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Horst Weber Spin-Fallen zum Nachweis von Stickstoffmonoxid (NO) 1. Einfiihrung Normalerweisc wcrden spezifische Effekte in biologischcn Systemen durch cine Wechsel- wirkung groflcr, relativ kompliziert aufge- bauter Molekiile erz,iclt. Bekannte Beispiele sind u.a. die Hemmung oder Aktivierung von Enzymen, die Beeinflussung von Transport- systemen, die Einwirkung auf den Stoffwech- sel von Mikroorganismen oder die Komplex- bildung mit Rezeptoren oder Ionenkanalen. Die Signaliibermittlung kommt dabei durch nicht-kovalente Bindung eines Liganden (Bo- tenstoff, Wirkstoff) mit einer spezifischen Bindungsstelle im biologischen Zielmolekul (meist ein Protein) zustande. Die Starke der Bindung wird von der physikochemischen Komplementaritat beider Partner bestimmt und ist verantwortlich fur den biologischen Effekt. Es gibt bisher nur wenige Beispiele dafiir, dafl auch sehr kleinc, gasformige Molekule an dcr Signalubertragung beteiligt sind. Wahrend Ethylen als universelles Reifehormon bei Pflanzen wirkt, fungiert Kohlenmonoxid (CO) beim Menschen als Neurotransmitter, der von der Ham-Oxygenase produziert wird [I]. Noch spektakularer war die Ent- deckung, dafl das als Autoabgas und Atemgift bekaiinte Sttckstoffmonoxtd (NO) in unserem Stoffwechsel produziert und als endogener Botenstoff freigesetzt wird. Fur ihrc bahnbre- chenden Erkenntnisse auf diesem Gebiet er- hielten Robert F. Furchgott, Louis J. Ignarro und Ferid Murad den Nobelpreis fur Medi- zin 1998. Als physiologischc Quellc fur NO dient die naturliche Aminosaure L-Arginin, die durch Oxidation mit Hilfe verschiedener NO-Syn- thasen zu Citrullin abgebaut wird. Formal handelt es sich dabei um eine Abkurzung dcs Harnstoffcyclus, in dem Arginin normaler- weise durch Arginase zu Harnstoff und Or- nithin hydrolysiert wird (Abb. 1 und 2) Demgegenuber erfolgt die NO-Freisetzung aus organischen Nitraten, die seit uber 100 Jahren als Koronartherapeutika venvendet werden, durch Reduktion. Uber die Bedeu- tung von NO als EDRF (endothelial derived relaxing factor) informiert der kurzlich in dieser Zeitschrift erschienene Artikel von J. Lehmann: ,,Organische Nitrate - Neue Pcr- spektiven fur eine altc Arzneistoffgruppe" [2]. Dort werden auch andere NO-Donoren be- schrieben, aus denen NO auf unterschiedliche Weise freigesetzt wird, was im einzelnen noch nicht geklart oder umstritten ist [3, 41. Wahrend die Reduktion der Nitrate im zitier- ten Artikel ausfuhrlich diskutiert wird, sol1 an dieser Stelle die Problematik solcher Wirk- stoffe im Vordcrgrund stehen, die spontan oder nach Oxidation NO abspalten. Hier mui3te geklart werden, ob die biologische + H2NVNH2 H,r;4OO H2NYo 7 NH NO' I L-Arginin N-H ydrox y-L-Arginin L-Citrullin I Abb. 1. Oxidation von L-Arginin durch die NO-Synthase. 138 Wirkung tatsachlich auf der Bildung von NO-Radikalen beruht, oder ob zunachst an- dere NO-Spezies freigesetzt werden, die erst anschlieflend zu NO umgewandelt werden. Die Beantwortung dieser Frage setzt einen verlafllichen Nachweis fur Stickstoffmonoxid voraus, bei dem alle direkten und indirekten Reaktionsprodukte von NO entweder nicht erfai3t werden odcr zu andersartigen Resulta- ten fuhren. Zur Beurteilung der Spezifitat ei- ner Nachweismethode fur NO ist deshalb die Kenntnis der physikochemischen Eigenschaf- ten dieses Radikals erforderlich, so dafl ein kurzer Ausflug in die ,,Niederungen" der Anorganik unumganglich ist. Ihbci sollen nur die wichtigstcn Reaktioncn von NO dis- kutiert werden, die im Zusammenhang mit seiner biologischen Wirkung und der Analy- tik von Bedeutung sind. 2. Chemische Eigenschaften von NO Das NO-Molekiil besitzt 11 Elektronen und ist deshalb ein Radikal. Das einzelne, unge- paarte Elektron besctzt ein antibindendes +- 2p-Molekulorbital und verleiht der Verbin- dung paramagnctische Eigenschaften. NO ist ein in Wasser wenig, in organischen Losungs- mitteln besser losliches, farbloses Gas. Im Gegensatz zu anderen Radikalen zeigt NO nur eine geringe Tendenz zur Dimerisierung. Die Chemie von NO ist rclativ komplex (Abb. 3). Das NO-Radikal kann entweder durch Abgabe oder Aufnahme eines Elek- trons in seine ionischcn Vorstufen iibergehen. Durch Oxidation entsteht das Nitrosonium- ion, das mit Wasser spontan zu salpetriger Saure (Nitrit) abreagiert. Bei der Reduktion von NO bildet sich Nitroxylat, das Anion des Nitrosowasserstoffs HNO. Wahrend diese Redox-Reaktionen reversibel sind, kann HNO auch dimerisieren und danach schnell und irreversibel zu Lachgas (N,O) und Was- ser zerfallen. Grundsatzlich kommen alle an- organischen und organischen Derivate von Nitraten, Nitriten und Hydroxylaminen als NO-Donorcn in Betracht. Die Reduktion von Nitraten und Nitriten kann ebenso wie die Oxidation von Hydroxylamin-Derivaten uber das intermediar gebildete HNO auch von biologischen Systemen bewerkstelligt werden. Auger den Kedox-Eigenschaften von NO sind seine Keaktionen rnit Sauerstoff essentiell (Abb. 4). Uber ein Peroxynitrit-Radikal ent- steht Stickstoffdioxid, das im Gegensatz zu NO ein starkes Oxidationsmittel ist und da- bei direkt zu Nitrit reduziert wird. Auger- dem rekombiniert es zu hoheren Stickoxiden, die zu Nitrit und/oder Nitrat hydrolysieren oder mit anderen Nucleophilen (Aminen, Thiolen etc.) zu einer ganzen Palette von Fol- geprodukten (Nitrosamine, Nitrosothiole etc.) weiter reagieren konnen. Pharmazic In unserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 / Nv. 3 0048-3664/99/05-0305-0138 $17.50 +- .50/0 0 WILEY-VCH Verkzg GmbH, 69469 Weinheim, 1999

