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Henning Feldmann Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des Lernens Erwachsener Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades eines Doktors der Philosophie der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum (Dekan: Prof. Dr. Joachim Wirth) Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Wittpoth Zweitgutachter: Prof. Dr. Franzjörg Baumgart Datum der mündlichen Prüfung: 02.02.2012

Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des … · von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive

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Henning Feldmann

Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des Lernens Erwachsener

Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades

eines Doktors der Philosophie der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum

(Dekan: Prof. Dr. Joachim Wirth)

Gutachter: Prof. Dr. Jürgen Wittpoth Zweitgutachter: Prof. Dr. Franzjörg Baumgart

Datum der mündlichen Prüfung: 02.02.2012

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung 1

2 Konzeptionen von Sozialkapital 10

2.1 ‚Bowling alone’ und kollektives Sozialkapital: Robert Putnam 13

2.1.1 Kritische Betrachtung 22

2.2 Sozialkapital als individuelle Handlungsressource: James Coleman 28

2.2.1 Kritische Betrachtung 37

2.3 Habitus, Feld und das soziale Kapital als relationales Konstrukt:

Pierre Bourdieu

40

2.3.1 Kritische Betrachtung 52

2.4 Funktionen sozialen Kapitals: Vergleich der Sozialkapitalkonzepti-

onen von Putnam, Coleman und Bourdieu

54

2.5 Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Begriffe im Bedeu-

tungshorizont sozialen Kapitals

72

2.5.1 Soziale Integration, Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe 73

2.5.2 Bürgerschaftliches Engagement 78

2.5.3 Perspektivenerweiterungen 81

3 Soziales Kapital im Kontext erwachsenenpädagogischer Dis-

kurssegmente

86

3.1 Soziales Kapital als Voraussetzung des Lernens Erwachsener:

explizite Anschlüsse

90

3.2 Soziales Kapital als Voraussetzung des Lernens Erwachsener:

implizite Anschlüsse

96

3.2.1 Zur Diskussion über selbstgesteuertes und informelles Lernen 97

3.2.2 Selbstgesteuertes und informelles Lernen in sozialen Netzwerken

und Gemeinschaften

100

3.2.3 Netzwerke (in) der Weiterbildung 119

3.3 Soziales Kapital als Ertrag des Lernens Erwachsener: explizite An-

schlüsse

127

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3.4 Soziales Kapital als Ertrag des Lernens Erwachsener: implizite An-

schlüsse

137

3.4.1 Integration, Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe als Erträge

des Lernens Erwachsener

138

3.4.2 Bürgerschaftliches Engagement und Erwachsenenlernen 145

4 Erwachsenenpädagogische Diskurssegmente über Sozialkapi-

tal: Vergleich und Kritik

154

4.1 Wechselwirkungen und Gleichzeitigkeit versus ‚closed shops’ 155

4.2 Zur Kontingenz des Zusammenhangs zwischen Erwachsenenler-

nen und Sozialkapital

160

4.3 Zum erwachsenenpädagogischen Selbstverständnis im Rahmen

der Debatte über selbstgesteuertes und informelles Lernen

162

4.4 Normative Verkürzungen 169

4.5 Zielgruppenorientierung: ‚Alter Wein in neuen Schläuchen’? 173

4.6 Institutionelle Rahmungen von Erwachsenenlernen 180

4.7 Zur Unbestimmtheit zentraler Begriffe im Rahmen erwachsenen-

pädagogischer Auseinandersetzungen mit sozialem Kapital

183

4.8 ‚Blinde Flecken des pädagogischen Blicks’ 193

5 Schlussbetrachtung 201

6 Literatur- und Quellenverzeichnis 213

Lebenslauf 242

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Verzeichnis der Abbildungen und Graphiken:

Matrix 1 Selbstgesteuertes Lernen in Netzwerken – Lernanlässe

und Entstehungshintergründe

102

Abbildung 1 ‚Learning outcomes’ im ‚Kapitaldreieck’ 135

Abbildung 2 Sozialkapital als Voraussetzung und Ertrag des Ler-

nens Erwachsener – einfache Darstellung

155

Abbildung 3 Sozialkapital und Lernen – Individualebene und Kollek-

tivebene

156

Abbildung 4 Sozialkapital und Lernen – individuelle und kollektive

Entwicklung

157

Abbildung 5 Vergleich ‚Sozialkapital und kollektives Wohlergehen

gemäß Putnam’ und ‚Lernen, Humankapital und Sozi-

alkapital im Kontext erwachsenenpädagogischer Dis-

kurssegmente’

203

Abbildung 6 Vergleich ‚Sozialkapital als individuelle Handlungsres-

source gemäß Coleman’ und ‚Lernen in und für Netz-

werke(n) im Kontext erwachsenenpädagogischer Dis-

kurssegmente’

203

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1 Einleitung

Im November 2008 fand in Strobl am Wolfgangsee eine erwachsenenpädagogi-

sche Fachtagung mit dem Titel ‚Erwachsenenbildung und Sozialkapital’ statt, die

von der Arbeitsgemeinschaft ‚Gemeinwesenarbeit und Erwachsenenbildung’ und

dem Bundesinstitut für Erwachsenenbildung Österreich veranstaltet wurde. Die

Tagung wurde mit dem folgenden Text angekündigt:

„Tagung: Erwachsenenbildung und Sozialkapital Der Sozialkapital-Begriff verspricht, Quantität und Qualität menschlicher Beziehungen ‚angemes-sener’ zu erfassen bzw. die sozialen Bindungskräfte in der Gesellschaft ‚systematischer’ sichtbar zu machen und zu bewerten. Im Mittelpunkt stehen Fragen nach der Bedeutung von Vertrauen, von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive hat Konjunktur: OECD und Weltbank forcieren seit Anfang 2000 das internationale Programm ‚Measuring Social Capital’. Erwachsenenbildung ist mit dem Thema Sozi-alkapital indirekt in vielfältiger Weise befasst – beispielsweise, wo es um Partizipation und Inklusi-on, gemeindebezogene Bildungsarbeit, Nachhaltige Bildung, informelles Lernen im Engagement, lokale Bildungs- und Kulturarbeit, lernende Gemeinden, lernende Regionen usw. geht. Konzepte von Sozialkapital wurden aber von der österreichischen Erwachsenenbildung in diesem Zusam-menhang noch nicht befragt. Die Tagung ‚Erwachsenenbildung und Sozialkapital’ setzt hier erste Schritte – und stellt folgende Fragen: Welchen Stellenwert haben Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernen für die Stärkung von Sozialkapital? Welchen Stellenwert hat Sozialkapital für unterschiedliche Formen des lebenslangen Lernens? Welche Methoden zur Erfassung von Sozialkapital sollten in die Erwachsenenbildung Eingang finden?“ (vgl. www.politischekommunikation.at)

Diese Fachtagung bzw. die im Ankündigungstext deutlich werdenden Fragestel-

lungen und Überlegungen deuten auf zentrale Aspekte hin, die sich hinsichtlich

unterschiedlicher Bezugnahmen auf soziales Kapital im Rahmen erwachsenenpä-

dagogischer Diskurssegmente bestimmen lassen. Und dies gilt nicht nur für die

österreichische Erwachsenenbildung, sondern allgemein und auch in internationa-

ler Perspektive.

In dem Ankündigungstext kommen auf sehr allgemeiner Ebene drei zentrale For-

men der Thematisierung sozialen Kapitals in der Erwachsenenpädagogik zum

Ausdruck, die auf je eigene Weise unterschiedlichen Diskurssegmenten zuzuord-

nen sind. Es handelt sich hierbei um die folgenden Aspekte:

(1) Angeschlossen wird in vielerlei Hinsicht an die gegenwärtige Popularität und

Verbreitung bestimmter Facetten des Sozialkapitalbegriffs in öffentlichen und wis-

senschaftlichen Diskursen (‚Die Sozialkapital-Perspektive hat Konjunktur’). Auf

diese Weise wird das Lernen Erwachsener bzw. das lebenslange Lernen in die

Nähe von Ansätzen gerückt, in denen unter Rückgriff auf den Sozialkapitalbegriff

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eine ‚alte’ gesellschaftliche Problemstellung auf (vermeintlich) ‚neue’ Weise disku-

tiert wird. Letztlich geht es hierbei um die Frage nach dem sozialen Zusammenhalt

in modernen Gesellschaften und die Sorge, dass dieser immer weiter verloren

geht. Diese Sichtweise gehört mehr oder minder zum Grundbestand soziologi-

scher Überlegungen spätestens seit Emile Durkheim den Begriff der Anomie in die

moderne Soziologie eingeführt hat. Mit dem Sozialkapitalbegriff – der in der hier

erkennbaren Lesart seit Mitte der 1990er verstärkt auf den Plan tritt – werden

ebenfalls Aspekte des gesellschaftlichen Zusammenhalts und der Bedeutung so-

zialer Vernetzungsformen fokussiert. Abgesehen von den vielen notwendigen Dif-

ferenzierungen des Begriffs, die ich im weiteren Verlauf meiner Arbeit noch auf-

greifen werde, kann zunächst festgehalten werden, dass soziales Kapital gerade

im Kontext neuerer politisch-öffentlicher Debatten in den letzten Jahren zu einer

Formel avanciert ist, durch die vor allem der Verlust des sozialen Zusammenhalts

und die damit einhergehenden Probleme in modernen Gesellschaften in einer an-

deren Qualität als bisher beschrieben werden. Die unterschiedlichen Erschei-

nungsformen sozialen Zusammenhalts, die sich bspw. in sozialer Vernetzung, ge-

teilten Werte- und Normenvorstellungen, in einem hohen Maß an gesellschaftli-

cher Integration, im wechselseitigen Vertrauen oder in einem hohen Maß an frei-

willigem bürgerschaftlichem Engagement zeigen, werden nunmehr als eine Form

von (kollektivem) Kapital beschrieben, dessen Vorhandensein für gesamtgesell-

schaftlichen Wohlstand und Prosperität eine wichtige Rolle spielt. Es gilt demnach,

soziales Kapital in einer Gesellschaft aufzubauen, zu fördern und in der richtigen

Art und Weise zu nutzen – in vielen modernen Gesellschaften scheint dies aber

zunehmend schwieriger zu werden (vgl. Putnam 2000, 2001). Mit Blick auf die so-

ziale Makroebene hat sich darauf hin die Annahme durchsetzen können, dass Ge-

sellschaften, in denen viel Sozialkapital vorhanden ist, gegenüber anderen, die

wenig Sozialkapital aufweisen, einen Vorteil haben.

In anderen aktuellen Konzeptionen sozialen Kapitals wird hingegen sehr deutlich

die soziale Mikroebene fokussiert. Betrachtet man die einzelnen in einer Gesell-

schaft lebenden Individuen, die sich untereinander vernetzen (d. h. soziale Netz-

werke bilden) und sich auf diese Weise gegenseitig soziales Kapital zur Verfügung

stellen, zeigen sich mögliche Effekte sozialen Kapitals auch darin, dass diejenigen

Personen, die mit anderen vernetzt sind, besser oder schneller bestimmte Hand-

lungsziele erreichen können, als andere, denen diese Ressourcen nicht im glei-

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chen Maße zur Verfügung stehen (vgl. Haug 1997). Letztlich fällt aber bei beiden

Perspektiven auf, dass Sozialkapital in aktuellen Debatten zumeist positiv konno-

tiert ist: Je mehr davon vorhanden ist, desto besser.

(2) Angesprochen wird vor diesem Hintergrund oftmals die Frage, welchen Beitrag

Erwachsenenlernen zum Aufbau sozialen Kapitals leisten kann (‚Welchen Stel-

lenwert haben Erwachsenenbildung und lebenslanges Lernens für die Stärkung

von Sozialkapital?’). Man geht dann von der Annahme aus, dass das Lernen Er-

wachsener einen Einfluss auf diejenigen sozialen Phänomene haben (kann), die

im Rahmen unterschiedlicher Facetten der Sozialkapitaldebatte angesprochen

werden. Es gilt in der vorliegenden Arbeit noch zu zeigen, auf welche Weise die-

ser Einfluss von Erwachsenenlernen auf die Herausbildung sozialen Kapitals kon-

kret gesehen wird. Im Kern drehen sich diese Argumentationen darum, soziale

Vernetzung, gesellschaftliche Integration, Teilhabe u. Ä. als intendierte oder unin-

tendierte Folgen unterschiedlicher Formen des Lernens Erwachsener zu betrach-

ten. Sozialkapital ist dann ein Ertrag des Lernens Erwachsener. Aus vielen der

Ansätze, die sich in diesem Zusammenhang anführen lassen, werden dann wie-

derum normative Überlegungen abgeleitet, die sich entweder an die Erwachse-

nenbildungspraxis, an die Lerner oder an politische Entscheidungsträger richten.

(3) Schließlich zeigt der Ankündigungstext auf, dass auch die umgekehrte Blick-

richtung insofern eine Rolle spielt, als seitens verschiedener Ansätze der Erwach-

senenpädagogik auch nach dem Einfluss sozialen Kapitals auf das Lernen Er-

wachsener gefragt wird (‚Welchen Stellenwert hat Sozialkapital für unterschiedli-

che Formen des lebenslangen Lernens?’). Es wird hierbei von der Annahme aus-

gegangen, dass soziale Kontexte bzw. Netzwerke Orte des Lernens Erwachsener

darstellen können. Lernen findet demnach in sozialen Netzwerken statt und wird

zudem beeinflusst durch die in einer Gesellschaft (oder in einzelnen sozialen

Gruppen) vorhandenen Werte- und Normensysteme bzw. die Verfasstheit einer

Gesellschaft mit Blick auf den sozialen Zusammenhalt. Sozialkapital kommt dann

als Voraussetzung des Lernens Erwachsener in den Blick.

Für die österreichische Erwachsenenbildung wird zu der angesprochenen Tagung

festgehalten, dass „Erwachsenenbildung […] mit dem Thema Sozialkapital indirekt

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in vielfältiger Weise befasst [ist] – beispielsweise, wo es um Partizipation und In-

klusion, gemeindebezogene Bildungsarbeit, Nachhaltige Bildung, informelles Ler-

nen im Engagement, lokale Bildungs- und Kulturarbeit, lernende Gemeinden, ler-

nende Regionen usw. geht.“ Allerdings wird ebenfalls darauf hingewiesen, dass

„Konzepte von Sozialkapital […] aber von der österreichischen Erwachsenenbil-

dung in diesem Zusammenhang noch nicht befragt [wurden].“

Diese Aussagen gelten weitgehend für die Erwachsenenbildung des gesamten

deutschen Sprachraums. Man kann hier in erster Linie implizite (bzw. mittelbare)

Bezugnahmen konstatieren, die auf Problemstellungen ansprechen, die zum Kern

der Sozialkapitaldebatte gehören, ohne hierbei unbedingt den Begriff des sozialen

Kapitals selbst zu verwenden. Mit Blick auf erwachsenenpädagogische Diskurs-

segmente, die im angelsächsischen Sprachraum angesiedelt sind, stellt sich dies

anders dar. Der Sozialkapitalbegriff wird hier in Teilen explizit (bzw. unmittelbar)

aufgegriffen und mit Erwachsenenlernen in Verbindung gebracht. Unabhängig da-

von, ob nun explizit oder implizit an die Sozialkapitaldebatte angeschlossen wird,

lässt sich letztlich auf bestimmte Weise immer zumindest eine der oben skizzier-

ten Blickrichtungen auf den Zusammenhang zwischen Erwachsenenbildung (bzw.

Erwachsenenlernen) und sozialem Kapital identifizieren. Hierbei ist es wichtig dar-

auf hinzuweisen, dass das Phänomen ‚Erwachsenenlernen’ in den entsprechen-

den Diskurssegmenten in einem sehr weiten Verständnis gefasst wird. Es kom-

men nicht nur institutionelle bzw. formelle Formen der Erwachsenenbildung in den

Blick, sondern im hohen Maße auch Formen des außerinstitutionellen und infor-

mellen Lernens Erwachsener außerhalb von Bildungsinstitutionen. Der oben zitier-

te Ankündigungstext verwendet den Begriff des ‚lebenslangen Lernens’ und hebt

auf diese Weise auf eine Perspektive der UNESCO ab, in der zwischen formal,

non-formal und in-formal adult education unterscheiden wird, um weitgehend

sämtliches Lernen, das im Laufe des Lebens (und vor allem im Erwachsenenalter)

stattfindet, in den Blick nehmen zu können – unabhängig davon, wie weit es for-

malisiert ist (vgl. Wittpoth 2003a: 110).

In den vorstehenden Ausführungen handelt es sich zunächst um eine knappe und

lediglich an einem exemplarischen Einzelereignis entfaltete Charakterisierung der

unterschiedlichen Bezugnahmen auf Sozialkapital im Rahmen des erwachsenen-

pädagogischen Diskurses, an der allerdings die zentralen Verlauflinien dieser Be-

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zugnahmen veranschaulicht werden können. Ich werde vor diesem Hintergrund in

meiner Arbeit die Ausgangsthese zugrunde legen, dass in der Erwachsenepäda-

gogik in weiten Teilen mit selektiven Vorstellungen von Sozialkapital operiert wird.

Es gilt zu zeigen, dass mit dem Sozialkapitalbegriff viele unterschiedliche soziale

Prozesse beschrieben werden, und es wird auf verschiedene sozial- oder politik-

wissenschaftliche Theoriehintergründe Bezug genommen, die voneinander abwei-

chende Perspektiven auf soziale Netzwerke oder sozialen Zusammenhalt haben,

da je unterschiedliche Dimensionen bzw. soziale Funktionen sozialen Kapitals

herausgestellt werden. Hauptziele meiner Arbeit sind, ein adäquates, multifunktio-

nales Verständnis des Sozialkapitalbegriffes zu entwickeln und auf dieser Grund-

lage die unterschiedlichen Bezugnahmen auf soziales Kapital in der Erwachse-

nenpädagogik herausarbeiten und sortieren zu können, um auf diese Weise die

Selektivität dieser Bezugnahmen und die damit einhergehenden argumentative

Engführungen zu identifizieren und somit Perspektivenerweiterungen, Relativie-

rungen und Kritik anzubieten, durch die ein neues Licht auf die betrachteten er-

wachsenenpädagogischen Diskurssegmente fällt.

Hierbei gehe ich weiterhin davon aus, dass sich trotz der mittlerweile sehr vielfälti-

gen Differenzierungen und Definitionen zum Sozialkapitalbegriff im Kern drei An-

sätze benennen lassen, die die theoretischen Grundlagen für alle weiteren Über-

legungen zum sozialen Kapital und dessen gesellschaftliche Bedeutung darstel-

len. Gemeint sind hier die Sozialkapitalkonzeptionen von Robert Putnam, James

Coleman und Pierre Bourdieu. Bei allen drei Autoren wird soziales Kapital als eine

besondere Form individueller oder gesellschaftlicher Ressourcen beschrieben, die

letztlich immer in einer Wechselwirkung mit sozialen Vernetzungsprozessen und

anderen Formen sozialer Vergemeinschaftung zu betrachten ist. Entscheidend ist

hierbei, soziales Kapital gleichermaßen als Voraussetzung und Ertrag dieser un-

terschiedlichen sozialen Prozessen zu betrachten, die untrennbar aufeinander

verwiesen sind. Die Tatsache, dass Putnam, Coleman und Bourdieu aus jeweils

unterschiedlichen Perspektiven auf die angesprochen Prozesse blicken bzw. je

spezifische Fragen an diese richten, führt zu unterschiedlichen Akzentsetzungen

und Interpretationen sozialen Kapitals und dessen Effekten. Während Putnam aus

einer kommunitaristischen Denktradition heraus und unter Rückgriff auf politikwis-

senschaftliche Methodiken vor allem als der Autor zu kennzeichnen ist, der sozia-

les Kapital in der bereits angesprochenen Weise als Kollektivressource betrachtet

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(vgl. Honneth 1995; Reese-Schäfer 2001), nimmt Coleman im Rahmen seiner so-

zialtheoretischen Studien in erster Linie die Individualebene in den Blick und be-

schreibt Sozialkapital als eine Handlungsressource, die Einzelnen auf der Grund-

lage ihrer sozialen Netzwerke zur Verfügung stehen und die zu einer Steigerung

der Möglichkeiten individueller Zielerreichung dienen kann (vgl. Coleman 1991)1.

Bei Pierre Bourdieu stellt soziales Kapital in gewisser Weise auch eher eine indivi-

duelle Ressource dar, welche allerdings im Zusammenspiel mit ökonomischen

und kulturellen Ressourcen zur Reproduktion gesellschaftlicher (Ungleichheits-)

Strukturen beiträgt und insofern ein wichtiges Element seiner gesamten Gesell-

schaftstheorie darstellt (vgl. Bourdieu 1982, 1983, 2005a; vgl. außerdem Schwin-

gel 2009).

Allgemein gesprochen wird soziales Kapital im Rahmen verschiedener erwachse-

nenpädagogischer Debatten ebenfalls als Voraussetzung und Ertrag sozialen Ge-

schehens (hier: Erwachsenenlernen) fokussiert. Zu nennen sind hierbei einerseits

diejenigen Ansätze, die sich explizit auf den Sozialkapitalbegriff beziehen und da-

nach fragen, ob und in welcher Weise Lernen durch individuelles Sozialkapital be-

günstigt bzw. ermöglicht wird oder wie sehr das Lernen Erwachsener durch Mo-

mente kollektiven sozialen Kapitals beeinflusst wird. Darüber hinaus beschäftigt

man sich in anderen Debattensträngen mit der Frage, inwiefern Erwachsenenler-

nen dazu beiträgt, dass soziales Kapital auf individueller oder kollektiver Ebene

gebildet werden kann. Diese explizite Bezugnahme zwischen Sozialkapital und

Erwachsenenlernen findet nahezu ausschließlich im angelsächsischen Sprach-

raum statt. Es handelt sich zudem um eine (noch) nicht sehr breite und ausdiffe-

renzierte Debatte. Über diese expliziten Bezugnahmen hinaus sind die impliziten

Anschlüsse zwischen Erwachsenenlernen und Sozialkapital in den Blick zu neh-

men, die auf den Sozialkapitalbegriff selbst verzichten, sich aber dennoch deutlich

erkennbar in dessen Bedeutungshorizont bewegen. Bei einer solchen Perspektive

gerät eine Vielzahl unterschiedlicher Debatten in den Blick, sodass an dieser Stel-

le ein exemplarisches Vorgehen angemessen ist. Die Auswahl der Beispiele orien-

tiert sich an der Frage, inwiefern sich die hier relevanten Zusammenhänge an

zentralen Topoi und Debatten verdeutlichen lassen, die bis heute von einer hohen

Relevanz im Rahmen der Erwachsenenpädagogik sind. Vor diesem Hintergrund 1 Vergleichbare Perspektiven auf Sozialkapital als individuelle Handlungsressource finden sich bspw. bei Hartmut Esser (1993, 2000) oder Ronald Burt (1995).

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sei zum einen auf die Debatten zum selbstgesteuerten und informellen Lernen und

zur Vernetzung in der Erwachsenenbildung (u. a. Lernende Regionen) verweisen.

Zum anderen kommen die Debatten über gesellschaftliche Integration, Inklusion,

Teilhabe oder bürgerschaftliches Engagement in den Blick. An diesen Beispielen

lässt sich verdeutlichen, dass unterschiedliche Facetten sozialen Kapitals aufge-

griffen und auf verschiedene erwachsenenpädagogische Zusammenhänge bezo-

gen werden. Es kann also nicht die Rede davon sein, dass man es hier mit einem

abgrenzbaren und in sich geschlossenen erwachsenenpädagogischen Diskurs

über Sozialkapital zu tun hat. Vielmehr bewegen sich die einzelnen Bezugnahmen

in verschiedenen Feldern der Erwachsenenpädagogik und sind bestenfalls lose

miteinander gekoppelt. In je unterschiedlicher Weise betonen sie verstärkt einzel-

ne Dimensionen sozialen Kapitals und blenden andere wiederum aus.

Es lassen sich innerhalb dieser unterschiedlichen Bezugnahmen wiederum grobe

Sortierungen vornehmen, indem einzelne Ansätze hinsichtlich der Frage zusam-

mengebunden werden, ob sie Sozialkapital eher als Voraussetzung oder eher als

Ertrag des Lernens Erwachsener betrachten, ohne dass hierbei wiederum gesagt

sein kann, dass innerhalb dieser Gruppen zwangsläufig immer eindeutiger Kon-

sens darüber herrscht, in welcher Weise und mit welchen Folgen Sozialkapital nun

in der einen oder der anderen Weise mit Erwachsenenlernen zusammenhängt.

Selbstgesteuerte und informelle Formen des Lernens werden seit den 1990er Jah-

ren in der Erwachsenenpädagogik intensiv diskutiert. Diese Form des Lernens

findet gängigen Annahmen zufolge oftmals außerhalb institutioneller Kontexte und

im Rahmen der sozialen Netzwerke statt, in denen sich die Lernenden befinden.

Zentrale Stichworte in diesem Zusammenhang sind Kompetenzentwicklungsnetz-

werke, Lernen im sozialen Umfeld (LisU), informelles Lernen im bürgerschaftlichen

Engagement, vernetztes Lernen oder Lernen im Verein. Soziales Kapital ist in die-

sen Zusammenhängen insofern eine (mögliche) Voraussetzung für Lernen, als in

den unterschiedlichen Netzwerken und sozialen Gemeinschaften besondere Lern-

gelegenheiten entstehen und Lernanlässe geschaffen werden können, die der An-

nahme nach ansonsten nicht vorhanden wären. Auf der anderen Seite ist die Ent-

stehung dieser Netzwerke selbst wiederum von flankierendem oder vorgeschalte-

tem Lernen beeinflusst bzw. sie resultieren aus diesem.

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Das Anfang der 2000er Jahre vom BMBF ins Leben gerufene Programm der Ler-

nenden Regionen zielt darauf ab, dass sich regionale Erwachsenenbildungsein-

richtungen untereinander vernetzen (sollen), um letztlich eine Verbesserung des

Angebotes in der jeweiligen Region zu erreichen. Sie sollen demnach soziales

Kapital miteinander aufbauen, welches ihnen selbst und der Region, in der sie

agieren und sich vernetzen, zugute kommt. Zur Sprache kommen hier also Netz-

werke zwischen Organisationen und nicht zwischen einzelnen Subjekten und dies

bleibt nicht ohne Konsequenzen für die Argumentationen, die sich hinsichtlich die-

ses Diskurssegmentes nachzeichnen lassen. Letztlich wird ein – aus der Perspek-

tive der Sozialkapitaldebatte – ungewöhnlicher Ebenensprung vollzogen, der an

anderer Stelle der vorliegenden Arbeit noch thematisiert wird.

Die Begriffe Integration, Inklusion und Teilhabe sowie das Konzept des bürger-

schaftlichen Engagements spielen schon seit vielen Jahren eine große Rolle im

Rahmen erwachsenenpädagogischer Debatten. Mit diesen Begriffen selbst wer-

den insofern Momente von Sozialkapital angesprochen, als es sowohl um die Be-

deutung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, gemeinsame Wert- und Norm-

vorstellungen in einer Gesellschaft und die Möglichkeiten, an diesen zu partizipie-

ren, geht als auch um die Frage, inwiefern sich die Gesellschaftsmitglieder im

Rahmen bürgerschaftlichen Engagements aktiv daran beteiligen, dass soziales

Kapital (im Sinne des soziales Zusammenhalts) in einer Gesellschaft entsteht. Aus

erwachsenenpädagogischer Sicht sind diese Zusammenhänge relevant, weil in

zahlreichen Ansätzen davon ausgegangen wird, dass Erwachsenenlernen zur ge-

sellschaftlichen Integration beiträgt oder Inklusion und Teilhabe befördert sowie

eine grundlegendes Moment bürgerschaftlichen Engagements darstellt. Lernen

erscheint aus dieser Perspektive als eine (zuweilen notwendige) Voraussetzung

für den Aufbau sozialen Kapitals.

Vor dem Hintergrund dieser einleitenden Überlegungen werde ich in der vorlie-

genden Arbeit in den folgenden Schritten vorgehen:

Im ersten Schritt werde ich eine Klärung des Sozialkapitalbegriffs vornehmen, um

das notwendige differenzierte, multifunktionale Verständnis sozialen Kapitals zu

entwickeln, welches zum einen als Sortierungsinstrument für die benannten er-

wachsenenpädagogischen Diskurssegmente und zum anderen als Referenzrah-

men für eine kritische Betrachtung dieser Segmente dient. Ich werde mich hierzu

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an den Ansätzen der drei genannten ‚Kronzeugen’ für den Sozialkapitalbegriff

(Putnam, Coleman und Bourdieu) orientieren und zunächst das Sozialkapitalver-

ständnis jedes einzelnen darlegen, um sie anschließend miteinander zu verglei-

chen. Darüber hinaus werde ich auf die mit dem Sozialkapitalbegriff verwandten

und vor allem im deutschsprachigen Raum verbreiteten Begriffe der sozialen In-

tegration, der Inklusion (bzw. der Exklusion), der Teilhabe und des bürgerschaftli-

chen Engagements eingehen, um hierbei in erster Linie die zentralen Verbin-

dungslinien zum Sozialkapitalbegriff nachzuzeichnen aber auch, um wichtige Per-

spektivenerweiterungen aufzuzeigen. Dieser Schritt erscheint mir insofern not-

wendig, als die im deutschen Sprachraum vorfindbaren erwachsenenpädagogi-

schen Bezugnahmen auf Vorstellungen sozialen Kapitals oftmals über diese Beg-

riffe stattfinden, die letztlich als besondere Spielarten des Sozialkapitalbegriffs be-

handelt werden können.

Im zweiten Schritt wird von diesem Begriffsverständnis ausgehend aufgezeigt, in

welcher Weise im Rahmen der erwähnten erwachsenenpädagogischer Diskurs-

segmente soziales Kapital als Voraussetzung oder Ertrag des Lernens Erwachse-

ner thematisiert wird. Hierbei werde ich herausstellen, welche Vorstellungen sozia-

len Kapitals wie mit Blick auf Erwachsenenlernen diskutiert werden und welche

Probleme hierbei auftreten bzw. welche kritischen Punkte anzumerken sind.

Im dritten Schritt geht es dann darum, diese unterschiedliche Diskurssegmente

einerseits vergleichend zu betrachten, um auf diese Weise feststellen zu können,

inwiefern bereits innerhalb des erwachsenenpädagogischen Diskurses über Sozi-

alkapital kritische Momente und selektive Zugänge enthalten sind, die erst dann

auffallen, wenn man die unterschiedlichen Diskurssegmente aufeinander bezieht.

Andererseits werde ich aufzeigen, dass eine Überwindung des selektiven Um-

gangs mit den grundlegenden Annahmen der Sozialkapitaldebatte, so wie er im

Rahmen der ausgewählten erwachsenenpädagogischen Diskurssegmente etab-

liert ist, Perspektivenerweiterungen, Relativierungen und kritischen Anmerkungen

möglich macht, die auf andere Weise so nicht formuliert werden könnten.

Der vierte Schritt dient dazu, die Ergebnisse der Arbeit unter Rückgriff auf das

zugrunde gelegte multifunktionale Sozialkapitalverständnis zusammenfassend zu

betrachten und davon ausgehend weitführende Forschungsperspektive und Fra-

gestellungen zu bestimmen.

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2 Konzeptionen von Sozialkapital

Betrachtet man die Sozialkapitaldebatte, wie sie sich seit Mitte der 1990er Jahre

präsentiert hat, dann fällt zunächst ihre bemerkenswert breite und fast unüber-

sichtliche quantitative Ausprägung auf. In den Jahren zwischen 1996 und 1999

sind international über 1000 Artikel erschienen, die in irgendeiner Form das The-

ma ‚Sozialkapital’ behandeln (vgl. Putnam/ Goss 2001). Eine Auszählung sozial-

wissenschaftlicher Artikel, die in den Jahren nach 2000 erschienen sind, würde mit

größter Wahrscheinlichkeit zu einem noch höheren Ergebnis kommen (vgl. Euler

2006). Eine noch umfangreichere Zahl an Publikationen bekäme man, wenn man

nicht nur wissenschaftliche, sondern auch politisch-programmatische bzw. journa-

listische Texte hinzuziehen würde (vgl. Helmbrecht 2005). Mit dieser Vielzahl an

unterschiedlichen Ansätzen und Begriffsverständnissen gehen bestimmte Merk-

male des Sozialkapitalbegriffs einher, die sich wie folgt zusammenfassend be-

schreiben lassen:

Es gibt keine einheitliche Definition des Begriffs. Diese Diffusität teilt der Sozialka-

pitalbegriff mit vielen anderen populären Begriffen, die aktuell in ähnlicher Weise

in wissenschaftlichen und öffentlichen Diskursen thematisiert werden (bspw. der

Qualitäts- oder der Kompetenzbegriff). Diese Unbestimmtheit des Begriffs lässt

auf der einen Seite in vielen Fällen zwar eine gewisse theoretische Tiefe vermis-

sen. Sie ist auf der anderen Seite aber auch eine Bedingung dafür, dass der Sozi-

alkapitalbegriff überhaupt erst für unterschiedliche Diskurse verschiedener Diszip-

linen nutzbar gemacht werden kann – und dies anscheinend ohne größere Prob-

leme. Hierzu wird die Unbestimmtheit des Begriffs oftmals ignoriert und man geht

kontrafaktisch davon aus, dass alle Diskussionsteilnehmer mit ‚Sozialkapital’ das

Gleiche meinen, wenn sie miteinander sprechen (dieses ‚Vorgehen’ findet sich

zumeist in politisch-programmatischen Debatten). Teilweise bemüht man sich al-

lerdings auch um eine Art Arbeitsdefinition sozialen Kapitals, die dann wiederum

nur für einen bestimmten klar begrenzten Zusammenhang Gültigkeit beanspru-

chen kann (vgl. bspw. Franke 2005; PRI Project 2003).

In den vielen unterschiedlichen Debatten, die sich um den Begriff des sozialen

Kapitals drehen, spielen vor allem die Effekte sozialen Kapitals eine große Rolle,

die zudem meistens als positiv für Individuen oder Kollektive eingeschätzt werden,

die an sozialem Kapital partizipieren können. Der Begriff wird – ermöglicht durch

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die oben angesprochene Unbestimmtheit – bspw. in der Politikwissenschaft, der

Soziologie, der Migrationsforschung, der Arbeitsmarktforschung, der Entwick-

lungsforschung und vielen anderen Disziplinen aufgegriffen. Sozialkapital wird

hierbei zumeist als eine Art ‚Allheilmittel’ für die gesellschaftliche Problemlagen ins

Feld geführt, die in den einzelnen Disziplinen von Interesse sind. Da soziales Ka-

pital hilft – so die weit verbreitet Annahme –, sollte es – so die entsprechende

Schlussfolgerung – gefördert werden (sei es bei einzelnen Individuen oder mit

Blick auf ganze Gesellschaften). Bei dieser Perspektive bleiben bestimmte Diffe-

renzierungen des Sozialkapitalbegriffs allerdings unangesprochen (vgl. Deindl

2005; Freitag 2000; Gabriel u. a. 2002; Haug 2000; Klein 2010; Meier 1996;

OECD 2004).

Vor diesem Hintergrund wird der Begriff des sozialen Kapitals aus zwei verschie-

denen Richtungen befragt. Einerseits geht es, ausgehend von den angesproche-

nen Effekten sozialen Kapitals, darum, Sozialkapital als individuelle oder kollektive

Voraussetzung für das (bessere) Funktionieren sozialer Prozesse in den Blick zu

nehmen. Gefragt wird also nach den (zumeist positiven) Effekten sozialen Kapitals

bzw. nach den Folgen, die sich durch eine ungleiche Verteilung sozialen Kapitals

zwischen verschiedenen Individuen oder (noch häufiger) zwischen verschiedenen

Kollektiven ergeben können. Sozialkapital wird in diesen Fällen als eine unabhän-

gige Variable betrachtet, deren Auswirkungen hinsichtlich einzelner Individuen

oder größerer Kollektive im Fokus stehen. Andererseits wird Sozialkapital insofern

auch als abhängige Variable angesehen, als bei vielen Ansätzen die Faktoren, die

der Annahme nach zum Auf- bzw. (unerwünschten) Abbau sozialen Kapitals füh-

ren, zur Rede stehen. Soziales Kapital wird dann als ein Ertrag von Vernetzungs-

prozessen und solchen Aktivitäten angesehen, die letztlich das soziale Miteinan-

der und den sozialen Zusammenhalt einer Gemeinschaft stärken. In der Regel

sind beide Blickrichtungen in den einzelnen Ansätzen und Überlegungen zum so-

zialen Kapital miteinander verbunden. Zumeist werden aber Schwerpunkte zu-

gunsten einer der beiden Perspektiven gesetzt. Den meisten Ansätzen ist aller-

dings gemein, dass ihr Interesse am Sozialkapital daher rührt, dass sie ihm die

angesprochene positive Wirkung zuschreiben (vgl. Freitag 2004; Haug 1997;

Woolcock 1998).

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Seit dem Ende der 1990er Jahre sind, flankierend zum quantitativen Anstieg der

Arbeiten, die an den Sozialkapitalbegriff anschließen, einige Überblicks- und Sys-

tematisierungsversuche vorgelegt worden (vgl. bspw. Field 2003a; Franzen/ Frei-

tag 2007; Gehmacher 2004; Haug 1997; Jungbauer-Gans 2006; Westle/ Gabriel

2008). Auch wenn diese Systematisierungsversuche mit je eigenen Logiken und

Intentionen auf den Sozialkapitalbegriff zugehen, lässt sich doch zumindest fest-

halten, dass sie alle zum einen die oben genannten Merkmale des Begriffs auf-

greifen. Zum anderen wird deutlich, dass es insbesondere die Sozialkapitalver-

ständnisse von Robert Putnam, James Coleman und Pierre Bourdieu sind, die als

‚Klassiker’ des Sozialkapitalbegriffs angesehen werden (vgl. auch Keller 2007;

Roßteutscher/ Westle/ Kunz 2008). In nahezu allen Verwendungen des Sozialka-

pitalbegriffs ist zumindest einer der Ansätze dieser drei Autoren als konzeptionel-

ler Ausgangspunkt zu identifizieren; zuweilen ist dies lediglich implizit der Fall. An-

hand dieser drei ‚Kronzeugen’ lassen sich die unterschiedlichen Facetten und Be-

deutungen des Sozialkapitalbegriffs systematisch herausarbeiten und einer ver-

gleichenden Analyse zugänglich machen. Meinen folgenden Überlegungen liegt

die Annahme zugrunde, dass bei einem Vergleich der Ansätze von Putnam, Co-

leman und Bourdieu bestimmte Leerstellen bei jedem einzelnen der drei Ansätze

sichtbar werden, die nicht in den Blick geraten, solange man sie isoliert voneinan-

der bzw. unverbunden nebeneinander betrachtet. Diese systematisch-

vergleichende Analyse der drei wichtigsten Sozialkapitalverständnissen ist in der

Sozialkapitaldebatte in dieser Form bisher noch kaum ausgearbeitet worden.2 Vor

diesem Hintergrund geht es im Folgenden darum, den besonderen multifunktiona-

len Charakter sozialen Kapitals herauszustellen, um aus dieser Perspektive her-

aus im weiteren Verlauf der Arbeit die in der Einleitung angesprochenen erwach-

senenpädagogischen Diskurssegmente analysieren zu können.

Hierzu werde ich im Folgenden die Sozialkapitalansätze von Putnam, Coleman

und Bourdieu darstellen und kritisch kommentieren. Auf dieser Grundlage werde

ich eine Modellierung des Sozialkapitalbegriffs vornehmen können, die dem for-

mulierten Anspruch gerecht wird. Hierbei wird deutlich, dass die einzelnen Autoren

2 Gegenwärtig liegen Arbeiten von Sebastian Braun, Michael Helmbrecht oder Sandra Seubert vor, die Vergleichperspektiven auf den Sozialkapitalbegriff einnehmen, sodass ich mich in meinen wei-teren Ausführungen teilweise auf sie beziehen kann. Einschränkend muss an dieser Stelle aller-dings darauf hingewiesen werden, dass Braun, Seubert und Helmbrecht in erster Linie einen Ver-gleich zwischen Putnams und Bourdieus Sozialkapitalansätzen anstreben (vgl. Braun 2001a, b, 2002a; Helmbrecht 2005, Seubert 2009). Ein Dreiervergleich liegt bisher lediglich mit einer Arbeit von Boris Keller vor (Keller 2007).

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sozialem Kapital jeweils unterschiedliche Funktionen im Rahmen ihrer jeweils

zugrunde liegenden gesellschaftstheoretischen Positionen zuschreiben und spä-

testens auf dieser Ebene nicht mehr miteinander vereinbar sind.

Ich beginne meine Darstellung mit dem gegenwärtig in öffentlichen Debatten wohl

prominentesten Ansatz (Putnam), um darauf folgend zunächst Colemans und

dann Bourdieus Überlegungen zum Sozialkapital darzulegen. Diese Reihenfolge

bietet sich insofern an, als auf diese Weise das Reflexions- und Analysepotenzial

der darzustellenden Ansätze stetig steigt.

2.1 ‚Bowling alone’ und kollektives Sozialkapital: Robert Putnam

Die gegenwärtige öffentliche Popularität des Sozialkapitalbegriffs kann sicherlich

zu großen Teilen auf die Arbeiten von Robert Putnam zurückgeführt werden, die

er seit der Mitte der 1990er Jahre veröffentlicht hat (vgl. Putnam 1993, 1995a,

1995b, 2000, 2001; vgl. außerdem Field 2003a; Wallacher 2001; Zimmer 2002).

Vor allem die im Jahr 2000 vorgelegte Monographie ‚Bowling Alone. The Collapse

and Revival of American Community’ (Putnam 2000) kann als ‚Meilenstein’ in der

Sozialkapitaldebatte angesehen werden. Die Thesen und Befunde, die in dieser

Arbeit vorgestellt werden, sind in einer Art und Weise in der Öffentlichkeit aufge-

nommen und diskutiert worden, wie es bisher bei nur sehr wenigen wissenschaftli-

chen Arbeiten der Fall gewesen ist (vgl. Braun 2001a; Putnam 2001). Aber auch

Putnams frühere Veröffentlichungen, in denen der Sozialkapitalbegriff aufgegriffen

wird, wurden bereits mit großer Aufmerksamkeit zur Kenntnis genommen (vgl.

Haug 1997). Zu nennen ist hier insbesondere Putnams Italien-Studie aus dem

Jahr 1993, in der er den Sozialkapitalbegriff erstmals systematisch aufgenommen

und ihn zur Interpretation seiner empirischen Ergebnisse herangezogen hat, die er

im Rahmen von Untersuchungen der italienischen Verwaltungsreform der 1970er

und 80er und deren Folgen erzeugt hat (vgl. Putnam 1993).

In seinen empirischen Studien arbeitet Putnam mit unterschiedlichen Definitionen

des Sozialkapitalbegriffs, die allerdings nur in Nuancen voneinander abweichen. In

seiner Italien-Studie definiert Putnam den Sozialkapitalbegriff als „[…] features of

social organization, such as trust, norms, and networks, that can improve the effi-

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ciency of society by facilitating coordinated actions.” (Putnam 1993: 167; Hervor-

hebungen H. F.). Im Kern werden in dieser Definition bereits die drei Grundele-

mente des Putnam’schen Sozialkapitalbegriffs benannt (trust, norms und net-

works), die auch in folgenden Definitionen immer wieder aufgegriffen werden. So

heißt es bspw. ein paar Jahre später:

“[…] social capital refers to features of social organization such as networks, norms, and social trust that facilitate coordination and cooperation for mutual benefit.” (Putnam 1995a: 66; Hervorhe-bungen H. F.)

Mit diesen Grundelementen ist gewissermaßen der Rahmen umschrieben, inner-

halb dessen Putnam unterschiedliche soziale Phänomene als soziales Kapital

identifiziert. Und dieser Rahmen ist sehr weit gefasst. Er umschließt solch unter-

schiedliche Erscheinungen wie einen Freundes- bzw. Bekanntenkreis, ein Netz-

werk von Arbeitskollegen, eine Grillparty mit Nachbarn oder das gemeinsame, in

Ligen organisierte Bowlingerlebnis. Gleichzeitig gelten die Teilhabe an gesell-

schaftlichen Prozessen oder gewisse gemeinsam geteilte Wert- und Normeinstel-

lungen sowie ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen zwischen den Mitglie-

dern einer Gemeinschaft und soziale Integration als Formen sozialen Kapitals, die

in einer Gesellschaft vorhanden sein können – seien diese sozialen Phänomene

auch noch so unspezifisch. Insofern könne ein Einzelner soziales Kapital aufbau-

en und nutzen, wenn er bspw. regelmäßig seine Verwandten und Freunde kontak-

tiert und auf diese Weise seine sozialen Netzwerke pflegt und das hierfür notwen-

dige Vertrauen generiert. Diese Person trage allerdings auch dann zum Aufbau

kollektiven Sozialkapitals bei, wenn sie sich in einem (gemeinschaftsorientierten)

Verein engagiert, sich regelmäßig über politische und gesellschaftliche Entwick-

lungen informiert (z. B. durch Zeitunglesen), bestimmte allgemeine Wertvorstel-

lungen des gesellschaftlichen Umfeldes akzeptiert und danach handelt oder sich

einfach nur an Wahlen im Sinne der Verfassung des jeweiligen Landes beteiligt.

Vor diesem Hintergrund kann festgehalten werden, dass Putnam in seinen empiri-

schen Studien Sozialkapital in erster Linie als kollektives Gut betrachtet, welches

letztlich einer gesamten Gesellschaft bzw. den Gesellschaften einzelner Regionen

eines Landes zugute kommt. In der Italien-Studie sind es die nördlichen Regionen,

in denen – verglichen mit dem Süden – mehr Sozialkapital vorhanden bzw. ver-

fügbar sei. Bei ‚Bowling Alone’ sind es die einzelnen amerikanischen Bundesstaa-

ten, in denen unterschiedlich viel Sozialkapital vorkomme. Es ist nicht die Rede

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von einzelnen individuellen Personen und deren Sozialkapital; individuelle Hand-

lungsweisen werden einzig auf der Aggregatebene von Bedeutung. Diese Per-

spektive zeigt sich auch an Putnams Versuch, das Konstrukt ‚Sozialkapital’ für

seine Untersuchungen in den USA zu operationalisieren. Putnam hat hierzu den

so genannten ‚Social Capital Index’ (SCI) entwickelt. In diesem Index werden ins-

gesamt 14 Items zusammengefasst, mit denen unterschiedliche Aspekte sozialen

Kapitals abgebildet werden sollen. Es wird bspw. nach durchschnittlicher Wahlbe-

teiligung in einem Bundesstaat, Beteiligung an Vereinen oder Bürgerinitiativen,

persönlichen Netzwerken, Vereinsdichte, Freiwilligenarbeit u. ä. Aspekten gefragt.3

Die Daten zu diesen Items trägt Putnam aus unterschiedlichen Quellen zusammen

(Surveys, statistische Erhebungen, andere Befragungen u. Ä.). Eigene Erhebun-

gen hat er nicht durchgeführt. Letztlich werden die entsprechenden Angaben zu

den Items auf der Ebene der Bundesstaaten aggregiert, sodass für jeden Bundes-

staat ein eigener SCI-Wert bestimmt werden kann (vgl. Putnam 2000).

In den bisher angeführten Definitionen fällt zudem auf, dass neben den drei ge-

nannten Grundelementen sozialen Kapitals vor allem die (zumeist positiven) Effek-

te im Blick sind, die soziales Kapital Putnam zufolge hervorruft.

In seiner Italien-Studie fragt Putnam zunächst danach, wie in den einzelnen italie-

nischen Regionen die Verwaltungsreform der 70er und 80er Jahre gegriffen hat.

Im Ergebnis zeige sich, dass die nördlichen Regionen Italiens mit der Reform

deutlich besser umzugehen wussten als die südlichen. Im Norden seien die Re-

formen nachhaltig gewesen und sie haben zu einer Verbesserung in den Berei-

chen der öffentlichen Verwaltung oder der Regierbarkeit insgesamt geführt, wo-

hingegen im Süden derartige Entwicklungen nicht festzustellen waren. Putnams

Erklärung für diesen Befund ist, dass im Norden Italiens mehr Sozialkapital vor-

handen sei als im Süden. Dieses höhere Maß an Sozialkapital des Nordens sieht

Putnam darin manifestiert, dass hier deutlich mehr soziale Vereinigungen, lokale

Vereine und sonstige Gemeinschaften existieren, in denen sich Menschen mitein-

3 Folgende Items werden im SCI zusammengefasst: Agree that "I spend a lot of time visiting friends" ; Agree that "Most people can be trusted" ; Agree that "Most people are honest"; Atten-dance at any public meeting on town or school affairs in last year (percent); Number of civic and social organizations per 1000 population; Average number of club meetings attended in last year; Average number of group memberships; Average number of times volunteered in last year; Aver-age number of times entertained at home in last year; Average number of times worked on com-munity project in last year; Number of non-profit organizations per 1000 population; Served as officer of some club or organization in last year (percent); Served on committee of some local or-ganization in last year (percent); Turnout in presidential elections, 1988 and 1992. (vgl. Putnam 2000: 291)

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ander vernetzen, sich integrieren, an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben und

Werte und Normen miteinander teilen sowie Vertrauen untereinander aufbauen.

Putnam bringt diese Überlegungen auf die folgende griffige Formel:

„Good government is a by-product of singing groups and soccer clubs.“ (Putnam 1993: 176)4

Wie bereits beschrieben, betrachtet Putnam vor diesem Hintergrund die amerika-

nische Gesellschaft. In ‚Bowling Alone’ führt er zahlreiche Beispiele für die positi-

ven Effekte sozialen Kapitals an, von denen ich mich im Folgenden auf eines be-

schränken möchte, welches für die weitere Argumentation der vorliegenden Arbeit

von besonderem Interesse ist: den Zusammenhang zwischen Sozialkapital und

‚educational outcome’. Putnam bemisst den ‚educational outcome’ der einzelnen

Bundesstaaten an Schulabbrecherquoten, durchschnittlichen Schulleistungen,

Verbleibsquoten etc. Diese für jeden Bundesstaat zu einem Index zusammenge-

fassten Werte korreliert Putnam mit dem jeweiligen SCI-Wert und stellt hierbei

fest, dass ein hoher SCI-Wert mit guten Ergebnissen hinsichtlich des ‚educational

outcome’ einhergeht. Putnam interpretiert diesen zunächst rein statistischen Zu-

sammenhang in der Art, dass das Sozialkapital des jeweiligen Bundesstaates (als

unabhängige Variable) positive gesellschaftliche Effekte hervorrufe, die sich auch

in den Schulleistungen der Schüler, die dort leben, zeigten. Er stützt seine Inter-

pretation dadurch, dass er einige Kontrollrechnungen durchführt, bei denen er an-

dere mögliche Einflussfaktoren auf den ‚educational outcome’ kontrolliert. Diese

Rechnungen zeigen laut Putnam, dass selbst bei Bevölkerungsgruppen, bei de-

nen mehrere Faktoren sozialer Benachteiligung zusammenfallen, die sich negativ

auf den ‚educational outcome’ auswirken können, eine gute Ausstattung an Sozi-

alkapital zu einer Verbesserung der Bildungsleistungen beitrage („at Havard as

well as Harlem, social connectedness boots educational attainment“; Putnam

2000: 306).

Außer dem Beispiel des ‚educational outcome’ ließen sich viele weitere anführen,

die im Kern in die gleiche Richtung gehen: Das Vorhandensein von Sozialkapital

4 Diese ‚singing groups and soccer clubs’ entspringen Putnam zufolge einer langen Tradition des zivilen Engagements im Norden Italiens, die sich bis ins Mittelalter zurückverfolgen lässt (vgl. hier-zu auch Roßteutscher/ Westle/ Kunz 2008). Sozialkapital ist in dieser Auffassung also einer gewis-sen Pfadabhängigkeit unterworfen und damit immer im entsprechenden historischen Kontext zu verorten.

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begünstige positive Entwicklungen bei einzelnen Individuen, die sich aus Putnams

Perspektive auf gesamtgesellschaftlicher Ebene bemerkbar machen:

„Are we right? Does social capital have salutary effects on individuals, communities or even entire nations? Yes, an impressive and growing body of research suggest that civic connections help make us healthy, wealthy, and wise.” (Putnam 2000: 287; Hervorhebungen H. F.)

Vor diesem Hintergrund beschreibt Putnam, dass das soziale Kapital in den USA

seiner Ansicht nach seit Jahrzehnten einem Erosionsprozess unterliege. Traditio-

nell zeichne sich die amerikanische Gesellschaft durch ein reges Vereins- und

Assoziationswesen aus; es war in der Putnamschen Perspektive also viel Sozial-

kapital vorhanden. In der Zunahme des ‚Bowling Alone’, also einer Variante des

Bowling, in der nicht mehr in Mannschaftsverbünden oder Teams, deren Mitglieder

gegenseitige Verpflichtungen eingehen, miteinander gegen andere Mannschaften

gespielt wird, sondern sich kleine Gruppen von Individuen ohne größere gegensei-

tige Verpflichtungen zum gemeinsamen Bowlen treffen, sieht Putnam ein beson-

ders anschauliches Symptom zur Verdeutlichung seiner Annahme (weitere ‚Indi-

zien’ für diesen Erosionsprozess sind laut Putnam: Rückgang an Beteiligung in

Kirchengemeinden, sozialen Vereinen, Nachbarschaftstreffen, Grillpartys, Zei-

tunglesen etc.). Diese Erosion des Sozialkapitals sei insofern besorgniserregend,

als Sozialkapital für das Funktionieren einer modernen Gesellschaft als kaum ver-

zichtbar angesehen wird.

Ergänzend – oder besser: parallel – zu seinen empirischen Arbeiten hat Putnam

sich auch mit dem Sozialkapitalbegriff als solchem auseinandergesetzt. In dieser

Begriffsarbeit wird ein deutlich höherer Differenzierungsgrad erreicht als in den

bisher angesprochenen Definitionen sozialen Kapitals; in Teilen weicht Putnam

von seinen Annahmen, die in seinen empirischen Untersuchungen zentral sind,

ab. Dies zeigt sich u. a. schon daran, dass neben die kollektive Dimension sozia-

len Kapitals, die in Putnams Empirie den einzig relevanten Bezugspunkt darstellt,

in dieser Begriffsarbeit weitere wichtige Unterscheidungen und Dimensionen tre-

ten, die als ebenso konstitutiv für soziales Kapital dargestellt werden. Die wohl

umfangreichste Auseinandersetzung mit dem Sozialkapitalbegriff leistet Putnam in

der Einleitung zu dem von ihm selbst herausgegebenen Band ‚Gesellschaft und

Gemeinsinn. Sozialkapital im internationalen Vergleich’ (vgl. Putnam 2001), in

dem Sozialkapital, dessen ‚Zustand’ und dessen Effekte im Hinblick auf unter-

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schiedliche Länder untersucht werden (für Deutschland vgl. Offe/ Fuchs 2001). In

dieser Einleitung, die Putnam zusammen mit Kristin Goss verfasst hat, wird der

Sozialkapitalbegriff zum einen historisch aufgearbeitet und zum anderen werden

zentrale begriffliche Differenzierungen vorgenommen (vgl. Putnam/ Goss 2001).

Putnam/ Goss zufolge wurde der Sozialkapitalbegriff erstmalig Anfang des 20.

Jahrhunderts von L. J. Hanifan verwendet, um dann ab ca. 1950 von unterschied-

lichen Autoren immer wieder aufs Neue ‚erfunden’ zu werden, was zumeist weit-

gehend unabhängig voneinander geschah. Putnam/ Goss bringen sechs Beispiele

hierzu an, zu denen auch Colemans und Bourdieus Sozialkapitalbegriffe zählen,

die allerdings nicht weiter erläutert werden. Als Quintessenz ihres Überblicks über

ca. 50 Jahre Begriffsentwicklung halten Putnam/ Goss Folgendes fest:

„Die Grundidee des Sozialkapitals besteht darin, dass Familie, Freunde und Bekannte einer Per-son einen wichtigen Wert darstellen, auf den man in Krisensituationen zurückgreifen kann, den man um seiner selbst willen genießen und zum materiellen Vorteil nutzen kann. Was für den Ein-zelnen gilt, gilt umso mehr auch für Gruppen. Mit einem vielschichtigen sozialen Netzwerk ausges-tattete Gemeinschaften und bürgerliche Vereinigungen haben Vorteile, wenn es darum geht, Armut und Verwundbarkeit zu begegnen, Konflikte zu lösen und Vorteile aus neuen Möglichkeiten zu ziehen.“ (Putnam/ Goss 2001: 19 f.; Hervorhebungen H. F.)

In den Blick gerät also bereits bei diesem kurzen Abschnitt, dass Putnam/ Goss

eine Sozialkapitalkonzeption vorstellen, die sich nicht darin erschöpft, kollektive

Effekte von Netzwerken, Vereinen, Normen und gesellschaftlichen Werten zu be-

schreiben, sondern darüber hinaus auch einen Wert von Sozialkapital in den Blick

rücken, der eher einem einzelnen Individuum zugute kommt. Das folgende Zitat

bietet vor diesem Hintergrund noch weitere Differenzierungen an:

„Es [das Sozialkapital; H. F.] kommt in manchen Formen vor, die sich in vielen Kontexten als nütz-lich erweisen, diese Formen sind jedoch heterogen in dem Sinne, als sie nur für ganz bestimmte und nicht für andere Zwecke brauchbar sind. […] [W]ir können nicht einfach alle diese verschiedenen Formen ‚addieren’, um eine einzige sinnvolle Zusammenfassung des Sozialkapitals in einer gegebenen Gemeinschaft zu erhalten, geschweige denn in einem ganzen Land. […] Wenn es eine dauerhafte Lehre aus den frühen Sozialkapitaldebatten gibt, dann die, dass wir nicht folgern können, Sozialkapital sei immer und überall eine gute Sache.“ (Putnam/ Goss 2001: 23; Hervorhebungen H. F.)

Vergleicht man die in diesem Zitat angeführten Merkmale sozialen Kapitals mit

dem Begriffverständnis, welches in Putnams empirischen Arbeiten zur Anwendung

kommt, sind erhebliche Abweichungen anzumerken. Die bisher angeführten Put-

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nam’schen Definitionen von Sozialkapital lassen zwar die Vorstellung zu, dass es

unterschiedliche Formen sozialen Kapitals gibt, die aber alle deutlich auf einer kol-

lektiven Ebene anzusiedeln und dort nur von Vorteil sind. Dass diese unterschied-

lichen Formen allerdings jeweils unterschiedlichen Nutzen mit sich bringen bzw. in

gewissen Situationen auch ohne Nutzen sein können, stellt Putnam nicht ausrei-

chend in Rechnung, wenn er pauschal annimmt, dass Sozialkapital zu bestimmten

positiven (kollektiven) Effekten führt. Vor dem Hintergrund, dass Putnam/ Goss

zudem auf mögliche negative Wirkungen von Sozialkapital hinweisen, lassen sich

Putnams empirische Studien nochmals kritischer betrachten.5 Es ist zudem sehr

plausibel davon auszugehen, dass man die unterschiedlichen Formen sozialen

Kapitals nicht einfach addieren kann, um das Sozialkapital einer Gemeinschaft zu

erfassen, sofern eine solch pauschale Perspektive überhaupt sinnvoll erscheint.

Putnams SCI stellt im Kern allerdings nichts anderes dar als die Addition unter-

schiedlicher sozialer Phänomene, in denen sich laut Putnam soziales Kapital ma-

nifestiert. Von dieser Warte aus gesehen kann man mit Putnams Argumentation,

die seiner Begriffsanalyse zugrunde liegt, selbst wiederum Kritik an seinen eige-

nen empirischen Studien und den Befunden, die er aus diesen ableitet, formulie-

ren. In der Folge bedeutet dies, dass auch die zahlreichen Anschlüsse an Put-

nams populäre Studien und Befunde der Kritik auszusetzen sind, unzureichend

darüber zu reflektieren, welche Ausprägung sozialen Kapitals wann und wem auf

welcher gesellschaftlichen Ebene zugute kommen kann und wann ggf. eher nega-

tive Effekte zu erwarten sind. Angeschlossen wird allerdings in der Regel an eine

Art ‚Hoffnung’, die sich in der Putnam’schen Sozialkapitalkonzeption jenseits sei-

ner eigenen Begriffsanalyse verbirgt – eine Hoffnung darauf, im kollektiven sozia-

len Kapital eine Lösung für gesellschaftliche Probleme und Spannungen gefun-

den zu haben, die zudem kaum nennenswerte staatliche Investitionen erfordert.

Um die unterschiedlichen Formen und Differenzierungen sozialen Kapitals begriff-

lich fassen zu können, schlagen Putnam/ Goss vier analytische Unterscheidungen

5 Auch wenn mögliche negative Effekte sozialen Kapitals in Putnams Gesamtwerk nur eine Neben-rolle spielen, sei darauf hingewiesen, dass Putnam/ Goss auch zugestehen, dass es bestimmte Formen sozialen Kapitals gibt, die mit Blick auf eine Gesellschaft eher schädlich sind (s. o.). Put-nam beschreibt bspw. die Mafia als eine soziale Gemeinschaft, in der ohne Zweifel ein hohes Maß an Sozialkapital vorhanden ist, welches allerdings nur denjenigen zugute kommt, die zu dieser Gruppe gehören. Die Außenstehenden, die obendrein noch die Mehrheit der Bevölkerung darstel-len, leiden unter genau dieser gut funktionierenden sozialen Struktur (zu weiteren Beispielen von ‚schädlichen’ Formen sozialen Kapitals – bspw. Kölner Klüngel, blat-Beziehungen in Russland oder Korruption – vgl. Holzer 2006, Höffling 2002).

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vor, hinsichtlich derer soziales Kapital beschrieben werden könne. Jede dieser

Unterscheidung stelle für sich genommen ein bipolares Kontinuum dar:

• Formelles vs. informelles Sozialkapital

• Sozialkapital mit hoher vs. Sozialkapital mit niedriger Dichte

• Innenorientiertes vs. außenorientiertes Sozialkapital

• Brückenbildendes (bridging) vs. bindendes (bonding) Sozialkapital (vgl. Put-

nam/ Goss 2001: 25 ff.)

Zur Verdeutlichung dieser Unterscheidungen dienen die folgenden Erläuterungen

und Beispiele:

• Ein eingetragener Verein, eine Partei oder Gewerkschaft stellen eher formelles

Sozialkapital bereit, während ein Freundeskreis, eine Clique oder eine Karten-

spielrunde eher informeller Natur sind.

• Gruppen, deren Mitglieder engen und häufigen persönlichen Kontakt zueinan-

der haben, stellen eher Sozialkapital mit einer hohen Dichte zur Verfügung,

während Gemeinschaften, deren Mitglieder eher selten zusammenkommen und

weniger Verpflichtungen untereinander aufbauen, soziales Kapital mit geringe-

rer Dichte bereithalten.

• Beziehen sich soziale Netzwerke in ihren Aktivitäten in erster Linie auf sich

selbst und die eigenen Mitglieder, sind sie eher innenorientiert, während ande-

re, außenorientierte Netzwerke Ziele verfolgen, die zum Teil außerhalb des ei-

genen Gruppengefüges liegen (bspw. Bürgerinitiativen zum Umweltschutz).

• Finden sich in einem Netzwerk Personen zusammen, die sich in soziodemo-

graphischer Hinsicht ähnlich sind, sprechen Putnam/ Goss von bindendem

(bonding) Sozialkapital, während brückenbildendes (bridging) Sozialkapital

dann entsteht, wenn sich die entsprechenden Netzwerke über Milieu- und Sta-

tusgrenzen hinweg erstrecken und die Netzwerkteilnehmer mit Menschen in

Kontakt kommen, die nicht zu ihrem natürlichen sozialen Umfeld gehören.

Diese Unterscheidungen hat Putnam zwar teilweise bereits in seiner 2000er Mo-

nographie aufgegriffen. Hierbei betont er, dass vor allem die Unterscheidung zwi-

schen bonding und bridging social capital zentral sei, ohne allerdings diesen Um-

stand in seinen Untersuchungen weiterführend zur Geltung zu bringen:

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„Of all dimensions along which forms of social capital vary, perhaps the most important is the dis-tinction between bridging (or inclusive) and bonding (or exclusive).” (Putnam 2000: 22)

Ein Blick in die Literatur zeigt, dass diese Unterscheidung auch bei anderen Auto-

ren zur Anwendung kommt und hierbei als ‚Werkzeug’ zur Systematisierung des

Begriffs fungiert, was sich sowohl in empirischen Bearbeitungen sozialen Kapitals

als auch in konzeptionellen und theoretischen Überlegungen zeigt (vgl. bspw.

Field 2003a; Freitag 2004; Haug 1997; Wallacher 2001). Mit Blick auf die empiri-

sche Bearbeitung sozialen Kapitals muss hierbei allerdings betont werden, dass

die unterschiedlichen Ausprägungen sozialen Kapitals je eigene methodische Zu-

gänge erfordern. Es ist demnach zu problematisieren, welche Ausprägung sozia-

len Kapitals letztlich konkret im Blick ist, welche Methodik sich zu deren Erfassung

anbietet und (mindestens genauso wichtig) welche Perspektiven auf soziales Ka-

pitals nicht eingenommen werden. In dieser Differenzierung ist eine Heuristik ent-

halten, mit der die auseinanderdriftenden und zum Teil sehr fluiden Auffassung

über Sozialkapital, die in der gesamten Debatte enthalten sind, in einem gemein-

samen begrifflichen Korsett gefasst und miteinander ins Verhältnis gesetzt werden

können. Putnam selbst verzichtet in seinen empirischen Studien zu Italien und den

USA weitgehend auf diese Möglichkeit, sondern beschränkt sich auf seine politi-

sche Botschaft, an die in verschiedenen Diskursen dann nahezu nahtlos ange-

schlossen wird.

Nimmt man die Befunde aus seinen beiden zentralen Studien in den Blick, wird

soziales Kapital hier als eine gesellschaftliche Ressource ins Feld geführt, die

maßgeblich zum Funktionieren einer Gesellschaft beiträgt. Mit Sozialkapital wird

quasi das ‚Schmiermittel’ gesellschaftlicher Prozesse bzw. der ‚Kitt’ des gesell-

schaftlichen Zusammenhalts angesprochen. Die Gesellschaften, in denen ausrei-

chend Sozialkapital vorhanden und als kollektives Gut verfügbar ist, würden dem-

nach einen höheren Wohlstand, bessere politische Strukturen, ein höheres Bil-

dungsniveau u. Ä. aufweisen. Nimmt man an dieser Stelle Putnams Befunde zur

Erosion des sozialen Kapitals in der amerikanischen Gesellschaft hinzu, die be-

sorgniserregende soziale Konsequenzen nach sich ziehe, zeigt sich die andere

Perspektive, von der Putnam aus auf soziales Kapital blickt. Er fragt nach den

Gründen für diese Erosion und kommt zu dem Schluss, dass es vor allem vier ge-

sellschaftliche Entwicklungen sind, die den Schwund sozialen Kapitals befördern:

Beschleunigung des gesellschaftlichen Lebens und damit einhergehender erhöh-

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ter zeitlicher und finanzieller Druck; gesteigerter Zwang zur Mobilität und Subur-

banisation; Technisierung des Alltags und gesteigerter (individueller) Gebrauch

von elektronischen Unterhaltungsmedien (hier vor allem das Fernsehen); Genera-

tionenwandel (die ‚civic generation’ stirbt nach und nach aus und es fehlt ihr an

ähnlich engagiertem Nachwuchs) (vgl. hierzu besonders Putnam 2000: 183-284).

In dieser Perspektive betrachtet Putnam das soziale Kapital Amerikas als abhän-

gige Variable und schließt die Frage an, was getan werden kann, um den Erosi-

onsprozess zu stoppen. Es würde an dieser Stelle allerdings zu weit führen, diese

Lösungsvorschläge detailliert zu diskutieren. Im Kern richtet Putnam an alle ge-

sellschaftlichen Akteure den Appell, soziales Kapital wieder zu stärken. Angespro-

chen werden Politiker, Kulturschaffende, sozial Engagierte, Unternehmer und vor

allem die ‚normalen’ Bürger. Alle haben sie eine Verantwortung für die ‚Regenera-

tion’ sozialen Kapitals, indem sie sich wieder mehr gesellschaftlich engagieren,

stärker vernetzen, an gesellschaftlichen Prozessen partizipieren oder wieder ver-

mehrt zum gemeinschaftlichen ‚league bowling’ gehen (vgl. Putnam 2000: 367ff).

Als Ertrag dieser Maßnahmen werde soziales Kapital im jeweiligen Kollektiv ge-

stärkt. Nahezu mühelos wird in der Folge in politischen Debatten das ‚Positive’

sozialen Kapitals in der Fassung Putnams adressiert, ohne dass kritische Rück-

fragen gestellt werden, die sich allerdings mit Blick auf Putnam/ Goss klar erge-

ben. Putnam selbst geht in dieser Hinsicht allerdings mit ‚gutem Beispiel’ voran.

2.1.1 Kritische Betrachtung

Eine kritische Kommentierung des Putnam’schen Sozialkapitalverständnisses

kann auf drei zentrale Probleme zugespitzt werden, die in den vorherigen Ausfüh-

rungen bereits angedeutet werden. Zwei dieser Probleme beziehen sich auf Put-

nams empirische Arbeiten, eines betrifft den Zusammenhang zwischen Begriffsdif-

ferenzierungen und Empirie in Putnams Werk.

Mit Blick auf die Schlussfolgerungen, die Putnam aus seinen empirischen Studien

ableitet, besteht das erste Problem darin, dass er statistische Korrelationen oft-

mals als Kausalzusammenhänge interpretiert, ohne diese Interpretationen wieder-

um ausreichend zu reflektieren. Selbst wenn es einen empirischen Zusammen-

hang gibt, der darauf hindeutet, dass viel Sozialkapital mit bspw. ‚educational out-

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come’, Prosperität oder anderen wünschenswerten Entwicklungen in einem ame-

rikanischen Bundesstaat zusammenfallen und man ohne Weiteres von einer posi-

tiven Korrelation sprechen kann, lassen sich auf diese Weise sicherlich keine Kau-

salzusammenhänge aufzeigen. Dennoch suggerieren Putnams Interpretationen,

dass die Verfügbarkeit sozialen Kapitals maßgeblich dazu beitrage, dass die be-

nannten positiven Entwicklungen eintreten. Daher – so die Schlussfolgerung Put-

nams – sei es der richtige Weg, kollektives Sozialkapital zu stärken. Und es ist

genau diese Botschaft Putnams, die ihren Weg in politisch-programmatische De-

batten gefunden hat, um dort in gewisser Weise ‚Karriere’ zu machen (vgl. bspw.

OECD 2004; http://go.worldbank.org). Nicht in den Blick geraten auf diese Weise

allerdings andere Vorstellungen, in denen bspw. ein hoher SCI-Wert eines Bun-

desstaates genauso gut das Resultat der angesprochenen gesellschaftlichen Ent-

wicklungen sein könnte, die demnach zur Folge hätten, dass die Gesellschaftsmit-

glieder sich vernetzen, sich vertrauen und gemeinsame Wert- und Normvorstel-

lungen entwickeln. Es ist zudem angebracht, eher über Interdependenzen zwi-

schen Sozialkapital und ‚educational outcome’ nachzudenken, innerhalb derer sich

beide Faktoren gegenseitig bedingen. Diese Interpretationen der entsprechenden

empirischen Ergebnisse sind theoretisch ebenso plausibel, wenn es nicht sogar

eher wahrscheinlicher ist, dass man mit Blick auf gesellschaftliche Entwicklungen

nicht den einen alles entscheidenden Faktor identifizieren kann, sondern eher

komplexe Wirkungszusammenhänge anzunehmen sind, die sich unter veränder-

ten Bedingungen immer je anders darstellen.

Dass Putnam selbst bei wenigen Beispielen unterschiedliche Wirkungsrichtungen

sozialen Kapitals in Betracht zieht, zeigt sich an einem Aufsatz, in dem er zusam-

men mit John Helliwell der Frage nachgeht, in welcher Weise sich soziales Kapital

und ‚Education’ beeinflussen. Die Autoren halten im Ergebnis fest, dass ein höhe-

rer durchschnittlicher Bildungsstand in einer Gesellschaft dazu führt, dass be-

stimmte Elemente sozialen Kapitals befördert werden (vgl. Putnam/ Helliwell

2007). Es ist hier also der Bildungsgrad innerhalb einer Gesellschaft, der sich auf

Sozialkapital auswirkt und nicht umgekehrt. Die Differenz, die sich zwischen die-

sem Befund und Putnams sonstigen Aussagen zum Zusammenhang zwischen

Sozialkapital und Bildung ergibt, wird von Putnam allerdings nicht aufgeklärt. Die

Frage also, ob Bildung nun eher Voraussetzung oder eher Ertrag sozialen Kapitals

ist, findet bei Putnam unterschiedliche Antworten, ohne dass hierbei die genauen

Page 28: Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des … · von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive

24

Bedingungen untersucht werden, die diesen konkreten Zusammenhang weiter

bestimmen.

Im Anschluss an Michael Helmbrecht könnte man sagen, dass es bei Putnam

letztlich zu einer immer wieder aufs Neue und vor allem spontan zu beantworten-

den Glaubensfrage geworden ist, welcher der möglichen Interpretationen man sich

anschließt. Dies gilt zumindest, solange man diese Frage der Wirkungsrichtung

sozialen Kapitals nicht in weiterführenden Studien genauer untersucht (vgl. Helm-

brecht 2005). Insofern kann festgehalten werden, dass Putnams Sozialkapitalver-

ständnis beide von mir benannten Facetten sozialen Kapitals (Voraussetzung und

Ertrag unterschiedlicher sozialer Prozesse) in sich aufnimmt, hierbei aber eher

sprunghaft mit der Frage umgeht, wann die eine Perspektive anfängt und die an-

dere aufhört. Letztlich laufen Putnams Argumentationen auf einen logischen Zirkel

bzw. einen tautologischen Schluss hinaus, auf den bereits Alejandro Portes bzw.

Sebastian Braun hingewiesen haben (vgl. Braun 2001a; Portes 1998) und den

Putnam nicht weiter problematisiert:

„These critiques are valid but do not adress a more fundamental problem with Putnam’s argument, namely its logical circularity. As a property of communities and nations rather than individuals, so-cial capital is simultaneously a cause and an effect. It leads to positive outcomes, such as eco-nomic development and less crime, and its existence is inferred from the same outcomes. […] In other words, if your town is ‚civic’, it does civic things; if it is ‘uncivic’, it does not.” (Portes 1998: 19 f.)

Vor diesem Hintergrund verlieren Putnams Appelle zur Steigerung sozialen Kapi-

tals entscheidend an Schlagkraft. Es bleibt letztlich unentschieden, welche politi-

schen, zivilgesellschaftlichen oder sonstigen Maßnahmen die richtigen sein könn-

ten, um gesellschaftliche Problemlagen zu bearbeiten. Mit Blick auf die Bildungs-

leistungen in einer Gesellschaft ließe sich z. B. fragen, ob ein Staat die unter-

schiedlichen Elemente sozialen Kapitals stärken sollte (trust, norms und net-

works), um den Bildungsstand zu verbessern oder ob man durch die Verbesse-

rung des Bildungsstandes positiv auf das soziale Kapital einer Gesellschaft ein-

wirkt. Geht man davon aus, dass sich beide Faktoren gegenseitig bedingen, kann

man nicht problemlos nur eine der beiden Seiten in den Fokus politischer und ge-

sellschaftlicher Maßnahmen rücken. In vielen der beobachtbaren (auch erwachse-

nenpädagogischen) Anschlüsse an Putnams Sozialkapitalkonzeption ist eine der-

artige Reflexion allerdings nicht zu beobachten, was insofern nicht weiter verwun-

dern darf, da sich Putnam in dieser Hinsicht selbst eher zurückhaltend zeigt. Inso-

Page 29: Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des … · von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive

25

fern transportieren viele politische Aussagen über Sozialkapital entweder diese

Unklarheit der Wirkungszusammenhänge unhinterfragt mit sich oder sie lösen sie

in eine für sie passende Richtung auf, sodass sie sich in bereits vorhandene Ar-

gumentationsstrukturen einfügen, ohne dass hierbei letztlich über die Angemes-

senheit dieses Vorgehens Rechenschaft abgelegt werden könnte. An dieser Stelle

wird ein weiteres Mal deutlich, dass Putnams Begriffsdefinition und sein empiri-

sches Vorgehen bzw. die hieraus abgeleitete politische ‚Botschaft’ nicht zueinan-

der passen. Im Kern müsste die von Putnam schwerpunktmäßig bearbeitete kol-

lektive Dimension sozialen Kapitals vor diesem Hintergrund auf andere Weise be-

trachtet und von politischen Akteuren anders adressiert werden. Dass dies nicht

geschieht, ist in erster Linie auf die bereits angesprochene große politisch-

programmatische Strahlkraft der prominenten Studien Putnams zurückzuführen,

die in einer schnelllebigen politischen Landschaft zu verführerisch ist, um an die-

ser Stelle Relationierungen und Kritikpunkte systematisch mitzuführen.

Das zweite Problem in Putnams empirischen Analysen besteht darin, dass Put-

nam bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen ausblendet, die allerdings – vor

allem bei seinem weiten Sozialkapitalverständnis – mit in den Blick genommen

werden müssten. An Putnams Erosionsthese lässt sich dieses Problem gut ver-

deutlichen. Putnam bemisst die Erosion sozialen Kapitals am Status quo der

1960er Jahre, als die so genannte ‚civic generation’ in der Blüte ihres zivilen En-

gagements stand. Diese Generation konnte sich allerdings in sozialen Assoziatio-

nen und Gemeinschaften engagieren, die in den letzten fünf bis sechs Jahrzehn-

ten einen Wandlungsprozess durchlaufen haben und daher heute in einer gänzlich

anderen Gestalt erscheinen. Zum Teil haben sie ihr Aufgabenspektrum deutlich

verschoben oder erweitert, in vielen Fällen haben Professionalisierungsprozesse

zu nachhaltigen Veränderungen beigetragen. Ähnliche Wandlungsprozesse las-

sen sich auch für die von Putnam ins Feld geführten ‚norms’ und das gesellschaft-

liche Vertrauen konstatieren. So hat ggf. das Ende des Kalten Krieges dazu beige-

tragen, dass in den USA bestimmte selbstverständliche Wertvorstellungen (der

gemeinsame Gegner im Osten) ins Wanken geraten, ohne dass andere derart

umfassende Werte an diese Stelle treten konnte (vgl. Helmbrecht 2005: 59 ff.). Mit

Blick auf die einzelnen Individuen lässt sich zudem auf Individualisierungsprozes-

se im Anschluss an Ulrich Beck (vgl. Beck 1986) hinweisen, die ebenfalls nicht

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folgenlos für soziales Kapital sein können, wenn man es so versteht, wie Putnam

es tut.

