstand lässt die Fragen nach der Intention und der psychologischen
Motivation der Beiträge und Partizipation der User erneut aufkommen.
30
Vgl. van Eimeren/Frees: 50 Millionen Deutsche online, S. 340ff; von Gehlen, D.: Facebook & Co. - Das
viertgrößte Land der Erde, Suedeutsche.de 19.09.2009 (Online verfügbar:
http://www.sueddeutsche.de/digital/facebook-amp-co-das-viertgroesste-land-der-erde-1.2600, Stand
04.04.2013)[im Folgenden zitiert als: von Gehlen: Facebbok & Co.], S. 1; The Economist: Social networks
and statehood. 31
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 27, 71; von Gehlen: Facebook & Co., S. 1. 32
Vgl. von Gehlen: Facebook & Co., S. 1. 33
Vgl. von Gehlen: Facebook & Co., S. 2; Hornig, Frank/ Schulz Thomas: Seid verschlungen, Millionen!, in:
Der Spiegel 49/2004 [im Folgenden zitiert als: Hornig/Schulz: Seid verschlungen, Millionen!], S. 211.
13
5.1 Praktiken der Kommunikation in sozialen Netzwerken
Um die Praktiken der Kommunikation im Internet hinreichend zu beschreiben,
müssen die Zusammenhänge zwischen Medien und Gesellschaft berücksichtigt
werden. Medien erzeugen Öffentlichkeiten und Gesellschaften, gleiches gilt für die
Nutzung der digitalen Techniken. Medien und ihre Öffentlichkeit stellen die
Grundlage aller Diskurse dar und veranschaulichen den synergetischen Effekt, den
die Medien/Gesellschaft und deren kommunikative Auswirkung in unserem Leben
einnehmen.34
Der amerikanische Soziologe Erving Goffman erklärt das Erlernen der direkten
face-to-face Kommunikation durch kulturelle Praktiken, die alle Menschen
aufgrund ihrer sozialen Umwelt erleben. Die onlinebasierte Kommunikation verhält
sich hierzu ähnlich, sodass die Verhaltensweisen ebenfalls durch bereits vorhandene
Praktiken geprägt werden. Diese Verhaltenskodizes werden im gleichen Maß von
den Medien bestimmt, wie das persönliche Gespräch.35
Damit repräsentiert die Kommunikation im Internet lediglich die Fortführung der
vorhandenen Interaktion des alltäglichen Lebens und funktioniert – wie die eben
beschriebene face-to-face Kommunikation – mit Hilfe von sprachlichen und nicht-
sprachlichen Zeichen.36
Eine weitere Parallele besteht im ständigen Wechsel zwischen den Rezipienten und
Produzenten der Informationen innerhalb einer Kommunikation. Die Nutzer des
Internets erzeugen gleichzeitig dessen Inhalte, im gleichen Umfang wie die
Gesprächspartner eine direkte Kommunikation bedingen.37
Unter Berücksichtigung dieser parallel verlaufenden Eigenschaften von
onlinebasierter und face-to-face Kommunikation, kann im nächsten Schritt von
einer ähnlichen Motivation der Teilnehmer aller Kommunikationen im Internet
ausgegangen werden. Dementsprechend bestimmen die Traditionen der individuell
zugehörigen Gesellschaftsgruppe und der soziale Rang einer Person die Art des
kommunikativen Verhaltens. Diese kulturelle Vorprägung ist entscheidend für die
34
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 29, 72. 35
Vgl. Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag, München 2002 [im
Folgenden zitiert als: Goffman: Wir alle spielen Theater], S. 5, 28; Schmidt: Das neue Netz, S. 41, 49;
Schneider, Alexandra: Die Stars sind wir – Heimkino als filmische Praxis, Marburg 2004 [im Folgenden
zitiert als: Schneider: Die Stars sind wir], S. 177; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 34. 36
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 82; Schmidt: Das neue Netz, S. 73. 37
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 121, 122.
