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Fotos: Lippe / Lippe Verband Medienzentrale; Pumpwerk / Thomas Heiser, Park & Andere: BB; Fotolia.com: Rickshu, kai-creativ, Detlef, Hennie Kissling Ganz aus dem Häuschen Im letzten Jahr stellte coolibri euch lauschige Locations im Revier vor. Jetzt steht schon wieder der Sommer vor der Tür, und genau dort wollen alle wieder hin: Raus aus’m Haus, weg vom Schreib- tisch, ab ins Grüne, ans Blaue, zum Picknick, zum Chillen, Sporteln oder auch mal zum Sight-See- ing. Wer noch mal nachlesen will, wo es an Ruhr und Emscher die coolsten Klassiker, schönsten Picknickplätze oder besten Geheimtipps gibt, hat hier noch mal die Gelegenheit: Alle Hot Spots auf einen Blick, und wer ganz sicher gehen will, zur rechten Zeit nicht am falschen Ort zu sein, kann das Ganze auch noch downloaden. Und dann heißt es aber wirklich: Raus jetzt!

Stadt Land Fluss - Version 1

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Eine Zusammenstellung der Sommerreihe Stadt Land Fluß aus dem Jahr 2010

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Fotos: Lippe / Lippe Verband Medienzentrale; Pumpwerk / Thomas Heiser, Park & Andere: BB; Fotolia.com: Rickshu, kai-creativ, Detlef, Hennie Kissling

Ganz aus dem Häuschen

Im letzten Jahr stellte coolibri euch lauschige Locations im Revier vor. Jetzt steht schon wieder der

Sommer vor der Tür, und genau dort wollen alle wieder hin: Raus aus’m Haus, weg vom Schreib-

tisch, ab ins Grüne, ans Blaue, zum Picknick, zum Chillen, Sporteln oder auch mal zum Sight-See-

ing. Wer noch mal nachlesen will, wo es an Ruhr und Emscher die coolsten Klassiker, schönsten

Picknickplätze oder besten Geheimtipps gibt, hat hier noch mal die Gelegenheit: Alle Hot Spots auf

einen Blick, und wer ganz sicher gehen will, zur rechten Zeit nicht am falschen Ort zu sein, kann

das Ganze auch noch downloaden. Und dann heißt es aber wirklich: Raus jetzt!

SLF_Titel.qxp:2007-stadt+ 05.05.2011 14:19 Uhr Seite 3

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Stadt Land Fluss

UNTERWEGS IN DER EMSCHER-REGION TEIL I

Alles fließtFrühling in der Metropole Ruhr, das heißt: Nix wie raus aus grau-er Städte Mauern, ab ins Grüne und möglichst auch ans Blaue.Schließlich bietet das Ruhrgebiet jede Menge Seen und Flüsse, andenen der ausflugslustige Großstädter die Seele baumeln lassenkann. coolibri hat sich auf die nicht allzu weite Reise in die zu Unrecht vernachlässigte Emscher-Region gemacht und so mancheAusflugs-Perle ans Licht geholt. Unsere Mission: das perfektePicknick. Kunst, Natur, Technik und last but not least Leute – in den nächsten sechs Ausgaben berichten wir, was man an Emscher, Lippe und Seseke so alles erleben kann. Diesmal war’s noch etwas schruppig draußen, doch ab Mai ist diePicknickdecke unser treuer Begleiter.

Zunächst ein bisschen Heimatkunde: Während die Ruhr schon immer re-lativ unbehelligt den Süden des Reviers durchfließen durfte, hatte es dieEmscher im Norden schwerer. Schuld ist der Bergbau mit seinen Berg-senkungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts, die das Land ummehrere Meter absacken ließen. Flüsse und Bäche gerieten dadurch ausihrer natürlichen Bahn. Abwässer der Städte und der Industrie flossenungeklärt in die Emscher, die ruckzuck ein ekeliges, übelriechendes Rinn-sal voller Fäkalien und Chemikalien wurde. Hochwasser überspülte dieWohnsiedlungen. Typhus und Cholera waren schließlich der Preis, dendie Anwohner für die Industrialisierung zahlen mussten.Was tun? 1899 gründete sich die Emschergenossenschaft und beschloss,die Wasserstraße drei Meter tiefer zu legen, zu begradigen und durchv-förmige Betonrinnen strömen zu lassen. Zwar floss die „Köttelbecke“immer noch oberirdisch, aber immerhin schon kontrolliert zu 21 Klär-anlagen. Jahrzehntelang rauschte der Fluss auf einer Länge von gut 80Kilometern giftig und stinkend von Holzwickede quer durchs Ruhrge-biet bis zur Rheinmündung bei Duisburg.Die Zeiten der schlimmsten Bergsenkungen, die eine Unterwasser-Ab-wasser-Kanalisation unmöglich machten, sind vorbei. Und so will’s nunder ehrgeizige Plan: 2020 ist die pestende Emscher-Brühe endgültig Ge-schichte, alle Abwässer fließen durch unterirdische Kanäle, durch dieNeue Emscher rauscht außer Regen-, Grund- und Quellwasser das sau-bere Wasser aus den Kläranlagen, an den Ufern lustwandeln fröhlicheAusflügler, glückliche Anwohner atmen ganz tief durch.Viele Schritte in diese Richtung sind bereits getan, viele werden nochfolgen. Stück für Stück, je nach den örtlichen Begebenheiten, wird derFlusslauf renaturiert. Was heute noch ein Flickenteppich ist, soll sich inden kommenden Jahren und Jahrzehnten zu einer einzigartigen Was-ser-, Wohn- und Arbeitslandschaft zusammenfügen.Will man sich einen schnellen Überblick über die Emscher-Region ver-schaffen, schaut man sich am besten zuerst den Anfang und das En-de, sprich die Quelle und die Mündung des geplagten Flusses an.

Tradition und TechnikDer Quellhof in Holzwickede markiert den Ursprung der Emscher. 2006war die aufwändige Restaurierung des Gehöfts abgeschlossen, das ne-ben einer Tagungsstätte ein kleines Museum zur Geschichte des Hofesund der Entwicklung der Emscherregion beherbergt. Mag das Anwesen auf den ersten Blick noch so idyllisch anmuten, hin-ter dem Fachwerk verbirgt sich modernste Öko-Technik inklusive Regen-wassernutzung, Abwasserfilterung, Fußboden- und Wandheizung undsogar eine natürliche Klimaanlage via Erdwärme. Davon konnten frü-here Generationen nur träumen. Das Leben auf dem Hof war alles an-dere als romantisch, harte körperliche Arbeit war an der Tagesordnung,geheizt wurde höchstens die Küche, die hygienischen Zustände stellenwir uns lieber nicht vor. Während die Bauersfamilie in einem abgetrenn-ten Bereich lebte, schlief das Gesinde im ersten Stock des Stalls, die Mäg-de über den Kühen, die Knechte über den Pferden.Verlässt man die Tenne, breitet sich jenseits des Gebäudes eine weitläu-fige Gartenanlage aus. Wieder charakterisieren Gegensätze das Bild.Während eine malerische alte Obstwiese nostalgische Gefühle weckt,verbirgt sich unter einem Schilfrohrfeld eine hochmoderne Bio-Kläran-lage. Der Lauf der Emscher von der Quelle bis zur Mündung wird alsPfad durch einen Garten aus Chinagras nachgezeichnet.Rund um die Scheune führt der Weg zum Quellteich, der direkt am ehe-maligen Backhaus liegt. Hier sammelt sich das Wasser aus mehreren Em-scher-Mini-Quellen in der direkten Umgebung des Hofes. Schaut maneine Weile aufs Gewässer, entdeckt man mit etwas Glück das Antlitz ei-ner schönen jungen Frau. Das ist keineswegs eine optische Täuschung,sondern das Gesicht von Emrizza Amberhus, der Emscher-Fee.