Spin-Fallen zum Nachweis von Stickstoffmonoxid (NO)

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Page 1: Spin-Fallen zum Nachweis von Stickstoffmonoxid (NO)

Horst Weber

Spin-Fallen zum Nachweis von

Stickstoffmonoxid (NO)

1. Einfiihrung

Normalerweisc wcrden spezifische Effekte in biologischcn Systemen durch cine Wechsel- wirkung groflcr, relativ kompliziert aufge- bauter Molekiile erz,iclt. Bekannte Beispiele sind u.a. die Hemmung oder Aktivierung von Enzymen, die Beeinflussung von Transport- systemen, die Einwirkung auf den Stoffwech- sel von Mikroorganismen oder die Komplex- bildung mit Rezeptoren oder Ionenkanalen. Die Signaliibermittlung kommt dabei durch nicht-kovalente Bindung eines Liganden (Bo- tenstoff, Wirkstoff) mit einer spezifischen Bindungsstelle im biologischen Zielmolekul (meist ein Protein) zustande. Die Starke der Bindung wird von der physikochemischen Komplementaritat beider Partner bestimmt und ist verantwortlich fur den biologischen Effekt.

Es gibt bisher nur wenige Beispiele dafiir, dafl auch sehr kleinc, gasformige Molekule an dcr Signalubertragung beteiligt sind. Wahrend Ethylen als universelles Reifehormon bei Pflanzen wirkt, fungiert Kohlenmonoxid (CO) beim Menschen als Neurotransmitter, der von der Ham-Oxygenase produziert wird [I]. Noch spektakularer war die Ent- deckung, dafl das als Autoabgas und Atemgift bekaiinte Sttckstoffmonoxtd (NO) in unserem Stoffwechsel produziert und als endogener Botenstoff freigesetzt wird. Fur ihrc bahnbre-

chenden Erkenntnisse auf diesem Gebiet er- hielten Robert F. Furchgott, Louis J. Ignarro und Ferid Murad den Nobelpreis fur Medi- zin 1998.

Als physiologischc Quellc fur NO dient die naturliche Aminosaure L-Arginin, die durch Oxidation mit Hilfe verschiedener NO-Syn- thasen zu Citrullin abgebaut wird. Formal handelt es sich dabei um eine Abkurzung dcs Harnstoffcyclus, in dem Arginin normaler- weise durch Arginase zu Harnstoff und O r - nithin hydrolysiert wird (Abb. 1 und 2)

Demgegenuber erfolgt die NO-Freisetzung aus organischen Nitraten, die seit uber 100 Jahren als Koronartherapeutika venvendet werden, durch Reduktion. Uber die Bedeu- tung von NO als EDRF (endothelial derived relaxing factor) informiert der kurzlich in dieser Zeitschrift erschienene Artikel von J. Lehmann: ,,Organische Nitrate - Neue Pcr- spektiven fur eine altc Arzneistoffgruppe" [2]. Dort werden auch andere NO-Donoren be- schrieben, aus denen NO auf unterschiedliche Weise freigesetzt wird, was im einzelnen noch nicht geklart oder umstritten ist [3, 41. Wahrend die Reduktion der Nitrate im zitier- ten Artikel ausfuhrlich diskutiert wird, sol1 an dieser Stelle die Problematik solcher Wirk- stoffe im Vordcrgrund stehen, die spontan oder nach Oxidation NO abspalten. Hier mui3te geklart werden, ob die biologische

+ H2NVNH2

H , r ; 4 O O

H2NYo 7 NH

NO'

I L-Arginin N - H ydrox y-L-Arginin L-Citrullin I Abb. 1. Oxidation von L-Arginin durch die NO-Synthase.

138

Wirkung tatsachlich auf der Bildung von NO-Radikalen beruht, oder ob zunachst an- dere NO-Spezies freigesetzt werden, die erst anschlieflend zu NO umgewandelt werden. Die Beantwortung dieser Frage setzt einen verlafllichen Nachweis fur Stickstoffmonoxid voraus, bei dem alle direkten und indirekten Reaktionsprodukte von NO entweder nicht erfai3t werden odcr zu andersartigen Resulta- ten fuhren. Zur Beurteilung der Spezifitat ei- ner Nachweismethode fur NO ist deshalb die Kenntnis der physikochemischen Eigenschaf- ten dieses Radikals erforderlich, so dafl ein kurzer Ausflug in die ,,Niederungen" der Anorganik unumganglich ist. Ihbci sollen nur die wichtigstcn Reaktioncn v o n N O dis- kutiert werden, die im Zusammenhang mit seiner biologischen Wirkung und der Analy- tik von Bedeutung sind.