14
Form der Selbstdarstellung und die Interaktion der Kommunikationsteilnehmer
untereinander. Einzelne Diskursteilnehmer können bewusste und unbewusste Mittel
zur Erzeugung eines speziellen Eindrucks einsetzen, um dadurch eine gewünschte
Reaktion hervorzurufen. Die hervorgehobene Kommunikationspraktik dient im
Internet als Darstellungswerkzeug und Selbstzweck.38
Eine inszenierte Performanz wird somit möglich. Das benötigte Publikum, das die
gezeigte Performanz anerkennt und bewertet, liegt im Fall des Internets nicht real
vor, allerdings werden die Beiträge der Internetnutzer von virtuellen Rezipienten
wahrgenommen.39
Eine nun anonym oder sozial desintegrierend erscheinende Kommunikation im
Internet liegt keinesfalls vor. Alle verwendeten kommunikativen Praktiken werden
vornehmlich zur Beziehungspflege benutzt und wirken einer Anonymität oder einer
gesellschaftlichen Exklusion entgegen.40
Der Computer, bzw. der Internetbrowser dient somit als Kameraersatz, vor dem ein
Nutzer bewusst für sein virtuelles Publikum agiert. Die Performanz verhält sich
dabei wie bei anderen nichtfiktionalen Medienformaten. Das heißt, die potenzielle
Kamera wird nicht als solche wahrgenommen, sondern ist Teil der gesamten
Darstellung. Der individuelle Darsteller – der Internetnutzer – verlässt sich simultan
darauf, dass sein Publikum kleine Hinweise als Zeichen für wichtige Momente
annimmt und seine Performanz als würdig oder besonders anerkennt. Das Publikum
kann von dieser Performanz getäuscht werden oder ihr kritisch gegenüberstehen.41
Demnach stellt das Internet eine Plattform für Kommunikation, Interaktion und
sozialer Praxis dar, die dabei lediglich den virtuellen Bedingungen der
Netzwerkgesellschaft unterworden ist.42
Dennoch müssen die Motivationen der
Mitglieder der Web 2.0-Angebote und die veröffentlichten Beiträge der Nutzer
einer Netzwerkplattform wie zum Beispiel Facebook genauer auf ihre
medienpsychologische Funktion untersucht werden.
38
Vgl. Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 6ff, 17f, 22, 35; Schneider: Die Stars sind wir, S. 121. 39
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 121; von Gehlen: Facebook & Co., S. 2; Hornig/Schulz: Seid
verschlungen, Millionen!, S. 211; Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 77. 40
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 16 41
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 122, 123, 130; Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 20, 48, 52;
Schmidt: Das neue Netz, S. 76f. 42
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 131.
15
5.2 Identitätsgenese und Selbstdarstellung in sozialen Netzwerken
Die Facebook-Mitglieder wollen eine Form von Bestätigung und gesellschaftlicher
Teilhabe mit Hilfe der Kommunikation auf Facebook erreichen. Die Profile der
sozialen Netzwerke sind damit alltägliche Selbstdarstellungswerkzeuge, bei denen
die digitale Gesellschaft eine starke Partizipation belohnt. Im Gegensatz dazu wird
eine vorliegende Verschlossenheit mit Nichtbeachtung und Ausgrenzung bestraft.43
Alle Mitglieder einer Netzwerkplattform pflegen in ihren kommunikativen
Praktiken die bereits in der Realität gebildeten, sozialen Beziehungen oder
vernetzen sich mit flüchtigen Bekannten, Freundesfreunden oder Fremden und
versuchen so ihr Kommunikationsnetzwerk zu erweitern. Die Zurschaustellung von
persönlichen Informationen ist hauptsächlich für den Start der Interaktion mit
unbekannten Menschen verantwortlich. Bekanntschaften zu Fremden entstehen vor
allem über ähnliche Interessensphären. Diese Sphären können durch Nischen, einer
zugehörigen Minderheit, vorhandenen Fetischen, etc. bestimmt werden.44
Alle virtuellen und sozialen Erfahrungen, die aufgrund onlinebasierter
Kommunikation gesammelt werden können, tragen zu einer Identitätsgenese bei.