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Der April-Picknickkorbcoolibri verlost eine nette rote Picknickdose mit vielen weißen Punk-ten von Rice, regenfeste Picknickbecher von picnic und 2 Frühstücks-

brettchen von Remember, einen musikalisch-literarischen Streifzug mitFrank Fröhlich in Form einer CD „100 Kilometer Emschergeschichten“, ei-ne Fahrradtour in Form eines Kartensets „Radwandern im Emscherland“von der Emschergenossenschaft und eine Wanderung mit Uli Auffermanan der Emscherquelle in Form des Buches „Wandern an Flüssen und SeenRuhrgebiet“ vom Bruckmann Verlag. Letztere findet sich als Beschrei-

bung auch auf www.coolibri.de

Auf zum NiederrheinWir sagen dem Quellhof adieu und brechen auf in Richtung Mündung.Vor uns liegen rund 80 Autobahn-Kilometer, wir düsen an Dortmund,Castrop-Rauxel, Recklinghausen, Herne, Herten, Gelsenkirchen, Essen,Bottrop, Oberhausen und Duisburg vorbei und nehmen uns vor, beimnächsten Ausflug hier und da Zwischenstopps einzulegen – schöne undinteressante Orte gibt’s unterwegs schließlich genug.Doch heute ist die Emschermündung in Dinslaken das Ziel, direkt nörd-lich der Rheinaue Walsum gelegen. „Hier sieht’s ja aus wie in Holland“,denkt man unwillkürlich. Die Landschaft am Niederrhein ist eine kom-plett andere als im hügeligen Holzwickede. Platt ist es hier und gleichfünf Grad wärmer. Durch ein Wohngebiet mit kleinen Backstein-Einfa-milienhäusern mit großen Grundstücken dahinter führt der Weg zum„Stapp“. Gleich zwei Gaststätten („Haus Stapp“ und „Alt Stapp“) deu-ten auf ein gewisses Naherholungsaufkommen hin. Und in der Tat, kaumhat man den grasbewachsenen Deich erklommen, eröffnet sich ein se-henswertes Panorama: links der Blick aufs Naturschutzgebiet mit Wie-sen, Hecken und Kopfbäumen, geradeaus Vater Rhein, der in einer aus-ladenden Schleife träge seine Bahn zieht, rechts hinten ein gigantischesqualmendes Kraftwerk (alles klar, wir sind doch noch im Ruhrgebiet),rechts vorne unser Ziel: die Emschermündung. Dort plumpst die Emscher,aus einer betonierten geraden Rinne kommend, aus mehreren MeternHöhe in den Rhein. Zweimal wurde die Mündung (Schuld waren malwieder die Bergsenkungen) in der Vergangenheit nach Norden verlegt,in den nächsten Jahren droht ihr dieses Schicksal noch einmal, aber amneuen Ort darf sie dann auch bleiben.

Natur? Schützen!Wir kehren der Mündung den Rücken zu und betreten die RheinaueWalsum. Rund zweieinhalb Stunden dauert die Tour einmal ums Natur-schutzgebiet herum. Das Querfeldeinstapfen ist verboten, und das ausgutem Grund. Das Gelände ist die Heimat unzähliger seltener Vögel, diesich genau hier und nicht woanders fortpflanzen möchten. Dass manRotschenkel, Feldlerchen, Wiesenpieper und andere Bodenbrüter nichterschreckt, ist eigentlich Ehrensache, aber Johannes Meßer vom Duis-burger BUND, der gemeinsam mit Gleichgesinnten ehrenamtlich in derRheinaue arbeitet, hat leider andere Erfahrungen gemacht. Ein Dorn imAuge des Naturfreundes sind Picknicker, die mit Bollerwagen und Ghet-toblaster anrücken und dann Zweige von den liebevoll gepflegten Kopf-

bäumen abreißen, um im Naturschutzgebiet ein Feuerchen anzufa-chen. Aber bereits das Abweichen der Spaziergänger (und unangel-einter Hunde) von den ausgewiesenen Wegen bedeutet für die Vö-

gel Stress: Nicht selten verlassen sie vor Angst ihre Gelege, was für diefrierenden Föten in den Eiern bereits nach zehn Minuten den sicherenTod bedeutet. Wir hocken uns also brav auf eine Bank oben auf demDeich und mümmeln fröhlich-stumm unser Pausenbrot.Die Bedeutung dieses Feucht-Gebietes kann man gar nicht genug her-vorheben. Es ist Rückzugsort für zahlreiche bedrohte Pflanzen- und Tier-arten, allein über 200 Vogelarten und rund 375 Pflanzenarten wurdengezählt, hinzu kommen, dank der zahlreichen kleinen Tümpel, unzäh-lige Amphibien- und Libellenarten. Also – Zeigefinger hoch: auf den We-gen bleiben, gucken, Klappe halten. Geht doch!Wer sich samt Picknickdecke fröhlich-laut ausbreiten will, macht das ambesten nördlich der Mündung. Zwar ohne seltene Vögel, aber dafür mitgrünen Wiesen und Rheinblick vor Augen, rauchende Schlo-te im Nacken. Heimatfeeling pur!

ZukunftsmusikWir haben mal wieder hautnah erlebt: Vielfältiger als das Ruhr-gebiet kann keine Gegend sein. Natürlich wird aus Schitte niemals Gold,aber aus einer Köttelbecke kann durchaus ein langer, ruhiger Fluss wer-den. Dieses Bestreben wurde gerade auch offiziell gewürdigt: frisch gekürte Flusslandschaft der Jahre 2010/2011 ist: na? – genau!

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Info EmschermündungGaststätte Haus Stapp, Rheinaue53, 46535 Dinslaken, Di–Sa ab 14Uhr. So ab 10 Uhr, www.haus-stapp.deRheinaue Walsum: Alle Infos inkl. Anfahrtsbeschreibung auf www.nabu-wesel.deInfo Emscherquellhof: Die Besichtigung des Quellhofes istzwischen Mai und September an jedem 2. und 4. Sonntagim Monat möglich: Anfahrtsskizze und mehr aufwww.emschergenossenschaft.de.

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Stadt Land Fluss

UNTERWEGS IN DER EMSCHER-LIPPE-REGION TEIL II

Auf zu neuen UfernNachdem im letzten Monat der ewige Winter die Ausflugs-stimmung noch ein wenig trübte, startete die coolibri-Picknick-Expedition kurz nach Ostern gleich zweimal bei strahlendem Kaiserwetter. Erstes Ziel war der Dortmunder Norden mit Hafen,Fredenbaumpark und Pumpwerk, die zweite Tour führte an dieLippe bei Dorsten, wo wir nicht nur auf die Kanalfähre Baldurund grüne Auen, sondern auch in die blauen Augen von Sterne- und TV-Koch Björn Freitag blickten.

