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2/2010 Immer der Nase nach REDOG Lernen, mit seelischen Narben weiterzuleben Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer Powerfrau mit Temperament und Eigensinn Sigrid Joss-Arnd Katastrophenhilfe in Haiti Dem Chaos die Stirn bieten

SRK Magazin Humanité 2/2010

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Herzlich willkommen in der Welt des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK)!

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2/2010

Immer der Nase nachREDOG

Lernen, mit seelischen Narben weiterzuleben

Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer

Powerfrau mit Temperament und Eigensinn

Sigrid Joss-Arnd

Katastrophenhilfe in Haiti

Dem Chaos die Stirn bieten

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RepoRt – Katastrophenhilfe in Haiti 4 Dem Chaos die Stirn bieten 8 Interview – «Viele aufwühlende Momente» 9 Medizinische Hilfe im Feldspital und zwischen

trümmern

12 eRLeBt – Humanitäres Engagement im Zeichen der Frau «Nicht alles den Männern überlassen»

14 KoNKRet – Emanuel Steinegger und LordImmer der Nase nach

18 ÜBeRZeUGt – Gedanken zum zweiten Rotkreuz-GrundsatzUnparteilichkeit – helfen ohne zu urteilen

20 KoNKRet – Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer (afk)Lernen, mit seelischen Narben weiterzuleben

22 eNGAGIeRt – Sigrid Joss-Arndpowerfrau mit temperament und eigensinn

25 KoNKRet – Senegal, Westafrikaein Zeltdorf nach der Sintflut

29 KReUZ & QUeR Buttertee und Momos im Kathmandutal Rätsel/Cartoon

IMO-COC-025036

Impressum Humanité Ausgabe 2 Juni 2010

ISSN 1664-1159

Titelbild: American Red Cross/Talia FrenkelRückseitenbild: Caspar Martig

Herausgeber: Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, Postfach, 3001 BernTelefon 031 387 71 11, [email protected], www.redcross.chSpenden: Postkonto 30-9700-0

Adressänderungen: E-Mail an [email protected] oder Telefon 031 387 71 11

Redaktionsadresse: Schweizerisches Rotes Kreuz, Redaktion Humanité, Postfach, 3001 Bern, [email protected], www.magazin-humanite.ch

Redaktion: Tanja Pauli (Redak tionsleitung), Urs Höltschi (Public Fundraising), Hana Kubecek (Gesundheit und Integration), Ludger Philips (Weboffice), Christine Rüfenacht (Sekretariat der Kantonalverbän- de), Karl Schuler (Internationale Zusammenarbeit), Christina Williamson (Kommunikation)

Mitarbeitende dieser Ausgabe: Heinz Heer, Stephanie Hofer, Sigrid Joss, Markus Mader, Marco Ratschiller, René Rhinow, Katharina Schindler

Abo-Kosten: Das Abonnement kostet CHF 6.– pro Jahr und ist für SRK-Gönnerinnen und SRK-Gönner im Beitrag enthalten.Erscheinungsweise: vier Mal jährlichSprachen: deutsch und französischGesamtauflage: 109 000Bildrechte aller Fotos ohne Hinweis: Schweizerisches Rotes Kreuz

Übersetzungen: Übersetzungsdienst SRKGestaltung: effact AG, ZürichLektorat und Druck: Vogt-Schild Druck AG, Derendingen

Nächste Ausgabe: August 2010

EDITORIAL

Liebe Leserin, lieber Leser

Kinder sind begeisterungsfähig und haben eine stark ausgeprägte Gefühls- welt. Ganz spontan möchten sie ihr Taschengeld spenden, um den Opfern einer Katastrophe zu helfen. Oder sie überreden ihre Eltern, dem Strassen- musikanten ein Geldstück in den Hut legen zu dürfen. Kinder stellen in die- sen Situationen kaum kritische Fragen. Für sie ist klar, dass sie mit ihrem Beitrag jemandem geholfen haben, und sie fühlen sich ganz einfach glücklich. In diesem Sinn kann Spenden eigennützig sein, weil es die Spenderin oder den Spender selber bereichert. Denn wer spendet, fühlt sich bewusst oder unbewusst tatsächlich reich. Das bestätigt auch die Psychologie.

Dass Sie tatsächlich glücklicher werden, wenn Sie spenden und helfen, kann ich Ihnen nicht garantieren. Für mich persönlich stimmt es. Ich kann Ihnen aber versichern, dass Ihre Spende an das Schweizerische Rote Kreuz tatsächlich Menschen in Not hilft, oft auch glücklich macht, und dass es nicht ohne Ihre Spende geht. Aus einzelnen Backsteinen kann ein Haus gebaut werden, jeder Stein ist dabei nötig. Sie – unsere Spenderinnen und Spender – haben nach dem Erdbeben in Haiti grosse Solidarität bewiesen. Mit Ihren Einzelspenden können wir den Betroffenen etwas Glück und Zuversicht schenken. Ich danke Ihnen herzlich für Ihre Grosszügigkeit und wünsche Ihnen einen glücklichen Sommer!

Markus Mader Direktor des Schweizerischen Roten Kreuzes

Kann Spenden eigennützig sein?

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REPORT

Dem Chaos die Stirn bieten Katastrophenhilfe in Haiti

Diese Familie in Port-au-Prince öffnet ein «Cooking-Set» des Roten Kreuzes. Familien, die alles verloren haben, schätzen die robusten, unzerbrechlichen Gefässe und benutzen sie meist noch Jahre danach. Es ist inmitten des Chaos eine gewaltige logistische Herausforderung, die Hilfsgüter aus aller Welt gerecht zu verteilen und eine erste Infrastruktur aufzubauen. Wie diese Herausforderung bewältigt wird, erfahren Sie auf den folgenden Seiten am Beispiel der Katastrophenhilfe für Haiti.

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REPORTREPORT

Port-au-Prince in Trümmern liegt, führt das SRK gleich eine vollständige mobile Logis-tik-Einheit ein, um von der ersten Stunde an autonom arbeiten zu können. Dazu gehören Zelte und eine Küche für die ei-genen Leute ebenso wie ein komplettes Büro mit Satelliten-Telefon, ein Fahrzeug, ein Stromgenerator und ein Hubstapler zum Wegräumen der Trümmer. Nur so lassen sich die Hilfsgüterlieferungen von 40 Rot kreuzgesellschaften aus aller Welt logistisch bewältigen. Ein wichtiges Glied in der Kette sind die 70 haitianischen Hel-

Es herrscht Hochbetrieb im Logistik-Center des SRK in Wabern bei Bern am Vormittag des 15. Januar 2010. Die Logistiker und medizinischen Fachleute sind von der Ein-satzzentrale des SRK gleich am ersten Tag nach dem Beben alarmiert worden. Drei Tage nach dem verheerenden Beben in Haiti ist das neunköpfige Hilfsteam startbe-reit. Sie alle haben ihr Berufs- und Privatle-ben kurzfristig auf den Kopf gestellt, um für drei Wochen in Haiti dem Chaos die Stirn zu bieten. So auch der 34-jährige Thomas Büeler, der seit drei Jahren als Nothilfe-

Logistiker beim SRK tätig ist. Nun werden sie mit lebenswichtigen Gütern und den nötigen Arbeitsgeräten ausgerüstet, bevor sie sich auf den langen Weg ins zerstörte

Port-au-Prince machen. Gleichzeitig wer-den 15 Tonnen Hilfsgüter wie Zelte, Planen und Haushaltsgegenstände auf die Lastwa-gen verladen, um dann per Frachtflug in die Erdbebenregion gebracht zu werden. Diese Hilfsgüter hat das SRK in Wabern für den Katastrophenfall stets an Lager.

Zuständig für alle Hilfsgüter Die SRK-Logistiker sind mit einem spezi- ellen Auftrag unterwegs. Thomas Büeler umschreibt ihn so: «Wir nehmen sämtliche Hilfsgüter der Internationalen Rotkreuz-bewegung in Empfang, die auf dem Luft-, See- oder Landweg eintreffen. Danach stel-len wir diese für die effiziente Verteilung an die Katastrophenopfer bereit.» Die Schweizer Equipe nimmt allein in den ers-ten sechs Wochen nach dem Erdbeben

5 000 Tonnen Güter entgegen und bereitet sie zur Verteilung vor. Dies entspricht der Ladung von rund 100 Flugzeugen. Darun-ter sind zwei grosse Feldspitäler des Deut-schen und Norwegischen Roten Kreuzes, sowie Tausende von Zelten und Zehntau-sende von Planen, Decken, Haushaltssorti-menten und Hygieneartikeln. Zudem Was-seraufbereitungsanlagen für die tägliche Versorgung von 200 000 Menschen mit sauberem Trinkwasser. Der Schweizer Logis-tikdienst ist eine wichtige Voraussetzung, um die Obdachlosen schnell und geordnet mit dem Notwendigsten zu versorgen.