Im Normalfall wird diese Aufgabe durch die Familien, Freunde und anderen
Mitglieder des individuellen sozialen Umfelds übernommen. In der heutigen Zeit
übernehmen die sozialen Netzwerke einen Teil dieser Selbstsozialisation und
generieren eine spezifische persönliche Identität.45
Eine Verbindung zwischen realer
Identität und virtuellem Ich entsteht, die ein besonderes Identitäts-, Beziehungs-
und Informationsmanagement erfordert. Die für die Entstehung der Ich-Identität
erforderliche Individualisierung und Sozialisierung geht hier einher.46
Das vorhandene Bedürfnis nach Aufmerksamkeit ist ein weiteres wichtiges
Werkzeug bei der Identitätsfindung. Werden beispielsweise die eigenen Beiträge
und gelieferten Informationen von verschiedenen Facebook-Freunden kommentiert,
wird dieses Aufmerksamkeitsbedürfnis belohnt. Dahingegen werden Beiträge
vermieden, die negative Reaktionen auslösen könnten, damit dieses
43
Vgl. von Gehlen: Facebook & Co., S. 2; Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 77, 124. 44
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 16; Münker: Emergenz
digitaler Öffentlichkeiten, S. 84, 86; Schmidt: Das neue Netz, S. 58f, 73, 86, 88. 45
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 19, 20-27; Goffman: Wir alle
spielen Theater, S. 18. 46
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 28, 30; Münker: Emergenz
digitaler Öffentlichkeiten, S. 76, 77, 78.
16
Belohnungssystem nicht kontraproduktiv hinsichtlich der Sozialisierung wirkt.
Individuelle Verhaltensweisen auf Netzwerkplattformen wie Facebook sind gerahmt
von Bedingungen und Regeln, wobei die Richtlinien, Kodes, usw. den Kriterien der
face-to-face Kommunikation entsprechen. Die kommunikative Praxis bringt
Gemeinsamkeiten hervor, die den sozialen Rang eines Individuums positiv
beeinflussen und die individuelle Kommunikation verstärken können.47
Aus diesen Mitteln der Identitätsgenese entsteht eine neue Form von Privatheit im
Internet. Die private Kommunikation wird teilweise öffentlich zur Schau gestellt.
Das bedeutet im Umkehrschluss allerdings nicht, dass alle Kontakte sehen müssen,
was ein Nutzer auf Facebook veröffentlicht. Bestimmte Funktionen der
Netzwerkplattform bieten den Mitgliedern die Option zu entscheiden, inwieweit es
dem individuellen sozialen Umfeld auf Facebook möglich ist, Beiträge einsehen zu
können oder nicht.48
Bei der nun vorliegenden persönlichen Öffentlichkeit spielt die gesellschaftliche
Relevanz einer Information keine Rolle mehr. Sie ist nur für ein definiertes
Publikum vorhergesehen und dient parallel als Mittel zur Selbstdarstellung. Das
Begriffspaar Öffentlichkeit und Privatheit stellt in diesem Moment keinen
Gegensatz mehr dar. Mit dem Offenlegen von persönlichen Informationen vor dem
Hintergrund einer besonderen Publikumserwartung baut das Facebook-Mitglied
eine Fassade auf, die den Zwecken der Selbstdarstellung dient.49
Die Gefahr dieser Fassade besteht in der vorliegenden Asymmetrie des
Kommunikationsprozesses. Bei diesem ist sich der Publizist nur einem
Kommunikationsstrom bewusst und zwar genau der, den er gestartet hat. Im
Gegensatz dazu nehmen die Beobachter eines Beitrags beide Ströme der
Kommunikation wahr, wodurch sie Einträge als unpassend bewerten und die
Fassade, bzw. die Selbstdarstellung zerstören können. Des Weiteren kommt es
durch das Verschwimmen der Grenze zwischen Privatsphäre und Öffentlichkeit
teilweise zu offenen Streitigkeiten oder Mobbingfällen im Internet.50
47
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 28. 48
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 115, 116; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink:
Heranwachsen mit dem Social Web, S. 31; Schmidt: Das neue Netz, S. 77, 90, 116. 49
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 30f, 31; Münker: Emergenz
digitaler Öffentlichkeiten, S. 118f; Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 23, 28; Schmidt: Das neue Netz, S.
97, 115. 50
Vgl. Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 10f, 73; Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem
Social Web, S. 36.