Streifzug durch den Dortmunder NordenMan könnte locker einen Kurzurlaub im Dortmunder Norden verbrin-gen, inklusive Hafenrundfahrt, Natur-Trip, Technikmuseum, Kulturan-gebot – und natürlich Picknick. Uns bleibt ein einziger schöner Nach-mittag, der leider rubbeldikatz wieder vorbei ist.Startpunkt ist der Dortmunder Hafen. Wer zum ersten Mal hier ist, denkt:Hey wow! Wo bin ich hier? Antwort: im größten Kanalhafen Europas!1899 wurde er samt markantem Hafenamt von Ihro Gnaden Kaiser Wil-helm II höchstpersönlich feierlich eingeweiht. Wer per Lastkahn etwavon Rotterdam nach Berlin oder von Basel nach Emden will, passiert aufjeden Fall diesen Hafen am Dortmund-Ems-Kanal. Zehn Hafenbeckenstehen zur Verfügung für rund drei Millionen Tonnen Schiffsgüter, diealljährlich umgeschlagen werden. Wer mag, kann das riesige Geländezu Fuß, per Fahrrad, auf einer Fackeltour oder auch an Bord der „San-ta Monika“ erkunden. Oder man sucht sich eines der raren, aber be-gehrten Plätzchen direkt am Wasser und packt den Picknick-Korb aus.Nicht nur das Hafenpanorama, auch die Geräuschkulisse ist eindrucks-voll und vor allem: voll Ruhrgebiet. Von fern dröhnen LKWs und die gi-gantischen Container-Verladestationen, während gleichzeitig das leiseGluckern des Wassers, das Kreischen der Möwen und das Quaken derEnten maritime Stimmung verbreiten.Okay, wir haben unsere tägliche Dosis Industrieromantik erhalten undmachen uns auf Richtung Fredenbaumpark, nicht ohne unterwegs ei-nen Blick ins Depot zu werfen, eine ehemalige Straßenbahnwerkstatt,in der nach aufwändigen Umbauarbeiten über 30 Einzelunternehmen,Gesellschaften, Vereine, Betriebe und Büros und vor allem jede Men-ge Kultur ein Zuhause gefunden haben. Tipp: unbedingt

für ein Kulturevent und einen Kneipenbesuchvormerken!

A Walk in the ParkDer Fredenbaumpark ist die grüne Lunge des Dortmunder Nordens. Under ist Naherholung pur. Zum Wohlfühlen auf großzügigen 63 Hektartragen bei: Liegewiesen, Rosengarten, Musikpavillon, Gaststätte, Kin-derspielplätze, Bootsverleih, Joggingstrecke, 3-Kilometer-Inliner-Rundkurs, Minigolf, Boule, Big Tipi, Beachvolleyballfeld, Tischtennisplatten,Fußballplätze, Grillplätze, Jugendverkehrsschule, American Football, Pump-werk. Der Hunger treibt uns – durch ein Meer von zauberhaft blühen-den japanischen Zierkirschen – direkt ins kulinarische Herz des Parks:Schmiedingslust. Spätestens hier fühlt man sich in die Kindheit zurück-versetzt. Die rotkarierten Decken sind mit Klammern am Tisch befes-tigt und auf der Speisekarten steht neben Bockwürstchen und Waffelnder Ausflugslokal-Klassiker schlechthin: Schnitzel Hawaii mit Reis undFrüchtecocktail-aus-der-Dose-Currysauce. Lecker! Und die hauseigeneMopsdame Dolly passt auf, dass kein heruntergefallenes Krü-melchen übrig bleibt.Frisch gestärkt geht’s weiter. Käme da aus östlicher Rich-tung nicht die Geräusch- und Geruchswelt vom Dort-mund-Ems-Kanal herübergeweht, könnte man meinen,man sei in Bad Lippspringe. Über breite Wege lustwandelnwir gen Osten, wärmend flirrt die Sonne durchs Geäst,der Rhododendron steht kurz vor der Blüte, Teppiche vonkleinen weißen Blüten bedecken den Boden, und – er-neuter Kindheitsflash – ein alter VW-Bulli mit der Auf-schrift „Eis da Luigi“ kreuzt den Weg. Da taucht plötzlich vor uns ein Indianerzelt auf, eingewaltiges, 35 Meter ist es hoch und ein Andenkenan die Expo 2000. Drin im „Big Tipi“ ist ein Klet-tergarten, außen rum befindet sich ein Kin-der-Abenteuer-Paradies erster Güte namens„Erlebniswelt Fredenbaum“. Spielgerä-te ohne Ende, ein Waldareal, eine Feu-erstelle, ein kleines Tipi-Dort, Streetsoccerund ein Streichelzoo mit allerlei Klein-viechzeug. Für Kinder nicht nur kurz-, son-dern durchaus langzeiturlaubstauglich …

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Pump up the VolumeEtwas versteckt am östlichen Rand des Parks liegt ein Monument, des-sen Bedeutung fürs Wohlergehen der umliegenden Bevölkerung garnicht genug betont werden kann: das Pumpwerk Evinger Bach. Gäbees das nicht, gäbe es auch die umliegende Bevölkerung nicht, denn al-

les stände unter Wasser. Dem Bergbau verdankt die Gegend Gelände-senkungen von bis zu sieben Metern. Wie in der gesamten Region istauch hier das Pumpwerk der Emschergenossenschaft dazu verdammt, bisin alle Ewigkeit zu pumpen. Vom Fundament in 15 Metern Tiefe bis hinzu den verschiedenen Pumpen und der Ausstellung über die Geschichtedes Werkes – das architektonische Kleinod aus den 1950er Jahren ist einEldorado für Technik-Freaks. Schadet ja nichts, wenn Letztere auch malein bisschen Kunst geboten bekommen, und so beherbergt das Gebäu-de seit 2003 gewaltige Gemälde des Künstlers Norbert Tadeusz. Eine Klang-kunst-Installation von Katja Kölle, die mit den Geräuschen beim Start derPumpen und Original-Evinger-Bach-Plätschern spielt, rundet das Kunst-Erlebnis ab. Wir richten unsere Füße wieder Richtung Park, finden ein lauschiges Plätz-chen im Halbschatten und sinken ermattet, hungrig und zufrieden aufunsere Picknickdecke.

Urlaubsfeeling an der LippeDer Frühling ist sooo schön, dass uns das Naherholungs-Fernweh amnächsten Tag erneut packt. Uns reizt die Lippe, die von Ost nach Westdurchs Ruhrgebiet mäandert und bei Wesel in den Rhein mündet. Ei-

ne der Perlen an der Lippe ist Dorsten, das uns nicht nur wegen sei-ner Wasserrandlage lockt, sondern – zugegeben – auch wegen sei-nes kulinarischen Rufs.