2. Chemische Eigenschaften von NO

Das NO-Molekiil besitzt 11 Elektronen und ist deshalb ein Radikal. Das einzelne, unge- paarte Elektron besctzt ein antibindendes +- 2p-Molekulorbital und verleiht der Verbin- dung paramagnctische Eigenschaften. NO ist ein in Wasser wenig, in organischen Losungs- mitteln besser losliches, farbloses Gas. Im Gegensatz zu anderen Radikalen zeigt NO nur eine geringe Tendenz zur Dimerisierung. Die Chemie von NO ist rclativ komplex (Abb. 3). Das NO-Radikal kann entweder durch Abgabe oder Aufnahme eines Elek- trons in seine ionischcn Vorstufen iibergehen. Durch Oxidation entsteht das Nitrosonium- ion, das mit Wasser spontan zu salpetriger Saure (Nitrit) abreagiert. Bei der Reduktion von NO bildet sich Nitroxylat, das Anion des Nitrosowasserstoffs HNO. Wahrend diese Redox-Reaktionen reversibel sind, kann HNO auch dimerisieren und danach schnell und irreversibel zu Lachgas (N,O) und Was- ser zerfallen. Grundsatzlich kommen alle an- organischen und organischen Derivate von Nitraten, Nitriten und Hydroxylaminen als NO-Donorcn in Betracht. Die Reduktion von Nitraten und Nitriten kann ebenso wie die Oxidation von Hydroxylamin-Derivaten uber das intermediar gebildete HNO auch von biologischen Systemen bewerkstelligt werden.

Auger den Kedox-Eigenschaften von NO sind seine Keaktionen rnit Sauerstoff essentiell (Abb. 4). Uber ein Peroxynitrit-Radikal ent- steht Stickstoffdioxid, das im Gegensatz zu NO ein starkes Oxidationsmittel ist und da- bei direkt zu Nitrit reduziert wird. Auger- dem rekombiniert es zu hoheren Stickoxiden, die zu Nitrit und/oder Nitrat hydrolysieren oder mit anderen Nucleophilen (Aminen, Thiolen etc.) zu einer ganzen Palette von Fol- geprodukten (Nitrosamine, Nitrosothiole etc.) weiter reagieren konnen.

Pharmazic In unserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 / Nv. 3 0048-3664/99/05-0305-0138 $17.50 +- .50/0 0 WILEY-VCH Verkzg GmbH, 69469 Weinheim, 1999

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0 I I

2ATP + HCO; + NH, + H,N-C-OPOi-+ 2ADP + Pi

Carbamoylphosphat I

Abb. 2. NO-Bildung als Abkurzung des Harnstoff-Cyclus (x = Ubergang CytosoY Mitochondrien)

Von biologischer und analytischer Relevanz peroxynitrosen Saure, die sich pH-abhangig ist die Reaktion von Superoxid-Radikalen mit unterschiedlichen Halbwertszeiten zu mit NO, wobei sich Peroxynitrit bildet, das Nitrat umlagert [5-7]. Andererseits ist Per- auch aus anderen Quellen stammen kann oxynitrit ein potentes Oxidationsmittel. Da- (Abb. 5). Peroxynitrit ist das Anion der her werden auch zahlreiche Biomolekule wie

3

2 H N 0 - HZNZO, - N,O + H,O (b)

Nitrate Nitrite - N U - HNO Hydroxylamine (c)

(d) Eisen (11) + NO' Eisen (111) + NO'

Eisen (111) + NO- Eisen (11) + NO' (el

Red' 0 OX'

2.B. Thiole oder Desoxyribose angegriffen [8], was die zytotoxischen Eigenschaften er- klart. Auflerdem kann das Peroxynitrit-Radi- kal mit biorelevanten Substraten unter H-Ab- straktion reagieren und dabei ebenfalls in Peroxynitrit ubergehen. Damit wird ein wei- terer, von Superoxid unabhangiger Weg zu dieser aggressiven Spezies eroffnet, der immer dann greift, wenn geringe Konzentrationen von NO auf einen relativ groflen Uberschufl an Sauerstoff in Anwesenheit redox-aktiver Substrate treffen.

Abb. 3. Oxidation und Reduktion von NO

Pbamzie in unserer Zeit / 28. Jabrg. 1999 / Nx 3 139

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NO' + 0 2 O=N-00 ' (a)

O=N-00' + NO' - 2NOi (b)

NO; + e- - NO5 (C)

2 NO; - N 2 0 4 + H 2 0 - HNO, + HNO, (d)

NO' + NO: - N20, + H 2 0 - 2 N N 0 , (e)

- l e

Abb. 4. Folgereaktionen von NO mit Sauerstoff

V

NO' + 0;

1 0 =N- 00-

NO; + HO' y Peroxynitrit

I

1. Hi R-0-NO + H,O,

Abb. 5. Bildung und Umwandlung von Peroxynitrit

NO' >/-- Ham-Eisen (11)

+ le + le

Hzmin-Eisen (111) NO-

- Ic

Abb. 6. Bildung bioaktiver Ham-NO-Komplexe

Zur Beurteilung potentieller NO-Dono- Dies gilt insbesondere fur die Differenzie- ren, die im biologischen Experiment zu den rung zwischen Nitroxylat mO]- und durch NO induzierten Effekten beitragen, Stickstoffmonoxid NO. Beide Spezies haben bedarf es einer Analytik, die NO von den fur sich betrachtet vollkommen verschiedene oben beschriebenen Folgeprodukten unter- physikalische und chemische Eigenschaften. scheiden kann. Wahrend NO als klcines, amphiphiles Mo-

lekul leicht durch Zellmembranen diffundie- ren kann, ist das ionische Nitroxylat dazu nicht mchr ohne weiteres in der Lage. Dcn- noch konnen letztendlich die gleichen Folge- wirkungen in einem biologischen System re- sultieren, wcnn dort eine gegenseitige Um- wandlung durch entsprcchende Redox-Re- aktionen oder direkte Kopplung an einen ge- eigneten Partner moglich ist. Eindrucksvoll la4t sich dieser Umstand am Beispiel der Ei- sen-Porphyrine demonstrieren. So konnte ein biologisch aktiver Ham-NO-Komplex nicht nur aus Ham und N O , sondern auch aus Ha- min und wO]- entstchen. Damit wird der Redoxzustand beider Partner fur die Bildung des aktiven Gesamtkomplexes entscheidend (Abb. 6).