17
5.3 Das performative Handeln auf Facebook
Das performative Handeln auf Facebook ist durch ein aktives Bewusstsein für seine
stellvertretende Präsentation als Performanz-Werkzeug geprägt. Reaktionen der
anderen Nutzer sind erwünscht, führen aber zum Problem mit dem Begriffspaar
Ausdruck und Handeln. Nicht immer wird der Ausdruck durch ein bestimmtes
Handeln gerechtfertigt.51
Des Weiteren stellt die Performanz auf Netzwerkplattformen wie Facebook
vermeintlich artistische Darbietungen dar, die bereits aus Untersuchungen von
Alexandra Schneider zum Familienfilm bekannt sind. Der aktive Facebook-Nutzer
versucht durch sein performatives Verhalten die Aufmerksamkeit zu erlangen,
sowie durch veröffentlichte Informationen sein Netzwerk von Kontakten dazu zu
bewegen seine Beiträge zu lesen und zu kommentieren.52
In seiner alltäglichen Kommunikation kann der Mensch auf verschiedene Gesten
zurückgreifen, die sein Gesprächspartner durch seine kulturelle Vorbildung ohne
Probleme deuten kann. Wie bereits angesprochen, gelten diese Praktiken der
Kommunikation ebenfalls bei onlinebasierter Kommunikation. In Bezug auf
Körpersprache und Gesten kann daher von ähnlichen Bedingungen ausgegangen
werden, wobei sich diese natürlich anders ausdrücken.53
Durch das Posten von Beiträgen zeigt ein Mitglied Facebooks das eigene Selbst und
versucht sich sichtbar zu machen. Mit der Kommentierung von Informationen
seiner Facebook-Freunde macht der Nutzer nichts anderes, als seinem potenziellen
Kommunikationspartner zu winken und ihm zu zeigen, dass er „vor Ort“ ist. Das
Winken ist eine der universellsten Gesten und symbolisiert Begrüßung,
Kontaktaufnahme, Verabschiedung, etc. beinahe in jedem Kulturkreis. Gleichzeitig
dient das Kommentieren oder das Winken dem Selbstzweck sein Gegenüber zu
einer Antwort, bzw. zum Betrachten der Profilseite zu bewegen. Die gewünschten
Reaktionen dienen gleichermaßen als persönliche Zustimmung und
Beliebtheitsskala, weil sich Menschen über ihre geführte Kommunikation und ihr
soziales Netzwerk definieren.54
Das bedeutet im Umkehrschluss, dass die Quantität der erhaltenen Kommentare
51
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 127; Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 33. 52
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 141. 53
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 41. 54
Vgl. Goffman: Wir alle spielen Theater, S. 8; Schneider: Die Stars sind wir, S. 119, 161-165.
18
und anderen Reaktionen – zum Beispiel den „Gefällt mir“-Daumen – im Hinblick
auf die eigenen Beiträge eines Facebook-Nutzers die Popularität und die soziale
Stellung einer Person nachhaltig bestimmen. Außerdem werden durch die
verschiedenen Werkzeuge der Performanz auf Facebook in der virtuellen Welt des
Internets leichter Komplimente als im realen Leben gegeben.55
6 Das Phänomen Hans Sarpei
Wie diese performativen Elemente gezielt eingesetzt werden können, zeigen
mehrere Fälle. Unternehmen und Personen des öffentlichen Lebens haben die
Chancen und Effekte des Web 2.0 für ihre Bedürfnisse entdeckt. Als konkretes
Beispiel wird die Person Hans Sarpei zur weiteren Analyse hinzugezogen. Er
erlangte in den letzten Jahren große Aufmerksamkeit auf verschiedenen Plattformen
des Social Webs und konnte sich selbst als „Netzstar“ etablieren.56
Von 1995 bis 2012 war Sarpei aktiver Profifußballer bei verschiedenen Vereinen in
der 1. und 2. Bundesliga, aber bereits während der letzten Jahre als aktiver Sportler
großes Engagement im Social Web. Bei einem Trainerwechsel des
Bundeligavereins FC Schalke 04 löste Ralf Rangnick Felix Magath als Trainer ab,
bei dem Sarpei über eine Reservistenrolle nicht mehr hinaus kam. Unter dem neuen
Trainer spielte er wieder eine größere Rolle und machte durch eine sehr gute
Leistung in einem Champions-League-Spiel wieder auf sich aufmerksam; nicht nur
auf, sondern ebenfalls neben dem Platz. Ein TV-Interview und eine Twitter-
Unterhaltung zwischen Sarpei und Mannschaftskollegen Alexander Baumjohann
katapultierten Hans Sarpei in den Fokus der Fußball-Gemeinde. Seine dabei
gezeigte Schlagfertigkeit und seinen sarkastischen Humor belohnte die Fan-
Gemeinde mit einem wahren Sarpei-Hype im Internet.57
Um ihn herum wurden Kult-Sprüche (Hans Sarpei Facts) erfunden, die seine schier
55
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 81. 56
Vgl. von Jung von Matt: In einem Jahr zu Deutschlands viralster Marken-Persönlichkeit - Das Phänomen
Hans Sarpei, Online 2012 (Online verfügbar:
http://www.jvm.com/profiler_hanssarpei/download/Studie_Sarpei.pdf, Stand 04.04.2013)[im Folgenden
zitiert als: von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei], S. 3. 57
Vgl. von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei, S. 9; Unbekannter Autor: Was Marken von Hans
Sarpei lernen können, Online 01.03.2012 (Online verfügbar: http://blog.themissingpiece.de/was-marken-von-
hans-sarpei-lernen-konnen, Stand 04.04.2013).