Denn hinter der Fassade kleinstädtischer Beschaulichkeit brodelt es inden Kochtöpfen von gleich zwei Sterneköchen. Einer von beiden, BjörnFreitag, hat sich bereit erklärt, uns Dorsten schmackhaft zu machen. DerName seines Restaurants „Goldener Anker“ deutet ja bereits auf einegewisse Gewässernähe hin, und in der Tat, gleich um die Ecke verläuftder Wesel-Datteln-Kanal, direkt parallel dahinter die Lippe. Doch zurückins Sterne-Restaurant am Rande der Altstadt: draußen urige Fachwerk-Optik, drinnen durchgestyltes modernes Interieur. Auf den Tisch kommt„reelle Gourmetküche, die meist Bodenhaftung bewahrt“. TV-Guckerkennen Björn Freitag aus verschiedensten Koch-Shows (los ging’s 2000mit „Echt scharf“, aktuell im WDR, bei VOX und auf Kabel 1). Zwei Bü-cher hat er bereits geschrieben: „Freitag in Deutschland“ und „Sterne-Snacks“. Kochen kann der Mann also, versteht er denn auch was vonPicknick? Da, man staune, mag der sympathische Maestro es lieber klas-sisch: Kartoffelsalat und Mettwürstchen. Oder mediterran einfach: Brotmit Olivenöl und Salz.

Don’t pay the FerrymanDer Picknick-Koffer, mit dem wir losziehen, istalso nicht besonders schwer. Wohin Herr Freitag unswohl führt? An die Lippe natürlich. Schon als Kind radel-te der kleine Björn gemeinsam mit seinen Eltern den Flussentlang, was ihm wie den meisten Kindern „ziemlich aufden Geist ging“, viel lieber erinnert er sich an die Einkehr in eines derzahlreichen Ausflugslokale längs des Flusses. Überhaupt befindet mansich hier in einer Gegend mit hohem Biergarten-Aufkommen, denn esist nicht weit zum Gebiet „Hohe Mark“ oder zu den Halterner Stauseen.Ein Paradies für Motorradfahrer!Letztere haben’s jedoch schwer, an den Ort zu kommen, den wir für un-ser Picknick auswählen: die Lippefähre Baldur. Die Böschung ist ein Spit-zenplatz zum Ausbreiten von Decke und Fressalien. Und während manso sitzt und plaudert und kaut, kann man prima den Leuten zuschauen,die die Fähre nutzen, die müssen nämlich richtig ran. Per Muskelkraftmüssen sie eine Handkurbel bedienen, die das metallene Floß auf di-cken Stahlketten zieht. Das ist umweltfreundlich, stählt den Körper undkostet nix. Wir verweilen noch ein bisschen in den Lippeauen, bevor wirnach Dorsten zurückkehren, das natürlich wie der Rest des Reviers Kul-turhauptstadt ist. Das Künstlerpaar Kirsten und Peter Kaiser befestigteam Betonkubus vor dem Recklinghäuser Tor einen 3,50 mal 2 Meter gro-ßen (künstlichen) schwarzen Kohlebrocken, auf dem eine goldene In-dustriesilhouette thront. Abends wird der schwarze Stein mit Weißlichtangestrahlt und der Kubus in goldenes Licht getaucht.Auch wenn bedauerlicherweise sowohl der Sterne- als auch der Kultur-tourismus bislang einen großem Bogen um Dorsten machen, wir habenmehr als einmal gedacht: Wie im Urlaub!

Pumpwerk Evinger BachMünsterstr. 272, Zugang überBeethovenstr., DortmundÖffz.: Sa 14–18, So 12–17 Uhr• Expedition mit dem ForschungsschiffPolarstern in die AntarktisInfo: www.dortmunder-hafen.de; www.santa-monika.de; www.depot-dortmund.de; www.bjoern-freitag.de, www.emscherplayer.de

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Bier im BusNun reicht’s aber erst mal, Zeit für eine Pause. Die Picknickdecke landetam Rande eines blühenden und duftenden Rapsfeldes, Tupperdosenwerden ausgepackt, Thermoskannen aufgeschraubt, Vögel zwitschern,Schäfchenwölkchen ziehen vorbei, und in der Ferne rauscht die A2.Wir überlegen, was es noch Sehenswertes gibt in der Gegend. DasSchiffshebewerk Henrichenburg natürlich, auch ein Meisterwerkder Ingenieurskunst (von 1899), nur einen weiten Steinwurf ent-fernt am Dortmund-Ems-Kanal gelegen. Schiffe, die den Kanalpassieren wollten, wurden dort früher 14 Meter hoch- bzw. run-tergehoben, im Jahre 1969 schloss die Anlage, die Technik ist im-mer noch faszinierend. Im Werk herrscht jedoch auch heute noch re-ge Betriebsamkeit: Ausstellungen rund ums Thema Schifffahrt findenebenso statt wie Führungen, Radtouren und Theaterabende. Wer denPicknickkorb zu Hause vergessen hat, lässt sich im Gastrobus nieder, ei-

nem urigen Doppeldecker aus dem Jahre 1959. Dort gibt’s Ku-chen vom Blech, Kaffee, Bier und einen herrlichen Blick aufsimposante Hebewerk und den Schiffsanleger. Nicht derschlechteste Ausklang für einen gelungenen Ausflug!

UNTERWEGS IN DER EMSCHER-REGION TEIL III

Canal grandeWie ein 45 Kilometer langes blau-es Band verläuft der Rhein-Her-ne-Kanal quer durchs Ruhrgebiet.Über weite Strecken steht er un-serer hassgeliebten Emscher alstreuer Begleiter zur Seite. Könn-te der Kanal sprechen, er würdeuns viele Geschichten aus fast 100Jahren Vergangenheit erzählen,von Kähnen und Kapitänen, vonSchleusen und Schleppern, vonHäfen und Havarien, Anglerlatein

inklusive. coolibri stoppte auf der Suche nach dem perfekten Pick-nickplatz bei Kilometer 42 am Emscher-Düker in Castrop-Rauxel undbei Kilometer 12 im Oberhausener Klärpark Läppkes Mühlenbach.

Kunst am BauLaut und staubig ist’s auf der Baustelle. Bagger baggern, schwere LKWsdonnern übers Gelände, Bauarbeiter wuseln umher. In einer giganti-schen Grube, die über 85 Meter lang und zwölf Meter tief ist, entstehtein riesiges Bauwerk, das direkt nach Fertigstellung (voraussichtlich imHerbst) den Rest seines Lebens unter Wasser verbringen wird. Wie das?Ralf Bruns, Leiter des Baubüros, weiß ganz genau, was die Wasser- undSchifffahrtsverwaltung des Bundes hier tut und warum: Der vollkom-men marode Emscher-Düker, also die „Kreuzung“ zwischen Kanal undFluss, hat erheblichen Renovierungsstau. Zudem wird der Rhein-Herne-Kanal auf gesamter Länge Stück für Stück verbreitert, damit er den Aus-maßen moderner Schiffe gewachsen ist. Das geht natürlich nicht vonjetzt auf gleich, und den Schiffsverkehr kann man auch nicht mal ebenfür vier Jahre umleiten. So lange dauert nämlich die Baumaßnahme ins-gesamt. Also haben sich findige Bau-Ingenieure überlegt, die Baustellein ein gigantisches Trockendock 200 Meter nördlich des alten Dükersauszulagern. Dort wird aus Unmengen von Stahl und Beton das neueDurchlassbauwerk errichtet. Wenn es fertig ist, wird die Baugrube ge-flutet und das Bauwerk „schwimmend“ in den Kanal gezogen, wo es

seine Endposition einnimmt. Und das passt dann alles? „Daspasst“, ist Ralf Bruns sich sicher. Danach muss noch die Em-scher auf rund 700 Metern Länge ver- legt werden, der al-te Düker wird zubetoniert, und schon sieht’s aus, als wär’nichts gewesen. Das Meisterwerk der Ingenieurskunstlässt sich nur noch erahnen.