An frühere erfahrung anknüpfenFür Thomas Büeler ist es nicht der erste Hilfseinsatz in Haiti. Er verbrachte bereits nach dem schweren Hurrikan im Septem-ber 2008 drei Wochen im Land. Doch dieses Mal ist die Situation viel dramati-scher. Da selbst das Flughafenareal von

ferinnen und Helfer, welche das gesamte Material auf die Fahrzeuge verladen und in den beiden Lagerhäusern sortieren. «Gleich nach unserer Ankunft traf ich

meine Logistik-Kollegen Jonas und Saint-Brice vom Haitianischen Roten Kreuz, mit denen wir beim letzten Einsatz vor andert-halb Jahren gut zusammenarbeiteten»,

sagt Thomas Büeler. «Dank ihrer Vertraut-heit mit den lokalen Verhältnissen und tat-kräftigen Unterstützung war es möglich, genügend lokalen Helferinnen und Helfer sowie Fahrzeuge zu organisieren.»

Gefahr durch HurrikansAngesichts der strapazierenden Arbeits- und Lebensbedingungen werden die Hilfs-teams des SRK nach drei bis vier Wochen abgelöst. So kehrt auch Thomas Büeler nach einem Monat in sein Büro im Logis-tik-Center in Wabern zurück. Die Hilfe für Haiti gehört jedoch auch hier zu seinem Arbeitsalltag. Er bereitet zusätzliche Lo-gistikerinnen und Logistiker auf ihren Ein-

satz vor. Als er letztes Jahr nach schweren Überschwemmungen in Vietnam tätig war, konnte er sich von der guten Qualität der vom SRK erstellten sturm- und flutsicheren Häuser überzeugen. Die Stahlbau-Elemente

dafür werden in Vietnam hergestellt, und nun werden 500 davon bis zum Sommer als sichere Behausungen nach Haiti gelie-fert. Dies entschied Hannes Heinimann, der Leiter der Katastrophenhilfe des SRK, anlässlich seines Besuches in Haiti im letz-ten März. Denn wenn die Hurrikan-Saison im Juli einsetzt, droht eine zweite Katastro-phe, da dann der Sturm die Zelte wegfegt. Die Hilfsorganisationen müssen deshalb dringend solide Schutzbauten erstellen. Katastrophenhilfe ist und bleibt eine Her-ausforderung, die langjährige Erfahrung und weitsichtiges Denken erfordert. ➥ Blogs und mehr Bilder:

http://swissredcross.blogspot.com/

search/label/Haiti

Das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) ist der Logistikspezialist unter den Rotkreuz-Gesellschaften. Nach schweren Naturkatastrophen stellt es seinen Logistikdienst der ganzen Internationalen Rotkreuzbewegung zur Verfügung. Das war auch nach dem verheerenden Erdbeben vom Januar in Haiti der Fall. Ein Bericht aus dem Nervenzentrum der Katastrophenhilfe. text: Karl Schuler

40 Rotkreuzgesellschaften zählen auf die Logistik-dienste des SRK.

Das Hilfsteam hat alles dabei, um sofort unabhängig arbeiten zu können.

Sie hat ihr Hilfspaket erhalten: SRK-Logistiker sorgen für eine effiziente Hilfsgüterverteilung

Der Hubstapler des SRK mit Berner Nummernschild verlädt in Haiti Hilfsgüter

Thomas Büeler: «Am Anfang waren alle orientierungslos.»

Katastrophenhilfe erfordert Weitsicht.

Ein Zelt des SRK ist vorläufig sein neues Zuhause

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text: Katharina Schindler

«Viele aufwühlende Momente» Medizinische Hilfe im Feldspital und zwischen Trümmern

Sie waren vier Wochen im Rotkreuz-Notspital in Haiti im Einsatz. Was war Ihr eindrück-lichstes Erlebnis?Es gab viele aufwühlende Momente. Etwas vom Eindrücklichsten war, wie stark die Haitianer sind – und zwar schon von ganz klein an. Wir hatten ein Mädchen, das bei der Geburt nur 1 270 Gramm wog. Obwohl wir über keine modern ausgerüstete Neugeborenenabteilung mit z.B. einem Brutkasten verfügten, hat es überlebt. Als ich abreiste, wog es bereits 1 800 Gramm und war über den Berg.

Was waren die grössten Schwierigkeiten, mit denen Sie konfrontiert wurden?Ein zentrales Problem war die Ernährung. Normalerweise bringen die Angehörigen das Essen mit, ein Rotkreuz-Feldspital ver-fügt nicht über die Kapazität einer Spital-küche. In Haiti war aber die Ernährungs-

lage äusserst angespannt. Zu unserer Sorge verloren manche Kinder im Spital weiter an Gewicht – ein unhaltbarer Zu-stand. Auch hatten stillende Mütter zu we-nig Milch, weil sie kaum zu essen hatten. Wir suchten fieberhaft nach einer Lösung – und fanden sie: Neben einer Nahrungs-mittelspende der US-Armee erklärte sich unser eigener Koch bereit, extra für die Kinder einzukaufen und zu kochen.

Im Notspital gab es 90 inter-nationale Mitarbeitende und eine grosse Zahl haitianische Ärzte und Krankenpfleger/-innen. Wie klappte die Zusammenarbeit?Es war eine intensive Zusammenarbeit, die mich tief berührte. Die meisten loka-len Mitarbeitenden hatten beim Erdbe-ben Angehörige verloren. Viele waren obdachlos. Trotzdem kamen sie Tag für Tag pünktlich und in sauberer Kleidung zur Arbeit. Eine Kinderkrankenschwester

hatte ihre 9 Monate alte Tochter verloren. Jeden Tag kam sie ins Rotkreuz-Spital und kämpfte um das Leben anderer Kinder.

Hatten Sie auch Gelegenheit, Leute auszubilden?Leider nur wenig, die viele Arbeit liess uns kaum Zeit. Ich versuchte den Allgemein-praktikern ein paar Besonderheiten im Umgang mit Kindern zu vermitteln. Dazu gehört, dass bei Kindern, die unter Flüs-sigkeitsmangel leiden, die Venen für eine Infusion oft sehr schwer zu finden sind. In solchen Fällen legt man die Infusion direkt in den Knochen. Wenn man das noch nie gemacht hat, ist die Hemmschwelle gross. Also habe ich es mit den Ärzten geübt – an Hühnerknochen. Diese sind den Kno-chen kleiner Kinder sehr ähnlich.

Wie haben Sie den anstrengen-den Einsatz verkraftet?Tatsächlich hatte ich in den vier Wochen keinen einzigen Tag frei und schlief kaum sechs Stunden aneinander. Doch die Auf-gaben waren so dringend, dass einem die Energie nie wirklich ausging.

Die Ärzte, Krankenschwestern, Laboran-ten und Hebammen, die sich für Einsätze dem SRK zur Verfügung stellen, werden in Kursen auf ihre Einsätze vorbereitet. Fach-wissen ist das eine, um in einem Katas-trophengebiet erste Hilfe zu leisten. Aber auch eine grosse persönliche Belastbar-keit ist dafür wichtig. Zudem muss jemand seinen Arbeitsplatz kurzfristig für mehrere Wochen verlassen können. Die Kinderärztin Dr. Isabelle Güss (vgl. In-terview) beispielsweise leistete einen vier-wöchigen Hilfseinsatz in Port-au-Prince. Sie war Teil des internationalen Ärzteteams im Feldspital, das vom Deutschen Roten Kreuz im Slumviertel Carrefour geführt wird. Seit dem Erdbeben stehen für das SRK per- manent bis zu sechs Gesundheitsfachleu-te in Haiti im Einsatz. Sie bleiben jeweils einen Monat, dann werden sie abgelöst, denn die psychische und körperliche Be-lastung ist gross.

ein Notspital aus ZeltenAusser einer Notfallaufnahme, zwei Ope-rationssälen und einer Mutter-Kind-Station umfasst das Spital auch eine Röntgenein-heit, ein Labor und eine Apotheke. In den ersten Wochen nach dem Beben wurden täglich 14 Operationen durchgeführt und 200 Patienten und Patientinnen ambulant behandelt. Das Spital umfasst 90 Betten, wovon 20 für Kinder reserviert sind.Die Gesundheitsfachleute des SRK leisten auch ausserhalb des Spitals medizinische Hilfe. Mit mobilen Teams gehen sie regel-mässig in die Quartiere und in die grossen Zeltlager, wo Zehntausende Obdachlose eine vorläufige Unterkunft fanden. Sie be-handeln Kranke, untersuchen schwangere Frauen und stellen wenn nötig die Über-weisung in ein Spital sicher. Während in der ersten Phase vor allem Wunden ver-arztet werden mussten, geht es nun dar-um, die medizinische Grundversorgung

sicherzustellen, die wegen der massiven Zerstörungen von Gesundheitszentren und Spitälern nicht mehr funktioniert. ➥ www.magazin-humanite.ch/haiti

SRK-Nothilfe-PoolInterview

Um nach einer Katastrophe möglichst rasch medizinische Fachkräfte aufzubieten, verfügt das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) über einen Nothilfe-Pool. Interview: Katharina Schindler

Die Kinderärztin Isabelle Güss reiste einen Monat nach dem Erdbeben für das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) nach Haiti. Sie arbeitete in einem vom Deutschen Roten Kreuz geführten Feldspital. Dieses wurde aus mehreren Zelten auf dem Fussballplatz des Quartiers Carrefour in Port-au-Prince aufgebaut.