19
unmöglich erscheinenden Leistungen im oben genannten Champions-League-Spiel
honorierten: „Hans Sarpei, das ‚L‘ steht für ‚Gefahr‘“ oder „Hans Sarpei trinkt aus
dem Wasserhahn auf Ex“ sind nur wenige Beispiele. Angelehnt an die Kultsprüche,
die um die Person Chuck Norris einige Jahre früher entstanden sind, wusste bald
jeder fußballinteressierte Internet-Nutzer wer Hans Sarpei ist und was ihn
auszeichnet. Die virale Eigendynamik des Social Web überträgt sich auf die
Kultfigur Hans Sarpei, wobei sein Kultfaktor noch mehr durch ein crossmediales
Interesse an Sarpeis Person stieg. Die Erwähnung in großen Tages-
/Wochenzeitungen und deren Online-Auftritten, TV-Interviews, etc. ebneten die
weitere Festigung der Position Hans Sarpeis als Phänomen der Netzkultur und
dadurch als „Netzstar“.58
Seine im Social Web abgegebenen Posts, Tweets und Kommentare lösten sich bald
von rein sportlichen Themen. Sarpei ging vermehrt auf Themen des öffentlichen
Lebens ein, um seine Fangemeinde zu vergrößern und seinen eigenen
Expertenstatus weiter zu festigen. Eine starke Partizipation mit seinen Fans, bzw.
Freunden über die verschiedensten Kommunikationskanäle im Internet wurde
ebenfalls von Sarpeis Fangemeinde wahrgenommen. Dabei liked, teilt und
kommentiert er nicht nur seine eigenen Einträge, sondern zudem die seiner Fans
oder eben alles was in seinen Augen eine nützliche Information für die
Internetgemeinde darstellt.59
Der Erfolg Hans Sarpeis wurde von Wirtschaft und Wissenschaft wahrgenommen,
sodass seine Person und deren öffentliches Bild als Case Study für verschiedene
Marketing- und Social Media-Analysen hinzugezogen wurden.
Sozialpsychologische und wirtschaftswissenschaftliche Beobachtungen zur Genese
des Kult-Phänomens können dabei abgelesen werden.
Die eher zufällige Entstehung und Entwicklung des Phänomens Hans Sarpei, kann
einerseits auf die bereits vorhandene, aufmerksame Fanbasis von FC Schalke 04
zurückgeführt werden. Ohne diese wäre die virale Verbreitung mit großer
Wahrscheinlichkeit anders verlaufen. Den Anstoß zu den Hans-Sarpei-Facts gab
58
Vgl. von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei, S. 11. 59
Vgl. von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei, S. 12, 15; Schobelt, Frauke: „Unterhaltsam,
zuverlässig und schwarz“: Hans Sarpei wird Social Media Consultant bei Karstadt Sports, Online 22.08.2012
(Online verfügbar:
http://www.wuv.de/marketing/unterhaltsam_zuverlaessig_und_schwarz_hans_sarpei_wird_social_media_
consultant_bei_karstadt_sports, Stand 04.04.2013)[im Folgenden zitiert als: Schobelt, Frauke: Hans Sarpei
wird Media Consultant bei Karstadt Sports].