Stadt Land Fluss

Blick vom TurmPicknickmäßig ist die Baustelle nicht wirklich einladend,

die Umgebung dafür umso mehr. Felder, Wiesen, Wälder – und das al-

les auf absolut plattem Land – machen die Gegend zum Wander-, Fahr-

rad- und Joggingparadies. Und ein kleines Stückchen entfernt steht auch

Kunst, EMSCHERKUNST sogar. Ein hölzener Steg führt den Besucher durch

die Landschaft hin zum Turm von Tadashi Kawamata. Dieser Rundturm

erfüllt zwar alle Anforderungen einer funktionalen Architektur, ist aber

laut Künstler auch eine Skulptur, also eine ästhetische Form, die unbe-

dingt den Charakter des Provisorischen behalten soll. Kawamata the-

matisiert damit den Wandel der Landschaft. So wie die Emscher einst

friedlich durchs Ruhrgebiet mäanderte, um dann begradigt und nun

wieder renaturiert zu werden, ist auch sein Turm dem Wandel und der

Vergänglichkeit ausgesetzt. Über die erneute Verlegung der Emscher

kann sich der Besucher von der Aussichtsplattform auf dem Turm ein

Bild machen. Denn schließlich ist hier das eine Ende der sogenannten

Emscher-Insel, also der Landzunge zwischen Emscher und Rhein-Herne-

Kanal – das andere Ende ist in Oberhausen.

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Im Schatten des GasometersNeuer Tag, neues Picknickglück.Ziel: die Kläranlage Läppkes Müh-lenbach am Rhein-Herne-Kanal inOberhausen-Borbeck. Noch vorzwanzig Jahren hätte allein der Ge-danke an einen Aufenthalt, ge-schweige denn an Nahrungsaufnah-me in dieser Umgebung ein völligberechtigtes Naserümpfen hervor-gerufen. Ein kurzer (versprochen!) sachkund-licher Blick in die Historie: Die Müh-le klappert schon lange nicht mehram rauschenden Läppkesbach, und

schon seit den 1920er Jahren diente das Flüsschen als Köttelbecke, bises 1991 durch die Emschergenossenschaft renaturiert wurde. Heute lan-det der Bach nach Unterquerung des Rhein-Herne-Kanals in der Em-scher. 1958 wurde die Kläranlage gebaut. Über mehrere Bäche und Rohr-leitungen gelangten die Abwässer erstmal ins runde Klärbecken, wo dasWasser mechanisch gereinigt und von Feststoffen befreit wurde. DerKlärschlamm wurde weiter in den sogenannten Faulturm gepumpt unddort ständig umgewälzt. Bakterien sei Dank wurde die Mocke in ge-ruchsarmes Material verwandelt. Insgesamt nicht besonders appetitlich,aber notwendig.Apropos Appetit, der ist uns nicht vergangen, denn wo’s einst erbärm-lich stank, blühen heute rote Kastanien im landschaftsgärtnerisch ge-stalteten Umfeld, im vergissmeinicht-umwachsenen runden Ex-Klärbe-cken haben sich Seerosen angesiedelt, und im blitzblanksauberen Faul-turm, der noch bis 1996 in Betrieb war, befindet sich eine eindrucksvol-le Installation. Der Künstler Alexander Titz hat aus (unbenutzten) Ent-wässerungsrohren eine Klanginstallation geschaffen, die in ihrer Struk-tur an das Wurzelwerk tropischer Mangroven erinnert. Aus 16 Rohr-Enden ertönen Klänge aus der Wasserwelt: Rauschen, Plätschern, Pras-seln, Gurgeln, Fließen, Tropfen, Glucksen. Ein tolles Klangerlebnis!Wir verlassen den Innenraum und steigen auf einer Wendeltreppe au-ßen um den Turm herum hoch auf die zwanzig Meter hohe Aussichts-

plattform. Ein leichtes Lüftchen weht, wir rücken unseren Büt-terken zu Leibe, genießen den Blick Richtung Ripshorster

Gehölzgarten und Gasometer und beglückwünschen unsgegenseitig zur Wahl unseres Picknickortes. Vögel zwit-

schern, Schäfchenwölkchen ziehen vorbei, und in derFerne rauscht diesmal die A42.

Lust auf AbenteuerMit sattem Bauch machen wir uns auf, um noch ein wenig am Kanal ent-lang zu schlendern. Und was sehen wir da? Eine fröhliche Truppe vonMenschen, die Kanus besteigen. „Wohin des Weges?“, rufen wir denPaddelfreunden neugierig zu. „Wir sind auf Emscher-Expedition“, schalltes freundlich zurück. Muss man das kennen? Auf jeden Fall! Selber ei-ne Tour planen ist ja gut und schön, aber in Gesellschaft und unter fach-kundiger Führung hat man vielleicht sogar noch mehr Spaß. 14 verschie-dene Events stehen zur Auswahl. Vom Klärpark aus führt zum Beispieldie Kanu-Expedition in 4er-Kanadiern zum Nordsternpark in Gelsenkir-chen, vorbei an Industrieanlagen und Häfen. Aber auch Leute mit an-deren Interessen kommen voll auf ihre Kosten, Kräuterexpeditionen et-wa führen zur Halde Rheinelbe, Bergmann Hermann zeigt auf einerFahrradexpedition seine ganz persönlichen Erinnerungen an seine Zeitauf Zeche Zollverein, Theaterliebhaber können mit dem Improvisations-theater Emscherblut zu verschiedenen Orten des Emschertals losziehen,tierfreundliche Familien haben sicher Spaß an der Eselexpedition zumEmscherquellhof. Und die gute Nachricht zum Schluss: Fast alle Tourenbeinhalten ein zünftiges Picknick!

InfosKlärpark der ehem. Klär-anlage Läppkes Mühlen-bach, Sühlstr. 6, Oberhausenwww.emscher-expeditionen.euwww.emscherkunst.de

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UNTERWEGS IN DER EMSCHER-LIPPE-REGION TEIL IV

Down by the RiversEmscher, Lippe und die ganzen Kanäle (Rhein-Herne, Dortmund-Ems, Datteln-Hamm, Wesel-Datteln) kennt man ja – zumindestdem Namen nach. Aber die Seseke? Oder den DeininghauserBach? Wie, nie gehört? Dann nix wie hin! Die coolibri-Picknick-Expedition erforschte unbekannte Feuchtgebiete und stieß aufeinen schwimmenden Hund, viel Flusskunst, Kanalspringer, grüne Flusswälder und -auen, eine Kuratorin, eine Künstlerin und mythischen Kokolores.