3. Analytik von NO

Eine verlaflliche Methode zur Erkennung von NO sollte spezifisch, empfindlich, sicher und praktikabel sein. Das bedeutet, dafl der NO- Nachweis weder durch andere NO-Spezies oder die in Kapitel2 beschriebenen Folgepro- duktc von NO noch durch Sauerstoff und dcssen Reduktionsprodukte (Superoxid, Was- serstoffperoxid und Hydroxyradikalc) ge- stort wird. Au8erdem mu8 sichergestellt sein, daf3 pH-Wert, Temperatur, Licht und Oxida- tionsmittel keinen Einfluf3 auf das Testsystem haben. Haufig wird NO in Form seiner stabi- len Abbauproduktc Nitrit und Nitrat mit Hilfe der Grzess-Reaktion spektralphotome- trisch bestimmt [9]. Hierbei handelt es sich um die Diazotierung aromatischer Amine mit anschliefiender Kupplungsreaktion zu Azo- farbstoffen. Nitrat mu8 vor der Reaktion am besten durch Nitrat-Reduktase zu Nitrit reduziert werden. Diesc cinfach durchzu- fuhrcnde Reaktion kann jedoch keinerlei Anspruch auf Spezifitat fur NO erheben, da Nitrit und Nitrat auch aus anderen Quellen stammen konnen. Viele NO-Donoren setzen z.B. gleichzeitig auch direkt Nitrit frei.

3.1 Biologische Methoden

In der Litcratur sind verschiedene Methoden zum Nachweis von NO bcschrieben, bei de- ncn die biologischen Wirkungen von NO ausgenutzt werden:

Cyclo-GMP-Bioassay (Aktivierung der zytosolischen Guanylat-Cyclase) [I 01 Hemmung der Thrombozyten Aggregati- on [ll] Relaxation der isolierten Rattenaorta [12] Koronarflufl am Langendorff-Herzcn von Meerschwcinchcn und Kaninchen [13]

Alle dicse Verfahrcn haben den Vorteil hohcr Empfindlichkeit, doch la8t sich mcist nicht beurteilen, ob ein NO-Donor direkt das Ra- dikal oder aber entsprechende Vorstufen frei- setzt, die erst im komplexen Testsystem zu

140 Pharmazie in unserer Zeit / 28.Jahr~. 1999 /Nu. 3

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NO umgewandelt werden. So wirkt z.B. Hy- droxylamin im Rclaxationsversuch an der isoliertcn Rattenaorta ahnlich gut wic NO selbst. Zusatzlich ergibt sich bei aufwcndige- ren pharmakologischen Versuchsmodcllen immer auch die Problematik des Tier- schutzcs.

3.2 Physikalische Methoden

Bei dicsen Methoden nutzt man die besonde- re Reaktivitat und die physikochemischen Ei- gcnschaftcn des freien Radikals NO aus.

NO-sensitive Mikroelektroden

N O wird je nach Beschichtung der Elcktrode bei unterschiedlichem Potential entwedcr zu Nitrit odcr Nitrat oxidiert, wobci ein Strom von etwa 20 nA/mmol NO entsteht [14]. Dies crgibt cine sehr hohe Empfindlichkeit. Die Spezifitat sol1 durch eine ncgativ geladcnc Beschichtung und durch die Verwendung hy- drophober, gaspermcabler Mcmbranen ge- wahrleistet sein, doch storcn freie Thiole, Kohlenmonoxid und cinige Sauerstoffspezies ~151.

Messung der Chemilumineszenz der Ozon- Reaktion von N O

Bei dieser Reaktion wird NO entwedcr mit Ozon in der Gasphase [16, 171 oder in fliissi- ger Phase mit Wasserstoffperoxid in Anwe- senheit von Luminol zu angcregtem Stickstoffdioxid umgcsetzt, das beim Uber- gang in den Grundzustand Licht emittiert, dessen Intensitat gemessen wcrden kann [18]. Da die Umsctzung unter Ausschlui3 von Sau- erstoff erfolgen mui3, ist diese Messung nur diskontinuierlich moglich, wenn die NO-Bil- dung aus einem Donor sauerstoffabhangig ist.

Oxyhamoglobin-Methode

Dieses Verfahren kann ebenfalls in Losung durchgefiihrt werden [19], wobei Oxyhamo- globin mit NO zu Nitrat und Methamoglo- bin reagicrt. Lctztercs wird spektralphotome- trisch aus dcr Differenz der Absorption bei 410,5 nm (isosbestischer Punkt) von Oxyha- moglobin und Methamoglobin) und 401 nm (Absorptionsmaximum von Methamoglobin) bestimmt (Abb. 7). Nitrit stort erst nach lan- gerer Induktionsphasc, doch wird die Rcakti- on durch andcre Methamoglobinbildner aber auch von Thiolcn und redoxaktiven Verbin- dungen verfalscht.

Allen vorgcnannten Methoden ist gemcin, dai3 sie zwar die Reaktivitat von NO nutzen, um speziellc Effekte zu messen, ohnc dai3 N O allerdings integraler Bestandteil des aus- gcwerteten Meflparameters ist. Es handelt sich also durchweg um indirekte Methoden zur NO-Bestimmung. Im Gegensatz dam stehen

7

400 500 600 700 Wellenliinge (nm)

Abb. 7. Repscan UV/Vis-Spektrum, aufgenommen wahrend der Umwandlung von Oxyhamoglobin in Methamoglobin durch NO (aus: Methods in Nitric Oxide Research, John Wiley & Sons, Chichester, 1996,460)

direkte Nachweismethoden rnit Spinfallen (spin-traps), die moglichst nur beim Kontakt mit NO ,,zuschnappen" und das Radikal in irgendciner Form festhalten. Mit solchen Reagenzien konnten grundsatzlich folgende Probleme bearbcitet werden:

Screening potcntieller NO-Donoren Studien mit markierten NO-Isotopen Verwendung als NO-Antagonistcn

4. Entwicklung von NO-Fallen

Die heute bekannten NO-Fallen lassen sich in verschiedene Gruppen unterteilen, denen jcweils unterschiedlichc Konzcptionen zu- grundc liegen.