Diese Wandlungsprozesse müssen allerdings nicht zwangsläufig dazu führen,

dass soziales Kapital in einer Gesellschaft erodiert:

„Wenn Freizeit nicht für den Ausbau persönlicher Beziehungen anlässlich von Kegelabenden und Grillevents genutzt wird, muss dies nicht gleich ein Krisenphänomen sein.“ (Holzer 2006: 16)

Viel naheliegender ist die Annahme, dass sich kollektives (und individuelles) Sozi-

alkapital im Zuge gesellschaftlichen Wandels ebenfalls verändert, neue Formen

annimmt und aus anderen sozialen Prozessen resultiert als noch in den 1960er

Jahren. Entsprechend kann es dann nicht mehr mit Maßstäben gemessen wer-

den, die sich an Verhältnissen orientieren, die vor 50 oder 60 Jahren Gültigkeit

hatten. Stellt man diese gesellschaftlichen Dynamiken in Rechnung, muss man

Putnams Erosionsthese zu einer Transformationsthese umformulieren und von

einem dynamischen Verständnis sozialen Kapitals ausgehen (vgl. Helmbrecht

2005; Holzer 2006; Skocpol 2001; Wuthnow 2001). Schließt man also an die So-

zialkapitalkonzeption Putnams unhinterfragt an, impliziert dies, dass man mit teil-

weise überholten Vorstellungen über die unterschiedlichen Formen sozialer Ver-

gemeinschaftung und deren kollektive Effekte operiert, die mit der aktuellen alltäg-

lichen Realität nicht mehr unbedingt etwas gemein haben müssen.

Das dritte Problem besteht in der Unvereinbarkeit zwischen Putnams Begriffsar-

beit und seinem empirischen Vorgehen. Der Differenzierungsgrad zum Sozialkapi-

talbegriff, den Putnam bereits in seiner 2000er Arbeit rudimentär andeutet (um

dann allerdings nicht weiter darauf einzugehen) und den er mit Kristin Goss weiter

ausarbeitet, bietet viel Anregungspotenzial für weitere Auseinandersetzungen mit

sozialem Kapital, die über die weit verbreitete politisch-programmatische Zu-

gangsweisen hinausgehen. Es ist sicherlich nicht zu erwarten, dass eine einzelne

dieser möglichen Arbeiten allen Differenzierungen sozialen Kapitals gerecht wird.

Erwartbar ist aber, dass sich Wissenschaftler, die das Konstrukt ‚Sozialkapital’

empirisch angehen, sich zu diesen Differenzierungen verhalten und transparent

machen, welche begrifflichen Einschränkungen sie machen, warum sie dies tun

und welche methodischen Konsequenzen hieraus entstehen. Die unterschiedli-

chen Formen sozialen Kapitals erfordern unterschiedliche Erhebungsmethoden,

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da sie unterschiedliche soziale Phänomene in den Blick nehmen. Vor dem Hinter-

grund der Vielschichtigkeit des Sozialkapitalbegriffs, für die Putnam/ Goss eine

anregende Heuristik vorlegen, müssen Begriffsarbeit und Empirie in einem engen

Verhältnis miteinander stehen (vgl. bspw. Freitag 2004; Gaag/ Snijders 2004;

Gaag/ Snijders/ Flap 2004). Dieser Anforderung kommt Putnam allerdings nicht in

angemessener Weise nach. Und immer dann, wenn unreflektiert an die Empirie

und die damit verbundenen normativen Aussagen Putnams angeschlossen wird,

wird diese Problematik mitgeführt. Es wird in diesen Fällen (die weitaus überwie-

gen) nicht darauf geachtet, dass der kollektive Nutzen sozialen Kapitals vor dem

Hintergrund dieser Unvereinbarkeit zwischen Empirie und Begriffsarbeit Putnams

anders zu konturieren wäre, als dies in den zahlreichen Rezeptionen der Put-

nams’schen Überlegungen der Fall ist. Bedingungen und Grenzen eines ange-

nommenen kollektiven Effekts von Vernetzung, Vertrauen und geteilten Werten

und Normen spielen in einschlägigen Debatten über Sozialkapital keine nennens-

werte Rolle. Letztlich ist es immer ein gesamtes Kollektiv, das von sämtlichen

Ausprägungen und Formen sozialen Kapitals profitiert; es werden keine Unter-

schiede zwischen unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen gemacht und je-

der Einzelne erscheint dann in gleicher Weise als Nutznießer sozialen Kapitals.

Vor diesem Hintergrund ist die kollektive Dimension von Sozialkapital immer mit

einer gewissen Vorsicht zu behandeln – eine Vorsicht, auf die in vielen Fällen aber

eher verzichtet wird.

Die politisch-programmatische Facette, die in Putnams Arbeit zweifellos enthalten

ist, hat eine derart hohe Attraktivität für Akteure in den unterschiedlichsten gesell-

schaftlichen Bereichen, dass notwendige Differenzierungen und Relativierungen

nicht weiter aufgegriffen werden. In der Logik einer politischen Programmatik ist

dies durchaus nachvollziehbar, würden doch bestimmte Widersprüche und Relati-

onierungen eher störend und wenig unterstützend wirken. Überraschend ist aller-

dings, dass selbst Putnam diese Kritikpunkte nur dann anspricht, wenn er über

Bergriffsdifferenzierungen nachdenkt und nicht, wenn er empirische Befunde prä-

sentiert und seinerseits politisch argumentiert, was bei ihm zumeist der Fall ist.

Putnam kommt in diesem populären Debattenstrang über soziales Kapital gewis-

sermaßen zwei Mal vor: Einmal ist er selbst Programmatiker und spielt auf politi-

scher Ebene eine gewichtige Rolle und ein anderes Mal erscheint er als ein Autor,

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der systematische Begriffsarbeit leistet, die in mancher Hinsicht kritisches Potenti-

al bietet. Interessanterweise sprechen diese ‚beiden Putnams’ nicht miteinander,

obwohl sie sich sicherlich einiges zu sagen hätten. Und auch in andere Debatten,

wird in erster Linie der ‚politische Putnam’ angerufen, während der ‚andere’ Put-

nam wenn überhaupt nur am Rande vorkommt. Letztlich muss vor diesem Hinter-

grund auf eine modifizierte Lesart eines kollektiven Moments sozialen Kapitals

hingearbeitet werden, die in ihrem Differenzierungsgrad über die bisher etablierte

politische Fassung kollektiven sozialen Kapitals hinausgeht.

2.2 Sozialkapital als individuelle Handlungsressource: James Coleman

James Coleman verwendet den Sozialkapitalbegriff, um eine Facette zur Erklä-

rung sozialen Handelns, die seiner Auffassung nach kaum bzw. gar nicht beachtet

wird, bestimmen und erläutern zu können. Demnach ließen sich in den Sozialwis-

senschaften ‚two broad intellectual streams’ (vgl. Coleman 1988a: 95) ausmachen,

die bei der Erklärung sozialen Handelns miteinander konkurrierten. Diese Strö-

mungen bestünden zum einen aus Rational-Choice-Ansätzen, bei denen davon

ausgegangen werde, soziales Handeln basiere auf der rationalen Entscheidung

des handelnden Individuums, das sein Handlungsziel und den Weg, dieses zu

erreichen, weitgehend autonom, eigenverantwortlich und unabhängig von anderen

Individuen erkennen und gestalten könne. Dem stehen strukturalistische Überle-

gungen gegenüber, die soziales Handeln als etwas betrachten, das von den sozia-

len Kontexten bedingt ist, innerhalb derer es stattfindet. Coleman stellt diesen

Zusammenhang wie folgt dar:

„There are two broad intellectual streams in the description and explanation of social action. One, characteristic of the work of most sociologists, sees the actor as socialized and action as governed by social norms, rules, and obligations. The principal virtues of this intellectual stream lie in its abil-ity to describe action in social context and to explain the way action is shaped, constrained, and redirected by the social context. The other intellectual stream, characteristic of the work of most economists, sees the actor as having goals independently arrived at, as acting independently, and as wholly self-interested. Its principal virtue lies in having a principal of action, that of maximizing utility.” (Coleman 1988a: 95)

Coleman zufolge seien beide Ansätze je für sich genommen nicht ausreichend, da

jede der beiden Denkrichtungen soziales Handeln immer nur einseitig erklären

könne. Die Erklärung sozialen Handelns müsse vielmehr darauf ausgerichtet sein,

sowohl die sozialstrukturelle als auch die individuelle, rationale Perspektive im

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Blick zu haben und in einem Ansatz zu integrieren. Auf diese Weise spricht Cole-

man auf eine Differenz zwischen Idealismus und Strukturalismus an, die seiner-

seits auch eine Kernfrage der gesellschaftstheoretischen Überlegungen Bourdieus

ist und zu deren Beantwortung Bourdieu vor allem das Habituskonzept entwickelt

hat, zu dem ich mich an anderer Stelle noch ausführlich äußern werde.

Coleman wiederum beschreitet einen anderen Weg als Bourdieu und sieht die

Möglichkeit, seinem Anspruch gerecht werden zu können, im Sozialkapitalbegriff

selbst: Individuen versuchen ihre Handlungsziele zu erreichen und greifen dabei

auf bestimmte Ressourcen zurück, die ihnen durch die soziale Struktur, in die sie

eingebunden sind, zur Verfügung gestellt werden. Der Aufbau dieser sozialen

Strukturen sei wiederum abhängig von den Handlungen der Akteure, die Coleman

als Tauschhandlungen ansieht, bei denen die handelnden Individuen miteinander

in Kontakt treten und dabei zwangsläufig soziale Beziehungen aufbauen. Diese

sozialen Beziehungen – oder ‚Aspekte der Sozialstruktur’, wie Coleman sie auch

nennt (vgl. Coleman 1991) – seien in vielerlei Hinsicht für das Handeln der Akteu-

re von zentraler Bedeutung. Seien sie einmal entstanden und können erhalten

bleiben, beeinflussen sie zukünftige Tauschbeziehungen und können für den Er-

folg sozialer Handlungen entscheidend sein.

Es zeigt sich hier Colemans funktionale Auffassung von Sozialkapital, die sich mit

dem folgenden Zitat gut verdeutlichen lässt:

„Ich werde diese sozialstrukturellen Ressourcen als Kapitalvermögen für das Individuum bzw. als soziales Kapital behandeln. Soziales Kapital wird über seine Funktion definiert. Es ist kein Einzel-gebilde, sondern aus einer Vielzahl verschiedener Gebilde zusammengesetzt, die zwei Merkmale gemeinsam haben. Sie alle bestehen nämlich aus irgendeinem Aspekt einer Sozialstruktur, und sie begünstigen bestimmte Handlungen von Individuen, die sich innerhalb der Struktur befinden. Wie andere Kapitalformen ist soziales Kapital produktiv, denn es ermöglicht die Verwirklichung be-stimmter Ziele, die ohne es nicht zu verwirklichen wären. Wie auch physisches Kapital und Hu-mankapital ist soziales Kapital nicht völlig fungibel, sondern nur fungibel im Hinblick auf bestimmte Tätigkeiten.“ (Coleman 1991: 392; Hervorhebungen H. F.)

Soziales Kapital übernehme demnach die gleiche Funktion wie die anderen bei-

den von Coleman angeführten Kapitalsorten: physisches Kapital und Humankapi-

tal. Allen drei Kapitalsorten sei gemein, dass sie bei der Erreichung von Hand-

lungszielen dienlich seien. Sie seien – wie Coleman es nennt – in diesem Sinne

produktiv. Der Unterschied zwischen den Kapitalsorten bestehe Coleman zufolge

darin, dass sie aus unterschiedlichen Komponenten bestehen:

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„Physisches Kapital wird geschaffen, indem Material so verändert wird, dass daraus Werkzeug entsteht, das die Produktion erleichtert; dementsprechend wird Humankapital geschaffen, indem Personen so verändert werden, dass sie Fertigkeiten und Fähigkeiten erlangen, die ihnen erlau-ben, auf neue Art und Weise zu handeln. Soziales Kapital hingegen entsteht, wenn sich die Beziehungen zwischen Personen so verändern, dass bestimmte Handlungen erleichtert werden.“ (Coleman 1991: 394; Hervorhebungen H. F.)

Im Vergleich zu den beiden anderen Kapitalien ist soziales Kapital gemäß Cole-

man kaum konkret fassbar, und es kann nur schwer eindeutig bestimmt werden.

Im Kern stellt Coleman darauf ab, dass bestimmte Aspekte innerhalb sozialer Be-

ziehungen einen Wert für diejenigen haben, die sich innerhalb dieser Beziehungen

befinden, „und zwar in Gestalt von Ressourcen, die von Akteuren dazu benutzt

werden können, ihre Interessen zu realisieren.“ (Coleman 1991: 395). Es lassen

sich unterschiedliche Beispiele anführen, welche konkreten ‚sozialstrukturellen

Aspekte’ als soziales Kapital fungieren können. Coleman selbst geht u. a. auf die

folgenden Aspekte ein (vgl. Coleman 1988a, 1991):

• Verpflichtungen, Erwartungen und Vertrauenswürdigkeit innerhalb einer Sozial-

struktur: Indem Akteure innerhalb eines sozialen Netzes anderen Akteuren bei

Bedarf helfen und diese somit in die Pflicht nehmen können, ihrerseits wieder-

um bei Bedarf Hilfestellung zu geben, werde Sozialkapital in Form von Ver-

pflichtungen aufgebaut (quasi in Form von ‚Hilfestellungs-Krediten’). Es werde

erwartet, dass diese ‚Kredite’ zurückbezahlt werden; bestenfalls dann, wenn der

‚Gläubiger’ selbst hilfebedürftig ist. Das Maß an Vertrauenswürdigkeit, das in

einem Kollektiv vorherrscht, trage dazu bei, dass überhaupt gegenseitige Ver-

pflichtungen eingegangen werden, weil man (begründet oder nicht) darauf ver-

trauen könne, dass die Verpflichtungen auch irgendwann eingelöst werden.

• (Zugang zu) Informationen: Durch die Zugehörigkeit zu einer bestimmten Grup-

pe könne der Zugang zu Informationen ermöglicht werden, die dann wiederum

bei der Planung und Durchführung einer Handlung hilfreich sein könnten.

• Gemeinsame Normen und wirksame Sanktionen: In einer Gemeinschaft können

Normen entstehen und vermittelt werden, die u. U. individuelles Handeln beein-

flussen, indem sie bspw. gleichermaßen bei der Zielsetzung und der Zielerrei-

chung wirksam werden (z. B. die Norm, fleißig zu sein oder diszipliniert zu ar-

beiten, nicht zu scheitern, seine Ziele konsequent zu verfolgen usw.). Voraus-

setzung dafür sei allerdings, dass die Nicht-Befolgung dieser Normen wirksa-

men sanktioniert werden könne.

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Neben diesen ‚verschiedenen Gebilden’, die alle als ‚Aspekte der Sozialstruktur’

anzusehen seien, in die die Individuen eingebunden sind, beschreibt Coleman

noch einige begünstigende Bedingungen dafür, dass soziales Kapital entstehen

und wirken kann. Diese Bedingungen seien demnach erfüllt, wenn die entspre-

chenden sozialen Netzwerke sich durch eine hohe Dichte und zeitliche Beständig-

keit auszeichnen und sich gleichzeitig deutlich von ihrer Umwelt abgrenzen. Inner-

halb solcher Netzwerke bilde sich soziales Kapital besser als in solchen, die diese

Merkmale nicht aufweisen. Lose und weniger dichte Netzwerke stellen in dieser

Perspektive weniger Sozialkapital zur Verfügung. Über diese Merkmale sozialer

Beziehungen hinaus weist Coleman darauf hin, dass soziale Gemeinschaften, die

über bestimmte gemeinsame Organisationen (bzw. Institutionen) verfügen, deren

Leistungen kollektiv nützlich sind (bspw. soziale Einrichtungen, Hilfsorganisatio-

nen, Bürgerinitiativen, Feuerwehr, aber auch Banken), tendenziell mehr Sozialka-

pital für ihre Mitglieder bereithalten als solche, bei denen derartige Organisations-

formen fehlen.

Im Kern kann festgehalten werden, dass im Zentrum von Colemans Sozialkapital-

verständnis die Funktionen stehen, die soziale Strukturen mit Blick auf individuel-

les soziales Handeln einnehmen – sie werden als eine besondere Form von Hand-

lungsressource betrachtet. Soziales Kapital lasse sich gegenüber physischem und

Humankapital durch spezifische Merkmale abgrenzen, die seinen ‚nicht konkreten

Charakter’ (s. u.) begründen. Soziales Kapital könne demnach viele unterschiedli-

che Formen bzw. Gestalten annehmen, die sich alle dadurch auszeichnen, dass

sie nur in einer sozialen Beziehung zwischen Menschen entstehen und erhalten

bleiben können. Soziales Kapital könne demnach nur als eine Ressource be-

schrieben werden, die innerhalb von sozialen Netzwerken zur Verfügung stehen

könne. Diejenigen, die in diesen Netzwerken teilnehmen, profitieren von dem so-

zialen Kapital, zu dem sie aufgrund ihrer Teilnahme an dem jeweiligen Netzwerk

Zugang haben.

Ähnlich wie bei Putnam spielen auch bei Colemans Sozialkapitalverständnis die

Effekte sozialen Kapitals eine entscheidende Rolle. Vor dem Hintergrund von Co-

lemans theoretischer Reflexion über soziales Kapital kann – allgemein gesprochen

– konstatiert werden, dass die Effekte sozialen Kapitals darin gesehen werden,

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dass individuelle Handlungsziele erreicht werden (können), was ohne Sozialkapital

zuweilen nicht der Fall wäre. Diese aus der Theorie hergeleiteten Effekte sozialen

Kapitals lassen sich an zwei empirischen Beispielen verdeutlichen.

Als erstes Beispiel seien hier Colemans Überlegungen zum Zusammenhang zwi-

schen Sozialkapital und individuellem Erfolg bei der Suche nach einem Arbeits-

platz (‚Jobsuche’) angesprochen. Innerhalb sozialer Netzwerke (bei Coleman: so-

ziale Strukturen) seien bestimmte Informationskanäle vorhanden (verstanden als

Aspekte dieser sozialen Struktur), aufgrund derer eine Jobsuche (verstanden als

rationale soziale Handlung) letztendlich mit Erfolg gekrönt werden könne (Errei-

chung des Handlungsziels). Coleman beruft sich bei diesem Beispiel auf empiri-

sche Studien von Lin u. a. oder Granovetter, die die beschriebenen Zusammen-

hänge in den 1970er und 1980er Jahren untersucht haben (vgl. Coleman 1991:

391 f.).6

Das zweite Beispiel zur Verdeutlichung der Effekte sozialen Kapitals wird an die-

ser Stelle etwas ausführlicher dargestellt, da es sich um ein Beispiel handelt, das

für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit – sowie aus erziehungswissenschaft-

licher Perspektive überhaupt – von besonderem Interesse ist. Es kommt hier der

Zusammenhang zwischen Sozial- und Humankapital in den Blick, so wie ihn Co-

leman in seinen empirischen Untersuchungen zum Schulerfolg unterschiedlicher

Bevölkerungsgruppen in den USA herausgearbeitet hat und in denen die empiri-

sche Grundlage seines Sozialkapitalverständnisses zu sehen ist.7

6 Hierbei ist bemerkenswert, dass Coleman die Unterschiede zwischen seinem eigenen Ansatz und der Studie von Granovetter nicht weiter beachtet, obwohl sie unter Rückgriff auf Boris Holzer nicht unerheblich sind. Granovetter betont, dass bei der erfolgreichen Jobsuche vor allem die so genannten ‚weak ties’ eine bedeutsame Rolle einnehmen. Hiermit sind soziale Beziehungen zwi-schen Personen gemeint, die nicht als ‚gute Freunde’ oder gar Familienmitglieder gelten, sondern eher lose miteinander gekoppelt sind und in der Regel aus unterschiedlichen Gruppen bzw. Be-kanntenkreisen stammen. Auf diese Weise können sie sich gegenseitig mit Informationen versor-gen, die sie im Kontext ihrer eigenen Gruppe nicht erhalten könnten. Diese Auffassung steht inso-fern in einem gewissen Widerspruch zu Colemans Vorstellung, als er vor allem dichte und eng aufeinander bezogenen soziale Netzwerke im Blick hat, die soziales Kapital bereitstellen können. Coleman selbst geht auf diesen Widerspruch allerdings nicht dezidiert ein (vgl. Holzer 2006: 16 ff. vgl. auch Kapitel 2.3.1 der vorliegenden Arbeit). 7 Es ist dieser Zusammenhang, der bis in jüngste Untersuchungen hinein von größter Relevanz für erziehungswissenschaftliche Diskurse ist. Insbesondere kann an dieser Stelle auf die PISA-Studien verwiesen werden, in denen Colemans Überlegungen eine große Rolle bei der Erklärung der fest-gestellten Leistungsunterschiede zugesprochen wird (vgl. bspw. Jungbauer-Gans 2004; Deutsches PISA-Konsortium 2001). Außerdem ist an dieser Stelle anzumerken, dass bildungssoziologische Fragen eine immense Bedeutung in Colemans Gesamtwerk ausmachen. Sie stellen in vielerlei Hinsicht den Ausgangspunkt von Colemans Theoriekonzeptionen (u. a. der Sozialkapitalkonzepti-on) dar (vl. Mayer 1998).

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Coleman hat sich seit den 1960er Jahren intensiv immer auch mit erziehungswis-

senschaftlichen und bildungssoziologischen Fragestellungen beschäftigt. Er unter-

suchte u. a. die Frage nach den Möglichkeiten und Grenzen, die Schüler mit un-

terschiedlichen sozialen Hintergründen an verschiedenen amerikanischen Schul-

formen (öffentlichen oder privaten, insbesondere konfessionellen) bei der Errei-

chung guter Noten, beim Schulabschluss insgesamt oder beim Übergang auf wei-

terführende (Hoch-)Schulangebote haben (vgl. Coleman/ Hoffer 1987). Mit den

genannten Merkmalen von Schulerfolg könne Coleman zufolge das Humankapital

einer Person erfasst werden, dessen Erreichung entscheidend durch soziales Ka-

pital beeinflusst werde (vgl. Coleman 1988a, b; Coleman/ Hoffer 1987). Zum

Zweck der empirischen Untersuchungen nimmt Coleman eine begriffliche Konkre-

tisierung vor, indem er zwischen familiärem und außerfamiliärem Sozialkapital un-

terscheidet. Eine hohe Anzahl an Geschwistern, enge Eltern-Kind-Beziehungen,

die häusliche Präsenz beider Elternteile und die Erfolgserwartungen, die seitens

der Eltern an ihre Kinder gestellt werden, seien demnach sozialstrukturelle Aspek-

te, die in Colemans Verständnis als Sozialkapital fungieren. Weist eine Familie in

dieser Perspektive hohes Sozialkapital auf, wirke sich das Colemans Befunden

zufolge maßgeblich auf den Schulerfolg der Kinder aus. Soziales Kapital könne

einerseits vermittelnd wirken, indem Familien, in denen viel Human- und physi-

sches Kapital zur Verfügung steht, diese Vorteile vor allem dann an ihre Kinder

weitergeben könnten, wenn auch soziales Kapital vorhanden ist. Anderseits sieht

Coleman auch eine kompensierende Funktion sozialen Kapitals, die darin beste-

he, dass Kinder aus sozial benachteiligten Familien, die wenig Human- und physi-

sches Kapital, aber viel soziales Kapital aufweisen, trotz ihrer Benachteiligungen

erfolgreiche Schullaufbahnen beschreiten könnten und somit ihre Möglichkeiten

verbesserten, Humankapital aufzubauen (vgl. Coleman 1988a, b; Coleman/ Hoffer

1987).

Vom außerfamiliären Sozialkapital sei dann zu sprechen, wenn sowohl Eltern als

auch Kinder in unterschiedliche soziale Gemeinschaften eingebunden sind, die im

weiteren Sinne im schulischen Kontext gefasst werden können (z. B. Elternbeiräte,

Chöre, sportliche Aktivitäten u. Ä.). Ebenso seien hierzu elterliche Kontakte unter-

einander zu zählen. Seien derartige soziale Vernetzungen gegeben (was im An-

schluss an Coleman wohl besonders bei katholischen Schulen in den USA der Fall

zu sein scheint), sei Colemans Befunden zufolge damit zu rechnen, dass die schu-

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lischen Leistungen der entsprechenden Kinder und Jugendlichen davon profitieren

und überdurchschnittlich gut seien. Dies zeige sich vor allem bei einem Vergleich

zwischen Jugendlichen aus benachteiligten sozialen Schichten mit viel Sozialkapi-

tal und solchen, die einen vergleichbaren sozialen Hintergrund haben, aber auf

nur wenig Sozialkapital zurückgreifen können. Diese Überlegungen leitet Coleman

aus zahlreichen empirischen Befunden ab, die er wie folgt zusammenfasst:

„The data presented above indicate the importance of social capital for the education of youth, or, as it might be put, the importance of social capital in the creation of human capital.“ (Coleman 1988a: 116; Hervorhebungen H. F.)

Colemans Perspektive und der skizzierte empirische Zugang für die Untersuchung

des Zusammenhangs zwischen Sozial- und Humankapital bilden (vor allem im

englischsprachigen Raum) die Grundlage für zahlreiche Folgestudien, die schwer-

punktmäßig in den 1990er Jahren durchgeführt wurden. Hinsichtlich der Indikato-

ren für Sozialkapital und Schulerfolg sowie mit Blick auf die quantitative Erfassung

dieser Indikatoren weichen diese Studien nicht grundsätzlich von Colemans Vor-

gehen ab bzw. stellen keine maßgebliche Erweiterung dar (vgl. Dika/ Singh 2002;

außerdem Eder/ Gehmacher/ Kroismayr 2006). Im Kern weisen auch die Ergeb-

nisse der Folgestudien darauf hin, dass ein positiver Zusammenhang zwischen

Sozialkapital und Humankapital nachweisbar scheint. Vor diesem Hintergrund

merken Sandra L. Dika und Kusum Singh allerdings kritisch an, dass die begriffli-

che Konzeption sozialen Kapitals weder bei Coleman noch bei den meisten ande-

ren Studien präzise genug sei, um ohne weitere Differenzierungen und Relativie-

rungen für empirische Untersuchungen nutzbar zu sein. Das Verhältnis zwischen

familiären und außer-familiären Formen sozialen Kapitals werde nicht systema-

tisch erfasst. Außerdem werde in den meisten Studien suggeriert, dass die Ver-

fügbarkeit sozialen Kapitals alleine schon ausreiche, um den Aufbau von Human-

kapital zu fördern. Hierbei bleibe allerdings die Frage offen, unter welchen Bedin-

gungen soziales Kapital von wem genutzt werden kann und wem es ggf. im selben

Moment schadet. Diese Differenzierungen würden aber weder in Colemans noch

in den meisten der Folgestudien angemessene Entsprechung finden. Hinsichtlich

der empirischen Erhebung sozialen Kapitals könne angemerkt werden, dass sich

sowohl Coleman als auch die anderen Autoren mehrheitlich bei Datenquellen be-

dienen, die sie nicht selbst erhoben haben. Zumeist werde Sozialkapital unter

Rückgriff auf statistische Quellen oder Erhebungen erfasst, die ursprünglich ande-

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35

ren Zwecken dienten. Insofern seien sie immer nur bedingt geeignet, differenzierte

Hinweise zum Zusammenhang zwischen Sozial- und Humankapital zu liefern:

„Conventional statistical measures of supportive ties (e. g., number of parents, parent-child-discussion) are poor and unreliable indicators of social capital, and they give little information about relationship dynamics or the quality of the resources accessed. In most of these studies, prior measures of academic resources, academic performance, and social capital are not taken into consideration. Longitudinal studies are necessary to an understanding of the direction of the rela-tionship between educational outcome and social resources.” (Dika/ Singh 2002: 45)

Hinzu komme, dass die mehrheitlich (und bei Coleman ausschließlich) angewen-

deten quantitativen Methoden nicht ausreichend flankiert werden durch qualitative

Zugänge, die einen Einblick in die inneren Funktionsweisen sozialer Strukturen

ermöglichen können. Wenn man aber – wie Coleman dies tut – Sozialkapital über

seine Funktion definiert, dann seien qualitative Zugänge Dika/ Singh zufolge un-

abdingbar für die Analyse sozialen Kapitals. Schließlich sei darauf hingewiesen,

dass vor allem in Colemans Untersuchungen recht enge Verständnisse von Sozi-

al- und Humankapital zugrunde gelegt und empirisch erfasst werden. Sozialkapital

werde demnach durch familiäre und andere eher dichte soziale Verbindungen ge-

bildet, und die Entstehung von Humankapital bleibe auf schulische Prozesse be-

schränkt (vgl. Dika/ Singh 2002). Vor dem Hintergrund dieser Einschränkungen

seien die Aussagen zum Zusammenhang zwischen Human- und Sozialkapital zu

relativieren. Zudem werde nicht danach gefragt, in welcher Weise Humankapital

wiederum auf Sozialkapital einwirken kann. Coleman betrachte (wie viele andere)

nur einen der möglichen Wirkungszusammenhänge und blendet andere aus.

Da soziales Kapital gemäß Coleman nie ausschließlich mit nur einem Akteur in

Verbindung gebracht werden könne, sondern dass sowohl für die Entstehung als

auch für die Nutzung die schon mehrfach angesprochenen sozialstrukturellen Fak-

toren gegeben sein müssen, kommen auch die Effekte sozialen Kapitals zwangs-

läufig in der Regel mehreren Personen zugute – auch denen, die nicht dazu bei-

getragen haben, dass es entsteht. Coleman spricht in diesem Zusammenhang von

einem ‚Aspekt des öffentliche Gutes’, der sozialem Kapital in vielen Fällen inne-

wohne:

„Der Aspekt des öffentlichen Gutes, den das meiste Sozialkapital besitzt, bedeutet, dass es eine grundlegend andere Position im Hinblick auf zielgerichtetes Handeln als die meisten anderen Kapi-talformen einnimmt. Sozialkapital stellt eine bedeutende Ressource für Individuen dar und kann

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36

ihre Handlungsmöglichkeiten und ihre subjektive Lebensqualität stark beeinflussen. [...] Da aber viele der Gewinne aus Handlungen, aus denen soziales Kapital sich entwickelt, von anderen Per-sonen als der handelnden erfahren werden, liegt es nicht im Interesse dieser Person, es entstehen zu lassen. [...] Ein Großteil an sozialem Kapital entsteht oder vergeht, ohne dass irgendjemand bewusst dazu beiträgt. Daher wird diese Art von Kapital innerhalb der Sozialforschung unverhält-nismäßig weniger anerkannt und in Betracht gezogen, als sein nicht konkreter Charakter rechtferti-gen würde.“ (Coleman 1991: 412)

Verstärkt wird die in diesem Zitat angesprochene Problematik dadurch, dass sozi-

ales Kapital in mancher Hinsicht dazu einlade, als Trittbrettfahrer von ihm zu profi-

tieren. Dies sei dann der Fall, wenn Sozialkapital innerhalb einer Gemeinschaft

von einigen Mitgliedern aufgebaut und gepflegt, von anderen allerdings mehrheit-

lich genutzt wird, ohne dass diese ‚Nutznießer’ selbst etwas zur Entstehungen des

sozialen Kapitals beigetragen haben. Eine solche Konstellation sei Colemans An-

sicht nach sehr fragil und führe in vielen Fällen dazu, dass die Bemühungen der-

jenigen eingestellt werden, die für den Aufbau sozialen Kapitals gesorgt haben. In

der Konsequenz nehme der Bestand an Sozialkapital ab und eine gesamte Ge-

meinschaft bzw. die hierin lebenden Individuen seien von diesem Verlust betroffen

(vgl. auch Coleman 1988b).

Es ist vor allem dieser ‚Aspekt des öffentlichen Gutes’, auf den Putnam abstellt,

wenn er die positiven Effekte sozialen Kapitals für die italienische oder die ameri-

kanische Gesellschaft beschreibt. Hierbei verliert Putnam allerdings den darge-

stellten prekären Charakter dieser Kollektivgüter aus dem Blick, der bei Coleman

dadurch zustande kommt, dass er Sozialkapital letztlich doch als etwas Individuel-

les betrachtet, dessen mögliche kollektiven Auswirkungen für den Kern seines An-

satzes und für dessen Rezeption wenig Bedeutung haben.

In seinen empirischen Arbeiten betrachtet Coleman zumindest zwei der drei von

ihm genannten Kapitalformen insofern als nicht gänzlich unabhängig voneinander,

als er zeigt, dass Sozialkapital für den Aufbau von Humankapital von zentraler

Bedeutung sein kann. Soziales Kapital wird in dieser Perspektive als unabhängige

Variable ins Feld geführt bzw. als Ressource, die Einfluss auf andere Variablen (in

diesem Fall Humankapital) hat. In diesen Untersuchungen wird nicht danach ge-

fragt, ob Human- und Sozialkapital auch in umgekehrter Richtung aufeinander

einwirken. Coleman beschreibt demnach keine Wechselwirkung zwischen den

beiden Kapitalsorten, sondern einen einseitigen Wirkungszusammenhang.

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37

Fest steht für ihn darüber hinaus, dass soziales Kapital – ähnlich wie bei Putnam –

einen Erosionsprozess durchlaufe, der einerseits darauf zurückzuführen sei, dass

sich traditionelle Familienstrukturen in modernen Gesellschaften mehr und mehr

auflösen, sodass in den Familien weniger Sozialkapital zur Verfügung gestellt

werde. Hinzu komme, dass sich die Jugendlichen der USA immer weniger an ge-

meinschaftlichen Aktivitäten beteiligen. Sie werden aus der Sicht Colemans durch

das Angebot der digitalen Medien hiervon abgehalten (vgl. Coleman 1988b).8 Die

Nähe zu Putnams Argumentation rund um dessen Erosionsthese ist hier nicht zu

übersehen. In dieser Perspektive erscheint soziales Kapital als abhängige Variab-

le. Sofern sich traditionelle Familienstrukturen und andere außerfamiliärer Formen

der Gemeinschaft immer mehr auflösten, schwinde mit ihnen auch das soziale

Kapital, welches sie auf individueller und kollektiver Ebene zur Verfügung stellen

können. Anhand dieser Annahme lässt sich nochmals deutlich machen, inwiefern

Coleman soziales Kapital als Ertrag bestimmter sozialer Vernetzungsprozesse

betrachtet. Sozialkapital entstehe demnach, wenn Menschen sich miteinander

vernetzen und sich auf diese Weise Zugang zu den genannten ‚Aspekten einer

Sozialstruktur’ gewähren. Hinzu komme, dass sich diese Netzwerke bestenfalls

auf Dauer und in deutlicher Abgrenzung zu ihrer Umwelt etablieren.

2.2.1 Kritische Betrachtung

Über die kritischen Anmerkungen zu der Vorgehensweise und der Interpretation

im Rahmen der empirischen Arbeiten hinaus möchte ich im Folgenden noch weite-

re zentrale Kritikpunkte anführen, die sich mehr auf die in dieser Arbeit zentralen

theoretischen und konzeptionellen Aspekte der Coleman’schen Sozialkapitalkon-

zeption beziehen.

Ähnlich wie Putnam betont auch Coleman die positiven Effekte sozialen Kapitals

deutlich stärker als die möglichen negativen. Für den Einzelnen wird die Einbin-

dung in soziale Netzwerke und der damit verbundene Zugang zu bestimmten ‚As-

pekten der Sozialstruktur’, die ihm bei der Erreichung seiner Handlungsziele hel-

fen können, als Handlungsressource dargestellt, die in den meisten Fällen einen

Wert für ihn hat und ansonsten schlimmstenfalls bedeutungslos ist. Dabei kann 8 Für Coleman ist der Musiksender MTV in diesem Zusammenhang „the most extreme current expression“ (Coleman 1988b: 391).

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durchaus angenommen werden, dass sich bestimmte gemeinschaftliche Normen

und die dazugehörigen Sanktionen negativ auf das Befinden eines Einzelnen

auswirken, wenn sie bspw. als Zwang und Begrenzung der individuellen Freiheit

erlebt werden. In einem solchen Fall mögen sie zwar eine Handlungsressource

darstellen. Innerhalb dieser sozialen Strukturen gelten u. U. aber gleichzeitig auch

Handlungsnormen und -ziele, die den Wünschen des Einzelnen widersprechen

und dessen individuelle Freiheitsräume einschränken. Hinzu kommt, dass die

(vermeintlich) positiven Effekte sozialen Kapitals immer nur für diejenigen gelten,

die zu einem entsprechenden Netzwerk gehören. Aus dieser Perspektive heraus

kann Coleman allerdings nicht sehen, dass die Außenstehenden auch gleichzeitig

Leidtragende sein können, zumal Coleman betont, dass vor allem dichte und ge-

schlossene Netzwerke, die sich bewusst von anderen abgrenzen, soziales Kapital

bereitstellen können:

„Doch die paradoxe Nebenfolge von Netzwerken persönlichen Vertrauens ist, dass sie mit dem Vertrauen in konkrete Bekannte gleichzeitig das Misstrauen gegen alle anderen nicht in das Netz-werk Inkludierte produzieren.“ (Holzer 2006: 27)

Durch Colemans Verständnis von sozialem Kapital und dessen Funktion für indivi-

duelles soziales Handeln kommt diese Kehrseite bestimmter sozialkstruktureller

Effekte, die sich zeigt, wenn man unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen mit-

einander ins Verhältnis setzt, nicht in den Blick (vgl. auch Portes/ Landolt 1996;

Portes 1998).

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass Coleman zuweilen eine enge Vorstel-

lung davon hat, auf welche Weise soziales Kapital entstehen und wirken kann. Im

Blick sind bei Coleman vor allem dichte Netzwerke, die sich bestenfalls deutlich

von ihrer Umwelt abgrenzen und somit eine homogene Erscheinung bieten. Auf

diese Weise werden andere, eher lose und weite Formen sozialer Vernetzung, die

sich zwischen Individuen ergeben, die sich hinsichtlich ihrer soziodemographi-

schen Merkmale voneinander unterscheiden, und die auf diese Weise bereitge-

stellten Handlungsressourcen nicht systematisch in den Blick genommen. Es ist

aber davon ausgehen, dass diese Formen sozialen Kapitals für erfolgreiches sozi-

ales Handeln in manchen Handlungssituationen mindestens genauso große Rele-

vanz haben können wie die von Coleman fokussierten. Die Ergebnisse der schon

fast als ‚klassisch’ zu bezeichnenden Studie von Granovetter zeigen bspw., dass

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gerade bei der erfolgreichen Jobsuche – also einem Phänomen, das auch in Co-

lemans Darstellungen von großer Bedeutung ist – die so genannten ‚weak ties’

eine besondere Rolle einnehmen; ein Umstand, der in Colemans empirischen

Studien und vor allem in seiner theoretischen Auseinandersetzung mit den Effek-

ten sozialen Kapitals nicht entsprechend diskutiert wird (vgl. Granovetter 1973; zur

weiteren Differenzierung vgl. Flap/ Graaf 1986; Holzer 2006). Dieses eng gefasste

Verständnis von Sozialkapital äußert sich auch darin, dass Coleman ähnlich wie

Putnam davon ausgeht, dass das soziale Kapital in den USA erodiert.9 Diese Ein-

schätzung ist allerdings nur plausibel, solange man wie Coleman besonders inten-

siv auf familiäres (oder anderes dichtes) Sozialkapital eingeht und andere Formen

ausblendet. Seit dem 19. Jahrhundert – so beklagen bspw. Coleman/ Hoffer – lö-

sen sich traditionelle Familienstrukturen, in denen mindestens ein Elternteil dauer-

haft zu Hause ist und bestenfalls mehrere Generationen zusammen in einem

Haushalt leben, immer mehr auf und neue entwickelten sich. Diese neuen Famili-

enstrukturen zeichnen sich bspw. dadurch aus, dass beide Elternteile ihre berufli-

che Karriere verfolgen und dafür auch räumliche Trennungen in Kauf und außer-

familiäre Betreuungsangebote in Anspruch nehmen. In der Konsequenz bedeute

dies, dass die vermeintlich wichtigste Form sozialen Kapitals zu schwinden drohe.

Eine solche Entwicklung sei maßgeblich auf die Emanzipation der weiblichen Be-

völkerung zurückzuführen, die in modernen Gesellschaften ihr Recht auf die Teil-

habe an höherer Bildung einfordere und in der Folge einen immer höheren Anteil

an der Erwerbsbevölkerung insgesamt ausmache. Im Rahmen seiner Überlegun-

gen zur Bedeutung sozialen Kapitals bei der Entstehung von Humankapital kriti-

siert Coleman die geschilderten Modernisierungs- und Emanzipationsprozesse, da

sie seiner Auffassung nach den Abbau von Sozialkapital zur Folge haben, für den

er maßgeblich die arbeitenden Frauen verantwortlich macht (vgl. Coleman/ Hoffer

1987; vgl. auch Roßteutscher/ Westle/ Kunz 2008). An dieser Stelle kann zum ei-

nen Kritik angebracht werden, die in erster Linie auf Colemans konservatives Fa-

milien- und Gesellschaftsbild abzielt (vgl. Field 2003a: 24 ff.). Es ist hierin aber

ebenso eine Kritik an Colemans Sozialkapitalverständnis im engeren Sinn enthal-

ten, da anzunehmen ist, dass sich parallel zu den beschriebenen Entwicklungen

im Bereich der Familie neue soziale Strukturen herausgebildet haben, die ähnliche

Funktionen übernehmen können wie das (vermeintlich) erodierende familiäre So- 9 Sicherlich nehmen diese Vorstellungen zur Erosion sozialen Kapitals, verglichen mit Putnams Ansatz, einen deutlich geringeren Stellenwert in der Gesamtargumentation ein.

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zialkapital. Colemans Sozialkapitalbegriff ist in seiner engen Fassung nicht emp-

fänglich für derartige Vorstellungen eines Gestaltwandels sozialen Kapitals. Insge-

samt kann bei Coleman ein eher statisches Sozialkapitalverständnis beobachtet

werden, in dem sich soziales Kapital auch im Zuge anderer (bspw. gesellschaftli-

cher) Entwicklungen kaum oder gar nicht anpasst. Ungeklärt bleibt also, in welcher

Wiese sich soziale Beziehungen im Laufe der Zeit und im Zuge gesellschaftlicher

Wandlungsprozesse verändern: Lassen sich Entwicklungen der sozialen Netzwer-

ke beschreiben? Gibt es Unterschiede zwischen den sozialen Kontexte hinsicht-

lich ihrer ‚Wertigkeit’ als Sozialkapital? Wie gelangen die Handelnden in welche

Netzwerke und aus welchen Gründen verlassen sie diese wieder? Diese und an-

dere Fragen werden dann virulent, wenn man sozialstrukturelle Gegebenheiten,

die mit Colemans Sozialkapitalbegriff in den Blick geraten, nicht allein aus einer

handlungstheoretischen Perspektive betrachtet, sondern an dieser Stelle eine ge-

sellschaftstheoretische Perspektive einnimmt, die die Wechselwirkungen zwischen

individueller und Gesellschaftsebene theoretisch und empirisch auf andere Weise

bearbeitet. Pierre Bourdieu hat diesen Versuch unternommen, und in diesem Zu-

sammenhang steht auch sein Sozialkapitalbegriff, den ich im folgenden Abschnitt

erläutern werde.

2.3 Habitus, Feld und das soziale Kapital als relationales Konstrukt: Pierre

Bourdieu

Zu Beginn des vorangehenden Kapitels wurde dargelegt, dass Coleman das Ziel

verfolgt, einen Erklärungsansatz für soziales Handeln zu entwickeln, der ‚zwi-

schen’ Rational-Choice-Ansätzen (individualistisch) und strukturalistischen bzw.

objektivistischen soziologischen Grundpositionen anzusiedeln ist. Coleman sieht

die Lösung dieses wissenschaftlichen Grundproblems in seiner Sozialkapitalkon-

zeption selbst, denn im sozialen Kapital kommen seiner Ansicht nach soziale

Strukturen als Aspekte der Sozialstruktur in den Blick, die dann wiederum eine

Ressource individuellen Handelns bilden, welches Coleman vor allem hinsichtlich

seiner Zielgerichtetheit nahe an Theorien der rationalen Handlung ansiedelt.

Die Soziologie von Pierre Bourdieu ist ebenfalls geprägt durch die Bemühungen,

eine Weg ‚dazwischen’ zu finden, da Bourdieu ebenfalls rein objektivistische und

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41

rein subjektivistische Erklärungsansätze ablehnt (vgl. bspw. Bourdieu 1976: 139

ff.), weil er beide für sich genommen als unzureichend betrachtet:

„Die einen (objektivistischen; H. F.) verstehen Praxis als mechanischen Reflex auf eine Realität, die außerhalb von Individuum und Gruppe besteht, bleiben damit blind gegenüber der Tatsache, dass Realität konstruiert wird. Die anderen (subjektivistischen; H. F.) stellen diese Konstruktionsar-beit vollständig in das Belieben und die Regie des einzelnen, verfehlen damit das Wirken notwen-diger, vom individuellen Willen unabhängiger Beziehungen.“ (Wittpoth 2011: i. E.)

Bourdieus Ansatz unterscheidet sich allerdings maßgeblich von Colemans. Bour-

dieu entwickelt für seinen ‚Zwischenweg’ den Habitusbegriff und greift auf das un-

trennbar mit diesem verbundene Konzept der sozialen Felder zurück (vgl. Bour-

dieu 1897: 97 ff.; Bourdieu/ Wacquant 1996: 124 ff.; darüber hinaus Krais/ Gebau-

er 2008: 31 ff.; Schwingel 2009: 82 ff.; Wittpoth 1994: 92 ff.).

„Mit dem Begriff des Habitus schlägt Bourdieu eine dialektische Überwindung vor von Subjektivis-mus […] und Objektivismus. Gegen den Objektivismus verteidigt er die subjektive Sichtweise der sozialen Akteure, die sich nicht auf die theoretische Modelle der Sozialwissenschaften reduzieren ließen, sondern nach der atheoretischen ‚Logik der Praxis’ funktionierten. Gegen den Subjektivis-mus betont er die Notwendigkeit, die subjektiven Sichtweisen und Orientierungen nicht lediglich nachzuzeichnen, sondern sie auf den sozialen Ort ihrer Entstehung zurückzubeziehen. Der Habi-tus kann daher als ‚Scharnier’ zwischen den beiden Ebenen betrachtet werden […].“ (Michel 2006: 98; Hervorhebungen H. F.).

Im Kontext dieses großen Theoriegebäudes hat dann auch Bourdieus Sozialkapi-

talkonzeption ihren Platz und nimmt hier eine andere Funktion ein als es bei Co-

leman und vor allem bei Putnam der Fall ist. Hierauf wird weiter unten noch einzu-

gehen sein.

Für Bourdieu ist die Tatsache zentral, dass soziale Akteure permanent und unmit-

telbar an sozialer Praxis teilnehmen. Hierbei machen sie Erfahrungen, welche sich

wiederum in ihren Denk-, Wahrnehmungs- und Handlungsschemata niederschla-

gen. Diese Schemata sind also immer Ausdruck der Erfahrungen, die ein Mensch

vor allem in seinen ersten Lebensjahren gemacht hat; aber auch spätere Erfah-

rungen bleiben in dieser Hinsicht nicht wirkungslos. Zusammenfassend werden

diese Schemata von Bourdieu als der jeweilige Habitus eines Akteurs bezeichnet,

der sich – entstanden im Kontext der sozialen Strukturen, in denen man sich be-

findet – wiederum in der sozialen Praxis der Akteure zeigt. Menschen handeln un-

terschiedlich je nach Habitus, der ihren Handlungen zugrunde liegt. Es sind also

die objektiven sozialen Gegebenheiten, die sich für die Mitglieder einer Gesell-

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42

schaft unterschiedlich darstellen und die letztlich für die Herausbildung unter-

schiedlicher Habitusformen verantwortlich sind. Habitusformen unterscheiden sich

demnach dahingehend, auf welche Weise und mit welchen sozialen Objekten und

Prozessen ein Akteur in Berührung kommt bzw. welche für seine soziale Praxis

keine Bedeutung haben. In differenzierten Gesellschaften gibt es erheblich Unter-

schiede darin, wie sich das Soziale den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern prä-

sentiert. In den Worten Bourdieus:

„Die Konditionierungen, die mit einer bestimmten Klasse von Existenzbedingungen verknüpft sind, erzeugen Habitusformen als Systeme dauerhafter und übertragbarer Dispositionen, als strukturier-te Strukturen, die wie geschaffen sind, als strukturierende Strukturen zu fungieren […].“ (Bourdieu 1987: 98; Hervorhebungen im Original)

Bourdieu betont hierbei die historische bzw. die generative Komponente des Habi-

tus, die darin zu sehen ist, dass der Habitus immer als eine Form von einverleib-

ter, „zu Natur gewordener“ (Bourdieu 1976: 171) Geschichte eines jeden Men-

schen anzusehen ist, die er im Rahmen seiner Existenzbedingungen erleben

konnte und die ihm durch die Geburt in eine bestimmte soziale Klasse hinein ge-

geben waren. Diese jeweilige soziale Struktur strukturiert demnach den Habitus

einer Person, welcher dann wiederum die Grundlage der Strukturierungsleistun-

gen in der sozialen Praxis der Akteure ist (vgl. Bourdieu 1976: 171). Hierbei ist der

Habitus nicht als ein Abbild der objektiven sozialen Bedingungen zu sehen, die im

individuellen Handeln lediglich reproduziert werden. Vielmehr strukturiert der Habi-

tus die soziale Praxis insofern, als er einen Handlungsrahmen darstellt, der letzt-

lich definiert, welche Handlungsoptionen für die Akteure in den unterschiedlichen

Situationen, in den denen sie sich befinden können, (nicht) möglich sind. Insofern

stellt der Habitus ein „System von Grenzen“ (Bourdieu 2005a: 33) dar, welche

dem Denken, der Wahrnehmung und den Handlungsmöglichkeiten jedes Einzel-

nen gesetzt sind.

Die Entstehungsmechanismen des Habitus lassen darauf schließen, dass er sich

im Laufe eines Lebens in der Regel nicht radikal verändern kann, sondern sich

vielmehr auf der Grundlage der vorhandenen Strukturen an neue Erfahrungen an-

passt und auf diese Weise modifiziert wird. Es ist dann allerdings eher die Aus-

nahme, dass ein Akteur Erfahrungen in einer sozialen Welt macht, die sich von

der bisherigen gravierend unterscheidet. Vielmehr bedingt es der Habitus, dass

Akteure diejenigen Erfahrungswelten ansteuern, die möglichst wenig „Verände-

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rungszumutungen“ (Wittpoth 2011: i. E.) bereithalten, weil sie ihrem eigenen Habi-

tus weitgehend entsprechen.

Untrennbar mit dem Habitus ist Bourdieus Überlegung zu den sozialen Feldern

verbunden: Habitus- und Feldbegriff „funktionieren“ nur „in Verbindung miteinan-

der“ richtig (Bourdieu/ Wacquant 1996: 40). Bourdieu definiert in diesem Zusam-

menhang den Feldbegriff folgendermaßen:

„Analytisch gesprochen wäre ein Feld als ein Netz oder eine Konfiguration von objektiven Relatio-nen zwischen Positionen zu definieren.“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 127)

Es geht in Bourdieus Feldtheorie letztlich darum, die – ebenso wie beim Habitus –

historisch gewachsenen objektiven sozialen Strukturen einzufangen und in ihren

spezifischen Merkmalen differenziert zu beschreiben. Die Struktur eines Feldes ist

immer das Ergebnis einer Geschichte, die sich in der sozialen Realität nieder-

schlägt:

„Die soziale Realität existiert sozusagen zweimal, in den Sachen und in den Köpfen, in den Feldern und in den Habitus, innerhalb und außerhalb der Akteure. […] Im Verhältnis zwischen Habitus und Feld geht die Geschichte ein Verhältnis mit sich selbst ein […].“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 161).

Objektiv sind die Relationen innerhalb eines Feldes insofern, als sie „unabhängig

vom Bewusstsein und Willen der Individuen“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 127)

existieren und von diesen nicht reflexiv verfügbar sind (vgl. Wittpoth 2011: i. E.).

Bourdieu beschreibt eine Reihe von sozialen Feldern, die er als das Feld der Lite-

ratur, der Kunst, der Religion, der Ökonomie, des Rechts u. a. m. bezeichnet (vgl.

Wittpoth 2011: i. E.). Die Akteure, die in diesen Feldern agieren, besetzen hier

wiederum unterschiedliche Positionen können in dieser Perspektive immer in Re-

lation zu den anderen Teilnehmern gesetzt werden. Zentral ist vor diesem Hinter-

grund der Gedanke, dass es sich bei den Feldern immer um ‚Kampffelder’ handelt,

in denen die Akteure sich entweder darum bemühen, zunächst Zugang zum Feld

zu bekommen oder aber – sofern sie bereits ‚drin’ sind – ihre Position zu sichern

oder zu verbessern (vgl. zusammenfassend Schwingel 2009: 82 ff.). Bourdieu

selbst greift zur Darlegung seiner Auffassung gerne auf Analogien zum Sport bzw.

zu wettbewerblichen Spielen zurück:

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„In der Tat läßt sich das Feld mit einem Spiel vergleichen (obwohl es im Unterschied zum Spiel kein Produkt einer bewußten Schöpfung ist und Regeln unterliegt, oder besser gesagt Regularitä-ten, die nicht expliziert und kodifiziert sind). So gibt es Einsätze bei diesem Spiel, Interessenobjek-te, die im wesentlichen das Produkt der Konkurrenz der Spieler untereinander sind.“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 127 f.; Hervorhebungen im Original)

Um in einem Feld bestehen zu können, bedarf es bestimmter Strategien seitens

der Akteure; es geht darum, die richtigen Einsätze zur richtigen Zeit zu erkennen,

um die Einsätze und Bemühungen der anderen zunichte machen zu können, um

so letztlich zum persönlichen Erfolg zu gelangen. In den einzelnen Feldern wird

um unterschiedliche Einsätze gespielt – ähnlich wie bei unterschiedlichen Karten-

spielen, bei denen je nach Spiel immer andere Karten als Trümpfe gelten, mit de-

nen man zum ‚Stich kommt’. Während es beim Kartenspiel um Trümpfe und Sti-

che geht oder beim Sport Punkte und Tore gezählt werden, stehen in den Feldern

unterschiedliche Formen von Kapital ‚auf dem Spiel’; d. h. es geht je nach Feld um

die Gewinnung und den richtigen Einsatz von bestimmten Ausprägungen von Ka-

pital. Zudem bestimmen Umfang und Zusammensetzung des individuellen Kapi-

tals immer auch, wer auf welcher Position in einem Feld mitspielen kann und wel-

che Möglichkeiten er dort hat:

„Ein Kapital oder eine Kapitalsorte ist das, was in einem bestimmten Feld zugleich als Waffe und als umkämpftes Objekt wirksam ist, das, was es seinem Besitzer erlaubt, Macht oder Einfluss aus-zuüben, also in einem bestimmten Feld zu existieren und nicht bloß eine ‚quantité négligeable’ zu sein.“ (Bourdieu/ Wacquant 1996: 128).

Bourdieu hat seine Kapitaltheorie an anderer Stelle ausführlich beschrieben und

ich werde weiter unten darauf noch genau zu sprechen kommen. Zunächst sei an

dieser Stelle noch einmal explizit der allgemeine Zusammenhang zwischen Habi-

tus, Feld und Kapital aufgegriffen – unter besonderer Berücksichtigung der gene-

rativen Komponente, die für Bourdieu von zentraler Bedeutung ist.

Bourdieu zufolge ist neben Umfang und Beschaffenheit der Kapitalausstattung

eines Akteurs immer auch die „Entwicklung des Umfangs und der Struktur seines

Kapitals in der Zeit“ von zentraler Bedeutung; insofern hängen die Möglichkeiten

eines Akteurs im jeweiligen Feld immer vom „sozialen Lebenslauf und von den

Dispositionen (Habitus), die sich in der dauerhaften Beziehung zu einer bestimm-

ten objektiven Chancenstruktur herausgebildet haben“ (Bourdieu/ Wacquant 1996:

129; Hervorhebungen im Original) ab. Spätestens unter dieser Perspektive wird

deutlich, wie sehr Habitus, Feld und Kapital aufeinander verweisen sind.

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Alle drei Begriffe sind zudem sehr eng verwoben mit Bourdieus Vorstellung sozia-

ler Differenzierung und der Reproduktion sozialer Ungleichheitstrukturen, durch

die sich seiner Auffassung nach moderne Gesellschaften kennzeichnen lassen.

Bourdieu zufolge können innerhalb von Gesellschaften unterschiedliche Klassen

unterschieden werden, wobei es sich hier allerdings um einen Klassenbegriff han-

delt, der sich von einer Marxistischen Vorstellung sozialer Klassen dadurch unter-

scheidet, dass Bourdieu nicht ‚Klassen auf dem Papier’ (vgl. Bourdieu 1985; vgl.

auch Krais 2005) beschreibt, sondern Klassen, die „durch die Praxis, durch das

Alltagshandeln der Individuen, Leben erhalten und am Leben erhalten werden

[…]“ (Krais/ Gebauer 2008: 35 f.). Vor diesem Hintergrund lassen sich durchaus

Unterscheidungen zwischen der herrschenden, der mittleren und der Klasse der

Arbeiter und Bauern vornehmen (vgl. Bourdieu 1982: 182 ff.). In jeder dieser Klas-

sen bildet sich auf der Grundlage der je vorherrschenden Existenzbedingungen

ein spezifischer Klassenhabitus aus, der allen Menschen, durch die die einzelne

Klasse letztlich konstituiert wird, im weitesten Sinne gemein ist. In den „Feinen

Unterschieden“ hat Bourdieu die Art und Weise, wie sich die unterschiedlichen

Habitusformen der einzelnen Klassen in der sozialen Praxis äußern, eindrucksvoll

und mit einer enormen Menge an empirischem Material beschrieben und analy-

siert (vgl. Bourdieu 1982). Vor diesem Hintergrund lassen sich der Kauf eines Au-

tos, die Einrichtung einer Wohnung, die Wahl eines bestimmten Restaurants so-

wie die Art und Weise, in der dort das Essen bestellt und gegessen wird, und viele

andere alltäglichen sozialen Praxen auf die soziale Lage des Individuums und so-

mit auf dessen Habitus zurückführen. Letztlich ist der Habitus die Grundlage des

gesamten empirisch beobachtbaren Lebensstils eines Menschen, der sich in

sämtlichen kulturellen und sonstigen Aktivitäten äußert (Bourdieu 1982: vgl. auch

Bohn 1991: 22 ff.; Janning 1991: 26 ff.; Michel 2006: 96 ff.). Sobald man vor die-

sem Hintergrund der Frage nachgeht, unter welchen Bedingungen sich die Mit-

glieder einer Gesellschaft auf die unterschiedlichen Positionen im sozialen Raum

(bzw. in den einzelnen Feldern) verteilen, kommt man – wie oben bereits ange-

deutet – unvermeidlich zu Bourdieus Kapitaltheorie.

Bourdieu definiert den Kapitalbegriff allgemein als „akkumulierte Arbeit, [die] ent-

weder in Form von Materie oder in verinnerlichter, ‚inkorporierter’ Form“ auftrete

(Bourdieu 1983: 183) und innerhalb einer Gesellschaft ungleich verteilt sei. Und

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diese Ungleichverteilung des Kapitals präge die Strukturen und die Machtverhält-

nisse von Gesellschaften maßgeblich, wie sich an den sozialen Feldern deutlich

zeigten lässt.

Das ungleich verteilte Kapital habe Bourdieu zufolge mehr als eine Erscheinungs-

form. Insofern plädiert er dafür, den Kapitalbegriff zu erweitern und davon abzuge-

hen, ihn ausschließlich mit ökonomischem, also finanziellem und materiellem, Be-

sitz in Verbindung zu bringen:

„Es ist nur möglich, der Struktur und dem Funktionieren der gesellschaftlichen Welt gerecht zu werden, wenn man den Begriff des Kapitals in all seinen Erscheinungsformen einführt, nicht nur in der aus der Wirtschaftstheorie bekannten Form.“ (Bourdieu 1983: 184; Hervorhebungen im Origi-nal)

Um dieser Forderung nachzukommen, unterscheidet Bourdieu zwischen ökonomi-

schem, kulturellem und sozialem Kapital. Zur Bestimmung der Position einzelner

Akteure müsse demnach nicht nur nach dem quantitativen Ausmaß der jeweiligen

Kapitalausstattung insgesamt gefragt werden, sondern immer auch nach den je-

weiligen Anteilen der einzelnen Kapitalformen innerhalb dieser:

„Demgemäß verteilen sich die Akteure auf der ersten Raumdimension je nach Gesamtumfang an Kapital, über das sie verfügen; auf der zweiten Dimension je nach Zusammensetzung dieses Kapi-tals, das heißt, je nach dem spezifischen Gewicht der einzelnen Kapitalsorten, bezogen auf das Gesamtvolumen.“ (Bourdieu 1985: 11)

Insofern seien Gesellschaften nicht nur in einer vertikalen Perspektive zu differen-

zieren, sondern immer auch entlang einer horizontalen Achse. Dies bedeutet,

dass in der Perspektive Bourdieus nicht nur zwischen drei Klassen unterschieden

werden kann, sondern innerhalb dieser eher grob gefassten Kategorien wiederum

unterschiedliche soziale Milieus identifiziert werden können, die sich hinsichtlich

der spezifischen Zusammensetzung von Kapitalformen und in der Folge auch in

ihren Lebensstilen voneinander unterscheiden (vgl. Bourdieu 1982; vgl. auch

Vester u. a. 2001).

Die Erweiterung des Kapitalbegriffs bringe es zudem mit sich, dass sämtliche so-

ziale Praxen der Akteure insofern einen ökonomischen Charakter haben, als sie

zur Ungleichverteilung von Kapital beitragen bzw. von dieser bestimmt sind. Diese

Zusammenhänge sind gemäß Bourdieu allerdings weder im Bewusstsein der Ge-

sellschaftsmitglieder noch im Bewusstsein der meisten Wissenschaften präsent.

Vielmehr trage vor allem die Verfasstheit der Wirtschaftwissenschaft durch eine

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Engführung des Kapitalverständnisses auf im engeren Sinne ökonomische Phä-

nomene dazu bei, dass die Bedeutung des gesamten Ökonomischen (im Sinne

eines permanenten Zusammenspiels zwischen den unterschiedlichen Kapitalfor-

men) weitgehend verschleiert werde (vgl. Bourdieu 1983: 183 ff.). Die drei von

Bourdieu angeführten Kapitalformen seien nicht unabhängig voneinander. Sie ste-

hen vielmehr in einem ständigen Wechselverhältnis zueinander und seien unter

bestimmten Umständen wechselseitig konvertierbar (vgl. Bourdieu 1983: 184 f.).

Mit dem Begriff des ökonomischen Kapitals bezeichnet Bourdieu das klassische

Verständnis von Kapital und hebt auf finanzielle und materielle Ressourcen wie

Gebäude oder Rohstoffe ab, die sich letztlich in Geld umwandeln lassen. In seiner

soziologischen Analyse moderner Gesellschaften spielt diese Form des Kapitals

nach wie vor die zentrale Rolle, welche allerdings nie alleine ohne die beiden an-

deren Kapitalformen zum Tragen komme.

Der Begriff des kulturellen Kapitals zielt hingegen darauf ab, die unterschiedlichen

Formen kognitiver, intellektueller, kultureller sowie wissens- und kompetenzbezo-

gener Ressourcen einer Person zu bezeichnen. Bourdieu unterscheidet zwischen

drei Formen kulturellen Kapitals:

• Das inkorporierte (verinnerlichte) kulturelle Kapital bestehe z. B. in Kenntnissen

über soziale Umgangsformen und den sozial ‚legitimen’ Umgang mit Kulturgü-

tern (Literatur, Musik, Gemälden etc.). Es handele sich hierbei um ein ‚verkör-

perlichtes Kulturkapital’ (vgl. Bourdieu 1983: 187), dessen Erwerb in erster Linie

in der Familie stattfinde.10 Sowohl der Erwerb als auch die Nutzung dieser Form

des kulturellen Kapitals laufen verdeckt ab und lassen den direkten Zugriff von

außen nicht zu. Entscheidend beim Aufbau inkorporierten Kulturkapitals sei der

Faktor Zeit. Je mehr Zeit einem Individuum in seiner Familie für den Aufbau kul-

turellen Kapitals gegeben werden könne, desto besser könne es Bourdieu zu-

folge ausgebildet werden.

• Das objektivierte kulturelle Kapital zeige sich im Besitz von kulturellen Gütern

(Gemälden, Büchern etc.) oder von Gütern, deren Nutzung ein gewisses ‚Know-

how’ und Können erfordern (Maschinen, Musikinstrumente etc.). Wichtig sei es

hierbei zu unterscheiden zwischen dem Besitz dieser Güter und der Fähigkeit,

10 Insbesondere diese Form von Kapital ist ein Moment der primären Sozialisation und daher ganz besonders vom jeweiligen sozialen Milieu abhängig, in dem es angeeignet wird bzw. werden kann.

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sie (richtig) zu nutzen, was wiederum erst durch inkorporiertes kulturelles Kapi-

tal möglich wird.

• Das institutionalisierte kulturelle Kapital äußere sich in Bildungstiteln, Zeugnis-

sen, Zertifikaten u. Ä. Insbesondere die sozial-selektive Funktion von Bildungsti-

teln (als ‚Objektivierung von inkorporierten Kulturkapital’; vgl. Bourdieu 1983)

spielt in Bourdieus Überlegungen eine zentrale Rolle (vgl. hierzu auch Bourdieu

1982): „Titel schaffen einen Unterschied zwischen dem kulturellen Kapital des

Autodidakten, das ständig unter Beweiszwang steht, und dem kulturellen Kapi-

tal, das durch Titel schulisch sanktioniert und rechtlich garantiert ist, die (for-

mell) unabhängig von der Person ihres Trägers gelten.“ (Bourdieu 1983: 189 f.)

Bourdieu beschreibt einen engen Zusammenhang zwischen den einzelnen For-

men kulturellen und ökonomischen Kapitals, der darin bestehe, dass sich kulturel-

les Kapital in ökonomisches Kapital ‚umwandeln’ lasse (s. u.). Gleichermaßen tra-

ge eine gute Ausstattung an ökonomischem Kapital dazu bei, dass kulturelles Ka-

pital aufgebaut und über mehrere Generationen hinweg erhalten bleiben könne.

Es handele sich bei den unterschiedlichen Möglichkeiten der Übertragung aber um

(mehr oder weniger) verdeckte soziale Prozesse, die zum einen auf unterschiedli-

chen Ebenen sozialer Interaktionen ablaufen und die zum anderen den sozialen

Akteuren in der Regel kaum bewusst seien. Mit dieser Perspektive grenzt sich

Bourdieu deutlich von den seiner Auffassung nach unzureichenden, rationalisti-

schen Ansätzen zum ‚Humankapital’ – an die u. a. Coleman anschließt – ab, die

genau diese entscheidenden und äußerst wirksamen verborgenen Prozesse nicht

in den Blick nehmen (vgl. Bourdieu 1983: 185 f.)11.

Vor diesem Hintergrund definiert Bourdieu den Sozialkapitalbegriff folgenderma-

ßen:

„Das Sozialkapital ist die Gesamtheit der aktuellen und potentiellen Ressourcen, die mit dem Be-sitz eines dauerhaften Netzes von mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseiti-gen Kennens oder Anerkennens verbunden sind; oder anders ausgedrückt, es handelt sich dabei um Ressourcen, die auf der Zugehörigkeit zu einer Gruppe beruhen.“ (Bourdieu 1983: 190f; Her-vorhebungen im Original)

11 Der wohl bekannteste dieser Ansätze zum Humankapital stammt von Gary Becker. Humankapi-tal wird von Becker als ein volkswirtschaftliches Konstrukt eingeführt, welches – knapp gefasst – die in einer Gesellschaft vorhandenen Wissens- und Bildungsressourcen und deren ökonomischen Nutzen beschreibt (vgl. Becker 1975).

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Das Sozialkapital einer Person könne demnach nicht ‚an sich’ entstehen, sondern

es ist als ein relationales Kapital zu betrachten. Es hängt gleichermaßen vom Um-

fang an sozialen Beziehungen, die ein Individuum pflegen kann, und von der Ein-

bindung in soziale Netzwerke ab und dem damit verbundenen Zugang zu den

Ressourcen anderer (vgl. auch Holzer 2006: 15). Bourdieu hierzu:

„Der Umfang des Sozialkapitals, das der einzelne besitzt, hängt demnach sowohl von der Ausdeh-nung des Netzes von Beziehungen ab, die er tatsächlich mobilisieren kann, als auch von dem Um-fang des (ökonomischen, kulturellen oder symbolischen) Kapitals, das diejenigen besitzen, mit denen er in Beziehung steht.“ (Bourdieu 1983: 191)

Weiterhin betont Bourdieu, dass das soziale Kapital nicht ohne personelle Investi-

tions- und Institutionalisierungsarbeit entstehen und dauerhaft erhalten bleiben

könne. Soziale Beziehungen und persönliche Netzwerke bedürfen zeitlicher und

zum Teil auch materieller Ressourcen (z. B. Geschenke), um überhaupt aufgebaut

werden zu können. Insofern sei auch das soziale Kapital einer Person untrennbar

mit deren ökonomischen und kulturellen Ressourcen verbunden. Stehe einer Per-

son ausreichend ökonomisches Kapital zur Verfügung, erhöhen sich dadurch ihre

Möglichkeiten, sowohl Zeit als auch Geld in den Aufbau sozialen Kapitals zu in-

vestieren. Der angemessene Einsatz dieser Ressourcen erfordere wiederum ein

gewisses Maß an unterschiedlichen Formen kulturellen Kapitals, da man wissen

müsse, welche Investitionen in welcher Form und zu welcher Gelegenheit die rich-

tige ist. Um dauerhaften Bestand zu haben, bedürfen Netzwerke bestimmter Insti-

tutionalisierungsformen, um den Zugang zu ihnen zu regeln, die Zugehörigkeit zu

ihnen zu markieren und die Abgrenzung zu anderen Netzwerken zu verdeutlichen.

Es sei von hohem Interesse für die Netzwerkteilnehmer, dass nur diejenigen Per-

sonen Zugang zu den Netzwerken erhalten, die kulturelles und ökonomisches Ka-

pital in der gewünschten Form einbringen können. Nur dann könnten sie zur Er-

weiterung des sozialen Kapitals in einem bestimmten Netzwerk beitragen. Zudem

sei davon auszugehen, dass einzelne Formen kulturellen und ökonomischen Kapi-

tals nur innerhalb bestimmter sozialer Netze zur vollen Entfaltung kommen können

und insofern auf soziales Kapital (quasi als Vermittler) angewiesen seien. Schließ-

lich sei es von Bedeutung, dass eine Person nicht nur Sozialkapital hat, sondern

auch in der Lage ist, es angemessen zu nutzen. Teil des sozialen Kapitals sei also

immer auch eine „besondere Kompetenz – nämlich die Kenntnis genealogischer

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50

Zusammenhänge und reeller Beziehungen sowie die Kunst, sie zu nutzen.“ (Bour-

dieu 1983: 193)

An dieser Stelle sei noch einmal explizit auf den Aspekt der ‚Kapitalumwandlun-

gen’ (vgl. Bourdieu 1983: 195) bzw. der wechselseitigen Beeinflussung zwischen

den einzelnen Kapitalformen hingewiesen, der bei Bourdieu eine zentrale Rolle

spielt:

„Man muss somit von der doppelten Annahme ausgehen, daß das ökonomische Kapital einerseits allen anderen Kapitalarten zugrundeliegt, daß aber andererseits die transformierten und travestier-ten Erscheinungsformen des ökonomischen Kapitals niemals ganz auf dieses zurückzuführen sind, weil sie ihre spezifischsten Wirkungen überhaupt nur in dem Maße hervorbringen können, wie sie verbergen (und zwar zu allererst vor ihrem eignen Inhaber), daß das ökonomische Kapital ihnen zugrundeliegt und insofern, wenn auch nur in letzter Instanz, ihre Wirkungen bestimmt.“ (Bourdieu 1983: 196; Hervorhebungen im Original)

Betrachtet man isoliert das einzelne Individuum, dann erscheint soziales Kapital

gemäß Bourdieu zunächst als individuelle (Handlungs-)Ressource, die auf der

Ebene individuellen Handelns nützlich sein kann. Diejenigen, die es haben, kön-

nen es (zunächst ungeachtet der Frage, wie sie es erlangt haben) einsetzen, um

ihre Ziele zu erreichen. In dieser Hinsicht ist eine gewisse Nähe zwischen Bour-

dieus und Colemans Perspektiven auf soziales Kapital zu erkennen. Diese Fest-

stellung entspricht Bourdieus Ansatz allerdings nur unzureichend, da soziales,

ökonomisches und kulturelles Kapital im Anschluss an Bourdieu immer im Zu-

sammenhang betrachtet werden müssen. Außerdem interessiert sich Bourdieu in

erster Linie nicht für die Effekte bzw. Folgen von (sozialem) Kapital für den Einzel-

nen. Es interessieren ihn vielmehr die Rolle des Kapitals in den unterschiedlichen

Feldern, die damit verbundenen Machverhältnisse in einer Gesellschaft sowie die

sozialstrukturellen Mechanismen der Reproduktion sozialer Ungleichheitsstruktu-

ren und die aus diesen resultierenden unterschiedlichen Habitusformen (vgl.

Bourdieu 1982, 2005a, b; Krais 2005; Schwingel 2009; Schmeiser 1986; Treibel

2000); oder anders ausgedrückt: Konkrete „Praxis als Bestimmtes, das, was in ihr

geschieht“ tritt gegenüber „dem sie Bestimmenden“ zurück (Wittpoth 2011: i. E.;

Hervorhebungen im Original). Bourdieus Kapitaltheorie ist in diesem Kontext zu

sehen. Festzuhalten ist an dieser Stelle allerdings, dass „die Kapitalstruktur nicht

‚mechanisch’ in einen bestimmten Habitus übersetzt [wird], sondern praktisch“

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(Michel 2006: 99; Hervorhebungen im Original), d. h. immer in der konkreten sozi-

alen Praxis der Akteure.

Bourdieus Ansatz lässt sich abschließend exemplarisch an dem Zusammenhang

zwischen Habitus (und somit auch Sozialkapital) und Bildungsstrategien veran-

schaulichen. Der im Laufe einer – durch die Herkunftsfamilie und das Herkunftsmi-

lieu geprägten – Biographie erworbene Habitus drücke sich im Bildungsverhalten

einer Person aus (vgl. Bauer 2002). Demnach werden in der Tendenz eher milieu-

spezifische Fachrichtungen gewählt oder Bildungskarrieren angestrebt. Letztlich

zielt das individuelle Bildungsverhalten unbewusst auf eine Passung zwischen

Habitus und Bildungsweg ab:

„Wer nicht über den ‚passenden’ Habitus verfügt, fühlt sich in der legitimen Kultur nicht zuhause und hat es schwer, ihren Vorstellungen von Bildung nachzukommen. Häufige Folge dieser Proble-me sind Andrängungen auf weniger renommierte Fachrichtungen, Schulen und Abschlüsse.“ (Lan-ge-Vester 2009: 273).

Insofern können legitime von den mit gesellschaftlicher Macht ausgestatteten Mi-

lieus definierte Bildungswege von anderen unterschieden werden, an denen sich

eher die nicht-privilegierten Milieus orientierten. Bestimmte Bildungsoptionen und

Karrierewege kommen für diese Milieus also nicht ‚in Frage’, da sie von den Mi-

lieuangehörigen selbst als unpassend oder zu riskant wahrgenommen werden.

Und die vermeintlich riskanten, aber gleichermaßen legitimen Bildungswege seien

wiederum vornehmlich für diejenigen eine Option, denen das notwendige (vor-

nehmlich soziale und ökonomische) Kapital zur Verfügung steht, diese Bildungs-

wege aufzunehmen, bis zum Ende zu beschreiten und u. U. auch die Folgen eines

Scheiterns abfangen zu können, um einen neuen ‚Anlauf’ zu wagen. Ein solcher

riskanter Bildungsweg kann bspw. in der Aufnahme eines langwierigen, anspruch-

vollen und u. U. kostenintensiven Universitätsstudiums (ggf. an einer bestimmte

Hochschule) bestehen, dessen erfolgreiches Absolvieren letztlich zum Einnehmen

bestimmter (gehobener) gesellschaftlicher Positionen legitimiert, die in der Regel

nicht sehr weit von denen den jeweiligen Herkunftsmilieus entfernt liegen (vgl. Dit-

ton 1992). Auch die Aufnahme bestimmter Formen von Weiterbildungsaktivitäten

können insofern in mancher Hinsicht als riskante Bildungsentscheidung gesehen

werden, als man oftmals viel Zeit und Geld investieren muss, ohne letztlich wissen

zu können, ob sich diese Investitionen auch auszahlen.

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Allerdings lassen sich auch immer wieder Ausnahmen identifizieren, die diesen

Mechanismus durchbrechen und wider Erwarten milieuunspezifische Bildungswe-

ge beschreiten und auf diese Weise letztlich auch ihren Habitus erweitern bzw.

transformieren (vgl. Koller 2009), ohne hierbei allerdings ihren Herkunftshabitus

gänzlich ablegen bzw. verdecken zum können. Es sind demnach Bewegungen im

sozialen Raum – bzw. ‚soziale Laufbahnen’ (vgl. Bourdieu 1982) – durchaus mög-

lich, wenn sich ein Akteur bspw. durch die Aufnahme eines Jurastudiums oder

eines anderen (Weiterbildungs-) Studiengangs in die Lage versetzt, kulturelles und

in der Folge auch soziales und ökonomisches Kapital zu akkumulieren, um letzt-

lich eine vom Herkunftsmilieu aus gesehen gehobenere soziale Position einneh-

men zu können. Hierdurch wird auch der Habitus dieses Akteurs modifiziert. Eine

Grenze ist dann wiederum darin zu sehen, dass diese Bewegungen im sozialen

Raum insofern nicht folgenlos bleiben, als man „dem Aufsteiger […] die Kletterei“

ansehen könne (Bourdieu 1985: 13; vgl. außerdem Fröhlich/ Rehbein 2009), was

letztlich bedeutet, dass die Habitusformen des Herkunftsmilieus in der Bour-

dieu’schen Auffassung nie gänzlich verloren gehen; vielmehr werden die Grenzen

ausgereizt und erweitert, aber nicht vollkommen und nachhaltig überschritten.

2.3.1 Kritische Betrachtung

Es werden gemeinhin zwei zentrale Kritikpunkte an der Bourdieu’schen Sozialka-

pitalkonzeption angeführt, die sich in erster Linie unter Rückgriff auf die Perspekti-

ven Putnams und Colemans ableiten lassen (vgl. Field 2003a). Insofern nehme ich

in den folgenden Ausführungen in einem geringen Umfang einen Teil der noch

folgenden Überlegungen zum Vergleich zwischen den drei hier thematisierten So-

zialkapitalkonzeptionen vorweg.