Stadt Land Fluss

Die perfekte LinieWo, wenn nicht hier, schreit die Situation förmlich danach, das Kultur-hauptstadt-Motto „Wandel durch Kultur“ in die Tat umzusetzen? DieStadt Kamen hatte die rühmenswerte Idee, den Umbau der Seseke mitKunst zu verknüpfen und das Ergebnis 2010 vorzustellen. Der Lippever-band griff die Idee gerne auf und beauftragte Billie Erlenkamp mit derkünstlerischen Planung. Die engagierte Kuratorin trommelte zwölfKünstler bzw. Künstlergruppen zusammen, die an ebenso vielen Kunst-orten entlang der Seseke ihre Arbeiten präsentieren.Wir lassen uns auf der Böschung gegenüber der „Line of Beauty“ vonSusanne Lorenz nieder, essen Nudelsalat aus der Tupperdose und pas-sen auf, dass der Hund nicht wegläuft. Der hat Besseres zu tun und stürztsich – völlig entgegen seiner Gewohnheit – in die Fluten der Seseke undschwimmt eine Runde. Wenn das nicht gelebte Renaturierung ist! FrauErlenkamp erklärt uns die Kunst von Frau Lorenz: Die Berliner Künstle-rin nimmt Bezug auf den englischen Landschaftsmaler William Hogarth,der seinerzeit eine „Line of Beauty“ als Inbegriff natürlicher Schönheitdefinierte. Die Arbeit in der Seseke zeichnet haargenau den historischen,„schönen“ Verlauf des Flusses an dieser Stelle nach. Wie die meisten derteilnehmenden Künstler greift sie direkt das Thema Renaturierung auf.Mit einem natürlichen Entwicklungsprozess hat Renaturierung zunächstnichts zu tun, im Gegenteil, die Landschaft wird durch Bagger komplettneu gestaltet, hat also einen eigenen, im weiteren Sinne skulpturalenCharakter. Gebaut wird quasi eine Nachbildung dessen, was als Naturerachtet wird.

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Zurück zur NaturDoch der Reihe nach. Bei strahlendem Fronleichnams-Sonnenschein geht’smit dem Liebsten und dem liebsten Hund auf gen Osten, dem neuenPicknickabenteuer entgegen. Die Seseke ist unser Ziel, die in der Nähevon Unna entspringt und – vorbei an Bönen, Kamen und Bergkamen –knapp 32 Kilometer weiter und mit dem Wasser zahlreicher kleiner Ne-benbäche aufgefüllt bei Lünen in die Lippe mündet. Einst war die Sese-ke ein ganz normales Flüsschen, das friedlich vor sich hin mäanderte,doch Industrialisierung und Bergbau machten ihr einen Strich durch dieRechnung: Sie wurde gnadenlos begradigt und zur offenen Köttelbeckedegradiert.Mit dem Ende des Bergbaus eröffnete sich die Möglichkeit, Abwässerunterirdisch fließen zu lassen. In den 1980er Jahren wurde beschlossen,die Seseke zu renaturieren – ein Riesenprojekt, das sich über mehr als20 Jahre hinzieht und rund 500 Millionen Euro verschlingt. Was ist sozeitaufwändig und teuer an Renaturierung? Nun, nach und nach ver-schwinden die Abwässer in unterirdischen Kanälen, die parallel zu denGewässern verlegt werden. Neue Kläranlagen werden gebaut, die be-reits vorhandene erweitert. Das Betonbett wird entfernt, die Böschun-gen müssen neu angelegt werden. Außerdem entsteht hier ein neuesErholungsgebiet, das man übrigens am besten per Fahrrad erkundet. Ziel des ganzen Aufwands: eine Seseke, diefriedlich vor sich hin mäandert und erlebbar ist …

Insel-TräumeEin paar Meter weiter flussaufwärts haut Thomas Stricker in dieselbeKerbe. Ins so genannte Sesekeknie pflanzt er eine künstliche Insel mitexotischen Sumpfzypressen, womit er auf die Neugestaltung des Flus-ses noch mal einen draufsetzt. Jetzt, kurz nach Fertigstellung, wirkt dieInsel noch künstlich, aber es ist wohl nur eine Frage der Zeit, bis mannicht mehr sieht, ob die Insel „echt“ oder „unecht“ ist.Mittlerweile hat der Hund sein Bad beendet, schüttelt sich auf der Pick-nickdecke das Fell trocken, schnorrt ein Stück Fleischwurst und will wei-ter. Wir fahren Richtung Westen, vorbei an einer Arbeit von DiemutSchilling, die mit „Hogarth's Dream“ ebenfalls Bezug auf dessen Ideal-linie nimmt, und Jeroen Doorenweerds „Permakultureller Seseke“ ander Lippemündung. Den östlichen Teil der Über-Wasser-Gehen-Route

sparen wir uns für einen weiteren Trip auf. Jetzt wollen wirunter Leute! Mehr als genug davon finden wir am Horstma-rer See in Lünen, ein Strandbad mit dezenter Ballermann-At-mo. Hier gibt’s todesmutige Kanalspringer, muskelbepackteJungbullen, kichernde Teenies, freundliche Familien, Sonnen-brände, die Hautärzte zum Weinen bringen würden, Pommes

und Eis und reich gefüllte Picknickdecken ohne Ende.

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Infoswww.ueberwassergehen.de (hier unbedingt die unzähligen Hinweiseauf weitere Sehenswürdigkeiten in der Gegend beachten!)www.hammerkopfturm.de

Natur purIn direkter Nähe nimmt der Deininghauser Bach seinen Lauf, idea-ler Startplatz für eine Fahrradtour. Munter geht es voran, unter der A42 her, im Schatten des weithin sichtbaren Kraftwerks Knepper, durchein vorstädtisches Wohngebiet mit viel Klinker und Schiefer, weiter zurNierholzstraße, wo der Bach besonders gelungen, also wild renaturiertist. Sprich: Man sieht ihn vom Weg aus gar nicht, kommt nur mit festemSchuhwerk an sein Ufer, wird jedoch belohnt mit einer verwunschenen,lauschigen Bachlandschaft, ein wiedergewonnenes Eldorado für Bach-flohkrebse, Stichlinge, Köcherfliegen & Co. Und horch: Man hört es lei-se plätschern!

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Mein Freund, der BaumMit zitternden Knien, froh, wieder festen Boden unter den Füßen zu ha-ben, verlassen wir den Turm und wenden uns dem Drumherum zu. Dortstehen, um einen kreisförmigen Weg angeordnet, viele verschiedene Baum-arten und ein paar Schilder, die darauf hinweisen, dass wir uns in einemkeltischen Baumkreis befinden, der zur Erinnerung an den irischen Grün-der der Zeche Erin angelegt wurde. Es handele sich um den mythischenBaumkalender der Kelten, wobei jeder Baum für die Charaktereigen-schaften des unter seinem Zeichen geborenen Menschen stehe. Wer jetzt an Horoskope auf Zuckerstückchenverpackungen denkt, liegtrichtig. Um es vorweg zu nehmen: Recherchen am heimischen Compu-ter haben ergeben, dass das alles völliger Tullux ist, erfunden in den 70erJahren für eine Frauenzeitschrift, gierig von esoterischen Zeitgenossenaufgesogen und weiterverbreitet. Im Netz sind mehrere Seiten zu fin-den, die Kapital aus diesem Unfug schlagen, etwa durch den Verkauf vonLebensbaum-Urkunden, empfohlen als Geschenk zur Geburt oder Hoch-zeit. Gottseidank wissen wir das noch nicht und nutzen die Bäume alsdas, was sie sind: ideale Schattenspender. Wir lassen es uns auf der ka-rierten Decke Mitgebrachtes schmecken und bekommen prompt Lust aufein Eis. Praktischerweise ist direkt gegenüber der urige „Kiosk am Luft-schacht“, schnell rüber, doch verdammt, über Mittag geschlossen.