4.1 Nitrosylkomplexe von Ubergangs- metallen

NO rcagicrt glatt mit viclen Ubergangsmc- tallverbindungcn (z.B. Eiscn, Kobalt, Nickel, Mangan) zu Nitrosylkomplcxen (Abb. 8).

8

Am bekanntesten ist die hohe NO-Bindungs- tendcnz von Eisen(I1)-Verbindungen, wobei gut interpretierbare ESR-aktive Komplexe entstehen [20]. Dies gilt vor allem fur Eisen- Porphyrin-NO-Komplexe, die auch in biolo- gischen Systemen eingesetzt wurden. So hat man erhohte Konzentrationen von NO-Ha- moglobin (HbNO) im Blut von Nagern mit endotoxischem Schock gefunden. Das HbNO-ESR-Signal in der Alveolarfliissig- keit diente zur Messung der NO-Aufnahme in der Lunge. Durch Verwendung von exter- nem, an Agarose gebundenem Hamoglobin konnte eine Nachweisgrenze fur NO von 1 nM erreicht werden. Den Vorteilen dieser Mcthode (Spezifitat, Empfindlichkeit) stehen jedoch einige Nachteilc gegeniiber. Die biolo- gisch vorkommendcn Nitrosylkomplexe sind sehr empfindlich gegcn Saucrstoff und die Proben miissen normalerweise bei ca. -200°C eingefroren werden, was zu schlecht aufgelo- sten ESR-Spektren fiihrt. Oft werden die Sig- nale auch durch andcre, natiirlich vorkom- mende paramagnetische Ubergangsmetall-

YO

Abb. 8. Ubergangsmetallkomplexe als NO-Fallen

Pharmazie in unserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 / NK 3 141

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9 I

NTB

PBN

Abb. 9. NTB und PBN als Spinfallen fur C- und 0-Radikale

10

\ /

/ 2

)i, I

NO +NO' -+ + CH=N ++ I

\

3 r 7

NTB

komplexe gestort. AuBerdem konnen z.B. Ham-NO-Komplexe nicht nur durch Reakti- on mit NO-Radikalen, sondern auch auf an- derem Weg gebildet werden (vgl. Abb. 6). Bessere Eigenschaften als NO-Fallen weisen die Eisen(I1)-Dialkyldithiocarbamate auf, die auch in Anwesenheit von Sauerstoff mit NO einen relativ stabilen Nitrosylkomplex lie- fern, der sich sowohl in eingefrorenen Proben als auch in waRriger Losung bei 37°C durch charakteristische ESR-Spektren auszeichnet. Diese Methode hat bereits einige Anwendun- gen gefunden, so z.B. fur den Nachweis der NO-Freisetzung aus SIN-1 und der NO- Produktion im Gehirn. Da die ubrigen Nach- teile der Nitrosylkomplexe jedoch systembe-

dingt sind, wurde nach alternativen Strategien bei der Entwicklung von NO-Fallen gesucht.

4.2 NO-Cheletrope Spinfallen (NO-Cheletropic Traps = NOCTs)

Seit langer Zeit sind bestimmte Nitrosover- bindungen wie z.B. ,,Nitroso-tertiarbutan" (NTB) oder auch Nitrone wie ,,Phenyl-tert.- butylnitron" (PBN) als Spinfallen fur Koh- lenstoff- oder Sauerstoff-zentrierte Radikale bekannt (Abb. 9). Dabei entstehen relativ sta- bile Aminoxyl-Radikale, die charakteristische ESR-Signale liefern [21]. Im Prinzip wird hier der Radikalcharakter von sehr kurzlebigen Radikalen auf radikalische Folgeprodukte ubertragen, deren langere Lebensdauer fur eine analytische Charakterisierung ausreicht.

Das nachzuweisende Radikal wird jedoch nicht immer in das Produkt eingebaut. (Abb. 10). Wahrend Kohlenstoff-zentrierte Radika- le mit dem phenolischen Nitron 1 das ,,nor- male" Aminoxyl 2 liefern, lassen sich Sauer- stoffradikale nur indirekt durch Bildung des stabilen Phenoxylradikals 3 nachweisen, das allerdings auch durch Oxidation von 1 z.B. mit Hexacyanoferrat(II1) gebildet wird, so dai3 diese Nachweisreaktion unspezifisch ist. Die Erkenntnis, daB es offenbar keine univer- sell verwendbaren Spinfallen fur jede Art von Radikalen gibt, gilt besonders fur das NO- Radikal. Dafur sind die ,,konventionellen" Spinfallen (wie z.B. NTB) nicht geeignet, da das Gleichgewicht auf der Seite der Edukte liegt. Erst unter extremen experimentellen Be- dingungen (groaer UberschuB von N O und lange Reaktionszeiten) stellt man eine Reakti- on fest, doch laBt sich das komplexe Produkt- gemisch nur schwer analysieren [22,23].