Spätestens seit dem weltweiten Erfolg von Putnams Arbeiten wird in vielen (wis-

senschaftlichen, politischen und öffentlichen) Diskursen auf den kollektiven Aspekt

von Sozialkapital verwiesen, welches nicht nur den Teilnehmern in einem be-

stimmten Netzwerk zugute komme, sondern gleichzeitig einen gesamtgemein-

schaftlichen Nutzen aufweise, selbst für diejenigen, die nicht zu dessen Entste-

hung beigetragen haben – in letzter Konsequenz einer gesamten Gesellschaft. Die

hieraus in den vor allem an Putnam anschließenden Debatten abgeleitete Kritik an

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Bourdieus Sozialkapitalansatz zielt darauf ab, dass dieser für die Kollektivperspek-

tive, die wiederum für viele Autoren der entscheidende Aspekt sozialen Kapitals

ist, nicht empfänglich sei. Insgesamt nehmen Kritiker Anstoß an der vermeintli-

chen ‚Ökonomisierung’ sozialer Beziehungen und der damit verbundene Engfüh-

rung sozialen Kapitals auf bestimmte Funktionen und soziale Effekte, die einen

gemeinschaftlichen Nutzen nicht beinhaltet (vgl. zusammenfassend Field 2003a).

Es handelt sich hierbei allerdings um eine nicht haltbare Kritik, die auf einer ver-

kürzten und enggeführten Rezeption von Bourdieu gründet. Es ist vielmehr darauf

hinzuweisen, dass Bourdieus Soziologie grundlegend immer kollektive bzw. ge-

samtgesellschaftliche Momente mit einschließt. Abweichend zu Putnam nimmt

Bourdieu allerdings nicht an, dass es allgemein nützliche Ausprägungen sozialen

Kapitals gibt, die allen Gesellschaftsmitgliedern in gleicher Weise zugute kommen.

Dies würde seiner Vorstellung von Sozialkapital im Besonderen und einer sozial

differenzierten Gesellschaft im Allgemeinen widersprechen.

In der Fassung von Coleman ist soziales Kapital wiederum in erster Linie eine

Handlungsressource, die potenziell allen Gesellschaftsmitgliedern zur Verfügung

steht, sofern sie in soziale Netzwerke eingebunden sind (was bei nur sehr weni-

gen Gesellschaftsmitgliedern nicht der Fall ist). Zur Erreichung ihrer Handlungszie-

le könnten sie dann auf die Hilfe anderer Personen zurückgreifen, unabhängig

davon, über wie viel ökonomisches und kulturelles Kapital (bzw. Humankapital) sie

verfügen. Zuweilen wird in der Sozialkapitaldebatte die Kritik geäußert, dass Bour-

dieu dieses Sozialkapital, an dem auch die nicht-privilegierten Gesellschaftsmit-

gliedern partizipieren können, nicht im Blick habe (Field 2003a). Das Sozialkapital

der unteren sozialen Schichten sei für die jeweiligen Inhaber aber mindestens ge-

nauso wichtig und könne entscheidend zum erfolgreichen Handeln in der sozialen

Praxis beitragen:

„There is no place in his [Bourdieus; H. F.] theory for the possibility that other, less privileged indi-viduals and groups might also find benefit in their social ties.” (Field 2003a: 20)

Diese Kritik ist allerdings ebenso wenig stichhaltig, wie die zuvor genannte. Für

Bourdieus Soziologie ist es konstitutiv, die Verhältnisse zwischen den unterschied-

lichen sozialen Gruppen zu beschreiben. Im Zentrum stehen immer soziale Relati-

onen in Bezug auf die sozialen Felder, in denen der Kampf um Kapital stattfindet.

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Insofern kann nicht der Schluss gezogen werden, dass Bourdieu das soziale Kapi-

tal der wenig privilegierten Bevölkerungsschichten (der beherrschten Klassen)

nicht sieht bzw. diesen Bevölkerungsschichten kein Sozialkapital ‚zuspricht’. Viel-

mehr thematisiert er es im Verhältnis zur Kapitalausstattung der anderen sozialen

Milieus. Hierbei zeigt sich dann, dass in den gehobenen Milieus andere Zusam-

mensetzungen von Kapital anzutreffen, die zuweilen zu Folge haben, dass das

soziale Kapital erst dann zu seiner vollen Entfaltung kommen, weil es in Verbin-

dung mit ökonomischen und kulturellen Ressourcen wirken kann.

2.4 Funktionen sozialen Kapitals: Vergleich der Sozialkapitalkonzeptionen von

Putnam, Coleman und Bourdieu

Betrachtet man vor dem Hintergrund der vorstehenden Ausführungen die Sozial-

kapitalkonzeptionen von Putnam, Coleman und Bourdieu im Vergleich, lassen sich

auf unterschiedlichen Ebenen sowohl Gemeinsamkeiten als auch zentrale Unter-

schiede identifizieren.

Zunächst fällt in dieser Perspektive auf, dass sich die Sozialkapitalkonzeptionen

aller drei Autoren aus vergleichbarem terminologischem ‚Baumaterial’ zusammen-

setzen. Im Anschluss an Putnam ist soziales Kapital unter Rückgriff auf die Ele-

mente ‚trust’, ‚norms’ und ‚networks’ zu definieren. Coleman spricht analog dazu

von sozialen Beziehungen oder Strukturen, innerhalb derer bestimmte Normen-

und Wertevorstellungen sowie gegenseitiges Vertrauens entstehen können, wo-

durch letztlich die individuellen Handlungen der Netzwerkmitglieder unterstützt

werden. In Bourdieus Sozialkapitaldefinition ist wiederum die Rede von „aktuellen

und potentiellen Ressourcen, die mit dem Besitz eines dauerhaften Netzes von

mehr oder weniger institutionalisierten Beziehungen gegenseitigen Kennens oder

Anerkennens verbunden sind“ (Bourdieu 1983: 191; Hervorhebungen im Original).

Soziale Netz(werk)e werden in dieser Definition also ebenfalls direkt angespro-

chen. Mit den Aspekten des Kennens oder (noch stärker) des Anerkennens the-

matisiert auch Bourdieu zumindest implizit gewisse Elemente sozialen Kapitals,

die auf die in einem Netzwerk geteilten Werte, Normen und das zwischenmensch-

liche Vertrauen Bezug nehmen.

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Eine weitere Gemeinsamkeit zwischen den drei Ansätzen ist darin zu sehen, dass

die angesprochenen sozialen Phänomene (trust, norms und networks) bei allen

drei Autoren in gewisser Weise als eine Ressource thematisiert werden, die ent-

weder einzelnen Individuen, ganzen Gesellschaften oder bestimmten Gesell-

schaftsgruppen dazu dient, ihre Ziele (besser und schneller) zu erreichen. Dieser

Ressourcencharakter sozialen Kapitals ist bei den drei Autoren allerdings je unter-

schiedlich gelagert. Insbesondere Bourdieus Auffassung von Sozialkapital als

Ressource ist im Gegensatz zu Colemans oder Putnams Perspektive viel eher in

einem abstrakten relationalen Sinn zu verstehen (vgl. auch Holzer 2006: 14 ff.).

Sozialkapital gemäß Bourdieu ist demnach immer nur im Verhältnis zu anderen

Kapitalformen und deren Verfügbarkeit durch die Zugehörigkeit zu einer bestimm-

ten Gruppen bzw. einem bestimmten sozialen Milieu zu verstehen. Insofern kann

Sozialkapital bei Bourdieu nicht einfach als eine Ressource neben materiellen und

kulturellen Ressourcen gefasst werden, die ein Einzelner besitzen und die er rati-

onal einsetzen oder tauschen kann, wie es bspw. bei Colemans Sozialkapitalkon-

zeption angelegt ist. Inwiefern sich die unterschiedlichen Lagerungen sozialen Ka-

pitals in den Perspektiven der drei Autoren letztlich auswirken, wird an späterer

Stelle noch weiter herauszustellen sein.

Zunächst kann festgehalten werden, dass soziales Kapital unabhängig von der

spezifischen Konzeption immer Momente einer individuellen und einer überindivi-

duellen bzw. kollektiven Dimension in sich vereint. Soziales Kapital kann einerseits

nie ausschließlich als ein individuelles Phänomen betrachtet werden, da es immer

nur entstehen und verfügbar sein kann, solange mehrere Individuen miteinander

agieren und als Kollektiv (Netzwerk, Verein, Gruppe, Gesellschaft etc.) wahr-

nehmbar sind. Andererseits sind soziale Handlungen, die letztlich zum Aufbau von

Netzwerken oder anderen Kollektiven führen (und diese am Leben erhalten), in

denen dann wiederum Vertrauen und Werte entstehen und geteilt werden können,

immer zuvorderst auf der individuellen Ebene anzusiedeln. Es sind die Einzelnen,

die sich aus welchen Gründen auch immer und unter verschiedensten Bedingun-

gen darum bemühen, sich miteinander zu vernetzen, Vereine zu gründen, soziale

Gemeinschaften aufzubauen und innerhalb dieser Werte, Normen und Vertrauen

miteinander zu teilen. Diese Perspektive kann auch Putnam trotz seiner klaren

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Fokussierung auf kollektives Sozialkapital nicht gänzlich ausblenden; er betrachtet

vielmehr die Aggregate dieser individuellen Handlungen.

Soziales Kapital wird in den drei hier zur Rede stehenden Konzeptionen allerdings

nicht ausschließlich als Ressource betrachtet, die eine Voraussetzung für indivi-

duelles Handeln oder kollektives Wohlergehen ist. Gefragt wird auf unterschiedli-

che Weise immer auch nach den sozialen Prozessen, als deren Ertrag Sozialkapi-

tal überhaupt erst entstehen kann. Vergleicht man unter dieser Perspektive bspw.

Colemans und Putnams Konzeptionen miteinander, ist festzuhalten, dass beide

eine hohe Abhängigkeit sozialen Kapitals von demographischen, technischen und

weiteren gesellschaftlichen Wandlungsprozessen beschreiben, die in den Augen

dieser beiden Autoren letztlich zu einer Erosion sozialen Kapitals führen. Auch

wenn dieser Erosionsthese in ihrer von Putnam und Coleman formulierten engen

Auffassung zu widersprechen und sie eher im Sinne einer Transformationsthese

zu formulieren ist (s. o.), kann zumindest konstatiert werden, dass die von Putnam

und Coleman fokussierten Elemente, Formen und Effekte sozialen Kapitals immer

auch als abhängige Variablen der sie umgebenen sozialen Bedingungen themati-

siert werden.12 Darüber hinaus thematisiert Coleman in diesem Zusammenhang

bestimmte fördernde Bedingungen und Facetten sozialer Netzwerke (z. B. hohe

Dichte, zeitliche Beständigkeit etc.), die dazu beitragen, dass die individuelle

Handlungsressource Sozialkapital zur ihrer vollen Geltung kommt. Und auch in der

Sozialkapitalkonzeption von Bourdieu läuft immer die Frage mit, wie soziale Netz-

werke entstehen können oder genauer: wer unter welchen Bedingungen unter

Rückgriff auf welche Ressourcen Mitglied eines bestimmten Netzwerkes werden

und vor allem bleiben kann. Bourdieu geht also der Frage nach, welche ‚Investitio-

nen’ (im Sinne von ‚Beziehungsarbeit’) notwendig und möglich sind, damit die ent-

sprechenden Netzwerke als Quellen sozialen Kapitals aufgebaut werden und er-

halten bleiben können. Insofern liegt auch bei Bourdieu immer eine Vorstellung

gesellschaftlicher Dynamik zugrunde, die in den generativen Komponenten der

sozialen Felder und der Habitusformen ausformuliert wird.

12 Die Transformation bestimmter ‚traditioneller’ Formen von sozialem Kapital kann sicherlich im-mer auch bedeuten, dass bestimmte Formen kollektiven Sozialkapitals erodieren. Was in der Per-spektive von Putnam und Coleman dann aber nicht gesehen werden kann, ist die Entstehung neu-er Vergemeinschaftungsformen und Vernetzungen, die an die Stelle der alten Formen treten und auf diese Weise Sozialkapital in anderer Gestalt zur Verfügung stellen können.

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Trennt man analytisch zwischen kollektiver und individueller Dimension sozialen

Kapitals, zeigen sich bei der Betrachtung individueller Momente gerade bei einem

Vergleich zwischen Colemans und Bourdieus Vorstellungen über Sozialkapital

gewisse Gemeinsamkeiten: Individuen sind in Netz(werk)e eingebunden und ha-

ben auf diese Weise Zugang zu bestimmten Ressourcen oder – eher aus der Per-

spektive Colemans gesprochen – verfügen über die Ressource Sozialkapital und

haben auf die Weise die Möglichkeit, erfolgreich(er) zu handeln. Auf diesen Aspekt

reduziert, unterscheiden sich die Ansätze von Coleman und Bourdieu anschei-

nend kaum voneinander. In verschiedenen Anschlüssen an individuelles Sozialka-

pital wird dieses Moment der Nähe zwischen Coleman und Bourdieu sehr stark

betont, wobei die zentralen Unterschiede, auf die später noch einzugehen ist, in

weiten Teilen übersehen werden. Dies kann dann auch zur Folge haben, dass

Colemans und Bourdieus Unterscheidungen zwischen verschiedenen Kapitalsor-

ten als weitgehend identisch angesehen werden.13 Ein Unterschied wird dann ein-

zig an der Terminologie festgemacht: Colemans Humankapital ist das Synonym

für das kulturelle Kapital bei Bourdieu; anscheinend ebenso verhält es sich hin-

sichtlich des physischen (Coleman) und des ökonomischen (Bourdieu) Kapitals.

Ähnliches zeigt sich, wenn man sich verknappte Vergleiche zwischen Colemans

und Putnams Vorstellungen hinsichtlich der kollektiven Dimension sozialen Kapi-

tals vor Augen führt. Hierbei ist festzustellen, dass die positiven (Neben-)Effekte

sozialen Kapitals, die sich auf der Kollektivebene zeigen, von der Grundstruktur

her bei beiden Autoren ähnlich gelagert sind. Bei beiden geht es darum, dass Ver-

netzungshandeln und andere auf Sozialkapital bezogene soziale Handlungen im-

mer auch Auswirkungen auf den ‚Zustand’ einer Gesellschaft bzw. eines Kollektivs

haben (vgl. bspw. Haug 1997). Es sind hier die von Coleman thematisierten ‚As-

pekte eines öffentlichen Gutes’ angesprochenen, auf denen Putnams Argumenta-

13 In den Passagen, in denen sich auch Putnam mit einer Unterscheidung zwischen Human- und Sozialkapital auseinandersetzt, schließt er zumeist direkt an Coleman an, der seiner Auffassung nach der zentrale Autor sei, der sich mit dem Zusammenhang zwischen diesen beiden Kapitalsor-ten auseinandersetzt (auf Bourdieu geht Putnam bei dieser Frage nicht ein; vgl. Putnam 2000: 302 ff.). In diesem Zusammenhang sind auch Putnams Befunde zu sehen, die seiner Ansicht nach zeigen, dass ein hohes Maß an Sozialkapital innerhalb eines Bundesstaates (gemessen am SCI-Wert) zu positiven Effekten hinsichtlich des ‚educational outcome’ führe. Versteht man – wie Put-nam es tut – diesen ‚educational outcome’ als Humankapital, ist es auffällig, dass Putnam diese Kapitalform ähnlich zum Sozialkapital alleine auf der kollektiven Ebene beschreibt. Putnam nimmt teilweise auch die von Coleman vernachlässigte Wirkungsrichtung sozialen Kapitals in den Blick und fragt danach, ob und in welcher Weise Humankapital (Education) wiederum Auswirkungen auf soziales Kapital haben kann (vgl. Putnam/ Helliwell 2007). Putnam verzichtet allerdings darauf, das Verhältnis zwischen diesen beiden unterschiedlichen Perspektiven zu problematisieren.

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tion schwerpunktmäßig aufbaut. Belässt man es allerdings bei dieser verkürzten

Bezugnahme zwischen diesen beiden zentralen Sozialkapitalkonzeptionen, blei-

ben auch hier entscheidende Differenzen ausgeblendet.

Vorläufig resümierend kann an dieser Stelle zur Systematisierung der skizzierten

Verhältnisse zwischen den Sozialkapitalkonzeptionen von Putnam, Coleman und

Bourdieu auf die Begriffsunterscheidung von Putnam/ Goss zurückgegriffen wer-

den, in der unterschiedliche Vorstellungen sozialen Kapitals unter Bezugnahme

auf dessen Ressourcencharakter und Mehrdimensionalität zu sortieren sind, in-

dem sie entlang der vier Dimensionen bonding-bridging, formell-informell, hohe

Dichte-niedrige Dichte, außenorientiert-innenorientiert verortet werden können

(vgl. auch Kapitel 2.1 der vorliegenden Arbeit). Betrachtet man alleine das Konti-

nuum, das sich zwischen bonding und bridging social capital auftut, ist festzuhal-

ten, dass hier ein weites Feld an unterschiedlichen Vorstellungen über Sozialkapi-

tal (und implizit auch dessen Effekte) eingefasst werden kann, welches jeder der

dargestellten Ansätze in besonderer Weise in den Blick nimmt. Die Sozialkapital-

ansätze von Putnam (hinsichtlich seiner empirischen Arbeiten), Coleman und

Bourdieu nehmen auf vergleichbare soziale Phänomene Bezug (trust, norms und

networks), setzen hierbei allerdings bestimmte Schwerpunkte, die sich an unter-

schiedlichen Stellen dieses Kontinuums abbilden lassen und die dann wiederum

zu je eigenen Aussagen über Sozialkapital und dessen kollektiver und individueller

Bedeutung führen. Gleiches ließe sich hinsichtlich der anderen von Putnam/ Goss

skizzierten Dimensionen sagen: Vereine werden von Coleman bspw. in ihrer Ei-

genschaft als formelle, dichte und innenorientierte soziale Gemeinschaften ange-

sprochen, während Putnam die informellen, über die Grenzen des Vereins hi-

nausweisenden Merkmale von Vereinen fokussiert. Bourdieu richtet wiederum ei-

nen anderen Blick auf diese Form der sozialen Vergemeinschaftung, indem er ei-

nerseits die bindenden und innenorientierten Momente sozialer Gruppen bzw. Mi-

lieus betont, die sich insbesondere durch informelle Strukturen und verdeckte Dis-

tinktionsprozesse aufeinander beziehen. Dies zeigt sich bspw. in Bourdieus Ana-

lyse moderner Gesellschaftsstrukturen, wie er sie in den ‚Feinen Unterschieden’

(vgl. Bourdieu 1982) darlegt. Hiermit ist dann andererseits auch immer eine Au-

ßenperspektive verbunden, weil die Strukturen des sozialen Raums immer erst

dann verstehbar werden, wenn die Positionen und die Verhältnisse sozialer Akteu-

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re zueinander und vor allem die Kampffelder um diese Positionen mit im Blick

sind. Diese Kampfelder können dann ihrerseits auch formell kontextuiert, wie sich

bspw. am Bildungssystem und dessen Institutionen zeigen lässt.

Das Modell von Putnam/ Goss eröffnet demnach sowohl die Möglichkeit, Gemein-

samkeiten zwischen den unterschiedlichen Konzeptionen zu benennen, als auch –

wie deutlich geworden ist – auf grundlegende Differenzen aufmerksam zu ma-

chen, die darin bestehen, dass aus unterschiedlichen Perspektiven heraus unter-

schiedliche Fragen an soziales Kapitals gerichtet werden. Oder genauer: Das Au-

genmerk der Betrachtung ist auf die jeweils zugrunde liegenden gesellschaftstheo-

retischen Vorstellungen zu richten, um hierbei letztlich die je unterschiedlichen

Funktionen zu bestimmen, die sozialem Kapital jeweils zugewiesen werden. Hier-

bei ist grundsätzlich anzumerken, dass der expliziten gesellschaftstheoretischen

(bzw. gesellschaftskritischen) Position Bourdieus sowohl bei Coleman als auch bei

Putnam kein Äquivalent entgegensteht, sofern man deren Sozialkapitalkonzeptio-

nen fokussiert. Insofern müssen die in dieser Hinsicht bestimmenden impliziten

Annahmen für Coleman und Putnam erst freigelegt werden, um auf dieser Grund-

lage schließlich die wichtigsten Leerstellen innerhalb der beiden Sozialkapitalkon-

zeptionen sichtbar machen und kritisch betrachten zu können.

Mit Blick auf das Gesamtwerk von Coleman muss an dieser Stelle angemerkt

werden, dass er sich in einem bestimmten Strang seiner wissenschaftlichen Arbeit

sehr wohl mit Gesellschaftsstrukturen und Machtverhältnissen in Gesellschaften

auseinandersetzt, hierbei aber wiederum keine expliziten Verbindungen zu seinen

Vorstellungen über Sozialkapital und dessen Bedeutung für individuelles Handeln

herstellt (vgl. Coleman 1974). Insofern kann bei Coleman eher von einer losen

Kopplung verschiedener Theoriepositionen/ -interessen gesprochen werden, die

ihrerseits wiederum nicht immer stringent mit seinen empirischen Studien verbun-

den sind. Es wäre sicherlich nicht angemessen, ohne weitere Erläuterungen an

dieser Stelle von einem parallelen Nebeneinander einzelner Elemente in Cole-

mans Werk zu sprechen, da es erkennbare Zusammenhänge zwischen verschie-

denen Aspekten von Colemans Arbeit zu verzeichnen gibt. Mit Blick auf Colemans

Sozialkapitalverständnis ist bspw. zu konstatieren, dass Colemans Schulstudien

direkt darin münden, dass er die Rolle sozialen Kapitals ‚in the creation of human

capital’ beschreibt. Dennoch ist festzuhalten, dass es an einer Gesamtintegration

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zwischen handlungs- und gesellschaftstheoretischen Ansätzen mit zentralen empi-

rischen Befunden fehlt, da sich Coleman selbst um eine derartige Integration nicht

bemüht hat (vgl. Mayer 1998).

James Coleman konzentriert sich bei seinen Überlegungen zum Sozialkapital auf

die Ebene des individuellen Handelns, welches durch ‚Aspekte der Sozialstruktur’

insofern begünstigt werden kann, als auf diese Weise eine wichtige Handlungs-

ressource für den Handelnden verfügbar ist. Mit diesen ‚Aspekten der Sozialstruk-

tur’ sind aber keineswegs komplexe gesellschaftliche Verhältnisse und Unter-

scheidungen zwischen sozialen Positionen und Milieus angesprochen. Derartige

Merkmale von Gesellschaften, die bei Bourdieu im Zentrum stehen, bleiben bei

Coleman (nicht nur) im Rahmen seiner Sozialkapitalkonzeption unbestimmt. Es

soll damit nicht gesagt sein, dass Coleman davon ausgeht, alle gesellschaftlichen

Gruppen seien bzgl. ihrer sozio-ökonomischen Verhältnisse gleich. Er markiert im

Rahmen seiner empirischen Untersuchungen vielmehr deutlich den Unterschied

zwischen privilegierten und nicht-privilegierten Bevölkerungsschichten der USA –

insbesondere mit Blick auf das US-amerikanische Bildungssystem. Die Funktion,

die soziales Kapital bei der Reproduktion sozialer Ungleichheit übernimmt, wird

hierbei allerdings nicht expliziert. Vor diesem Hintergrund kann Coleman dann

wichtige Fragen, die mit der Annahme sozialer Ungleichheit einhergehen, nicht

beantworten. Er kann u. a. nicht darauf eingehen, in welcher Weise und unter wel-

chen Bedingungen sich gesellschaftliche Ungleichheiten reproduzieren können.

Dies wird erst erkennbar, wenn man Bourdieus Perspektive einnimmt, in der Sozi-

alkapital zum einen in eine ausformulierte Kapitaltheorie eingebettet ist, die zum

anderen wiederum einen wichtigen Bestandteil einer Gesellschaftstheorie darstellt,

in der sozial ungleiche Verteilungen von Kapital, Macht und Herrschaft im Zentrum

stehen. Die hierfür zentralen Vorstellungen von Positionskämpfen innerhalb sozia-

ler Felder und die Unterscheidung von Habitusformen als Ausdruck sozialer Un-

gleichheit sind demnach gesellschaftstheoretische Perspektiven, die im Anschluss

an Coleman nicht einzunehmen sind. Die Folgen von Macht und Herrschaft in ei-

ner Gesellschaft kommen in dieser Lesart im Rahmen von Colemans Sozialkapi-

talkonzeption nicht vor. Vielmehr interessiert sich Coleman bei seinem Versuch

der Erweiterung klassischer Herrschaftstheorien in erster Linie dafür, wie unter

handlungstheoretischer Perspektive Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft

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entstehen und ihrerseits wiederum soziales Handeln regeln. Hierbei spielen auch

Ressourcenverteilungen eine wichtige Rolle:

„Die entscheidende Weiterentwicklung der Colemanschen Herrschaftstheorie liegt im Brücken-schlag zwischen Macht und Herrschaft […]. Die Legitimität einer Herrschaft, deren wichtigste Be-standsgarantie, wird nun aus den Machtverhältnissen und den Interessen der Akteure eines Hand-lungssystems abgeleitet. Damit kann gezeigt werden, daß legitime Herrschaft nicht notwendig die Interessen aller Akteure verwirklicht, sondern daß im Falle konfligierender Interessen der soziale Konsens die unterschiedliche Macht der Akteure zur Durchsetzung ihrer Interessen widerspiegelt, so daß Interessen legitimer Weise auf Kosten anderer realisiert werden können. Macht ist somit als Determinante wie auch als Resultat von Herrschaft faßbar, und Herrschaft kann sowohl unter der Gleichheitsbedingung als auch unter der Bedingung von Macht modelliert werden.“ (Maurer 1998: 114; Hervorhebungen H. F.)

Letztlich liegt diesem Modell also eine Vorstellung rationaler Handlung zugrunde,

bei der jeder Akteur prinzipiell seine eigenen Interessen verfolgt und hierfür auf

seine Ressourcen zurückgreift (vgl. auch Holzer 2006: 14 ff.). Insofern bleiben die

Verteilungsprozesse (in erster Linie von gesellschaftlichen Rechten) als rationale

und transparente Prozesse immer sicht- und nachvollziehbar für die Akteure, die

sich auch im Zustand einer von Ungleichheiten befreiten Gesellschaft Coleman

zufolge für Macht- und Herrschaftsverteilungen entscheiden können, wenn ihnen

dies rational erscheint. An dieser Stelle zeigt sich noch einmal deutlich, wie sehr

sich Colemans und Bourdieus theoretische Positionen im Grundsatz voneinander

unterscheiden, auch wenn sie oberflächlich gesehen in Teilen auf einer Linie lie-

gen (s. o.). Durch Bourdieus Habitusbegriff werden Zusammenhänge zwischen

sozialen Strukturen und individuellem Handeln beschreibbar, denen an dieser

Stelle Colemans Perspektive auf rationales Handeln entgegensteht. Eine Vorstel-

lung rationaler Handlungen ist unter Bezug auf den Habitus als System von Hand-

lungsgrenzen allerdings nicht mehr aufrecht zu erhalten. Den Akteuren stehen auf

Grund ihrer gesellschaftlichen Position unterschiedliche Handlungsoptionen zur

Verfügung, allerdings ohne dass sie sagen könnten, welche Optionen dies sind

und wie sie sich voneinander unterscheiden. Soziales Handeln ist demnach immer

milieu- bzw. habitusspezifisches Handeln und nur als solches denkbar. Bei dieser

Gegenüberstellung der Perspektiven auf soziales Handeln fällt noch einmal deut-

lich ins Auge, dass Colemans Versuch des Zwischenwegs zwischen strukturalisti-

schen und individualistischen soziologischen Erklärungen insofern auf ‚halber

Strecke’ nicht mehr gangbar ist, als rational choice und somit individualistische

Perspektiven letztlich nicht überwunden werden können.

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Bourdieus Soziologie weist zentral auf strukturell bedingte soziale Ungleichheiten

hin, die in der Folge ebenfalls in Colemans Ansatz nicht enthalten sein können.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund Vernetzungshandeln und greift hierbei auf

Bourdieus Ansatz zurück, muss dann allerdings davon ausgegangen werden,

dass es einen Unterschied macht, ob sich Akteure vernetzen, die hohe Positionen

im sozialen Raum einnehmen oder ob sich die Netzwerke eher zwischen denjeni-

gen bilden, die sich auf unteren Ebenen des sozialen Raums befinden. Hinsicht-

lich der sozialen Felder ergeben sich aus diesen Positionen jeweils unterschiedli-

che Machtpositionen für die Akteure – sie spielen unter ungleichen Bedingungen

in den einzelnen Feldern mit- bzw. gegeneinander und bleiben in der Regel weit-

gehend auf ihren Positionen verhaftet. Geht man von dieser Art der verdeckten

Beständigkeit unterschiedlicher Machtverhältnisse innerhalb moderner Gesell-

schaften aus, die aus der Ungleichverteilung von Kapital in seinen unterschiedli-

chen Formen in einer Gesellschaft insgesamt resultieren, sind die Netzwerke, die

sich auf unterschiedlichen Lagen des sozialen Raums bilden können, in Relation

betrachtet hinsichtlich ihrer sozialen ‚Nützlichkeit’ auch unterschiedlich einzu-

schätzen. Insofern ist sämtliches Handeln immer ökonomisch geprägt und somit

auf Machtgewinn ausgelegt. Macht entsteht nicht aus der rationalen Entscheidung

heraus, sondern ist Voraussetzung und Resultat von Positionskämpfen der Akteu-

re, die hierfür unterschiedlich mit Kapital ausgestattet sind. Es ist damit nicht ge-

sagt, dass miteinander vernetzte Individuen, die sich eher in den unteren Sphären

des sozialen Raums bewegen, für ihre Positionskämpfe nicht von ihren Netzwer-

ken profitieren können. Auch aus der Bourdieu’schen Perspektive heraus kann

nicht angezweifelt werden, dass in einem Netzwerk von sozial Benachteiligten So-

zialkapital für die Netzwerkmitglieder zur Verfügung stehen, welches dann wieder-

um bei der Erreichung individueller Handlungsziele helfen kann. Die angespro-

chenen Unterschiede in der Nützlichkeit von Netzwerken werden allerdings dann

deutlich, wenn man durch den Vergleich von unterschiedlichen Netzwerken darauf

aufmerksam wird, dass in den Netzwerken in den oberen Lagen des sozialen

Raums immer auch ein gehobenes Maß an kulturellem und/ oder ökonomischem

Kapital vorhanden ist (durchaus in unterschiedlichen ‚Mischverhältnissen’), was

wiederum dazu führt, dass durch diese Netzwerke gesellschaftliche Machtpotenzi-

ale für die Mitglieder entstehen. Sie gewinnen bzw. erweitern auf diese Weise ihre

Einflussmöglichkeiten auf politische und soziale Prozesse. Letztlich können sie auf

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diese Weise ihre soziale Position sichern und die vorherrschenden Strukturen ge-

sellschaftlicher Ungleichheit verstetigen. Diese Aspekte fallen allerdings erst dann

auf, wenn man soziale Netzwerke resp. soziales Kapital im Kontext sozialer

Ungleichheits- und Machtstrukturen betrachtet, die sich in der Relation der unter-

schiedlichen sozialen Milieus zueinander darstellen. Zur Verdeutlichung sei an

dieser Stelle an das für Colemans Argumentation wichtige Beispiel der Jobsuche

erinnert: Soziale Netzwerke der unteren sozialen Schichten können in vielen Fäl-

len dazu beitragen, dass die Vernetzten im Falle von Arbeitslosigkeit besser wie-

der einen Arbeitsplatz finden oder insgesamt mit ihrer Situation besser umgehen

können, wenn sie auf die entsprechenden Informationen und sonstigen Unterstüt-

zungsmöglichkeiten zurückgreifen, die ihnen innerhalb ihres sozialen Netzwerkes

zur Verfügung stehen. Mit Bourdieu kann man allerdings davon ausgehen, dass

ein Aufstieg in höhere Lagen des sozialen Raums, in denen sich die herrschenden

Klassen bewegen, auf diese Weise kaum möglich ist. Solange man in den unteren

sozialen Lagen mit ‚Seinesgleichen’ vernetzt ist, sind derartige Aufwärtsbewegun-

gen auf der Grundlage von Sozialkapital im sozialen Raum nicht zu erwarten und

die auf diese Weise Vernetzten bleiben gesellschaftlichen Machtpositionen weit-

gehend fern – zumeist selbst dann, wenn ein gewisses Maß an kulturellem Kapital

vorhanden sein sollte. Anders sieht diese Situation bei den Angehörigen der herr-

schenden Klassen aus. Durch Rückgriff auf soziale Ressourcen kann in den ent-

sprechenden Kreisen die eigene – meist bereits schon gute berufliche – Position

verbessert werden. Das vorhandene kulturelle und ökonomische Kapital kommt

auf diese Weise zu seiner vollen Entfaltung, zumal davon auszugehen ist, dass

die an dieser Stelle angesprochenen sozialen Milieus über den ‚richtigen’ Habitus

verfügen, um sich in den entsprechenden beruflichen Feldern angemessen bewe-

gen zu können. Während Coleman hinsichtlich dieses Beispiels also von einer

möglichen Äquivalenz zwischen Sozialkapital und Humankapital ausgeht (man

bekommt einen Job wegen der sozialen Beziehungen, die man hat, und nicht un-

bedingt wegen der Fähigkeiten und Kompetenzen, die man aufweisen kann),

muss diese Perspektive unter Rückgriff auf Bourdieus Überlegungen entspre-

chend relativiert werden. Gemäß Bourdieu ist es vielmehr die besondere Form des

Zusammenspiels der Kapitalformen miteinander – welches sich bspw. in den ge-

sellschaftlich ungleich verteilten Möglichkeiten zeigt, Investitionsarbeit in soziales

Kapital zu leisten – von Bedeutung, in dessen Rahmen soziales Kapital neben den

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anderen Kapitalformen in Richtung der Reproduktion gesellschaftlicher Verhältnis-

se fungiert. Diese Aspekte bleiben bei Colemans Perspektive auf soziales Kapital

ausgeblendet, da Colemans Sozialkapitalkonzeption von einer gewissen Selbst-

genügsamkeit geprägt ist, die sich darin zeigt, dass soziales Kapital (ebenso wie

die anderen Kapitalsorten) isoliert von den vorherrschenden gesellschaftlichen

Strukturen betrachtet wird. Soziales Kapital erscheint in dieser Perspektive dem-

nach als ein Konstrukt, welches einzig auf das von gesellschaftlichen Prozessen

und Strukturen unabhängige Individuum und dessen Handlungsmöglichkeiten be-

zogen bleibt. Dies zeigt sich auch darin, dass Coleman nicht weiter ausführt, ob

und in welcher Weise zwischen unterschiedlichen Kapitalsorten komplexe Wech-

selwirkungen bestehen14, bei denen vor allem ökonomisches Kapital immer wieder

darauf hin zu befragen ist, inwiefern es in ‚Zusammenarbeit’ mit anderem Kapital

dazu beiträgt, dass Individuen unterschiedliche soziale Positionen einnehmen

können, die dann wiederum mit mehr oder weniger gesellschaftlicher Macht ver-

bunden sind.

Die gesellschaftlichen Rahmungen, Bedingungen und Grenzen sozialen Handelns

und die Art und Weise, wie einzelne Individuen unterschiedlich von diesen Ver-

hältnissen betroffen sind, können in Colemans Ansatz nicht systematisch aufge-

griffen werden. Vor diesem Hintergrund ist Colemans Ansatz mit Blick auf sein

Verständnis von Sozialkapital als einer zu sehen, der soziales Handeln und die

hierfür erforderlichen Ressourcen im Blick hat, der aber nicht dazu dient, gesamt-

gesellschaftliche Zusammenhänge und soziale Differenzierungen grundlegend zu

analysieren, da Coleman darauf verzichtet, eine Integration seiner Sozialkapital-

konzeption in seine gesellschaftstheoretische Position zu leisten, die durchaus

Bezug nimmt auf Macht- und Herrschaftsverhältnisse in einer Gesellschaft.15 So-

fern man an Colemans Sozialkapitalkonzeption anschließt, sollten diese Ein-

schränkungen, die ich an dieser Stelle als ungleichheitstheoretische Leerstelle

bezeichnen möchte, immer beachtet werden.

Hinsichtlich des von Coleman empirisch bearbeiteten Einflusses von sozialem Ka-

pital auf den Aufbau von Humankapital besteht eine weitere Leerstelle seines An-

14 Coleman konstatiert lediglich einen positiven Einfluss des einen Kapitals (Sozialkapital) auf ein anderes (Humankapital); eine Annahme, die durch seine empirischen Befunde unterstützt wird. 15 An dieser Stelle zeigt sich erneut, dass Coleman in seinen Arbeiten nicht unbedingt des An-spruch erhebt, ein in sich geschlossenes und empirisch abgesichertes Theoriegebäude aufzubau-en, sondern vielmehr einzelne Elemente nebeneinander stellt und die möglichen Bezüge hierbei nicht ausbuchstabiert (vgl. Mayer 1998).

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satzes darin, dass er bestimmte Differenzierungen innerhalb des Humankapitals

einer Person nicht aufgreift, die mit Bourdieus Begriff des kulturellen Kapitals al-

lerdings in den Blick geraten. Kurz gefasst könnte man diese Leerstelle mit der

folgenden Formel umschreiben: Humankapital ist nicht gleich kulturelles Kapital.

Coleman deutet die Befunde seiner empirischen Arbeiten zum Zusammenhang

zwischen Human- und Sozialkapital derart, dass bestimmte Formen sozialen Kapi-

tals dazu beitragen, dass auch in sozial nicht-privilegierten Bevölkerungsgruppen

ein hohes Maß an Humankapital aufgebaut werden kann. Dies macht Coleman an

Schulleistungen, Noten, Abschlussquoten u. Ä. fest. Nimmt man allerdings zentra-

le Unterscheidungen kulturellen Kapitals hinzu, so wie Bourdieu sie macht, müs-

sen diese Überlegungen von Coleman um einige wichtige Facetten ergänzt wer-

den. Ein gewisses Sozialkapital (in der Familie) kann ggf. dazu beitragen, dass

bestimmte Formen institutionalisierten kulturellen Kapitals aufgebaut werden kön-

nen (in Form von Bildungsabschlüsse); zumindest deuten Colemans Befunde dar-

auf hin. Die anderen Formen kulturellen Kapitals werden auf diese Weise aller-

dings nicht angesprochen. Es ist also nicht die Rede davon, inwiefern neben Bil-

dungsabschlüssen auch Formen inkorporierten oder objektivierten kulturellen Ka-

pitals aufgebaut werden können, wenn das von Coleman fokussierte Sozialkapital

vorhanden ist. Auf diese Weise bleibt für die Angehörigen der herrschenden Klas-

sen immer noch die Möglichkeit, sich von denen abzugrenzen, die u. U. die glei-

chen schulischen Titel erlangen können, aber ansonsten nicht in gleicher Weise in

der Lage sind, mit ihrem Kulturkapital umzugehen (inkorporiertes kulturelles Kapi-

tal) oder es entsprechend zu objektivieren, weil hierfür wiederum die notwendigen

ökonomischen Ressourcen fehlen. Obwohl Coleman ähnlich wie Bourdieu zwi-

schen mehreren Kapitalsorten unterscheidet, fragt er nicht danach, ob diese Kapi-

talsorten möglicherweise in einem interdependenten Verhältnis zueinander ste-

hen. Vor allem blendet er aus, dass das ökonomische Kapital maßgeblich daran

beteiligt ist, in welcher Weise sich die beiden anderen Kapitalsorten darstellen und

dass diese wiederum das Ausmaß, die Zusammensetzung und die Einsatzmög-

lichkeiten des ökonomischen Kapitals, das einer Person zur Verfügung stehen

kann, mitbestimmen können.

Die bisherigen Ausführungen machen auf einen dritten Aspekt aufmerksam, der in

Colemans Sozialkapitalansatz eine Leerstelle darstellt. Coleman erhebt zwar den

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Anspruch, mit dem Sozialkapitalbegriff den Dualismus zwischen individualisti-

schen und objektivistischen Erklärungsansätzen für soziales Handeln zu überwin-

den. Hierbei geht er allerdings nicht darüber hinaus, ‚Aspekte von Sozialstruktu-

ren’ zu beschreiben, die als Handlungsressourcen dienen können. Welcher Art die

individuellen Handlungsziele allerdings sind, wie sie entstehen und ob es in dieser

Hinsicht Unterschiede zwischen gesellschaftlichen Gruppen (Milieus) gibt, thema-

tisiert Coleman hingegen nicht. Er kann auf diese Weise nicht in den Blick neh-

men, dass nicht nur die Erreichung von Handlungszielen durch soziale Netzwerke

bestimmt werden kann, sondern dass auch die Ziele selbst und die Art und Weise,

wie bzw. ob diese erlangt werden können, durch die sozialen Strukturen bedingt

(oder besser: begrenzt) werden, innerhalb derer sich ein Individuum befindet. Die

Vorstellung rationaler Handlungen, bei denen die Ziele und die Wege, diese zu

erreichen, dem jeweiligen Akteur zugänglich sind, kann eine derartige Form der

Begrenztheit nicht einfangen. Handlungsgrenzen wären dann immer nur über die

Verfügbarkeit von (physischen, kognitiven und sozialen) Ressourcen definiert und

nicht durch gesellschaftliche Strukturen, in deren Rahmen Handlungen stattfinden.

Der entscheidende Unterschied dieser Perspektiven zeigt sich dann allerdings,

wenn man das durch die unterschiedlichen Habitusformen vermittelte soziale

Handeln der verschiedenen sozialen Milieus miteinander vergleicht.

Im Rahmen seiner Überlegungen und empirischen Untersuchungen zum Sozial-

kapital steht für Robert Putnam hinsichtlich seiner gesellschaftstheoretischen Hal-

tung hingegen die Frage im Mittelpunkt, wie das unterschiedliche Funktionieren

moderner Gesellschaften erklärbar ist. Putnam deutet seine Befunde in der Art,

dass Sozialkapital im Sinne allgemeinen gesellschaftlichen Zusammenhalts hier-

bei die Funktion eines ‚Katalysators’ einnimmt: Je mehr (kollektives) Sozialkapital

vorhanden ist, desto besser, schneller und unkomplizierter laufen soziale Prozes-

se ab. Auf diese Weise scheinen letztlich Unterschiede in der Performanz bspw.

des nördlichen und des südlichen Italiens oder des Amerikas der 60er und der

90er Jahre sichtbar zu werden. Es wird an dieser Stelle eine Vorstellung von Ge-

sellschaften erkennbar, die als nicht weiter differenzierte Kollektive davon abhän-

gig sind, gemeinsame verbindende Wert- und Normvorstellungen entwickeln und

sich auf diese verständigen zu können. Diese Wert- und Normvorstellungen und

das mit ihnen verbundene Vertrauen haben dann gesamtgesellschaftlich eine po-

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sitive Wirkung; eine Differenzierung nach unterschiedlichen Gruppen bzw. Gesell-

schaftsteilen findet in dieser Perspektive nicht statt. Auf diese Weise ist auch Put-

nam ähnlich wie Coleman nicht in der Lage, Macht- und Ungleichheitsstrukturen,

die unterschiedlichen sozialen Positionen von Akteuren und die damit verbunde-

nen Sozialisationsprozesse (oder anders: Habitualisierungsprozesse) in seine So-

zialkapitalkonzeption systematisch mit aufzunehmen. Dies bedeutet letztlich auch,

dass Putnam die Funktion, die Sozialkapital im Rahmen Reproduktion von Gesell-

schaftsstrukturen einnimmt, ebenso wenig im Blick haben kann, wie die Bedeu-

tung, die hierbei dem ökonomischen und dem kulturellen Kapital bzw. deren Un-

gleichverteilung innerhalb von Gesellschaften zukommt. In der Folge kann Putnam

nicht anders als einen unklaren Zusammenhang zwischen Human- und Sozialka-

pital zu beschreiben und sich hierbei von der Frage zu entfernen, ob und in wel-

cher Weise an dieser Stelle auch Machtunterschiede zwischen gesellschaftlichen

Milieus eine Rolle spielen.

Zur genaueren Bestimmung dieser, auch in Putnams Konzeption sozialen Kapitals

enthaltener ungleichheitstheoretischen Leerstelle kann in Ergänzung zu meinen

bisherigen Ausführungen auf einige Arbeiten zurückgegriffen werden, die vor dem

Hintergrund eines Vergleichs zwischen Putnams und Bourdieus grundlegenden

Annahmen Kritik an Putnams Überlegungen formulieren (vgl. Braun 2001a, 2002a;

Helmbrecht 2005; Seubert 2009).

Sowohl Putnam als auch Bourdieu untersuchen moderne Gesellschaften und die

innerhalb dieser ablaufenden Prozesse, und man kann somit von zahlreichen

strukturellen Gemeinsamkeiten zwischen diesen beiden Untersuchungsobjekten

ausgehen. Vor diesem Hintergrund kann also angenommen werden, dass das US-

amerikanische Sozialkapital (ungeachtet seines möglichen kollektiven Nutzens)

ebenfalls im Rahmen der Reproduktion gesellschaftlicher Ungleichheiten wirksam

wird. Es ist dann zu fragen, welche Gesellschaftsmitglieder Zugang zu welchen

Netzwerken haben und wer überhaupt die Möglichkeit hat, sich am amerikani-

schen Assoziationswesen zu beteiligen, welche Motivationen hierzu vorliegen und

welche Formen von Kapital hierbei von Bedeutung sind. Derartige Überlegungen

spielen in Putnams Argumentation, die sich in seinen empirischen Arbeiten (ins-

besondere bei ‚Bowling alone’) nachzeichnen lässt, allerdings keine Rolle:

„Man kann davon ausgehen, dass insbesondere für die Übernahme von Leitungsrollen in ‚secon-dary associations’ ein beträchtliches kulturelles Kapital in Gestalt von Führungskompetenzen, rhe-

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torischen Fähigkeiten, Organisationstalenten und Vertrautheit mit Organisationsregeln vorausge-setzt wird. Die höheren Bildungsqualifikationen der Führungsschichten von sekundären Assoziati-onen sedimentieren sich in der Folge in Ansprüchen und impliziten Normen, die in den sozialen Netzwerken herrschen. Sekundäre Assoziationen können sich in ungleichheitstheoretischer Hin-sicht damit durchaus zu ‚closed shops’ entwickeln, die alles andere als jenes ‚bridging capital’ aus-bilden, das Putnam für das entscheidende Fluidum der generalisierten Vertrauensbildung hält.“ (Helmbrecht 2005: 65; Hervorhebungen H. F.)16

Die Optionen derjenigen, die viel kulturelles Kapital haben (oftmals bedingt durch

eine bessere Ausstattung mit ökonomischem Kapital) sind demnach deutlich an-

ders gelagert als bei denjenigen, die über wenig kulturelles und ökonomisches

Kapital verfügen. Die Angehörigen privilegierter Gesellschaftsschichten können

die erforderliche Investitionsarbeit in soziales Kapital erbringen und sie erkennen

zudem eine besondere Notwendigkeit, in soziales Kapital bewusst zu investieren,

da sie in der Regel auch diejenigen sind, die mehr ökonomisches Kapital zu verlie-

ren haben und insofern auch die Möglichkeiten zu nutzen suchen, durch soziale

Vernetzung – auch im Feld der sekundären Assoziationen – ihren Status zu si-

chern. Diese Form der Statussicherung basiert nicht nur auf ökonomischem Kapi-

tal, da alleine der Zugang zu bestimmten (auch formellen) Formen sozialer Ver-

netzung und die Nutzung der in diesen enthaltenen Ressourcen bereits ein gewis-

ses Maß an kulturellem Kapital erfordern, dessen Entstehung wiederum maßgeb-

lich durch ökonomisches Kapital beeinflusst wird, welches Putnam in seinen Über-

legungen nahezu vollkommen ausblendet. Letztlich geht es auch darum, dass die

(gezielte) Beteiligung an relevanten ‚secondary associations’ einen gewissen Ha-

bitus voraussetzt, der nicht bei allen Bevölkerungsteilen in gleichem Maße anzu-

treffen ist. Hierbei kommen die unterschiedlichen Vereine als soziale Felder im

Sinne Bourdieus in den Blick: Sie stellen Arenen sozialer Anerkennungs- und Ver-

teilungskämpfe dar. In der Folge ist der normative und politisch so attraktive Cha-

rakter der Putnam’schen Überlegungen in ein deutlich anderes Licht zu rücken.

Putnams Sozialkapitalkonzeption büßt erheblich an politischer Strahlkraft ein. Zu

fragen wäre immer danach, wie das von Putnam beschriebene Sozialkapital und

vor allem dessen Effekte für eine Gesellschaft in Relation zu den vorherrschenden

gesellschaftlichen Strukturen und der durch diese strukturierte soziale Praxis der

Akteure stehen.

16 Die von Helmbrecht angesprochenen ‚closed shops’ können in der Terminologie von Putnam/ Goss als eine Form von ‚bonding social capital’ bezeichnet werden, welches allerdings in Putnams empirischer Perspektive, in der in erster Linie kollektives Sozialkapital im Blick ist, lediglich eine randständige Rolle einnimmt.

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Diese Leerstelle des Putnam’schen Verständnisses von Sozialkapital weist noch

eine weitere Facette auf, die sich an der bereits angesprochenen ‚Transformati-

onsthese’ (bei Putnam als Erosionsthese formuliert; s. o.) verdeutlichen lässt. Die

Gründe dafür, dass sich die jüngeren Generationen in den USA im Gegensatz zu

der ‚civic generation’ der 1960er Jahre als vermeintlich ‚uncivic’ erweisen, weil sie

neue Formen der sozialen Vernetzung etablieren, liegen demnach nicht nur in ei-

nem erhöhten Fernsehkonsum, sondern mitunter auch darin, dass gesellschaftli-

che und wirtschaftliche Wandlungsprozesse dazu geführt haben, dass die Men-

schen aufgrund von Arbeitsplatzsorgen und der Verlängerung von Arbeitszeiten

weniger private Zeit aufbringen können (oder möchten), um sich in Vereinen sozial

zu engagieren (Putnam selbst weist darauf hin; s. o.). Aus ungleichheitstheoreti-

scher Perspektive kann diese Schlussfolgerung insofern als brisant erachtet wer-

den, als sich die Forderung zum Aufbau von mehr Sozialkapital (im ‚klassischen’

Sinne) nicht an die amerikanischen Eliten richtet, sondern in erster Linie an die

breite (die ‚einfache’) Bevölkerung, die im Kern für ‚the strange disappearance of

civic America’ (vgl. Braun 2002a: 10; Putnam 1995b) verantwortlich gemacht wird,

während die Eliten in der Regel immer auch andere Wege haben, für das Wohler-

gehen der eigenen Bezugsgruppe zu sorgen (vgl. Holzer 2006: 16 f.). Die Milieus

unterhalb der Eliten werden dann in die Pflicht genommen, die empirisch wahr-

nehmbaren Veränderungen sozialen Kapitals (bei Putnam als Erosion betitelt) zu

stoppen. Zu fragen ist also zum einen, inwiefern es sich bei den Beobachtungen

Putnams um eine Erosion oder eine Transformation sozialen Kapitals handelt, um

zum anderen der Frage nachgehen zu können, inwiefern diese Entwicklung ggf.

auf bestimmte in einer neoliberalen Tradition stehenden, politischen und ökonomi-

schen Entscheidungen der Eliten selbst zurückgeführt werden kann:

„Die neokonservative Wende in den USA, die den Menschen massive Veränderungen in ihren Arbeits- und Lebensweisen sowie Vergemeinschaftungsformen zumutete, wurde aber gerade nicht vom einfachen Bürger, sondern von Eliten in Wirtschaft, Politik, Administration und Wissenschaft forciert.“ (Braun 2002a: 10)

Vor diesem Hintergrund ist die normative (zuweilen ideologische) Komponente,

die einen Kern der Putnam’schen Argumentation rund um den Sozialkapitalbegriff

ausmacht (und die in vielen politischen Diskursen dankbar aufgegriffen wird),

deutlich zu relativieren. Im Anschluss an diese Überlegungen ist vielmehr mit

Bourdieu danach zu fragen, aus welcher Position im sozialen Raum heraus die

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Forderung nach Beteiligung in Vereinen u. Ä mit dem Ziel des Aufbaus (kollekti-

ven) sozialen Kapitals formuliert wird und an wen sie sich richtet. Es ist nicht

selbstverständlich, dass alle Gesellschaftsmitglieder auf Grund ihrer sozialen Posi-

tion die erforderlichen habituellen Dispositionen aufweisen, soziales Kapital im

Sinne Putnams aufzubauen. Und bei denjenigen, die Sozialkapital aufbauen, wird

dieses ggf. eher dazu genutzt, die eigene privilegierte soziale Position zu stärken

und gegenüber anderen zu verteidigen (vgl. außerdem Skocpol 1996).

Darüber hinaus zeichnet sich Putnams Vorstellung über gesellschaftliche Zusam-

menhänge dadurch aus, dass er im Gegensatz zu Coleman und Bourdieu nicht

explizit darüber reflektiert, in welcher Weise individuelles Handeln und kollektive

Phänomene zusammenwirken. Anzumerken ist nicht nur, dass auch Putnams

Überlegungen und Studien gänzlich ohne den Habitusbegriff oder entsprechende

Äquivalente auskommen muss. Hinzu kommt, dass die Ergebnisse individueller

(Vernetzungs-) Handlungen bei Putnam nahezu umstandslos auf der Kollektiv-

ebene aggregiert werden. Nimmt man allerdings im Anschluss an Coleman und

Bourdieu gesondert die Individualebene in den Blick, dann zeigt sich, dass soziale

Netzwerke erst dann entstehen und vor allem erhalten bleiben, wenn sie einen

individuellen Nutzen für die Teilnehmer haben bzw. solange sie als (potenzielle)

Handlungsressourcen erscheinen. Ist dies irgendwann nicht mehr der Fall, lösen

sich die Netzwerke entweder auf oder sie nehmen eine andere Gestalt an. Im Fal-

le ihrer Auflösung geht dann auch der vermeintliche kollektive Nutzen verloren,

den soziale Netzwerke haben können und der für Putnams Ansatz von so zentra-

ler Bedeutung ist. Putnam fragt also nicht danach, ob eine Veränderung sozialen

Kapitals u. U. auch darauf zurückzuführen ist, dass bestimmte soziale Gemein-

schaftsformen, die in seiner Perspektive besonders wichtig sind, aus der Perspek-

tive der einzelnen Individuen ihre Bedeutung verloren haben können und sie des-

halb nicht mehr in der ursprünglichen Form erhalten bleiben. Der kollektive Nutzen

sozialen Kapitals ist bspw. in Colemans Perspektive streng genommen ein Ne-

benprodukt individueller Vernetzungsprozesse, welches sich durch einen eher

prekären Charakter auszeichnet, der wiederum von Putnam nicht aufgegriffen

wird. Dies hat zur Folge, dass Putnam die Möglichkeit einer sozialen Entwicklung

als Selbstverständlichkeit auslegt und hierbei die Komplexität der Zusammenhän-

ge nicht in Rechnung stellt. Zusammenhänge zwischen Mikro- und Makroprozes-

sen werden auf einen einfachen, einseitigen Wirkungsmechanismus reduziert, der

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71

aller Voraussicht nach in der sozialen Realität wohl kaum in dieser Einfachheit

funktioniert – zumindest kann dies unter Rückgriff auf Colemans und insbesondere

mit Blick auf Bourdieus Vorstellungen des Zusammenwirkens der Prozesse auf

individueller und gesellschaftlicher Ebene angenommen werden.

Festzuhalten bleibt an dieser Stelle Folgendes: Im Gegensatz zu Putnam und Co-

leman legt Bourdieu eine ausformulierte Gesellschaftstheorie zugrunde, in deren

Rahmen Sozialkapital eine gänzlich andere Funktion einnimmt als dies bei Put-

nam oder Coleman der Fall sein kann. Daher ist es mit Bourdieu nicht möglich,

Sozialkapital in die gleiche normative Richtung hin auszurichten wie es bei Put-

nam und Coleman der Fall ist, bei denen gesellschaftliche Macht- und Ungleich-

heitsstrukturen sowie die Mechanismen ihrer Reproduktion im Rahmen ihrer Sozi-

alkapitalkonzeptionen nicht systematisch mit aufgegriffen werden. Putnam kann

vor diesem Hintergrund eine Vorstellung sozialen Kapitals präsentieren, in der

Netze, Normen und Werte sowie gegenseitiges Vertrauen als der Weg zum Wohl-

ergehen aller angepriesen wird, sodass es im Kern darum geht, die Entstehung

von Sozialkapital um jeden Preis zu fördern. Bei Coleman hat die Perspektive auf

soziales Kapital zwar eine erkennbar andere Färbung, alleine aus dem Grund,

dass er an Rational-Choice-Theorietraditionen anknüpft und sich somit schwer-

punktmäßig mit individuellen Handlungsprozessen auseinandersetzt. Dennoch

wirft Colemans Sozialkapitalkonzeption strukturell vergleichbare Probleme auf,

denn auch hier wird die (vermeintlich auszubauende) Ressource Sozialkapital

(verstanden als ein Weg zum Wohlergehen des Individuums) außerhalb gesell-

schaftlicher Relationen und Bedingungszusammenhänge angelegt. Wirft man al-

lerdings einen differenzierteren, gesellschaftskritischen Blick auf Netzwerke, Ver-

trauen und Werte, muss die Ressource Sozialkapital eingereiht werden in eine

interdependente Vorstellung unterschiedlicher Kapitalformen und deren Relatio-

nen zueinander, die dann wiederum in unterschiedlichen gesellschaftlichen Relati-

onen zum Ausdruck kommen. Soziales Kapital kann dann – ebenso wie andere

Kapitalformen – nicht alleine und außerhalb gesamtgesellschaftlicher Ungleich-

heitsverhältnisse als quasi-unabhängige Ressource beschrieben werden. Dies

zeugt letztlich nur von einer unterkomplexen Vorstellung von unterschiedlichen

Kapitalformen und deren Interdependenzen miteinander, bei denen insbesondere

das ökonomische Kapital von kaum zu überschätzender Bedeutung ist.

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72

Soziales Kapital ist darüber hinaus nicht nur eine individuelle oder kollektive Res-

source, sondern grenzt Handlungsspielräume auch ein, indem es zur Bestimmung

und Aufrechterhaltung sozialer Grenzen beiträgt, die sich vermittelt über den Habi-

tus einer Person letztlich auch als Handlungsgrenzen äußern. Vor diesem Hinter-

grund bleibt dann auch kein Raum mehr für Theorien rationalen Handelns, bei de-

nen – wie es auch bei Coleman zu beobachten ist – die Vorstellung vorherrscht,

Handlungsziele und der Weg sie zu erreichen, seien objektiv bestimmbar und

gründen auf rationalen Überlegungen. Es ist letztlich eine deutliche Dissonanz zu

konstatieren, wenn man unter dieser Perspektive bspw. Colemans und Bourdieus

Sozialkapitalkonzeptionen in ihren Grundlagen miteinander vergleicht.

Insgesamt zeigen Darstellung und Vergleich der drei zentralen Sozialkapitalkon-

zeptionen deutlich auf, dass soziales Kapital ein entscheidender Faktor bei der

Betrachtung und Analyse sozialer Prozesse auf unterschiedlichen Ebenen ist, da

diese in großen Teilen durch die (unterschiedliche) Verfügbarkeit sozialen Kapitals

angestoßen werden bzw. beeinflusst oder bedingt sind. Sofern man allerdings aus

dieser Perspektive Putnam, Coleman und Bourdieu befragt – was in meinen Au-

gen unvermeidlich ist – sind programmatisch-normative Verkürzungen, in denen

gesellschaftliche Relationen nicht vorkommen, zu vermeiden, was allerdings dann

nicht gelingen kann, wenn Coleman und/ oder Putnam alleine im Fokus stehen

und Bourdieus Perspektive übersprungen wird.

2.5 Sozialwissenschaftliche Konzeptionen und Begriffe im Bedeutungshorizont

sozialen Kapitals

In der Einleitung habe ich bereits darauf hingewiesen, dass die mit dem Sozialka-

pitalbegriff angesprochenen sozialen Problemstellungen und Prozesse auch im

Rahmen anderer zentraler sozialwissenschaftlicher Debatten diskutiert werden,

ohne dass hierbei zwangsläufig der Sozialkapitalbegriff verwendet wird. Zu nen-

nen sind hier die Debatten um soziale Integration, Inklusion und Teilhabe sowie

der stark politisch-programmatische Diskurs über die Bedeutung des bürgerschaft-

lichen Engagements. Im Folgenden werde ich mit Blick auf diese Debatten vor

allem die Schnittmengen zur Sozialkapitaldebatte herausarbeiten, ohne dabei al-

lerdings die wichtigsten Differenzen bzw. Erweiterungen, die sich bei einer solchen

Betrachtung ebenfalls zeigen, außer Acht zu lassen.

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73

2.5.1 Soziale Integration, Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe

Mit dem Begriff der sozialen Integration werden Grundprobleme der Sozialwissen-

schaften angesprochen, die seit Beginn der wissenschaftlichen Analyse gesell-

schaftlicher Zusammenhänge diskutiert werden und die in den letzten Jahrzehnten

eine erhöhte Aufmerksamkeit erfahren haben. Im Kern geht es um die Bearbei-

tung der folgenden zwei Fragen: ‚Was treibt die Gesellschaft auseinander?’ und

‚Was hält die Gesellschaft zusammen?’ (vgl. Heitmeyer 1997a, b; vgl. außerdem

Friedrichs/ Jagodzinski 1999, Imbusch/ Heitmeyer 2008). Mit diesen Fragen wird

zum einen nach den Gründen für den unterstellten Verfall gesellschaftlichen Zu-

sammenhalts (Desintegration) und nach deren gesellschaftlichen Folgen und zum

anderen nach den Möglichkeiten gefragt, auf diese Desintegrationsprozesse an-

gemessen zu reagieren; also soziale Integration sicher- bzw. wiederherzustellen.

Insgesamt liegt dieser Diskussion die Annahme zugrunde, dass soziale Desinteg-

ration ein gesamtgesellschaftliches Problem sei, da letztlich der gesamte innere

Zusammenhalt einer Gesellschaft bedroht werde. In der Folge – so die gängige

Interpretation – nehmen bspw. gewaltsame Proteste oder bewusste Verweigerun-

gen der Beteiligung am öffentlichen Leben seitens der einzelnen Gesellschafts-

mitglieder zu (vgl. Imbusch/ Heitmeyer 2008). In Extremfällen führen Desintegrati-

onsprozesse zum kompletten gesellschaftlichen Ausschluss einzelner Individuen,

welcher dann wiederum dramatische Konsequenzen für diese haben könne.17 Ne-

ben den ‚Klassikern’ der Integrationsdebatte (bspw. Durkheim und Merton) treten

verstärkt seit Mitte der 1980er Jahre zeitgenössische und moderner Integrations-

theorien auf, mit denen eine Ausdifferenzierung der einzelnen Erklärungsansätze

und Problembeschreibungen einhergeht (vgl. Bohle u. a. 1997; Imbusch/ Rucht

2005; Nunner-Winkler 2008).

Es ist aber nicht von entscheidender Bedeutung, ob an modernere oder an klassi-

sche Integrationsansätze angeschlossen wird, um festzustellen, dass sich die In-

tegrationsdebatte zentral immer auch um die Frage nach geteilten Werten und

Normen innerhalb einer Gesellschaft dreht. Ohne eine gemeinsame Wertebasis

und die Beteiligung der Gesellschaftsmitglieder an der Reproduktion und Weiter-

entwicklung dieser Wertebasis können Gesellschaften nicht integriert sein bzw.

einzelnen Individuen sei dann die Integration in eine Gesellschaft nicht möglich 17 Zu nennen ist an dieser Stelle sicherlich Emile Durkheims klassische Studie zum anomischen Selbstmord (vgl. Dürkheim 1983; außerdem Nunner-Winkler 2008).

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(vgl. bspw. Nunner-Winkler 2008; Vortkamp 2006). Im Kern geht es dann also um

einen Verlust kollektiven Sozialkapitals in einer Form, die auch Robert Putnam in

seinen berühmten Studien zu Amerika und Italien anspricht.

Über die Feststellung hinaus, dass in einer Gesellschaft derartige Gemeinschafts-

werte vorhanden sein müssen, sei zudem die Frage von Bedeutung, ob wirklich

alle Gesellschaftsmitglieder an diesen Werten partizipieren können. Es sei in mo-

dernen Gesellschaften eher der Regelfall, dass – soweit sie vorhanden sind –

nicht jedes Gesellschaftsmitglied im gleichen Umfang in der Lage ist, den gemein-

schaftlichen Werten (auf legale Weise) zu folgen. Als Grund hierfür werden im

Rahmen der Debatte über soziale (Des-)Integration soziale Wandlungs- und Diffe-

renzierungsprozesse angeführt, in deren Zuge die einzelnen Gesellschaftsmitglie-

der einerseits aus traditionellen Sozialbindungen und den dort vorherrschenden

Werte- und Normensystemen freigesetzt werden (vgl. Beck 1986; Friedrichs/ Ja-

godzinski 1999). Andererseits sei es zunehmend schwieriger, dass überhaupt

noch gesamtgesellschaftliche Wertesysteme entstehen können, an denen dann

auch alle Gesellschaftsmitglieder im gleichen Maße partizipieren (können). Viel-

mehr sei davon auszugehen, dass die Unterschiede zwischen einzelnen sozialen

Gruppen bzw. Milieus und verschiedenen gesellschaftlichen Funktionssystemen

immer größer werden, sodass die Entstehung und der Erhalt gesamtgesellschaftli-

cher Werte kaum noch möglich erscheinen (vgl. Heitmeyer 1997c).

Betrachtet man die Debatte über soziale (Des-)Integration aus der Perspektive

des Sozialkapitalbegriffs in der Fassung von Putnam, fallen einige zentrale

Schnittmengen auf, die in erster Linie in der Betonung gemeinschaftlicher Werte-

und Normensysteme und deren Bedeutung für das (bessere) Funktionieren von

Gesellschaften bestehen. Angesprochen wird hier der kollektive Nutzen von Wer-

ten und Normen, die als Ressource für gesellschaftliche Prozesse fungieren. In

beiden Perspektiven ist zudem die Beobachtung zentral, dass aus bestimmten

sozialen Auflösungserscheinungen weitreichende Konsequenzen für die jeweiligen

Gesellschaften und die in diesen lebenden Individuen resultieren. Es sind also

vergleichbare Problemwahrnehmungen zu konstatieren, für die darüber hinaus

ähnliche Lösungsmöglichkeiten vorgeschlagen werden: Um den Verfall sozialen

Kapitals resp. soziale Desintegrationsprozesse stoppen zu können, gehe es ge-

mäß Putnam neben privaten Vernetzungsaktivitäten vor allem darum, das Ver-

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75

einswesen und die intermediären Organisationen wieder zu stärken. Analog dazu

wird auch in der Integrationsdebatte vorgeschlagen, die Organisationen des Drit-

ten Sektors als Ort zu (re-)aktivieren, an denen gemeinsame Werte innerhalb der

Gesellschaft aufgebaut und vermittelt werden, die ihrerseits wiederum als ‚Kitt der

Gesellschaft’18 fungierten – soziale Integration soll quasi der Ertrag des breiten

Engagements im Rahmen freiwilliger und gemeinnütziger Vereinigungen sein (vgl.

außerdem Bohle u. a. 1997; Braun 2001b; Friedrichs/ Jagodzinski 1999; Heitmey-

er 1997c).

Im Rahmen der Diskussion um die sog. ‚neue Armut’ ist ein Begriff von besonde-

rer Bedeutung, der seit Ende der 1990er Jahre neben den Integrationsbegriff tritt.

Gemeint ist der Begriff der sozialen Inklusion bzw. ist vielmehr die Rede von ge-

genläufigen sozialen Prozessen der sozialen Exklusion (vgl. Kronauer 2002, 2007,

2010a). In den Debatten zum Begriff der Exklusion wird die Frage nach sozialer

Gerechtigkeit und sozialen Ungleichheiten neu formuliert und deutlich erweitert

(vgl. Bude/ Willisch 2006). Im Zentrum steht die Annahme, dass Armut in moder-

nen Gesellschaften nicht mehr ausschließlich über ökonomische Kriterien definiert

werden könne, sondern immer auch eine soziale Komponente aufweise. Demnach

bestehe Armut auch in dem Verlust gesellschaftlicher Anbindung und der Ver-

kümmerung sozialer Beziehungen. Ein ‚armes’ Gesellschaftsmitglied sei also nicht

nur mit materiellen Problemen belastet. Hinzu kommen Formen sozialer Ausgren-

zung und Isolation. In der Literatur wird zwischen unterschiedlichen Dimensionen

sozialer Exklusion unterschieden, um die Spannbreite und die Differenziertheit der

Problematik in den Blick zu bekommen. Die Rede ist von einer Exklusion im Sinne

einer (1) Marginalisierung am Arbeitsmarkt, einer (2) Einschränkungen der sozia-

len Beziehungen und (3) unterschiedlicher Formen gesellschaftlicher Teilhabe

(vgl. insbesondere Kronauer 2002: 151 ff.).

Während mit der Marginalisierung am Arbeitsmarkt eher materielle Benachteili-

gungen angesprochen werden, kommen aus der Perspektive des Sozialkapital-

begriffs vor allem die mit Arbeitslosigkeit einhergehenden Ausgrenzungsprozesse

aus zentralen gesellschaftlichen und politischen Sphären in den Blick. Ein (Lang-

18 Der Ausdruck ‚Kitt der Gesellschaft’ ist für die gesamte Integrationsdebatte charakteristisch. Er wird in der Regel Wilhelm Heitmeyer zugeschrieben, stammt aber ursprünglich von Erich Fromm, der bereits 1932 die entsprechenden gesellschaftlichen Problemlagen diskutiert hat (vgl. hierzu Keupp o. J).

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76

zeit-)Arbeitsloser ist demnach von vielen wirtschaftspolitischen und ggf. auch

technischen oder kulturellen Entwicklungen und deren gesellschaftlichen Folgen in

vielerlei Hinsicht ausgeschlossen, während diese Entwicklungen in der Regel den

‚normalen’ Alltag der anderen (erwerbstätigen) Gesellschaftsmitglieder maßgeb-

lich mitbestimmen. Darüber hinaus nehmen soziale Beziehungen quantitativ ab,

sobald eine Person aus dem Erwerbssystem ausgeschlossen wird (bis hin zum

Extremfall der Vereinsamung). Und die verbleibenden sozialen Beziehungen

nehmen zudem eine andere Qualität an. Arbeitslose vernetzen sich nach einer

gewissen Zeit der Arbeitslosigkeit demnach verstärkt mit Personen, die in ähnli-

chen prekären Lebenslagen sind. Diese Netzwerke dienen zuweilen dazu, die ei-

gene Situation insofern erträglicher zu machen, als sie zeigen, dass man nicht

alleine mit seinen Problemen ist. Man könne sich untereinander austauschen und

sicherlich auch, im Sinne sozialen Kapitals gemäß Coleman, bei vielen Herausfor-

derungen des Alltags gegenseitig helfen. Allerdings sind diese Formen der sozia-

len Einbindung insofern problematisch, als sie in der Regel kaum Möglichkeiten

bieten, aus der Erwerbslosigkeit wieder herauszukommen. Man bleibt quasi unter

sich (vgl. hierzu auch Bude/ Willisch 2006). Mit Blick auf Aspekte gesellschaftlicher

Teilhabe ist eine Person dann gesellschaftlich exkludiert, wenn ihr die Teilhabe an

etablierten und für den Großteil der Gesellschaft selbstverständlichen Formen des

gesellschaftlichen Lebens verwehrt bleibt. Diese Nicht-Teilhabe könne sich auf

das Konsumverhalten (materielle Teilhabe), auf institutionalisierte Formen der Da-

seinvorsorge (politisch-institutionelle Teilhabe) und auf kulturelle Güter (kulturelle

Teilhabe) beziehen.

Diesem im Zusammenhang mit dem Exklusionsbegriff entwickelten Verständnis

von gesellschaftlicher Teilhabe kommt im Rahmen der Debatte über die ange-

messene Beschreibung ‚moderner’ Formen von Armut und sozialer Benachteili-

gung eine besondere Bedeutung zu. Genauer gesagt geht es um die Frage nach

den individuellen Verwirklichungschancen gesellschaftlicher Teilhabe. Von Inte-

resse sind also die Chancen einer Person, an unterschiedlichen Formen gesell-

schaftlicher Teilhabe partizipieren zu können. Es liegt hier die Annahme zugrunde,

dass sich moderne Gesellschaften zum Teil stark darin unterscheiden, in welchem

Ausmaß es den einzelnen Gesellschaftsmitgliedern ermöglicht wird, an gesell-

schaftlichen und demokratischen Prozessen und Werten partizipieren bzw. Ein-

fluss auf diese zu nehmen zu können. Es gehe letztlich darum, alle Gesell-

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schaftsmitglieder in die Lage zu versetzen, teilhaben zu können, in dem Maße, wie

es von ihnen gewünscht ist (vgl. bspw. Bartelheimer 2005, 2007).19

Mit den Begriffen der Exklusion und der Teilhabe kommen neben materiellen Be-

nachteiligungen vor allem Aspekte der gesellschaftlichen Partizipation im Sinne

der Beteiligung an gesellschaftlichen Prozessen in den Blick. Es geht einerseits

um den Zugriff auf institutionelle Versorgungsleistungen gemeinschaftlicher Orga-

nisationen und andererseits um gemeinsame Werte und Kriterien, an denen ein

wünschens- und erstrebenswertes Leben bemessen werden kann. Aus einer eher

an Putnam anschließenden Perspektive kann man in diesen institutionellen und

normativen Elementen zentrale Aspekte kollektiven Sozialkapitals sehen, welche

wiederum für das Funktionieren einer Gesellschaft von entscheidender Bedeutung

sein können. Da sowohl der Exklusions- als auch der Teilhabebegriff verstärkt ein-

zelne Individuen fokussiert, kommen insofern auch Elemente individuellen sozia-

len Kapitals zur Sprache, als der Ausschluss aus dem System der Erwerbsarbeit

mit den von Kronauer angesprochenen ‚Einschränkungen der sozialen Beziehun-

gen’ eines Einzelnen einhergehen kann. Dies bedeutet, dass persönliche soziale

Netzwerke kleiner und mit Blick auf die Möglichkeiten einer objektiven und absolu-

ten Verbesserung der individuellen Situation weniger nützlich für den Einzelnen

werden. In der Inklusions-/Exklusions- bzw. der Teilhabedebatte werden darüber

hinaus Annahmen verhandelt, die implizite aber deutliche Verbindungslinien zum

Sozialkapitalbegriff von Bourdieu erkennen lassen. Dadurch, dass Exklusion und

Teilhabe als Ausprägungen gesellschaftlicher Ungleichheit thematisiert werden,

kommen (im Gegensatz zum Integrationsbegriff) Wechselwirkungen zwischen der

Marginalisierung am Arbeitsmarkt und der damit einhergehenden Verringerung

des ökonomischen Kapitals und der Abnahme sozialer Beziehungen deutlicher in

den Blick.20 Vor diesem Hintergrund können die bereits angesprochene ungleich-

19 Auf dieser Grundlage hat der Teilhabebegriff mittlerweile Einzug in den ‚Zweiten Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung’ gefunden (vgl. BMAS 2005; Bartelheimer 2004, 2007). Im Rahmen der Berichterstattung wird zudem deutlich, dass insgesamt ein enger Zusammenhang zwischen materieller Armmut und sozialer Einbindung besteht. Die Armen einer Gesellschaft (also auch diejenigen mit einem sehr geringen Einkommen) unterscheiden sich von den anderen Gesell-schaftsmitgliedern dadurch, dass sie signifikant weniger in Netzwerke (egal welcher Art) eingebun-den sind und weniger an Gemeinschaftsprozesse partizipieren (zu genaueren statistischen Anga-ben und Analysen vgl. Schmitt 2005). 20 Ein weiterer Unterschied zwischen dem Integrations- und dem Exklusionsbegriff ist darin zu se-hen, dass es zuweilen nicht überzeugend gelingt, soziale Integration trennscharf von einer Assimi-lation derer zu unterscheiden, die der Annahme nach nicht in die Mehrheitsgesellschaft integriert sind. In einer zugespitzten Variante würde Integration demnach bedeuten, dass die Mehrheitsge-sellschaft sich nicht bewegen bzw. verändern muss, sondern nur diejenigen, die in diesen Mehr-heitsgesellschaft aufgenommen werden möchten und sich hierfür an die dort herrschenden Regeln

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heitstheoretische Leerstellen sowohl des der Putnam’schen als auch der Cole-

man’schen Sozialkapitalkonzeption nochmals unterstrichen werden, da sehr deut-

lich erkennbar wird, dass soziale, ökonomische und kulturelle Kapitalvarianten

sehr eng aufeinander verwiesen werden.

In den vorstehenden Ausführungen ist deutlich geworden, dass die bis hierhin an-

gesprochenen Debatten von einer tief greifenden Krise moderner Gesellschaften

ausgehen. Es geht gleichermaßen um die Bedrohung des gesamtgesellschaftli-

chen Zusammenhalts und um die einzelnen Individuen, die immer weniger in ge-

sellschaftliche Zusammenhänge eingebunden werden können. Als ‚Krisenmana-

ger’ werden in dieser Perspektive vielfach die unterschiedlichen Organisationen

des Dritten Sektors ins Feld geführt, die als Orte und Gelegenheitsstrukturen eines

als erforderlich angesehenen bürgerschaftlichen Engagements betrachtet werden.

Als Ertrag eines ausgeprägten Engagements im Rahmen des Dritten Sektors wer-

den gängigen Annahmen zufolge Integration, Inklusion oder Teilhabe befördert.

Letztlich geht es in den zuweilen stark normativen und politisch-programmatischen

Debatten um bürgerschaftliches Engagement darum, politische Maßnahmen und

Handlungsalternativen auszuloten, die den Schwund gesellschaftlichen Zusam-

menhalts, die Erosion sozialen Kapitals, aufhalten sollen (vgl. Braun 2003).

2.5.2 Bürgerschaftliches Engagement

Wie bei vielen anderen Begriffen, die verstärkt auf politischer Ebene diskutiert

werden, handelt es sich beim bürgerschaftlichen Engagement um einen eher un-

bestimmten Begriff, der viele unterschiedliche gesellschaftliche Phänomene und

Tatbestände gleichzeitig anspricht:

„’Bürgerschaftliches Engagement’ ist daher alles andere als ein fest umrissener wohldefinierter Terminus. Vielmehr handelt es sich um einen deutungsoffenen und an seinen Rändern unscharfen Begriff, der sowohl normative als auch analytische Konnotationen in sich birgt. Diese Vagheit und Mehrdeutigkeit hat ihm allerdings bisher weniger geschadet als genützt.“ (Heinze/ Olk 2001: 13)

anpassen müssen. Mit dem Begriff der sozialen Exklusion kann eine solche Perspektive des ‚Drin-nen und Draußen’ vermieden werden. Die Exkludierten einer Gesellschaft stehen nicht außerhalb derselben. Vielmehr kann von einer „paradoxen Gleichzeitigkeit“ (Kronauer 2007: 10) von ‚Drinnen’ und ‚Draußen’ ausgegangen werden: Es gibt demnach (immer mehr) Bevölkerungsgruppen, die einen Teil der Gesellschaft ausmachen, aber gleichzeitig von vielen gesellschaftlichen Prozessen ausgeschlossen sind.