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UNTERWEGS IN DER EMSCHER-LIPPE-REGION TEIL V

The Heat is onEwig mussten wir auf den Sommer warten, jetzt ist er da, also keinGrund zum Meckern, aber: Gottimhimmelistdasheiß! Zwar habenwir Lust auf Kultur, auf Ausflüge und auf Picknicken, jedoch so rich-tig wild sind wir diesmal auf: SCHATTEN! Den gibt es gratis und fastüberall. Doch wo Schatten ist, ist auch Licht, helles, gleißendes, er-barmungslos brennendes Sonnenlicht. Hier unser Picknick-Frontbe-richt aus der Sahara, äh, aus der kunstbeflissenen Seseke-Regionrund um Kamen und aus dem Oberhausener Kaisergarten.

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Heiße KunstWeiter geht’s mit trockener Kehle, das schöne Städtchen Kamen lockt,dort insbesondere die Installation von Wolfgang Winter und Berthold Hör-belt mit dem aussagekräftigen Namen „Verkehrswesen.B 233“. Letztereführt als Hochstraße quer durch die Stadt: oben hui, unten pfui – ein „Un-ort“, wie es auf Kunstdeutsch so schön heißt. Ein Graffiti sagt treffender,was er ist: Big Dirt. Hier hat das Künstlerduo eine große runde Plattform,beklebt mit Verkehrsschilderfragmenten, aufgebaut, darüber hängen vierfarbige Lichtschaukeln. Das Ganze soll dem Ort eine neue Bedeutung undQualität geben, sprich ein Aufenthaltsort werden. Nun ja, der Boden zeugtdavon, dass sich hier Menschen treffen, die klebrige Getränke trinken unddabei schlabbern. Hochstraße sei Dank sitzen wir im Schatten, und dieZugluft schenkt uns ein laues Windchen. Picknicklust überkommt uns hiernicht, also schnell weiter, wir wollen uns schließlich noch eine weitere Ar-beit von Winter / Hörbelt anschauen, nicht weit von hier, direkt an derMündung des Körnebachs in die Seseke. Der Titel „Pixelröhre“ hatte unsneugierig gemacht, und in der Tat, hier gefällt’s uns schon besser. Viiiiee-el besser. Bereits von weitem erklären wir unisono das Teil zu unserer Lieb-lings-Überwassergehen-Installation. Mitten in der weitläufigen Bachland-schaft steht eine große verspiegelte Betonröhre mit einem Durchmesservon etwa drei Metern. Das Spiegelbild ist aufgerastert und lässt die Weltdrumrum wie ein grobpixeliges Foto erscheinen. Wirklich toll, fantastisch,ganz großes Kino! Andächtig schauen wir uns die Arbeit an, umrundensie mehrfach und finden immer wieder neue Sichtachsen, bis der kleineHunger und der große Durst sich schließlich melden. Wir schleichen durchdie staubige Hitze zurück zum klimatisierten Gefährt, fahren ein bisschendurch die platte meck-pomm-mäßige Gegend und finden schließlich ir-gendwo in the middle of nowhere ein schattiges Plätzchen. MittlerweileProfis in Sachen Picknick, haben wir diesmal eine Kühltasche bestückt.

Nicht mit dem üblichen Kartoffelsalat, sondernganz mediterran mit Melone, frischem italie-

nischen Schinken, Tomate und Mozzarella,Weißbrot, Salami am Stück. Italienische

Lebensart goes Westfalen!

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Gehörte StilleDer Drahtesel und der Hund bleiben diesmal zu Hause, es ist einfach zuheiß für die beiden. Das Auto hat eine Klimaanlage, und so erreichen wirfrisch und ausgeruht unser Ziel. Wir gehen ein kleines Stück parallel zumMassener Bach, der dermaßen renaturiert ist, dass man ihn weder sehennoch hören, sondern im grünen Dschungel nur erahnen kann. Entlangeiner Reihe von 21 riesigen Pappeln hört man aus den Wipfeln einenBach gurgeln und glucksen. Mehrere Bänke und Sofas aus Sandsä-cken laden zum Verweilen ein, eines steht sogar im Schatten, unddarauf lassen wir uns nieder, schließen die Augen und genießendie Klänge des Baches. Umgehend geraten wir in seliges Dösen.

Infos:www.ueberwassergehen.dewww.ludwiggalerie.de

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Schloss OberhausenDorthin zieht es uns ein paar Tage später. Wieder ist es heiß, vielleicht so-gar noch heißer als beim letzten Mal. Strahlender Sonnenschein hält unsvom Museumsbesuch ab. Wir werfen einen Blick in den Hof und sehenmehrere Schülergruppen mit fröhlich-hitzigen Gesichtern und viel zu gro-ßen Rucksäcken herumlaufen. „Ey, bleibt ihr mal hier“, ruft eine sichtlicherschöpfte Lehrerin. „Bitte“, haucht sie pädagogisch wertvoll hinterher.Ein frisch gebackenes Brautpaar baut sich mit der Hochzeitsgesellschaftzum Foto vor der historischen Schlossfassade auf. Die Braut lächelt holdund tapfer, der Bräutigam bildet wachsende Schwitzflecken aus. Wirverlassen den Brutkasten und wandeln im Schutz riesiger alter Bäu-me durch den Oberhausener Kaisergarten, der grünen Lunge amRhein-Herne-Kanal.

Kinder KinderWas ist denn hier los? Sind wir in einen Flashmob junger Müt-ter geraten? Wo immer ein Baum seinen Schatten wirft, sitzen, liegen undlümmeln sich Grüppchen von Frauen mit Babies, drumrum ein Schutzwallvon Kinderwagen. Die Damen stillen, mampfen und/oder quatschen, derNachwuchs nuckelt oder pennt. Auf jeden Fall lernt er Picknick von derPike auf.Die etwas größeren Kinder drängeln sich mit ihren hitzeschlaffen Erzie-hungsberechtigten durch den kleinen Tierpark, der vor über 80 Jahren ge-gründet wurde und sich auf die Haltung heimischer Wild- und Haustier-rassen spezialisiert hat. Hier tummeln sich u. a. lustige Laufenten, Hänge-bauchschweine, Zwergziegen, Meerschweinchen, Ponys, Kaninchen, Wöl-fe und Esel. Es scheint den Viechern trotz der relativen Enge gut zu ge-hen, denn sie pflanzen sich munter fort. Man sieht kleine Rehkitze, klei-ne Zicklein, kleine Entlein und sogar ein klitzekleines Eselbaby – soooosüß! Viel los ist in den Gehegen heute trotzdem nicht, die Tiere liegenschlaff und bräsig herum und lassen sich selbst von den allgegenwärtigenFliegen nicht nerven. Apropos schlaff und bräsig herumliegen, das wol-len wir auch! Der nahe Teich ist wie geschaffen für eine Siesta, das kleineAusflugslokal hat kalte Getränke im Ausschank und versorgt ansonstenHeerscharen von Kindern mit Pommes, Waffeln und Eis. Etwas abseits las-

sen wir uns auf der Picknickdecke nieder, trinkeneiskalte Apfelschorle und futtern als Vor-speise Pommes, als Hauptgericht Waffelnund zum Dessert ein Eis. Ein entspanntesMittagsschläfchen (das ist wahrer Luxus!)ist jetzt genau das Richtige …