Theoretisch konnten C-zentrierte Biradikale wie 4 als cheletrope Spinfallen fur NO die- nen, wenn dabei cyclische Nitroxid-Radikale 5 (Aminoxyle) entstehen, von denen bekannt ist, daB sie bei entsprechender Substitution stabil sind und durch ESR-Spektroskopie analysiert werden konnen [24] (Abb. 11). Bi- radikale sind jedoch auBerst kurzlebige Spe-

l l

4 5

142 Pharmazie in xnserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 / Nx 3

Page 6: Spin-Fallen zum Nachweis von Stickstoffmonoxid (NO)

zies, die normalerweise schnell mit Sauerstoff reagieren. Auf der Suche nach einem als NO- Falle geeigneten Biradikal-Aquivalent stiei3 man auf die ortho-Chinodimethane 7, die im Gleichgewicht mit den Benzocyclobutcnen 6 stehen. Als potentielle Biradikale reagieren sie spontan mit NO zu einem stabilen Nitroxid- Radikal 8 [25]. Letzteres kann durch ESR- Spektroskopie nachgewiesen werden, einer Methode mit hoher Empfindlichkeit und direkter Proportionalitat von Signalintensitat und Radikalkonzentration. Nachteilig wirkt sich aus, dafl eine entsprechende, relativ kost- spielige apparative Ausstattung erforderlich ist, die nur in wenigen Labors etabliert ist. Die Analyse der Hyperfeinstruktur des ESR- Signals ermoglicht eine Identifizierung der Struktur des gebildeten persistenten Radikals 8. Damit konnte erstmals gezeigt werden, dai3 sich diese Methode grundsatzlich zur konti- nuierlichen Messung der NO-Bildung eignet.

Als Prototyp dieser Art wurde 10, ein Aqui- valent fur das Biradikal 11, durch Photode- carbonylierung des Indanons 9 synthetisiert. Nach Kontakt rnit NO entsteht das stabile Radikal 12 [26]. Unter aeroben Bedingungen konnte auger 12 auch 13 nachgewiesen wer- den, das durch simultane Reaktion von 10 rnit dem N02-Radikal gebildet wird. Da sich die ESR-Spektren von 12 und 13 deutlich unter- scheiden, ist es sogar moglich, NO und NO, gleichzeitig zu detektieren (Abb. 12). Nach- teilig sind die sonstigen Eigenschaften des Chinodimethans 10. Obwohl es durch Pho- tolyse erzeugt wird, ist es photo- und ther- molabil. AuBerdem ist es praktisch unloslich in Wasser, so dai3 in heterogener Phase gear- beitet werden mug. Dennoch gelang damit der Nachweis von NO in Kulturen von Rat- tenleber-Makrophagen (Kupffer-Zellen). In- zwischen sind maflgeschneiderte NOCTs fur die Praxis entwickelt worden. Durch die Ein- fiihrung groflerer, aromatischer Substituenten oder von Alkoxyresten anstelle der Methyl- gruppen konnte die Stabilitat dieser NO-Fal- len wesentlich erhoht werden. Aui3erdem wurden wasserlosliche und amphiphile Rea-

genzien synthetisiert, die erfolgreich zum Nachweis von NO-Donoren wie SIN-1 und SNAP (5-Nitroso-N-Acetyl-Penicillamin) verwendet wurden und ihren Einsatz in bio- logischen Systemen erfolgreich bestanden ha- ben [27].

Erst kurzlich konnte die Empfindlichkeit der Methodc durch Verwendung des Chinodi- methans 14 deutlich verbessert werden [28]. Es reagiert mit NO spontan zum Nitroxid 15, desscn Konzentration wie ublich ESR- spektroskopisch gemessen werden kann (Abb. 13). Nach einiger Zeit zerfallt 15 zu nichtradikalischen Produkten, was man an der Intensitatsabnahme der ESR-Spektren verfolgen kann. Gleichzeitig steigt jedoch die Fluoreszenz dieser Proben an und erreicht nach ca. 20 Stunden ein Maximum. Der Grund fur dieses merkwurdige Verhalten liegt darin, dai3 Nitroxidradikale als Fluoreszenz- loscher wirken konnen. Dadurch bildet sich bei der NO-Reaktion von 14 zwar zunachst ein Phenanthren-Fluorophor 15 aus, dessen Intensitat aber durch ,,Selbstloschung" ver- mindert wird. Durch gezielte Reduktion des Radikals z.B. mit Ascorbinsaure laat sich die Fluoreszenz schlagartig steigern, so dai3 der NO-Nachweis bis in den nanomolaren (!) Bereich moglich wird.

4.3. Nitroxid-Radikale (Aminoxyle) als NO-Fallen

Zum Auffinden neuer NO-Donoren, die ahnlich der naturlichen Route durch Oxidati- on bioaktiviert werden (s. Kapitel l), sollten

13

NO-Fallen entwickelt werden, die folgende Eigenschaften aufweisen:

hohe Stabilitat, speziell unter oxidativen Bedingungen hohe Affinitat zu NO-Radikalen Diskriminierung anderer NO-Spezies Einbau von NO in ein stabiles Produkt, das mit konventionellen Methoden analy- siert werden kann

Zur Vermeidung der relativ aufwendigen ESR-Messung muate das Reaktionsprinzip aus Kapitel 4.2 umgekehrt werden. Wahrend dort ein diamagnetisches (nicht radikalisches) Reagenz rnit NO zu einem mehr oder weni- ger langlebigen Nitroxid-Radikal umgesetzt wird, sollte untersucht werden, ob ein mog- lichst stabiles Radikal als Reagenz mit N O zu einem diamagnetischen Produkt rekombi- niert werden kann. Die meisten ,,stabilen" Radikale reagieren jedoch nicht mit N O (Abb. 14). Dies gilt insbesondere auch fur die ,,normalen" Nitroxide 16, die mit NO nicht weiter reagieren (s. Kapitel 4.2). Wahrschein- lich liegt ein denkbares Gleichgewicht mit dem Hydroxylamin-Salpetrigsaureester 17 weitgehend auf der Seite der Edukte. Einmal gebildet, konnte 17 auch in NO, und das Aminylradikal 18 zerfallen, wie dies bei der Reaktion der resonanzerweiterten Nitroxide 19 der Fall ist. Ossiecki und Ullmann [29, 301 konnten schon 1968 zeigen, dai3 sich solche Radikale rnit NO spontan zu 20 und NO, umsetzen. Eine weitergehende Reaktion wird hier nicht beobachtet. Dieser indirekte NO- Nachweis mittels einer NO-Falle wurde in der Folgezeit fur die Umweltanalytik [31] und dann auch fur biologische Fragestellun- gen [32] eingesetzt.