REPORT REPORT

Dr. Isabelle GüssDie 38-jährige Kinderärztin praktiziert in Langenthal und ist im medizinischen Pool des SRK. Sie war 2008 für das SRK in Haiti und dieses Jahr im Februar und März. Für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz hat sie 15 Monate im Sudan gearbeitet.

Grosse SolidaritätZahlreiche private Spenderinnen und Spender und namhafte Organisatio-nen haben dem SRK Spenden für Ha-iti zukommen lassen. Janine Händel, Geschäftsführerin des Katastrophen-hilfefonds der Credit Suisse: «Wir sind von der Qualität und Wichtigkeit der Rotkreuz-Arbeit überzeugt. Deshalb sind die Rotkreuz-Gesellschaften un-sere bevorzugten Partner.» Der Kata-strophenhilfefonds der Credit Suisse ruft bei schweren Katastrophen die Mitarbeitenden zum Spenden auf und verdreifacht das Spendenresultat. So kam ein namhafter Betrag für Haiti zusammen, welcher auf die Rotkreuz-gesellschaften verteilt wurde, in deren Ländern die Credit Suisse viele Mitar-beitende beschäftigt und die sich in Haiti engagieren.Weitere Grossspender haben dem SRK ihr Vertrauen geschenkt: Coop, die Stiftung von Frau Slavica Eccles-tone, die Kantone Genf, Basel-Stadt, Basel-Landschaft, Zug, Tessin sowie die Städte Genf und Zürich. Von No-vartis durfte das SRK eine Medika-mentenspende von über 3 Tonnen ent- gegennehmen. Dennoch, von existen-zieller Bedeutung für das SRK ist nach wie vor die Unterstützung durch pri-vate Spenderinnen und Spender. Das Ausmass der Katastrophe ist derart im-mens, dass die Solidarität nicht gross genug sein kann.

APROPOS

Eugen Ming, Krankenpfleger des SRK, im FeldspitalViele Kinder waren in einem sehr kritischen Zustand, als sie im Feldspital eintrafen

Unterernährtes Baby im Notspital

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KuRz & büNDIG

Schweizerisches Rotes Kreuz, Rainmattstrasse 10, 3001 Bern, Telefon 031 387 71 11 [email protected], www.redcross.ch, Postkonto 30-9700-0, Vermerk «Augenlicht»

Mit Schmuck Augenlicht schenken.

Mit Spenden arbeitet das SRK in Asien und Afrika gegen die Armutsblindheit.

Senden Sie ausgedienten Schmuck und Zahngold an das Schweizerische Rote Kreuz. Damit schenken Sie Augenlicht. Danke.

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«Ich habe niemanden, den ich sonst fra-gen könnte.» Neben Worten des Danks ist es wohl dieser Satz, den die 7 400 Freiwilligen des Rotkreuz-Fahrdienstes am häufigsten hören. Denn in unserem Land leben immer mehr Menschen isoliert. Ältere Menschen leiden besonders un-ter dem Alleinsein, da sie sich oft kaum noch selbstständig fortbewegen können. Der Rotkreuz-Fahrdienst, der letztes Jahr

12,4 Mio. Kilometer zurückgelegt hat (32-mal die Strecke von der Erde zum Mond), gibt ihnen etwas Mobilität zurück – zumindest, wenn es um ihre Gesundheit geht. Diese Dienstleistung richtet sich in erster Linie an Personen, die sich zum Arzt, in eine Therapie oder eine Kur be-geben müssen. ➥ www.magazin-humanite.ch/Fahrdienst

32-mal von der Erde zum Mond

Vor 100 Jahren starb Henry Dunant, der Gründer des Roten Kreuzes. Zum Gedenk-jahr 2010 hat der Bund eine Sonder-münze herausgegeben. Gestaltet hat sie der Genfer Künstler Pierre-Alain Zuber. Er gewann den Gestaltungswettbewerb der Eidgenössischen Münzstätte Swiss-mint. Am Weltrotkreuztag, dem 8. Mai 2010, wurde das Dunant-Jahr eröffnet und die 20-Franken-Silbermünze der

Öffentlichkeit präsentiert. An der offiziel-len Feier in Heiden enthüllten der Präsi-dent des IKRK, Jakob Kellenberger (links), und Kurt Rohrer, Geschäftsleiter Swiss-mint, ein vergrössertes Exemplar.Mehr zur Sondermünze finden Sie im Internet unter www.swissmint.ch. Das ak-tuelle Programm des Dunant-Jahres 2010 erfahren Sie auf www.dunant2010.ch

Silbermünze zu Ehren von Henry Dunant

Im August 2007 wurde der Spielplatz Amthaus in Laufen BL überflutet. Die Katas-trophenhilfe Inland des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) hat den Wiederauf-bau unterstützt. «Nicht alles ist versichert im Katastrophenfall. Ein attraktiver Kin-derspielplatz ist auch aus pädagogischer Sicht eine sinnvolle Investition», erklärt Jo-sef Reinhardt, Leiter Katastrophenhilfe In-land des SRK. Im Namen der Bevölkerung hat sich der Stadtrat Laufen bei den Spen-derinnen und Spendern des SRK bedankt.

überfluteter Spielplatz wieder aufgebaut

Schmuck für ein Strahlen mehrRhomberg Schmuck unterstützte mit einer Spendenaktion die Patenschaft «Für Kin-der in Not» des Schweizerischen Roten Kreuzes. Miss Earth, Graziella Rogers, ist die ehrenamtliche Botschafterin dieser Pa-tenschaft. Zusammen mit Lukas Sallmann vom SRK nahm sie den Check im Wert von 30 000 Franken entgegen. Diesen überreichte Peter Kühnis von Rhomberg Schmuck sehr gerne: «Wir haben uns von der Tatkraft des SRK förmlich anstecken lassen. Es freut uns, dass wir so notlei-denden Kindern wenigstens ein bisschen helfen können.» Mehr über eine Kinder-Patenschaft beim SRK:➥ www.redcross.ch > Spenden + Helfen

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ERLEbT ERLEbT

«Nicht alles den Männern überlassen»

Humanitäres Engagement im zeichen der Frau

Vermehrt engagieren sich Migrantinnen beim Rotkreuzdienst. Die eingebürgerten Schweizerinnen möchten etwas für ihr Land tun. Sie springen für ihre Männer ein, die aus Altersgründen keinen Mili-tärdienst mehr leisten können. Das ge-fällt Oberst RKD Brigitte Rindlisbacher. In die Fussstapfen von Männern treten – das hat sie immer wieder gemacht.