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Man kann den Begriff des bürgerschaftlichen Engagements als eine Art Oberbe-

griff ansehen, unter den viele andere (bspw. zivilgesellschaftliches Handeln oder

ehrenamtliches bzw. freiwilliges soziales Engagement) subsumiert werden kön-

nen, die letztlich alle in eine ähnliche Richtung zeigen und zuweilen synonym ver-

wendet werden (vgl. Zimmer 2000: 47).

Im Kern besteht in politischen und öffentlichen Diskussion ein großer Konsens

hinsichtlich der Einschätzung der gesellschaftlichen Bedeutung des bürgerschaftli-

chen Engagements. Es gilt das Motto: Je mehr bürgerschaftliches Engagement,

desto besser. Eine (zumindest rhetorische) Wertschätzung des Ehrenamts, der

politischen Partizipation oder anderer freiwilliger und gemeinnütziger Aktivitäten,

die mit dem Begriff des bürgerschaftlichen Engagements zusammengefasst wer-

den können, ist national und international und über alle parteilichen Grenzen hin-

weg stark ausgeprägt (vgl. Braun 2001b; Enquete-Kommission 2002a; Kendall

2001; Schröder 2000; Zimmer/ Vilain 2005). Die Zielvorstellungen, die von politi-

scher Seite an das bürgerschaftliche Engagement herangetragen werden, reichen

weit. In letzter Konsequenz wird den intermediären Organisationen, in denen bür-

gerschaftliches Engagement stattfindet, die Aufgabe zugeschrieben, in vielerlei

Hinsicht an die Stelle des zunehmend als geschwächt wahrgenommenen Sozial-

staates zu treten und einen nennenswerten Teil notwendiger Versorgungs- und

Fürsorgeleistungen zu übernehmen (vgl. bspw. Münkeler 2002). Gerade in Zeiten

knapper finanzieller Möglichkeiten auf staatlicher Seite wirkt eine solche Lösung

besonders attraktiv, da die freiwilligen und somit unentgeltlichen Ressourcen der

Bürger mobilisiert werden bei gleichzeitiger Schonung der öffentlichen Kassen.

Hinzu komme, dass sich die anvisierten Leistungen – z. B. Pflege- und Fürsorge-

leistungen für Bedürftige, Umwelt- und Klimaschutz, soziale Sicherheit – in der

Regel unter marktwirtschaftlichen Aspekten kaum lohnen und der oftmals als Al-

ternative zum Sozialstaat angepriesene privatwirtschaftliche ‚freie’ Markt somit als

Anbieter der genannten Leistungen nicht in Frage kommt. Zudem wird dem bür-

gerschaftlichen Engagement gewissermaßen eine sozialpsychologische Funktion

zugeschrieben, die darin bestehe, im Zuge sozialer Wandlungsprozesse und fort-

schreitender Individualisierung Möglichkeiten zur individuellen Sinnstiftung und

zum sozialen Austausch zu bieten. Und nicht zuletzt soll ein freiwilliges Engage-

ment in einer der zahlreichen Organisationen und Initiativen des Dritten Sektors

Spaß machen und auf diese Weise eine sinnvolle Freizeitbeschäftigung für Ein-

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zelne darstellen, die gleichzeitig für die Gesellschaft von Nutzen ist. Hierbei sind

immer wieder bestimmte Personengruppen im Blick, die der Annahme nach in ih-

rer individuellen Lage besonders davon profitieren, wenn sie sich bürgerschaftlich

engagieren. So werden bspw. Arbeitslose oder Menschen mit Migrationshin-

tergrund in den Blick genommen, deren gesellschaftliche Integration letztlich auch

durch bürgerschaftliches Engagement vorangetrieben werden soll (vgl. Braun

2002b, 2003; Zimmer/ Vilain 2005).

Um die Schnittmengen zwischen der Debatte über bürgerschaftliches Engage-

ment und der Sozialkapitaldebatte herauszuheben, kann im ersten Schritt auf Ro-

bert Putnam selbst zurückgegriffen werden:

„Und natürlich besteht eine enge Verbindung zwischen Gemeinnützigkeit, ehrenamtlicher Tätigkeit und sozialem Kapital. Identisch sind diese Begriffe allerdings keineswegs. Soziales Kapital bezieht sich auf soziale Netzwerke unterschiedlicher Form, insbesondere auf Netzwerke aus Individuen in der Gesellschaft. Ehrenamtliche Tätigkeit [verstanden an Synonym für bürgerschaftliches Enga-gement; H. F.] – der Dienst am anderen also – ist zwar Teil des sozialen Kapitals, aber nicht alles soziale Kapital stützt sich auf Ehrenamtlichkeit. Beispielsweise spielen soziale Netzwerke – sozia-les Kapital also – in Sportmannschaften oder politische Parteien hinein, nicht aber notwendiger auch das Ehrenamt im engeren, spezifischen deutschen Sinne. Nach meinem Verständnis ist letz-teres ein engerer Begriff als das soziale Kapital, nicht ein besserer oder schlechterer, sondern le-diglich ein engerer Begriff.“ (Putnam 2002: 260)

Bürgerschaftliches Engagement stellt laut Putnam also gewissermaßen eine Teil-

menge von Sozialkapital dar. Es ist dieser Auffassung zufolge eine besondere Er-

scheinungsform kollektiven sozialen Kapitals.

Diese Sichtweise lässt sich zunächst durch die Feststellung konkretisieren, dass

die ‚Infrastruktur’ (vgl. Heinze/ Olk 2001) des bürgerschaftlichen Engagements in

weiten Teilen die gleichen Elemente aufweist, wie sie im Rahmen der Sozialkapi-

taldebatte angesprochen werden. Bürgerschaftliches Engagement finde demnach

in sozialen Assoziationen (z. B. gemeinnützige Vereine, soziale Einrichtungen,

Parteien, Gewerkschaften Bürgerinitiativen u. Ä.) statt, die als Orte und Gelegen-

heitsstrukturen in den Blick kommen, an denen sich die Mitglieder einer Gesell-

schaft aktiv am öffentlichen und politischen Leben beteiligen können. Zudem

herrscht in der Debatte um bürgergesellschaftliches Engagement die Annahme

vor, dass über dieser Strukturelemente hinaus gewisse ‚zivilgesellschaftliche Tu-

genden’ (vgl. Heinze/ Olk 2001) in einer Gesellschaft eine Voraussetzung dafür

seien, dass sich die Menschen mit ihr identifizieren und auf der Grundlage dieser

Identifikationen handeln. Diese geteilten Wertvorstellungen und die aus diesen

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abgeleiteten Handlungsnormen machen in dieser Perspektive bürgerschaftliches

Engagement erst möglich (vgl. Braun 2001b). Diese Annahmen bewegen sich

ebenfalls sehr nahe am Sozialkapitalbegriff in einer Lesart, wie sie von Robert

Putnam repräsentiert wird: gemeinnützige Organisationen als eines der Elemente

sozialen Kapitals einer Gesellschaft gepaart mit bestimmten Werten und Normen

der Reziprozität und einem hohen Maß an sozialem Vertrauen.

Eine weitere zentrale Schnittmenge ist bereits mit den erhofften (sozialstaatlichen)

Leistungen des bürgerschaftlichen Engagements angesprochen worden. Es ist

auch hier in erster Linie der Sozialkapitalbegriff Putnams, der die Bedeutung des

(kollektiven) sozialen Kapitals für die Demokratie und das politische System einer

Gesellschaft betont und somit sehr nah an diesen Vorstellungen liegt: Die Staaten

oder Regionen, die ‚besser’ funktionieren, weisen mehr kollektives Sozialkapital

auf, welches als Ertrag eines höheren Aufkommens an bürgerschaftlichem Enga-

gement entstehe (vgl. Braun 2001b, 2003; Enquete-Kommission 2002a, b; Heinze/

Olk 2001: 11f).

2.5.3 Perspektivenerweiterungen

Es ist bereits an einigen Stellen der vorangehenden Überlegungen angeklungen,

dass die vorgestellten Begriffe Bürgerschaftliches Engagement, Exklusion, Teilha-

be und soziale (Des-)Integration mehr als nur Synonyme für den Begriff des Sozi-

alkapitals darstellen, sich aber klar erkennbar in dessen Bedeutungshorizont be-

wegen. Die hier behandelten Begriffe bietet darüber hinaus die Möglichkeit, einige

wichtige Aspekte zu ergänzen, die zu weiteren Differenzierungen beitragen. Es

sind an dieser Stelle vier zentrale Perspektivenerweiterungen, die aus den bishe-

rigen Überlegungen abgeleitet werden können.

(1) Die Rolle und die Aufgaben des Staates bei der Bildung von Sozialkapital

Die Sozialkapitaldebatte im Anschluss an Putnam zeichnet sich dadurch aus, dass

die Bereiche Politik, Verwaltung oder Regierung in der Regel als Abnehmer bzw.

als Nutznießer des kollektiven Sozialkapitals angesehen werden. Aufgebaut wird

das soziale Kapital durch die Gesellschaftsmitglieder, die sich (aus welchen Grün-

den auch immer) freiwillig in Vereinen, Verbänden, Initiativen u. Ä. engagieren. In

der Debatte um das Bürgerschaftliche Engagement wird allerdings an vielen Stel-

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len betont, dass diese wünschenswerten Entwicklungen nicht ohne ein Zutun von

staatlicher Seite zu erreichen sind (vgl. Evers 2002). Vielmehr wird „die Wichtigkeit

politischen Handelns für die Bildung von sozialem Kapital“ (Evers 2002: 69) be-

tont. Demnach ist ein demokratischer und partizipativer Regierungsstil gepaart mit

einer etablierten demokratisch ausgerichteten politischen Kultur nicht ausschließ-

lich als Folge sozialen Kapitals zu sehen, sondern auch als dessen Vorausset-

zung. Derartige Überlegungen werden in der Literatur zum bürgerschaftlichen En-

gagement in der Forderung nach dem ‚aktivierenden Staat’ zusammengefasst

(vgl. Enquete-Kommission 2002a), der seine Aufgabe darin sieht, bürgerschaftli-

ches Engagement einzufordern und es gleichzeitig zu fördern (vgl. Heinze/ Olk

2001). Die Beziehung zwischen Staat und Drittem Sektor wird also nicht nur in

eine Richtung gedacht. Genauso, wie die intermediären Organisationen Einfluss

auf die Performanz des Staates haben können, haben politische Prozesse und

Entscheidungen Konsequenzen für den Dritten Sektor und somit auch für den Zu-

stand des Sozialkapitals einer Gesellschaft. Ausgegangen wird demnach von ei-

ner Wechselwirkung zwischen staatlichem Handeln und bürgerschaftlichem Enga-

gement (vgl. Braun 2002b; Bühlmann/ Freitag 2007; Evers 2002), die in der De-

batte um kollektives soziales Kapital kaum angesprochen wird. Vor diesem Hinter-

grund werden auch die bürgerschaftlich Engagierten selbst nicht (nur) als private

Individuen, sondern als politische Personen angesprochen. Während Putnam zu-

folge private Grillpartys und das Hobbybowlen in Ligen genauso zum Aufbau sozi-

alen Kapitals führen können wie bspw. das Engagement in einer politischen Bür-

gerinitiative, kommen im Rahmen der Debatte um bürgerschaftliches Engage-

ments vornehmlich die Leistungen in den Blick, die freiwillig und selbstverantwort-

lich durch die Gesellschaftsmitglieder in Bezug auf die politische Gemeinschaft (z.

B. die Kommune, Gemeinde oder der Nationalstaat21), als deren Teil sie sich ver-

stehen, erbracht werden. Von einem bürgerschaftlichen Engagement ist in diesem

Verständnis also nur dann die Rede, wenn die Individuen als Bürger, also in ihrer

Eigenschaft als Mitglieder einer politischen Gemeinschaft, in sozialen Assoziatio-

21 Im Rahmen der Debatte um bürgerschaftliches Engagement wird oftmals auf die lokale Ebene abgestellt. Die Kommune oder die Gemeinde werden als Handlungseinheiten etabliert, auf die sich das Engagement des Einzelne besser und klarer beziehen kann, als der gesamte Nationalstaat oder gar Europa. Mit dieser lokalen Orientierung ist allerdings auch die Gefahr verbunden, dass bürgerschaftliches Engagement sich immer weiter partikularisiert und einen ausgeprägten Singulä-ren Charakter bekommt. Mit dieser lokalen Orientierung unterscheidet sich bürgerschaftliches En-gagement von Putnams Sozialkapitalverständnis, welches in der Regel abstrakter gefasst und auf größere Handlungseinheiten bezogen ist (z. B. amerikanische Bundesstaaten, ganze Nationen etc.).

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83

nen agieren (vgl. Heinze/ Olk 2001: 14ff). Dies bedeutet gleichzeitig, dass eine

mögliche Krise des (Sozial-)Staates, die mit einer Stärkung des bürgerschaftlichen

Engagements bearbeitet werden soll, mehr von den Einzelnen erfordert, als dass

sie sich lediglich öfters beim Grillen oder beim Bowlen treffen. Neben den ‚zivilge-

sellschaftlichen Tugenden’ werden auf diese Weise zumindest implizit bestimmte

Wissensressourcen, Kompetenzen und Fertigkeiten angesprochen (‚Bürgerkom-

petenz’; vgl. Münkeler 2002: 33), die als Voraussetzungen dafür gelten können,

dass Menschen sich im Sinne des bürgerschaftlichen Engagements engagieren

(vgl. Münkeler 2002). Inwiefern die Schaffung dieser Voraussetzung allerdings bei

jedem Einzelnen wiederum mit dessen sozialer Position zusammenhängt, wird im

Rahmen der politisch-programmatischen Debatte um bürgerschaftliches Engage-

ment nicht thematisiert. Man sieht also, dass eine an Bourdieu orientierte Perspek-

tive im Rahmen der Debatte über bürgerschaftliches Engagement ausgeblendet

bleibt, obwohl sie sicherlich wichtige Hinweise zum Zusammenhang zwischen so-

zialer Position und gesellschaftlichem Engagement eines Einzelnen liefern kann.

So wäre bspw. zu fragen, inwiefern es einen Einfluss des jeweiligen kulturellen

Kapitals auf bürgerschaftliches Engagement gibt. Ein Blick in Statistiken zum bür-

gerschaftlichen Engagement zeigt, dass in dieser Hinsicht starke Wechselwirkun-

gen zwischen den unterschiedlichen Kapitalformen festzustellen sind. So hält

bespw. Thomas Gensicke in seiner Zusammenfassung der Freiwilligensurveys der

Jahre 1999 und 2004 Folgendes fest:

„Nach wie vor gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Erwerbstätigkeit und freiwilligem Engagement. Wichtiger sind allerdings ein höheres Bildungsniveau und eine höhere berufliche Position, die eng damit zusammenhängen, dass Personen die oberen Positionen der Engage-mentskala einnehmen. Der Einfluss der Bildung hat sich seit 1999 weiter erhöht. Diese ist 2004 von deutlich größerer Bedeutung als materielle Faktoren wie etwa die Höhe des Haushaltsein-kommens.“ (Gensicke 2006: Online)

Man sieht also, dass die Debatte um bürgerschaftliches Engagement, die sich in

politisch-programmatischer Hinsicht stark an Putnams Überlegungen ausrichtet, in

wichtigen Punkten zu erweitern ist, wenn man nach sozialstrukturellen Unter-

schieden in einer Gesellschaft und deren Folgen für das individuelle Engagement

fragt. Insofern sind die angesprochenen Erscheinungsformen kollektiven sozialen

Kapitals, die Putnam im bürgerschaftlichen Engagement erkennt, nicht unabhän-

gig von anderen Kapitalformen und deren gesellschaftlicher Ungleichverteilung zu

sehen.

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84

(2) Die Möglichkeit der Nicht-Erreichung sozialen Kapitals

Im Rahmen der Debatten um die Begriffe der Integration, der Exklusion und der

Teilhabe wird immer wieder die Möglichkeit angesprochen, dass eine (moderne)

Gesellschaft zwar mit ausreichend Sozialkapital im Sinne gemeinschaftlicher Wer-

te und Partizipationsmöglichkeiten ausgestattet sein kann, aber bei weitem nicht

jedes Gesellschaftsmitglied die Chance hat, von diesem Sozialkapital zu profitie-

ren. Es kann demnach in einer Gesellschaft strukturelle Formen des Ausschlusses

geben, die außerhalb dessen liegen, was bislang mit der Rede über das Sozialka-

pital angesprochen wurde. Ansätze, die die Kollektivebene sozialen Kapitals (im

Sinne Putnams) in den Blick nehmen, beziehen sich nicht auf Aspekte sozialer

Ungleichheit und deren Folgen für die Zugänglichkeit zum sozialen Kapital im Sin-

ne von geteilten Werten und Normen, generalisiertem Vertrauen oder anderen

Aspekten sozialen Kapitals. In der Regel wird nur danach gefragt, ob in einer Ge-

sellschaft soziales Kapital vorhanden ist bzw. wie viel davon. Dass es aber soziale

Gruppe gibt, die hieran keinen Anteil haben können, wird in dieser Perspektive

nicht thematisiert.

(3) Die Konsequenzen eines Schwunds des sozialen Zusammenhalts

Im Rahmen der Integrationsdebatte geht man im Unterschied zu Putnams Sozial-

kapitalbegriff davon aus, dass durch den Verlust einer gemeinschaftlichen Werte-

basis nicht nur das Wirtschaftswachstum oder der individuelle Wohlstand ge-

schmälert werden, sondern dass letztlich die Grundsubstanz einzelner Gesell-

schaften bedroht ist, wenn nicht ein Mindestmaß an gesellschaftlichem Zusam-

menhalt (in anderen Worten: kollektives Sozialkapital) vorhanden ist. Die Frage-

stellung verschiebt sich also insofern, als es nicht mehr (nur) darum geht, wie viel

Sozialkapital eine Gesellschaft aufweisen kann, sondern ob überhaupt noch ein

erforderliches Mindestmaß an kollektivem Sozialkapital – im Sinne eines basalen

sozialen Zusammenhalts – verfügbar ist.

(4) Die Bedeutung gesellschaftlichen Wandelns für soziales Kapital

Abschließend sei noch auf das an anderer Stelle bereits angesprochene Problem

hingewiesen, dass die Sozialkapitalverständnisse von Putnam und Coleman Pro-

zesse des sozialen Wandels nur in einer verkürzten Form aufnehmen. Zumeist

wird kollektives soziales Kapital vornehmlich in Anlehnung an Putnam (oder von

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Putnam selbst) als eine Möglichkeit ins Feld geführt, bestimmte Folgen sozialer

Wandlungsprozesse abzumildern. Vor dem Hintergrund der Überlegungen, die

hierzu im Rahmen der (Des-)Integrationsdebatte angestellt werden, kann aller-

dings davon ausgegangen werden, dass einzelne Elemente und Effekte sozialen

Kapitals selbst von den beschriebenen Wandlungsprozessen betroffen sind. Die

Gestalt des Dritten Sektors verändert sich durch Individualisierungstendenzen und

funktionale Differenzierung ebenso wie die unterschiedlichen Formen sozialer

Netzwerke und die Wertesysteme moderner Gesellschaften. Diese unterschiedli-

chen Formen und Aspekte sozialer Vergemeinschaftung sind also selbst immer

auch ‚Betroffene’ gesellschaftlicher Wandlungsprozesse und werden zum Teil sehr

massiv durch diese bedroht. Die Bedrohungsszenarien gehen teilweise sogar so

weit, dass das komplette Auseinanderfallen der Gesellschaft als mögliche Folge

angesehen wird. Es kann an dieser Stelle also die Annahme abgeleitet werden,

dass die Gründe für das Absinken des Sozialkapitalniveaus in modernen Gesell-

schaften nicht alleine im Schwinden einer zivilen Einstellung bei den Gesell-

schaftsmitgliedern zu sehen sind (die sich z. B. in einem erhöhten Fernsehkonsum

äußert), sondern dass hier soziale Prozesse eine Rolle spielen, die nicht direkt

von den Einzelnen beeinflusst werden können, aber dennoch weitreichende Aus-

wirkungen auf ihr Gemeinschaftsverhalten haben.

Schließlich kann an dieser Stelle festgehalten werden, dass mit den diskutierten

Begriffen der Integration, der Inklusion/Exklusion, der Teilhabe und des bürger-

schaftlichen Engagements in weiten Teilen soziale Prozesse und Phänomene in

einer Art und Weise angesprochen werden, dass sehr deutliche Überschneidun-

gen mit einzelnen Facetten der Sozialkapitaldebatte entstehen: Im Kern werden

soziale Gemeinschaften und Netzwerke, geteilte Werte und Normen und generali-

siertes Vertrauen als Voraussetzungen für das Wohlergehen einzelner Individuen

oder ganzer Gesellschaften angesehen und gleichzeitig treten diese sozialen

Phänomene als Erträge von individuellem Engagement und Vernetzungsaktivitä-

ten in Erscheinung.

Anzumerken ist vor diesem Hintergrund allerdings, dass die Dimension der gesell-

schaftlichen Differenzierung in den Debatten um soziale Integration, Inklusi-

on/Exklusion, Teilhabe und bürgerschaftliches Engagement zum einen teilweise

enthalten ist und hierbei zum anderen zu entscheidenden Differenzierungen füh-

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ren kann, sofern sie systematisch aufgegriffen und mitgeführt wird. Insbesondere

die Debatten über soziale Inklusion/Exklusion, Teilhabe und bürgerschaftliches

Engagement bearbeiten an einigen Stelle auch ihre Beziehung zur Dimension ge-

sellschaftlicher Differenzierung, wenn es bspw. um die Frage der gesellschaftlich

ungleich verteilten Möglichkeiten der Teilhabe, um die Frage des Zusammen-

hangs zwischen materieller Armut und Exklusion oder um die kulturellen und öko-

nomischen Voraussetzungen eines Engagements im Bereich des Dritten Sektors

geht.

3 Soziales Kapital im Kontext erwachsenenpädagogischer Diskursseg-

mente

Ich habe einleitend darauf hingewiesen, dass sich im Rahmen verschiedener er-

wachsenenpädagogischer Diskurse vielfältige Bezugnahmen zwischen Erwachse-

nenlernen und verschiedenen Sozialkapitalkonzeptionen bestimmen lassen.

Vor dem Hintergrund meiner Überlegungen zum Sozialkapitalbegriff und Bezug

nehmend auf den Vergleich zwischen den Konzeptionen von Putnam, Coleman

und Bourdieu steht im Folgenden die Frage im Zentrum, welche Auffassungen

über soziales Kapital wie im Rahmen welcher erwachsenenpädagogischer Dis-

kurssegmente miteinander in Beziehung gesetzt werden. Hierzu orientiere ich

mich an einer Leitunterscheidung der vorliegenden Arbeit und frage danach, inwie-

fern Sozialkapital einerseits als Voraussetzung und andererseits als Ertrag des

Lernens Erwachsener im Kontext erwachsenenpädagogischer Diskurssegmente

thematisiert wird.

Ich schließe auf diese Weise grundlegend an Überlegungen von John Field an,

der als derjenige Autor zu betrachten ist, der sich bisher am intensivsten mit der

Frage nach dem Zusammenhang zwischen Sozialkapital und Erwachsenenbildung

bzw. Erwachsenenlernen beschäftigt hat (vgl. bspw. Field 2005a, b).22 Im An-

schluss an Fields Untersuchungen, die sich auf den angelsächsischen Raum kon-

zentrieren, lassen sich im Kern zwei Stränge der Thematisierung sozialen Kapitals

in der Erwachsenenpädagogik unterscheiden, die sich auf zwei unterschiedliche

22 Neben John Field kann sicherlich Tom Schuller als ein weiterer Protagonist der englischsprachi-gen Debatte über Erwachsenenlernen und Sozialkapital genannt werden. Schuller und Field haben bereits in der Mitte der 1990er Jahre mit ihren Arbeiten wichtige, aktuell nach wie vor relevante Beiträge und Anstöße für weitere Überlegungen geliefert (vgl. bspw. Schuller/ Field 1998).

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historische Quellen zurückführen lassen: Einerseits stehen Erwachsenenbildung

bzw. Erwachsenenlernen seit den Anfängen ihrer Institutionalisierung, Professio-

nalisierung und Verwissenschaftlichung in einer engen Verbindung mit sozialen

Wandlungsprozessen und den durch diese hervorgerufenen sozialen Bewegun-

gen. John Field verweist bspw. auf Diskussionen in England im auslaufenden 19.

und beginnenden 20. Jahrhundert, bei denen der Zusammenhang zwischen ‚civic

engagement’ bzw. ‚active citizenship’ und ‚adult education’ im Zentrum stand.

Field stellt heraus, dass bei den damaligen Überlegungen sehr intensiv auf das in

den unterschiedlichen Formen des ‚active citizenship’ enthaltene Lernmoment

eingegangen worden sei. Soziales Engagement bedeute demnach immer auch,

dass die engagierten Menschen auf eine bestimmte Art und Weise lernen. Gleich-

zeitig führe Lernen dazu, dass Einzelne Einblick in soziale Zusammenhänge und

Strukturen bekämen und auf diese Weise gesellschaftliche Schieflagen identifizie-

ren, denen sie durch ein verstärktes Engagement zu begegnen versuchen (vgl.

Field 2005a).23

Andererseits wird in internationalen erwachsenenpädagogischen Debatten darauf

verwiesen, dass bereits bei James Coleman der Zusammenhang zwischen Sozi-

alkapital und Bildungsteilnahme und -erfolg vor allem hinsichtlich schulischer Leis-

tungen ein Kernelement der Überlegungen zum sozialen Kapital an sich sei und

insofern auch für erwachsenenpädagogische Fragestellungen wichtige Anregun-

gen biete (vgl. bspw. McClenaghan 2000). Bemerkenswert ist hierbei, dass die

Befunde von Bourdieu in diesem Rahmen nicht angesprochen werden, obwohl sie

international gesehen sicherlich zu den zentralen bildungssoziologischen Ansät-

zen überhaupt gehören. In (zumeist impliziter) Anlehnung an Coleman wird vor

diesem Hintergrund bspw. nach der Bedeutung sozialer Netzwerke für die Beteili-

gung an formeller Weiterbildung bzw. an informellen Formen des Erwachsenen-

lernens gefragt. Ferner haben die angesprochenen Überlegungen zum Zusam-

menhang zwischen ‚active citizenship’ und Erwachsenenbildung insofern eine

neue Facette hinzugewonnen, als nunmehr der Beitrag von Erwachsenenbildung

zur Förderungen kollektiven Sozialkapitals, welches nicht nur in Form von aktivem

sozialem Engagement zutage tritt, einen neuen Fokus der Diskussionen darstellt.

23 Auch in neueren erwachsenenpädagogischen Debatten auf internationaler Ebene wird nach wie vor auf das Konzept des ‚active citizenship’ eingegangen. Thematisiert werden die Fragen, ob und in welcher Weise Erwachsenenbildung bei der Herausbildung einer ‚civil society’ einen Beitrag leisten kann. Außerdem wird weiterhin auf die Lernmöglichkeiten verwiesen, die in einem zivilen Engagement gesehen werden (vgl. bspw. Bron 2001; Dekeyser 2001; Jarvis 2004).

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In den Blick kommen geteilte Werte in einer Gemeinschaft oder das gegenseitige

Vertrauen, das zwischen den Gemeinschaftsmitgliedern herrscht. Diese Aspekte

sozialen Kapitals – die vor allem bei Putnam von zentraler Bedeutung sind – ha-

ben unter bestimmten Bedingungen ihrerseits wiederum Einfluss darauf, welches

Lernverhalten bzw. welche Einstellung die Mitglieder einer Gemeinschaft gegen-

über Lernen und Weiterbildungsbeteiligung zeigen.

Insgesamt lassen sich vor diesem Hintergrund erwachsenenpädagogische Debat-

tenstränge identifizieren, in denen soziales Kapital in Anlehnung an die angespro-

chenen grundlegenden Überlegungen eine zentrale Rolle bei der Beobachtung,

Beschreibung, Analyse und programmatischen Ausrichtung des Lernens Erwach-

sener einnimmt (vgl. Field 2005a, b; McClenaghan 2000, 2003; Schuller/ Field

1998; Schuller u. a. 2004).

Field geht zudem davon aus, dass sich die unterschiedlichen Überlegungen zum

Zusammenhang zwischen Sozialkapital und Erwachsenenbildung danach unter-

scheiden lassen, ob sie eher danach fragen, in welcher Weise das Vorhandensein

von Sozialkapital Einfluss auf das Lernen Erwachsener hat (Sozialkapital als Vor-

aussetzung des Erwachsenenlernens) oder ob sie eher den (möglichen) Beitrag

von Erwachsenenbildung (bzw. des Lernens Erwachsener) zum Aufbau sozialen

Kapitals thematisieren (Sozialkapital als Ertrag des Erwachsenenlernens).

Ausgehend von diesen Überlegungen werden im Folgenden erwachsenenpäda-

gogische Ansätze, Befunde und Programmatiken dargestellt, die die unterschiedli-

chen Thematisierungen sozialen Kapitals in der Erwachsenenpädagogik repräsen-

tieren. Ich greife zur weiteren Systematisierung an dieser Stelle auf die in der Ein-

leitung zu dieser Arbeit bereits angesprochene Unterscheidung zwischen explizi-

ten und impliziten Anschlüssen zwischen Sozialkapital und Erwachsenenlernen

zurück. Von expliziten Anschlüssen ist die Rede, wenn der Sozialkapitalbegriff

selbst zum zentralen Referenzpunkt der entsprechenden Überlegungen gemacht

wird. Implizite Anschlüsse zeichnen sich hingegen dadurch aus, dass sie zwar

eindeutig auf unterschiedliche Vorstellungen und Elemente sozialen Kapitals ge-

richtet sind, hierbei aber den Begriff des Sozialkapitals selbst nicht verwenden.

Diese implizite Form des erwachsenenpädagogischen Zugangs auf Sozialkapital

ist diejenige, die quantitativ weitaus überwiegt und zudem für den deutschsprachi-

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gen Raum kennzeichnend ist, während die expliziten Anschlüsse nahezu aus-

schließlich dem angelsächsischen Sprachraum zuzuordnen sind.24 Bei den in den

folgenden Ausführungen zur Sprache kommenden Überlegungen und Studien

handelt es sich um eine exemplarische Auswahl, die keinen Anspruch auf Voll-

ständigkeit erhebt, sehr wohl aber das Feld der relevanten Ansätze in seinen

Grundzügen abbildet.

Unabhängig von der Frage, ob nun explizit oder implizit über Sozialkapital gespro-

chen wird, bleibt an dieser Stelle bereits ein Merkmal festzuhalten, welches für die

gesamten im Folgenden darzustellenden Diskurssegmente kennzeichnend ist.

Gemeint ist die Unbestimmtheit, mit der zentrale Begriffe (bspw. Kompetenz; le-

benslanges, selbstgesteuertes, informelles Lernen; Wissen etc.) verwendet sowie

die Beziehungen dieser Begriffe zueinander dargestellt werden. Wie in der Einlei-

tung bereits angedeutet, kommen sämtliche in der Erwachsenenpädagogik zur

Verfügung stehenden Vorstellungen über Lernen und dessen mögliche Folgen

und Ergebnisse in den Blick – in der Regel, ohne dass hierzu klare und trenn-

scharfe Begriffsdefinitionen angeboten werden. Zudem wird der Zusammenhang

zwischen Wissen und Kompetenz hierbei nicht problematisiert. Wieder andere

Debattenstränge kommen mehr oder minder ohne eine konkrete Vorstellung dar-

über aus, zu welchen Ergebnissen Lernen eigentlich führen kann. Das eigentlich

Wichtige ist dann, dass es überhaupt stattfindet.

Diese Unbestimmtheit ist in den angesprochenen Begriffen selbst bereits ange-

legt. Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den angesprochenen Begriffen

würde vermutlich jeweils eine eigene umfangreiche Untersuchung erfordern. Aus

diesem Grund werde ich diese Unbestimmtheit im Folgenden nicht auflösen kön-

nen, sondern vielmehr bei den nächsten Schritten mitführen, wohl wissend, dass

auf diese Weise Unschärfen erhalten bleiben. Ich werde später auf diesen Prob-

lematik noch einmal gesondert eingehen.

Ein weiteres Grundmerkmal der erwachsenenpädagogischen Diskurssegmente,

die sich um Sozialkapital drehen, ist darin zu sehen, dass die Bourdieu’sche Per-

24 Es können nur wenige Ausnahmen benannt werden, bei denen der Sozialkapitalbegriff zur Be-schreibung und Analyse von Erwachsenenlernen herangezogen wird. Zu nennen sind in dieser Perspektive einzelne Aufsätze von Alheit (2008), Schemmann/ Wittpoth (2007) und Jütte (2006), auf die ich an späterer Stelle noch zu sprechen kommen werde.

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90

spektive weitgehend ausgeblendet bleibt. Unabhängig davon, ob implizit oder ex-

plizit über Sozialkapital diskutiert wird, dienen im Kern die theoretischen (bzw.

normativen) Ansätze und empirischen Befunden von Coleman oder Putnam als

Referenzpunkte in den einzelnen Diskurssegmenten. Dies führt letztlich dazu,

dass die systematischen Leerstellen und die an diesen ansetzende Kritik an den

Sozialkapitalkonzeptionen von Coleman und Putnam in den anzuführenden er-

wachsenenpädagogischen Debatten in der Regel mitgeführt werden, wie sich an

zahlreichen Stelle der folgenden Ausführungen zeigt. Was dieses Ausblenden der

Bourdieu’schen Perspektive letztlich für die entsprechenden erwachsenenpäda-

gogischen Argumentationslinien im Kern bedeutet, wird insbesondere in Kapitel 4

der vorliegenden Arbeit zum Gegenstand gemacht.

3.1 Soziales Kapital als Voraussetzung des Lernens Erwachsener: Explizite

Anschlüsse

Nimmt man unter dieser Perspektive in einem ersten Schritt kollektives Sozialkapi-

tal (in Anlehnung an Putnam) in den Blick, lässt sich als ein erstes Ergebnis fest-

halten, dass diesem in unterschiedlichen Diskurssegmenten zumeist ein förderli-

cher Einfluss auf individuelles Lernen zugesprochen wird (vgl. zusammenfassend

Field 2005a). Dieser bestehe bspw. darin, dass die Beteiligung an institutionellem

Lernen befördert werde, indem in einer sozialen Gemeinschaft der kollektive Wert

vorherrscht, Bildung und Lernen als etwas Positives und Erstrebenswertes anzu-

sehen. Wenn darüber hinaus noch wirksame Sanktionsmöglichkeiten für diejeni-

gen bestehen, die diesen Gemeinschaftswerten nicht folgen, steige die Wahr-

scheinlichkeit einer erhöhten Bildungsbeteiligung in einer solchen Gemeinschaft.

Ein ähnlicher Zusammenhang wird hinsichtlich des allgemeinen Vertrauens disku-

tiert, welches die Mitglieder einer Gemeinschaft einander und vor allem gesell-

schaftlichen Institutionen entgegenbringen. Vertrauen die Menschen in die Fähig-

keiten und Leistungen gesellschaftlicher Institutionen – und somit auch in die Leis-

tungen von Bildungsinstitutionen – und in die Fähigkeiten derjenigen, die in diesen

Institutionen tätig sind, werden die Leistungen dieser Institutionen für die Bewälti-

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91

gung bestimmter persönlicher Herausforderungen häufiger in Anspruch genom-

men, als wenn dieser Aspekt sozialen Kapitals weniger stark ausgeprägt ist.25

Mit Blick auf unterschiedliche Formen außerinstitutionellen Lernens könnten zu-

dem Effekte kollektiven Sozialkapitals bestimmt werden, die dann auftreten, wenn

die einzelnen Individuen in die Kompetenzen und das Wissen derjenigen vertrau-

en, mit denen sie in einer Gemeinschaft verbunden sind. Es falle dann leichter,

voneinander auf informelle Weise zu lernen und die gegenseitig präsentierten In-

formationen anzunehmen und anzuwenden. Aufwändige individuelle Verfahren zur

Überprüfung der Informationen könnten auf diese Weise vermieden werden. Hinzu

komme, dass ein hohes Maß an interpersonellem Vertrauen dazu beitrage, dass

die Mitglieder einer Gemeinschaft ihr Wissen, ihre Ideen und Informationen nicht

für sich behalten, sondern bereitwillig mit anderen teilen, da sie ja davon ausge-

hen, dass dieses Verhalten nicht zu ihrem Nachteil ist. Auf diese Weise stiegen

die informellen Lernmöglichkeiten in einer sozialen Gemeinschaft. Den Einfluss

kollektiven sozialen Kapitals26 auf das Lernen (Erwachsener) fasst John Field wie

folgt zusammen:

„Relatively free exchange of a variety of ideas, information, skills and knowledge within a group and between own and other groups; some trust in information and knowledge from within group (and possibly from others with shared values); open resources to support identity change among adults; relationship with formal education system highly conditional” (Field 2005a: 34).

Im Kern stelle kollektives Sozialkapital dieser Perspektive zufolge eine soziale

Rahmung bzw. einen sozialen ‚Nährboden’ für individuelles (formelles und infor-

melles) Lernen dar. Diese Zusammenhänge werden neben Fields Arbeiten auch

von anderen Studien bestätigt, die jeweils mit Blick auf unterschiedliche Untersu-

chungsobjekte und unter Rückgriff auf verschiedene methodische Zugängen einen 25 Es ist ebenso vorstellbar, dass sich die gleichen Mechanismen und Elemente sozialen Kapitals auch hemmend auf die Beteiligung an (Erwachsenen-)Bildung auswirken. Dies wäre bspw. dann der Fall, wenn in einem Kollektiv der Wert vorherrscht, formelle Bildung und institutionalisiertes Lernens seien zu vermeiden und es seien vielmehr andere Wege zu suchen, um mit persönlichen Herausforderungen umzugehen. Sind solche Werte gepaart mit entsprechenden Sanktionsmög-lichkeiten und ggf. einem hohen Vertrauen in informelle Unterstützungssysteme, die von einer Ge-meinschaft bereitgehalten werden, sinkt u. U. die Wahrscheinlichkeit einer hohen Beteiligung an institutionellen Lern- und Bildungsprozessen. 26 Field geht in seinen Überlegungen von einer Unterscheidung zwischen bonding, bridging und linking social capital aus. Dabei fasst er unter dem Begriff des linking social capital die angespro-chenen Formen kollektiven Sozialkapitals (gemeinschaftliche Werte etc.), die im hohen Maße mit Putnams Sozialkapitalverständnis korrespondieren. Es handelt sich hierbei um eine Begriffsdiffe-renzierung, die in erster Linie auf Michael Woolcock zurückzuführen ist. Woolcock geht davon aus, dass auf diese Weise die Spannbreite der unterschiedlichen sozialen Phänomene, die mit dem Sozialkapitalbegriff in den Blick geraten, besser begrifflich gefasst werden können (vgl. Woolcock 2001; Wallacher 2001).

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erkennbaren Einfluss sozialen Kapitals auf das Lernen Erwachsener nachzeich-

nen.

Zu nennen ist hier bspw. eine qualitative Fallstudie von Mark Cieslik zur ‘Dean

Village Action Group’. Hierbei handelt es sich um eine Gruppe junger Bewohne-

rinnen einer sozialen Problemregion im Süden Wales, dem so genannten ‚Dean

estate’. Diese Region zeichnet sich durch eine hohe Arbeitslosenquote, ein gerin-

ges Lohnniveau, ein hohes Sozialhilfeaufkommen (vor allem bei Kindern), eine

hohe Quote an alleinerziehenden Elternteilen (zumeist Mütter) und weitere Merk-

male aus, welche die prekäre Lage der Region unterstreichen. In der ‚Action

Group’ haben sich junge und oft alleinerziehende Mütter mit dem Ziel zusammen-

geschlossen, für ihre eigenen, aber auch für die Kinder anderer Familien ein Frei-

zeitangebot bereitzustellen, das eine Alternative zu den als sinnlos erachteten und

wenig förderlichem Freizeitaktivitäten, die von den meisten Kindern genutzt wer-

den (Videospiele, Fernsehen), darstellen soll. Diese Angebote stehen aber nicht

nur Kindern und Jugendlichen, sondern auch erwachsenen Bewohnern des ‚Dean

estate’ zu Verfügung. Innerhalb dieser Freizeitangebote (z. B. Sport- und Selbst-

verteidigungskurse, Jugendclub, Tagesausflüge) bieten sich Cieslik zufolge viele

Möglichkeiten für informelles Lernen. Es können Wissensressourcen generiert und

sowie spezielle Kompetenzen erworben und eingeübt werden. Lernen bekomme

auf diese Weise einen hohen Wert in der Gemeinschaft des ‚Dean estate’ und in

der Folge verändere sich auch die Einstellung derer, die nicht direkt an den ge-

nannten Programmen und Freizeitaktivitäten beteiligt sind. Insgesamt steige auf

diese Weise auch die Bereitschaft, sich an formellen Bildungsprozessen zu betei-

ligen – selbst bei denjenigen, die nicht zum engsten Kreis dieser Gruppenmitglie-

der gehören (vgl. Cieslik 1999).

Um einen vergleichbaren Einfluss gemeinschaftlicher Normen und Werteinstellun-

gen auf die Beteiligung am Erwachsenenlernen zu beschreiben, greift Clare L.

Strawn wiederum auf den Begriff des ‚discourse’ zurück (vgl. Strawn 2003).

Strawn beschreibt damit geteilte Werthaltungen, Einstellungen und daraus resul-

tierende Verhaltensdispositionen innerhalb eines Kollektivs, die den einzelnen

Mitgliedern durch gemeinsames Handeln (practice), Sprache, Symbole und Ges-

ten vermittelt werden. Die Befunde seiner quantitativen Längsschnittstudie zeigen

laut Strawn, dass die Bildungsnähe, die in einem Kollektiv vorherrscht, den Mit-

gliedern über den jeweiligen ‚discourse’ vermittelt werde. Vor diesem Hintergrund

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bezeichnet Strawn die unterschiedlichen ‚discourses’ als die ‚interpretive dimensi-

ons of social capital’ (vgl. Strawn 2003: 20) und hebt mit dieser Bezeichnung dar-

auf ab, dass hierdurch das kollektive Sozialkapital einer Gemeinschaft in konkrete

Handlungen übersetzt und somit weitervermittelt werde. Kollektive Einstellungen z.

B. hinsichtlich des Erwachsenenlernens oder der Beteiligung an formellen Lern-

angeboten würden auf diese Weise für das Handeln des Einzelnen konkretisiert

(vgl. Strawn 2003).

Mit Blick auf die Frage, inwiefern Einstellungen gegenüber Erwachsenenbildung

und die Beteiligung an unterschiedlichen Formen sozialen Engagements (active

citizenship) miteinander korrelieren, zeigen die Befunde einer Auswertung des

Northern Ireland Life and Time Survey (NILTS), die John Field vorgenommen hat,

wiederum eine ‚bipolare Struktur’ auf (vgl. Field 2003b): Diejenigen, die dem sozia-

lem Engagement einen hohen Wert beimessen und sich in der Tendenz auch

deutlich mehr beteiligen, schreiben (quasi erwartungsgemäß) auch der Beteiligung

an Erwachsenenbildung einen besonders hohen Wert und eine herausgehobene

gesellschaftliche Bedeutung zu. Dies sei allerdings auch bei denjenigen der Fall,

die soziales Engagement explizit ablehnen. Auch bei dieser Personengruppe spie-

le Lernen als gemeinschaftlicher und gesellschaftlicher Wert eine bedeutsame

Rolle. Als dritte Gruppe identifiziert Field die ‚Indifferenten’, die sowohl hinsichtlich

des sozialen Engagements als auch hinsichtlich der Erwachsenenbildung eher

unentschlossen seien und keine gemeinschaftliche Haltung hierzu haben (vgl.

Field 2003b, 2005b; zu ähnlichen Befunden im finnischen Kontext vgl. Salo o. J.).

Field geht zwar nicht der Frage nach, inwiefern die wertschätzenden Einstellungen

gegenüber Erwachsenenbildung letztlich auch zur konkreten Teilnahme an Kursen

oder Seminaren in der Erwachsenenbildung führen. Es sei aber davon auszuge-

hen, dass diejenigen, die institutionelle Weiterbildungsangebote wertschätzen und

auf deren Leitungsfähigkeit vertrauen (Weiterbildung als gemeinschaftlicher Wert),

eher zu Teilnehmern werden, während andere tendenziell durch ihre ablehnende

Einstellung auch von der konkreten Teilnahme an Erwachsenenbildung abgehal-

ten werden.27

27 Es ist aber angesichts dessen, was man über die Bedingungen der Teilnahme an Erwachsenen-bildung weiß, zu kurz geschlossen, davon auszugehen, dass eine positive Einstellung zwangläufig auch zur Beteiligung an Erwachsenenbildung führt. Es spielen hier sicherlich weitere Faktoren eine Rolle, die mit dem Sozialkapitalbegriff nicht erfasst werden können (vgl. bspw. Wittpoth 2009a).

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Mit Blick auf die individuelle Ebene sozialen Kapitals (eher im Anschluss an Cole-

man) wird der Einfluss auf Lernen in erster Linie darin gesehen, dass die Netzwer-

ke, in die ein Einzelner eingebunden ist, immer auch als Orte bzw. Gelegenheits-

strukturen informellen Lernens fungieren können. Die grundlegende Annahme ist,

dass in sozialen Netzwerken durch Interaktionsprozesse Informationen getauscht,

Wissensbestände vermittelt und Kompetenzen erworben und dabei gleichzeitig

eingeübt würden – es könne also auf unterschiedliche Weise gelernt werden. Die-

jenigen, die in dieser Hinsicht wenig Sozialkapital aufweisen – d. h. nur in wenige

und kleine Netzwerke eingebunden sind – haben demnach weniger Möglichkeiten,

informell von und mit anderen zu lernen. Während sich diese zumeist als ‚strong

ties’ beschriebenen sozialen Strukturen förderlich auf die Beteiligung an informel-

len Lernformen auswirkten, können wiederum hemmende Auswirkungen dieser

sozialen Beziehungen auf die Beteiligung an formellen Bildungsprozessen be-

schrieben werden: Diejenigen, die mit viel Sozialkapital (in dem beschriebenen

Verständnis) ausgestattet sind, bekämen demnach wichtige Ressourcen, die sie

zum persönlichen (privaten und vor allem beruflichen) Erfolg benötigen, innerhalb

ihrer sozialen Netzwerke zur Verfügung gestellt und müssten hierfür nicht den

mühsamen Weg über die Beteiligung an formellen Lernsettings einschlagen. An-

ders sehe es für diejenigen aus, die unter dieser Perspektive wenig Sozialkapital

aufweisen können. Mit Blick auf berufliche Karrieren und persönliche Herausforde-

rungen sei für diese Gruppe oftmals die Handlungsalternative ‚Beteiligung an for-

mellen Bildungsangeboten’ von größerer Bedeutung, wenn nicht gar die einzige

Alternative. Die Wahrscheinlichkeit, dass diese Personen verstärkt an formeller

Weiterbildung teilnehmen, sei im Vergleich zu der zuvor erwähnten Gruppe er-

kennbar höher. Es zeigt hier sehr deutlich, wie sehr Colemans funktional-rationale

Perspektive auf Sozialkapital die Grundlage dieser Überlegungen ist. Gelernt wird

(formell oder informell), wenn es sich lohnt; nicht gelernt wird, wenn es andere

Möglichkeiten der Zielerreichung gibt. Dass aber Lernen und vor allem Nicht-

Lernen (können oder wollen) immer auch sozialstrukturelle Hintergründe hat,

kommt an dieser Stelle nicht zu Sprache, gerade weil hier an Coleman als alleini-

gen Autor angeschlossen wird, der soziale Beziehungen als soziales Kapital bezif-

fert.

Diese Überlegungen zum ambivalenten Verhältnis zwischen unterschiedlichen

Formen sozialen Kapitals und unterschiedlichen Lernformen gehen im Kern auf

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95

Befunde einer Studie von Tom Schuller und John Field zurück, in der die beiden

Autoren in enger Anlehnung an Colemans Sozialkapitalverständnis unterschiedli-

che Surveydaten für Nordirland mit Blick auf den Zusammenhang zwischen Sozi-

alkapital und Lernen ausgewertet haben (vgl. Schuller/ Field 1998). Schuller und

Field nehmen nicht ausschließlich formelle und informelle Erwachsenenbildung in

den Blick, sondern sie stellen im ersten Schritt ihrer Untersuchung heraus, dass

ein hohes Maß an Sozialkapital mit erhöhtem Erfolg im Rahmen schulischen Ler-

nens zusammenfalle – mit diesem Befund liegen sie ganz auf einer Linie mit Co-

leman Schulstudien (s. o.). Mit Blick auf Erwachsenenlernen drehe sich dieser Zu-

sammenhang allerdings insofern um, als ein hohes Maß an Sozialkapital in der

Tendenz mit einer geringeren Beteiligung an formeller Erwachsenenbildung ein-

hergehe, während informelles Lernen durch soziales Kapital eher befördert werde.

In gewisser Weise können Sozialkapital und Lernen als funktionale Äquivalente

betrachtet werden (vgl. auch Schemmann/ Wittpoth 2007), wenn es bspw. um die

Unterstützung beruflicher Karrieren oder den Umgang mit anderen persönlichen

Herausforderungen geht. Dieser Befund konnte in Folgeuntersuchungen, in denen

teilweise auch Interviewdaten gesammelt und ausgewertet wurden, mehrfach bes-

tätigt werden (vgl. Field 2005a; Field/ Spence 2000; Strawn 2003).

Mit Hilfe des Sozialkapitalbegriffs werden in den aufgezeigten Debattensträngen

mögliche Rahmungen bzw. Gelegenheitsstrukturen für das Lernen Erwachsener

bestimmt. Diese Perspektive ist sicherlich nicht gänzlich neu für den erwachse-

nenpädagogischen Diskurs. Mit dem Sozialkapitalbegriff können die aufgezeigten

Zusammenhänge allerdings in einer bisher nicht bekannten Weise thematisiert

und vor allem systematisiert werden. Soziale Beziehungen, in die ein Einzelner

eingebunden ist, können demnach gleichermaßen Lernmöglichkeiten und soziales

Kapital zur Verfügung stellen; ein analytischer Unterschied, der in der Alltagsbeo-

bachtung kaum noch nachgezeichnet werden kann. Für bestimmte Handlungszie-

le scheint das eine, für andere Handlungsziele wiederum das andere wichtiger zu

sein. Entscheidend ist hier die Grundannahme, dass in sozialen Netzwerken im-

mer beiden Funktionen enthalten sind, die sich zum Teil gegenseitig ergänzen und

zum Teil als funktionale Äquivalente fungieren. Erst wenn man spezifische Vorstel-

lungen sozialen Kapitals mit erwachsenenpädagogischen Perspektiven verbindet,

wird dieser Zusammenhang sichtbar. Gleichzeitig werden auch mit Blick auf das

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96

Vorhandensein kollektiven sozialen Kapitals Auswirkungen auf das Lernen Er-

wachsener beschrieben. Eine bestimmte Werte- und Normenbasis, die innerhalb

eines Kollektivs vorherrscht, stelle quasi den Nährboden für individuelles Lernen

dar, indem die Beteiligung an Lernvorgängen als erstrebens- und wünschenswert

etabliert und die Nicht-Befolgung dieser Norm sanktioniert wird.

Schließlich möchte ich an dieser Stelle darauf hinweisen, dass die aufgezeigten

Zusammenhänge insofern immer als kontingent anzusehen sind, als nicht eindeu-

tig gesagt werden kann, welche Formen sozialen Kapitals unter welchen sozialen

Bedingungen und auf welche Weise als Voraussetzung individuellen Lernens die-

nen können. Dieser Frage ließe sich in Teilen dann nachgehen, wenn die unter-

schiedlichen soziale Bedingungen in den sozialen Milieus und die Relationen zwi-

schen ihnen, die sich auf der Grundlage soziale Ungleichheitsstrukturen und der

gesellschaftlichen Ungleichverteilung von kulturellem und ökonomischem Kapital

beschreiben lassen, systematisch in die Überlegungen und vor allem die empiri-

schen Ansätze eingebunden würden. Dies ist allerdings in den dargelegten Unter-

suchungen bisher nicht der Fall, was nicht nur die Folge hat, dass wichtige Relati-

onen zwischen sozialem und kulturellem Kapital (im Sinne von Erwachsenenler-

nen) nicht thematisiert werden können, sondern dass in den dargestellten Ansät-

zen nicht selten auch ein normativer Duktus erkennbar wird, der den Anschein

erweckt, dass viel Sozialkapital für alle Mitglieder einer Gesellschaft immer gut sei,

weil es sie entweder in ihrem Lernen unterstützt oder aber eine wichtige Alternati-

ve zur Erreichung individueller Ziele darstellt. Dass sich diese vermeintlichen

‚Funktionen’ sozialen Kapitals allerdings mit Blick auf gesellschaftliche Differenzie-

rungen je anders darstellen, kann aus dieser Perspektive allerdings nicht gesehen

werden.

3.2 Soziales Kapital als Voraussetzung des Lernens Erwachsener: implizite

Anschlüsse

Auf implizite Weise werden die bisher beschriebenen Funktionen sozialen Kapitals

auch im deutschsprachigen erwachsenenpädagogischen Diskurs thematisiert. In

Anlehnung an die skizzierten angelsächsischen Diskurssegmente zeigt sich dies

insbesondere, wenn man unter den Stichworten des selbstgesteuerten und infor-

mellen Lernens danach fragt, unter welchen Bedingungen und in welchen Kontex-

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97

ten Erwachsene lernen, wenn sie dies in sozialen Netzen und außerhalb von Bil-

dungsinstitutionen bzw. nicht in klassischen erwachsenenpädagogischen Settings

(Kursen, Seminaren etc.) tun. Es gibt unübersehbare Ähnlichkeiten zwischen dem

vorgestellten angelsächsischen Debatten und den deutschsprachigen Debatten

über selbstgesteuertes und informelles Lernen, sodass es durchaus angebracht

erscheint, im Folgenden einige Beispiele zu bemühen. In den Blick geraten auf

diese Weise zahlreiche Ansätze und (zum Teil sehr programmatische) Überlegun-

gen, in denen zentrale Aspekte sozialen Kapitals aufgegriffen werden. Ich werde

im Folgenden zunächst die Debatte um selbstgesteuertes und informelles Lernen

kurz skizzieren, um vor diesem Hintergrund darlegen zu können, inwiefern Sozial-

kapital im Rahmen dieser Debatte eine Rolle spielt.

3.2.1 Zur Diskussion über selbstgesteuertes und informelles Lernen

Seit Mitte der 1990er wird in der Erwachsenenpädagogik intensiv über vermeint-

lich neue Lernformen diskutiert, die einem klassischen Verständnis von kursförmi-

gen Vermittlungsprozessen in der Erwachsenenbildung gegenübergestellt werden.

Für diese Lernformen werden zumeist die Begriffe des selbstgesteuerten oder in-

formellen Lernens verwendet (vgl. bspw. Derichs-Kunstmann u. a. 1998; Kraft

1999, 2002a, b; Künzel 2004, 2005; Weber 1996). Mit diesen Begriffen wird inso-

fern auf (vermeintlich neue) Formen des Lernens abgehoben, als die Lernenden

als selbstverantwortlich für die Gestaltung ihres Lernens angesehen werden. Die

Entscheidungen, was, wann, wie, warum und mit welchen Methoden gelernt wird,

werden demnach in erster Linie von den Lernenden selbst getroffen und nicht

mehr von ‚Experten’ für das Lernen (Dozenten, Lehrern o. Ä.), die in Bildungsein-

richtungen tätig sind. Das Lernen geschehe zudem verstärkt außerhalb traditionel-

ler erwachsenenpädagogischer Settings und Institutionen. Die Subjekte werden in

Fragen des Lernens auf sich selbst verwiesen (vgl. Wittpoth 2010a, 2009a, b); es

deutet sich hier also ein spezifisches ‚Selbst’-Verständnis des Lernenden an, wel-

ches für erwachsenenpädagogische Diskussionen in dieser Ausrichtung weitge-

hend neu ist.

Die Begriffe des selbstgesteuerten und informellen Lernens sind – genau wie an-

dere in diesem Kontext verwendete Begriffe – sehr vage und unbestimmt (s. o.). In

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98

der Literatur finden sich zahlreiche Ansätze und Definitionsversuche, von denen

sich bisher keiner allgemein durchsetzen konnte (vgl. Arnold/ Gomez Tutor/ Kam-

merer 2002; Büchter 2001).28 Hinzu kommt, dass in den entsprechenden Debatten

weitere Begriffe zur Anwendung kommen, die im Kern vergleichbare Aspekte an-

sprechen. Ist in den folgenden Ausführungen also vom selbstgesteuerten oder

informellen Lernen die Rede, werden gleichermaßen Begriffe wie selbstorganisier-

tes, selbstverantwortliches, selbstsorgendes Lernen, implizites Lernen oder inzi-

dentielles Lernen angesprochen (vgl. Büchter 2001; Kraft 1999, 2002a; Overwien

2003; Reischmann 1995). Selbstgesteuertes und informelles Lernen werden als

Sammelbezeichnungen für all jenes Lernen verstanden, das vom Subjekt selbst-

bestimmt und nur am Rande von anderen (professionellen) Akteuren beeinflusst

wird. Das Maß an Fremdsteuerung ist also auf ein Minimum zurückgefahren (aber

nie gänzlich ausgeblendet). Es liegt dem die Überlegung zugrunde, dass Lernen

nie ausschließlich selbstgesteuert oder fremdgesteuert ablaufen könne. Ein Min-

destmaß beider Modalitäten sei immer vorhanden (vgl. Siebert 2001). Die Frage

sei dann, wie hoch der Grad an Selbststeuerung beim individuellen Lerngesche-

hen beziffert werden kann. Man könne davon ausgehen, dass individuelles Lern-

geschehen (analytisch) in die folgenden Dimensionen zerlegt werden können: In-

halt, Lernorganisation und -koordination, Lernzielbestimmung und Lernkontrolle.

Wenn der Lernende im Hinblick auf den größten Teil dieser Dimensionen selbst-

gesteuert agieren könne, spreche man von selbstgesteuertem Lernen – auch

dann, wenn bspw. die Lernzielvorgaben von außen bestimmt sind, der Weg zur

Zielerreichung allerdings in der Verantwortung des Lernenden liegt (vgl. Kraft

1999, 2002b).

Der Unterschied zwischen informellem und selbstgesteuertem Lernen ist darin zu

sehen, dass beim informellen Lernen einerseits der für die Debatte charakteristi-

sche anti-institutionelle Affekt deutlich stärker zutage tritt, als dies im Zusammen-

hang mit selbstgesteuertem Lernen der Fall ist (vgl. Dietrich 2000; Dohmen 2001;

Overwien 2005a, b; Stolz 2001). Bildungsinstitutionen seien demnach kaum noch

Orte individuellen Lernens, die in diesem Verständnis informell und in der Regel

situativ ablaufen (vgl. Dohmen 2001; Wittwer 2003; Wittwer/ Kirchhof 2003). Als

weiterer Unterschied sei genannt, dass innerhalb der Diskussion um selbstge-

28 Auf die Tatsache, dass die Unbestimmtheit der Begriffe auch eine ihrer entscheidenden Stärken ist, weil sie auf diese Weise eine großes Anregungspotenzial entwickeln konnten und gleichzeitig sehr flexibel verwendet werden können, weist bspw. Karl Weber hin (vgl. Weber 1996).

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99

steuertes Lernen in der Regel von einer bewussten Lernintention seitens des Ler-

nenden ausgegangen wird, während informelles Lernen einen eher beiläufigen

und unbewussten Charakter habe (vgl. Brinkmann 2003; Dohmen 2001).

Es ist nicht von entscheidender Bedeutung, welche Perspektive man letztlich ein-

nimmt oder an welchen Begriff man anschließt, um festhalten zu können, dass das

lernende Individuum zum entscheidenden Dreh- und Angelpunkt des Lernens ge-

macht wird, von der Auswahl des Gegenstandes bis hin zur Überprüfung des

Lernerfolges.

In der Bildungspolitik haben die Begriffe des selbstgesteuerten und informellen

Lernens ebenfalls großen Anklang gefunden. Auf dieser Ebene wird mit den bei-

den Begriffen zum einen die Hoffnung verbunden, dass entsprechende selbstge-

steuerte und informelle Lernbemühungen schneller zu einer Steigerung individuel-

ler Kompetenzen führen, als dies bei klassischen Weiterbildungsangeboten der

Fall sei. Zum anderen wird in den ‚neuen’ Lernformen die Möglichkeit gesehen,

allen Bevölkerungsschichten (also auch den bildungsungewohnten) den Zugang

zum lebenslangen Lernen zu eröffnen und dabei gleichzeitig die öffentlichen Kas-

sen zu schonen, da das Lernen nicht mehr an institutionelle Rahmungen, die ih-

rerseits wiederum finanzielle Unterstützung seitens der öffentlichen Hand benöti-

gen, gebunden sei. Insgesamt steht bei den entsprechenden bildungspolitischen

Programmatiken die individuelle Beschäftigungsfähigkeit im Zentrum der Argu-

mentation. Sowohl die individuelle Kompetenzentwicklung als auch die Möglichkeit

zum lebenslangen Lernen sollen letztlich dazu führen, dass der Einzelne seine

Chancen im (Arbeits-)Leben erhöht; man hat es hier also mit einer sehr rationalen

Perspektive zu tun, in der individuelles Lernen in den Dienst anderer Ziele gestellt

wird bzw. die Notwendigkeit zum Lernen sich aus rationalen Zielen ableitet und

den Weg zu Erreichung dieser Ziele darstellt.

Im Rahmen der Debatte um selbstgesteuertes und informelles Lernen lassen sich

relevante Stränge identifizieren, die sich – trotz der starken Subjektorientierung,

die mit der Rede über die vermeintlich neuen Lernformen einhergeht – deutlich

erkennbar im Bedeutungshorizont sozialen Kapitals bewegen, indem (selbstge-

steuertes bzw. informelles) Lernen in den Blick genommen wird, das in sozialen

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100

Netzwerken, Vereinen, sozialen Gemeinschaften u. Ä. stattfindet. Auf diese Weise

werden also implizit zentrale Elemente sozialen Kapitals angesprochen.

In den folgenden Ausführungen geht es darum, diese Ansätze vorzustellen und

dabei aufzuzeigen, in welcher Weise individuelles Lernen im Rahmen unterschied-

licher sozialer Rahmungen und Kontexte stattfindet. Es geht hierbei schwerpunkt-

mäßig nicht um institutionelle Kontexte29 selbstgesteuerten bzw. informellen Ler-

nens. In Blick genommen wird vielmehr die Bedeutung sozialer Netzwerke und

Gemeinschaften für selbstgesteuertes und informelles Lernen. Klar erkennbar wird

hier, dass wiederum Colemans Sozialkapitalkonzeption (in den meisten Fällen)

implizit die Grundlage liefert, auf der die einzelnen Ansätze jeweils fußen.

3.2.2 Selbstgesteuertes und informelles Lernen in sozialen Netzwerken und Ge-

meinschaften

Insgesamt kann festgehalten werden, dass eine große Bedeutung von sozialen

Netzwerken und Gemeinschaften für individuelles Lernen im Rahmen der Debatte

über selbstgesteuertes und informelles Lernen von keiner Seite her ausgeschlos-

sen wird (vgl. zusammenfassend Künzel 2004). In der erwachsenenpädagogi-

schen Literatur finden sich zahlreiche Beispiele dafür, inwiefern (Erwachsenen-)

Lernen und Sozialkapital auf implizite Weise und mehr oder weniger selbstver-

ständlich aufeinander bezogen werden. Für einen ersten Zugang möchte ich an

dieser Stelle einige allgemeine Beispiele anführen:

• Karin Büchter hebt hervor, dass die Rede über selbstgesteuertes Lernen in ih-

rer aktuellen Verfasstheit von der Vorstellung eines individualisierten Indivi-

duums ausgehe, welches mit Lernanforderungen konfrontiert werde. Dennoch

weist Büchter darauf hin, dass das jeweilige soziale Umfeld, in dem sich ein

Lernender bewegt, nicht außer Acht gelassen werden könne. Die sozialen Ge-

meinschaften und Netzwerke, in die ein Individuum eingebunden ist, müssten

demnach als Orte des Lernens angesehen werden. Dies gelte vor allem für das

nahe soziale Umfeld, welches durch Familienangehörige, Freundes- und Be-

kanntenkreise, Vereine und Arbeitskollegen bestimmt werden könne (vgl. Büch-

ter 2001).30

29 Hier in einem engeren Sinn gemeint als Kontexte in Bildungsinstitutionen. 30 Eine ähnliche Bedeutung des sozialen Umfeldes sehen auch Kirchhof/ Kreimeyer, die davon ausgehen, dass informelles Lernen immer im Zusammenhang mit dem direkten sozialen Umfeld

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101

• Friedrich/ Mandl sprechen von der Bedeutung sozialer Kooperationen und In-

teraktionen für individuelles Lernen. Sie sehen hierin die Möglichkeit, dass ler-

nende Individuen wichtige Unterstützung erfahren und gleichermaßen Erfah-

rungen sammeln können, welche ihnen in einem sozial isolierten Zustand nicht

zuteil werden könnten (vgl. Friedrich/ Mandl 1995). Reinmann-Rothmeier/

Mandl bezeichnen diese Form des selbstgesteuerten Lernens als kooperatives

Lernen (bzw. ‚Lernen im Team’), welches für sie eine Grundformen selbstge-

steuerten Lernens überhaupt ausmacht (vgl. Reinmann-Rothmeier/ Mandl

1995).

• Auf dem Kongress der Konzertierten Aktion Weiterbildung (KAW) im Jahr 1998

stellt Annette Mörchen ein Projekt vor, welches sich explizit mit Lernen in Grup-

pen auseinandersetzt und der Frage nachgeht, auf welche Weise dieses Ler-

nen gefördert werden kann (vgl. Mörchen 1999). Bereits ein Jahr zuvor tagte

die Sektion Erwachsenenbildung der Deutschen Gesellschaft für Erziehungs-

wissenschaft (DGfE) zum Thema ‚Selbstorganisiertes Lernen als Problem der

Erwachsenenbildung’. Auf dieser Tagung gab es eine Arbeitsgruppe, die sich

mit dem Thema ‚Selbstorganisiertes Lernen in sozialen Welten’ auseinander-

setzte. Im Rahmen der Vorträge ging es u. a. um die Frage, ob und in welcher

Weise die sozialen Welten (größtenteils verstanden als soziale Umwelten), in

denen Lernende agieren, Einfluss auf selbstgesteuertes und informelles Lernen

haben können (vgl. Derichs-Kunstmann u. a. 1998).

Die in den entsprechenden Debatten angesprochenen soziale Netzwerke und

Gemeinschaften können unterschiedliche Entstehungshintergründe haben. Grob

unterschieden werden können Netzwerke, die eher in betrieblichen und somit auf

Erwerbsarbeit bezogenen Kontexten entstehen von solchen, die eher einen nicht-

betrieblichen bzw. freizeitorientierten (ehrenamtlichen, privaten) Hintergrund ha-

ben. In ähnlicher Weise können die angenommenen Lernanlässe und die (erhoff-

ten) Verwendungszusammenhänge des Gelernten differenziert werden. Es kann

danach gefragt werden, ob bestimmte Lernergebnisse eher betrieblich oder eher

nicht-betrieblich kontextuiert sind:

eines Lernenden zu sehen ist. Sie beschreiben dieses soziale Umfeld ähnlich wie Büchter und betrachten es als einen Ort, an dem maßgebliche informelle Lernprozesse stattfinden (vgl. Kirch-hof/ Kreimeyer 2003).

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Soziales Kapital mit eher betrieblichem Entstehungs-hintergrund

Soziales Kapital mit eher nicht-betrieblichem Entstehungshin-tergrund

Lernanlässe und Verwen-dungszusammenhänge eher betrieblich motiviert

(1) (2)

Lernanlässe und Verwen-dungszusammenhänge eher nicht-betrieblich moti-viert

(4) (3)

Matrix 1: Selbstgesteuertes Lernen in Netzwerken – Lernanlässe und Entstehungshintergründe

Im Folgenden werden die vier Felder dieser Matrix anhand einiger Beispiele erläu-

tert. Auf diese Wiese kann gezeigt werden, wie sich die angesprochenen Diskus-

sionsstränge über selbstgesteuertes und informelles Lernen in sozialen Kontexten

konkret darstellen.

Betriebliche Weiterbildung in Netzwerkstrukturen (vgl. Matrix Feld 1)

Selbstgesteuertes Lernen wird verstärkt mit Blick auf den Bereich der betrieblichen

Weiterbildung thematisiert. Man geht in diesem Fall davon aus, dass Arbeitnehmer

permanent und immer schneller lernen müssen. Und dieser Anforderung können

sie – so die Annahme – am besten nachkommen, wenn sie selbstgesteuert lernen.

Und dieses notwendige betriebliche Lernen könne angemessen (nur) in bestimm-

ten Netzwerkstrukturen stattfinden:

„Vieles spricht dafür, dass Netzwerke zukünftig als wichtige Organisations- und Lernform fungieren und herkömmliche Lernorte, Kooperationsformen und Verbünde teils ersetzen, teils ergänzen. Die-se Einschätzung basiert auf der wachsenden Bedeutung von Konzepten selbstgesteuerten Ler-nens sowie der zunehmenden Pluralität und Entgrenzung von Lernorten.“ (Dehnbostel 2001: 104)

In diesem Zitat von Peter Dehnbostel werden selbstgesteuertes Lernen und sozia-

le Netzwerke direkt miteinander in Verbindung gesetzt. Die von Dehnbostel ange-

sprochenen sozialen Netzwerke – mit denen gleichzeitig zentrale Dimensionen

sozialen Kapitals angesprochen werden – können seiner Ansicht nach zwei For-

men annehmen. Entweder bilden sich soziale Netzwerke mit dem expliziten Ziel,

individuelles Lernen (im Sinne von Kompetenzentwicklung) zu fördern, oder Kom-

petenzentwicklung und Lernen finden in sozialen Netzwerken statt, die ursprüng-

lich einen anderen Zweck verfolgen. In der Regel sei Dehnbostel zufolge von

Mischformen auszugehen, die sich allerdings alle durch zwei entscheidende Ge-

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103

meinsamkeiten auszeichneten. Sie haben einen betrieblichen Hintergrund (es ver-

netzen sich z. B. Arbeitskollegen miteinander), und sie dienen (intendiert oder un-

intendiert) einer individuellen Kompetenzentwicklung auf der Basis selbstgesteuer-

ten Lernens (vgl. auch Dehnbostel 2003). Gemeint sind hier Kompetenzen, die

einen betrieblichen Verwendungszweck haben, ohne dass dieser genauer spezifi-

ziert wird. Die Lernbemühungen seien demnach aus betrieblichen Gründen moti-

viert. Dieses Lernen in vernetzten Strukturen stellt für Dehnbostel einen Wandel

der Lernkulturen im Bereich der betrieblichen Weiterbildung dar (vgl. Dehnbostel

2001, 2003).

In der Literatur finden sich weitere Ansätze, in denen zwar in eine vergleichbare

Richtung argumentiert wird, die aber zudem noch andere Fragen in den Blick neh-

men. Gefragt wird bspw. danach, welche konkreten Formen derartige Lernnetz-

werke in Betrieben annehmen können (vgl. Miller 1996), welche Konsequenzen

sich aus der weiteren Verbreitung der Lernnetzwerke für traditionelle Formen be-

trieblicher Weiterbildung ergeben (vgl. Hanft 1997) oder in welcher Weise die in

Netzwerken entwickelten Kompetenzen adäquat gemessen werden können (vgl.

Diettrich/ Meyer-Menk 2002). Interessant bei all diesen Ansätze ist die Tatsache,

dass nicht mehr danach gefragt wird, ob Lernen in Netzwerkstrukturen eine wich-

tige Form betrieblichen und beruflichen Lernens ist. Dies wird mehr oder weniger

selbstverständlich vorausgesetzt. Das Augenmerk ist vielmehr darauf gerichtet,

diese unterschiedlichen Formen des Lernens bestmöglich zu untersuchen und

letztlich nutzen zu können. Das diesen Debatten zugrunde liegende weite Lern-

verständnis hat allerdings zur Folge, dass eine wichtige Frage des selbstgesteuer-

ten Lernens nicht aufgegriffen werden kann. Unklar bleibt, inwiefern es sich in den

unterschiedlichen betrieblichen Kontexten um bewusstes, reflexives Lernen han-

delt oder ob das Lernen eher ‚en passant’ (vgl. Reischmann 1995) stattfindet und

von den Einzelnen gar nicht als solches wahrgenommen wird. Sollte letzteres der

Fall sein (wovon in vielen Fällen sicherlich auszugehen ist), ist es eher eine triviale

Aussage, dass in Netzwerken gelernt wird, wenn hierbei nicht deutlich ist, inwie-

fern sich Lernen von anderen Vorgängen und Handlungen unterscheidet, die

ebenfalls bewusst oder bewusst in sozialen Netzwerken ablaufen. Es müssten

demnach Prozesse mit in den Blick genommen werden, die eher in der Perspekti-

ve des Sozialkapitals zu sehen sind, wenn bspw. individuelle berufliche Ziele nicht

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(nur) durch Lernen erreicht werden, sondern vielmehr durch Rückgriff auf das So-

zialkapital, das einer Person im Rahmen eines Netzwerkes zur Verfügung steht.

Greift man also aus ein an Coleman orientiertes Sozialkapitalverständnis zurück,

müssten diese Funktionen sozialer Netzwerke ebenfalls mit berücksichtigt werden.

Diese Problematik ist ein Merkmal fast aller Ansätze, die sich im Rahmen der hier

angesprochenen Debatten mit selbstgesteuertem oder informellem Lernen in

Netzwerken beschäftigen.

Als ein konkretes Beispiel für die von Dehnbostel skizzierten Überlegungen kann

das Projekt ‚Kompetenzentwicklung in vernetzten Lernstrukturen’ (KomNetz) an-

gesehen werden, das Anfang der 2000er Jahre an der Universität der Bundeswehr

in Hamburg durchgeführt worden ist (vgl. Dehnbostel/ Elsholz 2005). Bei der Un-

tersuchung der Kompetenzentwicklungsnetzwerke ging es darum, soziale Netz-

werke und deren Einfluss auf individuelles Lernen zu untersuchen. Außerdem ist

es ein erklärtes Ziel von KomNetz gewesen, neue Formen ‚arbeitnehmerorientier-

ter Weiterbildung’ (vgl. Gillen u. a. 2005) zu konzeptionieren und bestenfalls in der

betrieblichen Weiterbildungspraxis zu etablieren (vgl. Dehnbostel/ Elsholz 2005).

Es wird hier von der Grundannahme ausgegangen, dass Menschen in ihren sozia-

len Netzwerken immer auch (unintendiert) etwas lernen (Elsholz 2004, 2006; Lud-

wig 2004). Es lasse sich demnach nicht vermeiden, dass Menschen durch soziale

Kontakte und vor allem durch soziale Interaktionen zwangsläufig und permanent

lernen. Und beides – soziale Kontakte und Interaktionsmöglichkeiten – sei vor al-

lem in sozialen Netzwerken gegeben.31 Ausgehend von der Annahme, dass sich

gesellschaftliche und vor allem ökonomische Verhältnisse im letzten Jahrzehnt

massiv gewandelt haben, wird die These aufgestellt, dass herkömmliche (also

kursförmige) Formen beruflicher und betrieblicher Weiterbildung nicht mehr aus-

reichen, um Arbeitnehmer in die Lage zu versetzen, mit neu entstanden Anforde-

rungen in der Arbeitswelt umgehen zu können. Ein Arbeitnehmer sehe sich Pro-

zessen der Individualisierung, der Globalisierung und der Flexibilisierung gegen-

über, und es seien nicht die bekannten und etablierten Formen beruflicher und

betrieblicher Weiterbildung (alleine), die in dieser Situation helfen können (vgl.

31 Konkret werden bei KomNetz vornehmlich Netzwerke untersucht, die sich in gewerkschaftlichen Kontexten gebildet haben. Dass die in KomNetz zugrunde gelegten Annahmen und die erzeugten Befunde allerdings auch in nicht-gewerkschaftlichen betrieblichen Kontexte beobachtbar sind, zei-gen bspw. die Arbeiten von Uwe Wilkesmann (vgl. Wilkesmann 1999) oder Karin Denison (vgl. Denison 2006).

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Dehnbostel/ Elsholz/ Meister 2004; Elsholz 2004). Das notwendige Lernen finde

vielmehr in persönlichen sozialen Netzwerken statt, in die ein Arbeitnehmer im

Kontext seiner beruflichen Tätigkeit eingebunden ist. Am Beispiel gewerkschaftli-

cher Netzwerke zeigt KomNetz, dass in diesen sozialen Gemeinschaften selbst-

gesteuertes und informelles Lernen stattfinde und Informationen ausgetauscht

werden können, die im beruflichen Alltag von Relevanz sein können. Zumeist ist

die Rede vom Aufbau oder von der Erweiterung individueller Kompetenzen und

weniger vom Aufbau neuer Wissensressourcen (vgl. Elsholz 2004, 2006), wobei

hier letztlich ungeklärt bleibt, um welche Kompetenzen es sich konkret handelt und

worin der Unterschied zwischen Kompetenzen und Wissen an dieser Stelle gese-

hen werden wird.32

Im Rahmen des Projektes KomNetz hält man sich allerdings damit zurück, ein

komplettes Abschiedsszenario für ‚klassische’ Weiterbildungskurse zu entwerfen.

Das Lernen in Netzwerken wird mit Blick auf institutionelle Weiterbildung als eine

komplementäre (sehr wohl aber an Bedeutung zunehmende) Form von Weiterbil-

dung angesehen, die das formelle Lernen innerhalb der Weiterbildung nicht erset-

zen soll bzw. kann. Vielmehr gehe es für die betriebliche Weiterbildung um eine

sinnvolle Kombination aus beiden Lernformen bzw. Lernkontexten (Elsholz 2004),

wobei dem Lernen in Netzwerken eine immer größer werdende Bedeutung zu-

kommt.