In der alteren Literatur [33] wird berichtet, dai3 aromatische Nitroxide wie z.B. 21 mit ei- nem groi3en Uberschui3 an NO nach langerer Einwirkung nitrosubstituierte Nitrosamine 22 liefern sollen. Wir konnten jedoch feststel- len, dai3 diese Reaktion unter moderaten Be- dingungen (verdunnte, gepufferte Losungen, kurze Reaktionszeiten) nicht stattfindet. Aui3erdem war 21 zu instabil und deshalb als Reagenz ungeeignet. Deshalb wurde nach sol- ehen NO-Fallen gesucht, bei denen die giin- stigen Eigenschaften der Nitronylaminoxyle 19 (ausreichende Stabilitat und selektive Re- aktion mit NO) mit den Vorteilen von aroma-

nichtradikalische, - fluoreszierende Produkte

14 15

Pharmazie in unserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 /Nu. 3 143

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4 I I

[ R,NIR

] nicht radikalische Produkte + io:

15

23 6

24

q!% 25

+ t

26 0-

tischen Aminoxylen wie 21 (Bildung stabiler, nicht radikalischer Produkte mit eingebautem NO) kombiniert sind. Die entscheidende Voraussetzung fur ein solches Konzept ware das Auftreten von reaktiven Intermediaten, die zur Rekombination mit NO oder dessen Folgeprodukten befahigt sind. W h e n d 20 aufgrund seiner hohen Mesomeriestabilisie- rung dazu offensichtlich nicht in der Lage ist, schien dies bei geeigneter Substitution der Substituenten R bzw. R in 16 oder 18 eventu- ell moglich zu sein.

Die mangelhafte Stabilitat des Aminoxyls 21 kann verbessert werden, wenn man einen der beiden Arylreste durch den tertiar-Butylsub- stituenten ersetzt, doch unterliegt auch 23 noch einer starken Zersetzung. Nach Dimeri- sierung zu 24 entstehen 25 und 26, was einer intermolekularen Redox-Reaktion gleich- kommt (Abb. 15). Selbst wenn man die Di- merisierungsstelle abschirmt oder blockiert wie in 27 oder 28, erhalt man Radikale, die in Substanz noch nicht ohne Zersetzung aufbe-

wahrt werden konnen. Aufierdem reagieren diese Verbindungen nur schleppend mit NO und liefern ein komplexes Produktgemisch. Sic waren deshalb als NO-Fallen nicht geeig- net [34].

Die entscheidende Verbesserung der Reakti- vitat gegenuber NO konnte aufgrund theore- tischer Uberlegungen durch eine Uber- briickung von Alkyl- und Aryl-Substituent erreicht werden (Abb. 16). Leider war jedoch die Stabilitat der Aminoxyle vom Typ 29 noch immer nicht ausreichend fur eine An- wendung in der Praxis. Die Substanzen sind olig und konnen nicht in analysenreiner Form gewonnen werden. Ersetzt man die beiden Methylgruppen in der 2-Position durch Phenylringe und schirmt so die Nitroxid- struktur noch starker ab, so verbessert sich die Stabilitat erheblich, ohne dai3 dabei die Reaktivitat gegeniiber NO leidet. Die Am- noxyle 30 lassen sich in guten Ausbeuten ana- lysenrein herstellen und konnen ohne Zerset- zung aufbewahrt werden. Sie reagieren spon-

tan mit NO, doch entsteht dabei ein Gemisch aus Nitrosaminen, Mononitro- und Dinitro- verbindungen, dessen Zusammensetzung stark von den experimentellen Bedingungen abhhgt [35]. Sie wurden inzwischen auch zum NO-Nachweis nach Oxidation des Molsidomin-Metaboliten SIN-1 eingesetzt [36]. Dabei ergab sich, dai3 der 4-Substituent die Produktbildung nicht beeinflufit und die unerwiinschten Nebenreaktionen an einer freien 6-Position eintreten.

Es lag daher nahe, die Nitroxid-Radikale vom 1,2-Dihydrochinolin-Typ an diesen beiden Positionen so zu substituieren, dafi ,,mai3ge- schneiderte" NO-Fallen resultierten (Abb. 17). Sie sollten moglichst einheitliche Pro- dukte liefern und aufierdem giinstige physi- kochemische Eigenschaften fiir eine Anwen- dung in der Praxis aufweisen.

Aus einer Serie derartiger Nitroxide [34] er- wies sich die Carbonsaure NOXYL-1 als op- timale NO-Falle, da sie mit uberschiissigem NO unter aeroben und anaeroben Bedingun- gen nur ein einziges Produkt 31 liefert (Abb. 18). NOXYL-1 weist daruber hinaus folgen- de Eigenschaften auf:

Stabilitat

NOXYL-1 ist in kristalliner Form bei Raum- temperatur im Dunkeln unbegrenzt ohne Zersetzung haltbar. Warige Losungen sind mit oder ohne Zusatz von organischen Lo- sungsmitteln in einem Bereich von p H 6-8 bei Raumtemperatur gegenuber Sauerstoff und den iiblichen Oxidationsmitteln bis hin zu Permanganat uber 24 Stunden praktisch sta- bil.