20
hier die Fangemeinde des Bundesliga-Vereins, die sich danach natürlich sehr
schnell aus den eher geschlossenen Foren der Fanklubs über die verschiedenen
Kanäle im Internet verbreiteten.60
Hierdurch wird wiederum die Eigendynamik des Internets mit seiner Kollektiv-
ähnlichen Struktur deutlich sichtbar. Die kurzen Distributionswege und
exponentielle Verbreitungsmöglichkeiten machen eine virale Verbreitung dieses
Ausmaßes erst möglich, sodass nur kurz nach der erstmaligen Erwähnung seiner
Person im Zusammenhang mit den Kult-Sprüchen schnell die Öffentlichkeit
erreichte. Eine crossmediale Berichterstattung zu diesem Phänomen verstärke die
Entwicklung in der gleichen Weise, weil hier ebenfalls Rezipienten ohne sportliche
Interessen erreicht wurden. Gleichzeitig honoriert die Internet-Gemeinde ehrliche,
selbstkritische und ironische Eigenberichterstattungen von Personen des
öffentlichen Lebens.
Besonders hervorzuheben ist außerdem, dass im Fall von Hans Sarpei seine
virtuellen Aktionen im Folgenden reale Reaktionen ausgelöst haben. Sarpei wird
dabei als Werbeträger und Experte von der Sport-, bzw. der Marketingwirtschaft
gezielt eingesetzt. Karstadt Sports, die Bild-Zeitung, die Fernsehsender Eurosport
und Sky, usw. sind nur die bekanntesten Unternehmen, die auf Hans Sarpeis
Expertise und Kult-Status zurückgreifen. Innerhalb dieser wirtschaftlichen und
journalistischen Maßnahmen liegt die Fokussierung weiterhin auf Inhalte der Hans
Sarpei Facts und damit der weiteren Pflege seines Kultstatus.61
7 Fazit
Auf den Internetseiten des Web 2.0 generieren die Nutzer deren Inhalte und lassen
den Unterschied zwischen den Rezipienten und Produzenten von Inhalten
verschwinden. Durch die Verlagerung der sozialen Kommunikation in das Medium
Internet besteht für die Nutzer die Möglichkeit ihr kommunikatives Netzwerk zu
erweitern. An Hand der verschiedenen Kategorien der Web 2.0-Angebote lässt sich
die wichtige Funktion der Kommunikation für die Gesellschaft ablesen und neue
60
Vgl. von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei, S. 9; Schobelt, Frauke: Hans Sarpei wird Media
Consultant bei Karstadt Sports. 61
Vgl. von Jung und Matt: Das Phänomen Hans Sarpei, S. 12; Schobelt, Frauke: Hans Sarpei wird Media
Consultant bei Karstadt Sports.
21
Kommunikationsflüsse entstehen. Mit der Partizipation der Nutzer an der
Erstellung der Internetinhalte können Vorlieben und neue soziale Trends erkannt,
bzw. von Unternehmen vermarktet werden.62
Das Internet wird dadurch zum Leitmedium der Gesellschaft und repräsentiert ihre
kommunikativen Ideen und Praktiken in der heutigen Zeit. Die Inhalte des Internets
treten überall im täglichen Leben der Menschen auf und können eine Beeinflussung
der Gewohnheiten und Lebensweisen der Gesellschaft erreichen.63
Vorhandene Netzwerke werden somit zur wichtigsten Komponente der sozialen
Kommunikation und lassen die Differenzen zwischen Teilen der Gesellschaft und
ihrer Medien verschwimmen. Die Bedeutung der sozialen Netzwerke, in denen sich
die Gesellschaft zunehmend organisiert, nimmt bereits heute einen hohen
Stellenwert ein und kann mit Hilfe des Beispiels Facebook anschaulich
nachvollzogen werden. Allerdings ist die Netzwerkplattform – aufgrund der
bestehenden Abhängigkeit zwischen den Nutzern eines Web 2.0-Angebots und den
von ihnen erstellten Inhalten – auf ihre Mitglieder angewiesen. Die dadurch
generierten Kommunikationspraktiken sind für die partizipierenden User prägende
Faktoren bei ihrer sozialen Interaktion auf Plattformen wie Facebook.