Wenn es aber darum gehen soll, gezielt betrieblich verwertbare Kompetenzen in

sozialen Netzwerken aufzubauen, dann müsse man im Anschluss an Diettrich/

Jäger darüber nachdenken, Lernen in Netzwerken bis zu einem bestimmten Grad

zu didaktisieren33:

32 Nicht erst an dieser Stelle zeigt sich deutlich, mit welcher (am Anfang des Kapitels angespro-chener) Unbestimmtheit mit zentralen Begriffen und deren Zusammenhängen im Rahmen der skiz-zierten erwachsenenpädagogischen Diskurse umgegangen wird. 33 Neben der ungeklärten Frage der Didaktisierung von Lernprozessen innerhalb von Netzwerken ist in den angesprochenen Arbeiten ein methodisches Problem anzumerken. Um Kompetenzent-wicklung durch Netzwerkaktivitäten wirklich bestimmen zu können, müsste man die Kompetenz einer Person zu einem Zeitpunkt X messen, um bei einer Messung zum Zeitpunkt Y, der nach be-stimmten Netzwerkaktivitäten zu liegen hätte, eine Veränderung in der individuellen Kompetenz der Person feststellen zu können. Ganz abgesehen davon, dass man sich in der erwachsenenpädago-gischen Debatte wenig Gedanken über adäquate Verfahren zur individuelle Kompetenzmessung macht, weist keine der angesprochenen Arbeiten ein derartiges methodisches Vorgehen auf. Er-schwerend kommt hinzu, dass die sich die Kontextvariablen, die bei Prozessen der Kompetenz-entwicklung eine wichtige Rolle können zum einen empirisch nicht bestimmbar und zum anderen methodisch kaum kontrollierbar sind, solange testtheoretische Perspektiven ausgeblendet bleiben.

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„Netzwerke bieten u. E. zwar die grundsätzliche Möglichkeit zum selbstgesteuerten und eigeninitia-tiven, aber auch zum informellen Lernen, jedoch stellt sich uns die Frage, ob und inwieweit intenti-onale Lernprozesse tatsächlich in Netzwerken möglich sind und ob diesbezüglich nicht doch nur über einen pädagogisch-didaktische[n] Zugang und eine entsprechend konzeptionelle Grundle-gung die Lerneffekte von Netzwerken aus ihrer Zufälligkeit herausgelöst werden können.“ (Diettrich/ Jäger 2002: 46; Hervorhebungen H. F.)

Es könne laut Diettrich/ Jäger nicht darum gehen, in sozialen Netzwerken Formen

expliziter Wissensvermittlung zu etablieren, zumal dies aller Voraussicht nach

auch nicht gelingen würde. Im Zentrum bleibe informelles und selbstgesteuertes

Lernen. Didaktisierung meint bei Diettrich/ Jäger vielmehr eine Strukturierung und

Steuerung der Rahmenbedingungen von Netzwerken zur Schaffung günstiger

Voraussetzungen, damit die erhofften Lernergebnisse wahrscheinlicher werden

(vgl. Diettrich/ Jäger 2002: 50ff). Mit der Frage, inwiefern das auf diese Weise

‚herausgeforderte’ Lernen dann wiederum von den einzelnen Lernenden bewusst

wahrgenommen werden kann, setzen sich aber auch Diettrich/ Jäger nicht aus-

einander. Vielmehr bleibt auch hier die basale Vorstellung grundlegend, dass in

den angesprochenen Netzwerken auf jeden Fall irgendetwas auf irgendeine Weise

gelernt werde ohne den Lerninhalt und vor allem die Intentionalität des Lernens

seitens der Lernenden selbst genauer zu problematisieren.

Kompetenzentwicklung im sozialen Engagement am Beispiel des Projektes ‚Ler-

nen im sozialen Umfeld’ (vgl. Matrix Feld 2)

Bei dem Projekt ‚Lernen im sozialen Umfeld’ (LisU) geht es u. a. darum, arbeitslo-

sen und auf diese Weise von gesellschaftlicher Ausgrenzung bedrohten Personen

dabei zu helfen, Kompetenzen aufzubauen oder sie bei ihnen zu erhalten, die für

eine erhoffte Rückkehr in den ersten Arbeitsmarkt als notwendig erachtet werden.

Die LisU-Verantwortlichen gehen davon aus, dass dieses Ziel besonders gut er-

reicht werden könne, wenn die betroffenen Personen die Möglichkeit erhalten,

diese Kompetenzen in ihrem privaten sozialen Umfeld zu erwerben. Ein zentrales

Ziel des LisU-Projektes besteht also darin, den Nachweis zu erbringen, dass Indi-

viduen in ihrem privaten sozialen Umfeld lernen und dass die Lernergebnisse Re-

levanz mit Blick auf die Beteiligung der am System der Erwerbsarbeit haben (kön-

nen). Das Erlernte soll in letzter Konsequenz den Wiedereinstieg in die Erwerbs-

arbeit befördern. Als logische Konsequenz dieser Überlegung wird die Forderung

nach einer Optimierung der Lernmöglichkeiten im sozialen Umfeld abgeleitet (vgl.

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107

Buggenhagen/ Heller 1999; Hartmann 1999). Der Begriff des sozialen Umfeldes

ist hierbei gewissermaßen ein Terminus technicus, der einen individuellen Hand-

lungsraum „außerhalb von Erwerbsarbeit“ (Trier 1998: 223) beschreibt:

„Soziales Umfeld bezeichnet die Gesamtheit der sozialen Verhältnisse außerhalb der Sphäre insti-tutionell organisierter Erwerbsarbeit bzw. außerhalb des Funktionssystems der erwerblichen Wirt-schaftsstruktur.“ (Kirchhöfer 1998: 29)

Das soziale Umfeld könne aus rein privaten (z. B. familiären) sozialen Strukturen

bestehen, aber auch – und diese Perspektive ist für LisU entscheidend – in Form

von Engagement in Vereinen, Bürgerinitiativen, Nachbarschaftsvereinigungen,

Selbsthilfegruppen, Stadtteilläden u. Ä. (vgl. Herbert u. a. 1998; Trier 1998). Inner-

halb dieses sozialen Umfeldes bieten sich den Beteiligten vielfältige Möglichkeiten

der Betätigung, die sich – so die Annahme – in privaten Sphären nicht zwangsläu-

fig im gleichen Maße ergeben. Blickt man auf die einzelnen Facetten des sozialen

Umfeldes, fällt unschwer auf, dass sich die im Folgenden noch genauer darzule-

gende Argumentationslinie des LisU-Projektes insofern erkennbar im Bedeu-

tungshorizont der Sozialkapitalkonzeptionen von Coleman und Putnam bewegen,

als zum einen die von Putnam fokussierten sozialen Vereinigungen und Initiativen

angesprochen werden und zum anderen die eher bei Coleman relevanten sozia-

len Netzwerke, die zwischen einzelnen Individuen entstehen können, im Blick

sind.

Im LisU-Projekt wird außerdem davon ausgegangen, dass sich gegenwärtig weit-

reichende gesellschaftliche Veränderungen beobachten lassen, die sich vor allem

in Erosionsprozessen auf dem Arbeitsmarkt ausdrücken. Für die Nachkriegszeit

typische Erwerbsbiographien werden brüchig und einmal erlernte Berufe seien

nicht mehr als ‚Lebensberufe’ anzusehen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass

eine häufige Anpassung an sich immer schneller verändernde Verhältnisse die

Regel werden. Hinzu komme, dass immer weniger Menschen in modernen Ge-

sellschaften für die Produktion von immer mehr Gütern benötigt werden, sodass

das quantitative Niveau der benötigten einfachen Erwerbsleistung (bspw. in der

Produktion) dauerhaft sinke (vgl. Trier 1998).

Vor dem Hintergrund dieser Beschreibung gegenwärtiger Gesellschaftsprobleme,

die sich im Übrigen zu großen Teilen mit den Beobachtungen von Kronauer oder

Heitmeyer deckt (s. o.), geht man im LisU-Projekt davon aus, dass traditionelle

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108

Weiterbildungsangebote, die den Arbeitslosen in einem erheblichen Umfang zur

Verfügung gestellt werden (z. B. durch die Bundesagentur für Arbeit), als Reaktion

auf die angesprochenen Problemlagen nicht (mehr) ausreichen. Die betroffenen

Personengruppen benötigten vielmehr spezifische Möglichkeiten der Kompetenz-

entwicklung, die ihnen nicht in Kursen oder Seminaren geboten werden könnten.

Die Rede ist hier vor allem von Kompetenzen in den Bereichen Kommunikation,

sozialer Umgang, Problemlösefähigkeit, praktisches Methodenwissen oder Durch-

setzungsvermögen.

Diese Kompetenzen entwickelten oder verfestigten sich nicht in Weiterbildungs-

kursen, sondern nur durch individuelle Tätigkeiten und aktives zielgerichtetes und

reflektiertes Handeln (vgl. Hartmann 1999; LisU 1999). Mit anderen Worten: Um

Problemlösefähigkeit zu erlangen, muss man Probleme lösen – und dies nicht nur

theoretisch. Menschen, die einer Erwerbsarbeit nachgehen, sehen sich in der Re-

gel immer wieder Herausforderungen gegenüber, die sie dazu veranlassen, an der

individuellen Fähigkeit mit diesen Herausforderungen umzugehen, zu arbeiten.

Gleiches gelte für Momente der Kommunikation, des sozialen Umgangs und ande-

ren in der Diskussion angesprochene Kompetenzbereiche. Die Kernbotschaft ist

hier, dass die eigenständige Aktivität eines Einzelnen die Grundlage für individuel-

le Kompetenzentwicklung sei. Diese Aktivität finde innerhalb eines sozialen Rah-

mens statt, der in einer anderen Theoriesprache als Sozialkapital zu bezeichnen

ist.

Einem Arbeitslosen fehlten durch den Ausschluss aus der Erwerbsarbeit die An-

lässe und der Rahmen zur eigenständigen Aktivität. Es drohe somit die Gefahr,

dass vorhandenen Kompetenzen verkümmern und keine neuen aufgebaut werden

können. Auf diese Weise werde ein Wiedereinstieg in die Erwerbsarbeit zuneh-

mend schwieriger und die Gefahr der dauerhaften sozialen Isolierung steige stetig

an. Dieser Gefahr soll durch freiwilliges soziales Engagement der Betroffenen be-

gegnet werden. Die freiwillige Tätigkeit in einem Verein, einer sozialen Initiative o.

Ä. könne in dieser Perspektive zwei Funktionen übernehmen. Zum einen werden

die Arbeitslosen sozial ‚aufgefangen’. Sie können trotz ihrer Arbeitslosigkeit einer

sinnvollen Tätigkeit nachgehen und dabei soziale Kontakte aufbauen und pflegen.

Zum anderen – und das ist an dieser Stelle entscheidend – diene das Engage-

ment gewissermaßen als Lernort für den Kompetenzerwerb, indem es Anlass zur

Aktivität gebe, spezifische Problemstellungen bereithalte, an denen sich die Enga-

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109

gierten abarbeiten, und einen Rahmen für das oben angesprochene soziale Mit-

einander liefere. Auf diese Weise stelle es eine unverzichtbare Alternative zu Wei-

terbildungsangeboten dar und erbringe Leistungen, die von diesen nicht (mehr)

erwartet werden könnten (vgl. Hartmann 1999; Kirchhöfer 2004; Trier 1998).

Im LisU-Projekt wird betont, dass das Lernen, das innerhalb des sozialen Umfel-

des stattfinde, in der Regel einen selbstorganisierten und informellen Charakter

habe. Das als wichtig erachtete Lernen finde situativ und handlungs- sowie prob-

lemorientiert statt und daher sei es nicht ratsam, es institutionell zu rahmen (vgl.

Weinberg 2001). Während kursförmige Weiterbildung – so die Annahme – eher

der Wissensvermittlung dienen könne, komme dem auf informellen und auf sozia-

len Interaktionen basierendem Lernen die Aufgabe zu, individuelle Kompetenzen

auf- und ggf. auszubauen. Dieser Prozess müsse allerdings nach Auffassung der

LisU-Akteure durch Beratung und Betreuung der Engagierten begleitet werden.

Auf diese Weise solle vermieden werden, dass die Arbeitslosen während ihrer so-

zialen Tätigkeit die Dinge lernen, die sie später evtl. gar nicht verwenden können

(vgl. Hartmann 1999).

Das Beispiel des LisU-Projektes zeigt, dass auch solche soziale Netzwerke bzw.

Gemeinschaften, die nicht im Kontext von Erwerbsarbeit stehen, im Sinne der

Kompetenzentwicklung und der beruflichen Verwertbarkeit betrachtet werden kön-

nen. Die Annahmen darüber, dass und in welcher Weise in den genannten sozia-

len Kontexten gelernt werde, gleichen weitgehend denjenigen, die bspw. von

Dehnbostel oder im Rahmen des Projektes KomNetz vertreten werden. Der Un-

terschied besteht in erster Linie darin, dass soziale Netzwerke in den Blick ge-

nommen werden, deren Entstehungshintergründe in unterschiedlichen, der priva-

ten Sphäre sowie dem Dritten Sektor zuzuordnenden Lebensbereichen liegen.

Während hinsichtlich der betrieblichen Weiterbildung soziale Netzwerke im enge-

ren Sinn angesprochen sind, hebt LisU auch auf Formen des individuellen sozia-

len und ehrenamtlichen Engagements oder der Vereinstätigkeit und die mit diesen

Aktivitäten verbundenen sozialen Gemeinschaftsformen ab und nimmt auf diese

Weise Dimensionen sozialen Kapitals in den Blick, die über eine eng an Coleman

angelehnte Lesart hinausgehen. Ehrenamt und soziales Engagement sind soziale

Phänomene, die vornehmlich im Rahmen eines an Putnam angelehnten Sozialka-

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110

pitalverständnisses aufgegriffen werden. Eine weitere Differenz ist darin zu sehen,

dass die Beiläufigkeit des vermuteten Lernens stärker hervorgehoben wird. Lernen

geschieht in dieser Perspektive, während etwas anderes getan wird. Es geht bei

LisU darum, dieses beiläufige Lernen durch Begleitung und Beratung zu explizie-

ren und auf diese Weise nutzbar zu machen. Wie dies allerdings genau gelingen

kann und ob das explizierten Lernen dann immer noch die von ihm erwartete

Funktion erfüllt, bleibt im Rahmen des Projektes letztlich allerdings offen.

LisU und die von Dehnbostel u. a. beschriebenen betrieblichen Lernnetzwerke

teilen allerdings das Merkmal, dass sie insofern quasi gesellschaftslos sind, als

nicht problematisiert wird, dass es sich bei den Vernetzen um Mitglieder bestimm-

ter sozialer Milieus handelt, die mit unterschiedlichen habituellen Voraussetzungen

in den jeweiligen Netzwerken lernen, die ihrerseits wiederum nicht alle die glei-

chen Lernbedingungen bereitstellen. Insofern wird an dieser Stelle besonders

deutlich die Folge der bereits mehrfach angesprochenen Beobachtung sichtbar,

dass im Rahmen erwachsenenpädagogischer Debatten in der Regel nur an Cole-

man und Putnam und weniger an Bourdieu angeschlossen wird, sodass gesell-

schaftliche Differenzierungen (in unterschiedliche Milieus), soziale Ungleichheiten

und die entsprechenden gesellschaftliche Reproduktionsmechanismen, so wie sie

von Bourdieu beschrieben werden, nicht weiter aufgegriffen werden können. Dies

bedeutet dann, dass wiederum auch nicht gesehen wird, dass neben kulturellem

Kapital hier vor allem auch die Folgen der Ungleichverteilung ökonomischen Kapi-

tals zu beachten sind, die sich gerade an der Spannung zwischen betrieblichen

Lernnetzwerken und solchen, die sich außerhalb des Erwerbssystems befinden,

auftun. Wenn diese Hinweise auch nicht dazu dienen, den unspezifischen Lern-

begriff, der sowohl bei LisU als auch bei den betrieblichen Netzwerken verwendet

wird, weiter auszubuchstabieren, so gewinnt man zumindest eine Vorstellung von

sozial unterschiedlich positionierten Lernkontexten, die in dieser Unterschiedlich-

keit im Rahmen erwachsenenpädagogischer Debatten allerdings nicht besprochen

werden. Vielmehr wird von den Netzwerkmitgliedern so oder so gelernt, ohne das

dies reflexiv aufgenommen wird. Es ist aber davon auszugehen, dass dieses Ler-

nen und dessen betriebliche Verwendbarkeit je nach Position der Lernenden im

sozialen Raum durchaus unterschiedlich einzuschätzen sind.

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Selbstgesteuertes Lernen in sozialen Bewegungen und Lernen im Verein (vgl.

Matrix Feld 3)

‚Historische’ Vorläufer der gegenwärtigen Debatte über selbstgesteuertes und in-

formelles Lernen werden oftmals in den 1960er bis in die 1980er Jahre hinein ge-

sehen. So weist z. B. Antje von Rein darauf hin, dass in den USA bereits in den

1960er Jahren eine Debatte über ‚self-directed learning’ geführt wurde, die im

deutschsprachigen Raum allerdings kaum zur Kenntnis genommen worden sei

(vgl. Rein 1998).

Im Rahmen der 68er Studentenbewegung wurde versucht, selbstgesteuertes Ler-

nen als Möglichkeit der Demokratisierung der Gesellschaft und der Emanzipation

benachteiligter Gruppen zu etablieren. Ab den 1970er Jahren gab es in Deutsch-

land einige Volkshochschulen, die sich als ‚Selbstlernzentren’ verstanden und ent-

sprechend organisatorisch aufgestellt haben, um einen neuen Weg in der Bil-

dungsarbeit zu beschreiten. Es lag hier die Annahme zugrunde, dass sich Lernen

im Erwachsenenalter vom schulischen Lernen insofern unterscheiden müsse, als

hierbei von einer deutlich stärkeren biographischen Einbindung einerseits und ei-

ner höheren alltagspraktischen Verwendungsabsicht andererseits auszugehen sei.

Einige dieser ‚Selbstlern-Volkshochschulen’ sind aus neuen sozialen Bewegungen

bzw. Bürgerinitiativen heraus entstanden (z. B. die Volkshochschule Whyler Wald;

vgl. Werder 1980).34

In den neuen sozialen Bewegungen (z. B. Anti-Atomkraft-Bewegung) hat das Ler-

nen der Beteiligten eine immens große Rolle gespielt. Dieses Lernen sei in erster

Linie durch die persönliche Betroffenheit der Beteiligten durch ein bestimmtes

(zumeist gesellschaftlich relevantes) Problem initiiert worden und habe sich durch

ein hohes Maß an Handlungs- und Problem(löse)orientierung ausgezeichnet. Ler-

nen in neuen sozialen Bewegungen habe sich in der Regel in Gruppenzusam-

menhängen abgespielt und sei demnach auf Interaktion und Kooperation mit an-

deren angewiesen. Demnach könne Lernen in Bürgerbewegungen als „prinzipiell

selbstbestimmt“ (Werder 1980: 137) angesehen werden. Es habe nicht in kursför-

migen Kontexten bzw. in Einrichtungen der Weiterbildung stattgefunden. Die Prin-

34 Den Prozess der Institutionalisierung von Bildungsarbeit in den sozialen Bewegungen beschreibt Martin Beyersdorfer in seiner Dissertation. Demnach wurden die zuvor selbstgesteuerten und selbstorganisierten Lernprozesse im Laufe der Zeit in der Regel in institutionellen Kontexten zu-sammengeführt (vgl. Beyersdorfer 1991).

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112

zipien ‚Selbststeuerung’ und ‚Selbstorganisation’ seien für die Bildungsarbeit in

neuen sozialen Bewegungen grundlegend und prägend. Außerdem seien traditio-

nellen Rollenmuster innerhalb von Lehr-Lern-Prozessen außer Kraft gesetzt: Es

habe keine ‚wissenden’ Lehrer mehr gegeben, die den ‚unwissenden’ Lernenden

die Welt erklären mussten (vgl. Beyersdorfer 1991; Siebert 2001; Treml 1980;

Werder 1980).35 Diese Diskussion könne im Zusammenhang mit einem weitrei-

chenden gesellschafts- und kulturkritischen Diskurs gesehen werden, der sich in

den 1970er Jahren an der von Ivan Illich vertretenen These von der ‚Entschulung

der Gesellschaft’ festmachen lasse (vgl. Siebert 2001). Eine Kernannahme dieses

Ansatzes sei es gewesen, dass der Großteil des menschlichen Lernens nicht in

Schulen oder anderen formalisierten Bildungsinstitutionen stattfinde, sondern eng

verbunden mit dem alltäglichen Lebenszusammenhang jedes einzelnen sei:

„Den Großteil dessen, was wir wissen, haben wir außerhalb der Schule gelernt. […] Unsere derzei-tigen Bildungseinrichtungen dienen den Zielen des Lehrers. Wir brauchen aber Beziehungsstruktu-ren, die es jedermann ermöglichen, sich selber dadurch zu entwickeln, dass er lernt und zum Ler-nen anderer beiträgt.“ (Illich 1973, zit. nach Siebert 2001: 15)

Vor diesem Hintergrund sei schulisches (und anderes institutionelles) Lernen als

eine zu vernachlässigende bzw. fast verzichtbare Form des Lernens erschienen.

Es gehe vielmehr darum, selbstgesteuertes Lernen in informellen Settings zu stär-

ken. Allerdings haben diese Überlegungen erst deutlich später unter dem Stich-

wort des informellen Lernens breite Aufmerksamkeit in Bildungspolitik und Bil-

dungsökonomie erfahren (vgl. Overwien 2002).

Es kann an dieser Stelle zunächst festgehalten werden, dass die in den 1970er

und 1980er Jahren vornehmlich im Zusammenhang mit neuen sozialen Bewegun-

gen (und den mit diesen im Zusammenhang stehenden Formen sozialer Netzwer-

ke) angesprochenen Lernformen weitgehend dem entsprechen, was in aktuellen

erwachsenenpädagogischen Debatten zum selbstgesteuerten Lernen gesagt wird.

35 Ein weiteres Beispiel dafür, dass selbstgesteuertes Lernen in den späten 1970er und frühen 1980er Jahren eng verknüpft gewesen ist mit sozialen Initiativen und gemeinschaftlichen Bewe-gungen, stellt Peter Beier vor, indem er beschreibt, in welcher Weise unterschiedliche Selbsthilfe-gruppen, die sich in Beiers Darstellung am Rande neuer sozialer Bewegungen gebildet haben, für die Teilnehmer als Orte des Lernens fungieren. Die aktive Mitgliedschaft in diesen Gruppen ist Beier zufolge mit zahlreichen Lernprozessen verbunden, die in der Regel selbstgesteuert und in-formell ablaufen. Das Lernen in einer Gruppe stellt demnach ein zentrales Merkmal menschlichen Lernens in modernen Gesellschaften überhaupt dar. Derartige Lernprozesse können institutionel-les Lernen ergänzen und teilweise ersetzen, lassen sich durch Handlungs- und Situationsbezo-genheit charakterisieren und dienen einem individuellen Kompetenzaufbau (vgl. Beier 1983).

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Neue soziale Bewegungen erscheinen in dieser Perspektive einerseits als Orte

selbstgesteuerten bzw. informellen Lernens, indem sie einen Rahmen und die

notwendigen Interaktionsmöglichkeiten für derartiges Lernen bieten. Andererseits

biete das Engagement in einer sozialen Bewegung zugleich auch spezifische

Lernanlässe. Die Tatsache, dass ein bestimmtes gesellschaftliches Phänomen (z.

B. Atomkraft, Aufrüstung) als persönliche Bedrohung wahrgenommen werde, ge-

gen die es anzukämpfen lohne, lasse bei vielen Engagierten Lernbedarfe entste-

hen (z. B. Faktenwissen über das entsprechenden Phänomen), die entweder im

Rahmen des Engagements selbstorganisiert und ‚en passant’ (vgl. Reischmann

1995) bearbeitet werden oder zur Teilnahme an institutionellen Bildungsangeboten

veranlassen.

Anhand einiger internationaler Beispiele zeigt Bernd Overwien auf, in welcher

Weise der Zusammenhang zwischen neuen sozialen Bewegungen und (in erster

Linie) informellem Lernen gegenwärtig gedacht und empirisch nachgezeichnet

wird. Die von Overwien angeführten Beispiele zeigen im Kern alle, dass durch das

Engagement in neuen sozialen Bewegungen Lernen angestoßen und individuelle

Kompetenzentwicklung vorangetrieben werden können. Bei einigen dieser interna-

tionalen Studien zeige sich zudem, dass vor allem die in den sozialen Bewegun-

gen entstanden sozialen Netzwerken zwischen einzelnen Engagierten von beson-

derer Bedeutung für individuelles Lernen sein können (vgl. Overwien 2005b).

Für den deutschsprachigen Raum könne man Overwien zufolge auf eine deutlich

geringere Anzahl an Studien zu dem angesprochenen Zusammenhang zurück-

greifen. In den 1990er Jahren seien einigen Arbeiten entstanden, die sich bspw.

mit Lernen im Rahmen eines Engagements in der Friedensbewegung oder in der

Frauenbewegung auseinandersetzen. Die Ergebnisse dieser Arbeiten weichen in

der Grundtendenz nicht von denen der internationalen Studien ab: Sowohl natio-

nal als auch international werde ein enger Zusammenhang zwischen Engagement

und individuellem Lernen nachgewiesen (vgl. Overwien 2002).36

Es wird also deutlich, dass weder die Entstehungshintergründe noch die vermute-

ten Verwendungszusammenhänge der hier angesprochenen Vernetzungsformen

36 Ein kurzer Blick über den ‚erwachsenenpädagogischen Tellerrand’ hinaus – bspw. in Richtung der Jugendforschung – kann diese Annahme unterstützen. So zeigen bspw. Wiebke Düx u. a. ganz aktuell, dass ein freiwilliges Engagement bei Jugendlichen ebenfalls mit vielfältigen Lernprozessen einhergeht, die in erster Linie als informelles Lernen angesehen werden (vgl. Düx u. a. 2008).

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bzw. Lernergebnisse in einem betrieblichen Kontext stehen. Das soziale Engage-

ment und die mit diesem verbundenen Gemeinschaftsformen sind im Prinzip die-

jenigen mit der Sozialkapitaldebatte verwandten sozialen Phänomene, die auch

bei LisU fokussiert werden. Während sie bei LisU allerdings im Sinne der Entwick-

lung betrieblich relevanter Kompetenzen gewendet werden, zeigen die zuletzt an-

gesprochenen Überlegungen deutlich, dass im Zusammenhang mit sozialem En-

gagement auch Lernphänomene gesehen werden, die nicht betrieblich motiviert

sind und deren Ergebnisse für andere lebensweltliche Probleme eines Einzelnen

bedeutsam sind.

In eine vergleichbare Richtung wird unter den Stichworten ‚Lernen im Verein’37

bzw. ‚Vereintes Lernen’38 argumentiert. Es liegt hier die Annahme zugrunde, dass

Mitglieder in Vereinen jedweder Couleur (also u. a. auch in den von Putnam in den

Vordergrund gestellten Bowling- oder anderen Sportvereinen) durch ihre Vereins-

aktivitäten auf sehr unterschiedliche Weise lernen bzw. zum Lernen motiviert wer-

den. Im Zuge der Debatte um Entgrenzungserscheinungen von Lernen und durch

die Diskussionen um selbstorganisiertes und informelles Lernens in den 1990er

Jahren ist zwar außerinstitutionelles Lernen verstärkt in den Blick gekommen. Ein

eigener Forschungszweig, der sich explizit mit Lernen in Vereinen beschäftigt,

konnte sich aber bisher nicht entwickeln.

Wie eine solche Forschung aussehen kann, zeigt bspw. Seitter an einer Studie,

die er in spanischen Migrantenvereinen durchgeführt hat. In der Studie wird her-

ausgearbeitet, in welchen biographischen Situationen die befragten Personen ihre

Vereinsaktivitäten aufgenommen und welche Bedeutung diese für die Bearbeitung

biographischer Krisen gehabt haben. In den auf der Grundlage von Interviews er-

stellten Fallstudien zeige sich unter anderem, dass durch die Vereinsaktivitäten

und durch die zahlreichen unterschiedlichen Interaktionsanlässe in den Vereinen

individuelles Lernen quasi unvermeidbar sei: 37 Die Vorstellung vom Lernen in Vereinen ist in einer gewissen Weise ein historisches Faktum der Erwachsenenbildung überhaupt: „Von Beginn der modernen Erwachsenenbildung in Deutschland an waren (auch) Assoziationen bzw. Vereine Orte des Lernens Erwachsener. […] Mit guten Grün-den dürfen wir annehmen, dass die Menschen im Vollzug ihrer Vereingeschäfte auch lernten.“ (Jütting 2004: 270). Jütting weist darauf hin, dass die Vorläufer institutioneller Erwachsenenbildung z. B. in den Arbeiterbildungsvereinen des 18. und 19. Jahrhunderts zu sehen sind. Viele Erwach-senenbildungseinrichtungen basieren auf Vereinsaktivitäten, die vor ihrer Institutionalisierung den Rahmen für Lernprozesse geliefert haben (vgl. Jütting 2004, 2006). 38 Der Begriff des ‚Vereinten Lernens’ ist einem Sammelband von Burkhard Strob entnommen, der sich dem Zusammenhang zwischen Vereinsaktivitäten und Lernprozessen im weiteren Sinn wid-met (vgl. Strob 2001).

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„Vereine provozieren geradezu selbstgesteuertes Lernen durch den praktischen Vollzug der Ver-einstätigkeit, durch das Miteinander am Objekt, durch das gemeinsame Interesse, das in Kommu-nikation und sprachlich-deskriptive Vermittlung mündet.“ (Seitter 1998: 135)

Seitter verweist weiterhin darauf, dass beim Lernen in Vereinen unterschiedliche

Domänen des Lernens beobachtet werden können. Er spricht von kreativem, or-

ganisatorischem, verwaltungstechnischem und Anpassungslernen. Wichtig sei

Seitter zufolge hierbei allerdings stets, dass das Lernen in den untersuchten Ver-

einen immer gleichermaßen einen deutlichen biographischen Bezug und eine

Handlungsorientierung aufweise. Vereine bieten in dieser Perspektive eine günsti-

ge Gelegenheitsstruktur, damit Lernen stattfinden könne – zumeist ohne dass es

von den ‚Lernenden’ bewusst gewollt sei und dementsprechend von ihnen auch

kaum oder gar nicht als solches wahrgenommen werde. Auf diese Weise werden

die Lernergebnisse in gewisser Hinsicht unplanbar bzw. unberechenbar. Man

könne nicht sagen, was aus welchem Grund und zu welcher Zeit gelernt wird (vgl.

Seitter 1998; außerdem Elsdon 1995, 2001). Mit dieser Aussage macht Seitter

deutlich, dass er das in Vereinen stattfindende Lernen in seiner Zufälligkeit belässt

und nicht die Intention hat, berufliche Verwendungszusammenhänge zu identifizie-

ren. Vielmehr geht es darum, das Handeln in sozialen Zusammenhängen in einer

besonderen Qualität als Lernhandeln zu beschreiben, um es auf diese Weise letzt-

lich in den Blick erwachsenenpädagogischer Debatten zu rücken, die sich somit

einer breiteren sozialen Realität zuwenden können.

In weiten Teilen decken sich Volker Osheges Überlegungen mit dieser Argumen-

tation von Seitter. Sie gehen allerdings an einzelnen Punkten darüber hinaus. Os-

hege zeigt an Fallstudien auf, dass sich in freiwilligen Vereinigungen bzw. Verei-

nen vielfach informelle Lernmöglichkeiten bieten, die den Vereinsmitgliedern größ-

tenteils nicht bewusst seien. Viele der von Oshege interviewten Personen geben

an, während ihrer Vereinsaktivität ‚persönlich gewachsen’ zu sein, ohne diesen

Prozess zwangsläufig als ‚Lernen’ wahrgenommen zu haben. Oshege identifiziert

hier allerdings eindeutig Lerngeschehen, das sich vornehmlich auf personale und

soziale Kompetenzen bezieht. Als Lernarten beschreibt Oshege in erster Linie sol-

che, die sich am besten mit Begriffen des ‚learning by doing’ oder des ‚trial and

errror’ beschreiben lassen. Außerdem können Medien eine große Rolle spielen,

wenn bspw. Fachbücher oder spezifische Internetseiten zu Rate gezogen werden

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(vgl. Oshege 2001, 2002). Oshege macht in den von ihm präsentierten Fällen

deutlich, dass Lernen in Vereinen seiner Ansicht nach zumeist auf eine individuel-

le Motivlage zurückzuführen sei. Die Vereinsaktiven lernen die Dinge, die sie zu

Erfüllung ihrer spezifischen Aufgabe benötigten.

Oshege kann darüber hinaus zeigen, dass unter dem Stichwort ‚Vereintes Lernen’

nicht zwangsläufig nur informelles Lernen in den Blick geraten müsse. Vereinsak-

tivitäten können ebenso als Anlässe zur Aufnahme von formellen Lernaktivitäten

dienen. Dies sei zumeist dann der Fall, wenn die Aufgabe, die eine Person inner-

halb eines Vereins übernommen hat, von dieser Person nicht mehr zufriedenstel-

lend erfüllt werden kann. In solchen Situationen nehmen Vereinsfunktionäre u. U.

gezielt externe formelle Bildungsangebote in Anspruch oder organisieren in ihren

Vereinen selbst welche (z. B. Vorträge von externen Experten, Kurse, Exkursionen

o. Ä.) (vgl. Oshege 2002; Jütting/ Betem/ Oshege 2003). Oftmals stehe die Teil-

nahme an formellen Bildungsangeboten am Anfang einer Vereinfunktion.39

Trotz dieses Verweises auf den Zusammenhang zwischen Vereinsaktivitäten und

institutionellem Lernen stehen Formen informellen und selbstgesteuerten Lernens

im Zentrum der Überlegungen über ‚Vereintes Lernen’. Das Agieren im Verein, die

mit dem Vereinsleben verbundenen Herausforderungen, das persönliche Einge-

bundensein des Einzelnen und die Notwendigkeit, auf unterschiedliche Situationen

angemessen reagieren zu müssen, führten nahezu zwangsläufig dazu, dass die

Vereinsaktiven permanent lernen, ohne dass es ihnen immer bewusst sein muss.

Analog zur allgemeinen Debatte über selbstgesteuertes Lernen gehe es beim Ler-

nen im Verein nicht darum, Fach- oder Faktenwissen aufzubauen, sondern es

werden persönliche (nicht-berufliche) Kompetenzen aufgebaut, die – wie vielfach

betont wird – nicht (oder nur sehr selten) in kursförmiger Weiterbildung zu erwer-

ben seien.

39 Wenn bspw. für die Übernahme der verantwortungsvollen Funktion eines Kassenwarts Grund-kenntnisse in Buchführung und Verwaltung notwendig aber noch nicht vorhanden sind, kann dies dazu führen, dass entsprechende Kurse an einer Weiterbildungseinrichtung besucht werden.

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Lernen in beruflichen Netzwerken anders gesehen (vgl. Matrix Feld 4)

Wenn im Rahmen eines eher privaten sozialen Engagements bestimmte Kompe-

tenzen erworben werden sollen, die für Beteiligung an Erwerbsarbeit nutzbar sind,

gibt es keinen plausiblen Grund anzunehmen, dass dies nicht auch anders herum

ablaufen kann. Bestimmte Kompetenzen, die im Kontext eines betrieblichen Netz-

werkes entwickelt wurden, können demnach ebenso für private Angelegenheiten

oder eine spezifische Herausforderung im Rahmen einer Vereinstätigkeit nutzbar

gemacht werden. Es ist sicherlich kein seltener Fall, wenn einzelne Vereinsmit-

glieder ihre in der Erwerbsarbeit erworbenen Kompetenzen nutzen, um ihrem Ver-

ein einen Dienst zu erweisen. In der Literatur zum selbstgesteuerten und informel-

len Lernen hat sich diese Perspektive bisher allerdings nicht etablieren können.

Alle der vorgestellten Ansätze zum Lernen in Netzwerken haben – wie bereits an-

gedeutet – gemeinsam, dass ihnen die sehr allgemeine Annahme zugrunde liegt,

dass Menschen lernen, wenn sie in Netzwerken miteinander interagieren und dass

es sich hierbei in der Regel um unbemerktes Lernen handelt. Nicht gesehen wird

durchweg, dass diese Netzwerke immer auch einzubetten sind in unterschiedliche

soziale Felder, in denen Positionskämpfe stattfinden, für die die einzelnen Milieus

unterschiedlich gut ausgestattet sind. Diese unterschiedliche Ausstattung macht

sich dann wiederum nicht nur am hier zur Rede stehenden sozialen Kapital fest,

sondern mindestens in gleichem Ausmaß an den vorhandenen kulturellen und

ökonomischen Ressourcen, deren Bedeutung im Rahmen der hier vorgestellten

erwachsenenpädagogischen Debatten übersehen wird. Sofern soziales Kapital

also als Voraussetzung des Lernens Erwachsener ins Spiel gebracht wird, wird in

den dargestellten Debatten eine Vorstellung erkennbar, die durch ihre einge-

schränkte Grundlegung durch Colemans und Putnams Konzeptionen soziales Ka-

pital als eine nicht-relationale Ressource jenseits anderer Kapitalformen und ge-

sellschaftlichen Strukturen behandelt. Dies führt dann in der Konsequenz auch zu

dem erkennbaren normativen Duktus, durch den sich die vorgestellten Ansätze

auszeichnen. Letztlich wird mehr oder weniger deutlich propagiert, dass soziale

Vernetzungen für Lernzwecke zu fördern sind, durch die dann wiederum das Er-

reichen unterschiedlicher Handlungsziele ermöglicht werden soll. Wie in Kapitel 2

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allerdings schon deutlich gemacht wird, sind derartige normative Aussagen in An-

betracht eines differenzierten Verständnisses sozialen Kapitals nicht aufrecht zu

erhalten, da sie zentrale Aspekte sozialen Kapitals nicht beachten. Vor diesem

Hintergrund ist bspw. davon auszugehen, dass sich Lernen in den sozialen Milieus

je unterschiedlich gestaltet. Es werden in sozialen Netzwerken (unbewusst) unter-

schiedliche Dinge gelernt, was nicht zuletzt daran liegt, dass die Netzwerke sich in

ihrer Binnenstruktur einerseits und hinsichtlich ihres sozialen Kontextes anderer-

seits maßgeblich voneinander unterscheiden. Demnach gibt es aller Voraussicht

nach soziale Milieus, in denen sich wiederum sehr ertragreiche Lernnetzwerke

bilden können, da die einzelnen Individuen überhaupt erst das notwendige kultu-

relle Kapital mit einbringen, von dem sie selbst und alle anderen dann profitieren

können. Dies ist bspw. für die von Dehnbostel und Elsholz beschriebenen betrieb-

lichen Netzwerke eher der Fall als es für die Netzwerke gelten kann, die im Rah-

men des LisU-Projektes im Blick sind. Sofern sich in den betrieblichen Netzwerken

lerngewohnte Personen miteinander vernetzen, die gleichzeitig auch die materiel-

len Ressourcen haben, gezielte Netzwerkarbeit zu betreiben, können sie gegen-

über den in Teilen lernungewohnten Personen in den LisU-Netzwerken ihren ge-

sellschaftlichen Vorteil behaupten und ausbauen. Dies gründet nicht zu zuletzt

darauf, dass selbstgesteuertes und informelles Lernen erst dann richtig funktio-

niert, wenn die entsprechenden habituellen Voraussetzungen gegeben sind, wel-

che sich wiederum aus der Milieuzugehörigkeit des Einzelnen ableiten lassen. In-

sofern begünstigt das Lernen ohne ‚Lehrer’ in den sozialen Netzwerken vielmehr

soziale Differenzen, weil es nicht durch eine gesamte Gesellschaft hindurch für

jedermann in gleicher Qualität und mit dem gleichen gesellschaftlichen Ertrag

möglich ist. Es soll auf diese Weise nicht gesagt sein, dass die eher aus einer Mik-

roperspektive heraus formulierte Frage nach dem (individuellen) Lernen in sozia-

len Netzwerken gar nicht erst gestellt werden sollte. Es sind dann allerdings expli-

zit die sozialen Einschränkungen und Begrenzungen anzumerken, die mit be-

stimmten sozialen Verhältnissen einhergehen. Da in den vorgestellten erwachse-

nenpädagogischen Diskurssegmenten unverkennbar immer auch gesellschaftliche

Entwicklungen und Wandlungsprozesse angesprochen werden, die zum Teil den

Ausgangspunkt der gesamten Argumentation bilden, erfordert dies auch eine Mar-

kierung der sozialen Relationen und Bedingungsfaktoren, in deren Rahmen die

diskutierten Formen des Erwachsenenlernens stattfinden.

Page 123: Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des … · von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive

119

3.2.3 Netzwerke (in) der Weiterbildung

Bei allen Sozialkapitalverständnissen, die in Kapitel 2 diskutiert wurden, spielen

soziale Netzwerke, Kooperationen und Vertrauen zwischen sozialen Akteuren eine

zentrale Rolle. Diese Aspekte werden in besonderer Weise in der Erwachsenen-

pädagogik seit den 1960er Jahren intensiv diskutiert. Vor allem auf bildungspoliti-

scher Ebene wird mehr oder minder unhinterfragt davon ausgegangen, dass

Netzwerke und Kooperationen zwischen korporativen Akteuren wichtig – wenn

nicht sogar unvermeidlich – für die Ermöglichung und Bereitstellung eines (guten)

Weiterbildungsangebotes seien (vgl. zusammenfassend Jütte 2002). Im Gutach-

ten des Deutschen Ausschusses für das Bildungswesen aus dem Jahr 1960 spielt

ebenso wie im Strukturplan des Deutschen Bildungsrates aus dem Jahr 1970 der

Gedanke der Kooperation zwischen den unterschiedlichen Akteuren eine zentrale

Rolle bei den Überlegungen, wie das Bildungssystem und (vor allem) das ‚System’

der Weiterbildung optimiert werden können. Durch eine enge Vernetzung und Ko-

operation aller für die Weiterbildung relevanten Akteure (Weiterbildungsinstitutio-

nen, Betriebe, Politik etc.) solle ein effektives und nach Möglichkeit für alle Bevöl-

kerungsteile zugängliches Weiterbildungssystem entwickelt werden (vgl. zusam-

menfassend Keim/ Olbrich/ Siebert 1973). Und obwohl den unterschiedlichen

Überlegungen zur Vernetzung und Kooperation seit jeher eine eher ernüchternde

Kooperationspraxis gegenübersteht, hat sich die Überzeugung, dass Kooperatio-

nen für die Optimierung des Weiterbildungssystems wirksam und teilweise sogar

notwendig seien, bis in die Gegenwart hinein halten können. Kaum eine weiterbil-

dungspolitische Programmatik der Nachkriegsgeschichte kommt ohne einen Ver-

weis auf die Relevanz von intensiven Kooperationen zwischen unterschiedlichen

Akteuren aus (vgl. Jütte 2002; Wittpoth 2003b; Wohlfahrt 2006a, b). Deutlich wird,

dass Vernetzung in diesen konkreten Debatten auf die Systemebene der Weiter-

bildung bezogen wird. Dies bedeutet dann, dass (Weiterbildungs-)Institutionen als

sich vernetzende Akteure im Blick sind und nicht Einzelpersonen; es geht auf

Grund dieses Ebenensprungs also nicht um personenbezogene Netzwerke. Den-

noch kann auch im Rahmen dieser Debatten eindeutig nachgezeichnet werden,

dass spezifische Vorstellungen sozialen Kapitals auch hier implizit von Bedeutung

sind.

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120

In jüngster Vergangenheit kann die Vorstellung, dass durch die Förderung von

(institutioneller) Vernetzungen in der Weiterbildung regionale Weiterbildungssys-

teme in ihrer Funktionalität und in ihrer Qualität verbessert werden können, in ers-

ter Linie mit dem BMBF-Programm ‚Lernende Regionen – Förderung von Netz-

werken’ (LR-FN) in Zusammenhang gebracht werden (vgl. BMBF 2004, 2008a).

Ende der 1990er Jahre hat sich das BMBF zusammen mit den Ländern darauf

verständigt, bildungspolitische Bemühungen unter das Leitziel zu stellen, das le-

benslange Lernen aller Gesellschaftsmitglieder zu ermöglichen. Dies scheint den

verantwortlichen politischen Akteuren insofern eine angemessene Zielvorstellung

zu sein, als sie davon ausgehen, dass ökonomische, soziale und technische

Wandlungsprozesse immer schneller ablaufen und nur noch durch permanente

Anpassung und ständiges Weiterlernen seitens der Gesellschaftsmitglieder ge-

meistert werden könnten. Vor diesem Hintergrund ist das Aktionsprogramm ‚Le-

bensbegleitendes Lernen für alle’ aufgelegt worden (vgl. BMBF 2004). Als Kern-

element dieser Initiativen ist die Förderung regionaler Bildungsnetzwerke zu se-

hen, die unter dem Titel ‚Lernende Regionen’ geführt werden. Das hierzu aufge-

legte Programm ‚Lernende Regionen – Förderung von Netzwerken’ wurde im Jahr

2000 gestartet und mit der für den Bildungsbereich beachtlichen Fördersumme

von 130 Millionen Euro ausgestattet.40

In der Förderung regionaler Bildungsnetzwerke wird die Möglichkeit gesehen, auf

gegenwärtige ökonomische und gesellschaftliche Herausforderungen angemes-

sen reagieren zu können. Globale Probleme können der Annahme nach auf regio-

naler Ebene am besten gelöst werden. Bildung und lebenslanges Lernen gelten

als die entscheidenden Handlungsoptionen für die Menschen, die in modernen

Gesellschaften bei der Suche nach Umgangsmöglichkeiten mit sich permanent

ändernden Herausforderungen und Problemlagen quasi auf sich allein gestellt

seien (vgl. BMBF 2004, 2008a). Hierbei werden Netzwerke gewissermaßen als

eine Organisationsform angesehen, durch die eine Anpassung der Bildungsange-

bote an den schnellen sozialen Wandel möglich sei. Letztlich gehe es immer auch

darum, die Beschäftigungsfähigkeit der Gesellschaftsmitglieder aufrecht zu erhal-

ten und die einzelnen Regionen als Wirtschaftsstandorte attraktiv zu machen, in-

dem der Standortfaktor Bildung gestärkt wird. Auf diese Weise changieren die

Zielvorstellung des Programms zwischen den Bedürfnissen Einzelner und denen 40 Die eine Hälfte dieser Summe wurde vom Europäischen Sozialfonds (ESF), die andere Hälfte von Bund und Ländern getragen.

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121

der jeweiligen Region, in der die Vernetzungsaktivitäten stattfinden (vgl. BMBF

2004). Auch wenn prinzipiell Bildungseinrichtungen unterschiedlicher Sektoren

angesprochen werden, zeigt sich, dass es vor allem Weiterbildungseinrichtungen

sind, die sich intensiv an der Entwicklung lernender Regionen beteiligen und die

bei den einzelnen Initiativen zumeist federführend sind (vgl. auch Bretschneider/

Nuissl 2003; Faulstich/ Vespermann/ Zeuner 2001).

Das Programm LR-FN wurde seit Beginn an umfangreich wissenschaftlich beglei-

tet (vgl. Nuissl 2006a, b; Nuissl u. a. 2006; Tippelt u. a. 2009). Es handelt sich

hierbei allerdings um eine in Teilen unkritische und undifferenzierte Form der wis-

senschaftlichen Beobachtung, was sich bspw. an dem sehr weiten Netzwerkver-

ständnis, welches zur Kategorisierung und Beurteilung der unterschiedlichen Ler-

nenden Regionen herangezogen wird, oder der mangelnden Nachvollziehbarkeit

der zugrunde liegenden Erfolgskriterien für die beobachteten Weiterbildungsnetz-

werke zeigt (vgl. bspw. Tippelt/ Strobel/ Reupold 2009). Insgesamt kann die wis-

senschaftliche Begleitung nur zeigen, dass die Netzwerke der lernenden Regionen

existieren, dass in ihnen auf unterschiedliche Weise agiert wird und dass es be-

stimmte Bedingungen gibt, die das Netzwerkhandeln beeinflussen. Es fehlt aber

an einer theoretischen Systematik, mit der diese Beobachtungen aufeinander be-

zogen und ggf. mit anderen Netzwerkprozessen verglichen werden könnten.

Vor dem Hintergrund der zentralen Sozialkapitalkonzeptionen, die in Kapitel 2 dis-

kutiert werden, kann bzgl. der Lernenden Regionen festgehalten werden, dass

hier implizit Vorstellungen über Vernetzung und Kooperation vorherrschen, in de-

nen Perspektiven sowohl von Colemans als auch von Putnams Sozialkapitalkon-

zeptionen enthalten sind. Neben der Annahme, dass Netzwerke und Kooperatio-

nen für das Gelingen bestimmter sozialer Prozesse oder genauer gesagt: für das

Erreichen von Handlungszielen kaum verzichtbar seien, wird auch darauf hinge-

wiesen, wie wichtig ein hohes Maß an Vertrauen zwischen den Netzwerkpartnern

sei, damit die entsprechenden Netzwerke dauerhaft bestehen und erfolgreich blei-

ben. Zudem wird betont, dass eine gemeinschaftliche Zielvorstellung, auf die sich

die Netzwerkpartner einigen können, ein elementarer Bestandteil für das Gelingen

einer Kooperation sei. Schließlich ist festzuhalten, dass sowohl bei der Vernet-

zungsdebatte in der Weiterbildung als auch bei zentralen Konzeptionen des Sozi-

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122

alkapitalbegriffs die Hoffnung mitschwingt, eine Lösung für zahlreiche individuelle

und gesellschaftliche Problemlagen und Herausforderungen gefunden zu haben.

Der Annahme nach funktionieren nicht nur Gesellschaften ‚besser’, wenn sie (in

diesem Sinn) ausreichend Sozialkapital aufweisen können, sondern auch Weiter-

bildungsinstitutionen können ihrer gesellschaftlichen Aufgabe besser gerecht wer-

den, wenn sie sich untereinander vernetzen, miteinander kooperieren und sich

dabei gegenseitig vertrauen; mit anderen Worten: wenn sie Sozialkapital aufge-

baut haben, welches dann für die Ermöglichung und Bereitstellung von ‚passge-

nauen’ Lernmöglichkeiten genutzt werden kann. Die unterschiedlichen Weiterbil-

dungsnetzwerke, die sich im Rahmen der lernenden Regionen gebildet haben,

zeigen unterschiedliche Möglichkeiten auf, in welcher Weise Vernetzungen als

Voraussetzung für Erwachsenenlernen nützlich sein können. Demnach gebe es

Netzwerke, die eher darauf ausgerichtet seien, regionale Bildungs(infra)strukturen

zu verbessern, und solche, die darauf setzen, innovative Bildungsdienstleistungen

zu entwickeln und diese auf einem regionalen Bildungsmarkt zu etablieren, um auf

diese Weise dem allgemeinen Ziel der Standortförderung durch Weiterbildung ge-

recht werden zu können (vgl. Tippelt u. a. 2008). Einige dieser Netzwerke haben

ein dichtes und entsprechend formalisiertes Interaktionsgefüge, während die

Netzwerkpartner bei anderen wiederum eher lose miteinander gekoppelt seien

(vgl. Faulstich/ Vespermann/ Zeuner 2001).

Hinter dem Stichwort ‚Lernende Region’ versammeln sich also vielfältige Formen

von Netzwerken, bei denen jeweils unterschiedliche Handlungsrationalitäten vor-

herrschen. Dennoch lassen sich einige Aspekte ausmachen, durch die sich alle

Netzwerke der lernenden Regionen kennzeichnen lassen: Sie zeichnen sich da-

durch aus, dass sie ein bestimmtes Maß an Institutionalisierung aufweisen (z. B.

formale Absprachen zwischen den Netzwerkpartnern, formale Organisationsfor-

men und Kommunikationswege, Netzwerkmanagement), von einer gewissen

Dauerhaftigkeit sind (und nicht sofort wieder aufgelöst werden, sobald eine be-

stimmte Aufgabe erledigt werden konnte) und eine spezifische Netzwerkidentität

aufweisen, in der die Ziele und der regionale Charakter eines jeden Netzwerks

zum Ausdruck kommen (vgl. bspw. BMBF 2004, 2008a; Dobischat u. a. 2006).

Über das Programm der lernenden Regionen hinaus beschäftigt sich vor allem

Wolfgang Jütte mit Vernetzungsprozessen in der Weiterbildung. Sein Blick richtet

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123

sich allerdings im verstärkten Maße auf die professioneller Weiterbildner und de-

ren Möglichkeiten, soziales Kapital für die eigenen Interessen aufzubauen und zu

nutzen. Es findet also ein weiterer Ebenenwechsel statt, da Jütte personale (beruf-

liche) Netzwerke in den Blick nimmt, die zwischen Weiterbildnern entstehen und

dazu beitragen können, dass diese ihre beruflichen Ziele besser erreichen. Die

Perspektive verschiebt sich außerdem insofern, als nicht mehr die ‚Abnehmer’ von

vernetzten Weiterbildungsinstitutionen fokussiert werden, sondern die auf indivi-

duelles soziales Kapital ausgerichteten Strategien der professionellen Weiterbild-

ner, die aus ihrer Rolle heraus soziales Kapital aufbauen und nutzen. Mit dieser

Perspektive bewegt sich Jütte klar im Bedeutungshorizont von Colemans Sozial-

kapitalkonzeption und thematisiert dieses auf einer anderen Ebene als es bei den

lernenden Regionen der Fall ist. Jütte fragt danach, inwiefern Vernetzung und Ko-

operation vornehmlich auf der individuellen (und zum Teil informellen) Handlungs-

ebene und unter der Perspektive stattfinden, persönliche Handlungsziele besser

bzw. schneller erreichen zu können. Er greift hier auf den mittlerweile weitverbrei-

teten Begriff des ‚Networking’ zurück und sieht hier eine vermeintlich neue Facette

professionellen Handelns in der Weiterbildung:

„Das ‚Sich-Vernetzen’ erfordert auch, vom Nutzen kooperativer Beziehungen für das berufliche Handeln zu sprechen. Durch das Knüpfen sozialer Beziehungen wird der Zugang zu Ressourcen erleichtert. Im Englischen wird dafür der Ausdruck des ‚networking’ verwandt. [...] Professionalität bedeutet auch, einen beruflichen Beziehungsfundus aufzubauen, der für das eige-ne Handeln genutzt werden kann. Hier entstehen ‚unsichtbare’ Wissens- und Expertennetzwerke, auf die im Bedarfsfall zurückgegriffen werden kann. [...] Vernetzen ist Arbeit, d. h. ein aktiver Pro-zess, der sich nicht von selbst ergibt.“ (Jütte 2000: 164)

Damit der Aufbau derartiger Netzwerke – die eindeutig als Sozialkapital anzuse-

hen sind41 – gelingen könne, bedürfe es einiger Voraussetzungen. Wolfgang Jütte

zufolge sollte ein professioneller Weiterbildner Netzwerke nicht nur aufbauen,

sondern er sollte sie vor allem auch als nützliche Ressourcen erkennen und ein-

setzen können. Weiterhin sollte er über die Strukturen und Funktionsweisen der

eigenen Netzwerke reflektieren können. Er benötige zudem ausreichend soziale,

kommunikative und kooperative Kompetenzen, um sich in den Netzwerken ange-

messen ‚bewegen’ und sie für seine Belange einsetzen zu können. Jütte spricht

weiterhin davon, dass ein kompetenter ‚Netzwerker’ mit der in Netzwerken vor-

41 In einem anderen Verständnis verwendet Jütte teilweise selbst den Sozialkapitalbegriff als sol-chen, um eine weitere Vorstellung ‚professioneller Vernetzung’ zu konkretisieren, indem er bspw. ‚Teilnehmende als soziales Kapital’ einer Weiterbildungseinrichtung bezeichnet (vgl. Jütte 2006).

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124

herrschenden Beziehungspluralität umgehen müsse und erkennen sollte, dass die

eigene „Beziehungskapazität“ (Jütte 2000: 171) begrenzt sei. Diese Begrenztheit

könne bei den einzelnen Akteuren dazu führen, dass für Netzwerke, die als wenig

nützlich angesehen werden, weniger Arbeit und Zeit investiert werde. Solche

Netzwerke belasten nur die eigene Beziehungskapazität und gelten als eher stö-

rende Randerscheinungen. Gelungene Vernetzung sei demnach größtenteils eine

Frage individueller Handlungsrationalitäten und der (sozialen) Kompetenzen ein-

zelner Netzwerker und bleibe somit oftmals auf die Ebene informeller Beziehun-

gen beschränkt.42

Mit diesen Überlegungen grenzt sich Jütte insofern von den Netzwerken der Ler-

nenden Regionen ab, als sein Blick auf Vernetzung in der Weiterbildung vornehm-

lich auf die Ebene der professionellen, institutionellen Akteure konzentriert ist. In

erster Linie korrespondieren Jüttes Überlegungen mit dem Sozialkapitalverständ-

nis in der Coleman’schen Fassung, was sich an den deutlichen Bezügen zu funk-

tionalistischen und rationalistischen Betrachtungsweisen äußert. Durch die Beto-

nung der notwendigen Aktivitäten seitens der Netzwerker (Beziehungsarbeit), die

für den Aufbau und den Erhalt von Netzwerken erforderlich seien, klingen (eher

leise) zudem an einzelne Aspekte des Bourdieu’schen Sozialkapitalverständnis

an, ohne allerdings differenziert ausbuchstabiert zu werden, was sich daran zeigt,

dass weder der Habitus als Grundlage und Ergebnis von Vernetzungsmöglichkei-

ten in den Blick genommen noch Bourdieus sozial differenzierende Perspektive

eingenommen wird, in der vor allem die Positionen der sich Vernetzenden in den

sozialen Feldern eine Rolle hinsichtlich der Möglichkeiten und Grenzen der Ver-

netzungsarbeit spielen.

Soziales Kapital firmiert bei Jütte klar erkennbar als individuelle Handlungsres-

source, die von professionellen Weiterbildnern gezielt aufgebaut kann bzw. soll

42 Ergänzend muss an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass nicht nur individuelle Dispo-sitionen bei der Netzwerkarbeit in der Weiterbildung eine Rolle spielen, sondern auch bestimmte Umweltbedingungen zu beachten sind. Der Aufbau sozialer Netzwerke ist demnach im hohen Ma-ße anhängig von der spezifischen (sozialen) Umwelt und den vorfindbaren institutionellen Struktu-ren. Zu fragen ist demnach, ob überhaupt genügend autonome Akteure in der Umwelt ‚greifbar’ sind, mit denen es gelingen kann, nützliche Netzwerke aufzubauen. Wichtig ist dabei, dass diese Akteure sich ausreichend genug voneinander unterscheiden, um wirklich im Sinne einer Ressour-cenerweiterung dienlich sein zu können. Ferner bedarf es ausreichender Anlässe und Notwendig-keiten zur Vernetzung, damit Kooperationen nicht zum reinen Selbstzweck werden, sondern sich an eine Aufgabe bzw. an ein Projekt binden können. Als weiterer wichtiger Faktor ist die Zeit zu nennen, die erforderlich ist, dass sich zwischen den Akteuren persönliche Beziehungen aufbauen und entwickeln können, bevor die Netzwerke einen konkreten Nutzen erbringen müssen (vgl. bspw. Schäffter 2002).

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und die sie dazu nutzen (können/sollten), ihr Angebot zu sichern, zu verbessern

oder neue Teilnehmerkreise zu gewinnen. Hierzu müssen sie ihre Beziehungen

pflegen und zudem die nötigen Kompetenzen haben, diese richtig zu nutzen. Ein

kollektives Moment – im Sinne der Förderung einer Region – ist in dieser Perspek-

tive auf soziales Kapital in der Weiterbildung nicht enthalten, sehr wohl aber die an

anderen Stelle bereits mehrfach angesprochene normative Komponente, die auch

bei Jütte dadurch bedingt ist, dass er sich auf eine einzelne Sozialkapitalkonzepti-

on beschränkt und diese nicht systematisch mit der Bourdieu’schen Perspektiven

und der darin enthaltenen kritischen Momente verbindet: Professionelle Weiter-

bildner sollen oder müssen sich sogar vernetzen, um beruflich erfolgreich handeln

zu können. Welche habituellen Voraussetzungen hierzu gegeben sein müssen

und wie diese wiederum geschaffen werden können, wird von Jütte allerdings

nicht gefragt. Auf diese Weise verbleibt seine Vorstellung vom sozialen Kapital als

professionelle Handlungsressource auf einer allgemeinen und eher appellativen

Ebene.

Durch die Ergebnisse einer Befragung von Weiterbildungseinrichtungen in lernen-

den Regionen, die Jürgen Wittpoth zusammen mit einer Gruppe von Studierenden

im Rahmen einer Studie zur Vernetzung in der Weiterbildung in der Bergischen

Region bei Wuppertal durchgeführt hat, kann die Annahme, dass vor allem die von

Jütte fokussierten informellen Netzwerke in der Weiterbildungspraxis von Bedeu-

tung sind, unterstützt werden. Der Untersuchung von Wittpoth lag die Annahme

zugrunde, dass Vernetzung im Sinne des BMBF von den professionellen Weiter-

bildungsakteuren nicht zwangsläufig als eine Handlungsstrategie gelte, die in allen

Fällen für sinnvoll erachtet werde. Zwar zeigen die Befunde, dass Vernetzungsak-

tivitäten in der untersuchten Region weit verbreitet sind. Allerdings haben diese

Netzwerke in vielen Fällen nicht den vom BMBF intendierten formalisierten Cha-

rakter. Vielmehr handele es sich eher um informelle Netzwerke, die von Personen

gebildet werden, die nicht ausschließlich (und oftmals nur am Rande) als Reprä-

sentanten ihrer Institution agieren. Entsprechend spielen die regionalen Koopera-

tionsverbünde, die mit dem BMBF-Programm gefördert werden, für viele Weiter-

bildungsnetzwerke zumindest in der Bergischen Region nur eine nachrangige Rol-

le. Diese Form der Vernetzung werde teilweise harsch abgelehnt und als un-

brauchbar für die eigenen Handlungsziele angesehen. Formale regionale Weiter-

bildungsverbünde werden dann interessant für die einzelnen Einrichtungen, wenn

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126

sie insofern einen merkbaren Mehrwert bereitstellen, als sie bspw. bestimmte

Dienstleistungsfunktionen übernehmen können (z. B. Werbung, Marketing, Öffent-

lichkeitsarbeit) oder Ressourcen bereitstellen, auf die eine einzelne Einrichtung

nicht ohne weiteres Zugriff hat (z. B. Räume, Materialien, Teilnehmerkontakte).

Die formalisierten Formen von Vernetzung (im Sinne des BMBF) seien in der Wei-

terbildungspolitik gegenwärtig ‚en vogue’ und aus diesem Grund finde sich bei den

Akteure der Einrichtungen viel rhetorische Zustimmung hierzu, der oftmals aller-

dings keine entsprechendes Handeln folge. Die Motive zur Kooperation können

den Ergebnissen der angesprochenen Befragung zufolge sehr vielfältig sein. In

den meisten Fällen scheint aber das Interesse an einem direkten Nutzen für die

Kooperationspartner von entscheidender Bedeutung zu sein. Vernetzung werde

von den untersuchten Weiterbildungsakteuren zum großen Teil also viel pragmati-

scher interpretiert und umgesetzt, als dies hinsichtlich der Zielvorstellungen des

Programms LR-FN intendiert ist. Durch Kooperationen und Vernetzung werde

nicht immer zwangsläufig die Situation einer regionalen Weiterbildungslandschaft

(im Sinne der Standortförderung) verbessert, sondern vornehmlich die Situation

einzelner Einrichtungen, sodass diese weiterhin mit ihrem Angebot am Markt be-

stehen können (vgl. Wittpoth 2003b, 2004). Die aus den jeweiligen Netzwerken

ausgeschlossenen Akteure haben auf diese Weise letztlich einen strategischen

Nachteil, weil sie u. U. die Voraussetzungen für die notwendige Vernetzungsarbeit

nicht erfüllen können.

Netzwerke (in) der Weiterbildung werden also insofern ambivalent diskutiert, als

unterschiedliche Vorstellungen dazu existieren, welche Netzwerke wie dazu bei-

tragen, dass (zumeist institutionelles) Erwachsenenlernen ermöglicht werden

kann. Diese unterschiedlichen Vorstelllungen bewegen sich auf unterschiedlichen

Betrachtungsebenen (System- und Akteursebene), und gerade auf der System-

ebene spielen politische und programmatische Konzepte eine entscheidende Rol-

le. Dass aber soziales Kapital im Sinne von Vernetzung und Kooperation eine Vor-

aussetzung des Lernens Erwachsener sein kann, wird in den unterschiedlichen

Lesarten der Vernetzungsdebatte in der Erwachsenenpädagogik nicht bestritten.

Wobei auch hier zumeist wenig ausbuchstabierte und zum Teil widersprüchliche

Vorstellungen von Vernetzung zugrunde liegen. Es fehlt nach wie vor an einer

theoretischen Basis, die es ermöglicht, Netzwerke (in) der Weiterbildung systema-

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127

tisch voneinander unterscheiden und in ihren unterschiedlichen Funktionen für

Erwachsenenlernen beschreiben zu können; alleine die Unterscheidung zwischen

den unterschiedlichen Ebenen, auf denen die Debatten stattfinden, ist in der Er-

wachsenenpädagogik in dieser Hinsicht nicht etabliert. Der Sozialkapitalbegriff

kann hierfür einen guten Ansatzpunkt liefern, sofern er nicht verkürzt wird auf die

einzelnen Perspektiven, sondern in seiner Breite und Ausdifferenzierung zu Sys-

tematisierung der dargelegten Debatten herangezogen wird. Dies würde allerdings

u. a. bedeuten, dass Sozialkapital in der von Jütte beschriebenen Weise vor allem

als relationale Ressource verstanden werden muss, die nicht ‚einfach so’ bei den

Weiterbildungsakteuren entsteht, wenn sie sich vernetzen. Es spielen dann immer

auch die Verteilung anderer Ressourcen ebenso eine Rolle, wie die habituellen

Voraussetzungen der Einzelnen, die sich laut Jütte miteinander vernetzen sollen.

Bezogen auf die Systemebene bedeutet dies wiederum, dass der appellative Duk-

tus der Lernenden Regionen sich implizit aus einer Argumentationslinie speist, die

ganz im Sinne Robert Putnams darauf abzielt, Kooperation, Vernetzung und Ver-

trauen als Lösungsmöglichkeiten für kollektive Problemlagen zu etablieren und

hierbei eine unverkennbare normative Ausrichtung aufweist, die nicht weiter reflek-

tiert werden kann, weil es auch hier an einem differenzierten Netzwerkverständnis

mangelt, welche sich aus dem in Kapitel 2 entwickelten Sozialkapitalverständnis

ableiten lässt und welches deutlich darauf hindeutet, dass die normative Kompo-

nente sozialen Kapitals durch andere Momente sozialen Kapitals zu relativieren

ist.

3.3 Soziales Kapital als Ertrag des Lernens Erwachsener: explizite Anschlüsse

Wie bereits erwähnt, wird der Begriff des Sozialkapitals vornehmlich im Rahmen

internationaler oder, genauer gesagt, angelsächsischer erwachsenenpädagogi-

scher Debatten verwendet. Hierbei geht es nicht nur um die Frage, ob und in wel-

cher Weise (kollektives oder individuelles) Sozialkapital als Voraussetzung für be-

stimmtes Lernen Erwachsener fungieren kann, sondern es wird auch die Perspek-

tive darauf eingenommen, inwiefern sich das Lernen Erwachsener wiederum auf

die Herausbildung sozialen Kapitals auswirken kann. Hierbei kommt soziales Kapi-

tal in unterschiedlichen Lesarten als Ertrag von Erwachsenenlernen in den Blick.

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Mit Blick auf kollektives Sozialkapital (im Anschluss an Putnam) kann in einem

ersten Schritt auf die Untersuchungen des ‚Wider Benefits of Learning Research

Centre’ (WBLRC)43 verwiesen werden. Im Rahmen dieser Studien geht es u. a.

darum, bestimmte ‚learning outcomes’ zu identifizieren, die oberhalb der Individu-

alebene liegen (vgl. Bynner/ Schuller/ Feinstein 2003).44 Man geht davon aus,

dass Lernen nicht nur auf der Individualebene wirksam sein könne, indem bspw.

bei einzelnen Individuen auf diese Weise Wissen und im weiteren Sinn Humanka-

pital aufgebaut wird. Vielmehr führe Lernen in der Auffassung des WBLRC immer

auch zu bestimmten Nebeneffekten, die hinsichtlich eines Kollektivs (einer ganzen

Gesellschaft), in dessen Kontext das Lernen stattfindet, wirksam werden (vgl.

www.learningbenefits.net; außerdem Bynner/ Schuller/ Feinstein 2003; Schuller u.

a. 2001). Es lassen sich zahlreiche ‚Wider Benefits of Learning’ (WBL) benennen,

deren Auswirkungen z. B. mit Blick auf den im Bereich des Gesundheitswesens,

auf Kriminalitätsraten oder ganz allgemein hinsichtlich des Wohlstands moderner

Gesellschaften nachzuzeichnen seien.

Zu diesen WBL gehören dann auch solche Aspekte, die als Elemente kollektiven

Sozialkapitals angesehen werden können. Bynner/ Schuller/ Feinstein zeigen

bspw. auf, dass sich Bildungsbeteiligung im Allgemeinen (Grundbildung, Schulbil-

dung) und Erwachsenenbildung im Besonderen förderlich auf das zivilgesellschaft-

liche und politische Engagement in einer Gesellschaft auswirken und dass sie zu-

dem bei der Herausbildung bestimmter sozialer und gemeinschaftlicher Wertein-

stellungen bei den Gesellschaftsmitgliedern beteiligt sein können. Die Autoren

ziehen derartige Schlüsse aus starken statistischen Korrelationen zwischen Bil-

dungsgrad bzw. Bildungsbeteilung und bestimmten gesellschaftlichen Phänome-

nen, die in der Literatur als statistische ‚Proxies’ für kollektives soziales Kapital

dienen. Mit einem erhöhten Bildungsgrad fallen demnach eine höhere Wahlbeteili-

gung oder ein gestiegenes politisches Engagement zusammen. Bei einer Längs-

schnittuntersuchung einer Personengruppe zwischen dem 33. und dem 42. Le-

bensjahr zeige sich z. B., dass bestimmte Veränderungen in den Einstellungen

43 Bei dem ‚Wider Benefits of Learning Research Centre’ (WBLRC) handelt es sich um eine For-schungseinrichtung, die Anfang der 1990er Jahre von der englischen Regierung an der Universität von London eingerichtet wurde. Der Auftrag dieser Forschungseinrichtung besteht darin, bisher unbeachtete Effekte, die durch unterschiedliche Formen des Lernens (Kinder, Jugendlicher und Erwachsener) hervorgerufen werden können, zu identifizieren und zu untersuchen (vgl. www.learningbenefits.net). 44 Eine Ausnahme bilden hier die Arbeiten von John Preston, die ebenfalls im Rahmen der For-schung des WBLRC entstanden und publiziert worden sind.

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129

einiger Untersuchungsteilnehmer zusammenfallen mit einem – verglichen zum

Durchschnitt der gesamten Untersuchungsgruppe – erhöhten Maß an Erwachse-

nenbildungsbeteiligung: Diejenigen, die im Laufe der Untersuchung ihr politisches

und ziviles Engagement gesteigert haben, sind auch diejenigen gewesen, die sich

im selben Zeitraum verstärkt an Erwachsenenbildung beteiligt haben. Es ist aller-

dings darauf hinzuweisen, dass diese Korrelation nicht gleichbedeutend mit einem

kausalen Zusammenhang zwischen Erwachsenenbildung und kollektivem Sozial-

kapital ist. Es darf an dieser Stelle nicht der Eindruck entstehen, dass die ange-

führten Autoren davon ausgingen, dass eine höhere Bildungsbeteiligung alleine

verantwortlich für die Entstehung kollektiven Sozialkapitals sei. Es wird im Rah-

men der Untersuchungen des WBLRC immer wieder darauf hingewiesen, dass die

Zusammenhänge zwischen (Erwachsenen-)Bildung und Sozialkapital in komplexe

soziale Kontexte eingebettet seien, innerhalb derer viele Faktoren in einem zu-

meist unbekannten Mischungsverhältnis Einfluss haben können. Hinzu kommt,

dass die vorgestellten Befunde des WBLRC und die diskutierten Interpretationen

auf statistischen Kennwerten beruhen, die keine Aussage über die Richtung eines

möglichen Zusammenhangs zulassen. Es kann also nicht definitiv gesagt werden,

dass nur Erwachsenenbildung zu einer Steigerung kollektiven Sozialkapitals bei-

trägt. Der umgekehrte Zusammenhang ist ebenso jederzeit denkbar (s. o.). Den-

noch wird im Rahmen der Forschung des WBLRC vornehmlich der mögliche Ein-

fluss in den Blick genommen, den formelle Erwachsenenbildung und informelles

Erwachsenenlernen auf soziales Kapital haben können. Die anderen bereits in

diesem Kapitel angesprochenen Zusammenhänge (Sozialkapital als Vorausset-

zung für Erwachsenenlernen) werden hierbei aber nicht ausgeschlossen (vgl.

Feinstein/ Hammond 2004: 217 f.).

Aus Untersuchungen von Sue Kilpatrick u. a. lassen sich neben diesen Überle-

gungen weitere Hinweise dazu ableiten, in welcher Weise kollektives Sozialkapital

ein Ertrag von Erwachsenenlernen sein kann. Kilpatrick u. a. haben die australi-

sche Landwirtschaftvereinigung ‚Executive Link’ (EL) im Allgemeinen und die von

dieser Vereinigung verantworteten Lern- bzw. Kursangebote im Besonderen un-

tersucht.45 Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen zeigen, dass die Teilnehmer der

45 Beim ‚Executive Link’ (EL) handelt es sich um einen Zusammenschluss australischer Farmerun-ternehmen. In regionalen Gruppen kommen die Managements mehrerer Unternehmen zu Schu-lungszwecken zusammen. Diese Treffen finden regelmäßig statt und beinhalten Trainings- und

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Kurs- und Seminarangebote durch den Aufbau einer gemeinsamen Wissensbasis,

einer geteilten Fachsprache und durch die Entstehung und Vermittlung von ge-

meinsamen Werten und Normen eine gesteigerte Identifikation mit dem Kollektiv

und auf diese Weise kollektives soziales Kapital aufgebaut haben (vgl. Kilpatrick

2002; Kilpatrick/ Bell/ Falk 1999). Vor dem Hintergrund, dass der Aufbau kollekti-

ven sozialen Kapitals oftmals als ein gesellschaftlich wünschenswerter (Neben-)

Effekt von Lernen gilt, wird in den vorgestellten Befunden immer auch das norma-

tive Argument gesehen, Erwachsenenbildung bzw. lebenslanges Lernen seien

intensiv von politischer Seite her zu fördern, um gesellschaftliche Wandlungspro-

zesse und deren Folgen abfangen zu können. Der Blick wird auf die ‚non-

economic learning outcomes’ gelenkt und es entstehe Rosemary Preston und Ca-

roline Dyer zufolge ein mögliches Gegengewicht zu einer ausschließlich an öko-

nomischen Kriterien ausgerichteten Diskussion über (lebenslanges) Lernen und

dessen gesellschaftliche Aufgaben (vgl. Preston/ Dyer 2003).

Um konkretisieren zu können, auf welche Weise im Rahmen erwachsenenpäda-

gogischer Diskurse ein Einfluss von Lernen auf die Entstehung individuellen Sozi-

alkapitals bei Erwachsenen diskutiert wird, möchte ich zunächst auf die Arbeiten

von John Preston zurückzugreifen (vgl. Preston 2003, 2004a, b), in denen auf der

Grundlage von Interviewdaten herausgearbeitet wird, dass die Teilnahme an Er-

wachsenenbildungskursen zum Aufbau individuellen Sozialkapitals führen kann,

indem einerseits in diesen Kontexten Möglichkeiten geschaffen werden, mit ande-

ren Menschen in Kontakt zu treten und Netzwerke aufzubauen. Diese Vernet-

zungsaktivitäten finden insofern unter erleichterten Bedingungen statt, als man

davon ausgehen könne, dass die Teilnehmer einer Erwachsenenbildungsveran-

staltung zumindest ansatzweise ähnliche Interessen oder Ansichten haben bzw. in

einer vergleichbaren Lebenssituation seien. Andernfalls hätten sie sich voraus-

sichtlich nicht in derselben Veranstaltung eingefunden. Andererseits entwickeln

Teilnehmer von Erwachsenenbildungsveranstaltungen bestimmte Kompetenzen

und Fähigkeiten, die ihnen Zugang zu bestimmten sozialen Netzwerken eröffnen,

der ihnen unter anderen Voraussetzungen verschlossen geblieben wäre. In einem

Kurs zur Umweltbildung kann ein einzelner Teilnehmer bspw. dazu angeregt wer-

den, Mitglied in einer lokalen Umweltschutzvereinigung zu werden und dadurch

Weiterbildungsangebote. Gemeinsames Ziel des EL ist es, die ökonomische Lage aller Mitglieds-unternehmen auf lange Sicht hin zu verbessern (vgl. Kilpatrick 2002).

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131

wird es ihm ermöglicht, innerhalb dieser Vereinigung Netzwerke mit zuvor unbe-

kannten Menschen aufzubauen. Die Beteiligung an formellen Lernangeboten wir-

ke sich in dieser Vorstellung mittelbar auf die Herausbildung individuellen sozialen

Kapitals aus: Man werde in die Lage versetzt, mitreden zu können; das Selbstbe-

wusstsein werde gestärkt; Kommunikationsanlässe werden geboten und es ent-

stehe für den Einzelnen zum Teil der Zwang, mit anderen Teilnehmern Interaktio-

nen und teilweise kontroverse Diskussionen zu führen. Preston weist zudem dar-

auf hin, dass Lernen allerdings auch zum Abbau individuellen Sozialkapitals füh-

ren könne, indem sich Einzelne durch die Beteiligung an Erwachsenenbildung u.

U. dazu veranlasst sehen, die Netzwerke, in die sie eingebunden sind, zu hinter-

fragen und ggf. als nicht mehr angemessen für den eigenen erweiterten Wissens-

stand und Reflektionshorizont zu erleben. Dies kann dazu führen, dass langjährige

enge Sozialkontakt und Freundschaften nicht aufrecht erhalten werden, ohne dass

zwangsläufig neue entstehen:

„For these individuals, education has differing functions in structuring their social lives. Learning does not always lead to an expansion of social networks, but can cause their relocation and disso-lution. Moreover, the impact of learning on social networks is contingent upon other features of the individual’s life.” (Preston 2004a: 123; Hervorhebungen H. F.)