Friedenserhaltende AktionenDer Grundstein für Brigitte Rindlisba-chers humanitäres Engagement wurde in ihrer Kindheit gelegt. Als Siebenjährige hat sie ihre jüngeren Geschwister gehü-tet und so die Mutter entlastet. Das sei ihr leicht gefallen, sagt sie. «In unserer Familie gab es ein grosses Solidaritäts-bewusstsein.» Entscheidend war damals ein Erlebnis: Sie sah im Fernsehen einen Bericht über UNO-Blauhelm-Soldaten im

Golan (von Israel besetztes Gebiet in Syrien). Die Friedenssoldaten haben sie tief beeindruckt. «Ich habe zu mir selbst

gesagt: Das will ich auch machen, wenn ich gross bin.»Zunächst schlug sie aber einen Weg ein, der in eine andere Richtung führte: Sie machte eine Lehre als Chemielaborantin. Für Chemie begeisterte sie sich, weil ihr Vater den Kindern immer wieder kleine Experimente vorgeführt hatte und weil sie als wissbegieriges Mädchen den Dingen auf den Grund gehen wollte. Wie sie es sich gewünscht hatte, fand sie eine Stelle in einem Forschungslabor. Dort machten Kollegen sie auf den RKD aufmerksam. «Ich zögerte zuerst. Aber zum Glück liessen sie nicht locker und ich begriff, dass der RKD mich einem Auslandsauf-enthalt näherbringen könnte.» Im Labor eines Militärspitals leistete sie regelmäs-sig Dienst und setzte sich dort mutig und erfolgreich für Verbesserungen ein.Schliesslich kam der Moment, wo nicht nur Mut, sondern echter Pioniergeist ge-fragt war. Als sich die Schweizer Armee 1989 zum ersten Mal an einer UNO-Mission beteiligte, packte Brigitte Rind-lisbacher die Gelegenheit beim Schopf und meldete sich für einen viermona- tigen Einsatz im Labor der Mission in

Namibia. «Afrika war schon immer mein Traum gewesen. Es war eine so tolle Er-fahrung, dass ich beschloss, «Peace Kee-ping» (Friedenserhaltung) in der Armee zu meinem Beruf zu machen.» Sie half mit, den Kurs für Schweizer UNO-Mili-tärbeobachter aufzubauen und schulte selber während einigen Jahren. Doch das genügte ihr nicht: Sie wollte selbst Beobachterin werden. Als erste Frau überhaupt nahm sie an einem Kurs in Österreich teil. Und machte beste Rekla-me für Frauen in der österreichischen Ar-mee. Nach den Kriegen im ehemaligen Jugoslawien wurde sie für ein halbes Jahr nach Kroatien geschickt. Wieder war sie Pionierin, als einzige Frau unter 28 Beobachtern aus 26 Nati-

onen. Ein paar Mal reiste sie nebenamt-lich als Logistik-Offizier nach Sarajevo. «All die zerbombten Häuser und die Mi-nenfelder unterwegs; da habe ich gese-hen, was Krieg ist und wie wichtig es ist, ihn zu verhindern.»

engagement für FrauenAls die Pionierzeit der Auslandseinsätze vorbei war, gab Brigitte Rindlisbacher ihre Stelle beim Militärdepartement auf. Heute ist die 55-Jährige stolz darauf, dass sie Frauen beim RKD dabei unter-stützen kann, «nicht alles den Männern zu überlassen». Frauen sollen die glei-chen Chancen haben und von Entwick-lungen sowie militärischen Weiterbildun-gen profitieren können. So wie sie, die ohne akademischen Abschluss, dafür aus persönlichen Stärken, den Wunsch aus der Kindheit verwirklichen konnte. ➥ www.rkd-scr.ch

Die Frauen des Rotkreuzdienstes (RKD) werden im Katastrophenfall aufgeboten oder unterstützen friedens-erhaltende Aktionen bei internationalen Krisen. Nur Frauen mit einer Ausbildung im Gesundheitswesen dürfen beitreten. Brigitte Rindlisbacher ist seit 2006 Chefin des RKD. Zuvor war sie unter anderem die erste Schweizer UNO-Militärbeobachterin.text: Heinz Heer

«Ich wollte den Dingen auf den Grund gehen.»

«Da habe ich gesehen, was Krieg ist.»

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«Jeden Tag freut mich die tolle Zusammenarbeit mit den engagierten Frauen aufs Neue.»

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KONKRET KONKRET

Lord, der holländische Rauhaar-Schäfer, hat die Übung mit Bravour gemeistert

An einem moosbedeckten Baumstumpf angelehnt, sitze ich auf dem Waldbo-den. Ich stelle mir vor, wie ich mich jetzt fühlen würde, wäre ich heute beim Pilzsammeln ausgerutscht, einen steilen Hang heruntergestürzt und mit gebro-chenem Bein liegen geblieben – ohne Handy. Glücklicherweise spielen wir die Situation heute nur nach.Plötzlich kommt in einem Affentempo ein grosser, grauer Hund auf mich zuge-rast, schnuppert für den Bruchteil einer Sekunde an meinen Füssen – und weg. Es ging so schnell, dass ich mich frag-te, ob ich halluziniere. Minuten später höre ich eine Männerstimme: «Zeigen!» Das Hecheln und Rascheln nähert sich. Und plötzlich legt sich der grosse, graue Hund sanft neben mich, ruhig, warm, sicher.

Aus dem Gestrüpp bricht ein Mann in einer leuchtend roten Jacke, ausgerüs-tet mit Funkgerät, Seil und Erste-Hilfe-Tasche. Es ist Emanuel Steinegger, der Hundeführer von Lord, dem holländi-schen Rauhaar-Schäfer. Zufrieden mit seiner Leistung, lobt er ihn. Lord springt übermütig durchs Laub. Es scheint für ihn ein Leichtes gewesen zu sein, fast ein Spiel. Wäre ich tatsächlich verletzt am Boden gelegen, würden mir spätestens jetzt Tränen der Erleichterung über die Backen kullern.

Mehrere einsätze pro JahrIn der Realität sind solche Situationen leider weniger unbeschwert: Jedes Jahr werden in der Schweiz Leute vermisst.Sie kehren von einer Wanderung nicht zurück, kommen nach dem Jass-Abend mit dem Velo nie zu Hause an. Emanuel Steinegger gehört zu den Männern und Frauen, die sich ehrenamtlich für REDOG,

den Schweizerischen Verein für Such- und Rettungshunde, engagieren. Der Verein garantiert 365 Tage im Jahr, dass für jedes Gebiet in der Schweiz genü-gend Hund-Mensch-Teams für eine Such-aktion zur Verfügung stehen.

Suchhunde anfordernMeist werden die Geländesuchhunde von REDOG dann aufgeboten, wenn polizeiliche Ermittlungen bei einer Ver-misstensuche nicht mehr weiter führen. Emanuel Steinegger erinnert sich an den Fall eines vermissten Rentners, bei dem er und Lord von den Angehörigen alarmiert wurden. «Viele Leute wissen nicht, dass jeder über die Rega-Num-mer 1414 Suchhunde anfordern kann, wenn jemand vermisst wird», erklärt Ema-nuel Steinegger. Als das Telefon bei ihm

klingelte, war er mit Lord innert zwei Stunden im Einsatzgebiet. Mit seinem Arbeitgeber ist dies so abgesprochen. «Wenn man zum Ernstfall gerufen wird, kribbelt es im Bauch. Man kann endlich einsetzen, wofür man all die Jahre trai-niert hat.»

Während zwei langen Tagen suchten mehrere Geländesuchhunde-Teams mit lokalen Leuten und Angehörigen umlie-gende Waldstücke ab. Leider erfolglos – keiner der Hunde zeigte etwas an. Erst Wochen später stand in der Zeitung, dass eine Joggerin auf die Leiche des Mannes gestossen ist. «Ich dachte: Hof-fentlich war das nicht in dem Waldstück,

Mit ihrem ausgeprägten Spürsinn können Hunde Leben retten. Der Verein für Such- und Rettungshunde, REDOG, bildet Hunde aus, die nach Vermissten suchen oder bei Katastrophen Verschüttete aus Trümmern retten. REDOG ist Mitglied des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK).text: Christina Williamson

Bilder: Annette Boutellier

«Mich zu finden, war für Lord ein leichtes Spiel.»

«Angehörige sind dankbar, dass auch wir suchen.»

Immer der Nase nachEmanuel Steinegger und Lord

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KONKRET

Ausschlaggebend für eine erfolgreiche Suche ist die Windrichtung. Sie kann auf Hundenasehöhe mit Puder bestimmt werden.

das ich mit Lord abgesucht habe.» Es stellte sich heraus, dass der Vermisste in einem Wald gefunden wurde, den die Polizei aufgrund der letzten Handy-Ortung ausgeschlossen hatte. Emanuel Steinegger war sichtlich gerührt über die Dankbarkeit, die ihnen die Ange-hörigen dennoch zeigten. «Eine Suche wird fast eine familiäre Sache. Das ging mir schon nahe.»

Vier Jahre VorbereitungEmanuel Steinegger investiert seine ge-samte Freizeit in das Training seines Hundes und den Verein REDOG. Er ist

Übungsleiter und auch stellvertretender Chef der Region Innerschweiz. «Es ist ein riesiger Plausch», fügt er begeistert an. Da er gerne im Wald oder in den Ber-gen wandert, ist die Kombination ideal.