Unterschiedliche Beobachtungen zeigen außerdem die Ähnlichkeit zwischen
onlinebasierter und face-to-face Kommunikation. Die innerhalb des Internets
geführte Kommunikation stellt lediglich die Fortführung der vorhandenen
Interaktion des alltäglichen Lebens dar und ist denselben Voraussetzungen
unterworfen. Individuelle kulturelle Vorprägungen sind somit entscheidend für die
Formen der Selbstdarstellung und die Interaktion der Kommunikationsteilnehmer
untereinander. Trotzdem bestehen zwischen beiden Kommunikationsformen
erhebliche Unterschiede, die sich aus den verschiedenen Praktiken und Routinen
der Kommunikation im Internet konzipieren.
Das spezielle Auftreten in Profilen der Netzwerkplattform Facebook beispielsweise
ist eher mit der autonomen Performanz in einem Theaterstück zu vergleichen. Hier
verwendete Begriffe wie Spektakel, Exzess und Gestik zielen auf die bewusste
Sichtbarkeit einer Performanz ab. Die kommunikativen Praktiken der öffentlichen
Performanz sind den Facebook-Nutzern durchaus bewusst.64
62
Vgl. Schmidt/Hasebrink/Hasebrink: Heranwachsen mit dem Social Web, S. 19. 63
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 46. 64
Vgl. Schneider: Die Stars sind wir, S. 124, 126
22
Eingeschriebene Mitglieder wollen auf Facebook eine Form von Bestätigung oder
gesellschaftlicher Teilhabe erreichen und dadurch ihr individuelles Bedürfnis nach
Aufmerksamkeit stillen. Aufgrund der bestimmten kommunikativen Praktiken im
Internet kommt es zu einer Veränderung der Identität von Individuen und
Gesellschaften. Verschiedene soziale Erfahrungen onlinebasierter Kommunikation
tragen zu einer Identitätsgenese bei, die eine neue Form von Privatheit durch einen
öffentlicheren Umgang mit persönlichen Informationen entstehen lässt.65
Das aktive Bewusstsein der User für die stellvertretende Funktion Facebooks als
ein zugängliches Performanz-Werkzeug lässt ihn die jeweiligen Anwendungen auf
der Netzwerkplattform nach seinen Bedürfnissen gezielt einsetzen. Gewünschte
Reaktionen der Kommunikationspartner auf Facebook bestätigen im Nachhinein
das Handeln und die Interaktion der Mitglieder.
Ähnliche Entwicklungen konnten ebenfalls am Beispiel des Hypes um die Person
Hans Sarpeis beobachtet werden. Er benutzt Facebook und andere Seiten des Social
Webs für seine Bedürfnisse, allerdings hat Hans Sarpei erkannt, wie wichtig
authentische Interaktion mit seiner Fangemeinde ist. Die realen Auswirkungen in
Form von Werbeverträgen und seine Posten als Social Media Consultant zeigen
außerdem, welche Chancen das Social Web seinen Nutzern bieten kann.
Kategorien wie die Strukturen der Gesellschaft, die individuelle Identitätsgenese
oder die Funktion der politischen und sozialen Kommunikation werden auf diese
Weise vom Medium Internet sowie seinen enthaltenen Angeboten des Web 2.0
verändert und an die kommunikativen Praktiken der Zeit angepasst.66
Dieser
Umstand stellt zwar nicht eine grundlegende Revolution der
Kommunikationspraktiken innerhalb der Gesellschaft dar, allerdings lässt der
Einfluss des Internets auf die sozialen Gefüge der Menschheit detailliertere
Forschungen in den Bereichen der Identitätsgenese, der Sozialisierungsprozesse
und den personalisierten Vermarktungsstrategien der Werbewirtschaft auf
medienpsychologischer Ebene in der Zukunft zu.
65
Vgl. Schmidt: Das neue Netz, S. 119. 66
Vgl. Münker: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten, S. 53.
23
8 Literatur:
Bolz, Norbert: Am Ende der Gutenberg-Galaxis – Die neuen
Kommunikationsverhältnisse, 3. Auflage, München 2008.