Dieses Zitat fasst einerseits die bisher dargestellten Überlegungen und Befunde

von Preston zusammen. Andererseits weist es insofern darüber hinaus, als hier

deutlich wird, dass Preston die Wirkungszusammenhänge zwischen Sozialkapital

und Lernen immer eingefasst sieht in einen umfangreichen und sehr differenzier-

ten sozialen Kontext, in dem sich das einzelne Individuum befindet. Demnach

müssen bei der Betrachtung des Einflusses, den Lernen auf individuelles Sozial-

kapital haben kann, immer mehrere soziodemographische Faktoren in den Blick

genommen werden. Die Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Klasse bzw.

zu einem sozialen Milieu, einer Berufs- und Einkommensklasse sowie einer Al-

tersgruppe spielen hierbei ebenso eine Rolle wie Gender- oder regionale Einflüsse

(vgl. Preston 2003, 2004a). Mit diesen Überlegungen hebt Preston teilweise auf

Bourdieus Sozialkapitalverständnis ab. Er ist damit einer der wenigen Autoren, die

in Rechnung stellen, dass die soziale Position eines Einzelnen für die spezifische

Qualität des Zusammenhangs zwischen Lernen und Sozialkapital mitverantwort-

lich ist. Letztlich bleiben die konkreten Zusammenhänge zwischen Sozialkapital

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132

und Erwachsenenlernen in Prestons Überlegungen allerdings weitgehend unter-

spezifiziert.

Teilweise zeigen die Arbeiten von Jo Balatti, Ian Falk und Sue Kilpatrick in eine

ähnliche Richtung, allerdings ohne dass Bourdieus Überlegungen hierbei von den

Autoren aufgegriffen wird.

In der Auffassung dieser Autoren könne soziales Kapital nur durch Interaktionen

bzw. in Interaktionsbeziehungen zwischen Individuen entstehen. Gleichzeit gehen

sie davon aus, dass bereits bestehendes Sozialkapital nur in diesen Interaktions-

beziehungen genutzt bzw. aktualisiert werden könne (vgl. bspw. Balatti/ Falk 2002;

Kilpatrick 2002). In dieser Perspektive besteht individuelles Sozialkapital vor allem

in den Ressourcen, auf die ein Einzelner durch die konkreten Interaktionsbezie-

hungen, die er aufbauen und aufrecht erhalten kann, Zugriff erlangt. Balatti/ Falk

unterscheiden zwischen ‚knowledge resources’ und ‚identity resources’ (vgl. Balat-

ti/ Falk 2002: 285). Mit den ‚knowledge resources’ werden im weiteren Sinn Kom-

petenzen, Fertigkeiten oder Qualifikationen anderer Netzwerkpartner angespro-

chen, auf die ein Einzelner zur Erreichung seiner Handlungsziele zugreifen könne,

sofern er mit den entsprechenden Personen in einer (wie auch immer gearteten)

Interaktionsbeziehung verbunden sei. Mit der Bezeichnung ‚identity resources’

heben die Autoren auf vermeintlich ‚weiche’ Aspekte wie z. B. Einstellungen,

Wertvorstellungen, Selbstvertrauen u. Ä. ab, die ebenfalls in Interaktionsbezie-

hungen (verstanden als bestimmte Formen sozialer Netzwerke) zur Verfügung

gestellt werden können. Mit dieser Auffassung bewegen sich Balatti u. a. deutlich

erkennbar im Dunstkreis des Coleman’schen Sozialkapitalverständnisses. Kurse

in der Erwachsenenbildung erscheinen in dieser Perspektive als spezifische Inter-

aktionsanlässe, die sowohl beim Aufbau als auch bei der Nutzung sozialen Kapi-

tals wirksam werden können. Auf der Grundlage von Interviewdaten, die im Rah-

men einer Studie zum ‚Adult Community Education Prgramm’ (ACE) erhoben wur-

den, können die Autoren zeigen, dass die Teilnahme an Angeboten des ACE zu

einer Steigerung von Sozialkapital im oben beschriebenen Verständnis führen

kann. Die Auswertung der Interviews zeige allerdings auch, dass die im Modell

zusammengefassten Mechanismen und Prozesse in der empirischen Realität

deutlich komplexer sind, als dies auf den ersten Blick erscheine und in der Regel

nicht isoliert voneinander beobachtet werden können. Interaktionen laufen in der

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133

Erwachsenenbildung (und nicht nur dort) je unterschiedlich ab. Aus diesem Grund

können sich die Lerneinflüsse auf das soziale Kapital einer Person von Situation

zu Situation unterscheiden; letztlich variieren sie in Abhängigkeit zu weiteren sozi-

al-strukturellen und individuellen Einflussfaktoren:

„Building and drawing on social capital, however, are not two discrete processes. The model pre-sented earlier illustrates the theoretical parameters of how building and using social capital can be simultaneously occurring processes in the one set of interaction. In is the nature of the interaction that determines whether by drawing on social capital, the pool of social capital available to the ac-tors is being replenished or depleted.” (Balatti/ Falk 2002: 295)

Dennoch könne Balatti/ Falk zufolge festgehalten werden, dass die individuelle

Teilnahme an Erwachsenenbildung unter bestimmten Bedingungen (die von den

Autoren allerdings nicht weiter spezifiziert werden) einen entscheidenden Einfluss

auf individuelles Sozialkapital habe bzw. dass der Aufbau und die Nutzung sozia-

len Kapitals mögliche Nebenfolgen von Bildungsbeteiligung sein können, die für

die einzelnen Individuen von großem Nutzen seien. Hinzu komme, dass (ähnlich

wie bei den Überlegungen von Preston) auf Seiten der einzelnen Individuen selbst

bestimmte Lernergebnisse eine Voraussetzung dafür seien, gewisse Interaktions-

beziehungen überhaupt erst aufbauen zu können. Es gelte, eine Ausstattung von

Wissens- und Identitätsressourcen bereithalten zu können, um als Interaktions-

und später Netzwerkpartner interessant für andere zu sein.

Sue Kilpatrick u. a. beziehen sich in ihren empirischen Untersuchungen wiederum

direkt auf die Überlegungen von Balatti u. a. und können deren Befunde und Über-

legungen weitgehend bestätigen (vgl. Kilpatrick 2002; Kilpatrick/ Bell/ Falk 1999;

Kilpatrick/ Field/ Falk 2003). Bei den bereits erwähnten Untersuchungen zu den

Kurs- und Seminarangeboten des ‚Executive Link’ (EL) könne laut der Autoren

nachgewiesen werden, dass diese Angebote auf die beschriebene Art und Weise

zum Aufbau und zur Nutzung sozialen Kapitals beitragen können. Daher bleiben –

wie ich bereits erläutert habe – diese beschriebenen ‚learning outcomes’ nicht al-

lein auf die einzelnen Individuen beschränkt, sondern strahlen immer auch auf die

Ebene des gesamten Kollektivs aus.

An den zuletzt genannten Arbeiten von Kilpatrick u. a. zeigt sich ein Merkmal der

internationalen erwachsenenpädagogischen Diskussion zum Zusammenhang zwi-

schen Sozialkapital und Erwachsenenbildung besonders deutlich: Eine strikte

Trennung zwischen Mikro- und Makrophänomenen wird nicht vorgenommen. Viel-

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134

mehr sind die möglichen Wechselwirkungen zwischen unterschiedlichen Elemen-

ten sozialen Kapitals, die auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen anzu-

siedeln sind, zumeist mit im Blick, auch wenn sie nicht immer explizit angespro-

chen werden. Der Sozialkapitalbegriff macht es möglich, den Blick auf bestimmte

‚learning outcomes’ zu richten (und diese auch systematisch zu beschreiben), die

gegenwärtig in erziehungswissenschaftlichen und im bildungspolitischen Überle-

gungen wenig thematisiert werden. Die Beteiligung an Erwachsenenbildung trägt

in dieser Perspektive nicht nur zum Aufbau von Humankapital bei, welches letzt-

lich einen ökonomischen Nutzen für Einzelne und deren Gesellschaften hat, son-

dern sie befördert auch die Entstehung sozialer Netzwerke und – wie oben be-

schrieben – den Aufbau kollektiven Sozialkapitals, welches einer gesamten Ge-

sellschaft zugute kommt (vgl. Golding 2006; Kilpatrick/ Field/ Falk 2003; Preston/

Dyer 2003).

Zur Bezifferung dieser möglichen ‚learning outcomes’ unterscheidet Tom Schuller

insgesamt drei Kapitalsorten. Lernen führe demnach zum Aufbau von Humankapi-

tal (im einem weitgehend klassischen Verständnis), von Identitätskapital (bspw.

Selbstbewusstsein, Zufriedenheit) und Sozialkapital (in einem sehr weiten Ver-

ständnis). Diese drei Kapitalsorten bilden Schuller zufolge die Eckpunkte eines

Dreiecks, mit dessen Hilfe die ‚learning outcomes’ bzw. die ‚wider benefits of lear-

ning’ allgemein umrissen werden können. Im Inneren dieses Dreieck sind zahlrei-

che mögliche Lerneffekte eingetragen, die sich dadurch unterscheiden lassen, wie

nah sie jeweils an einer der drei Kapitalsorten liegen:

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135

Abb. 1: ‚Learning outcomes’ im ‚Kapitaldreieck’ (vgl. Schuller 2004: 13)

Mit Blick auf die mit der gestrichelten Linie zusammengefassten Elemente wird

deutlich, dass es sich hierbei um eine Gemengelage unterschiedlicher Vorstellun-

gen handelt, die im Begriff des sozialen Kapitals enthalten sind. Es werden sowohl

kollektive (Werte/ Einstellungen, Vertrauen, Engagement) als auch individuelle

(Netzwerke, Familie) Aspekte sozialen Kapitals angeführt. Das allgemeine ‚Bau-

material’ sozialen Kapitals ist also deutlich erkennbar, welches dann wiederum

ähnlich zu Putnam oder Coleman weiterverarbeitet wird.46 Wichtig ist hierbei, dass

die ‚learning outcomes’, die auf unterschiedlichen gesellschaftlichen Ebenen lie-

gen, gleichzeitig entstehen und in der empirischen Realität nicht voneinander ge-

trennt werden können. Insofern kann Erwachsenenlernen gleichermaßen zum

Aufbau formeller und informeller Netzwerke und zu einer Steigerung zivilen Enga-

gements sowie zu geteilten Werten und Normen in einer Gesellschaft beitragen.

Hierbei darf allerdings nicht vergessen werden, dass nicht nur die unterschiedli-

chen ‚learning outcomes’ bzw. die WBL selbst in der Literatur weit gefasst werden.

Auch die zugrunde liegenden Lernbegriffe umfassen nahezu alle Formen von und

Vorstellungen über Lernen, die in aktuellen erwachsenenpädagogischen Debatten

enthalten sind und die sich an der Achse ‚formal-informal’ abtragen lassen. Au-

46 Bei diesen zumeist impliziten Rückgriffen auf Putnam oder Colemans werden die unterschiedli-chen Kritikpunkte, die an diesen beiden Sozialkapitalverständnissen anzubringen sind (vgl. Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit), auch im Rahmen der diskutierten erwachsenenpädagogischen Ansätze nicht bearbeitet.

Humankapital Sozialkapital

Identitätskapital

Qualifikationen

Gesundheit

Fertigkeiten

Wissen

Unterhaltung/Spaß

Lernmotivation

Ziele/Pläne

Selbstkonzept

Werte/Einstellungen (z. B. Vertrauen)

Familie

Freunde/Netzwerke

Zivile Teilhabe/ Engagement

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136

ßerdem ist darauf hinzuweisen, dass die diskutierten ‚learning outcomes’ nicht nur

beim Lernen Erwachsener entstehen können. Sämtliches Lernen – also z. B. auch

solches, das bei Kindern und Jugendlichen innerhalb und außerhalb schulischer

Kontexte stattfindet – kann demnach zu den genannten Effekten führen. Zu kons-

tatieren ist allerdings, dass außerschulisches Lernen Erwachsener in der gesam-

ten Diskussion eine besondere Rolle einnimmt (vgl. bspw. Feinstein/ Hammond

2004). Offen bleibt hierbei allerdings weitgehend, unter welchen Bedingungen

welche Formen des Lernens zum Aufbau welcher Formen sozialen Kapitals füh-

ren. Zudem muss an dieser Stelle die Frage erlaubt sein, aus welchem Grund

ökonomische Ressourcen in der Darstellung von Schuller gänzlich ausgeblendet

bleiben, obwohl doch sicherlich ein erkennbarer Zusammenhang zwischen Lernen

(bzw. Lernerfolgen) und wirtschaftlichen Aspekten zu erwarten ist. Des Weiteren

ist davon auszugehen, dass ökonomische Bedingungen in vielerlei Hinsicht so-

wohl eine wichtige Basis für die Beteiligung an Lernaktivitäten als auch für die in-

dividuelle und kollektive Verwertbarkeit der Lernergebnisse eine zentrale Rolle

spielen, die Schuller in seinem Modell allerdings nicht erfassen kann.

Von diesen unterschiedlichen ‚learning outcomes’ sind die meisten aus gesell-

schaftlicher, politischer oder persönlicher Perspektive als wünschenswert anzuse-

hen (insbesondere vor dem Hintergrund der Putnam’schen Vorstellung von den

Effekten sozialen Kapitals), sodass hierin letztlich die Möglichkeit enthalten ist,

eine gewisse Legitimation erwachsenenpädagogischen Handelns und dessen

Förderung aus öffentlichen Mitteln abzuleiten. Auch wenn dieses legitimatorische

Argument nicht immer explizit geführt wird, lässt sich doch in einigen der vorge-

stellten Überlegungen insofern eine stark ausgeprägte Politikorientierung identifi-

zieren, als sie sich zum Teil sehr direkt an politische Entscheidungsträger wenden

und versuchen, den Zusammenhang zwischen Erwachsenenlernen (zumeist unter

dem Label des ‚lifelong learning’) und Sozialkapital für politische Programme an-

schlussfähig zu machen (vgl. zusammenfassend Field 2003b). Man nutzt also das

normative Potenzial, das sich in einer Sozialkapitalkonzeption verbirgt, die in ers-

ter Linie an Putnams normativen Aussagen und politischen Botschaften orientiert

ist. Dass derartige normative Ableitungen in dieser verkürzten Form allerdings

nicht ohne Weiteres Bestand haben können, wurde bereits mehrfach in der vorlie-

genden Arbeit verdeutlicht. An dieser Stelle sei insbesondere die Diskrepanz zwi-

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137

schen den Sozialkapitalkonzeptionen von Putnam und Bourdieu erwähnt, durch

die im Putnam’schen Sozialkapitalbegriff ungleichheitstheoretische Leerstellen

auffallen, die letztlich die Reichweite der normativen Elemente dieser besonderen

und sehr prominenten Vorstellung von Sozialkapital einschränken.

3.4 Soziales Kapital als Ertrag des Lernens Erwachsener: implizite Anschlüsse

Bei einem lediglich kursorischen Blick über deutschsprachige erwachsenenpäda-

gogische Diskurse kann man den Eindruck gewinnen, dass soziales Kapital als

zentrale Kategorie zur Bezifferung von Lernergebnissen und deren Folgen bis auf

wenige Ausnahmen hier nicht weiter thematisiert wird. Dies stimmt allerdings nur,

solange man am Sozialkapitalbegriff als solchen festhält. Mit Blick auf informelles

und selbstgesteuertes Lernen in sozialen Netzwerken konnte bereits gezeigt wer-

den, dass Annahmen über soziales Kapital sehr wohl eine wichtige Rolle in natio-

nalen erwachsenenpädagogischen Debatten einnehmen – allerdings ohne hierbei

zwangsläufig den Begriff selbst zu verwenden. Fragt man also danach, ob und in

welcher Weise vergleichbare Vorstellungen über Bedeutung und Funktion sozialer

Assoziationen und Netzwerke, Bürgerinitiativen oder geteilter Werte und Normen

in einer Gesellschaft ihren Weg auch in die (deutschsprachige) Erwachsenenpä-

dagogik gefunden haben, um dort ggf. in einer anderen ‚Theoriesprache’ diskutiert

zu werden, wird man durchaus fündig. Während im Rahmen der Debatte um

selbstgesteuertes und informelles Lernen soziales Kapital in erster Linie als Vor-

aussetzung (i. S. v. Rahmung und Gelegenheitsstruktur) für das Lernen Erwach-

sener thematisiert wird, lässt sich mit Blick auf diejenigen erwachsenenpädagogi-

schen Debatten, die sich um die Begriffe der sozialen Integration, Exklusion, ge-

sellschaftlichen Teilhabe und des bürgerschaftlichen Engagements drehen, eine

andere Zugangsweise identifizieren. Die genannten Begriffe werden in Kapitel 2

bereits mit Blick auf ihre Verbindungslinien zur Sozialkapitaldebatte diskutiert (vgl.

Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit; vgl. außerdem Geißel u. a. 2004; Hellmann

2004), und sie spielen darüber hinaus in erwachsenenpädagogischen Überlegun-

gen eine große Rolle. In erster Linie werden sie unter der Fragestellung diskutiert,

inwiefern (in erster Linie institutionelles) Lernen Erwachsener dazu beitragen kön-

nen, dass Einzelne in die sie umgebenden Gesellschaftsstrukturen integriert oder

inkludiert werden, an gesellschaftlichen Prozessen teilhaben können oder sich

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138

bürgerschaftlich engagieren. In den folgenden Ausführungen möchte ich diese

besonderen, gewissermaßen indirekten Formen der Bezugnahmen zwischen Er-

wachsenenlernen und Sozialkapital skizzieren, indem ich zunächst die entspre-

chenden Debatten um Erwachsenenlernen und Integration, Inklusion und Teilhabe

in den Blick nehme, um anschließend die partiell etwas anderes gelagerte Debatte

über bürgerschaftliches Engagement und Erwachsenlernen zu diskutieren.

3.4.1 Integration, Inklusion und gesellschaftliche Teilhabe als Erträge des Ler-

nens Erwachsener

Die Förderung bzw. Ermöglichung sozialer Integration wird zuweilen als die zent-

rale Kategorie bzw. Aufgabe angesehen, wenn es darum geht, normative Zielvor-

stellungen für erwachsenbildnerisches Handeln zu bestimmen:

„Institutionell organisierte Erwachsenenbildung sieht ihre vordringliche Aufgabe – historisch nach-weisbar – in der sozialen Integration gesellschaftlicher Schichten und Gruppierungen, die das sozi-ale Zusammenleben in unterschiedlichem Ausmaß mitgestalten können und in unterschiedlicher Weise für das lebenslange Lernen privilegiert und prädestiniert sind.“ (Lindmeier 2003: 28; Hervor-hebungen im Original)

„Integration ist von Anbeginn an die Zentralkategorie jeder erwachsenenbildnerischen Praxis.“ (Op-permann 2003: 294; Hervorhebungen im Original)

Der Begriff der Integration spielt bereits seit den Anfängen der institutionalisierten

Erwachsenenbildung eine bedeutsame Rolle (Oppermann 2003), und er tut dies

bis in die Gegenwart hinein. Im Jahr 2003 widmeten die ‚Hessischen Blätter für

Volksbildung’ dem Thema Integration ein Sonderheft. Im selben Jahr legte das

Deutsche Institut für Erwachsenenbildung (DIE) mit seiner ‚Zeitschrift für Erwach-

senenbildung’ ebenfalls ein Themenheft vor, das unter dem Motto Integration und

Erwachsenenbildung steht. An diesen beiden Themenheften zweier für die Zunft

der Erwachsenenbildung wichtigen Zeitschriften zeigt sich, dass auch in jüngeren

erwachsenenpädagogischen Ansätzen intensiv über soziale Integrationsprozesse

und die Rolle der Erwachsenenbildung hierbei nachgedacht wird. Die aktuellen

politischen Diskussionen, die sich ab dem Jahr 2007 vor allem am ‚Nationalen In-

tegrationsplan’ der Bundesregierung orientieren, haben erneut dazu geführt, dass

sich die Erwachsenenpädagogik intensiv mit Fragen der sozialen Integration aus-

einandergesetzt, da sie sich durch die Forderung nach besseren Integrationsmodi

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in der deutschen Gesellschaft in besonderer Weise angesprochen sieht (vgl.

BMBF 2008b; Schöll/ Robak 2008).

Im Rahmen der Debatte über soziale Integration geht es aus erwachsenenpäda-

gogischer Sicht in erster Linie darum, (zumeist) institutionelle Formen der Erwach-

senenbildung für bestimmte soziale Gruppen, die als sozial desintegriert angese-

hen werden, zugänglich zu machen, um sie auf diese Weise in die Gesellschaft

integrieren zu können. Gegenwärtig geraten in der neueren Diskussion um Integ-

ration und Erwachsenenbildung vor allem Menschen mit Behinderungen, margina-

lisierte Bevölkerungsschichten, Ausländer bzw. Menschen mit Migrationshin-

tergrund sowie ältere und alte Mitbürger/innen in den erwachsenenpädagogischen

Blick (vgl. Oppermann 2003).

Es geht bspw. darum, Migranten durch die Vermittlung der deutschen Sprache die

Möglichkeit zu eröffnen, sich in die deutsche Gesellschaft zu integrieren. Erwach-

senenbildung wird in dieser Hinsicht als besonders gefordert angesehen, weil viele

der in Deutschland lebenden Migranten allein aufgrund ihres Alters vom schuli-

schen Lernen ausgeschlossen sind. Für die große Gruppe der erwachsenen

Migranten mit geringen oder nicht vorhandenen kulturellen und vor allem Deutsch-

kenntnissen sei Nuissl zufolge die Erwachsenenbildung ‚zuständig’ (vgl. Nuissl

2003). In dem im Jahr 2002 verabschiedeten Zuwanderungsgesetz des Bundes

werde diese Aufgabe weitgehend festgeschrieben (vgl. Müller 2003; Zöllner 2003).

Im Zuge dieser Diskussion sind eine Reihe von Praxiskonzepten entwickelt wor-

den, die alle den Versuch unternehmen, angemessen auf die neue Herausforde-

rung zu reagieren, indem bestimmte Zielgruppen (z. B. ausländische Frauen) fo-

kussiert und zusätzlich bisher nicht etablierte Supportstrukturen verstärkt angebo-

ten werden (z. B. Kinderbetreuung, Beratung u. Ä.) (vgl. Jalonen 2003; Zöllner

2003).

Spätestens seit den 1970er Jahre ist die Gruppe der Menschen mit Behinderung

in den Fokus erwachsenenbildnerischer Praxis geraten (vgl. Lindmeier 2003). Bis

heute wird nach dem Prinzip der Zielgruppenorientierung versucht, dieser sozialen

Gruppe mit einem ‚maßgeschneiderten’ Angebot dabei zu helfen, sich verstärkt an

Veranstaltungen der Erwachsenenbildung zu beteiligen, um sich über diesen Weg

in die Gesellschaft integrieren zu können.

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Seit der jüngeren Vergangenheit spricht man in der Erwachsenenpädagogik nicht

mehr nur über Integration als programmatischen Fluchtpunkt entsprechender Be-

mühungen. Die Begriffe der Exklusion und der Inklusion sind aktuell hinzugekom-

men (vgl. Friebe/ Küchler/ Reutter 2010; Grünhage-Monetti/ Küchler/ Reutter

2008; Kronauer 2010a), um vergleichbare Problemstellungen beschreiben und die

entsprechenden Maßnahmen formulieren zu können. Der Unterschied zwischen

Integration und Inklusion wird derart beschrieben, dass die Vorstellungen über

soziale Integration implizieren, dass nur diejenigen zu einer Verhaltensänderung

aufgefordert werden, die als desintegriert angesehen werden. Es geht der Appell

an diese Bevölkerungsgruppen aus, sich der Mehrheitsgesellschaft anzupassen,

während die Gesellschaft selbst unverändert bleibt. Bei Inklusionsprozessen geht

man hingegen davon aus, dass sich auch die Mehrheitsgesellschaft insofern ver-

ändern muss, als sie die Aufgabe hat, sich gegenüber dem Anderen zu öffnen und

die exkludierten Sozialgruppen gewissermaßen zu umschließen, um sie auf diese

Weise zu Teilen einer dann veränderten Gesellschaft zu machen (vgl. Grünhage-

Monetti/ Küchler/ Reutter 2008).

Soziale Inklusion wird in der Erwachsenenpädagogik fast nie thematisch aufgegrif-

fen, ohne dass hierbei direkt auch auf den gegenläufigen Prozess der sozialen

Exklusion verwiesen wird (vgl. Kronauer 2010b; Wrana 2006). Im Kern wird in bei

diesen Diskussionen (implizit und explizit) davon ausgegangen, dass Erwachse-

nenbildung dazu beitragen könne (oder vielleicht sogar müsse), Formen sozialer

Exklusion zu bearbeiten und soziale Inklusion zu fördern oder zu sichern. Dies

geschieht ähnlich wie bei der Integrationsdebatte mit Blick auf bestimmte Ziel-

gruppen, die der Annahme nach der Gefahr sozialer Exklusion ausgesetzt sind.

Vor diesem Hintergrund wird bspw. danach gefragt, welche erwachsenenbildneri-

schen Maßnahmen zu ergreifen seien, um diesen Zielgruppen den Zugang zu Ein-

richtungen und Veranstaltungen der Erwachsenenbildung zu erleichtern bzw.

überhaupt erst zu ermöglichen (vgl. bspw. Friebe 2010; Reutter 2010). Ziel ist da-

bei die Inklusion in Erwachsenenbildung, die gemeinhin entweder als eine Form

von oder als erster Schritt zu sozialer Inklusion im Allgemeinen angesehen wird

(vgl. etwa zur Frage der Inklusion körperlich und geistig Behinderter Babilon/ Goe-

ke/ Terfloth 2007). Die Angehörigen der jeweils fokussierten Zielgruppe werden

als gesellschaftlich Exkludierte betrachtet. Sie haben nur eingeschränkte Möglich-

keiten, an gesellschaftlichen Prozessen und Entscheidungen zu partizipieren. Die

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weiterführende Annahme ist dann, dass durch die Beteiligung an Erwachsenenbil-

dung die Möglichkeiten zur Partizipation erweitert werden können. Inklusion werde

somit zu einem Bildungsziel (allgemeiner) Erwachsenenbildung (vgl. Bücheler

2004). Zum Teil scheint dieses Ziel schon erreicht, wenn die Angehörigen der je-

weils fokussierten Gruppen vermehrt in Veranstaltungen der Erwachsenenbildung

vertreten sind. Für einige Autoren wird dies allerdings nur als der erste wichtige

Schritt angesehen, um das eigentliche (Fern-)Ziel zu erreichen, jeden Menschen

durch Teilnahme an Erwachsenenbildung in die Gesellschaft zu inkludieren.

Abweichend von der ‚klassischen’ Integrationsdebatte wird im Anschluss an den

Inklusionsbegriff allerdings davon ausgegangen, dass die formulierten Zielvorstel-

lungen nur dann zu erreichen sind, wenn das Feld der allgemeinen Erwachsenen-

bildung auf die beschriebenen Herausforderungen vorbereitet ist. Hierzu sind laut

Heike Bücheler folgende Voraussetzungen zu erfüllen:

„Eine zentrale Rolle spielen qualifizierte ErwachsenenbildnerInnen. Passende Rahmenbedingun-gen sind zu schaffen. Dazu zählt vor allem die Verbesserung der Finanzierung. Inklusive Erwach-senenbildung benötigt andere Bedingungen (kleine Gruppengröße, Medien, Materialien etc.), um barrierefrei zu sein. Damit hängt auch die personelle Situation (AssistentInnen, DolmetscherInnen etc.) eng zusammen. Gesetzliche Änderungen sind notwendig, die das Recht auf lebensbegleiten-de Bildung für alle Menschen gewährleisten. Auf wissenschaftlicher Ebene könnte eine Kooperati-on von Andragogik und Sonderpädagogik beide wissenschaftlichen Disziplinen weiterbringen. Aber auch auf gesellschaftlicher Ebene muss sich etwas ändern: Menschen mit Behinderungen müssen als gleichwertige Mitglieder anerkannt werden, mit gleichen Rechten und Pflichten in allen Lebens-breichen und so auch im Bereich der Erwachsenenbildung.“ (Bücheler 2006: 219; Hervorhebungen im Original)

Neben der bisher angesprochenen allgemeinen Erwachsenenbildung sind die

Begriffe der Inklusion und der Exklusion auch für die berufliche Weiterbildung von

zentraler Bedeutung. Arbeitslose und vor allem Langzeitarbeitslose werden oft-

mals als eine Gruppe angesehen, die in einem besonderen Maße von sozialer

Exklusion bedroht ist. Der (länger andauernde) Ausschluss aus der Erwerbsarbeit

ist der Annahme nach fast gleichbedeutend mit gesellschaftlicher Exklusion (vgl.

bspw. auch Kronauer 2007). Der (Wieder-)Einstieg in das Erwerbsleben stelle so-

mit eine Voraussetzung dar, sozial inkludiert zu sein. Berufliche Weiterbildung ha-

be dann die Aufgabe, durch Vermittlung von Kompetenzen den (Wieder-)Einstieg

in die Erwerbstätigkeit zu fördern bzw. den Ausschluss aus der Erwerbstätigkeit

präventiv zu verhindern. Diejenigen, die sich weiterbilden, erhöhten demnach ihre

Chancen, nicht erwerbslos und somit nicht exkludiert zu sein bzw. werden. Diese

Argumentation geht davon aus, dass soziale und vor allem technische Wand-

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lungsprozesse eine permanente Anpassung der Arbeitenden an die Gegebenhei-

ten des Arbeitsmarktes erforderlich machen:

„Technische und organisatorische Veränderungen, der demografische Wandel und das stete Wachstum der Beschäftigung in den Dienstleistungen haben zu einer Bedeutungszunahme von Weiterbildung geführt. Infolge dieser Trends haben sich Arbeitsmärkte, Berufsbilder und Berufs-strukturen gewandelt. Während die Erstausbildung früher eine solide Grundlage für den weiteren Berufsverlauf darstellte, ist heute eine fortlaufende Strategie der Weiterbildung (lebenslanges Ler-nen) mit dem Ziel einer Anpassung an die im spezifischen Arbeitskontext benötigten Fertigkeiten und Fähigkeiten in den meisten Berufsfeldern unerlässlich.“ (Schömann/ Leschke 2007: 343)47

Insgesamt lässt sich bei dieser Diskussion erkennen, dass jeder Arbeitslose ge-

wissermaßen selbst für seine eigene Situation verantwortlich gemacht wird, da er

es ist, der sich durch die Teilnahme an Weiterbildung darum bemühen muss, wie-

der Anschluss an den ersten Arbeitsmarkt zu bekommen. Gelingt ihm dies aller-

dings nicht, ist er ‚selbst schuld’, weil er entweder nicht genügend oder etwas Fal-

sches gelernt hat (vgl. Faulstich 2004).

Eng mit der Debatte um Exklusion und Inklusion ist die Frage nach dem Zusam-

menhang zwischen gesellschaftlicher Teilhabe und Erwachsenenbildung verbun-

den. Der Teilhabebegriff gehört vergleichbar zum Integrationsbegriff ebenso zum

Grundbestand erwachsenenpädagogischer Programmatik, und er wird auch in

aktuellen Debatten immer wieder aufgegriffen, wenn es um Bezugnahmen zwi-

schen Erwachsenenlernen und sozialem Zusammenhalt geht (vgl. Wittpoth

2010b).48 Festzustellen ist allerdings, dass sich eine Vielzahl von unterschiedli-

chen Lesarten und Begriffsverwendungen in der Erwachsenenpädagogik etabliert

haben, die parallel nebeneinander existieren. Der Teilhabebegriff wird also (wie

viele andere der bisher angesprochenen Begriffe) auf unbestimmte Weise ver-

wendet und es liegen bisher noch keine (geglückten) Versuche vor, den erwach-

senenpädagogischen Umgang mit dem Teilhabebegriff zu systematisieren und die

unterschiedlichen Begriffsverwendungen aufeinander zu beziehen. Es kann grob

zwischen drei Lesarten des Begriffs der gesellschaftlichen Teilhabe in der Er-

wachsenenpädagogik unterschieden werden.

47 Zum Teil wird aber auch schon die Teilnahme an beruflicher Weiterbildung selbst als Form so-zialer Inklusion angesehen (vgl. Faulstich 2004). 48 Die Sektion für Erwachsenenbildung der Deutschen Gemeinschaft für Erziehungswissenschaft (DGfE) hat im Jahr 2005 ihrer Jahrestagung den Titel ‚Teilhabe an Erwachsenenbildung und ge-sellschaftliche Modernisierung’ gegeben (vgl. Wiesner/ Zeuner/ Forneck 2006). Dies ist zumindest ein Indiz dafür, dass sich die Fachgemeinde dem Teilhabebegriff eine gewisse Bedeutung für die fachinternen Diskussionen bemisst.

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Am häufigsten wird der Begriff der Teilhabe in der Erwachsenenpädagogik quasi

synonym zum Begriff der Teilnahme an Erwachsenenbildung verwendet. Teilneh-

mende sind also gleichzeitig Teilhabende. Inwiefern allerdings die Teilhabe im

Sinne von Teilnahme an Weiterbildung mit gesellschaftlicher Teilhabe zusammen-

hängt, wird mit diesem Begriffsverständnis nicht angesprochen (vgl. Bremer 2006;

Kuhlenkamp 2006).

Ein anderes Begriffsverständnis betrachtet die Teilnahme an Erwachsenenbildung

selbst als Form von gesellschaftlicher Teilhabe. Die Partizipation an Bildungspro-

zessen im Allgemeinen wird in dieser Wendung als ein (besonders hoch einzu-

schätzendes) gesellschaftliches Gut angesehen, an dem möglichst viele Mitglieder

einer Gesellschaft teilhaben sollten. Gerade in Zeiten gesellschaftlicher Moderni-

sierung, so die Argumentation weiter, komme der Weiterbildung eine besondere

Rolle zu. Das in der Schule erworbene Wissen habe dieser Perspektive zufolge

eine immer kürzere Halbwertzeit und müsse fortlaufend durch Weiterbildung er-

neuert werden. Diejenigen, die sich weiterbilden, haben der Annahme nach

gleichzeitig an ihrer Gesellschaft teil (vgl. Zeuner 2006).

Im dritten Begriffsverständnis geht es um die Frage, in welcher Weise Erwachse-

nenbildung eine zentrale Voraussetzung dafür sein kann, die individuellen Chan-

cen gesellschaftlicher Teilhabe in möglichst vielen Bereichen (Politik, Kultur, sozia-

le Sicherung u. Ä.) zu erhöhen. Es wird also danach gefragt, welche Inhalte Er-

wachsenenbildung vermittelt kann, die dazu beitragen, einem Menschen gesell-

schaftliche Teilhabe zu ermöglichen. Die Teilnahme an Erwachsenenbildung

selbst sei noch nicht als gesellschaftliche Teilhabe anzusehen. Teilhabe finde

demnach in anderen gesellschaftlichen Sphären statt und nicht (nur) im Bildungs-

bereich (vgl. Schemmann/ Wittpoth 2007; Zeuner 2006). Erwachsenenbildung ist

in dieser Perspektive der gesellschaftlichen Teilhabe in gewisser Weise vorge-

schaltet.

Betrachtet man den erwachsenenpädagogischen Umgang mit den drei hier zur

Debatte stehenden Begriffen der sozialen Integration, der Inklusion und der ge-

sellschaftlichen Teilhabe zusammenfassend, lassen sich vergleichbare Argumen-

tationsmuster identifizieren. Die einzelnen Begriffe und die damit verbundenen

Vorstellungen über Gesellschaften und die in diesen lebenden Individuen sind aus

sozialwissenschaftlichen Debatten für die Erwachsenenpädagogik übernommen

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144

worden. Mit der Rede über Integration, Inklusion und Teilhabe werden in der Re-

gel programmatische bzw. normative Ansätze für die gesellschaftlichen Aufgaben

von Erwachsenenbildung verbunden. Hinzu kommt, dass die drei Begriffe in der

Regel weitgehend synonym verwendet und hierbei ihre Differenzen ausgeblendet

werden. Es wird, hiervon ausgehend, mehr oder weniger explizit die Aufforderung

an Erwachsenenbildung herangetragen, in die Gesellschaft zu integrieren bzw. zu

inkludieren und Teilhabe zu ermöglichen. Mit anderen Worten: Erwachsenenbil-

dung soll als ‚Motor’ von entsprechenden Prozessen fungieren und gesellschaftli-

chen Zusammenhalt sichern – den Aufbau von kollektivem Sozialkapital fördern.

Auf die Frage, welche gesellschaftliche Gruppe hierbei angesprochen werden soll,

gibt es zwar unterschiedliche Antworten. Es handelt sich dabei aber immer um

‚besondere’ gesellschaftliche Gruppen (also Menschen, die von der ‚Norm’ abwei-

chen), denen ein bestimmtes Defizit unterstellt wird, welches mit Erwachsenenbil-

dung bearbeitet werden kann.49 Sofern im Rahmen dieser Debatten von Erwach-

senenbildung die Rede ist, sind zumeist unterschiedliche Formen institutioneller,

kursförmiger (allgemeiner) Erwachsenenbildung oder beruflicher Weiterbildung

gemeint. Informelle, außerinstitutionelle Formen des Erwachsenenlernens spielen

kaum eine Rolle.

Es wird in den angesprochenen Debatten allerdings nicht thematisiert, wie Er-

wachsenenbildung konkret z. B. Integrationsarbeit leisten bzw. Inklusion und Teil-

habe konkret ermöglichen kann. Im Kern geht es darum, die unterschiedlichen

Zielgruppen zunächst an Erwachsenenbildung heranzuführen und ihre Beteiligung

an Kursen und Veranstaltungen zu fördern und bestenfalls zu einer Selbstver-

ständlichkeit zu machen. Der Weg von der Beteiligung hin zur gesellschaftlichen

Integration, Inklusion und Teilhabe sei dann, so die implizite Annahme, nicht mehr

weit bzw. bereits zum größten Teil bereits überwunden. Die Hoffnung, dass Bil-

dungsprozesse, die in Einrichtungen der Erwachsenenbildung stattfinden, die an

sie gestellte Aufgabe erfüllen, ist so groß, dass nur sehr selten kritisch gefragt

wird, wie dies überhaupt möglich sein soll. Man erfährt nur, dass Teilnahme an

49 Dieser Argumentation liegt eine die Vorstellung zugrunde, dass es soziale Gruppen gibt, die sich ‚in’ einer Gesellschaft befinden, und solche, die sich ‚draußen’ befinden. Gesellschaft wäre dem-nach ein exklusiver Personenkreis und die Zugehörigkeit zu diesem wird durch verschiedene Re-gulationsmechanismen gesteuert. Das Verhältnis zwischen ‚drinnen’ und ‚draußen’ wird in der Re-gel durch bestimmte Zuschreibungen von Normalität (drinnen) und Besonderem (draußen) ver-schärft.

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Erwachsenenbildung quasi unabdinglich sei, wenn man die ‚Außenstehenden’

hereinholen möchte. Hierbei entsteht manchmal der Eindruck, dass die Angehöri-

gen der jeweils fokussierten Gruppe bereits dann ‚drinnen’ sind, wenn sie an Er-

wachsenenbildung teilnehmen. Scheinbar reiche die Beteiligung an irgendeiner

Form von institutionalisierter Erwachsenenbildung, damit in der Folge soziales Ka-

pital im Sinne von Integration, Inklusion oder Teilhabe und somit im weiteren Sin-

ne gesellschaftlicher Zusammenhalts entsteht (vgl. zur Relativierung Dräger 2003;

Küchler 2010). Kapitaltheoretisch gesprochen geht es also um den Aufbau kultu-

rellen Kapitals als Bearbeitungsmodus sozialer Problemlagen, da bedingt durch

eine Steigerung der Bildungsbeteiligung der Annahme nach Integration, Inklusion

und Teilhabe ermöglicht werden; oder – anders ausgedrückt – kollektives Sozial-

kapital aufgebaut wird. Während also im Anschluss an Putnam die politische Hoff-

nung aufkeimt, gesellschaftliches Wohlergehen sei dann zu erreichen, wenn die

Gesellschaftsmitglieder sich wieder in Vereinen zusammenfinden oder gemeinsam

zum Kegeln gehen, wird in der Erwachsenenbildung der ‚Umweg’ über das kultu-

relle Kapital dazwischen geschaltet. Der Weg zu einer ‚guten’, weil integrierten

und inkludierenden Gesellschaft, in der alle Menschen gleichermaßen teilhaben,

führt demnach – zugespitzt formuliert – über Lernen zum Aufbau kulturellen Kapi-

tals.

3.4.2 Bürgerschaftliches Engagement und Erwachsenenlernen

Seit den 1990er Jahren wird in unterschiedlichen (gesellschaftlichen und politi-

schen) Sphären über eine Stärkung bürgerschaftlichen Engagements und den

Ausbau der Bürgergesellschaft diskutiert (vgl. Kapitel 2). Einigkeit herrscht weitge-

hend in der Annahme, dass politische und zivile Maßnahme zur Förderung bür-

gerschaftlichen Engagements ergriffen werden müssten, um die Folgen ökonomi-

scher und sozialer Wandlungsprozesse für die Gesellschaftsmitglieder abfedern

zu können. In diesem Zusammenhang ist mit Blick auf gegenwärtige erwachse-

nenpädagogische Diskussionen zu konstatieren, dass den Aspekten der Bürger-

gesellschaft und des bürgerschaftliches Engagement hier ebenfalls große Bedeu-

tung beigemessen wird. Im Kern geht es bei diesen Diskussionen um zwei zentra-

le Frage: Welchen Beitrag kann Erwachsenenbildung beim Aufbau einer Bürger-

gesellschaft bzw. bei der Steigerung des bürgerschaftlichen Engagements leisten?

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Welche Grenzen bestehen für Erwachsenenbildung bzw. welche Veränderungen

sind notwendig, um sich der Aufgabe zuwenden zu können, die Bürgergesellschaft

zu stärken?50

Diejenigen, die sich mit diesen Fragen auseinandersetzen, schließen mehr oder

weniger nahtlos an die Diskussion über die Bürgergesellschaft an, wie sie andern-

orts geführt wird und die deutliche Überschneidungsbereiche zur Sozialkapitalde-

batte erkennen lässt (vgl. Kapitel 2). Im Zentrum dieser Überlegungen steht fast

ausschließlich die institutionell gerahmte politische Erwachsenenbildung (vgl. Hu-

fer 2005; Länge 2009), die daher auch den Referenzpunkt der folgenden Ausfüh-

rungen markiert.

Auf die Frage nach dem Beitrag, den politische Erwachsenenbildung zum Aufbau

einer Bürgergesellschaft leisten kann, werden in der Literatur unterschiedliche Ant-

worten gegeben. Rainer Brödel unterscheidet bspw. zwischen drei Aufgabenfel-

der. Demnach habe Erwachsenenbildung im Kontext des bürgerschaftliches En-

gagements eine ‚Informations- und Popularisierungsaufgabe’, die Aufgabe der

‚Prozess- und Entwicklungsbegleitung’ und eine ‚Qualifizierungsfunktion’ (vgl. Brö-

del 2005). Unter der Informations- und Popularisierungsaufgabe fasst Brödel alle

Aktivitäten zusammen, die darauf abzielen, die Vorstellung einer Bürgergesell-

schaft in der Bevölkerung zu verbreiten, Informationen über die Möglichkeiten so-

zialen Engagements zu vermitteln und vor allem die soziale Selektivität innerhalb

des bürgerschaftliches Engagements dahingehend zu reduzieren, dass sich Men-

schen aus unterschiedlichen sozialen Schichten gleichermaßen beteiligen. Bislang

ist es laut Brödel noch so, dass vor allem sozial privilegierte Personengruppen

Engagement zeigen, während sozial Benachteiligte in dieser Hinsicht eher zu-

rückhaltend seien. Im Kern gehe es bei diesem Aufgabenspektrum um Aufklärung

und um die Verbreitung der ‚Botschaft’ der Bürgergesellschaft. Die angesprochene

Prozess- und Entwicklungsbegleitung finde dann statt, wenn sich bürgerschaftli-

ches Engagement bereits entwickelt habe. Die Annahme ist, dass Menschen

durch ihr Engagement auf spezifische Fragen und Problemstellungen stoßen, bei

denen sie Hilfe in Form strukturierter Bildungsangebote benötigen. Erwachsenen-

bildung fungiere gewissermaßen als flankierende Maßnahme, um Hindernisse im

50 Auffällig ist hierbei, dass gar nicht erst gefragt wird, ob Erwachsenenbildung überhaupt einen Beitrag zur Steigerung bürgerschaftlichen Engagements leisten kann bzw. sollte. Dass sie dazu in der Lage ist und dass sie diese Aufgabe hat, scheint außer Frage zu stehen.

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147

Engagement abzubauen. Allerdings reichten traditionelle kursförmige Angebote

der Erwachsenenbildung nicht aus, um dieser Aufgabe gerecht werden können.

Einrichtungen der Erwachsenenbildung müssten demnach ihr Angebotsspektrum

um Lernberatung, Coaching, Supervision und Formen der Ermöglichung selbstge-

steuerten Lernen erweitern (vgl. hierzu auch Küchler 2009; Mörchen 2009).

Neben diesen aufgabenbezogenen Lernbedarfen ergeben sich zudem ‚engage-

mentspezifische Qualifikationsprofile’ (vgl. Brödel 2005: 14). Die genannte Qualifi-

zierungsfunktion beziehe sich auf die Annahme, dass sozial engagierte Personen

Angebote benötigen, bei denen sie sich bestimmte Kompetenzen und Qualifikatio-

nen aneignen können, die ein ‚erfolgreiches’ Agieren innerhalb des bürgerschaftli-

chen Engagements ermöglichen. Im Blick seien in erster Linie Verantwortungsträ-

ger und Funktionäre, die ein spezifisches Organisationswissen, Wissen über Mög-

lichkeiten des Fundraising, der Personalplanung oder des Konfliktmanagements

benötigen. Erwachsenenbildung habe demnach die Aufgabe, Angebote zur Ver-

mittlung dieser oder ähnlicher Kompetenzen bereitzuhalten:

„Engagementförderung muss als eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe begriffen werden. Die Er-wachsenenbildung hat darin ihren Part zu einem erheblichen Teil als eine informierende, orientie-rende und reflexiv-unterstützende Instanz zu spielen. Daneben bestehen aber auch kontext- und fallbezogene Qualifizierungsaufgaben.“ (Brödel 2005: 14)51

Erwachsenenbildung solle über die von Brödel angeführten Aspekte hinaus durch

die Vermittlung weniger konkreter Kompetenzen dazu beitragen, dass (möglichst)

alle Menschen in modernen Gesellschaften grundlegend in die Lage versetzt wer-

den, sich im Sinne einer Bürgergesellschaft zu engagieren (vgl. Keupp 1999). Da-

bei gehe es um die Herausbildung von Kompetenzen, die sich am besten unter

dem Begriff der „Lebenskompetenz“ zusammenfassen lassen (Keupp 1999: 16).

Heiner Keupp verweist mit diesem Begriff auf die Notwendigkeit der erfolgreichen

Selbstorganisation individueller Lebenslagen.52 Wer dazu nicht in der Lage ist,

könne sich auch nicht für andere und für die Gesellschaft engagieren (vgl. auch

Mörchen/ Bubolz-Lutz 2006a). Weiterhin solle Erwachsenenbildung dabei helfen,

51 Rainer Brödel verweist außerdem darauf, dass es sich aus den genannten Gründen für die öf-fentliche Hand durchaus lohnen könne, in Erwachsenenbildung zu investieren, da die vom Staat eingespeisten Finanzmittel eine hohe gesellschaftliche ‚Rendite’ erwarten lassen (vgl. Brödel 2005). 52 Heute würde man hier wohl vom ‚Selbstmanagement’ sprechen.

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zentrale ‚Schlüsselqualifikationen’53 herauszubilden, die für ein bürgerschaftliches

Engagement von Bedeutung seien. Insbesondere hebt Keupp auf die ‚zivilgesell-

schaftliche Kompetenz’ (vgl. Keupp 1999: 31) ab, ohne die seiner Ansicht nach

kein bürgerschaftliches Engagement möglich sei. Zivilgesellschaftlich kompetent

ist jemand, der fähig ist, „im wohlverstanden Eigeninteresse gemeinsam mit ande-

ren die Lebensbedingungen aller zu verbessern.“ (Keupp 1999: 31). Neben diesen

eher am Individuum ansetzenden Überlegungen gehe es für die Erwachsenenbil-

dung auch darum, soziale Verhältnisse und Beziehungen zu bearbeiten und bes-

tenfalls zu verändern. Das Ziel solle es demnach sein, bei der Entstehung von ‚Mi-

lieus bürgerschaftlichen Engagements’ mitzuwirken bzw. die Herausbildung einer

‚regionalen bürgerschaftlichen Kultur’ zu fördern (vgl. Klemm 2004: 114).

Erwachsenenbildungseinrichtungen und -veranstaltungen werden zum Teil selbst

als Orte der Ermöglichung bürgerschaftlichen Engagements angesehen. Die Teil-

nahme an Seminaren oder Kursen, an Arbeits- und Diskussionskreisen oder an

sonstigen Veranstaltungen, die von Einrichtungen der Erwachsenenbildung ange-

boten werden, stelle in dieser Perspektive bereits eine Form sozialen Engage-

ments dar. Ausgehend von diesen Engagementformen wird Erwachsenenbildung

quasi als Ausgangspunkt der Bürgergesellschaft betrachtet (vgl. Heusohn/ Klemm

1999).

Mit Klaus-Peter Hufer kann schließlich auf die gesellschaftliche Korrektivfunktion

der Erwachsenenbildung hingewiesen werden. Erwachsenenbildung sei demnach

der Ort, an dem extreme soziale und politische Einstellungen durch Bildungsmaß-

nahmen relativiert werden können. Hufer spricht in diesem Zusammenhang von

einer ‚Gegensteuerung’ gegen dysfunktionale Entwicklungen in den Einstellungen

der Gesellschaftsmitglieder:

„Den Weg dazwischen zu finden und vorzuschlagen, wäre im Sinne der Gegensteuerung. Genau-so sollte sich Erwachsenenbildung in einer Bürgergesellschaft präsentieren.“ (Hufer 1999: 91)

Es lässt sich an dieser Stelle also festhalten, dass die in der Zunft der politischen

Erwachsenenbildung diskutierten Beiträge, die die politische Erwachsenenbildung

den vorgestellten Überlegungen nach zur Förderung bürgerschaftlichen Engage-

53 Keupp verwendet des Begriff der Schlüsselqualifikationen nicht in einem berufs- oder betriebs-pädagogischen Sinn, sondern grenzt sich explizit von dieser Begriffsverwendung ab, indem er auf Oskar Negt verweist: „Gegen einen solchen ‚betriebswirtschaftlichen Imperialismus’ wendet sich Oskar Negt in seinem aktuellen Versuch, Lernziele oder Schlüsselqualifikationen für eine Gesell-schaft tiefgreifender gesellschaftlicher Veränderungen zuformulieren [...].“ (Keupp 1999: 27)

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149

ments leisten kann, sehr umfangreich und vielfältig sind. Mehrheitlich geht es aber

sicherlich darum, die Gesellschaftsmitglieder, die sich aus politischer Sicht letztlich

engagieren sollen, in gewisser Weise ‚fit’ für die Bürgergesellschaft zu machen

und ihnen das notwendige kognitive Rüstzeug in Form von Kompetenzen und

Qualifikationen mitzugeben (vgl. bspw. Hufer 2005).

Neben den genannten Aufgaben, die die politische Erwachsenenbildung für die

(Entwicklung einer) Bürgergesellschaft übernehmen kann bzw. soll oder gar muss,

werden auch Grenzen angesprochen, die der Erwachsenenbildung hierbei gesetzt

sind. Es wird auf einen Ökonomisierungstrend im Feld der politischen Erwachse-

nenbildung hingewiesen. Teilnehmende müssen demnach zunehmend als Kunden

betrachtet werden und sie agieren vermeintlich auch als solche. Kritische Inhalte

und für Einzelne ggf. unangenehme Themen und Angebote werden weniger stark

nachgefragt und in der Folge entsprechend weniger angeboten. Wenn es um den

‚Verkauf’ von Bildung geht, könne sich politische Erwachsenenbildung nur schwer

als ‚Verkaufsschlager’ beweisen, sondern nehme eher die Rolle des ‚Ladenhüters’

ein. Einen stärkeren Absatz finden Angebote, die sich durch eine verstärkte Aus-

richtung auf das ‚Selbst’ des individuellen Teilnehmers auszeichnen. Referenz-

punkte politischer Bildung seien dann nicht mehr die Gesellschaft und die in ihr

ablaufenden sozialen Prozesse, sondern das Individuum und dessen Position in

der Gesellschaft. Es gehe darum, der einzelnen Person Angebote zu machen, die

ihr dabei helfen, in der sich wandelnden Gesellschaft zurechtzukommen. Das Ziel

sei dann nicht mehr, Gesellschaft durch bürgerschaftliches Engagement zu verän-

dern, sondern es solle vor allem der individuelle Umgang mit gesellschaftlichen

Veränderungen ermöglicht werden (vgl. Hufer 1999).

Außerdem wird darauf verwiesen, dass das Verhältnis zwischen Politik bzw. politi-

schen Akteuren und (politischer) Erwachsenenbildung, welches gegenwärtig als

problematisch eingeschätzt wird, neu definiert werden muss:

„Diese problematische Beziehung, die immer wieder zu einem dramatischen Verlust an demokrati-scher Bildungskultur durch eine offene oder verdeckte Maulkorbpolitik führt, muß sich allerdings – gleichsam als Grundbedingung – ändern. Hier müssen vor allem die Kommunalverwaltung und -politik über traditionsreiche Schatten springen, wenn sie es mit bürgerschaftlichem Engagement ernst meinen.“ (Fischer/ Klemm 1999: 65)

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Im Kern geht es um eine besondere Form der politischen Anerkennung von Er-

wachsenenbildung. Politik solle demnach die unverzichtbaren Leistungen der Er-

wachsenenbildung hinsichtlich der Förderung der Bürgergesellschaft zur Kenntnis

nehmen, anerkennen und an den Ergebnissen ansetzen. Hierzu sei in der Auffas-

sung vieler Erwachsenenbildner in erster Linie eine finanzielle Förderung von Er-

wachsenenbildungseinrichtungen notwendig. Konzeptionelle oder programmati-

sche Überlegungen werden im erwachsenenpädagogischen Feld selbst angestellt.

Politik verhalte sich dann angemessen, wenn sie bekundet, wie wichtig politische

Erwachsenenbildung bei der Herausbildung einer Bürgergesellschaft ist und dies

mit finanziellen Zuwendungen honoriert, dabei aber inhaltlich nicht weiter ‚stört’

(vgl. Fischer/ Klemm 1999).

Bei dieser Argumentation kann der Eindruck entstehen, institutionelle Erwachse-

nenbildung wäre ohne weiteres in der Lage, ihren selbst zugeschriebenen Beitrag

zum Aufbau der Bürgergesellschaft zu leisten. Einzig die finanzielle Situation, die

aufgrund von Kürzungen öffentlicher Mittel als schlecht eingeschätzt wird und die

Einrichtungen in die beschriebene Ökonomisierung drängt, sowie die mangelnde

öffentliche Anerkennung der politischen Erwachsenenbildung führen dazu, dass

der Erfüllung der genannten Aufgaben Grenzen gesetzt sind. Die Frage, ob politi-

sche Erwachsenenbildung in ihrer gegenwärtigen Verfasstheit nicht auch schlicht

überfordert sein könnte mit all den Erwartungen, die sie zum Teil selbst im Zu-

sammenhang mit dem Wunsch nach Steigerung des bürgerschaftlichen Engage-

ments in der Gesellschaft an sich stellt, bleibt in der Debatte allerdings ausgeblen-

det. Man geht insgeheim davon aus, dass Erwachsenenbildung der Sache ge-

wachsenen ist. Erforderlich seien (lediglich) eine Reihe von inneren, praxisorien-

tierten Veränderungen und Anpassungen, auf die sich in der Literatur zahlreiche

Hinweise finden lassen. Demnach müsse es für die Praxis der politischen Erwach-

senenbildung darum gehen, sich von bisher etablierten Modellen der Vermittlung

zu verabschieden und sich neuen Modellen des Selbstlernens und der Selbstor-

ganisation des Lernens zuzuwenden (vgl. die Ausführungen zum selbstgesteuer-

ten und informellen Lernen in der vorliegenden Arbeit). Im Kern gehe es um die

Steigerung der Teilnehmerpartizipation, die zum Ausgangspunkt erwachsenen-

bildnerischen Handels werden sollte (vgl. Klemm 2004). Diese Überlegungen wer-

den oftmals unter dem Stichwort der ‚Ermöglichungsdidaktik’ verhandelt, die der

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traditionellen ‚Vermittlungsdidaktik’ entgegengestellt wird (vgl. bspw. Mörchen/

Bubolz-Lutz 2006a). Mit dieser veränderten didaktischen Ausrichtung gehen einige

strukturelle Veränderungen einher. Erwachsenenbildungseinrichtungen sollten

sich nicht mehr ‚nur’ als Bildungs- und Vermittlungsinstitutionen verstehen, die ihr

Angebot unter der Perspektive der Versorgung der Bevölkerung mit Bildung be-

wertet, sondern vielmehr als regionale ‚Entwicklungshelfer’ agieren. Die Region

oder die Gemeinde, in der die einzelnen Erwachsenenbildungsinstitutionen ansäs-

sig und tätig sind, werden auf diese Weise zum Fluchtpunkt erwachsenenbildneri-

schen Planungshandelns (vgl. Mörchen/ Tolksdorf 2009; Voesgen 2006). Dies

mache es zunächst erforderlich, dass Erwachsenenbildungseinrichtungen ihr Leis-

tungsspektrum erhöhen und neue Kompetenzen ausbilden. Neben dem Kernge-

schäft der Bildungsarbeit (Seminare, Kurse Vorträge etc.) müssen die Einrichtun-

gen demnach verstärkt Bildungsberatung und regionale Bildungs(markt)analyse

anbieten, Qualitätssicherung bei den unterschiedlichen Lernorten politischer Bil-

dung betreiben, Zielgruppenangebote entwickeln und diese mit Kooperationspart-

nern umsetzen und zu einem Ort von Vernetzungsaktivitäten unterschiedlicher

Akteure werden (vgl. Küchler 2009). Diese Veränderungen seien allerdings nur zu

erreichen, wenn Erwachsenenbildungseinrichtungen neue Selbst- und Aufgaben-

verständnisse entwickeln und akzeptieren, dass neue Anforderungen ein erweiter-

tes Leistungsangebot bedingen. Außerdem gehe mit dieser neuen Aufgabenstruk-

tur ein verändertes Verständnis von Didaktik einher. Es gelte, neue am Subjekt

ansetzende didaktische Theorien (bspw. konstruktivistische Erwachsenenbildung)

in die Bildungsarbeit zu integrieren (vgl. Klemm 1999, 2004).

Um all dies ermöglichen zu können, bedürfe es zudem eines neuen Professions-

verständnisses der Erwachsenenbildner. Nicht mehr die Vermittler und ‚Lehrer’

unter den Erwachsenenbildner seien gefragt, sondern vielmehr die Lernbegleiter

und Lernermöglicher, die in der Lage sind, Selbstlernen anzustoßen und in Rich-

tung des von den Lernenden definierten Ziels zu lenken. Erwachsenenbildungs-

einrichtungen sollten hierfür in der Angebotsplanung die notwendigen Freiräume

schaffen, während die Erwachsenenbildner die Kompetenzen bei sich selbst auf-

bauen sollen, die sie zur Erfüllung dieser neuen Aufgabe benötigen (vgl. bspw.

Mörchen/ Bubolz-Lutz 2006b).

Als notwendige Bedingung komme hinzu, dass sich die professionellen Erwach-

senenbildner (bzw. Lernbegleiter) selbst ganz bewusst als aktive Mitglieder der

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Bürgergesellschaft und somit als politische Akteure verstehen und ihr Handeln an

diesem Verständnis ausrichten sollten. Sie bekommen gewissermaßen Vorbild-

funktion zugeschrieben (vgl. Hufer 1999).

Bei all diesen angenommenen Veränderungsbedarfen bleiben die etablierten Insti-

tutionen der Erwachsenenbildung (bspw. Volkshochschulen) die Fixpunkte sämtli-

cher Überlegungen. Hierzu wird zudem an einigen Stellen auf konkrete Praxispro-

jekte und Handlungsmodelle hingewiesen, die zeigen sollen, in welcher Form die

Praxis in den etablierten Institutionen der Erwachsenenbildung auf die vorgestell-

ten Diskussionen konkret reagieren kann. So sprechen bspw. Fischer/ Klemm da-

von, dass bekannte (aber in letzter Zeit eher randständige) Konzepte der Erwach-

senenbildung im Zusammenhang mit der Forderung nach mehr bürgerschaftli-

chem Engagement eine Art Renaissance erleben sollten. Genannt werden das

Konzept der ‚Alltäglichen Erwachsenenbildung’, die ‚dezentrale Volkshochschular-

beit’ oder das ‚Lernen vor Ort’. Im Kern gehe es um die Wiederbelebung „einer

aufsuchenden und gemeinwesenorientierten Erwachsenenbildung“ (Fischer/

Klemm 1999: 66). Flankierend wird darauf verwiesen, dass eine solche Ausrich-

tung immer mit der Konzentration auf bestimmte Zielgruppen verbunden sein solle

(vgl. Heusohn/ Klemm 1999).

Wichtig für all diese Veränderungen sei es zudem, dass politische Erwachsenen-

bildung ihre Vorstellungen von den zu erreichenden Bildungszielen erweitert. Nicht

die Aneignung von Wissen über politische Prozesse alleine könne das Ziel sein.

Vielmehr gehe es um die Übernahme einer spezifischen Haltung, die Herbert

Schneider mit dem Begriff der ‚Zivilität’ beschreibt (vgl. Schneider 1998; vgl. au-

ßerdem Keupp 1999).54

54 Dass es für all diese Forderungen eine entsprechende Praxis geben kann, zeigt das Beispiel des Ulmer ‚Dialogmodells’. Die Stadt Ulm hat in den 1990er Jahren ein Programm zu Stärkung des bürgerschaftlichen Engagements und zur Förderung von Gemeinwesenarbeit gestartet. Die Kom-munalpolitik hat sich also der ‚Sache angenommen’ und zeigt somit die von Fischer/ Klemm gefor-derte Öffnung hin zum bürgerschaftlichen Engagement. Die Volkshochschule der Stadt Ulm betei-ligt sich (neben anderen Einrichtungen) intensiv an diesem Modell, indem sie ein Bildungspro-gramm eingerichtet hat, das viele der genannten Aspekte umfasst. Heusohn/ Klemm führen die Stadt Ulm als ein Beispiel an, mit dem gezeigt werden kann, dass Erwachsenenbildung einen Bei-trag zum bürgerschaftlichen Engagement leisten kann, wenn einerseits die Voraussetzungen ge-geben sind und sich andererseits die Einrichtungen in der erforderlichen Weise auf diese neuen Anforderungen programmatisch, organisatorisch/ strukturell und didaktisch einstellen (vgl. Heu-sohn/ Klemm 1999: 54ff). In jüngerer Vergangenheit sind einige (zum Teil vom BMBF geförderte) Projekte durchgeführt worden, die deutlich in der von Heusohn/ Klemm beschriebenen Tradition stehen. Besonders deutlich wird dies bspw. an dem Projekt ‚Lernort Gemeinde’, bei dem es im Kern darum geht, bürgerschaftliche und zivilgesellschaftliche Wertevermittlung durch Erwachse-

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153

Die vorgestellten Überlegungen zum Zusammenhang von Erwachsenenbildung

und bürgerschaftlichem Engagement lassen sich letztlich unter der Perspektive

zusammenfassen, dass sich der institutionellen politischen Erwachsenenbildung

hierdurch die Möglichkeit zu einer neuen Form der Legitimation eröffnet; und dies

sogar in zweifacher Hinsicht. Es wird folgendes Argument geführt: Wenn das bür-

gerschaftliche Engagement wirklich dazu beitragen kann, die Folgen gesellschaft-

licher Veränderungsprozesse in demokratischen Gesellschaften zu bearbeiten und

wenn die Steigerung bürgerschaftlichen Engagements wiederum davon abhängt,

dass politische Erwachsenenbildung die beschriebenen Aufgaben erfüllt, dann

werde sie zwangsläufig zu einer unverzichtbaren gesellschaftlichen Institution,

was sich dann auch in den finanziellen Zuwendungen seitens der öffentlichen

Hand widerspiegeln müsste. Politische Erwachsenenbildung steht in gewisser

Weise in Konkurrenz zu anderen Segmenten der allgemeinen Erwachsenenbil-

dung und vor allem der beruflichen Weiterbildung und muss sich – spätestens

wenn es um öffentliche Förderung geht – bemühen, ihre Position zu behaupten.

Dies könnte ihr unter den beschriebenen Voraussetzungen besser gelingen:

„Was derzeit fehlt, ist ein konkreter Legitimationsdiskurs, der einen pragmatischen und theoreti-schen Bezug zur aktuellen politischen Diskussion herstellt. Es geht um eine politische und päda-gogische Verortung der Erwachsenenbildung sowie um die Anschlussfähigkeit an erwachsenenpä-dagogische Konzepte.“ (Klemm 1999: 8)

„Diese bislang eher marginal auftretende Praxis einer aufsuchenden und gemeinwesenorientierten Andragogik muss an Bedeutung gewinnen, wenn Erwachsenenbildung auch in Zukunft eine öffent-liche Legitimation anstrebt.“ (Fischer/ Klemm 1999: 84)

Dieser Legitimationsversuch korrespondiert mit der prekären Stellung der politi-

schen Erwachsenenbildung im Vergleich zu anderen Segmenten und Themen der

Erwachsenenbildung. Die Beteiligung an politischer Erwachsenenbildung ist seit

vielen Jahren ausgesprochen niedrig und der Anteil dieses Bildungssegments am

Gesamtangebot institutioneller Erwachsenenbildung hat sich bei einer Quote ein-

gependelt, die bei wohlwollenden Schätzungen knapp über einem Prozent liegt

nenbildung voranzutreiben. Der Handlungsraum für diese Bemühungen sind kommunale oder kirchliche Gemeinden, in denen eine zentrale Erwachsenenbildungseinrichtung im Sinne der Pro-jektziele agiert, sich mit anderen Akteuren (bspw. Bürgerinitiativen) aus der Gemeinde vernetzt und mit den Bürgern zusammen Projekte plant, Diskussionsforen einrichtet, Angebote realisiert o. Ä. Ziel des Projektes ist es darüber hinaus, die Erfahrungen aus den einzelnen Teilprojekten in den Gemeinden im Sinne der Entwicklung neuer ‚Formate’ für die Erwachsenenbildung zu abstrahieren und auf diese Weise für andere Gemeinden (oder größere Räume) nutzbar zu machen (vgl. Mör-chen 2009; Schäffter 2009).

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(vgl. BMBF 2006). Man darf also nicht vergessen, dass die erwachsenenpädago-

gische Diskussion, die sich mit Fragen der Bürgergesellschaft auseinandersetzt,

ein Praxisfeld vor Augen hat, das unter quantitativen Gesichtspunkten eher eine

Randerscheinung darstellt, aber historisch und demokratietheoretisch hergeleitet

als genuine Aufgabe allgemeiner Erwachsenenbildungseinrichtungen verstanden

wird. Insofern kommt es der politischen Erwachsenenbildung sicherlich gelegen,

dass sie sich im Rahmen einer relevanten gesellschaftspolitischen Diskussion in

der beschriebenen Art und Weise neu ‚in Stellung bringen’ kann.

Zudem positioniert sich die politische Erwachsenenbildung auf diese Weise auch

innerhalb der eigenen Disziplin insofern, als sie an gegenwärtig sehr prominente

Debatten über selbstgesteuertes Lernen, neue Lernkulturen und neue Vorstellun-

gen von erwachsenenpädagogischer Professionalität anschließt55 und sich somit

als ein Segment der Erwachsenenbildung präsentierten kann, dass in methodi-

scher Hinsicht in keiner Weise hinter anderen Segmenten zurücksteht und somit

ein ebenso hohes Innovationspotenzial aufweisen kann, wie dies bspw. der beruf-

lichen Weiterbildung, die gegenwärtig sicherlich stärker im öffentlichen Interesse

steht, zugesprochen wird.

4 Erwachsenenpädagogische Diskurssegmente über Sozialkapital: Ver-

gleich und Kritik

Die in Kapitel 3 dargelegten expliziten und impliziten Bezugnahmen auf unter-

schiedliche Sozialkapitalkonzeptionen im Rahmen verschiedener erwachsenen-

pädagogischer Diskurssegmente werden im Folgenden unter zwei Gesichtspunk-

ten analysiert. In einer vergleichenden Perspektive werde ich aufzeigen, in wel-

cher Weise sich die unterschiedlichen Diskurssegmente wechselseitig befruchten

können, wenn man sie gezielt aufeinander bezieht. Hierbei wird deutlich, dass vor

allem eine explizite Bezugnahme auf unterschiedliche Sozialkapitalkonzeptionen

mehr Differenzierungen ermöglicht als dies bei impliziten Bezugnahmen der Fall

ist. Parallel geht es in den folgenden Überlegungen darum aufzuzeigen, welche

weitererführenden Perspektiven ermöglicht und welche Kritikpunkt sichtbar wer-

den, wenn man sich über den selektiven Umgang mit den verschiedenen Sozial-

kapitalkonzeptionen hinwegsetzt, wie er im Rahmen der angeführten Diskursseg-

55 Zu den angesprochenen Debatten vgl. Kapitel 3.2.1 der vorliegenden Arbeit.

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155

mente durch die Engführung auf Putnam und Coleman deutlich wird. Auf diese

Weise wird deutlich, welche Folgen die verschiedenen Leerstellen der einzelnen

Sozialkapitalkonzeptionen auch im Rahmen erwachsenenpädagogischer Diskurs-

segmente haben.

Die vor diesem Hintergrund zu thematisierenden Aspekte lassen sich nicht immer

ganz trennscharf voneinander unterschieden. Sie weisen allerdings je für sich be-

stimmte Akzentuierungen und Schwerpunktsetzungen auf, sodass es aus analyti-

schen Gründen sinnvoll ist, sie weitgehend getrennt voneinander vorzustellen, um

auf diese Weise die jeweiligen Kernaussagen besser herausstellen zu können.

4.1 Wechselwirkungen und Gleichzeitigkeit versus ‚closed shops’

Die unterschiedlichen Ansätze und Befunde, die ich für den Bereich der expliziten

erwachsenenpädagogischen Anschlüsse an Sozialkapital angeführt habe, zeich-

nen sich dadurch aus, dass sie, zusammenfassend betrachtet, eine Vielzahl von

Wechselwirkungen zwischen Sozialkapital und Lernen Erwachsener im Blick ha-

ben, die sich zunächst in dem folgenden Schaubild stark vereinfacht zusammen-

fassen lassen:

Abb. 2: Sozialkapital als Voraussetzung und Ertrag des Lernens Erwachsener – einfache Darstel-lung (in Anlehnung an Field 2005a)

Es muss allerdings in Rechnung gestellt werden, dass die in der Gesamtschau in

Erscheinung tretenden Zusammenhänge eine weitaus höhere Komplexität be-

schreiben, als sie in diesem Schaubild zunächst abgebildet werden kann. Zu-

nächst sei diesbezüglich darauf hingewiesen, dass soziales Kapital in englisch-

sprachigen Diskursen gleichermaßen mit Blick auf die kollektive und auf die indivi-

duelle Ebene behandelt wird. Es ist zwar erkennbar, dass einzelne Autoren

Schwerpunkte entweder auf kollektives oder auf individuelles Sozialkapital legen.

Sozialkapital Lernens Er-wachsener

als Voraussetzung des

als Ertrag des

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156

Hierbei wird die jeweils andere Perspektive aber niemals gänzlich ausgeblendet,

sondern in unterschiedlicher Weise mit in Rechnung gestellt. Um diesen Aspekt in

das obige Schaubild aufnehmen zu können, ist es in folgender Weise zu modifizie-

ren:

Abb. 3: Sozialkapital und Lernen – Individualebene und Kollektivebene (eigene Darstellung)

Zu betonen ist hierbei, dass die Wechselwirkungen und gegenseitigen Beeinflus-

sungen immer gleichzeitig stattfinden können. Lernen selbst bleibt hierbei als indi-

viduelles Phänomen im Blick: Es sind demnach die einzelnen Individuen, die ler-

nen. Die auf soziales Kapital bezogenen Lernergebnisse zeigen sich wiederum auf

kollektiver und individueller Ebene.

Aber auch diese erweiterte Graphik bildet noch nicht ab, dass der Zusammenhang

zwischen Sozialkapital und Erwachsenenbildung als fortlaufender Prozess und

nicht als statische Momentaufnahme anzusehen ist (vgl. hierzu auch Falk 2003).

Die einzelnen Wechselwirkungen und gegenseitigen Einflüsse zwischen (individu-

ellem) Lernen und (kollektiven und individuellem) Sozialkapital finden vielmehr

gleichzeitig und immer wieder aufs Neue statt. Außerdem muss in Rechnung ge-

stellt werden, dass sich parallel zu diesem Prozess sowohl die gesellschaftlichen

Verhältnisse als auch die einzelnen Individuen fortlaufend ändern und weiterent-

wickeln – der Faktor ‚Zeit’ ist also zu ergänzen. Insofern sind immer wieder neue,

von den vorherigen unterscheidbare Formen des Lernens zu erwarten, die von

immer wieder anderen Ausprägungen sozialen Kapitals beeinflusst werden bzw.

Lernen Sozialkapital

Individualebene

Kollektivebene

Sozialkapital

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157

diese selbst bedingen. Möchte man diese Überlegungen in die vorherige Graphik

einfügen, ergibt sich folgendes Bild:

Abb. 4: Sozialkapital und Lernen – individuelle und kollektive Entwicklung (eigene Darstellung)

Es ist vor dem Hintergrund dieser Abbildung in erster Linie eine Frage der Inter-

punktion, welche Wirkungsrichtungen bzw. Zusammenhängen letztlich im Zentrum

stehen, da es nicht möglich ist, sämtliche Zusammenhängen gleichzeitig bzw.

gleichgewichtig im Rahmen einer einzelnen Studie in den Blick zu nehmen. Inso-

fern konzentrieren sich die einzelnen der vorgestellten Ansätze auf internationaler

Ebene auf bestimmte Facetten des Zusammenhangs zwischen Sozialkapital und

Erwachsenenlernen und lassen die jeweils anderen Perspektiven dabei perma-

nent mitschwingen. Kollektives und individuelles Sozialkapital ist hierbei also so-

wohl als Voraussetzung des Lernens Erwachsener als auch als dessen Ertrag im

Blick.

Auf diese Weise wird im Bereich der expliziten Anschlüsse ein deutlich höherer

Differenzierungsgrad erreicht, als dies bei den impliziten erwachsenenpädagogi-

schen Anschlüssen der Fall ist. Mit Blick auf die vorgestellten Überlegungen aus

dem deutschsprachigen Raum bleibt vielmehr festzuhalten, dass hier zumeist

auch insofern selektiv vorgegangen wird, als Sozialkapital entweder als Voraus-

setzung oder Ertrag des Lernens Erwachsener beschrieben wird. Zudem geht es

dann entweder eher um individuelles oder eher um kollektives Sozialkapital.

Wenn bspw. im Rahmen der Debatte um selbstgesteuertes und informelles Ler-

nen die Rede davon ist, dass Individuen in ihren Netzwerken lernen, geht es in

Lernen Sozialkapital

Sozialkapital

Individualebene

Kollektivebene

Lernen

Sozialkapital

Individuelle Entwicklung

Gesellschaftliche Entwicklung

Sozialkapital

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158

erster Linie um Formen individuellen Sozialkapitals – selbst dann, wenn diese

Netzwerke im Kontext sozialer Bewegungen oder Initiativen entstehen. Im Blick

sind der Einzelne und dessen Netzwerke, die sich am besten mit einem an Cole-

man angelehnten Sozialkapitalverständnis beschreiben lassen. Momente kollekti-

ven Sozialkapitals spielen hierbei keine Rolle. Ebenso wird nicht systematisch da-

nach gefragt, inwiefern die Entstehung und die Entwicklung dieser Netzwerke ih-

rerseits wiederum vom Lernen Einzelner abhängig sind. Gleichzeitig lässt sich zei-

gen, dass die Debatte, in der die (politische) Erwachsenenbildung zur Förderung

von Integration, Teilhabe, Inklusion oder bürgerschaftlichem Engagement ins Spiel

gebracht wird, ohne Verweise auf selbstgesteuertes Lernen in sozialen Netzwer-

ken auskommt. Es wird lediglich sehr allgemein und in einem programmatischen

Duktus auf die Notwendigkeit selbstgesteuerten Lernens hingewiesen, ohne hier-

bei allerdings genauer zu spezifizieren, auf welche Weise diese stattfinden sollen

und inwiefern soziale Netzwerke hierbei eine Rolle spielen können. Als einzige

Referenzpunkte der Überlegungen dienen vielmehr die skizzierten Formen kollek-

tiven sozialen Kapitals und dies auch nur mit Blick darauf, inwiefern institutionell

gefasste, politische Erwachsenenbildung dazu beitragen kann, einzelnen Individu-

en zur gesellschaftlichen Integration, Teilhabe oder Inklusion zu verhelfen bzw.

das bürgerschaftliche Engagement innerhalb einer Gesellschaft zu fördern. Wie im

vorangegangenen Kapitel bereits angesprochen, hat man es hier mit voneinander

abgeschlossenen Diskurssegmenten zu tun – wenn man so möchte mit ‚closed

shops’ innerhalb der Erwachsenenpädagogik, die sich nicht von selbst gegenseitig

öffnen. Es lassen sich u. U. zwar einige wenige Autoren benennen, die eine ähnli-

che ‚Brückenfunktion’ einnehmen könnten, wie dies John Field bspw. im Bereich

der expliziten Anschlüsse tut, da sie sich in gewisser Weise in unterschiedlichen

der hier relevanten Diskurssegmenten bewegen (vgl. bspw. Overwien 2002,

2005b; Schäffter 2002, 2006, 2009). Sie übernehmen eine derartige Funktion al-

lerdings insofern nicht, als sie sich jeweils dem Mainstream, der in dem jeweiligen

Diskurssegment vorherrscht, anpassen, solange sie sich in ihm bewegen und es

auf diese Weise versäumen, einen Öffnungsprozess zwischen den unterschiedli-

chen Segmenten voranzutreiben. Dies ist insofern problematisch, als somit be-

stimmte Perspektiven ausgeblendet bleiben, die dazu beitragen könnten, die an-

gesprochenen Wechselwirkungen zwischen Erwachsenenlernen und sozialem

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159

Kapital besser zu erfassen, um letztlich die Entweder-oder-Logik, die innerhalb der

deutschsprachigen Debatten vorherrscht, zu überwinden.