Loslichkeit

Wafirige Losungen von NOXYL-1 lassen sich leicht herstellen, wenn man die Substanz in wenig verdunntem Alkali anlost und da-

16

29

(-=':g 0 30

(R = H oder F'henyl)

144 P h a m z i e in unserer Zeit / 28. Jahrg. 1999 1 Nu. 3

Page 8: Spin-Fallen zum Nachweis von Stickstoffmonoxid (NO)

17

~4 +- Variation der physikochemischen Eigenschaften IR6:::' PhPh

Blockade von Nebenreaktionen

18

I COOH I COOH

k I I NO, H

NOXYL-1 31

nach sofort mit entsprechender Pufferlosung verdunnt. Mit Ausnahme von Petrolether lost sich NOXYL-1 auch in allen organischen Losungsmitteln.

Reaktivitat/Selektivitat

Bei relativ hoher NO-Konzentration M) storen weder Sauerstoff-Radikale, NO,, Ni- trit, Nitrat, Nitroxylat noch Hydroxylamin.

Praktikabilitat

Abfangreaktionen - evtl. auch mit Isotopen- markiertem NO - sind in homogener oder

heterogener Phase moglich. Die Detektion des Reaktionsproduktes erfolgt durch Stan- dard-Analytik (DC, HPLC, W).

Wie jedes Verfahren fur sich allein, so hat auch der NO-Nachweis mit NOXYL-1 seine Grenzen. Bei einer stationaren NO-Konzen- tration von <lo" M entstehen aui3er dem Nitroderivat 31 weitere charakteristische Re- aktionsprodukte [37]. Die Nachweisgrenze fur NO liegt im mikromolaren Bereich. Da- mit eignet sich NOXYL-1 zwar gut zum Screening potentieller NO-Donoren, jedoch nur bedingt fur den Einsatz als NO-Fanger in biologischen Systemen.

19 I I

Ubereinandergelegte Molekulstrukturen von VFT (gestrichelt) und von [VFT-NO]+ (durchgezogen)

I Reversible Bindung von NO durch VFT \ I VFT" VFT

I I

Abb. 19. Eine ,,Venusfliegenfalle" (Venus Fly Trap) fur NO [aus: Angew. Chemie 110 (1998), 1665-16671

4.4 Venusfliegenfallen fur die reversible Bindung von NO

Kurzlich wurde ein vollig neuartiges Konzept einer NO-Falle vorgestellt [38]. Es handelt sich um eine ,,Venusfliegenfalle" (Venus Fly Trap, VFT) als molekulare Pinzette fur die Bindung von NO. Sie besteht aus einem uberbriickten cis-Stilbenliganden, bei dem die beiden Pentamethylphenylgruppen durch das starre Bicyclooctengeriist in eine cofaciale Stellung gezwungen werden (Abb. 19). Bei der Aktivierung von VFT durch Oxidation in Dichlormethan entsteht das stabile Radikal- kation, das mit gasformigem NO sofort eine tiefblaue Losung ergibt. Das blaue [VFT- NO]+ ist so stabil, dai3 Einkristalle gezuchtet werden konnten. Die Rontgenstruktur be- statigte, dai3 je Molekul ein NO enthalten ist, das zwischen den Arenringen eingeschlossen ist. Das zweiatomige NO pafit gut in den Hohlraum dieser ,,Venusfliegenfalle". Es liegt dort parallel zu einem der Phenylringe, die durch Einkapselung des NO-Molekuls er- heblich verbogen sind. Dasselbe blaue Pro- dukt entsteht auch aus dem neutralen VFT- Liganden und Nitrosyl-Kationen PO]+ in Dichlormethan. In der Tat handelt es sich bei dem Komplex um eine redoxgesteuerte mole- kulare Pumpe fur NO. Bei der Reduktion des blauen Komplexes entsteht das neutrale VFT und NO wird freigesetzt. Dessen Wiederauf- nahme ist erst nach Oxidation von VFT mog- lich. Die Natur der ungewohnlich starken in- termolekularen Bindung im blauen Komplex ist noch unklar und wird zur Zeit untersucht.

Daraus lafit sich ableiten, dai3 die Entwick- lung auf dem faszinierenden Gebiet der NO- Fallen noch langst nicht abgeschlossen ist.

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Horst Weber, Jahrgang 1941. Geburtsort: Saarbriicken. Pharmaziestudium und Phar- mazeutisches Staatsexamen in Tubingen. Pro- motion zum Dr. rer. nat. in Tubingen. Approbation in Stuttgart. Tatigkeit in vcr- schiedenen offentlichen Apotheken sowie an der Chemischen Untcrsuchungsstellc fur Le- hens- und Arzneimittel in Stuttgart. Assi- stenzprofessor an der FU Berlin. 1976 Habili- tation fur Pharmazeutische Chemie an dcr FU Berlin. Seit 1978 Professor fur Pharma- zeutischc Chemie an der Heinrich-Heine- Universitat Diisseldorf. Vcrantwortlich fur die Lehrveranstaltungen Instrumentelle Ana- lytik sowie Biochemische Untersuchungsme- thoden einschl. Klinische Chernie. Mitglied des Vorstandes der LAK Nordrhein, Vorsit- zender des Weiterbildungsausschusses. Mit- glied der Prufungskommission fur den 3. Priifungsabschnitt der Pharmzeutischen Prii- fung.

Forschungsschwerpunkte

Struktur-Wirkungsuntersuchungcn an hc- teroanalogcn Grisanen sowie an Kalium- kanalaffncrn vom Benzopyran-Typ. Hautpenetration von NSAR-Derivaten. Reaktivitat von Pyrazolinonen gegenuber Sauerstoff- und Stickoxid-Radikalen Entwicklung von Reagenzien zum Nach- weis von Stickstoffmonoxid (,,NO- Traps ") Entwicklung von NO-Donoren.

Anschrift des Autors

UniwProf. Dr. Horst Weber Heinrich-Heine-Universitat Dusseldorf Institut fur Pharmazcutischc Chemie Universitatsstral3e 1 40225 Dusseldorf

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