Castells, Manuel: Das Informationszeitalter. Der Aufstieg der Netzwerkgesellschaft,
Band 1, Opladen 2004.
van Eimeren, Birgit/ Frees, Beate: Fast 50 Millionen Deutsche online – Multimedia
für alle? Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2010, in: Media Perspektiven 7-
8/2010.
von Gehlen, D.: Facebook & Co. - Das viertgrößte Land der Erde, Suedeutsche.de
19.09.2009 (Online verfügbar: http://www.sueddeutsche.de/digital/facebook-amp-
co-das-viertgroesste-land-der-erde-1.2600, Stand 04.04.2013).
Goffman, Erving: Wir alle spielen Theater. Die Selbstdarstellung im Alltag,
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Hornig, Frank/ Schulz Thomas: Seid verschlungen, Millionen!, in: Der Spiegel
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Huber, Melanie: Kommunikation im Web 2.0, Konstanz 2008.
von Jung von Matt: In einem Jahr zu Deutschlands viralster Marken-Persönlichkeit
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04.04.2013).
McLuhan, Marshall/Powers, Bruce R.: The Global Village. Transformation in world life
and media in the 21st century, New York 1992.
McLuhan, Marshall: Die Gutenberg-Galaxis – Das Ende des Buchzeitalters, Bonn; Paris
1995.
24
McLuhan, Marshall: Understanding Media. The Extensions of Men. Edited by Terrence
Gordon, Corte Madera 2003.
Münker, Stefan: Emergenz digitaler Öffentlichkeiten – Die Sozialen Medien im
Web 2.0, Frankfurt am Main 2009.
O'Reilly, Tim: What is Web 2.0? Design Patterns and Buisness Models for the Next
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http://oreilly.com/web2/archive/what-is-web-20.html, Stand 04.04.2013).
Schmidt, Jan: Das neue Netz – Merkmale, Praktiken und Folgen des Web 2.0,
Konstanz 2009.
Schmidt, J./ Paus-Hasebrink, I./ Hasebrink, U. (Hrsg.): Heranwachsen mit dem
Social Web. Zur Rolle von Web 2.0-Angeboten im Alltag von Jugendlichen und
jungen Erwachsenen, Berlin 2009.
Schneider, Alexandra: Die Stars sind wir – Heimkino als filmische Praxis, Marburg
2004.
Schobelt, Frauke: „Unterhaltsam, zuverlässig und schwarz“: Hans Sarpei wird
Social Media Consultant bei Karstadt Sports, Online 22.08.2012 (Online verfügbar:
http://www.wuv.de/marketing/unterhaltsam_zuverlaessig_und_schwarz_hans_sarpe
i_wird_social_media_consultant_bei_karstadt_sports, Stand 04.04.2013).
The Economist: Social networks and statehood: The future is another country, 2010
Berlin; San Francisco. (Online verfügbar:
http://www.economist.com/node/16646000?story_id=16646000, Stand
04.04.2013).
Unbekannter Autor: Was Marken von Hans Sarpei lernen können, Online
01.03.2012 (Online verfügbar: http://blog.themissingpiece.de/was-marken-von-
hans-sarpei-lernen-konnen, Stand 04.04.2013).
25
9 Eigenständigkeitserklärung
Hiermit versichere ich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und nur mit den
angegebenen Hilfsmitteln verfasst habe.
Ich erkläre ausdrücklich, dass ich sämtliche in der Arbeit verwendeten fremden Quellen,
auch aus dem Internet, als solche kenntlich gemacht habe. Insbesondere bestätige ich, dass
ich ausnahmslos sowohl bei wörtlich übernommenen Aussagen bzw., unverändert
übernommenen Tabellen, Grafiken u. Ä. (Zitaten) als auch bei in eigenen Worten
wiedergegebenen Aussagen bzw. von mir abgewandelten Tabellen, Grafiken u. Ä. anderer
Autorinnen und Autoren (indirektes Zitieren) die Quelle angegeben habe.
Mir ist bewusst, dass Verstöße gegen die Grundsätze der Selbstständigkeit als Täuschung
betrachtet und entsprechend der Prüfungsordnung und/oder der Allgemeinen Satzung für
Studien- und Prüfungsangelegenheiten der HU (ASSP) geahndet werden.
Die Arbeit wurde in gleicher oder ähnlicher Form bisher bei keiner anderen Institution
eingereicht.
Berlin, den 10.04.2013
Unterschrift