Deutlich wird diese Problematik bspw. daran, dass die unterschiedlichen Formen

von Vereinen und anderen sozialen Gemeinschaften in den deutschsprachigen

Debatten gewissermaßen zwei Mal unabhängig voneinander vorkommen. Sie

kommen einmal als Orte des (selbstgesteuerten) Lernens vor, wenn dargelegt

wird, dass die einzelnen Mitglieder während ihrer Vereinaktivitäten lernen oder

zumindest dazu veranlasst werden. Dieses Lernen oder genauer gesagt dessen

Ergebnisse seien dann wiederum relevant für individuelle berufliche oder private

Herausforderungen, denen sich der Einzelne gegenüber sieht. Parallel zu dieser

Perspektive werden die unterschiedlichen Vereine insofern mit Lernen in Verbin-

dung gebracht, als Lernergebnisse als Vorraussetzung für die Beteiligung an sozi-

alen Gemeinschaften ins Feld geführt werden, sodass bestimmte Vereinsaktivitä-

ten überhaupt erst zustanden kommen, wenn im Vorfeld gelernt wurde. Zur Spra-

che kommt in erster Linie institutionell gerahmtes Lernen. Selbstgesteuertes Ler-

nen bleibt außen vor. Entscheidend ist aus dieser Perspektive letztendlich, dass

soziale Gemeinschaften entstehen, durch die wiederum kollektives soziales Kapi-

tal zur Verfügung gestellt werden soll.

Brächte man zunächst diese beiden Perspektiven zusammen, würden in zweierlei

Hinsicht Relativierungen möglich. Zum einen käme bzgl. der Debatte um selbstge-

steuertes und informelles Lernen in sozialen Gemeinschaften die Frage in den

Blick, welche Voraussetzungen von den Einzelnen zu erfüllen sind, um zunächst

Mitglied in bestimmten Netzwerken und sozialen Vereinigungen zu werden. Man

könnte berechtigt fragen, in welcher Weise die Teilnahme an institutionell gerahm-

ten Lernangeboten eine Bedingung dafür sein könnte, in der Folge Mitglied in ei-

ner sozialen Bewegung o. Ä. zu werden, um dort wiederum die Möglichkeit zu be-

kommen, selbstgesteuert und informell weiter zu lernen. Letztlich müsste man von

wechselseitigen Beeinflussungen zwischen institutionellem und außerinstitutionel-

lem Lernen sprechen. Der außerinstitutionelle Bias der Debatte um selbstgesteu-

ertes und informelles Lernen könnte auf diese Weise relativiert werden. Gleichzei-

tig wird allerdings auch ein neues Licht auf die stark am institutionellen Lernen

orientierten Debatten über Erwachsenenbildung und Integration, Inklusion, Teilha-

be und bürgerschaftliches Engagement geworfen. Selbst wenn es zutreffen sollte,

dass bestimmte Formen institutionellen Lernens notwendig sind, damit Teilhabe,

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160

Integration, Inklusion und Engagement zustande kommen, sollte nicht ausgeblen-

det werden, dass selbstgesteuertes und informelles Lernen in dem Augenblick an

Bedeutung gewinnt, wenn sich die Menschen bspw. Vereinen etc. engagieren.

Dies wird in den vorgestellten erwachsenenpädagogischen Debatten, die exem-

plarisch für den impliziten Anschluss an soziales Kapital vorgestellt wurden, aller-

dings nicht thematisiert.

Eine vergleichbare Kritik lässt sich zudem mit Blick auf die unterschiedlichen ge-

sellschaftlichen Ebenen anbringen, die in den einzelnen deutschsprachigen Dis-

kurssegmenten im Blick sind. Während im Rahmen der Debatte um selbstgesteu-

ertes Lernen in Netzwerken, Vereinen etc. nahezu ausschließlich die vernetzten

Individuen im Blick sind, liegt der Fokus in den Debatten zur Erwachsenenbildung

und Integration, Inklusion etc. auf kollektiven Phänomenen. Hierbei wird individuel-

les Lernen zuweilen zwar als (hinreichende) Bedingungen zur Integration, Teilha-

be oder Inklusion diskutiert. Es bleibt dabei aber weitgehend unterspezifiziert.

Vielmehr wird es ausschließlich in den Dienst zum Aufbau kollektives sozialen Ka-

pitals (im Anschluss an Putnam) gestellt. Auf diese Weise kann letztlich nicht ge-

sehen werden, dass auf der Individualebene bereits Zusammenhänge zwischen

Sozialkapital und Erwachsenenlernen eine Rolle spielen sind, die eine hohe er-

wachsenenpädagogische Relevanz haben.

Es zeigt sich letztlich, dass im Rahmen der impliziten erwachsenenpädagogischen

Bezugnahmen auf Sozialkapital, durch die der deutschsprachige Diskurs gekenn-

zeichnet ist, die Wechselwirkungen und Gleichzeitigkeiten zwischen Lernen und

unterschiedlichen Formen sozialen Kapitals nicht gesehen werden, die allerdings

in dem Moment deutlich in Erscheinung treten, wenn man expliziten erwachse-

nenpädagogischen Anschlüsse an Sozialkapital mit hinzuzieht.

4.2 Zur Kontingenz des Zusammenhangs zwischen Erwachsenenlernen und

Sozialkapital

Es kann quasi als eine Grundannahme der vorgestellten expliziten Anschlüsse an

Sozialkapital angesehen werden, dass sämtliches Lernen, das im Rahmen sozia-

ler Netzwerke und Gemeinschaften stattfindet, ebenso kontingent ist, wie seine

möglichen Ergebnisse, die sich u. U. hinsichtlich kollektivem oder individuellem

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161

Sozialkapital bemerkbar machen. Es ist aus dieser Perspektive also nicht selbst-

verständlich, dass Menschen in sozialen Netzwerken immer die Dinge lernen, die

man von ihnen erwartet. Insofern kann es sein, dass im Rahmen eines sozialen

Engagements bestimmtes Lernen stattfindet, das letztlich zu betrieblich verwertba-

ren Ergebnissen führt (so wie es bspw. im Rahmen des LisU-Projektes diskutiert

wird); dies muss aber nicht zwangsläufig der Fall sein bzw. ist an bestimmte Be-

dingungen geknüpft, die empirisch bisher noch nicht erfasst werden. Das Lernen

in Netzwerken ist den in Kapitel 3 dargelegten Studien und Autoren zufolge von

einer Vielzahl von Bedingungen abhängig (vgl. Strawn 2003, Preston 2004a), so-

dass nie mit Sicherheit gesagt werden kann, was die Menschen in den Netzwer-

ken letztlich lernen und was nicht.

Darüber hinaus ist noch eine weitere Form der Kontingenz zu betrachten, die sich

auf die Wechselwirkungen zwischen individuellem (Lern-)Handeln und kollektivem

Sozialkapital bezieht. Während im Bereich der impliziten Anschlüsse unhinterfragt

davon ausgegangen wird, dass individuelles Handeln (bspw. Lernen in Erwachse-

nenbildungseinrichtungen) zum Aufbau kollektiven sozialen Kapitals führt, wird

dieser ‚Automatismus’ im Rahmen der expliziten Anschlüsse so nicht gesehen.

Vielmehr ist es so, dass bspw. John Field mehrfach darauf hinweist, dass der Auf-

bau kollektiven sozialen Kapitals durch individuelles Lernhandeln beeinflusst wer-

den kann, ohne dass man diesen Einfluss genau beziffern bzw. ihn mit Sicherheit

voraussagen könnte. In die gleiche Richtung weisen die Befunde, die unter dem

Stichwort ‚Wider Benefits of Learning’ diskutiert werden.

Vor diesem Hintergrund erscheinen einige der diskutierten Ansätze aus dem Be-

reich der impliziten Anschlüsse insofern verkürzt, als sie diese Kontingenz nicht

ausreichend in Rechnung stellen. Man geht vielmehr wie selbstverständlich davon

aus, dass das Lernen, das in Netzwerken stattfindet, zu den Ergebnissen führt, die

jeweils gewünscht sind. Dies gilt besonders für die Debatten um die so genannten

Kompetenzentwicklungsnetzwerke oder das LisU-Projekt – also immer dann,

wenn berufliche bzw. betriebliche Verwendungszusammenhänge im Blick sind. So

lange man von dieser Annahme ausgeht, müsste es also ausreichen, dafür Sorge

zu tragen, Menschen in Netzwerke einzubinden, denn sicher wäre ja, dass sie dort

die Dinge lernen, die sie brauchen. Sollte dies einmal nicht der Fall sein, dürfte es

nicht am Netzwerk und den dort vorhandenen Lernmöglichkeiten gelegen haben.

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Ebenso selbstverständlich wäre es dann auch, dass institutionelle Formen des

Erwachsenenlernens dazu führen, Bürgerkompetenzen aufzubauen und sozial zu

integrieren. Im Ergebnis hieße das, dass man nicht mehr viel falsch machen kann,

solange man vernetzt ist bzw. lernt.

Hierbei wird zudem gänzlich übersehen, dass sich Sozialkapital und Lernen inso-

fern auch negativ beeinflussen können, als Lernergebnisse eine Erosion bestimm-

ter Formen sozialen Kapitals befördern können, indem Einzelne sich aus sozialen

Zusammenhängen bewusst zurückziehen, da sie aufgrund ihres Lernens zu der

Einsicht gelangt sind, dass sie in bestimmte Gemeinschaften nicht mehr hinein-

passen bzw. sich von diesen entfremdet haben. Dies ist eine Perspektive, die sich

in erster Linie bei John Preston andeutet, und die allerdings keine Entsprechung

im Rahmen der deutschsprachigen erwachsenenpädagogischen Debatte hat. Hier

ist es eher so, dass Lernen und Sozialkapital immer in einer positiven Weise auf-

einander bezogen werden: Wer lernt, vernetzt sich und ist integriert. Wer integriert

und vernetzt ist, lernt. Hierbei wird ebenso wenig thematisiert, dass Lernen auch

negative Konsequenzen auf kollektive Formen sozialen Kapitals haben kann. Dies

ist z. B. dann der Fall, wenn bestimmte Gruppen, die den sozialen Zusammenhalt

einer Gesellschaft bedrohen (z. B. rechtsradikale Vereinigungen), formelles und

informelles Lernen initiieren und zur Durchsetzung ihrer Interessen nutzen. Lernen

ist so gesehen kein exklusives Recht derjenigen, die im Sinne des gesamtgesell-

schaftlichen Zusammenhalts und der Integration handeln. Die von Portes und

Landolt angesprochene ‚downside of social capital’ kann an dieser Stelle eine

wichtige Rolle spielen (vgl. Portes/ Landolt 1996).

4.3 Zum erwachsenenpädagogischen Selbstverständnis im Rahmen der Debat-

te über selbstgesteuertes und informelles Lernen

Im Rahmen der Debatten um selbstgesteuertes Lernen ist die gesamte Verantwor-

tung für individuelles Lerngeschehen und dessen Ergebnisse bei den lernenden

Individuen selbst verortet. Grundlegend ist also eine stark ausgeprägte Subjektori-

entierung im Rahmen der entsprechenden erwachsenenpädagogischen Debatten.

Die Menschen werden hinsichtlich ihres Lernens weitgehend auf sich selbst ver-

wiesen. Sie werden als individualisierte Lernende angesehen, die zum einen

sämtliche Entscheidungen bzgl. ihrer Lernbemühungen selbst zu treffen haben

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163

und zum anderen gleichzeitig selbst das Risiko tragen müssen, mit diesen Lern-

bemühungen u. U. auch zu scheitern.

Das auf diese Weise zum Ausdruck kommende Selbstverständnis ist kennzeich-

nend für den Mainstream der Debatte über die vermeintlich neuen Lernformen,

unabhängig davon, ob sie institutionell gerahmt sind oder in außerinstitutionellen

sozialen Kontexten stattfinden. Es hat sich auf dieser Folie eine nicht mehr zu

überschauende Literaturlage entwickelt, in der selbstgesteuertes Lernen hinsicht-

lich verschiedener Aspekte zumeist mit dem Fokus auf deren praktische Relevanz

bearbeitet wird. So werden bspw. die neue Rolle der Lernenden beschrieben, die

hierfür notwendigen Selbst-Lernkompetenzen betont, veränderte Zielverstellungen

für pädagogisches Handeln bestimmt, neue didaktische Konzepte entwickelt oder

(sofern Lernen im Rahmen von Bildungseinrichtungen stattfindet) die neuen Auf-

gaben der Lehrenden in den Blick genommen (vgl. Arnold/ Gomez Tutor/ Kamme-

rer 2001, 2002; Behrmann 2003; Kaiser 2003; Kraft 2002b; Krug 2003; Schwarz

2003; Wittwer 2003). Für all diese Überlegungen kann zusammenfassend auf den

Begriff der ‚neuen Lernkulturen’ verwiesen werden, der sich als eine Art Oberbeg-

riff für die angesprochene Überlegungen und Ansätze etablieren konnte (vgl. Ar-

nold/ Schüßler 1998; Dietrich u. a. 1999; Dietrich/ Herr 2003; Fuchs-Brüninghoff

2001; Schüßler/ Thurnes 2005). Diese neuen Lernkulturen zeichnen sich dadurch

aus, dass sie das Subjekt als alleinigen Dreh- und Angelpunkt ihres individuellen

Lernens betrachten, welches sich eigenverantwortlich in unterschiedlichen Lern-

kontexten ereignet.56 Alle anderen Parameter des Lernens sind dem lernende

Subjekt dann quasi untergeordnet. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Lernen

nicht in Bildungsinstitutionen, sondern in sozialen Netzwerken, Vereinen oder

sonstigen Gemeinschaften stattfindet.

Als Gründe für die Notwendigkeit der Förderung der neuen Lernkulturen wird in

der Regel auf grundlegende gesellschaftliche Wandlungsprozesse verwiesen, die

u. a. bedingt durch technische Entwicklungen mit Individualisierungsprozessen,

einer erhöhten Anforderung an die Flexibilität jedes Einzelnen, verstärkten Ar-

56 Weiterbildungsinstitutionen stellen hierbei ggf. nur die notwendige Infrastruktur zur Verfügung, Lehrpersonen haben lediglich eine begleitende und in keiner Weise direktive Funktion und die an-gesprochenen didaktischen Modelle beschränken sich darauf, den individuell Lernenden das not-wendige Material zur Verfügung zu stellen, aus dem sie sich letztendlich eigenverantwortlich selbst bedienen müssen (vgl. Behrenberg 2001; Dietrich 1999, 2000, 2001; Forneck 2001).

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164

beitsmarktrisiken u. Ä. einhergehen. Letztlich werden soziale Erosionsprozesse

beschrieben, die zum einen jeden Einzelnen (je für sich) betreffen und die zum

anderen durch selbstgesteuertes Lernen individuell bearbeitbar gemacht werden

sollen. Insbesondere diejenigen, die formalisierten Lernangeboten oftmals fern

bleiben – die so genannten bildungsfernen Schichten – könnten einen besonderen

Gefallen am selbstgesteuerten Lernen finden, da sie nicht in traditionellen Lern-

kontexten stattfinden, die bei den Angehörigen dieser sozialen Schichten negative

Assoziationen hervorrufen (vgl. Dohmen 2001; Kraft 2002a, b). Man hegt also die

Hoffnung, dass lebenslanges Lernen bei allen Bevölkerungsschichten vor allem

über den Weg der Selbststeuerung erreicht werde.

Führt man sich bestimmte an Putnam anschließende Stränge der Sozialkapitalde-

batte oder die sozialwissenschaftlichen Diskurse über Integration, Inklusion und

Teilhabe vor Augen, fällt auf den ersten Blick eine grundlegende Gemeinsamkeit

zu den skizzierten Debatten über selbstgesteuertes und individuelles Lernen auf.

Man argumentiert insofern auf einer gemeinsamen Folie, als ähnlich bedrohliche

soziale Wandlungsprozesse angesprochen werden, die letztlich zu einer tiefgrei-

fenden Veränderung der vorherrschenden sozialen Verhältnisse führen. So ver-

weisen bspw. Putnam und Heitmeyer gleichermaßen auf (bedrohliche) Folgen von

sozialen Auflösungserscheinungen, die dazu führen, dass das soziale Kapital mo-

derner Gesellschaften immer mehr abnimmt. Hieraus entstehen weitreichende

gesellschaftliche Problemlagen. Ebenfalls spielen zunehmende Arbeitsmarktrisi-

ken, Entwicklungen hin zu einer Wissens- oder Informationsgesellschaft, schneller

technischer Wandel und immer komplexer werdende private und berufliche Her-

ausforderungen bzw. der Umgang mit diesen Herausforderungen im Rahmen der

Debatte um sozialen Kapital eine herausragende Rolle und werden insbesondere

unter der Perspektive einer Erosion sozialen Kapitals betrachtet. Auf all diese an-

genommenen Entwicklungen innerhalb moderner Gesellschaften wird auch im

Zusammenhang der Debatte um selbstgesteuertes Lernen Bezug genommen. Die

Art und Weise, wie und warum Erwachsene lernen und welche Bedeutung dieses

Lernen für sie hat, hat sich der Annahme nach unter den skizzierten sozialen Um-

ständen nachhaltig verändert.

Entscheidend ist an dieser Stelle allerdings, dass die Konsequenzen, die jeweils

aus den zugrunde liegenden Gesellschaftsdiagnosen gezogen werden, stark von-

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165

einander abweichen. Während im Rahmen der Sozialkapitaldebatte im Anschluss

an Putnam das ‚Soziale’ – im Sinne von sozialer Gemeinschaft – wieder gestärkt

werden soll, werden die angesprochenen Problemlagen in erwachsenenpädagogi-

schen Diskussionen zugunsten (oder besser: zulasten) des Individuums aufgelöst.

Die angesprochene Subjektorientierung hat zur Folge, dass gesellschaftliche Ver-

änderungsprozesse von den Subjekten abgefangen werden sollen; auch wenn es

sich nicht um selbst verschuldete Probleme handelt. Eine angemessene Reaktion

auf die beschriebenen Problemlagen bestehe darin, sich durch Lernen ‚fit’ für die

kommenden Herausforderungen zu machen. Wie dies konkret geschehen kann

und soll, ist allerdings eine Frage, die sich jeder Einzelne wiederum selbst beant-

worten muss. Die Gefahr bei einer solchen Subjektorientierung besteht darin, dass

die gesellschaftlichen Bindungskräfte, die Heitmeyer oder Putnam zufolge bereits

einer erheblichen Erosion ausgesetzt sind, weiter geschwächt würden, wenn man

letztlich auf eine Gesellschaft der ‚Einzelkämpfer’ hinarbeitet. Der gesamtgesell-

schaftliche Benefit, den man sich aus dem sozialen Engagement, den Vereinsakti-

vitäten u. Ä. erhofft, wird somit auf die Seite geschoben und in gewisser Hinsicht

konterkariert. Es soll der Einzelne ‚gerettet’ werden und nicht mehr die Gesell-

schaft, in der er lebt. Auf diese Weise wird das Problem gesellschaftlicher Desin-

tegration verschärft und nicht bearbeitet.

Es kann an dieser Stelle also konstatiert werden, dass das Verhältnis zwischen

Individuum und gesellschaftlichen Entwicklungen in den Diskursen über Sozialka-

pital und über selbstgesteuertes Lernens je unterschiedlich akzentuiert wird: Ent-

weder ist das Individuum dazu aufgefordert, von sich aus sozialen Zusammenhalt

zu fördern, indem es sich engagiert, oder es hat die Aufgabe, einen individuellen

Umgang mit den Problemlagen, denen es sich gegenüber sieht, zu finden. Selbst-

gesteuertes und informelles Lernen nimmt den Einzelnen insofern in die Pflicht,

als er selbst dafür Sorge tragen muss, dass er angemessen auf bestimmte Prob-

leme reagiert. Vorgeschlagen wird, dass in erster Linie individuelles Lernen und

Kompetenzentwicklungsprozesse einzuleiten sind. Die erwachsenenpädagogische

Strukturierung dieser Prozesse wird der entsprechenden Programmatik nach auf

ein Minimum zurückgefahren, insbesondere dann, wenn die Menschen gar nicht

mehr den Weg in die Erwachsenenbildungsinstitutionen finden. Die Entscheidun-

gen über die Inhalte, die Formen, die Methoden und über alle anderen Stellgrößen

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des Lernens obliegen den Lernenden selbst (dies impliziert gleichzeitig, dass die

Individuen auch selbst scheitern können). Im Prinzip haben die Individuen eine

reagierende Funktion: sie reagieren lediglich auf das, was in der Gesellschaft um

sie herum passiert und darauf sollen sie angemessen vorbereitet werden, indem

sie das Lernen erlernen. Die Vorstellung, dass gesellschaftliche Verhältnisse ggf.

auch durch individuelles Handeln zu ändern sind, ist im Rahmen der Debatte um

selbstgesteuertes und informelles Lernen in sozialen Netzwerken kaum erkenn-

bar, insbesondere dann nicht, wenn es um betriebliche (Lern-) Netzwerke und

dementsprechende Verwendungszusammenhänge des Gelernten geht.

Betrachtet man vor diesem Hintergrund exemplarisch den Ansatz des LisU-

Projektes, kann zum einen gefragt werden, ob die Projektverantwortlichen nicht

dazu tendieren, Formen individuellen sozialen Engagements, das in einer an Put-

nam angelehnten Idee her vor allem als eine am Gemeinwohl orientierte Tätigkeit

betrachtet werden sollte, im Sinne individueller Verwertbarkeit zu instrumentalisie-

ren. Wenn bei LisU der Ansatz verfolgt wird, dass Arbeitslose sich allein aus utili-

taristischen Motiven einer sozialen Aufgabe annehmen, weil sie der grundlegen-

den Annahme des Projekts zufolge auf diese Weise ihre Kompetenzen ausbauen

können, dann droht die Gefahr, dass das Feld der Vereine und freiwilligen Initiati-

ven einen aus gesellschaftlicher und politischer Perspektive nicht wünschenswer-

ten Veränderungsprozess durchläuft. Im Sinne von Putnams Auffassung von sozi-

alem Kapital und im Anschluss an die Debatte über gesellschaftlicher Integration

sollte es bei einer sozialen Tätigkeit verstärkt darum gehen, dass sich Menschen

für ihre soziale und ökologische Umwelt engagieren, ohne dabei ausschließlich

einen direkten Eigennutzen zu erwarten. Dieser Grundgedanke wird allerdings in

dem Moment verlassen, in dem man Vereine und Initiativen quasi als ‚Kompe-

tenzschulen’ betrachtet, die in die Pflicht genommen werden, einen Beitrag dazu

zu leisten, dass der Einzelnen in die Welt der Erwerbsarbeit zurückkehren kann,

um dann ggf. das Engagement wieder einzustellen. Letztlich wird der ‚Kitt der Ge-

sellschaft’ auf diese Weise nachhaltig bedroht.

Blickt man schließlich aus der Perspektive des Bourdieu’schen Sozialkapitalver-

ständnisses auf die Debatte über selbstgesteuertes und informelles Lernen – die

hinsichtlich der Struktur sozialer Netzwerke eher durch Colemans Sozialkapital-

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verständnis inspiriert ist – fällt auf, dass auch hier soziale Ungleichheitsstrukturen

und die aus diesen resultierenden Lern- bzw. Bildungszugängen nicht systema-

tisch mit aufgegriffen werden (vgl. hierzu auch Bremer 2007). Unter Rückgriff auf

Bourdieu kann festgehalten werden, dass die Lernmöglichkeiten in unterschiedli-

chen sozialen Netzwerken in ihrer Wertigkeit ungleich verteilt sind. In bestimmten

sozial privilegierten Netzwerken ist es demnach eher wahrscheinlich, dass die

Netzwerkmitglieder wichtige Kompetenzen aufbauen, die letztlich zur Verbesse-

rung oder zur Sicherung einer gehobenen und mit Machtressourcen verbundenen

sozialen Position beitragen. Der Zugang zu diesen Netzwerken ist wiederum an

bestimmte kulturelle und materielle Ressourcen geknüpft. Des Weiteren kann da-

von ausgegangen werden, dass überhaupt die Fähigkeit zum selbstgesteuertes

Lernen in sozialen Netzwerken nicht in allen Bevölkerungsschichten in gleicher

Weise ausgeprägt ist. Es ist vielmehr wahrscheinlich, dass die Angehörigen der

sozial benachteiligten sozialen Milieus in dieser Hinsicht deutlich mehr Schwierig-

keiten haben werden als diejenigen, bei denen im Anschluss an Bourdieu Lernen

und Umgang mit neuem Wissen habituell verankert ist und daher weniger Proble-

me bereitet bzw. eher selbstverständlich ist. Der Umgang mit Lerngegenständen

bzw. die Fähigkeit, sich bestimmten Herausforderungen selbstgesteuert lernend

zu nähern, ist in diesen Milieus stärker ausgeprägt.

In der erwachsenenpädagogischen Literatur wird diese Argumentationslinie vor

allem von Jürgen Wittpoth und Helmut Bremer (2006, 2007) verfolgt. Wittpoth hält

hierzu bspw. Folgendes fest:

„Es gibt zweifellos Menschen, die das Prinzip des ‚selbstorganisierten lebenslangen Lernens’ für sich seit je her (auch im Sinne von Selbst-Bildung) mit Gewinn realisieren (können). Das sind die-jenigen, die über reichlich kulturelles Kapital verfügen und relativ autonom unter Bedingungen ar-beiten, in die Bildungsprozesse quasi ‚eingebaut’ sind, bzw. ihren berufliche Alltag […] auf der Grundlage selbstgesteuert erworbener Expertise anspruchsvoll gestalten.“ (Wittpoth 2010a: 156; Hervorhebungen im Original)

In diesem Zitat wird zum einen deutlich, dass die individuelle Ausstattung mit kul-

turellem Kapital, sowie habituelle Voraussetzungen als entscheidende Faktoren

hinsichtlich der Möglichkeiten bzw. ‚Neigung’ zum selbstgesteuerten Lernen anzu-

sehen sind (vgl. auch Wittpoth 2009b). Zum anderen wird – sofern berufliche Wei-

terbildung den Gegenstand darstellt – an dieser Stelle auf die Bedeutung der je-

weiligen Arbeitsbedingungen abgestellt. Demnach ist es nicht nur entscheidend,

ob jemand erwerbstätig ist, sondern es spielt auch eine Rolle, in welcher berufli-

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168

chen Position er ist und welches Anspruchsniveau seine Tätigkeit mit sich bringt.

Dies zeigt sich besonders deutlich in den Befunden einer Studie von Martin

Baethge und Volker Baethge-Kinsky. Die beiden Autoren können zeigen, dass

informelle Lerngelegenheit, die in ihrer der Auffassung mittlerweile einen Großteil

betrieblicher und beruflicher Weiterbildung ausmachen, in mancher Hinsicht un-

gleich verteilt sind. Informelle Lerngelegenheiten sind demnach nicht nur grundle-

gend an die Beteiligung an Erwerbsarbeit gebunden, sondern zudem durch einen

entsprechend hohen Berufsstatus bedingt. Mit anderen Worten: betriebliches in-

formelles Lernen funktioniert nur im Betrieb und kommt selbst dort nicht für alle in

Frage. Das Erreichen einer entsprechenden beruflichen Position ist in der Regel

an bestimmten Formen (institutionalisierten und zum Teil auch inkorporierten) kul-

turellen und ökonomischen Kapitals gebunden. Diejenigen, die Zugang zu be-

stimmten informellen Lerngelegenheiten haben (bspw. in den angesprochenen

Lernnetzwerken), haben zuvor aller Voraussicht nach in ihr kulturelles Kapital in-

vestieren müssen und können; ansonsten wären sie nicht in entsprechende beruf-

liche Positionen gelangt (vgl. Baethge/ Baethge-Kinsky 2004).

Je stärker hierbei das soziale Kapital einer Person innerhalb dieser Zusammen-

hänge eine Rolle spielt, desto eher werden bestimmte sozial-politisch intendierte

Leistungen von beruflicher Weiterbildung überlagert und die Zugänge zur Weiter-

bildung verschließen sich immer mehr. Das System der beruflichen Weiterbildung

kann dann immer weniger dazu beitragen, gerechte Gesellschaftsstrukturen her-

zustellen. In diesem Zusammenhang beschreiben Schemmann/ Wittpoth zwei sich

ergänzende Entwicklungen im Weiterbildungsbereich: (1) Der statistisch nach-

weisbare Bedeutungszuwachs der betrieblichen Weiterbildung gehe einher mit

einer sinkenden Bedeutung beruflich orientierter Angebote. Hinzu komme (2),

dass die Angebote der beruflichen Weiterbildung auch dann, wenn sie von öffent-

lich-rechtlichen Einrichtungen wie den Industrie- und Handelskammern verantwor-

tet werden, immer stärker als so genannten ‚Firmenseminare’ ausgerichtet seien.

Derartige Seminare orientieren sich an den Interessen und Gegebenheiten einzel-

ner Firmen und werden maßgeblich von den entsprechenden Managementver-

antwortlichen gesteuert. Diese bestimmten letztlich auch, wer an welchen Semina-

ren teilnimmt und wer nicht. Es sei häufig abhängig von der Verteilung sozialen

Kapitals innerhalb einer Firma, wie über den Zugang zu den Weiterbildungsange-

boten entschieden wird. Ähnlich problematisch sei die Situation mit Blick auf ge-

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169

genwärtige Diskussionen über informelles Lernen in der betrieblichen Weiterbil-

dung und die mit dieser verbundenen Orientierung am Kompetenzbegriff. Bei die-

ser Form des Lernens spielten Schemmann/ Wittpoth zufolge habituelle Kompo-

nenten eine noch größere Rolle, als dies im traditionellen Bildungssystem der Fall

ist. Die Möglichkeiten zum informellen Kompetenzerwerb seien aus dieser Per-

spektive gesellschaftlich ungleich verteilt. Mit der Förderung informellen Lernens –

bei gleichzeitiger Abschwächung der Bedeutung institutioneller Bildungsangebote

und -zertifikate – werden die Ungerechtigkeitsverhältnisse in der beruflichen Wei-

terbildung demnach also nicht abgemildert, sondern eher verstärkt:

„Dass der (schleichende) Bedeutungsverlust der in öffentlichen Bildungseinrichtungen erworbenen individuellen Erträge einen (Rück-)Schritt zu einer Gesellschaftsordnung des Besitzes und der Herkunft darstellt, dürfte demgegenüber unumstritten sein. Und das, so denken wir, ist (auch) eine Frage der Gerechtigkeit.“ (Schemmann/ Wittpoth 2007: 27)

Vor diesem Hintergrund können vor allem die vorgestellten Beispiele zum berufli-

chen/ betrieblichen Lernen in Netzwerken oder Vereinen um einen wichtigen, rela-

tivierenden Aspekt ergänzt werden.

4.4 Normative Verkürzungen

Es ist bereits an mehreren Stellen deutlich geworden, dass ein Großteil der er-

wachsenenpädagogischen Bezugnahmen auf das Konstrukt ‚Sozialkapital’ eine

starke normative Ausrichtung aufweist. Diese Normativität zeigt sich vor allem

dann, wenn von Erwachsenenbildung und Integration, Inklusion, Teilhabe oder

bürgerschaftliches Engagement die Rede ist. Erwachsenenbildung soll (wenn

nicht sogar: muss) den dargelegten Debatten zufolge dazu beitragen, dass sich

Menschen in die Gesellschaft integrieren bzw. für die Gesellschaft engagieren.

Damit Erwachsenenbildung dies gelingen kann, wird es als unvermeidlich darge-

stellt, dass sie vor allem finanziell gefördert wird, sodass ihr Angebot sichergestellt

ist. In den Blick kommt hierbei in erster Linie die institutionelle politische Erwach-

senenbildung, die auf diese Weise eine (neue) Form der Legitimation erfährt.

Letztlich wird im Rahmen der vorgestellten Ansätze der Eindruck erweckt, moder-

ne Gesellschaften können gar nicht auf institutionelle politische Erwachsenenbil-

dung verzichten, wenn sie die voranschreitenden Erosions- bzw. Desintegrations-

prozesse bearbeiten möchten.

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170

Ungeklärt ist hierbei allerdings, inwiefern Erwachsenenbildung hierzu überhaupt in

der Lage ist bzw. ob nicht auch andere gesellschaftliche Prozesse und Institutio-

nen eine gewichtige Rolle spielen, sodass nicht die Bildungsangebote der politi-

schen Erwachsenenbildung alleine für gesellschaftliche Integration verantwortlich

sind. An dieser Stelle ist es auch interessant zu sehen, dass gerade aktuelle De-

batten über die vermeintlich gescheiterte Integration von Gastarbeitern und ande-

ren ausländischen Mitbürgern in Deutschland zeigen, in welcher Weise Integration

trotz jahrelanger erwachsenenpädagogischer Bemühungen (immerhin gilt Integra-

tion für einige Autoren als die Zentralkategorie der Erwachsenenbildung; vgl.

bspw. Oppermann 2003) auch heute als ein massives gesellschaftliches Problem

angesehen wird.

Diese erwachsenenpädagogischen Diskurssegmente, die im Kern auf Putnams

Sozialkapitalkonzeption basieren, führen also die von Putnam propagierten nor-

mativen Appelle mit und weisen somit letztlich auch die aufgezeigte ungleichheits-

theoretische Leerstelle der Putnam’schen Konzeption auf. Es geht bei diesen De-

batten zentral darum, die Position der Erwachsenenbildung im gesellschaftlichen

Gefüge zu stärken, indem zunächst soziale Bedrohungen für moderne Gesell-

schaft dargestellt werden, um im nächsten Schritt Erwachsenenbildung und Er-

wachsenenlernen als die vermeintlich ‚rettenden’ Instanzen ins Spiel zu bringen.

Erwachsenenbildung könne demnach dazu beitragen, die Bürger zu mehr Enga-

gement zu befähigen oder desintegrierte Bevölkerungsgruppen in die Gesellschaft

zurückzubringen, indem sie es vor allem bestimmten und besonders gefährdeten

Zielgruppen erleichtert, an Bildungsveranstaltungen teilzunehmen. Soziale Integ-

ration, Teilhabe oder Inklusion werden somit (nur) über den Weg der Teilnahme

an Erwachsenenbildung befördert. Zuweilen wird bereits die Teilnahme an Er-

wachsenenbildung selbst als eine Form von Teilhabe, Integration oder Inklusion

angesehen. Eine solche auf die Legitimation des eigenen Handelns angelegte Ar-

gumentation muss vor dem Hintergrund eines durch Bourdieu belehrten Sozialka-

pitalverständnisses in mehrfacher Hinsicht kritisch kommentiert werden.

Auch wenn es durchaus angemessen ist, Erwachsenenbildung eine sozial integ-

rierende Funktion zuzusprechen, ist darauf hinzuweisen, dass die entsprechenden

erwachsenenpädagogischen Debatten analog zu Putnams Auffassung von Sozial-

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171

kapital und dessen gesellschaftlichen Effekten auf systematische Bezugnahmen

auf gesellschaftliche Ungleichheitsstrukturen und deren Reproduktionsmechanis-

men verzichten. Es wird mit Blick auf die Debatte über Erwachsenenbildung und

bürgerschaftliches Engagement bspw. nicht gefragt, welche sozialen Positionen

die bürgerschaftlich Engagierten einnehmen und welche durch den jeweiligen Ha-

bitus bedingten Motivlagen zum Engagement hieraus resultieren. Sofern es sich

bei den Engagierten vornehmlich um Personen handelt, die mit ausreichend kultu-

rellem, ökonomischen und sozialem Kapital ausgestattet sind, sind den skizzierten

erwachsenenpädagogischen Interventionen sehr enge Grenzen gesetzt. Es han-

delt sich hierbei dann nicht um Gesellschaftsgruppen bzw. Milieus, die im Sinne

der aufgezeigten erwachsenenpädagogischen Argumentationsmuster von Desin-

tegration oder Exklusion betroffen sind. Es kommt also auch nicht in den Blick,

dass diejenigen Bevölkerungsschichten, die ganz im Sinne Putnams mehr bürger-

schaftliches Engagement zur Rettung moderner Gesellschaften fordern, oftmals

zu den Privilegierten in einer Gesellschaft gehören (bspw. Politiker, Intellektuelle,

Industrielle), während sich ihr Appell an die sozial benachteiligten Bevölkerungs-

schichten richtet, die für den Aufbau der Bürgergesellschaft verstärkt in die Pflicht

genommen werden, obwohl sie für die beschriebenen Erosionsprozesse kaum

verantwortlich gemacht werden können. Ob allerdings erwachsenenpädagogische

Maßnahmen an dieser Stelle (alleine) wirklich hilfreich sein können, ist durchaus

kritisch zu hinterfragen. An dieser Stelle sei noch einmal auf die Überlegungen von

Michael Helmbrecht und Sebastian Braun verwiesen, die beide durch einen Ver-

gleich der Sozialkapitalverständnisse von Putnam und Bourdieu zu dem Schluss

kommen, dass die normative Prägung der Putnam’schen Sozialkapitalkonzeption

aus dieser Perspektive kritisch zu sehen ist.

Diesem Argument folgt in gewisser Weise auch Peter Alheit, wenn er explizit da-

nach fragt, in welchem Verhältnis das Konzept des lebenslangen Lernens zum

Sozialkapitalbegriff steht (vgl. hierzu und zum Folgenden Alheit 2008). Bei beiden

handele es sich Alheit zufolge um Kategorien, die sich durch eine große Aktualität

und Popularität vor allem auf politischer Ebene auszeichnen. Sowohl dem lebens-

langen Lernen als auch bestimmten Lesarten sozialen Kapitals werde ein großes

Potenzial bei der Lösung gesellschaftlicher Probleme zugesprochen, und insofern

sei es Alheit zufolge nachvollziehbar, dass vor allem von politisch-

programmatischer Seite her der Versuch unternommen wird, diese beiden Kon-

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172

zeptionen insofern aufeinander zu beziehen, als vor allem ihre positiven Effekte

herausgehoben werden, die dann bestenfalls kumulieren. Nimmt man allerdings

Bezug auf die Kapitaltheorie von Bourdieus, kommt man Alheit zufolge zu einer

weniger aussichtsreichen Schlussfolgerung: Sowohl soziales Kapital als auch die

Möglichkeiten zum lebenslangen Lernen (und somit auch kulturelles Kapital) seien

gesellschaftlich ungleich verteilt. Auf diese Weise tragen soziales Kapital und le-

benslanges Lernen gleichermaßen zu weiteren Spaltungsprozessen in der Gesell-

schaft bei. Ergänzend ist hierzu anzumerken, dass dieser Zusammenhang insbe-

sondere dann gilt, wenn man lebenslanges Lernen vor allem als selbstgesteuertes

oder informelles Lernen begreift. Diese unstrukturierten Lernformen sind in beson-

dere Weise innerhalb einer Gesellschaft ungleich verteilt, und es werden dann vor

allem die Milieus bevorzugt, die Lernen und den Umgang mit Kulturgütern als fes-

te Bestandteile ihres Habitus aufweisen, da sie mit ausreichend kulturellem und

ökonomischem Kapital ausgestattet sind.

Über diesen zentralen Kritikpunkt hinaus kann an dieser Stelle auch unter Rück-

griff auf Colemans Sozialkapitalverständnis noch ein zusätzliches kritisches Mo-

ment bestimmt werden, welches auf weitere normative Verkürzungen in den an-

gesprochenen Debatten aufmerksam macht. Coleman macht in seinen Überle-

gungen zum Sozialkapital deutlich, dass es zwar so etwas wie einen kollektiven

Nutzen sozialen Kapitals geben kann. Dieser Aspekt sozialen Kapitals hat insofern

aber einen sehr prekären Charakter, als er quasi ein unbeabsichtigtes Nebenpro-

dukt individueller Handlungen ist. Menschen vernetzen sich, bauen Sozialkapital

auf und nutzen dieses zur Erreichung ihrer individuellen Handlungsziele. Hierbei

können u. U. Nebeneffekte entstehen, die einem Kollektiv zugute kommen, welche

allerdings dann wegfallen, wenn die zugrunde liegenden Netzwerke für die Einzel-

nen nicht mehr von Belang sind und deshalb aufgelöst werden. Netzwerke werden

Coleman zufolge über ihre Funktion für das Individuum als Sozialkapital identifi-

zierbar. Der ‚Aspekt des öffentlichen Gutes’ ist zwar der entscheidende Anknüp-

fungspunkt zwischen Putnams und Colemans Vorstellungen über Sozialkapital. Er

wird insbesondere von Coleman allerdings gänzlich anders zugeschnitten und ist

mit deutlich weniger normativem Ballast versehen, als es bei Putnam der Fall ist.

Es ist aus dieser Perspektive zwar davon auszugehen, dass individuelles Handeln

(in Netzwerken) immer auch auf der Kollektivebene bemerkbar wird. Es können

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173

hierbei allerdings keine Kausalaussagen gemacht werden, die klar darauf schlie-

ßen lassen könnten, was ein Individuum zu tun hat, um die Gesellschaft in diesem

Sinne zu verändern. Hierfür sind die Zusammenhänge zu komplex und nur in der

Wechselwirkung zwischen Individual- und Kollektivebene verstehbar, in der aber

nicht von der einen Ebene aus direkt im Sinne eines eindeutigen Wirkungszu-

sammenhangs auf die andere zugegriffen werden kann. Vor diesem Hintergrund

bleibt zu fragen, warum gerade Lernen, das von der Sache her zunächst am Indi-

viduum ansetzt, hierbei eine Ausnahme darstellen sollten. Es ist durchaus plausi-

bel anzunehmen, dass individuelles Lernen einerseits Vernetzung fördert und

dann in der Folge auch zu Veränderungen auf der Kollektivebene führt. Aber diese

Zusammenhänge sind nicht vorhersagbar bzw. planbar, sondern – ähnlich wie bei

Coleman – eher prekär und zufällig, sodass man nicht bewusst planen kann, ob

und wann Lernen zum Aufbau kollektiven Sozialkapitals beitragen kann, welches

dann wiederum einen positiven Effekt für eine gesamte Gesellschaft hat. Unter

Rückgriff auf Bourdieu ist an dieser Stelle dann noch zu ergänzen, dass der Zu-

sammenhang zwischen Individual- und Kollektivebene jenseits des Cole-

man’schen Rational-Choice-Ansatzes insofern noch weitaus komplexer zu be-

schreiben ist, als soziales Handeln immer Resultat und Ausdruck der jeweiligen

Position des Einzelnen in den unterschiedlichen sozialen Feldern und nur als Aus-

druck des jeweiligen Habitus erklärbar ist. Dies bezieht sich dann auch auf sämtli-

ches Handeln für und in soziale(n) Beziehungsstrukturen, seien es gemeinschaftli-

che Kegelabende, die Beteiligung am Rotary Club oder Lernen in Netzwerken.

Vor diesem Hintergrund ist der in den entsprechenden erwachsenenpädagogi-

schen Debatten angenommene Mechanismus, dass die Teilnahme an institutio-

nellen Lernangeboten nahezu umstandslos zu Integration, Teilhabe oder Inklusion

führt, nicht ohne weiteres haltbar. Die Folgen des selektiven Umgangs in der Er-

wachsenenpädagogik mit bestimmten Sozialkapitalvorstellungen, die alleine Put-

nams Überlegungen als Referenz nehmen, werden auf diese Weise deutlich spür-

bar.

4.5 Zielgruppenorientierung: ‚Alter Wein in neuen Schläuchen’?

Ein besonderes Merkmal der erwachsenenpädagogischen Diskurssegmente, in-

nerhalb derer implizit an Sozialkapital im Sinne sozialer Integration, Inklusion,

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174

Teilhabe und bürgerschaftlichem Engagements angeschlossen wird, ist in der Be-

tonung von Konzepten wie Zielgruppenarbeit, aufsuchender Bildungsarbeit oder

Lernen vor Ort zu sehen. Bei all diesen Konzepte entsteht unweigerlich der Ein-

druck, dass es sich hier um eine Wiederaufnahme von erwachsenenpädagogi-

schen Ansätzen handelt, die bereits in den 1970er und 80er Jahren auf breiter

Basis diskutiert wurden (vgl. Schäffter 1981; Schiersmann 1984, 1995). Und die-

ser Eindruck ist in vielerlei Hinsicht durchaus zutreffend.

Als die Debatte um Zielgruppenorientierung und Zielgruppenarbeit in den 70er und

80er Jahren in einer besonderen Intensität geführt wurde (vgl. bspw. Schäffter

1981; Schiersmann 1984, 1995), haben sich unterschiedliche Lesarten der Ziel-

gruppenorientierung etablieren können. Christiane Schiersmann spricht in diesem

Zusammenhang zum einen von einer (1) Zielgruppenarbeit im Sinne der Homoge-

nisierung von Lerngruppen. Es handelt sich hierbei um eine lernpsychologisch

begründete „pädagogische Organisationsform von Veranstaltungen, bei denen

eine im Hinblick auf einzelne Kriterien homogene Gruppe gemeinsam in einem

institutionellen Kontext lernt.“ (Schiersmann 1995: 21). Erwachsenenbildungsver-

anstaltungen orientieren sich dann an den angenommenen Voraussetzungen ei-

ner bestimmten Zielgruppe, um auf diese Weise eine Verbesserung der Pro-

grammplanung und -durchführung zu erreichen. Diese Vorstellung von Zielgrup-

penarbeit richtet sich insofern an die Praxis der Erwachsenenbildung, als das pro-

fessionelle Planungshandeln der Erwachsenenbildner fokussiert wird. Letztlich

geht es darum, Teilnehmer für Veranstaltungen zu gewinnen.

Zum anderen unterscheidet Schiersmann hiervon einen Ansatz, den sie (2) als

‚Pädagogisierung gesellschaftlicher Problemlagen’ bezeichnet. Hierbei handelt es

sich um einen sozial-politisch motivierten Ansatz. Es geht darum, diejenigen anzu-

sprechen, die traditionell nicht von Angeboten der Erwachsenenbildung erreicht

werden (bildungsferne Schichten). Hierzu sei eine besondere, den Gruppen an-

gemessene Ansprache erforderlich. Im Kern kommt hier ein demokratischer

Grundansatz allgemeiner (insbesondere politischer) Erwachsenenbildung zum

Ausdruck, der das Ziel setzt, allen Bevölkerungsschichten gleichermaßen die

Möglichkeit zu eröffnen, an Erwachsenenbildung teilzunehmen (vgl. Degen-

Zelazny 1974; Dreykorn 1981). In Abgrenzung aber teilweise auch in Ergänzung

zu sozialpädagogischen Ansätzen definiert Erwachsenenbildung sich auf diese

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175

Weise als Interventionsmöglichkeit, um akute soziale Problemlagen unterschiedli-

cher, sozial benachteiligter Gruppen zu bearbeiten (vgl. Beier 1983; Mader 1982).

Die ‚Pädagogisierung gesellschaftlicher Problemlagen’ wird seit jeher sehr kritisch

betrachtet. Zum einen wird der Vorwurf erhoben, mit Defizitzuschreibungen zu

arbeiten, die letztlich zu einer Stigmatisierung einzelner sozialer Gruppen führen.

Hierbei wird es als besonders problematisch angesehen, dass Defizite und Be-

nachteiligungen von denjenigen definiert werden, die nicht davon betroffen sind.

Letztlich entsteht das Problem, dass von Außenstehenden nie eindeutig bestimmt

werden kann, ob eine objektiv erfassbare Benachteiligung von den vermeintlich

Benachteiligten ähnlich eingeschätzt wird (vgl. bspw. Siebert 2006). Hinzu kommt,

dass eine derartige Zielgruppenorientierung schnell Gefahr läuft, instrumentalisiert

zu werden. Soziale Benachteiligungen und soziale Ungleichheiten bergen eine

gesellschaftliche Sprengkraft in sich, die durch Bildungsmaßnahmen entschärft

werden soll, ohne dass gesagt werden kann, ob dies überhaupt möglich ist.

Eng verbunden mit ‚Pädagogisierung gesellschaftlicher Problemlagen’ ist die Vor-

stellung von Zielgruppenorientierung (3) als „aktiver politischer Lernprozess […],

der gesellschaftliche Veränderungen initiieren bzw. begleiten soll.“ (Schiersmann

1995: 22; Hervorhebungen H. F.). Im Zentrum dieses Ansatzes (den Schiersmann

mit den Stichworten ‚Bildung und Aktion’ bezeichnet) steht das politisch motivierte

Handeln unterschiedlicher Gruppen, welches im Kontext institutioneller Erwachse-

nenbildung stattfinden soll. Angesprochen werden hier weniger sozial benachtei-

ligte Gruppen. Vielmehr geht es um Personengruppen, die ein gemeinsames poli-

tisches Interesse haben, welches zumeist einen regionalen bzw. lokalen Bezug

aufweist. Besondere Merkmale dieser Form der Zielgruppenorientierung sind die

Stadtteilarbeit, die aufsuchende Bildungsarbeit und das Lernen vor Ort (vgl. Baa-

cke/ Brücher 1989; Rogge 1985). Es handelt sich hierbei Konzepte, die letztlich

eine Öffnung von Erwachsenenbildungseinrichtungen implizieren, indem sie sich

zu Orten des politischen Handelns wandeln, worauf dann wiederum mit Lernbe-

mühungen reagiert werden müsse. Es entsteht allerdings das Problem, dass insti-

tutionelle Erwachsenenbildung an ihren Grenzen immer unklarer wird und sich

sehr stark mit Formen der politischen Aktion vermischt, sodass sie Gefahr läuft,

ihre Eigenständigkeit zu verlieren.

Vergleicht man diese Skizze der Diskussion um Zielgruppenarbeit aus den 1970er

und 80er Jahren mit der Art und Weise, wie im Rahmen der Debatte um Erwach-

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176

senenbildung und Integration u. Ä. auf unterschiedliche Zielgruppen zugegangen

wird, lassen sich zunächst zentrale Gemeinsamkeiten bestimmen. Insbesondere

die ‚Pädagogisierung gesellschaftlicher Problemlagen’ und die Verbindung von

‚Bildung und Aktion’ sind den aktuellen Vorstellungen in einiger Hinsicht sehr ähn-

lich gelagert. Damals wie heute werden ‚Problemgruppen’ fokussiert, die anhand

von benachteiligenden Sozialmerkmalen definiert werden. Diese Merkmale kön-

nen sich auf die ethnische und nationale Herkunft, auf die (Nicht-)Beteiligung am

Arbeitsmarkt, auf Geschlecht oder auf den körperlichen und geistigen Gesund-

heitszustand beziehen. Es ist jeweils dieses eine Merkmal (Migrationshintergrund,

Frau-Sein, Behinderung o. Ä.), welche für die Zugehörigkeit zu einer bestimmten

Zielgruppe verantwortlich sein soll. Erwachsenenpädagogische Maßnahmen zie-

len dann darauf ab, die Benachteiligung, die mit diesem Merkmal verbunden ist,

zu bearbeiten. Hierbei ist es bemerkenswert, dass die frühere Kritik, diese Art der

Zielgruppendefinition führe zu einer Stigmatisierung derjenigen, die vermeintlich

zu einer dieser Zielgruppen gehören, keine Folgen hatte. Es hat sich auch in der

aktuellen Zielgruppenorientierung nichts daran geändert, dass bestimmten Grup-

pen Defizite zugeschrieben werden, die sie in besonderer Weise in den erwach-

senenpädagogischen Fokus rücken. Außerdem wird nach wie vor angenommen,

dass die Ansprache der einzelnen Zielgruppen besondere pädagogische Konzep-

te erfordert, die letztlich mit einer Öffnung institutioneller Erwachsenenbildung ein-

hergehen sollten. Dass auf diese Weise die Grenzen der Erwachsenenbildung zur

Sozialarbeit und zur Sozialpolitik verschwimmen, wurde bereits in den 80er Jahren

angesprochen. Dennoch haben die entsprechenden Praxiskonzepte bis in die ak-

tuellen Debatten nichts an Bedeutung eingebüßt. Umso überraschender ist es,

dass trotz der Öffnungstendenzen gerade in der aktuellen Debatte um Zielgrup-

penorientierung die institutionell gefasste Erwachsenenbildung eine besondere

Aufmerksamkeit erfährt. Insgesamt weisen sowohl die früheren als auch die aktu-

ellen Vorstellungen von Zielgruppenarbeit eine gewisse Immunität gegen die an-

gesprochenen kritischen Anmerkungen auf.

Neben dieser Kontinuität zeigt der Vergleich der aktuellen mit der ‚klassischen’

Diskussion der Zielgruppenorientierung aber auch einige Unterschiede auf. Durch

die Bezugnahme auf die Debatten um soziale Integration, Teilhabe, Inklusion oder

bürgerschaftliches Engagement (und somit in implizite Weise auf bestimmte Les-

arten sozialen Kapitals) verschafft sich vor allem die politische Erwachsenenbil-

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dung eine neu gelagerte Aufgabenzuschreibung. Es geht nun nicht mehr um die

akute, zum Teil fallbezogene Bearbeitung von Problemlagen – eng mit sozialpä-

dagogischen Vorstellungen verbunden – oder um die Unterstützung (lokal-) politi-

scher Interessen einzelner Gruppen, sondern um gesamtgesellschaftliche Prob-

leme, die letztlich das Funktionieren moderner Gesellschaften in Gefahr bringen.

Es liegt dem insofern eine Akzentverschiebung hinsichtlich des Gesellschaftsbil-

des zugrunde, als man in den 70er und 80er Jahren in erster Linie davon ausging,

dass einzelne Gruppen innerhalb einer Gesellschaft benachteiligt sind, sodass sie

besonderer pädagogischer Interventionen bedürfen. Es galt, spezielle soziale

Spannungen, die durch soziale Ungleichheit hervorgerufen werden, zu vermeiden.

In den vorgestellten aktuellen erwachsenenpädagogischen Überlegungen über

Zielgruppenorientierung kommt hingegen in gewisser Weise die Gesellschaft als

Ganze in den Blick, welche auseinanderzufallen droht, weil wiederum bestimmte

soziale Gruppen nicht integriert sind. Es geht also nicht mehr um punktuelle sozia-

le Spannungen, sondern um gesellschaftlichen Zusammenhalt als Ganzes. Die

Aufgabe erscheint somit ungleich größer und schwieriger; dennoch hält sich die

Auffassung, dass die Fokussierung bestimmter Gruppen der angemessene Ansatz

ist. Erwachsenenbildung muss sich nicht mehr um die Abgrenzung zu Sozialpäda-

gogik bemühen, sondern kann eine eigene und unverzichtbare gesellschaftliche

Rolle für sich beanspruchen. Dieser Anspruch der Erwachsenenbildung geht mit

einer neuen Definition des Verhältnisses zwischen Erwachsenenbildung und staat-

lichen Institutionen einher. In der neueren Fassung der Zielgruppenorientierung

wird die Differenz zwischen Staat und Erwachsenenbildung deutlich betont. Staat-

lichen Institutionen wird die Aufgabe zugesprochen, Erwachsenenbildung finanziell

zu fördern und sich ansonsten nicht weiter ‚einzumischen’. Eine derart klare Gren-

ze zu staatlichen Leistungen wurde in der früheren Debatte um Zielgruppenorien-

tierung nicht gezogen. Vielmehr wurde das gemeinsame, komplementäre Agieren

zum Abbau von Benachteiligung unterstrichen (vgl. Schiersmann 1994). Zielgrup-

penarbeit in der Erwachsenenbildung und Sozialpolitik lagen dicht beieinander –

teilweise so dicht, dass nicht mehr eindeutig zwischen beiden unterschieden wer-

den konnte.

Im Kern wird deutlich, dass sich vor allem auf der praktischen Ebene eine klare

Kontinuität in der erwachsenenpädagogischen Zielgruppenorientierung seit den

1970er Jahren feststellen lässt und dies entgegen aller Kritik, die an der Zielgrup-

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penorientierung geübt wird. Mit Blick auf die jeweiligen gesellschaftstheoretischen

Hintergründe zeigen sich hingegen Differenzen, die vor allem in Schwerpunktver-

schiebungen bzgl. des Aufgabenzuschnittes und in einer neuen Interpretation des

Verhältnisses zwischen Erwachsenenbildung und staatlichen Institutionen resultie-

ren.

Im Vergleich zur deutschsprachigen Debatte spielen Konzepte wie Zielgruppen-

orientierung, Stadtteilarbeit u. Ä. auf internationaler Ebene allerdings kaum eine

Rolle. Dies gilt sowohl mit Blick auf Debatten um ‚civic engagement and adult lear-

ning’, die sonst in vielerlei Hinsicht Gemeinsamkeiten mit den deutschsprachigen

Ansätzen zum Zusammenhang zwischen Erwachsenenbildung und Integration,

Teilhabe, Inklusion und bürgerschaftliches Engagement aufweisen, als auch für

die expliziten erwachsenenpädagogischen Anschlüsse an den Sozialkapitalbegriff.

Die Grundrichtung der Argumentation zum Zusammenhang zwischen ‚civic enga-

gement’ und ‚adult learning’ bzw. ‚lifelong learning’ auf internationaler Ebene ist

zunächst vergleichbar mit den vorgestellten impliziten Anschlüssen zwischen Er-

wachsenenbildung und Sozialkapital im deutschsprachigen Diskurs; dies gilt auch

für die normative Prägung dieser Überlegungen. Bei beiden wird – weitgehend

empirieentfernt – davon ausgegangen, dass Erwachsenenbildung bei der Heraus-

bildung der ‚civil society’ bzw. der Bürgergesellschaft einen wichtigen Beitrag lie-

fern könne bzw. müsse. Für die Herausbildung der ‚civil society’ sei ein bestimmter

Typus des Bürgers erforderlich, der (ähnlich wie in der Bürgergesellschaft) nicht

nur willens, sondern auch in der Lage sein soll, an politischen und gesellschaftli-

chen Prozessen zu partizipieren und sich seiner bürgerschaftlichen Rechte und

Pflichten bewusst ist.57 Hierfür bedürfe es der Vermittlung bestimmter Kenntnisse

und der Herausbildung einer ‚zivilen’ Kompetenz gepaart mit der Bereitschaft, zivi-

les Engagement aufzunehmen. Voraussetzung der civil society sei das ‚active citi-

zenship’, also das aktive politische und an den Belangen der Gesellschaft ausge-

richtete Handeln der Bürger. Field/ Bron gehen davon aus, dass Bildung und (ins-

besondere) Erwachsenenbildung bei der Entwicklung des active citizenship zent-

57 Es ist wichtig darauf hinzuweisen, dass das Konzept der Bürgergesellschaft und das Konzept der civil society bei allen Gemeinsamkeiten nicht gleichzusetzen sind. Es ist hier nicht der Ort, die Unterschiede zwischen den beiden Konzepten in Detail herauszuarbeiten. Ein wichtiger Unter-schied besteht zumindest darin, dass in der civil society die ‚bürgerschaftlichen’ Rechte und Pflich-ten der Bürger viel stärker betont. Die Aufgaben des Bürgers sind in der Bürgergesellschaft deut-lich diffuser. Hinzu kommt, dass die Rolle des Staates bei Marshall viel konkreter ausformuliert ist.

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179

rale Aufgaben zu übernehmen haben, zumal sich zeige, dass sich in Zeiten ge-

sellschaftlichen Wandels sowohl die Voraussetzungen für als auch die Formen

des active citizenship stark wandeln (vgl. Field/ Bron 2001; Schemmann 2001). All

diese Überlegungen werden allerdings mit Blick auf die gesamte Gesellschaft an-

gestellt und nicht hinsichtlich einzelner sozialer Gruppen, die in besonderer Weise

der angedeuteten erwachsenenpädagogischer Maßnahmen bedürfen. Es geht um

das Lernen aller Menschen, welches teilweise innerhalb, aber in erster Linie au-

ßerhalb von Bildungsinstitutionen stattfinde (vgl. Bron 2001; Schemmann 2001).

Keine Sozialgruppe wird in dieser Perspektive als besonders benachteiligt be-

schrieben oder in anderer Weise hervorgehoben.

Das gilt auch für die expliziten erwachsenenpädagogischen Anschlüsse an Sozial-

kapital, in denen kollektives Sozialkapital als Ertrag des Lernens Erwachsener

thematisiert wird. Die verschiedenen in Kapitel 3.3 vorgestellten Ansätze, die im

Unterschied zur Debatte um active citizenship oder bürgerschaftliches Engage-

ment und Erwachsenenbildung in Teilen auf einer empirischen Basis gründen,

lassen ebenfalls nicht erkennen, dass einzelnen Personengruppen ein soziales

Defizit zugeschrieben wird, um sie vor diesem Hintergrund besonders zu fokussie-

ren. Demnach gäbe es auch keinen Anlass, besondere Programme und Formen

der Ansprache zu entwickeln, wie sich bspw. an den Studien des Wider Benefits of

Learning Research Centre (WBLRC) zeigt. Betrachtet man ergänzend die Ergeb-

nisse der Untersuchungen von Kilpatrick u. a., zeigt sich vielmehr, dass kollektives

Sozialkapital nicht nur mit Blick auf sozial benachteiligte Gruppen als Ertrag von

Erwachsenenlernen in den Blick fallen kann. Die Vereinigung Executive Link ist in

erster Linie eine Gruppe sozial privilegierter Personen; es handelt sich um die

Betreiber und Besitzer von Landwirtschaftsbetrieben, die sich im Rahmen von Bil-

dungsveranstaltungen zusammenschließen und hierbei unterschiedliche Formen

sozialen Kapitals entwickeln, welche sowohl einen gesamtgesellschaftlichen Nut-

zen haben und gleichzeitig dazu beitragen können, die eigene soziale Position zu

sichern.

Letztlich kann an dieser Stelle also festgehalten werden, dass der deutschspra-

chige erwachsenenpädagogische Diskurs über Erwachsenenlernen und soziale

Integration, Inklusion, bürgerschaftliches Engagement als Facetten kollektiven so-

zialen Kapitals insofern einen Sonderweg beschreitet, als das zentrale Konzept

der Zielgruppenorientierung auf internationaler Ebene kein Äquivalenz hat. Der

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Bedarf an kollektivem Sozialkapital wird international vielmehr in gesamtgesell-

schaftlicher Perspektive betrachtet. Fokussiert werden also nicht nur ‚Problem-

gruppen’, denen in den deutschsprachigen Debatten ein bestimmtes Defizit zuge-

schrieben wird, welches der Annahme nach der Grund für ihre Desintegration oder

Exklusion ist und welches dann mit erwachsenenpädagogischen Maßnahmen be-

arbeitet werden soll. Die entsprechenden deutschsprachigen Diskurssegmente

richten sich somit an bestimmten Traditionslinien der Zielgruppenorientierung aus,

ohne sich hierbei in die Relation mit internationalen Befunden zu setzen und sich

zu fragen, warum nicht auch von der deutschen Erwachsenenbildung zunächst

einmal alle Gesellschaftsmitglieder anzusprechen sind (unter Verzicht auf die an-

gesprochenen Defizitzuschreibungen), wenn es um Aspekte sozialer Integration,

Inklusion, Teilhabe oder bürgerschaftliches Engagement geht. Vor diesen Hinter-

grund könnte man programmatisch gesehen die Schlussfolgerung ableiten, Er-

wachsenenbildung sei noch deutlicher in die Mitte der Gesellschaft zu rücken, da

sie sich nicht nur um diejenigen zu bemühen hätte, die sich vermeintlich an den

Rändern der Gesellschaft befinden und einer gesonderten Behandlung bedürfen.

Im Kern ginge es dann um eine erweiterte Legitimationsgrundlage erwachsenpä-

dagogischen Handelns. Verkürzt man dieses Argument allerdings, indem man sich

weitgehend auf einer Linie mit den angesprochenen Überlegungen zum Zusam-

menhang zwischen adult learning und active citizenship bewegt, bliebe das Prob-

lem erhalten, dass derartige Argumentationsfiguren immer dem Vorwurf des Ver-

zichts auf empirische Überprüfungen ihrer grundlegenden Annahmen ausgesetzt

sind und somit nicht über normative und programmatische Aussagen hinauskom-

men.

4.6 Institutionelle Rahmungen von Erwachsenenlernen

Ein weiteres Merkmal einiger der impliziten Anschlüsse an Sozialkapital ist darin

zu sehen, dass institutionellen Bedingungen des Lernens Erwachsener im Ver-

gleich zu den angelsächsischen Diskurssegmenten eine ungebrochen hohe Be-

deutung zugesprochen wird. Nicht zuletzt weist die Debatte um eine Förderung

institutioneller Netzwerke in der Weiterbildung, die letztlich dazu führen sollen,

dass regionale Weiterbildungssysteme verbessert werden, damit mehr Menschen

die Teilnahme an Weiterbildung ermöglich wird, deutlich auf diesen hohen Stel-

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181

lenwert der Bildungsinstitutionen hin. Weiterbildungseinrichtungen und die in ihnen

tätigen Akteure werden oftmals ins Zentrum der Überlegungen gestellt, wenn es

um die Ermöglichung von Lernen geht. Hierbei kann es sich zum einen um forma-

lisierte Netzwerkstrukturen handeln, die vor allem dann im Blick sind, wenn institu-

tionelle Kooperationen stattfinden, die auf regionaler Ebene dazu beitragen sollen,

dass die erforderliche Infrastruktur für eine breite Beteiligung an Bildungsprozes-

sen entsteht. Zum anderen spielen aber auch nicht-formalisierte persönliche

Netzwerkstrukturen insofern eine Rolle, als die Mitarbeiter in unterschiedlichen

Bildungsinstitutionen (insbesondere Leitungspersonal) in den Blick kommen, die

soziale Netze untereinander knüpfen oder aber die Kontakte mit ihren Teilneh-

menden als soziales Kapital betrachten und pflegen, welches ihnen als Ressource

für ihr berufliches Handeln dienen kann (vgl. Jütte 2000, 2006). Auch wenn es an

dieser Stelle erforderlich ist, zwischen den Ebenen der Vernetzung (institutionelle

und persönliche Ebene) klar zu unterscheiden, kann dennoch festgehalten wer-

den, dass auch den angesprochenen nicht-formalisierten Netzwerke zwischen

Einzelnen immer eine gewisse institutionelle Rahmung gegeben ist. Zumindest

kann davon ausgegangen werden, dass die zentralen Inhalte und Bezugspunkte

der Netzwerkaktivitäten dadurch bestimmt werden, dass die Beziehungen zwi-

schen den einzelnen Netzwerkteilnehmern in erster Linie (zumindest anfänglich)

einen beruflichen Kontext aufweisen, und dieser ist wiederum nicht zu trennen von

institutionellen Hintergründen, die das Agieren der Einzelnen in den Netzwerken

(unterschiedlich stark) beeinflussen.

Darüber hinaus bilden Institutionen der Erwachsenenbildung im Rahmen der vor-

gestellten Debatten um Integration, Inklusion, Teilhabe und bürgerschaftliches En-

gagement einen zentralen Fluchtpunkt der Überlegungen. Institutionelle politische

Erwachsenenbildung wird hier als ein Element ins Feld geführt, welches eine ent-

scheidende, wenn nicht sogar unverzichtbare Rolle beim Aufbau kollektiver For-

men sozialen Kapitals spielen solle. Festzuhalten ist außerdem, dass auch im

Rahmen der Debatte um selbstgesteuertes und informelles Lernen, die sich auf

den ersten Blick durch einen antiinstitutionellen Bias auszeichnet, nicht gänzlich

auf eine institutionelle Perspektive verzichtet wird. Dies gilt vor allem mit Blick auf

berufliches und betriebliches Lernen, das den dargelegten Ansätzen zufolge zwar

verstärkt in sozialen Netzwerken stattfinden (soll), schließlich aber doch in der Re-

gel in seinem Verhältnis zu institutionellen Rahmungen betrachtet wird. Im Kern

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182

wird die Auffassung vertreten, dass institutionelle Lernsettings eine wichtige er-

gänzende und flankierende Funktion behalten werden.

Es kann also konstatiert werden, dass institutionelle Rahmungen des Lernens Er-

wachsener im Bereich der impliziten erwachsenenpädagogischen Auseinander-

setzungen mit sozialem Kapital in vielen Fällen mitgedacht werden. Sie bekom-

men hierbei zwar unterschiedliche Funktionen zugeschrieben, sind aber oftmals

mit im Spiel. Auf diese Weise treten bestimmte erwachsenenpädagogische

Grundgedanken wieder auf den Plan, die bereits in den 1960er und 70er Jahren

eine große Rolle im Rahmen bildungspolitischer Überlegungen zur Erwachsenen-

bildung gespielt haben.

Es geht an dieser Stelle nicht um eine Bewertung, ob es nun als positiv oder nega-

tiv einzuschätzen ist, wenn bestimmte Debatten bzgl. institutioneller Erwachse-

nenbildung eine gewisse Beharrungstendenz aufweisen. Interessant ist vielmehr

der Befund, dass die Rolle von Weiterbildungsinstitutionen im Rahmen der explizi-

ten erwachsenenpädagogischen Anschlüsse an Sozialkapital weitgehend unter-

spezifiziert bleibt oder zum Teil gänzlich – und in der Regel unkommentiert – aus-

geblendet wird. Auf diese Weise gehen bestimmte Perspektiven verloren. Es kann

bspw. nicht gesehen werden, dass Bildungsinstitutionen und die in ihnen Tätigen

auf unterschiedliche Weise soziale Netzwerke aufbauen und nutzen können, um

letztlich Lerngeschehen bei Erwachsenen zu ermöglichen. Vernetzungsprozesse,

die im Rahmen erwachsenenpädagogischer Reflexion über Sozialkapital von Be-

deutung sein können, beschränken sich demnach nicht ausschließlich auf die Ler-

nenden, sondern haben auch eine Funktion hinsichtlich der professionellen Akteu-

re und deren unterschiedliche Einrichtungen. Formen aktiver Vernetzungsarbeit

seitens der Weiterbildner (die es faktisch schon immer gegeben hat), die als Res-

source für die Reproduktion der jeweiligen Institution, die berufliche Karriere des

Weiterbildners und für die Ermöglichung individuellen Lernens seitens der Teil-

nehmer fungieren können, können auf diese Weise ebenso wenig fokussiert wer-

den wie mögliche Zusammenhänge zwischen institutionellen Netzwerken und den

Regionen, in denen sie sich bilden.58 Insofern kann man hinsichtlich der internati-

onalen Debatte durchaus von einer institutionellen Leerstelle sprechen, die es vor

58 Interessanter Weise werden sehr ähnliche Zusammenhänge auch mit Blick auf ‚Das Sozialkapi-tal von Schulen’ (Wilbers 2004a) angesprochen. Eine institutionelle Schwerpunktsetzung kann also auch für andere deutschsprachige erziehungswissenschaftliche Diskurse nachgewiesen werden (vgl. Wilbers 2004b)

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183

dem Hintergrund der deutschsprachigen Debatte zu schließen gilt. Hierbei sind

allerdings die Kritikpunkte und die Ebeneunterschiede in der entsprechenden nati-

onalen Debatte zu bedenken.

4.7 Zur Unbestimmtheit zentraler Begriffe im Rahmen erwachsenenpädagogi-

scher Auseinandersetzungen mit sozialem Kapital

In vielerlei Hinsicht zeichnen sich die vorgestellten erwachsenenpädagogischen

Debatten dadurch aus, dass zentrale Begriffe und Konzeptionen nicht hinreichend

differenziert zur Anwendung kommen. Dies bezieht sich gleichermaßen auf den

Sozialkapitalbegriff in seinen verschiedenen Fassungen und auf den Lernbegriff,

der in den meisten Debattensträngen nicht genauer definiert wird.

Da man es – wie oben erläutert – bei den hier zur Rede stehenden Diskursseg-

menten in vielen Fällen mit eher programmatisch-normativen Überlegungen zu tun

hat, ist diese Unbestimmtheit in der Begriffsverwendung auch durchaus nachvoll-

ziehbar: Unbestimmte Begriffe und unbestimmte Zusammenhänge haben oftmals

eine gewisse Attraktivität, weil und solange sie unbestimmt sind. Denn nur auf die-

se Weise lassen sie sich flexibel und in manchen Fällen scheinbar problemlos in

unterschiedliche Argumentationsmuster einfügen, um dort zuweilen normativ und

programmatisch verwendet zu werden.59 Dennoch erscheint es mir an dieser Stel-

le erforderlich, mit einigen Erläuterungen zumindest exemplarisch darzustellen, in

welcher Weise Begriffsdifferenzierungen dazu beitragen können, den Blick auf die

Zusammenhänge zwischen Sozialkapital und dem Lernen Erwachsener zu schär-

fen.

Zunächst sei an dieser Stelle nochmals auf die von Putnam und Goss dargelegte

Unterscheidung zwischen bonding, bridging und linking social capital hingewiesen,

die vor allem in der deutschsprachigen Debatte weitgehend unangesprochen

bleibt, die aber – wie bereits in Kapitel 2 erläutert – gut zur Sortierung unterschied-

licher Lesarten sozialen Kapitals herangezogen werden kann. Besonders die Un-

terscheidung zwischen bonding und bridging social capital macht es möglich, die

59 Ein anderes prägnantes Beispiel ist der Qualitätsbegriff, der ebenfalls oftmals unbestimmt bleibt aber dennoch (oder gerade deswegen) von einer immensen Bedeutung nicht nur für erwachse-nenpädagogische Debatten ist (vgl. bspw. Helmke/ Hornstein/ Terhart 2000).

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184

Bedeutung sozialer Netzwerke für den einzelnen Akteur nach dem Grad ihrer Ver-

bindlichkeit zu unterscheiden. Außerdem kommt die ‚Spannbreite’ sozialer Netz-

werke insofern in den Blick, als danach gefragt wird, ob es sich um eher homoge-

ne und von der Umwelt klar abgegrenzte Netzwerke handelt oder ob sich eher

Menschen miteinander vernetzen, die sich hinsichtlich bestimmter Merkmale von-

einander unterscheiden und in gewisser Weise brückenbildend über die Grenzen

sozialer Gruppen hinweg soziales Kapital als Handlungsressource einerseits und

– aus erwachsenenpädagogischer Perspektive – Lerngelegenheiten andererseits

füreinander bereitstellen. Am Beispiel der Jobsuche konnte bspw. aufgezeigt wer-

den, dass es einen Unterschied macht, ob man auf eher lose und weite Netzwerke

(bridging) oder eher fest und eng geknüpfte (bonding) Netzwerke zurückgreifen

kann, wenn man sich beruflich verändern bzw. weiterentwickeln möchte. Zu er-

gänzen ist diese Überlegung wiederum durch die von Bourdieu vorgenommene

Unterscheidung in unterschiedliche soziale Klassen bzw. Milieus, die sich an un-

terschiedlichen Positionen im sozialen Raum befinden. Aus dieser Sicht ist es –

alleine wegen unterschiedlicher Habitusformen – wiederum eher unwahrschein-

lich, dass bridging social capital zwischen weit voneinander entfernten sozialen

Milieus entsteht. Es vernetzen sich eher diejenigen, die sich habituell ähnlich sind.

Der brückenbildende Charakter sozialen Kapitals bezieht sich dann nicht auf

Überbrückung sozialer Ungleichheiten, sondern vielmehr auf die Verbindung sozi-

aler Milieus, die auf vergleichbaren hierarchischen Stufen in der Gesellschaft ste-

hen und sich ggf. darin unterscheiden, in welchem Mischverhältnis die einzelnen

Kapitalformen bei ihnen zusammenkommen. Ganz im Sinne des Bildes der ‚Brü-

cke’ entstehen also eher horizontale und weniger vertikale Verbindungen zwi-

schen sozialen Gruppen.

Betrachtet man aus dieser Perspektive bspw. die Kompetenzentwicklungsnetz-

werke, wie sie von Elsholz und Dehnbostel beschrieben werden, lässt sich zeigen,

welcher analytischer Zugewinn darin enthalten sein kann, danach zu fragen, ob es

sich bei diesen Netzwerken um bonding oder bridging social capital handelt und

welche Lernmöglichkeiten auf diese Weise entstehen können. Vernetzen sich z. B.

Mitarbeiter eines Unternehmens miteinander, die sich auf vergleichbaren Hierar-

chiestufen befinden und ggf. ähnliche Aufgabengebiete haben, ist es durchaus

denkbar, dass sie sich bei kleineren alltäglichen Handlungsprobleme helfen kön-

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185

nen und hierbei u. U. voneinander lernen. Es ist aber weniger wahrscheinlich,

dass innerhalb dieser Netzwerke einerseits wichtige Innovationen für das Unter-

nehmen generiert werden, da es kaum neue Impulse von außen geben kann (vgl.

Fliaster 2007). Anderseits bieten derartige Netzwerke auch mit Blick auf die ein-

zelnen Individuen insofern nur bedingt einen Anreiz, als sie nur eingeschränkt Kar-

rierewege aufweisen und Lernpotenziale bieten. Anders sieht dies bei (Lern-)

Netzwerken aus, in denen (bestenfalls wechselnde) Personen aus unterschiedli-

chen Unternehmen, aus unterschiedlichen Branchen und vielleicht sogar mit un-

terschiedlichen Aufgabengebieten zusammenkommen und sich gegenseitig je-

weils fremde, bisher unbekannte Sichtweisen zur Verfügung stellen können und

auf diese Weise zum wechselseitigen Lernen beitragen. Derartige Netzwerke sind

vor allem dann von besonderer Attraktivität, wenn die Vernetzten jeweils viel (un-

terschiedliches) Kapital mit einbringen, sodass die Netzwerke, die sich zwischen

ihnen bilden, eine hohe soziale Wertigkeit haben. Es ist allerdings anzunehmen,

dass der Zugang zu derartigen Netzwerken wiederum stark reglementiert und kon-

trolliert ist und davon abhängt, ob die Einzelnen Netzwerkteilnehmer in der Lage

sind, die erforderliche Beziehungsarbeit zu leisten.

Vor diesem Hintergrund erscheint bspw. die dem LisU-Projekt zugrunde liegende

Annahme, dass Menschen in prekären Lebenslagen arbeitsmarktrelevante Kom-

petenzen aufbauen, wenn sie sich untereinander im Rahmen bürgerschaftlichen

Engagements vernetzen und handeln, nicht ohne weiteres haltbar. Unter Rückgriff

auf die Unterscheidung zwischen bonding und bridging social capital bieten bin-

dende und vor allem homogene Netzwerke, welche sich durch Selbstbezogenheit

und Abgrenzung zur sozialen Umwelt auszeichnen, zumeist nicht die Möglichkeit,

Neues und bisher Unbekanntes kennen zu lernen. Man bleibt hier lieber unter sich

und versucht, das Eindringen anderer zu vermeiden. Im Kern stellen die mit LisU

angesprochenen Netzwerke insofern bonding social capital dar, als sich hier Ar-

beitslose untereinander vernetzen und sich keine Durchmischung mit Angehörigen

anderer Milieus ergeben, die ggf. neue Impulse für das erhoffte Lerngeschehen

mit einbringen könnten. Hinzu kommt, dass im Kontext dieser Netzwerke kaum mit

nennenswerten sozialen Aufstiegschancen zu rechnen ist, da sich die Vernetzen

nur sehr wenige Ressourcen hierfür gegenseitig zu Verfügung stellen können (vgl.

hierzu auch Kronauer 2002).

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186

Schließlich lässt sich auch für das Programm ‚Lernende Regionen – Förderung

von Netzwerken’ festhalten, dass hier mit einem Netzwerkverständnis operiert

wird, welches nicht klar erkennen lässt, welche Qualität die unterschiedlichen re-

gionalen Netzwerke letztlich haben. Möchte man allerdings – und dies ist ein An-

spruch des Programms – die Nützlichkeit der unterschiedlichen Netzwerke ein-

schätzen, um ggf. Entwicklungsmöglichkeiten und -grenzen eruieren und die Über-

tragbarkeit der unterschiedlichen Modelle abschätzen zu können, wäre eine Sor-

tierung der unterschiedlichen Netzwerke entlang der Linie bonding-bridging sicher-

lich eine sinnvolle Ergänzung zur bisherigen wissenschaftlichen Begleitung des

Programms. Die Studie von Wittpoth zur vernetzen bergischen Region lässt be-

reits erkennen, dass man es mit unterschiedlichen Netzwerkkonstellationen zu tun

hat, die je unterschiedliche Ressourcen für die Netzwerkteilnehmer bereitstellen

können.