Lord ist mehr als ein Haustier: «Er ist mein treuster Begleiter. Schön, dass wir zu-sammen noch etwas Sinnvolles machen und viel lernen», fügt er hinzu. Jeder Hundeführer muss mehrere Prüfungen ablegen: In Erster Hilfe, in der alpinen Sicherung mit dem Seil sowie im Kar-tenlesen. «Die grösste Herausforderung war es, zu lernen, den Hund zu lesen. Zu erkennen, was er mir sagen möchte, wie er in gewissen Situationen reagiert.» Fast vier Jahre haben Emanuel Stein- egger und Lord trainiert, bis sie ein ein-satzfähiges Geländesuch-Team wurden.➥ www.redog.ch

Jeder Hund ein SpezialistGeländesuchhunde, wie Lord in unse-rem Bericht, spüren in unübersichtli-chem Gelände vermisste Personen auf. Der Verein REDOG bildet auch Hunde aus, die für andere Einsätze speziali-siert sind. Bekannt sind vor allem die Katastrophensuchhunde. Diese suchen z.B. nach einem Erdbeben verschüttete Menschen. Hingegen werden die so-genannten «Mantrailing-Teams» ange-fordert, wenn in städtischen Gebieten eine individuelle Geruchsspur verfolgt werden muss. Mantrailing-Hunde sind in der Lage, solche Spuren auch nach mehreren Stunden oder gar nach Ta-gen über beachtliche Distanzen zu verfolgen.REDOG ist für die Ausbildung der Hun-deteams auf Spenden angewiesen. Diese finanzieren die Ausrüstung der Teams und deren Ausbildung.

APROPOS

KuRz & büNDIG

Weltweit haben 90 % aller blinden Men-schen ihr Augenlicht verloren, weil sie arm sind. Eine Erblindung liesse sich meistens verhindern, wenn die Augen-krankheit frühzeitig behandelt würde. Deshalb bekämpft das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) die Armutsblindheit in betroffenen Ländern. Besonders im Nor-den von Mali besteht noch Handlungsbe-darf. In dieser Region unterstützt nun die Schweizer Optik-Kette McOptik während drei Jahren die Arbeit des SRK im Bereich Augenmedizin. McOptik ist ein idealer

Projektpartner, dem das Thema Augen-gesundheit ebenso am Herzen liegt wie dem SRK. Matthias Brozek, CEO von McOptik, meint: «Wir fühlen uns sehr ge-ehrt, diese Aktivitäten des SRK unterstüt-zen zu dürfen. Diese Projektpartnerschaft entspricht unserer Firmenpolitik, da wir einen nachhaltigen Nutzen für die Men-schen anstreben.» McOptik hat dem SRK bereits über 2 000 neue Brillenfassungen geschenkt für Sehbehinderte in Nepal, Tibet und Togo.

Schweizer Optik-Kette macht glücklich

Welche Güter werden nach einer Na-turkatastrophe am dringendsten benö-tigt? Was muss geplant und durchdacht werden, um im Katastrophenfall schnell echte Hilfe zu leisten? Diese Fragen und andere wurden an der Führung durch das Logistikzentrum des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) in Wabern bei Bern beantwortet. Im Logistikzentrum lagert das SRK Hilfsgüter für den Notfall und

von dort aus rücken die Einsatzteams bei einem Katastrophenalarm aus. Erstmals haben im April treue Spenderinnen und Spender einen Blick hinter die Kulissen erhalten. Möchten Sie eine Einladung zu den nächsten Anlässen des SRK erhalten? Rufen Sie uns an auf 031 387 71 11 oder senden Sie uns eine E-Mail mit Ihrer Adresse und dem Stichwort «SRK-Gönner-anlass» an [email protected]

Das SRK hautnah erlebenAnlässlich des 100. Todestages von Henry Dunant findet vom 28. Juli bis 4. August 2010 ein internationales Sommercamp statt. In Heiden, wo Dunant seine letzten Jahre verbrachte, kommen rund 120 ju-gendliche Rotkreuz-Freiwillige und an- dere Interessierte aus aller Welt zusam-men. Während einer Woche werden sie verschiedene Workshops rund um die Themen «Menschlichkeit» und «Frie-den» besuchen. Organisiert wird das Camp «YOU R HUMANITY» vom Verein «Dunant-Jahr 2010 Heiden» und dem Schweizerischen Roten Kreuz.➥ www.dunant2010-across.com

Internationales Sommercamp für junge Rotkreuz-Freiwillige

Sinnvolle GeschenkideenWasser ist die Grundlage allen Lebens – und dieser Uhr. Denn die Tischuhr in modernem Design braucht keine Batte- rien. Nur alle paar Wochen etwas Was-ser in den Tank füllen und schon sieht man wie die Zeit verrinnt. Die Wasser-Tischuhr kostet 23 Franken. Vom Kaufpreis flies-sen 3 Franken in die Wasser-Patenschaft des SRK. Die Patinnen und Paten einer Wasser-Patenschaft unterstützen langfris-tig Projekte für sauberes Trinkwasser in Ländern, die am stärksten von Wasser-knappheit und -verschmutzung betroffen sind. Diese Uhr und weitere nützliche, neue Geschenkideen können Sie wie folgt bestellen:➥ www.redcross.ch/geschenkideen

oder per telefon 031 387 71 11

Jeder Hundeführer muss mehrere prüfungen ablegen, auch im Kartenlesen und in Seilsicherung.

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Page 10: SRK Magazin Humanité 2/2010

unparteilichkeit – helfen ohne zu urteilen

Gedanken zum zweiten Rotkreuz-Grundsatz

Unparteilichkeit bedeutet, dass sich die Hilfe an alle Bedürftigen richtet. Zwischen Täter oder Opfer, Feind oder Freund, schuldig oder unschuldig wird nicht un-terschieden. Der Kern der Unparteilich-keit offenbart sich im Entstehungsgrund der Rotkreuzbewegung. Dem Willen, den Verwundeten auf dem Schlachtfeld unterschiedslos zu helfen. So hat es be-reits 1859 der Rotkreuz-Gründer Henry Dunant nach der Schlacht von Solferino vorgelebt.

Die Umsetzung dieses Gebots kann für die helfenden Personen im Einsatz eine grosse Herausforderung darstellen. Diese müssen sich zuweilen von ihren persönli-chen Wertvorstellungen und Sympathien

lösen. Speziell schwierige Situationen bilden etwa Bürgerkriege oder politische Unruhen. Auch in der Schweiz wird nicht immer verstanden, wenn wir allen Be-dürftigen beistehen. Das bedeutet auch

unterschiedslose Hilfe gegenüber denen, die nicht von allen Bürgerinnen und Bür-gern vorurteilsfrei Sympathie geniessen, beispielsweise Flüchtlinge, Sans-Papiers oder sozial ausgegrenzte Menschen. In der Realität kann Unparteilichkeit nicht immer vollständig erfüllt werden. Wenn zum Beispiel bei einer Katastrophe nicht genügend Hilfsmittel vorhanden sind und die Helfenden zu wenig Kapazität

haben, müssen schwerwiegende Ent-scheide gefällt werden: Wo soll mit der Hilfe begonnen werden? Sollen zuerst Kinder Hilfe erhalten? Haben Schwer-verletzte Priorität? Was gilt als schwere Verletzung? Dies war kürzlich in Haiti der Fall, wo unzählige Menschen unter Trümmern lagen und tausende Menschen gleichzeitig medizinische Hilfe, Wasser und Lebensmittel benötigten. Zugleich dürfen die vielen Menschen nicht verges-sen werden, die Opfer langandauernder Katastrophen sind und zur selben Zeit

– aber von der Öffentlichkeit oft unbe-achtet – immer noch dringend Hilfe be-nötigen.

Es ist grundlegend, dass unsere huma-nitäre Arbeit als unparteilich und neut-ral wahrgenommen wird. Nur so findet unsere Hilfe allseitig Akzeptanz, nur so erhalten wir Zugang zu den Bedürftigen, und nur so können wir unseren Auftrag erfüllen.

Die sieben Rotkreuzgrundsätze sind das Herzstück der internationalen Rotkreuzbewegung. Dem übergeord-neten Prinzip der Menschlichkeit folgt der Grundsatz der Unparteilichkeit. Dieser Grundsatz besagt, dass alle Menschen gleich behandelt werden. Die Rotkreuzbewegung unterscheidet nicht nach Nationalität, ethnischer Herkunft, Religion, sozialer Stellung oder politischer Überzeugung.text: prof. Dr. René Rhinow

Nur so kann das Rote Kreuz seinen Auftrag erfüllen.

es bedeutet unterschieds-lose Hilfe gegenüber allen.