Auch Wolfgang Jütte betrachtet derartige Vernetzungsprozesse in der Weiterbil-

dung und lehnt sich hierbei in gewisser Weise an einen von Bourdieu beeinfluss-

ten Sozialkapitalbegriff an. Jütte zufolge erscheine es demnach angebracht, den

Sozialkapitalbegriff für die Analyse von Beziehungsstrukturen in der Erwachse-

nenbildung zu nutzen, um hieraus letztlich Hinweise für eine Verbesserung des

Bildungsmanagements zu gewinnen (vgl. Jütte 2006). Beziehungsstrukturen in der

Erwachsenenbildungspraxis können Jütte zufolge zwischen Teilnehmern, zwi-

schen Institutionen und zwischen Teilnehmern und Institutionen entstehen. Bei

einer gewissen Dauerhaftigkeit dieser sozialen Beziehungen – insbesondere zwi-

schen Teilnehmenden und Institutionen – können sie als soziales Kapital der je-

weiligen Akteure angesehen werden. Die Teilnehmer (und die ehemaligen Teil-

nehmer) einer Erwachsenenbildungseinrichtung können in verschiedener Hinsicht

als soziales Kapital dieser angesehen werden, wenn sie als ‚Werbeträger’ und

‚Sprachrohre’ einer Einrichtung fungieren (Jütte spricht von ‚Alumni’). Ohne geziel-

te Aktivitäten (und den entsprechenden Ressourceneinsatz) seitens der Einrich-

tung sei die Entstehung dieser besonderen Fassung sozialen Kapitals im Sinne

Jüttes allerdings nicht möglich. Jütte spricht in diesem Zusammenhang von ‚Be-

ziehungsarbeit’ und weckt auf diese Weise bewusst Assoziationen zum Sozialka-

pitalverständnis von Bourdieu. Auch bei Bourdieu seien der Aufbau und der Erhalt

sozialen Kapitals davon abhängig, wie viele (zeitliche, materielle und kulturelle)

Ressourcen ein Akteur in seine sozialen Netzwerke investieren kann. Jütte greift

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187

in seinen Ausführungen explizit auf Bourdieu zurück und leitet sein Verständnis

von Beziehungsarbeit hiervon ab. Mit diesem Verständnis sozialen Kapitals kom-

me allerdings noch ein weiterer Aspekt sozialer Beziehungsstrukturen in den Blick,

für den Jütte den Begriff des ‚Prestiges’ bemüht. Gemeint ist damit, dass soziales

Kapital immer auch darin bestehen könne, in einem Netzwerk mit sozial anerkann-

ten und im sozialen Raum gut positionierten Akteuren verbunden zu sein. Das po-

sitive Image und der soziale ‚Glanz’ dieser Akteure könnten auf andere Netzwerk-

teilnehmer abfärben und diesen bei der Erreichung ihrer Ziele helfen:

„Ihr [die Einrichtung; H. F.] Prestige wird durch die Exzellenz ihrer Teilnehmenden begründet. Ent-sprechend werden häufig in Programmen Studierende und Ehemalige als Klienten prestigeträchti-ger Unternehmen präsentiert. Dies zielt zweifellos auf den Aspekt des Sozialkapitals.“ (Jütte 2006: 22)

Allerdings ist an dieser Stelle ergänzend anzumerken, dass die von Jütte be-

schriebene Form des Bildungsmanagements nur für bestimmte Weiterbildungsein-

richtungen funktionieren kann. Dies fällt in den Blick, wenn man Bourdieus Sozial-

kapitalansatz in der dieser Arbeit zugrunde liegenden Fassung zur Geltung bringt

und auf diese Weise gesellschaftliche Relationen in den Fokus rückt. Stellt man

sich bspw. eine Einrichtung vor, die ihre Angebote in erster Linie im Bereich der

Arbeitsmarktförderung anbietet, kann es nicht das Ziel sein, die von Jütte be-

schriebenen prestigeträchtigen Teilnehmer zu gewinnen. Adressiert werden viel-

mehr Personen, die unter soziodemographischer Perspektive das genaue Gegen-

teil repräsentieren. Außerdem muss es in diesem Bereich der beruflichen Weiter-

bildung eher als Erfolg gewertet werden, wenn die Teilnehmer nicht wiederkom-

men, weil sie bestenfalls eine neue Anstellung auf dem ersten Arbeitsmarkt ge-

funden haben. Das soziale Kapital derartiger Weiterbildungseinrichtungen besteht

dann eher in der Vernetzung mit anderen Akteuren der Arbeitmarktförderung und

der Politik und weniger mit den ‚Klienten’ selbst. Insofern sind Jüttes Überlegun-

gen zum sozialen Kapital von Weiterbildungseinrichtungen mit einer gewissen

Vorsicht zu behandeln, da sie in mancher Hinsicht nicht ausreichend die differen-

zierten Verhältnisse des Weiterbildungssystems beachten, die sich wiederum aus

den gesamtgesellschaftlichen Verhältnissen ergeben.

Ergänzt durch diese sozial-differenzierende Perspektive weisen diese Überlegun-

gen allerdings darauf hin, dass mit der Einführung des Sozialkapitalbegriffs in ei-

ner von Bourdieu belehrten Fassung erweiterte Perspektive und Differenzierungen

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bei der Betrachtung von Netzwerkstrukturen in der Weiterbildung möglich werden.

Zusammen mit den aufgezeigten Unterscheidungen von Putnam/ Goss gewinnt

man ein wichtiges heuristisches Instrument hinzu, welches bei der empirischen

Analyse und der systematischen Beschreibung der Zusammenhänge zwischen

Erwachsenenlernen und sozialen Netzwerken eine wichtige Rolle einnehmen

kann.

Hierbei darf allerdings nicht vergessen werden, dass soziale Netzwerke im Sinne

sozialen Kapitals für sich genommen bereits einen Wert für die einzelnen Individu-

en darstellen und nicht nur über die Lernmöglichkeiten, die sie vermeintlich zur

Verfügung stellen, in ihrer Bedeutung für die Einzelnen fassbar werden. Individuen

greifen auf Sozialkapital zurück, um ihre Handlungsziele zu erreichen. Ob bei der-

artigen Handlungen auch gelernt wird, spielt dann für den Einzelnen zunächst kei-

ne Rolle. Sowohl James Coleman als auch Pierre Bourdieu unterscheiden zwi-

schen unterschiedlichen Kapitalsorten, die je für sich eine Ressourcenform be-

schreiben. Ein Teil dieser Ressourcen bezieht sich auf kognitive und intellektuelle

Momente (Humankapital und kulturelles Kapital). Andere sind eher mit materiellen

oder ökonomischen Aspekte zu verbinden (physisches und ökonomisches Kapi-

tal).

Insbesondere bei Bourdieu werden die Zusammenhänge zwischen den unter-

schiedlichen Kapitalsorten sehr differenziert dargestellt. Er geht grundsätzlich da-

von aus, dass das soziale Kapital, das einem Akteur zur Verfügung steht, eng

verwoben mit dessen kulturellem und ökonomischem Kapital ist, wobei Bourdieu

großen Wert darauf legt, dass sich die alle Kapitalsorten wechselseitig und vor

dem Hintergrund weitere sozialer Einflussfaktoren begünstigen und somit letztlich

für die Ungleichverteilung von Machtressourcen in einer Gesellschaft verantwort-

lich sind. In den in dieser Arbeit diskutierten erwachsenenpädagogischen Debat-

ten über Lernen in Netzwerken werden diese Überlegungen allerdings nicht hin-

reichend bedacht. Es müsste zunächst eine erkennbare, analytische Differenz zwi-

schen den unterschiedlichen Kapitalsorten aufgemacht werden, um anschließend

die möglichen Wechselwirkungen zwischen ihnen den Blick nehmen zu können.

Die erwachsenenpädagogischen Diskurssegmente über soziales Kapital stellen

sich allerdings anders dar. Das ökonomische Kapital gemäß Bourdieu ist (ebenso

wie das physische Kapital gemäß Coleman) nicht im Blick, wenn es um Lernen in

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Netzwerkstrukturen und sozialen Gemeinschaften geht. Lernen und Vernetzung

werden in den vorgestellten erwachsenenpädagogischen Diskurssegmenten ohne

Rückbezüge auf die jeweiligen materiellen Kontexte und die auf diese zurückzu-

führenden sozialen Verhältnisse diskutiert. Schließt man allerdings an Bourdieus

Auffassung des ökonomischen Kapitals und dessen gesellschaftliche Ungleichver-

teilung an, ist dies insofern problematisch, als das ökonomische Kapital Bourdieu

zufolge in dieser Hinsicht nach wie vor eine nicht zu vernachlässigende Stellgröße

darstellt. Um exemplarisch aufzuzeigen, in welcher Weise diese Perspektive als

Erweiterung für die Erwachsenenpädagogik fruchtbar gemacht werden kann, sei

an dieser Stelle auf Kilpatrick u. a. verwiesen und deren Ausführungen zum Exe-

cutive Link (EL) und das dort stattfindende Lernen sowie dessen mögliche Zu-

sammenhänge mit bestimmten Formen sozialen Kapitals. Wenn sich – wie dies im

EL der Fall ist – Inhaber und Betreiber moderner Landwirtschaftbetriebe zusam-

menschließen, dann kann man davon ausgehen, dass sich hier eine Gruppe bil-

det, die mit ausreichend ökonomischem und kulturellem Kapital ausgestattet ist.

Das übergeordnete Ziel des EL ist es, den ökonomischen Erfolg aller Mitglieder zu

sichern. Es geht also letztlich darum, die jeweiligen Positionen im gesellschaftli-

chen Raum zu sichern. Um dies zu erreichen, werden im EL alle drei von Bourdieu

beschriebenen Kapitalsorten in gewinnbringender Weise miteinander verbunden.

Bestimmte soziale Milieus bleiben von diesen Prozessen ausgeschlossen. Es wird

von Kilpatrick u. a. hierbei nicht gesehen, dass dadurch bestimmte Formen gesell-

schaftlicher Ungleichheit aufgebaut und verfestigt werden. Erst durch das Hinzu-

nehmen zentraler Unterscheidungen von Bourdieu wird diese Perspektive auf So-

zialkapital und Erwachsenenbildung möglich.

Über die nicht zur Kenntnis genommene Unterscheidung zwischen kulturellen,

ökonomischen und sozialen Ressourcen sowie ihrer ungleichen gesellschaftlichen

Verteilung und Wechselwirkungen miteinander hinaus bleibt für die hier angespro-

chenen aufgezeigten erwachsenenpädagogischen Diskurse festzuhalten, dass

auch Bourdieus Unterscheidung zwischen unterschiedlichen Formen kulturellen

Kapitals nicht thematisiert werden kann werden kann, da Bourdieus Theorie als

solche in den diskutierten Diskurssegmenten kaum aufgegriffen wird. Betrachtet

man die Debatte zum selbstgesteuerten Lernen in Netzwerken vor dem Hinter-

grund der Unterscheidung zwischen inkorporiertem, objektiviertem und institutio-

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nalisiertem kulturellem Kapital kann zunächst festgehalten werden, dass durch

selbstgesteuertes Lernen, das im Kontext der Debatte über Lernnetzwerke u. Ä.

angesprochen wird, wohl in erster Linie inkorporiertes kulturelles Kapital entstehen

kann, da es in seinen Ergebnissen weder objektivierbar ist noch im Sinne des in-

stitutionalisierten kulturellen Kapitals zertifiziert werden kann. Gerade inkorporier-

tes kulturelles Kapital zeichnet sich aber dadurch aus, dass es verdeckt zwischen

den Mitglieder enger und in sich geschlossener sozialer Gemeinschaften (oftmals

familiäre Verbindungen) aufgebaut und weitergegeben wird und erst in diesen Zu-

sammenhängen Bedeutung verliehen bekommt. Dies begründet den stark ausge-

prägten sozial distinktiven Charakter dieser Kapitalform. Inkorporiertes (oder ver-

körperlichtes) kulturelles Kapital äußert sich in seiner höchsten Form in sozial an-

erkannten Umgangsformen und im durch die herrschenden Klassen definierten

legitimen, mühelos erscheinenden Umgang mit Kulturgütern. Es handelt sich hier-

bei um sozial-distinktive, habituelle Momente, die nicht mit der Teilnahme an klas-

sischen Veranstaltungen der Erwachsenenbildung bearbeitet werden können. Je

höher die Ausstattung an Kapital in den jeweiligen sozialen Netzwerken ist, desto

wertvoller sind auch die Formen inkorporierten kulturellen Kapitals, die in ihnen

vermittelt werden. Die sozialen Kontexte, in denen ein Akteur sich bewegt, sind

also von immenser Bedeutung für die Ausprägung des kulturellen Kapitals einer

Person. Vor diesem Hintergrund ist es dann umso wichtiger, immer nach der ge-

nauen Struktur und Zusammensetzung der jeweiligen (Lern-)Netzwerke zu fragen,

da es aus Bourdieus Perspektive von zentraler Bedeutung ist, in welchen Positio-

nen im sozialen Raum sich wer mit wem wie lange und unter Rückgriff auf welche

sonstigen Ressourcen miteinander vernetzen kann. Hierbei spielen auch die sozial

ungleich verteilten Möglichkeiten der Beziehungsarbeit eine wichtige Rolle. Die

Teilnahme an sozial privilegierten Netzwerken setzt letztlich eine gute Ausstattung

an ökonomischen und kulturellen Ressourcen sowie bestimmte habituelle Kompo-

nenten voraus, die ebenfalls in den verschiedenen Milieus ungleich ausgeprägt

sind. In der Debatte über Lernen in Netzwerken schwingt in der Regel die Annah-

me mit, dass gerade in betrieblichen Kontexten institutionalisierte Formen des Ler-

nens und die dort erworbenen und formal bescheinigten Qualifikationen an Bedeu-

tung verlieren und von informellen vernetzen Lernformen abgelöst werden. Man

muss allerdings annehmen, dass nicht alle Möglichkeiten des vernetzten Lernens

gleichwertig sind, sofern sich die Netzwerkteilnehmer in unterschiedlichen Positio-

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nen des sozialen Raums befinden. An einem Vergleich der potenziellen Lernmög-

lichkeiten, die bspw. im Rahmen des Executive Link geboten werden mit den bei

LisU beschriebenen Momenten des Lernens kann dies veranschaulicht werden.

Sofern also selbstgesteuertes Lernen in bestimmten Kontexten als Ersatz für insti-

tutionelles Lernen fungieren soll, geht dies letztlich mit einer Verschärfung sozialer

Differenzen einher, die in den hier zur Rede stehenden erwachsenenpädagogi-

schen Diskurssegmenten allerdings kaum gesehen wird (vgl. als Ausnahme

Schemmann/ Wittpoth 2007).

Betrachtet man die Diskurssegmente, die sich mit (selbstgesteuertem) Lernen in

sozialen Netzwerken beschäftigen, aus einer anderen Perspektive, bleibt über das

bisher hierzu Gesagte hinaus weitgehend ungeklärt, was unter dem Begriff des

Lernens von den einzelnen Autoren verstanden wird und worin sich Lernen von

anderen Formen sozialen Handelns unterscheidet. Allgemeine Vernetzungspro-

zesse und das Agieren der Einzelnen in den unterschiedlichen sozialen Netzwer-

ken sind bei den diskutierten Ansätzen nicht mehr trennscharf von Lernhandlun-

gen zu unterscheiden. In der Folge kann dann nicht mehr eindeutig bestimmt wer-

den, was letztlich das (erwachsenen-)pädagogisch Relevante an sozialen Netz-

werken sein soll. So lange dies allerdings der Fall ist, können auch keine neuen

Impulse von der Erwachsenenpädagogik in Richtung Sozialkapitaldebatte ausge-

hen. Man wird sich höchstens schnell einig in der Annahme, dass Sozialkapital

eine Bedeutung für individuelles Handeln hat, welche dann in der Regel positiv

bewertet wird.60

In einem analytischen Zugang müsste allerdings auch grundlegend herausgear-

beitet werden, in welcher Weise Lernen ggf. als eine spezifische Form sozialen

Handelns (in sozialen Netzen) definiert werden kann. Als Grundlage hierfür sei auf

ein Lernverständnis hingewiesen, welches Enno Schmitz bereits in den 1980er

Jahren entwickelt hat und welches auf den Kernannahmen des Symbolischen In-

teraktionismus fußt (vgl. Blumer 1995; Schmitz 1984). Ohne an dieser Stelle um-

60 In den deutschsprachigen Debattensträngen wird für den angenommenen positiven Einfluss von Netzwerken auf die Individuen sehr häufig der Kompetenzbegriff bemüht (oftmals im Anschluss an Erpenbeck/ Heyse 2007). Zugespitzt kann man sagen, dass den entsprechenden Debatten folgen-de Formel zugrunde liegt: Menschen lernen in Netzwerken, und hierdurch bauen sie Kompetenzen auf, die sie auf anderen Weg nicht hätten aufbauen können. Hierbei bleibt der Kompetenzbegriff allerdings immer offen und flexible genug, um in unterschiedliche programmatische Konzepte ein-gepasst zu werden (vgl. bspw. BMBF 2008b; KMK 2000).

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fassend auf Schmitz oder den Symbolischen Interaktionismus eingehen zu kön-

nen, sei auf eine zentrale Grundannahme hingewiesen, die mit Blick auf soziales

Kapital als Voraussetzung und Ertrag des Lernens Erwachsener von Bedeutung

ist. Lernen findet Schmitz zufolge immer dann statt, wenn die Subjekte mit ihrem

Alltagswissen, welches wiederum Ausdruck ihres subjektiven Verständnisses der

Welt ist (subjektive Wirklichkeit), an die Grenzen ihrer Handlungsfähigkeit stoßen.

Bis zu diesem Zeitpunkt handelt das Subjekt auf der Basis seines Alltagswissens

und ‚bewegt’ sich so weitgehend sicher durch seine soziale Umwelt, die zu großen

Teilen aus den sozialen Netzen, in die es eingebunden ist, besteht. Eine persönli-

che Grenzsituation fordert es dann allerdings heraus, dass das subjektive Alltags-

wissen revidiert, erweitert und neu strukturiert werden muss. Dies findet wiederum

nur mit Hilfe von Interaktionen statt, in denen neue Sichtweisen kennengelernt,

interpretiert und weiterentwickelt werden können. Insofern ist Lernen im Anschluss

an Enno Schmitz nicht denkbar außerhalb der sozialen Kontexte, die ein Subjekt –

welches als gesellschaftliches Wesen anzusehen ist – umgeben. Lernen ist aus

dieser Perspektive also Handeln in sozialen Kontexten mit dem Ziel der Erweite-

rung bzw. Veränderung der subjektiven Wirklichkeit, des eignen Wirkungsradius.

Und es sind wiederum diese sozialen Kontexte (z. B. soziale Netzwerke), die in

den für die vorliegende Arbeit zentralen theoretischen Perspektiven auf unter-

schiedliche Weise als Sozialkapital angesehen werden. Es bedarf sicherlich weite-

rer grundlagentheoretischer Untersuchungen, um unter Rückgriff auf das ange-

deutete Lernverständnis im Anschluss an Schmitz den unbestimmten Lernbegriff,

der in den erwachsenenpädagogischen Debatten über Sozialkapital vorherr-

schend ist, konkretisieren, überprüfen und von anderen Handlungsformen abgren-

zen zu können. Zudem ist davon auszugehen, dass die sozialen Gegebenheiten,

in denen Lernen stattfindet, hinsichtlich gesellschaftlicher Macht- und Ungleich-

heitsstrukturen weiter zu spezifizieren sind. An dieser Stelle möchte ich mich aller-

dings auf den Hinweis beschränken, dass in der Erwachsenenpädagogik zumin-

dest ein aussichtsreicher Ansatzpunkt vorhanden ist, bei dem es sich voraussicht-

lich lohnt, ihn verstärkt auf die Diskussion über Erwachsenenlernen und Sozialka-

pital zu beziehen, um die Unbestimmtheit (teilweise sogar Beliebigkeit) des vor-

herrschenden Lernverständnisses im Rahmen der erwachsenenpädagogischen

Diskussionen über Sozialkapital bearbeiten zu können.

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193

Geht man bspw. von einem an Schmitz angelehnten Lernbegriff aus, würde dies

letztlich erfordern, zunächst immer nach Lernanlässen bzw. nach den Hintergrün-

den von Lernen zu fragen, weil immer davon ausgegangen werden müsste, Ler-

nen findet nur dann statt, wenn die Individuen an ihre Handlungsgrenzen gesto-

ßen sind bzw. ihr bisheriges Alltagswissen nicht ausreicht, um eine aktuelle Prob-

lemstellung lösen zu können. Sofern sie in sozialen Netzwerken agieren und diese

wiederum als ihr individuelles Sozialkapital fungieren und somit zur Problemlösung

beitragen, tritt diese Situation u. U. gar nicht erst ein. Dies würde wiederum bedeu-

ten, dass Lernen in Netzwerken eher die Ausnahme darstellt, wenn man es wie

angedeutet definiert. Anders herum müsste man annehmen, dass Lernbemühun-

gen, die der gesellschaftlichen Teilhabe, der sozialen Integration, der Inklusion

oder dem bürgerschaftlichen Engagement vorausgehen, auch nur dann ange-

strebt werden, wenn ein Einzelner zuvor festgestellt hat, dass er mit seinen bishe-

rigen Handlungsroutinen und Vorstellungen von der Beschaffenheit der (sozialen)

Welt an seine Grenzen gekommen ist. Letztlich muss er ein konkretes Problem

sehen und eine gewissen ‚Leidensdruck’ verspüren. Da es sich hierbei allerdings

um sehr abstrakte soziale Phänomene handelt, ist es nicht selbstverständlich,

dass sie zu einer ‚Lernschleife’ (vgl. Faulstich/ Ludwig 2004) führen, sondern dass

auf andere, nicht-lernende Weise mit ihnen ungegangen wird. Zu fragen wäre viel-

mehr, unter welchen Bedingungen individuelles Lernhandeln veranlasst wird, so-

dass Erwachsenenbildung hieran ansetzen kann.

4.8 ‚Blinde Flecken des pädagogischen Blicks’

Es ist gewissermaßen ein erwachsenenpädagogisches Selbstverständnis, die Ge-

sellschaft mit kulturellem Kapital zu versorgen bzw. die Möglichkeiten zu schaffen,

dass jedes Gesellschaftsmitglied ausreichend kulturelles Kapital durch die Teil-

nahme an (institutionell gerahmten) Bildungsprozessen erwerben kann. Letztlich

geht es darum, dass sich die Akteure der Erwachsenenbildung selbst die Aufgabe

zuschreiben, die Menschen, die zusammen in einer Gesellschaft leben, beim Auf-

bau bestimmter Kompetenzen, Qualifikationen oder Wissensressourcen zu unter-

stützen, damit diese in der Folge die gesellschaftliche Weiterentwicklung (z. B.

durch Förderung sozialer Integration) vorantreiben können. Erwachsenenbildung

steht in dieser Perspektive also im Dienst der Gesellschaft und soll zu deren Fort-

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194

bestehen und Weiterentwicklung einen unverzichtbaren Beitrag liefern. Die Ver-

mittlung bzw. der Aufbau bestimmter Formen kulturellen Kapitals ist dieser An-

nahme nach der Entstehung kollektiven Sozialkapitals (im Sinne einer gemeinsa-

men Wertebasis) gewissermaßen vorgeschaltet. Zuweilen wird die Teilnahme an

Erwachsenenbildung selbst bereits als eine besondere Form gesellschaftlicher

Teilhabe betrachtet. In dieser Perspektive geht also der Aufbau kulturellen Kapi-

tals mit der Entstehung sozialen Kapitals gleichzeitig einher.

Vor dem Hintergrund eines erweiterten Verständnisses sozialen Kapitals kann

diese eingeschränkte Sicht auf das Verhältnis zwischen kulturellem und sozialem

Kapital relativiert werden. Zunächst ist darauf zu verweisen, dass die Begriffe der

gesellschaftlichen Teilhabe, der sozialen Inklusion und der Integration in den Fas-

sungen, wie sie in ihrer sozialwissenschaftlichen ‚Heimat’ diskutiert werden, mit

deutlich anders gelagerten Vorstellungen kulturellen Kapitals und dessen gesell-

schaftlicher Bedeutung operieren. Kulturelles Kapital wird nicht als das entschei-

dende Moment thematisiert, mit dem sämtliche Teilhabe-, Integrations- oder Inklu-

sionschancen stehen und fallen – in den meisten der vorgestellten Ansätze wird

vornehmlich auf ökonomisches Kapital abgestellt, während kulturelles Kapital nur

eine untergeordnete bzw. abgeleitete Bedeutung hat. Wenn bspw. Martin Kronau-

er zwischen unterschiedlichen Dimensionen sozialer Inklusion unterscheidet,

spricht er vor allem ökonomische Kriterien an. Die von Kronauer skizzierte ‚Margi-

nalisierung am Arbeitsmarkt’ ist eine Dimension von Inklusion, die zunächst öko-

nomische Konsequenzen für den Einzelnen hat. Erst in der Folge führt dies dann

zu einer ‚Einschränkung sozialer Beziehungen’ und zu einer Verminderung der

gesellschaftlichen Teilhabe. Der Teilhabebegriff selbst enthält in seiner Ausdiffe-

renzierung wiederum auch zentrale Elemente, die vor allem mit dem Begriff des

ökonomischen Kapitals eingefangen werden können.

„Materielle, politisch-institutionelle und kulturelle Teilhabe sind demnach Dimensionen innerhalb des Modus der gesellschaftlichen Zugehörigkeit durch Partizipation. [...] Dabei bemisst sich mate-rielle Teilhabe an einem gesellschaftlich allgemein als angemessen geltenden Lebensstandard, politisch-institutionelle Teilhabe an Statusgleichheit im Zugang zu Rechten und Institutionen sowie deren Nutzung, kulturelle Teilhabe an den Möglichkeiten zur Realisierung individuell und gesell-schaftlich anerkannter Ziele der Lebensführung.“ (Kronauer 2002: 152; Hervorhebungen H. F.)

Die sozialwissenschaftlichen Diskussionen über soziale Inklusion und gesell-

schaftliche Teilhabe bewegen sich also insofern am Bedeutungshorizont der Bour-

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195

dieu’schen Kapitaltheorie, als vor allem Wechselwirkungen zwischen unterschied-

lichen Formen möglicher Benachteiligung in ökonomischer, kultureller und sozialer

Hinsicht angesprochen werden. Von dieser Warte aus gesehen darf also nicht

immer einzig danach gefragt werden, über wie viel kulturelles Kapital eine Person

verfügen kann, wenn man ihre Teilhabechancen oder den Grad der sozialen In-

klusion abschätzen möchte. Neben Bildung, Wissen oder Kompetenzen spielen

also auch viele andere Aspekte eine wichtige Rolle, die nicht unbedingt mit Lernen

bearbeitet werden können. Vor diesem Hintergrund muss man sich neben Er-

wachsenenbildung auch andere Formen sozialen Handelns und staatlicher Inter-

vention vorstellen, die viel besser dazu beitragen können, gesellschaftliche Teil-

habe zu erhöhen. Im Rahmen erwachsenenbildnerischer Maßnahmen geht es

zentral um die Bearbeitung eines angenommenen Mangels an kulturellem Kapital.

Insofern können lediglich – durchaus relevante – Teilaspekte der hier angespro-

chenen gesellschaftlichen Problemlagen bearbeitet werden.

Dem skizzierten erwachsenenpädagogischen Umgang mit den Begriffen Teilhabe

und Inklusion liegt demnach allerdings die Annahme zugrunde, dass die Teilnah-

me an Erwachsenenbildung als eine besondere und gewissermaßen privilegierte

Form gesellschaftlicher Teilhabe oder als ein besonders empfehlenswerter Weg

dorthin anzusehen ist. Auf diese Weise wird in der Erwachsenenpädagogik eine

Perspektive eingenommen, die Jürgen Wittpoth als den ‚blinden Fleck des päda-

gogischen Blicks’ beschreibt (vgl. Wittpoth 2009a): Es wird nicht gesehen, dass

mit Blick auf soziale Inklusion und Teilhabe neben der Teilnahme an Erwachse-

nenbildung noch andere Aktivitäten und Maßnahmen erforderlich sind, die außer-

halb des erwachsenenpädagogischen Einflussbereiches liegen. Denn selbst wenn

durch Lernen in erster Linie kulturelle Teilhabe gefördert werden könnte, gibt es in

modernen Gesellschaften zahlreiche weitere Möglichkeiten, verschiedene Perso-

nengruppen strukturell auszuschließen:

„Dieser (pädagogische; H. F.) Blick richtet sich aus der Welt der Weiterbildung hinaus in andere Welten und interessiert sich für diese nur insoweit, als ihnen ein Angebot unterbreitet werden kann. Weiterbildung wird dabei nicht als eine beliebige Form kultureller Aktivität neben vielen anderen verstanden, sondern als eine ‚ausgezeichnete’: die Sorge ihrer Protagonisten richtet sich aus-schließlich darauf, dass sie zustande kommt, gelingt und letztlich auch ausdehnt.“ (Wittpoth 2009a: S. 784; Hervorhebungen im Original)

Die Eingeschränktheit dieser Perspektive lässt sich gut durch einen Blick in statis-

tische Angaben zur Weiterbildungsbeteiligung illustrieren. Insgesamt zeigt bspw.

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196

das ‚Berichtssystem Weiterbildung IX’ (BSW IX), dass vor allem bei der allgemei-

nen Erwachsenenbildung – als deren quantitativ gering ausgeprägter Bestandteil

die politische Erwachsenenbildung zu sehen ist – die Beteiligungsquote in der ge-

samten Bevölkerung nicht höher als 40% ist (vgl. BMBF 2006). Über die Hälfte der

deutschen Bevölkerung nimmt also nicht an institutionalisierten Formen allgemei-

ner Erwachsenenbildung teil. Nimmt man die Zugehörigkeit zu einer bestimmten

Berufsgruppe als Indikator dafür, wie hoch die Verwirklichungschancen einer Per-

son auf gesellschaftliche Teilhabe sind61, fällt auf, dass Beamte (in der Regel eine

sozial eher privilegierte Berufsgruppe) mit 37% Beteiligung den höchsten Wert

aufweisen. Gleichzeitig bedeutet dies aber auch, dass über 60% der Beamten in

Deutschland sich nicht beteiligen. Es ist allerdings sehr unwahrscheinlich, dass

diese gesamten über 60% der Beamten bzgl. ihrer Verwirklichungschancen ge-

sellschaftlicher Teilhabe benachteiligt sind, bedenkt man vor allem, dass diese

Berufsgruppe auch Lehrer, Professoren und viele andere ökonomisch und kulturell

gut ausgestattete Personengruppen umfasst.

Betrachtet man allgemeiner gefasst die Gruppe der Nicht-Erwerbstätigen – also

eine soziale Gruppe, die in der Erwachsenenpädagogik bei der Debatte um Teil-

habe, Inklusion und Integration besonders fokussiert wird – und vergleicht sie mit

der Gruppe der Erwerbstätigen, dann fällt bei einem Blick auf die allgemeine Er-

wachsenenbildung auf, dass sich zwischen diesen beiden Gruppen lediglich eine

Differenz von 8% auftut. Insgesamt liegt die Beteiligungsquote bei beiden Gruppen

unter 30% (Erwerbslose 20%; Erwerbstätige 28%). Es wäre sicherlich falsch, aus

diesen Zahlen zu schließen, dass 72% der Erwerbstätigen nicht an gesellschaftli-

chen Prozessen teilhaben. Plausibel ist vielmehr, dass diese 72% andere Wege

beschreiten, ihre Verwirklichungschancen auf gesellschaftliche Teilhabe auszu-

bauen und zu nutzen. Die Beteiligung an institutionell gerahmten Lernangeboten

im Erwachsenenalter scheint für einen nennenswerten Teil der Bevölkerung keine

entsprechende Alternative zu sein. Anders herum gesprochen sind es immerhin

20% der Erwerbslosen, die den Weg in die Veranstaltungen der allgemeinen Er-

wachsenenbildung finden. Doch auch hier ist eine gewisse Skepsis angebracht,

ob dieses Fünftel der Erwerbslosen zu den Glücklichen gehört, vollkommen ge-

sellschaftlich inkludiert zu sein bzw. teilzuhaben.

61 Ich gehe hier von der Annahme aus, dass bei Angehörigen sozial gut gestellter und sicherer Berufsgruppen die Verwirklichungschancen gesellschaftlicher Teilhabe hoch, während sie bei Per-sonen in sozial und ökonomisch prekären Lagen eher gering sind.

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197

Dem BSW IX liegt eine zugegebenermaßen sehr grobe Unterteilung in unter-

schiedliche soziale Gruppen zugrunde. So müssten die einzelnen der angespro-

chenen Gruppen je für sich wieder weiter unterteilt werden, da man nicht von den

Beamten oder den Erwerbslosen sprechen kann, ohne hierbei zu übersehen, dass

es innerhalb dieser Gruppen weitere Binnendifferenzierungen gibt, die eher mit

einer Differenzierung nach unterschiedlichen sozialen Milieus einzufangen wären.

Um diesem Umstand Rechnung zu tragen, wird in der Erwachsenenpädagogik

häufig auf das SINUS-Milieumodell (und weniger häufig auf Modelle, die verstärkt

an Bourdieu anschließen; vgl. Bourdieu 1982; Vester u. a. 2001) zurückgegriffen,

welches – angeregt durch Gerhard Schulzes Überlegungen zur ‚Erlebnisgesell-

schaft’ (vgl. Schulze 2005) – den Anspruch erhebt, soziale Gruppen nicht alleine

auf der Grundlage materieller Kriterien zu unterteilen, sondern versucht, unter-

schiedliche Werteinstellungen und Lebensstile der einzelnen sozialen Gruppen mit

aufzunehmen. Im Ergebnis zeigt sich eine nach unterschiedlichen sozialen Milieus

untergliederte Gesellschaft (vgl. bspw. www.sinus-institut.de). Ab dem Jahr 2000

sind in der Erwachsenenpädagogik hierzu eine Reihe von Arbeiten publiziert wor-

den, die auch in der Weiterbildungspraxis auf großes Interesse gestoßen sind (vgl.

bspw. Barz 2000; Barz/ Tippelt 2004). In diesen Arbeiten zeigt sich, dass sich die

einzelnen sozialen Milieus unterschiedlich stark an allgemeiner Weiterbildung

beteiligen. Gerade die in den Debatten über Erwachsenenbildung und soziale In-

tegration, Inklusion, Teilhabe und bürgerschaftliches Engagement stark fokussier-

ten Einrichtungen der allgemeinen Erwachsenenbildung (insbesondere Volks-

hochschulen) werden von vielen sozialen Milieus gemieden, da sie entweder ihren

Ansprüchen nicht genügen oder aber als Institutionen bestimmter sozialer Grup-

pen angesehen werden, mit denen man nicht identifizieren kann. So kommen u. a.

diejenigen Milieus nicht in die Volkshochschulen, die sich – mit Bourdieu gespro-

chen – in den oberen Sphären den sozialen Raums befinden und daher nicht die-

jenigen sind, die im Rahmen der erwachsenenpädagogischen Integrationsdebatte

im Blick sind. Es handelt sich hierbei vor allem um soziale Milieus, die nicht im

Verdacht stehen, gesellschaftlich exkludiert zu sein, aber trotzdem nicht an allge-

meiner Erwachsenenbildung teilnehmen. Aber auch die Milieus, die sich von VHS-

Angeboten eher angesprochen fühlen und dementsprechend verstärkt teilnehmen,

befinden sich in der Regel in der Mitte der Gesellschaft und sind hinsichtlich ge-

sellschaftlicher Integration und Teilhabe nicht zwangsläufig als Problemgruppen

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198

zu bestimmen. An den unteren Rändern der Gesellschaft befinden sich diejenigen,

die erwachsenenpädagogischen Annahmen zufolge in besonderer Weise gesell-

schaftlicher Desintegration oder sozialer Exklusion ausgesetzt sind. Diese Milieus

sind wiederum nur sehr schwach in Erwachsenenbildungseinrichtungen vertreten

(vgl. Barz/ Tippelt 2004).

Bei allen Vorstellungen über gesellschaftliche Differenzierung und deren Folgen

für Erwachsenenbildung sollte ein zentraler weiterer Aspekt allerdings nicht ver-

gessen werden: In der sozialwissenschaftlichen Debatte über soziale (Des-) Integ-

ration – insbesondere in der Lesart von Heitmeyer u. a. – geht man davon aus,

dass es sich hierbei immer um gesamtgesellschaftliche Phänomene handelt, von

denen nicht nur einzelne soziale Gruppen betroffen sind. Sofern soziale Integrati-

on nicht gelingt, drohen moderne Gesellschaften als Ganzes auseinanderzufallen;

bedroht sind also nicht nur diejenigen, die sich am Rande der Gesellschaft bewe-

gen. Eine erwachsenenpädagogische (Sonder-)Betreuung einzelner sozialer

Gruppen, die u. U. in einer erhöhten Teilnahme dieser Gruppen mündet, läuft inso-

fern Gefahr, ihr Ziel zu verfehlen, als sie von einem unangemessenen Problemzu-

schnitt ausgeht. Dies ist auch der Grund dafür, warum in der sozialwissenschaftli-

chen Integrationsdebatte nicht zentral darüber nachgedacht wird, Desintegrations-

prozesse (alleine) über Bildungsmaßnahmen zu bearbeiten. Viel entscheidender

ist eine Kombination unterschiedlicher Maßnahmen, von denen ein Teil darauf

abzielt, ein breites bürgerschaftliches Engagement zu fördern, welches dadurch

entstehen könne, dass sich möglich viele Gesellschaftsmitglieder in Organisatio-

nen des Dritten Sektors engagieren, um auf diese Weise den notwendigen ‚Kitt

der Gesellschaft’ anrühren und zur Verfügung stellen zu können – letztlich geht es

also um den Aufbau sozialen Kapitals innerhalb der gesamten Gesellschaft.

In Teilen schließt man im Rahmen erwachsenenpädagogischer Diskurssegmente

an derartige Überlegungen an, indem direkte Bezugnahmen auf die Debatte über

bürgerschaftliches Engagement und dessen gesellschaftliche Bedeutung herge-

stellt werden (vgl. Kapitel 3.4.2 der vorliegenden Arbeit). Letztlich werden aber

auch in diesem Rahmen besondere Varianten des aufgezeigten blinden Flecks

des pädagogischen Blicks kultiviert.

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199

Zum einen zeigt man sich im Rahmen der erwachsenenpädagogischen Debatten

um bürgerschaftliches Engagement blind gegenüber der Rolle staatlicher Instituti-

onen. Ein aktivierender und unterstützender Staat sowie ein partizipativer und de-

mokratischer Regierungsstil sind bei der Entwicklung eines regen bürgerschaftli-

chen Engagements von großer Bedeutung. Dies bedeutet letztlich, dass der Staat

als relevanter Akteur insofern nicht ohne weiteres ausgeblendet werden kann, als

er es ist, der die notwendigen Rahmen für bürgerschaftliches Engagement bereit-

stellen kann. Dies wird u. a. dann deutlich, wenn es bspw. darum geht, die Orga-

nisationen des Dritten Sektors und das individuelle Engagement finanziell zu un-

terstützen und steuerlich zu begünstigen. Aber auch normative Impulse werden

von staatlicher Seite erwartet, die letztlich alle zum Ziel haben, dass ehrenamtli-

che, bürgerschaftliche Tätigkeiten die notwendige soziale und rechtliche Anerken-

nung erfahren. Es handelt sich hierbei weitestgehend um Aspekte, die nicht über

institutionalisiertes Lernen bearbeitet werden können. Auf diese Einschränkung

wird im Rahmen der skizzierten erwachsenenpädagogischen Debatten allerdings

nicht eingegangen. Vielmehr wird der Staat als Akteur in der Regel als potenzieller

Störfaktor angesehen, der sich am besten weitgehend zurückhält, solange er die

notwendigen finanziellen Mittel bereitstellt.

Aber selbst wenn die Frage nach dem Verhältnis zwischen Erwachsenenlernen

und staatlichem Handeln hinsichtlich des bürgerschaftlichen Engagements geklärt

wäre, blieben im Anschluss an Michael Helmbrecht immer noch Bedenken bzgl.

der Ungleichverteilung des Engagementpotenzials in modernen Gesellschaften

(vgl. Helmbrecht 2005). Helmbrecht zufolge entwickeln sich die Bereitschaft und

die Motivation für bürgerschaftliches Engagement bspw. in den ‚secondary asso-

ciations’ der US-amerikanischen Gesellschaft vor allem bei denjenigen, die mit viel

ökonomischem und kulturellem Kapital ausgestattet sind. Hierbei handelt es sich

nicht zwangsläufig um kulturelles Kapital, das durch die Teilnahme an institutiona-

lisiertem Lernen erworben werden kann. Im Blick sind insbesondere Erschei-

nungsformen inkorporierten kulturellen Kapitals, die Bourdieu zufolge vornehmlich

über die familiäre Sozialisation erworben werden und nicht in einem Volkshoch-

schulkurs. Helmbrecht weist zudem darauf hin, dass einem bürgerschaftlichen

Engagement in vielen Fällen die Motivation zugrunde liegt, das eigene ökonomi-

sche Kapital und die jeweilige soziale Machtposition zu sichern. In den ‚secondary

associations’ geht es demnach nicht ausschließlich darum, der Allgemeinheit ei-

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200

nen Dienst zu erweisen. In den Vordergrund rücken oftmals Bemühungen, be-

stimmtes soziales Kapital aufzubauen, indem Netze zwischen Personen geknüpft

werden, die in ähnlicher Weise höhere und hohe soziale Positionen einnehmen.

Insgesamt zeigt sich also auch an dieser Stelle die Bedeutung aller von Bourdieu

beschriebenen Kapitalformen bzw. deren Ungleichverteilung in einer Gesellschaft

und der komplexen Wechselwirkungen untereinander.

Die Kapitel 3 und 4 zeigen, in welcher Weise im Rahmen der ausgewählten er-

wachsenenpädagogischen Diskurssegmente im hohen Maße selektiv auf einzelne

Sozialkapitalkonzeptionen Bezug genommen wird und welche Folgen dies hat.

Putnams und Colemans Konzeptionen von sozialem Kapital stehen hierbei im

Zentrum. Bourdieus Ansatz spielt für den Mainstream der Debatten keine nen-

nenswerte Rolle.

Vergleicht man die unterschiedlichen erwachsenenpädagogischen Diskursseg-

mente untereinander, lässt sich ein Mangel an wechselseitigen Bezugnahmen

feststellen, der letztlich dazu führt, dass in einzelnen Segmente wichtige und an-

regende Aspekte nicht gesehen werden können, die in den jeweils anderen Seg-

mente eine zentrale Bedeutung haben. Hierbei handelt es sich im Kern um die

wechselseitige Beeinflussung zwischen Sozialkapital und Lernen auf unterschied-

lichen gesellschaftlichen Ebenen, um die Frage der Kontingenz dieser Beeinflus-

sung, um die gesellschaftlichen Gruppen, die in dieser Perspektive in den Blick zu

nehmen sind und schließlich um die Frage, inwiefern Lernen und Sozialkapital

institutionell gerahmt sind oder nicht. Es zeigt sich, dass explizite Bezugnahmen

auf den Sozialkapitalbegriff hierbei zu einem höheren Differenzierungsniveau bei-

tragen, als dies in den impliziten Anschlüssen der Fall ist. Dennoch erscheint es

angebracht, die unterschiedlichen Segmente aufeinander zu beziehen, um die

zentralen Aussagen und Ergebnisse des einen für die jeweils anderen nutzbar zu

machen.

Unter Rückgriff auf die Referenztheorien zum sozialen Kapital und den damit ver-

wandten Begriffen und Konzeptionen ist dieser Vergleich maßgeblich zu erweitern,

indem die unterschiedlichen Diskurssegmente an den Konzeptionen sozialen Ka-

pitals gespiegelt werden, an die sie jeweils nicht anschließen. Auf diese Weise

werden dann die aufgezeigten normativen Verkürzungen, die blinden Flecken des

pädagogischen Blicks, das in Teilen problematische Selbstverständnis und die

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201

unbestimmten Begriffsverwendungen im Rahmen erwachsenenpädagogischer

Diskurssegmente sichtbar. Eine besondere Bedeutung nehmen hierbei sicherlich

all jene kritischen Momente ein, die sich daraus ergeben, dass die Sozialkapital-

konzeption von Bourdieu in weiten Teilen der Debatte nicht aufgegriffen wird.

Denn auf diese Weise bleiben vor allem gesellschaftskritische Perspektiven außen

vor, die dem Konzept des sozialen Kapitals allerdings von Grund her innewohnen

– zumindest dann, wenn man es in einer mehrdimensionalen bzw. mehrfunktiona-

len Perspektive betrachtet und alle drei ‚Kronzeugen’ des Konzeptes zu Wort

kommen lässt. Die Tatsache, dass man es ab diesem Moment mit einer explizit

ausformulierten Gesellschaftstheorie zu tun hat, die von einer Ungleichheitsstruk-

tur ausgeht, die sich durch komplexe soziale Mechanismen fortlaufend reprodu-

ziert, birgt ein hohes kritisches Potenzial in sich, dass an vielen Stellen in den Ka-

piteln 3 und 4 deutlich wird: sei es wie in Kapitel 3 punktuell auf einzelnen Dis-

kurssegmente bezogen oder eher zusammenfassend mit Blick auf die entspre-

chenden in Kapitel 4 vorgestellten Aspekte. Wichtig ist, dass diese kritischen Mo-

mente zur Sprache kommen, denn nur so kann es letztlich dazu kommen, dass

eine angemessene Debatte über soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag

des Lernens Erwachsener geführt wird, die sich in der Lage zeigt, sozialstrukturel-

le Merkmale differenziert mit aufzunehmen.

5 Schlussbetrachtung

In Kapitel 2 der vorliegenden Arbeit wird als zentrales Ergebnis des Vergleichs der

Sozialkapitalkonzeptionen von Putnam, Coleman und Bourdieu festgehalten, dass

sozialem Kapital jeweils unterschiedliche Funktionen zugeschrieben werden, wo-

durch sich die einzelnen Konzeptionen grundlegend voneinander unterscheiden

und abgrenzen lassen.

Während Putnam Sozialkapital als ‚Katalysator’ für das (bessere) Funktionieren

ganzer Gesellschaften beschreibt, fokussiert Coleman soziale Netzwerke als indi-

viduelle Handlungsressourcen, die dem Einzelnen bei der Erreichung seiner

Handlungsziele behilflich sind. Insofern bewegen sich Putnam mit seiner Perspek-

tive auf kollektives Sozialkapital und Coleman mit seiner individuellen Perspektive

jeweils an den Eckpunkten eines in der Literatur sehr weit gefächerten Verständ-

nisses von sozialem Kapital.

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202

Welche Probleme und Verkürzungen durch den selektiven Umgang mit den unter-

schiedlichen Konzeptionen und vor allem durch das Ausblenden der Bour-

dieu’schen Perspektive hervorgerufen werden, wird in den Kapiteln 3 und 4 der

vorliegenden Arbeit ausführlich diskutiert. Es sind vor allem Bourdieus sozial-

differenzierende Perspektive und seine komplexe Darlegung der Reproduktions-

mechanismen soziale Ungleichheiten, die zudem mit einer elaborierten Vorstel-

lung des Zusammenhangs zwischen Individuum und Sozialstruktur ausgestattet

sind, die den rationalistischen und den normativen Vorstellungen sozialen Kapitals

und den auf diesen basierenden erwachsenenpädagogischen Argumentationsli-

nien entgegenstehen. Es wird in dieser Perspektive dann auch sehr deutlich be-

merkbar, inwiefern sich die Funktion von Sozialkapital in der Bourdieu’schen Fas-

sung von den anderen diskutierten Konzeptionen unterscheidet. Konkret ist sozia-

les Kapital gemäß Bourdieu integriert in eine komplexe Kapitaltheorie, die ihrer-

seits wiederum eine zentrale Rolle in seiner gesamten Soziologie einnimmt, indem

sie maßgeblich zu der Erklärung beiträgt, wie einzelne Gesellschaftsmitglieder ihre

sozialen Positionen erlangen und diese verteidigen können, wodurch sich letztlich

Sozialstrukturen einerseits und milieuspezifische Habitusformen andererseits re-

produzieren. Konkret bezogen auf Bourdieus Kapitaltheorie sind in diesem Zu-

sammenhang wohl die Stichworte ‚Ungleichverteilung’ und ‚Konvertierbarkeit’ von

Kapitalien von zentraler Bedeutung.

Erwachsenenpädagogik schließt in einer spezifischen Weise an die Funktionszu-

schreibungen für Sozialkapital gemäß Putnam und Coleman an. Wie in Kapitel 3

dargestellt, werden einerseits vergleichbare soziale Problemlagen und Prozesse in

den Blick genommen, für die dann jeweils Lösungs- und Umgangsmöglichkeiten

formuliert bzw. die in ihrer kollektiven und individuellen Bedeutung beschrieben

werden. Andererseits grenzt man sich allerdings von den angebotenen Funktions-

zuschreibungen implizit ab und formuliert diesbezüglich neue Vorstellungen. Es ist

dann nicht mehr das soziale Kapital selbst, das zum kollektiven Wohlergehen oder

zum individuellen Erfolg führt. Dies geschieht aus erwachsenenpädagogischer

Perspektive vielmehr jeweils vermittelt über kulturelles bzw. Humankapital, für wel-

ches Lernen wiederum eine notwendige Voraussetzung ist. An den folgenden

Graphiken lassen sich die entscheidenden Differenzen verdeutlichen:

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203

Sozialkapital als kollektive Ressource (trust, norms and

networks)

Gesellschaftliche Prozesse, politisches

Handeln

Kollektives Wohlergehen

Hat positiven Einfluss auf

Ermöglichen

Soziales Engagement, Gemeinschaftliches Verhalten (‚Bowling

together‘)

Führt zum Aufbau von

Hat positiven Einfluss auf

Sozialkapital als kollektive Ressource (trust, norms and

networks)

Lernen Erwachsener, Aufbau von

Humankapital

Kollektives Wohlergehen

Hat positiven Einfluss auf

Ermöglichen

Soziales Engagement, Gemeinschaftliches Verhalten (‚Bowling

toigether‘)

Führt zum Aufbau von

Hat positiven Einfluss auf

Lernen Erwachsener, Aufbau von Humankapital

Als Voraussetzung für

Sozialkapital und kollektives Wohlergehen gemäß Putnam

Lernen, Humankapital und Sozialkapital im Kontext erwachsenenpädagogischer

Diskurssegmente

Abb. 5: Vergleich ‚Sozialkapital und kollektives Wohlergehen gemäß Putnam’ und ‚Lernen, Hu-mankapital und Sozialkapital im Kontext erwachsenenpädagogischer Diskurssegmente’ (eigene Darstellung)

Sozialkapital

Physisches Kapital

Individuum mit rationalen

Handlungszielen

Handlungserfolg/ Zielerreichung

Humankapital

Handlungsressourcen

Greift auf einzelne Handlungsressourcen zurück

Führt zum Aufbau neuer Ressourcen

Sozialkapital als

Handlungsressource

Individuum mit rationalen

Handlungszielen

Aufbau vonHumankapital

Dient zum auf Aufbau

Agiert in NetzwerkenHandlungserfolg/ Zielerreichung

Sozialkapital als individuelle Handlungsressource gemäß Coleman

Lernen in und für Netzwerke(n) im Kontext erwachsenenpädagogischer Diskurssegmente

lernt handelt

handelt

Abb. 6: Vergleich ‚Sozialkapital als individuelle Handlungsressource gemäß Coleman’ und ‚Lernen in und für Netzwerke(n) im Kontext erwachsenenpädagogischer Diskurssegmente’ (eigene Darstel-lung)

Page 208: Soziales Kapital als Voraussetzung und Ertrag des … · von Werten und Normen, von Macht und Technologie usw. für den sozialen Zusammenhalt, für soziale Netzwerke usw. Die Sozialkapital-Perspektive

204

Dreh- und Angelpunkte sind mit Blick auf die erwachsenenpädagogischen Bezug-

nahmen auf Sozialkapital immer das Lernen und das daraus resultierende Hu-

mankapital. Soziales Kapital ist hierbei dann Voraussetzung und Ertrag des Ler-

nens Erwachsener. Es ist mit Blick auf die unterschiedlichen Diskurssegmente

festzuhalten, dass jeweils selektiv einzelne Ausschnitte der skizzierten Zusam-

menhänge fokussiert und hierbei unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt werden.

Im Kern liegt diesen Ansätzen aber weitestgehend die Annahme zugrunde, dass

der Weg zum individuellen Erfolg oder zum kollektiven Wohlergehen letztlich über

Lernen und Humankapital führt – soziales Kapital erscheint hierbei als eine unter-

schiedlich akzentuierte, aber grundlegend als eine abgeleitete Größe.

Auffällig und folgenreich ist bei all diesen Überlegungen das konsequente Aus-

blenden ökonomischer Bedingungen und Rahmungen auf individueller und auf

kollektiver Ebene, die unter Rückgriff auf Bourdieu allerdings an entscheidenden

Punkten der beschriebenen Zusammenhänge von zentraler Bedeutung sind. Zu-

nächst sei an dieser Stelle auf die grundlegende sozial-differenzierende Funktion

des ökonomischen Kapitals verwiesen sowie auf dessen gesellschaftliche Un-

gleichverteilung und seine Wechselwirkungen mit den anderen beiden Kapitalfor-

men, die nicht zugunsten einer reinen ‚Zweierbeziehung’ zwischen kulturellem und

sozialem Kapital aufgebrochen werden können. Hinzu kommt, dass die beschrie-

benen Mechanismen milieuspezifisch zu betrachten sind, da die dargestellten Pro-

zesse in jedem Milieu andere Ausprägungen annehmen, die sich relational zuein-

ander verhalten. Durch die unterschiedlichen sozialen Positionen existieren jeweils

andere soziale Rahmungen und Grenzen, die sich massiv auf das Zusammenspiel

der unterschiedlichen Kapitalformen auswirken und gleichzeitig durch diese selbst

bedingt sind. Nicht zuletzt kommt an dieser Stelle zum Tragen, dass Lernen und

kulturelles Kapitals in sich noch einmal nach unterschiedlichen Ausprägungsfor-

men zu unterscheiden sind. Lernen kann demnach zu unterschiedlichen Effekten

führen, die von unterschiedlichen sozialen Kontexten abhängen und jeweils in

spezifischer Weise mit ökonomischem und sozialem Kapital in Verbindung stehen.

Diese Überlegungen können nun in unterschiedliche Richtungen hin nutzbar ge-

macht werden.

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205

In Richtung erwachsenenpädagogischer Debatten und Forschungsansätze im Be-

deutungshorizont sozialen Kapitals gilt es aus dieser Perspektive theoretisch zu

hinterfragen und vor allem empirisch zu untersuchen, inwiefern die aufgezeigten

erwachsenenpädagogischen Annahmen mit Blick auf unterschiedliche soziale

Gruppen zutreffen und welche Differenzen hierbei festzustellen sind. Die bisheri-

gen empirischen Befunde zum Zusammenhang zwischen sozialem und kulturel-

lem Kapital – so wie sie in der vorliegenden Arbeit diskutiert werden – sind hierzu

nicht ausreichend und vor allem in methodischer Hinsicht nicht angemessen. Bis-

lang kann man eher von empirischen Indizien sprechen, die gegenwärtig noch

sehr verkürzt zusammengeführt, interpretiert und in die Formulierung von Hand-

lungsoptionen überführt werden. Zentral wäre zunächst, sich von der Zentrierung

auf das Human- bzw. das kulturelle Kapital insofern zu lösen, als die Eigenlogiken

von Sozialkapital in ihrer Bedeutung für Individuen und Kollektive in Rechung ge-

stellt werden. Dies würde bedeuten, davon auszugehen, dass Lernen, kulturelles

Kapital und letztlich auch Bildung in einem anderen Verhältnis zum sozialen Kapi-

tal stehen, als dies bislang in der Erwachsenenpädagogik diskutiert wird. Vielmehr

müsste von den spezifischen Lebenszusammenhängen der einzelnen Individuen

ausgegangen werden und den Herausforderungen, die sich ihnen stellen und die

dann in besonderer Weise die Verfügbarkeit von ökonomischen, kulturellen und

sozialen Ressourcen erforderlich machen. Groß angelegte quantifizierende Unter-

suchungen sind für einen derartigen Blick in einem ersten Zugang nicht geeignet,

da sie die komplexen sozialen Mechanismen, die in diesem Zusammenhang an-

zunehmen sind, nicht adäquat erfassen können, solange nicht zumindest in explo-

rativen Studien erste belast- und überprüfbare Hypothesen generiert wurden, die

dann ggf. für die Itembildung und die Konkretisierung des Untersuchungsgegen-

standes herangezogen werden können. Angebracht erscheinen vielmehr biogra-

phieorientierte und rekonstruktive Forschungsansätze, die in der Lage sind, die

verdeckten Wirkungsmechanismen zwischen sozialem, kulturellem und ökonomi-

schem Kapital zu erfassen, die sich zwischen einzelnen Individuen je unterschied-

lich darstellen. Strukturierend sollte hierbei allerdings immer die Frage nach Mi-

lieuunterschieden mitlaufen: In welchen Milieus wird unter welchen Bedingungen

auf welche Herausforderungen eher mit Lernen oder eher durch die Aktivierung

von Sozialkapital reagiert und welche Qualitäten haben die jeweiligen Lösungs-

bzw. Umgangsformen dann? Als Ergebnis ist erwartbar, dass es nicht immer Ler-

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206

nen, kulturelles Kapital oder Bildung sein müssen, wenn man sich neuen Heraus-

forderungen gegenüber sieht.

Aus dem Blick gerät auf diese Weise zunächst die von Putnam fokussierte kollek-

tive Ebene sozialen Kapitals. Dies ist allerdings für den angedeuteten For-

schungszugang unumgänglich und letztlich auch zuträglich. Man vermeidet somit,

dass vorschnell politische Konsequenzen gezogen und (vermeintliche) Hand-

lungsoptionen für verschiedene Akteure formuliert werden, die in ihrer Allgemein-

heit in der Regel nicht haltbar sind. Aufgrund der aufgezeigten Leerstellen der

Putnam’schen Sozialkapitalkonzeption ist eine normativ entschlackte Vorstellung

von der möglichen kollektiven Bedeutung sozialen Kapitals ausgehend von empi-

rischen Befunden auf der Mikroebene zu entwickeln, die dann erst ggf. für hypo-

thesenprüfende Verfahren mit größeren Samples oder Längsschnittuntersuchun-

gen nutzbar gemacht werden kann. Vor diesem Hintergrund wäre es nicht mehr

möglich, pauschal nach dem Sozialkapital einer Gesellschaft zu fragen, welches

immer positive Effekte hervorruft, solange es ausreichend vorhanden ist. In den

Blich zu nehmen sind gesellschaftliche Differenzierungen (Milieus, Schichten, Be-

völkerungen unterschiedlicher Wohnquartiere u. Ä), um die anzunehmenden Wir-

kungsmechanismen und Effekte in den unterschiedlichen sozialen Gruppen im

Vergleich untersuchen zu können. Die quantitative Erfassung sozialen Kapitals

erschöpft sich auf diese Weise dann nicht mehr darin, pauschal die durchschnittli-

che Anzahl von Vereinen oder Bowling-Ligen zu erfassen, sondern müsste mit

Blick auf soziale Gruppen je unterschiedliche Ausprägungen sozialen Kapitals in

Rechnung stellen, für die wiederum adäquate statistische Proxies zu entwickeln

sind. Eine interessante Erweiterung wäre zudem darin zu sehen, nach räumlichen

Bedingungsfaktoren (Wohnort, Stadt-Land-Unterschiede, Wohnquartier etc.) für

das jeweilige Zusammenspiel zwischen kulturellem, sozialem und ökonomischem

Kapital zu fragen und hierbei in den Blick zu nehmen, inwiefern es in dieser Hin-

sicht Unterschiede zwischen sozialem Kapital und dessen Auswirkung auf das

Wohlergehen sowie die soziale und die ökonomische Performanz sozialer Grup-

pen in verschiedenen regionalen Räumen festzustellen gibt. In raumsoziologi-

schen Untersuchungen wird vielfach die These bestätigt, dass individuelles und

kollektives Wohlergehen sowie milieuspezifische Lebensstile maßgeblich mit

Quartiersbedingungen und räumlichen Einflüssen in Verbindung stehen (vgl. zum

Überblick Friedrichs 1977; Klee 2001; Löw 2001; Matthiesen 1998). Zu vermuten

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207

ist hier also eine weitere Variable, die den Zusammenhang zwischen Humankapi-

tal, Sozialkapital, ökonomischem Kapital und kollektivem und individuellem Wohl-

ergehen maßgeblich beeinflusst.62

Führt man sich vor diesem Hintergrund das aktuellste Dokument erwachsenenpä-

dagogischer Bezugnahmen auf soziales Kapital vor Augen, gewinnt man den Ein-

druck, dass die von mir angedeuteten Perspektiven nur sehr mühsam ihren Weg

in die entsprechenden Diskurszusammenhänge finden. Dieses aktuelle Dokument

ist in dem Sammelband von Stefan Vater, Wolfgangs Kellner und Wolfgang Jütte

zu sehen, der 2011 unter dem Titel ‚Erwachsenenbildung und Sozialkapital’ veröf-

fentlicht wurde.63

Ein Überblick über diesen Band macht deutlich, dass sich ein großer Teil der Auf-

sätze fast nahtlos in die von mir vorgestellten Diskurssegmente über Erwachse-

nenbildung und Inklusion, bürgerschaftliches Engagement und Zivilgesellschaft

und vergleichbare Überlegungen einreiht, indem sie sich in erster Linie mit Vorstel-

lungen kollektiven sozialen Kapitals in der Lesart Putnams auseinandersetzen

(vgl. Büchel-Kapeller 2011; Gaube/ Smetschka/ Lutz 2011; Gehmacher 2011;

Küchler 2011; Resch 2011; Trattingg 2011). Immer dann, wenn in diesen Aufsät-

zen ein Zusammenhang zwischen (institutionellem) Erwachsenenlernen und Sozi-

alkapital angesprochen wird, lässt sich deutlich erkennen, dass kollektives Sozial-

kapital in der etablierten und von mir beschriebenen Weise nach wie vor entweder

als Voraussetzung oder als Ertrag des Lernens Erwachsener in den Blick genom-

men wird. Es ist hier letztlich keine Weiterentwicklung zu erkennen, die mit der

Einführung des Sozialkapitalbegriffs u. U. hätte einhergehen können.64 Stattdes-

sen lassen sich die gleichen Probleme identifizieren, die ich bereits für die ent-

62 Dass eine derartige raumsozilogische Herangehensweise durchaus gewinnbringend ist, zeigen bereits Befunde einer Studie, die am Lehrstuhl für Erwachsenenbildung der Ruhr-Universität Bo-chum durchgeführt wurde. In dieser Studie ging es um die Frage, welche Bedingungsfaktoren sich auf Weiterbildungsbeteiligung auswirken. Ein zentrales Ergebnis der Studie ist, dass der Raum als Einflussfaktor für die Beteiligung an Erwachsenenbildung nicht zu vernachlässigen ist. Es lassen sich demnach räumliche Strukturen der Weiterbildungsteilnahme für die Stadt Bochum identifizie-ren, die jenseits soziodemographischer Strukturen liegen: Man kann von einer ‚Überformung’ so-ziodemographischer Variablen der Weiterbildungsregulation sprechen (vgl. Feldmann 2008; Feld-mann/ Hartkopf 2006; Feldmann/ Schemmann 2006, 2008; Wittpoth 2007, 2009a). 63 Es handelt sich hierbei um den Tagungsband zu der in der Einleitung angesprochenen Tagung mit dem gleichen Titel. Der Band umfasst neben den verschriftlichen Tagungsvorträgen noch wei-tere Aufsätze, die sich auf unterschiedliche Weise mit sozialem Kapital aus erwachsenenpädago-gischer Perspektive auseinandersetzen. 64 Zudem wird auf Bezugnahmen zu den internationalen Diskurssegmenten verzichtet, sodass auch in dieser Hinsicht weiterhin eine eingeschränkte Perspektive eingenommen wird.

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sprechenden Debatten angesprochen habe. Vor diesem Hintergrund hat es sich –

etwas schärfer formuliert – mit Blick auf diesen Schwerpunkt des Bandes von Va-

ter/ Kellner/ Jütte kaum gelohnt, den Sozialkapitalbegriff aufzunehmen, da er wei-

terhin selektiv und vornehmlich programmatisch verwendet wird und auf diese

Weise keine Weiterentwicklungen im Diskurs initiiert. Die Tatsache, dass in erster

Linie auf Putnams Sozialkapitalverständnis abgestellt wird und weder Colemans

noch Bourdieus Auffassungen systematisch mitgeführt werden, führt dazu, dass

auch die unterschiedlichen Leerstellen und Kritikpunkte an Putnams Sozialkapital-

konzeption und die entsprechenden Folgen für erwachsenenpädagogische Argu-

mentationen weiterhin anzumerken sind. Letztlich bleibt festzuhalten, dass mit

dem Sozialkapitalbegriff lediglich ein neues Label für bereits etablierte Argumenta-

tionslinien verwendet wird.

Die gleiche Feststellung gilt auch mit Blick auf einzelne Aufsätzen, in denen empi-

rische Forschungsperspektiven angeboten werden, die sich mit den Möglichkeiten

der empirischen Erfassung sozialen Kapitals (vgl. Jungbauer-Gans 201165) und

mit der Rolle von Genderaspekten und modernen Kommunikationstechnologien

beim Zusammenhang zwischen Erwachsenenbildung und Sozialkapital auseinan-

dersetzen (vgl. Gidengil/ O’ Neill 2011; Kieslinger 201166). Es handelt sich hierbei

jeweils um konkrete einzelne Fragestellungen und forschungsmethodische Aspek-

te, die ohne Frage relevant sind, die sich aber nach wie vor eng in dem Rahmen

bewegen, der durch die bislang etablierten erwachsenenpädagogischen Themati-

sierungen sozialen Kapitals vorgegeben ist.

Die in dem Band vorfindbaren kritischen Auseinandersetzungen mit dem Sozial-

kapitalbegriff verzichten ihrerseits wiederum darauf, genuin erwachsenenpädago-

gische Argumentationsmuster aufzubauen (vgl. Erler 2011; Vater 2011). Vielmehr

wird unter Rückgriff auf Bourdieu allgemein dargestellt, dass Putnams Sozialkapi-

talkonzeption unempfindlich gegenüber Fragen gesellschaftlicher Ungleichheit und

Machtverhältnisse ist. Außerdem werden Putnams normative Ausrichtung, seine

traditionelle und unflexible Vorstellung sozialer Gemeinschaften und sein empiri-

sches Vorgehen kritisiert. Es ist diesen Aussagen zuzustimmen. Es bleibt aber

abzuwarten, in welcher Weise sie zukünftig im Rahmen erwachsenenpädagogi-

scher Diskurssegmente zur Kenntnis genommen werden.

65 Zur Vertiefung dieses Aspektes bieten sich insbesondere die Überlegungen von Gaag/ Snijders (2004), Gaag/ Snijders/ Flap (2004) oder Deth (2003) an. 66 Vgl. zur weiteren Vertiefung Davies 2003

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Mit Blick auf die empirische Erwachsenenbildungsforschung wird schließlich an-

gemerkt, dass sie durch bestimmte Unterscheidungen und Grundannahmen der

Sozialkapitaldebatte gewinnbringend angereichert werden könne, wie sich am Bei-

spiel der Erforschung der Teilnahmeregulation zeigen lässt, sofern man soziales

Kapital als einen Kontextfaktor für Weiterbildungsbeteiligung in den Blick nimmt.

Hierbei sei es allerdings notwenig, soziales Kapital in seinen unterschiedlichen

Facetten und Lesarten zu beachten und immer transparent zu machen, welche

Formen sozialen Kapitals in welcher Weise in den Blick genommen werden (vgl.

Feldmann 2011). John Field zeigt zudem auf, dass individuelles Sozialkapital und

Lernbemühungen als biographische Phänomene zu untersuchen seien. Dies gelte

besonders in Wandlungs- bzw. Übergangszeiten, die im Rahmen von Modernisie-

rungsprozessen immer häufiger werden. Insofern sei ein biographisch orientierter

Forschungszugang durchaus angebracht, der sich erkennbar in die oben von mir

aufgezeigte Forschungsrichtung bewegt (s. o.; vgl. Field 2011).

Eine andere Richtung, in die die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit hin fruchtbar

gemacht werden können, ist darin zu sehen, dass auch die Sozialkapitaldebatte

selbst in mancher Hinsicht neu akzentuiert werden kann, wenn Annahmen über

die Bedeutung von (Erwachsenen-)Lernen und dessen Effekte systematisch mit

aufgenommen werden. Es wird möglich, bestimmte Grundannahmen im Rahmen

der Sozialkapitaldebatte, die ausschließlich auf soziales Kapital als Weg zum indi-

viduellen oder kollektiven Glück setzen und hierbei ebenfalls auf Relativierungen

mit anderen Kapitalformen und sozialen Strukturen verzichten, in ein neues Licht

zu rücken. Denn genauso wenig wie kulturelles Kapital mit zu hohen Anforderun-

gen an seine Leistungsfähigkeit überfrachtet werden sollte, gilt dies vor dem Hin-

tergrund meiner Ausführungen für Sozialkapital. Sofern im Rahmen der Sozialka-

pitaldebatte auf Humankapital Bezug genommen wird und hierbei Putnams und

Colemans Konzeptionen die Grundlage liefern, geht man allgemein davon aus,

dass Sozialkapital einen positiven Einfluss auf Humankapital haben kann.67 Die

Frage danach, inwiefern Sozialkapital allerdings auch als Ertrag von Lernen in den

Blick zu nehmen ist, bleibt dann ungestellt. Vor dem Hintergrund meiner Ausfüh-

rungen kann allerdings festgehalten werden, dass diese Frage zu stellen ist, wenn

67 In den meisten Fällen wird diese Frage hingegen gar nicht erst gestellt.

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man ein differenziertes Bild der Wirkungsmechanismen sozialen Kapitals bekom-

men möchte.

Für einen integrierten Forschungszugang, der in beide der aufgezeigten Richtun-

gen hin nutzbar sein kann, ließen sich interessante Anregungen aus aktuellen An-

sätzen der Migrationsforschung ableiten, bei denen die Annahme eines interde-

pendenten Verhältnisses zwischen ökonomischem, sozialem und kulturellem Kapi-

tal beim Umgang mit individuellen Herausforderungen zugrunde gelegt wird (vgl.

bspw. Klein 2010; Nohl u. a. 2010; Thomsen 2010). Auf der Grundlage von Fall-

analysen kann Sarah Thomsen bspw. zeigen, dass soziales Kapital nicht nur als

Voraussetzung und Ertrag des Lernens Erwachsener fungieren kann, sondern

insofern auch eine Vermittlerposition einnimmt, als eine gute Ausstattung mit kul-

turellem Kapital erst dann auf dem Arbeitsmarkt gewinnbringend eingesetzt wer-

den kann, wenn es mit dem entsprechenden Sozialkapital gekoppelt werden kann

(vgl. Thomsen 2010). Hochqualifizierte Einwanderer, die ihr kulturelles Kapital im

Ausland erworben haben, bedürfen demnach oftmals der notwendigen sozialen

Beziehungen, um auf dem Arbeitsmarkt des Immigrationslandes letztlich eine

adäquate Position einnehmen zu können. Es ist vor allem diese Vermittlerrolle

sozialen Kapitals, welche im Rahmen erwachsenenpädagogischer Debatten nicht

hinreichend thematisiert wird. Gewonnen würde aus dieser Perspektive sicherlich

eine Relativierung der möglichen gesellschaftlichen Leistungen vor allem der be-

ruflich orientierten Weiterbildung. Das Verhältnis zwischen sozialem und kulturel-

lem Kapital müsste vor diesem Hintergrund mit Blick auf berufliche Weiterbildung

insofern reformuliert werden, als nicht nur das Lernen in Netzwerken oder das

Lernen für Netzwerke untersucht werden, sondern dass ein bestimmtes Maß an

‚Vernetzt-Sein’ unter bestimmten Bedingungen als eine Voraussetzung für eine

gewinnbringender Verwertung des Gelernten anzusehen ist.

Abschließend sei festgehalten, dass das Thema ‚Sozialkapital und Erwachsenen-

lernen’ trotz prägnanter Beispiele und Bezugnahmen bislang noch nicht im

‚Mainstream’ des erwachsenenpädagogischen Diskurses angekommen ist, son-

dern eine nicht unbedeutende aber dennoch eher kleine Facette im Gesamtbild

darstellt. Dies gilt insbesondere dann, wenn man nach expliziten Bezugnahmen

auf die unterschiedlichen Konzeptionen sozialen Kapitals fragt. Auseinanderset-

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zungen mit Perspektiven, die sich im Bedeutungshorizont sozialen Kapitals bewe-

gen, nehmen zwar einen erkennbar größeren Stellenwert in unterschiedlichen

zentralen Diskurssegmenten ein. Aber auch in dieser Hinsicht kann nicht die Rede

davon sein, dass Netzwerke, Werte, Normen und Vertrauen als Elemente sozialen

Kapitals im Vergleich zu anderen Aspekten bislang zu zentralen Bezugsgrößen in

der Erwachsenenpädagogik avanciert sind.

Vor diesem Hintergrund ist ein weiterer Ertrag der vorliegenden Arbeit darin zu

sehen, dass eine grundlegende Unterscheidung zwischen Thematisierung und

Nicht-Thematisierung sozialen Kapitals im Rahmen der Erwachsenenpädagogik

insgesamt möglich wird, um in der Folge erwachsenenpädagogische Grundan-

nahmen hinterfragen und irritieren zu können, die die Perspektive sozialen Kapi-

tals bisher umschiffen. Es kann aus dieser Perspektive also gefragt werden, inwie-

fern Neuakzentuierungen dort möglich werden sind, wo Sozialkapital bislang noch

gänzlich außen vor bleibt. Es erscheint dies insofern angebracht, als deutlich ge-

worden ist, dass mit den Perspektiven und Unterscheidungen, die durch die Kate-

gorie ‚Sozialkapital’ hinzugewonnen werden, auch in anderen Diskurssegmenten,

die bisher noch nicht auf diese Weise betrachtet wurden, tiefer gehende Einsich-

ten möglich werden. Es soll damit nicht gesagt sein, dass soziales Kapital vor dem

Hintergrund der vorgestellten Diskurssegmente zu einem Bezugspunkt erwachse-

nenpädagogischen Denkens zu machen ist, der für sich alleine stehen kann. Die

mit den unterschiedlichen Konzeptionen sozialen Kapitals verbundenen Perspekti-

ven stellen allerdings neben anderen einen Referenzrahmen zur Verfügung, der

eine größere Aufmerksamkeit beanspruchen kann. Während bislang kulturelles

bzw. Humankapital und Bildung das Zentrum der relevanten erwachsenenpäda-

gogischen Diskurssegmente ausgemacht haben, wirft die vorliegende Arbeit

schließlich die Frage auf, ob dies nicht auch anders gedacht werden kann. Was

würde passieren, wenn soziales Kapital in dem von mir diskutierten relationalen

und multifunktionalen Verständnis konsequent als Spiegel immer dort eingesetzt

wird, wo es bislang nicht aufgegriffen wird? Insbesondere dann, wenn in der Er-

wachsenenpädagogik gesellschaftliche Zusammenhänge und Fragen diskutiert

werden, unter welchen Bedingungen Gesellschaften und die einzelnen Gesell-

schaftsmitglieder mit den Herausforderungen umgehen, denen sie sich gegenüber

sehen, scheint es durchaus angebracht, nicht nur kulturelles Kapital zum Gegens-

tand zu machen. Aber auch andere zentrale Fragestellungen der Erwachsenen-

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pädagogik lassen sich auf diese Weise kommentieren. Aufgaben, Möglichkeiten

und Grenzen der beruflichen Weiterbildung, Fragen der Qualitätssicherung, Kon-

zepte der Professionalisierung u. a. m. gewinnen aller Voraussicht nach entschei-

dende Facetten hinzu, wenn sie in der beschriebenen Hinsicht ihre Perspektive

erweitern.

Mit diesem Desiderat geht man dann quasi ‚auf’s Ganze’ und bewegt sich weit

über die expliziten und impliziten Bezugnahmen auf Sozialkapital in erwachsenen-

pädagogischen Diskursen hinaus, um noch unerkannte Möglichkeiten identifizie-

ren zu können, die im Sozialkapitalbegriff angelegt, aber im erwachsenenpädago-

gischen Diskurs bisher ungenutzt sind.

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Lebenslauf Name Henning Feldmann Wohnsitz Sonnenweg 2, 59602 Rüthen-Drewer Geboren am 29.11.1978, in Lippstadt Familienstand verheiratet, eine Tochter

Schulausbildung 1985 - 1989 Grundschule (Sellerschule Belecke) 1989 - 1998 Gymnasium der Stadt Warstein Schulabschluss Allgemeine Hochschulreife

Zivildienst August 1998 - Septem-ber 1999

Haus der Pflege in Kallenhardt (Warstein)

Studium

Wintersemester 1999/2000 - Wintersemester 2004/2005

Magisterstudium im Fach Erziehungswissenschaft/ Pädagogik an der Ruhr-Universität Bochum (RUB) mit den Nebenfächern Soziologie und Sozialpsychologie Titel der Magister-Arbeit: ‚Realistische Wende in der Erwachsenenbildung? Zur Geschichte der bundes-deutschen Erwachsenenbildung in der Nachkriegszeit.’

Promotion

Bis Februar 2012 Promotion im Fach Erziehungswissenschaft an der Fakultät für Philosophie und Erziehungswissenschaft der Ruhr-Universität Bochum Titel der Dissertation: ‚Soziales Kapital als Vorausset-zung und Ertrag des Lernens Erwachsener’ Tag der mündlichen Prüfung: 02.02.2012

Berufliche Tätigkeiten

April 2005 - April 2006 Wissenschaftliche Hilfskraft am Lehrstuhl für Erwach-senenbildung und am Lehrstuhl für Berufs- und Wirt-schaftspädagogik an der RUB

April 2006 - September 2010

Referent des Gemeinsamen beschließenden Aus-schusses Lehramt (GALA) an der RUB (50%)

Oktober 2006 - Mai 2011 Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Er-

wachsenenbildung der RUB (50%) September 2010 - Mai 2011

Referent der Geschäftsstelle der Professional School of Education (PSE) der RUB (50%)

Seit Juni 2011 Geschäftsführer der Professional School of Education

(PSE) der RUB

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