übERzEuGT übERzEuGT

Prof. Dr. iur. René RhinowIst seit 2001 Präsident des Schweizerischen Roten Kreuzes. In dieser Funktion leitet er auch dessen strategisches Führungs-organ, den Rotkreuzrat.

Rotkreuz-Gründer Henry Dunant ist ein Vorbild für Unparteilichkeit.

Mitarbeitende und Freiwillige des Roten Kreuzes weltweit halten sich an die Grundsätze

Helfen ohne Vorurteile

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KONKRET

Maelin ist ein grosser, schlanker Mann, gezeichnet von langen Hungerstreiks im Gefängnis. «Ich bin zäh wie eine Zie-ge», sagt er. Dies und viel Glück sind für ihn der Grund, dass er jahrelange Haft und monatelange Folter überlebt hat.

Es gibt Spuren an seinem Körper, die für Aussenstehende nicht sichtbar sind. Maelin ist zurückhaltend, vielleicht auch misstrauisch, als er zum ersten Mal ins Ambulatorium für Folter- und Kriegsop-fer SRK (afk) kommt. Er wirkt ruhig, doch innerlich ist er angespannt. Er schläft schlecht. In seinen Träumen kommen leidvolle Erinnerungen hoch. Nach seiner Flucht hat er sich in der Schweiz zunächst gut integriert. Doch als sein Arbeitgeber den Betrieb schlies-

sen musste und er arbeitslos wurde, isolierte er sich. Er wurde zunehmend aggressiv. Am meisten machen ihm sei-ne Zornausbrüche und seine Nervosität zu schaffen, weil vor allem die Kinder und seine Frau darunter leiden. Gerne möchte er wieder «zäh wie eine Ziege» sein. Und er will wieder arbeiten, denn so kann er am besten «das, was mal war» vergessen.

Gestärktes Selbstvertrauen und neue ZuversichtIm afk (vergl. Kasten) lernt Maelin sich von seinen Ängsten zu befreien, sich selber wertzuschätzen und seinen Fä-higkeiten zu vertrauen. Nach mehreren Therapiesitzungen im afk findet er über ein Beschäftigungsprogramm den Weg zurück in die Arbeitswelt. Er sieht wie-der einen Sinn in seinem Leben und ist wieder stark genug, um auch für seine Familie da zu sein.

trauma nach KatastrophenDie wahre Geschichte von Maelin ist typisch für Menschen, die darunter lei-den, was andere ihnen angetan haben. Im Augenblick des Geschehens ist die

Erfahrung von Todesangst, Panik, Hilf-losigkeit, Kontrollverlust und Ohnmacht bei jeder Art von Katastrophe die glei-

che. Bei der psychischen Verarbeitung macht es jedoch einen Unterschied, ob das schlimme Ereignis eine Naturkatast-rophe war oder eine von Menschen ver-ursachte Katastrophe wie zum Beispiel Krieg, Folter oder Vertreibung. Die durch Menschen zugefügten Traumas wiegen für die Opfer schwerer.➥ www.torturevictims.ch

Ganzheitliche Hilfe für Betroffene im afkSeit 15 Jahren betreut das Ambula- torium für Folter- und Kriegsopfer SRK Menschen, die durch Krieg, Folter oder Vertreibung traumatisiert sind. Im Ambulatorium erhalten die Betroffen- en medizinische, psychotherapeutische und soziale Unterstützung. Je nach Pa-tientin oder Patient sind unterschiedli-che Therapieansätze notwendig, um die Situation zu verbessern. Wichtig ist, dass Sicherheit und Vertrauen wie-der hergestellt werden. Es geht darum, dass die Betroffenen die schlimmen Erlebnisse in ihre Lebensgeschichte ein-bauen können und lernen, mit den see-lischen Narben weiterzuleben. Soweit möglich werden auch die Angehöri-gen in die Behandlung mit einbezo-gen.➥ www.redcross.ch/ambulatorium

Maelin blickt mit neuem Lebensmut in die Zukunft

Lernen, mit seelischen Narben weiterzuleben

Ambulatorium für Folter- und Kriegsopfer (afk)

Menschen, die durch Folter oder Krieg unvorstellbares Leid erlebt haben, sind oft schwer traumatisiert. Eine intensive und meist langfristige Behandlung wird notwendig. Viele Betroffene glauben zunächst, sie würden keine Hilfe benötigen. Oft nehmen sie diese erst an, wenn die Familie unter den Auswirkungen ihres Traumas übermässig leidet.text: Hana Kubecek

Bilder: peter Dammann, Agentur Focus

APROPOS

Die leidvollen erinnerungen kommen nachts.

Durch Menschen verursachte traumas sind schlimmer.

Dank dem afk hat Maelin den Weg zurück in die Arbeitswelt gefunden

Nachdenklich, aber die Zuversicht überwiegt

KONKRET

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Page 12: SRK Magazin Humanité 2/2010

ENGAGIERT ENGAGIERT

Auf ihren Laptop ist sie angewiesen. Sie schätzt es, dass sie schnell im In-ternet ein Konzertticket bestellen kann und E-Mail ist für sie sowieso unerläss-lich. Aber drehen wir die Zeit zurück in das Zeitalter der Schreibmaschinen. Als 12-Jährige erhielt Sigrid Joss von ihrem Vater zwei Franken Taschengeld. Weil sie alle Ausgaben auflisten musste, weiss sie fast siebzig Jahre später noch, wel-ches Hilfswerk ihre erste Spende erhal-ten hat. «23. August 1943, 20 Rappen, Rotes Kreuz» steht in vorbildlicher Schul-schrift. «Das waren immerhin 10 % mei-nes monatlichen Einkommens!», betont sie lachend.

Als neugieriges Mädchen interessier-te sich Sigrid Joss schon früh für Tibet. Die Reiseberichte des Schweden Sven Hedin hat sie regelrecht verschlungen. Als 1959 der Dalai Lama Tibet verlas-sen musste, hat sie die Berichterstattung intensiv verfolgt. Ein Ereignis der Welt-geschichte, das ihr eigenes Schicksal beeinflussen wird.

Das Beste, was passieren konnteAls der Verein Tibeter Heimstätten (VTH) gegründet wurde, meldete sie sich so-fort als Mitglied an. Der Bundesrat ge-nehmigte ein Gesuch des VTH und be-willigte 1963 die Aufnahme von 1 000

tibetischen Flüchtlingen aus Indien. Nun benötigte der kleine Verein die Unter-stützung eines anerkannten Hilfswerks. Der VTH war erfreut, dass es zur Zu-sammenarbeit mit dem SRK kam, das Neutralität und Unparteilichkeit in den Rotkreuz-Grundsätzen fest verankert hat. Sigrid Joss ist überzeugt: «Das war das Beste, was passieren konnte! Das SRK hatte Erfahrung und war schon damals

international vernetzt.» Unerwartet er-füllte sich der Kindheitstraum: Sie wurde angefragt, ob sie im Auftrag des VTH/SRK für zwei Monate nach Indien reisen würde. Die damals 32-Jährige zögerte nicht. Ihre Hauptaufgabe im Norden In-diens war es, die Tibeter auf die mögli-che Ausreise vorzubereiten. Aber es war nicht einfach, den Tibetern die Schweiz zu beschreiben. «Sie kamen sozusagen aus dem Mittelalter. Wie erklärt man un-ter dieser Voraussetzung ein modernes, demokratisches Land – weiter weg als sie es sich vorstellen konnten?» Sigrid Joss wurde erstmals auch vom Dalai

Lama empfangen. Seither hat sie Seine Heiligkeit noch ein paarmal getroffen. «Joss, Redcross! – hat er das letzte Mal gerufen, als er mich wiedererkannte.», schmunzelt sie.Kaum war Sigrid Joss wieder in der Schweiz, wurde sie von der heutigen

DEZA angefragt, für einige Jahre für das Tibeter-Projekt in Nepal zu arbeiten. Sie sagte nach anfänglichem Zögern zu. In dieser Zeit lernte sie auch ihren künfti-gen Ehemann, Max Joss, kennen. In den folgenden Jahren begleitete sie ihren Mann zu seinen beruflichen Stationen im Ausland.

Das unerwartete StellenangebotAusgerechnet als ihr Mann pensioniert wurde, erhielt die zwanzig Jahre jünge-re Ehefrau ein Stellenangebot des SRK. Sie sollte die herausfordernde Aufgabe übernehmen, die Betreuung der Tibeter in der Schweiz zu koordinieren. Es folgten spannende und erfüllte Jahre in Bern beim SRK. Auch nach dem Tod ihres Eheman-nes und nach ihrer Pensionierung setzt sich Sigrid Joss für andere ein. Mit ihrem Mann zusammen hat sie schon früh ihren Nachlass geregelt. Ihre Patenkinder und Hilfswerke wie das SRK sind im Testa-ment vermerkt. Sie engagiert sich auch heute noch leidenschaftlich und arbeitet öfters am Mittwochnachmittag im Archiv des SRK. Die Rotkreuz-Grundsätze zie-ren ihren Kühlschrank und man spürt, dass diese längst zu Leitgedanken für ihr eigenes Leben geworden sind. Ideen und Wünsche für die nächsten Jahre hat sie viele. «Und ich hoffe, dass ich meine E-Mail-Adresse beim SRK behalten kann bis an mein Lebensende. In meinem Alter will man die nicht noch wechseln!»➥ Auf Seite 29 stellt Ihnen Sigrid Joss

das tibetische Nationalgericht vor.

Ihre erste Spende ging ans Rote Kreuz.

«Joss, Redcross!», rief der Dalai Lama.

Sigrid Joss neben dem Dalai Lama im April 2010 in Zürich

Powerfrau mit Temperament und Eigensinn

Sigrid Joss-Arnd

Sigrid Joss-Arnd ist auch im Alter von 79 Jahren eine Powerfrau. Kein Begriff passt besser zu einer weltoffenen, engagierten und modernen Frau, die ihr Leben selbst bestimmt. Schon als Mädchen hatte sie eine Vorahnung, was später ihr Leben prägen würde: Tibet und das Schweizerische Rote Kreuz (SRK).text: tanja pauli

Bilder: Annette Boutellier

«Die Rotkreuz-Grundsätze überzeugen mich.»

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Page 13: SRK Magazin Humanité 2/2010

Ein zeltdorf nach der Sintflut

Senegal, Westafrika

Sintflutartige Regenfälle haben letzten Herbst in ganz Westafrika zu schweren Überschwemmungen geführt. Hunderttausende wurden obdachlos. Im hart betroffenen Norden Senegals leistete das Schweizerische Rote Kreuz (SRK) Nothilfe für Menschen, die auch in normalen Zeiten kein leichtes Leben haben.text: Katharina Schindler

KONKRET

Werden Sie heute Patin oder Pate beim Schweizerischen Roten Kreuz!Wenn Menschen durch Katastrophen oder kriegerische Auseinandersetzungen in Not geraten, sind Kinder im-mer besonders stark betroffen. Mit Fr. 1.– pro Tag helfen Sie, den ärmsten Kindern der Welt und ihren Müttern gezielt mit Nahrung, medizinischer Versorgung, Schulinfrastruktur und liebevoller Betreuung eine Zukunft zu schenken. Übernehmen Sie noch heute eine Patenschaft des Schweizerischen Roten Kreuzes und helfen Sie dieses Leid zu mindern. Die Kinder werden es Ihnen danken.

SCHENKEN SIE KINDERNWIE LuIS EINE zuKuNFT!

Ihre Antwortkarte fehlt? Auf www.redcross.ch finden Sie die Informationen. Oder rufen Sie uns an: 031 387 72 83 – vielen Dank.

Humanité 2/2010 25

Page 14: SRK Magazin Humanité 2/2010

Wochenlang hatte Sira ausgeharrt und gehofft, der Regen höre endlich auf. Doch als das Wasser immer weiter an-stieg, sah sie keinen anderen Ausweg mehr: Sie packte das Nötigste zusammen und lud es sich auf den Kopf. Dann zurr-te sie das kleinste ihrer drei Kinder an den Rücken, nahm die anderen an der Hand und machte sich durch das knie- tiefe Wasser davon. Das ganze Dorf er-

griff in dieser Nacht die Flucht. Häuser, Felder und Kleinvieh, Getreidevorräte und einen Grossteil des Hausrats über-liessen sie schweren Herzens den Fluten. Ein paar Kilometer weiter fanden sie auf einer trockenen Ebene Zuflucht.Als der Hilfsgüter-Transport des SRK ein paar Tage später eintraf, bot sich den Helfern ein trostloses Bild. «Der Re-gen hatte aufgehört und die Menschen standen schutzlos unter der sengenden Sonne. Sie hatten nur ein paar Habse-ligkeiten dabei, es gab nicht einmal sau-beres Wasser. Bereits waren mehrere Kinder krank», berichtet Balz Halbheer, einer der Nothilfe-Logistiker des SRK, die die Hilfsaktion durchführten. 126 Fa-milienzelte hatte der Rotkreuz-Lastwagen

geladen, dazu Hygiene- und Alltagsuten-silien, um den Menschen das Überleben zu ermöglichen.

Harte Lebensbedingungen In ganz Senegal herrschte in diesen Wochen klimatischer Ausnahmezustand. Während die Gegend in anderen Jahren meist unter Wasserknappheit litt, stan-den jetzt ganze Landstriche, Dörfer und Städte unter Wasser. Wochenlang hatte es wie aus Kübeln geregnet. Lehmhäuser und Strohhütten hielten den Fluten nicht stand. Im stehenden Wasser breiteten sich Krankheitserreger aus. Vor allem Kinder litten unter Malaria, Durchfall und Hautausschlägen.

Im stehenden Wasser breiteten sich Krankheits- erreger aus.

Auch die riesige Ebene entlang des Se-negalflusses im Norden des Landes hatte sich in einen See verwandelt. Abklärun-gen des SRK zeigten, dass die Not der Halbnomaden vom Volk der Peul, die hier mit ihren Herden leben, besonders gross war. Auch in normalen Jahren sind ihre Lebensbedingungen prekär. Das Klima ist heiss und lebensfeindlich, die Abge-schiedenheit gross und die medizinische

Versorgung fehlt. Während die Männer tagsüber mit den Kühen und Ziegen unter-wegs sind, bleiben die Frauen zu Hause und bestellen Gärten und Felder für den Eigenbedarf.

Lebensraum ist bedrängtFrüher zogen die Peul-Nomaden mit ih-rem Vieh unbehelligt durch die weitläu-fige Gegend und fanden reichlich Wei-deland vor. Doch heute werden in den fruchtbaren Zonen entlang des Flusses in grossem Stile Reis und Zuckerrohr ange-baut. Der Lebensraum der Hirten ist enger geworden und sie sind gezwungen, sich

auch in überschwemmungsgefährdeten Regionen niederzulassen. Das wurde Si-ras Dorf nun zum Verhängnis. Drei Tage lang dauerte der Aufbau der stabilen Familienzelte, die den Hirtenfa-milien bis zu zwei Jahre als Unterkunft dienen. Auch Latrinen und Frischwas- ser wurden installiert. 30 Rotkreuz-Frei-willige aus der nahen Kleinstadt Richard Poll leisteten dabei wertvolle Hilfe. Wäh-rend die Frauen sich im Hintergrund hielten, packten ihre Männer und Kinder mit an. «Die Zähheit der Menschen hat mich tief beeindruckt. Für uns Euro-päer war die Arbeit in der brütenden

Hitze unglaublich hart», sagt Balz Halb-heer. Bevor die Zeltstadt bezogen wurde, kam der Imam und segnete sie mit einem klei-nen Ritual. Danach wurde eine Ziege geschlachtet. Sira und ein paar andere Frauen errichteten flink eine Kochstelle und bereiteten auf dem offenen Feuer ein richtiges Festmahl zu. Die Gäste aus der Schweiz waren herzlich eingeladen. Endlich legten die Frauen einen Teil ihrer

Schüchternheit ab und feierten mit. «Merci, les Suisses», sagte Sira mit einem breiten Lächeln – während die Kinder sich über den Fussball freuten, den die Rotkreuz-Helfer ihnen zum Abschied schenkten.➥ www.magazin-humanite.ch/senegal

Regen statt Dürre – die Wetter-extreme häufen sichUnwetter mit schweren Überschwem-mungen sind in weiten Teilen West- afrikas ein eher seltenes Phänomen. Im Sahel haben die Menschen bekannt-lich mit Dürren zu kämpfen. Der karge Landstreifen, der als Sahel bezeichnet wird, zieht sich mehrere hundert Kilo-meter breit, südlich der Sahara quer durch ganz Afrika. Grosse Gebie-te von Senegal, Mali, Burkina Faso oder Niger liegen in dieser ökolo-gisch heiklen Zone. Trotz unwirtlicher Bedingungen bildet sie den Lebens-raum von hunderttausenden Hirten und Nomaden. Nach schlechten Re-genzeiten kommt es hier immer wieder zu Hungerkrisen.Doch in den letzten Jahren häufen sich auch Wetterextreme mit zu viel Niederschlag. Bereits 2007 kam es nach heftigen Regenfällen zu Über-flutungen. Vergangenes Jahr regnete es bereits ab Juni. Im August spitzte sich die Situation zu. Die kargen Bö-den konnten das Wasser nicht mehr aufnehmen. In 16 Ländern kam es zu Überschwemmungen mit über 600 000 Obdachlosen. In einigen Ländern gelang es den lokalen Rotkreuz-Organisationen, auf die Bedürfnisse der betroffenen Fami-lien direkt zu reagieren. Sie verteil-ten lokal eingekaufte Hilfsgüter und unterstützten die Menschen beim Bau provisorischer Unterkünfte. Doch in Se-negal und Burkina Faso war die Lage dramatisch. In beiden Ländern hatten Hunderttausende ihre Häuser verloren.Das SRK folgte dem Hilfsapell der In-ternationalen Rotkreuz-Föderation und schickte fünf Nothilfe-Logistiker nach Senegal und Burkina Faso. Sie koor-dinierten die gesamte internationale Rotkreuzhilfe und kümmerten sich um die Verteilung der aus der Schweiz gelieferten Hilfsgüter. Ausser Zelten waren dies Haushalt- und Hygienesor-timente sowie Bauwerkzeug für über 1 000 Familien.

Ein Zeltdorf auf einem trockenen Hochplateau, wo es in der Einöde sonst nichts gibt In einem Zelt der Katastrophenhilfe des SRK haben fünf Personen Platz

KONKRET KONKRET

APROPOS

Das ganze Dorf ergriff in dieser Nacht die Flucht.

«Die Arbeit in der brütenden Hitze war unglaublich hart.»

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Page 15: SRK Magazin Humanité 2/2010

Die tibetische Küche ist geprägt vom kar-gen Hochlandgebirge. Das sogenannte «Dach der Welt» gilt als höchstgele- gene Region der Welt. Die Hauptstadt Lhasa liegt 3 500 m über Meer. Fleisch- und Milchprodukte sind die wichtigsten Nahrungsmittel. Schafe, Ziegen, Yaks und Dzo (Kreuzung zwischen Yak und Rind) sind genügsame Nutztiere für das unerbittliche Hochlandklima. Auch der Gemüse- und Getreideanbau ist durch die klimatischen Bedingungen eingeschränkt.

Sigrid Joss erinnert sich:«Eine Spezialität von Tibet ist der salzige Buttertee. Er wird traditionell mit Yakbutter zubereitet und dieses Getränk ist sozusa-gen allgegenwärtig! Es deckt sinnvoller-weise den erhöhten Energiebedarf der Menschen in diesem rauen Klima. Ein typisches Gericht für Tibet sind Momos, gefüllte Teigtaschen. Eigentlich kann ich mich gar nicht daran erinnern, wann ich sie das erste Mal gegessen habe. Sie sind ja den italienischen Ravioli oder den chinesischen Wan Tan ähnlich. Es scheint

mir eine weltumspannende, uralte Metho-de zu sein, eine Füllung in einen Teig zu verpacken und zu kochen, braten oder dämpfen. Ich war etliche Male in Nepal von den dortigen Tibeter zum Momo-Picknick im Kathmandutal eingeladen. Man schlepp-te auf diesen Ausflug alle Rohstoffe mit, setzte sich irgendwo unter Bäume und fing an zu schnetzeln, hacken, schälen, mischen, kneten und füllen. Anschliessend wurde gekocht oder gedämpft und immer viel gelacht. Man erzählte sich Geschich-ten, die ich nicht verstand, aber trotzdem mitlachte. Und irgendeinmal waren dann die Momos fertig und es wurde gegessen und weiter Geschichten erzählt, gelacht und gesungen. Es sind wunderschöne Erinnerungen!»

buttertee und Momos im KathmandutalSigrid Joss hat in den vergangenen Jahrzehnten einen tiefen Einblick in die tibetische Kultur erhalten. Sie hat kaum ein Buch ungelesen gelassen, das sich mit dem Himalaya und der dortigen Bevölkerung befasst.

Zu Gast bei einem Reiterfest in Gyelthang, West China, einem weitgehend durch Tibeter bewohnten Tal

Sigrid Joss-ArndLeitete beim SRK die Einglie-derung tibetischer Flüchtlinge ab 1978. Sie reiste sechs Mal in den Tibet und hat mehrere Jahre in Nepal gelebt.

Die tibetische Küche

KREuz & quER

tibetische MomosFür 4 Personen

Zutaten für den Teig:600 g Mehl, 2,5 dl warmes Wasser,1 TL Salz, 1 EL ÖlAlles zu einem elastischen Teig kneten und 30 Min. ruhen lassen.

Zutaten für die Füllung:500 g Rindshackfleisch (oder kleinge-hacktes Gemüse), 2 gepresste Knob-lauchzehen, Salz, Ingwer gerieben, Pfeffer, Cayennepfeffer, evtl. Garam Masala (indische Gewürzmischung)

Zutaten für die Füllung vermischen, vegetarische Zutaten in etwas Öl an-dämpfen. Aus dem Teig Kugeln formen und dünn auswallen. Darauf kommt ein Häufchen Füllung. Die Teigrondelle in der Mitte falten, zuklappen und den Rand gut verschliessen. Nun die bei-den spitzen Enden in der Mitte zusam-mendrücken. Den Boden der Momos in etwas Öl tunken, damit sie beim Garen nicht ankleben. In ein Dämpf-körbchen stellen und im Dampf ca. 20 Min. garen lassen.Momos kann man in Sojasauce, Chut-ney oder Malzessig tunken.➥ Weitere Infos, Bilder der Zube-

reitung und der fertigen Momos auf

www.magazin-humanite.ch

APROPOS

Bitte senden Sie mir gratis den Testament-Ratgeber

Bitte nehmen Sie Kontakt mit mir auf

Bestellung Schweizerisches Rotes Kreuz, Eliane Boss, Rainmattstr. 10, Postfach, 3001 Bern, E-Mail: [email protected] Postkonto 30-9700-0, www.redcross.ch

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text: Sigrid Joss/tanja pauli

Humanité 2/2010 29

Page 16: SRK Magazin Humanité 2/2010

LabyrinthVom Start bis ans Ziel wird der Weg mit feinen Linien markiert. Den gefundenen Weg ausfüllen – und schon erscheint das Bild.

Kreuzworträtsel

Lösungswort:

4 0 0 2 0 0 3( C ) C o n c e p t i s P u z z l e s

Wortsuchspiel Finden Sie die 20 Wörter horizontal, vertikal und diagonal. Die Buchstaben können für mehrere Wörter gelten.

KREuz & quERKREuz & quER

Für Humanité zeichnet «Karma» alias Marco Ratschiller. Er ist Cartoonist und Chefredaktor des Satire-Magazins Nebelspalter.

HuMANITé 1/2010Lösungswort des letzten Kreuz-worträtsels: HILFe IN DeR Not

Wir gratulieren den Gewinne-rinnen und Gewinnern:Carola Brawand, Muri bei BernSuzanne Borloz, VersoixMano Gerster, NeukirchDoris Meier, PfeffingenBernard Menoud, Sâles

Übrige Lösungen der letzten Ausgabe:

Die Lösung zum Sudoku, zum Wort-suchspiel und zum Labyrinth finden Sie in der nächsten Ausgabe oder im Internet. ➥ www.magazin-humanite.ch

329657418

148329756

657184932

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495136827

06010014900

4 0 0 0 6 1 4

GEWINNENUnter allen korrekt eingeschickten Lösungswörter des Kreuzworträtsels verlosen wir fünf Redcross-Badetücher in der praktischen Grösse 100 cm x 150 cm. Senden Sie das Lösungs- wort und Ihre Adresse per E-Mail an [email protected] oder auf einer Postkarte anSchweizerisches Rotes KreuzMagazin «Humanité»postfach3001 Bern

Einsendeschluss ist am 20. Juli 2010

SudokuFüllen Sie die leeren Felder mit den Zah-len von 1 bis 9. Dabei darf jede Zahl in jeder Zeile, jeder Spalte und in jedem der neun 3 x 3-Blöcke nur einmal vorkommen.

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C o n c e p t i s P u z z l e s 06010016101

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Page 17: SRK Magazin Humanité 2/2010

Thomas büeler, Nothilfe-Logistiker SRK

«Es war sehr harte Arbeit in Haiti. Aber wir haben dem Chaos die Stirn geboten. Wir konnten die schlimmste Not lindern.»

unsere Hilfe braucht Ihre Spende.Postkonto 30-9700-0