Toi toi toiDie Rehberger-Brücke, die bald den Kaisergarten mit dem anderen Uferverbinden wird, ist leider noch nicht ganz fertig (wird aber ein Knaller!),also fahren wir außen rum auf das weitläufige Gelände des Stadtsport-bundes auf der Emscher-Insel. Hier, einen Steinwurf vom RWO-Stadionentfernt, sportet normalerweise halb Oberhausen, doch die Hitze lähmtdie einheimische Bevölkerung, nur ein paar Unverbesserliche joggen (!)durch die gleißende Glut.Der dezente Kanalgeruch der Emscher etwa ist im olfaktorischen Vergleichnur ein irritierender Hauch gegen die Gerüche des Mittelalters oder die

heutigen Zustände in einigen Ländern der Erde. Hierzulande hat sich,seit eine raffinierte Technik dafür sorgt, dass die Ausscheidungenschnell und geruchslos in der Kanalisation verschwinden, eine wah-re Pottkultur entwickelt. Die reicht von umhäkelten Klopapierrol-

len über flauschige Vorleger in Pastelltönen und Brise Landhausbis zum WG-Klo mit angeschlossener Comicbibliothek. Na-

türlich hat das Klo auch Eingang in die Medienge-schichte gefunden. Unzählig die Filmszenen, in de-nen das Klo als Drehort eine wichtige Rolle spielt,man denke an verreckte Junkies, durch die Tür er-schossene Mafiosi und – last but not least – dieschnelle Nummer. Ja, auch Sex auf dem Klo wirdin der Ausstellung thematisiert! Doch wo die ei-

nen sich vergnügen, müssen andere arbeiten, sprich: ir-gendjemand muss die Dinger ja sauber machen. Ein Kno-

chenjob, weit weg vom Klischee der gutmütigen dicken Frau mittleren Al-ters, die im ärmellosen Kittel am wachstuchbedeckten Tisch sitzt und Gro-schen vom Tellerchen klaubt …Noch nie zuvor haben wir uns so lange über Toiletten geredet. Die vor-handenen Picknickplätze auf der Emscherinsel sind ein idealer Ort, sichgegenseitig die kuriosesten Kloerlebnisse zu erzählen. Was vom Tage üb-rig blieb? Nun, noch lange wird uns ein kleines Lächeln übers Gesicht hu-schen, wenn wir irgendwo ein Dixi-Klo sehen.

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Der September-Picknickkorb!coolibri packt ein Raul-Trikot mit der Nummer 7

in den September-Picknickkorb. Vom Manzanares an die Emscher!

www.coolibri.de

Picknicken mit SystemEnde Juli besuchen wir einige vonder Wanne-Eickeler Künstlerin Beate Matkey gestaltete Ganzjah-res-Picknickdecken an der Emscher-Insel. Der Sonne-Wolken-Mix beirund 20 Grad passt genau zumAuftrag, die Tour soll schließlich imSeptemberheft erscheinen.Mit der zehnjährigen Tochter Em-ma, zwei Fahrrädern und einemprall gefüllten Futter-Rucksack star-ten wir auf dem Parkplatz derZoom-Erlebniswelt in Gelsenkir-chen. Seit der Eröffnung der Erleb-niswelt „Asien“ im März sind hier

Tiere aus Alaska, Afrika und eben Asien in laut Veranstalter „konsequentnaturnah gestalteten Lebensräumen“ ansässig. Wir steuern wie geplant mit unseren Fahrrädern auf den Rhein-Herne-Kanal zu. Direkt am Wasser halten wir uns rechts und fahren RichtungOsten, gegenüber liegt das idyllische Gelände des Kanuclubs Gelsenkir-chen. Nach einigen hundert Metern stoßen wir schon auf die erste Pick-nickdecke. Beate Matkey und 22 Grundschüler haben ganze Arbeit ge-leistet und der Fabelfigur von Christian Morgenstern eine faszinieren-de und bunte „Nasobemdecke“ vermacht. Beim Hinsetzen rutschen wirein wenig mit dem Po hin und her, bis wir sicher sind, keines der Kunst-wesen zu zerquetschen. Unterhalb der Radfahrerbrücke im Rücken desZoos gibt es Kaffee aus der Thermoskanne und Bionade, außerdem wer-den die ersten Schnittchen verputzt. Kauend und die Aussicht genie-ßend schauen wir ein paar Motorbooten und wuchtigen Frachtschiffenzu. Es ist richtig schön hier.

UNTERWEGS IN DER EMSCHER-REGION TEIL VI

Und es war SommerSo ganz allmählich neigt sich auch dieser Sommer dem Ende entgegen. Doch bevor feuchtkalte Wiesen das Picknickvergnügenschmälern, ziehen wir noch mal los, mal mit, mal ohne Hund, malmit, mal ohne Tochter, mal mit, mal ohne Fahrräder. Der erste Ausflug führt uns nach Gelsenkirchen, wo es – für dieEs-gibt-kein-schlechtes-Wetter-nur-falsche-Kleidung-Fraktion –Ganzjahres-Picknickdecken gibt. Außerdem steht zweimal Dort-mund auf unserer Liste, zum einen eine Ex-Müllhalde namensDeusenberg, zum anderen ein romantisches Wasserschlösschen.Und wie immer sind, zum letztes Mal für dieses Jahr, unsere Touren nah am renaturierten Wasser gebaut.

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Ab ins Schalke-LandEs hilft ja nichts, die Emscherkicker warten. Wir überqueren die Brückeund halten uns links, um auf der anderen Uferseite zurückzufahren. Ander Münsterstraße sind sich Kanal und Emscher ganz nah. Wir trampelnweiter Richtung Westen entlang des Flüsschens, das tief unten im Fluss-bett vor sich hin plätschert. Am Wegesrand stehen Mammut-Himbeer-büsche, die sich uns und vielen anderen Radwanderern genüsslich dar-bieten. Nach rund 20 Minuten haben wir die Sutumer Brücken erreichtund befinden uns mitten im Schalke-Land. Im Norden liegen die Restedes Parkstadions und die Veltins Arena, der vielleicht modernste Fuß-balltempel der Welt. Im Süden ist die Kampfbahn Glückauf, auf der Schal-ke 1958 die letzte Deutsche Meisterschaft errang. Hinter der Brücke be-findet sich die nächste Picknickstation von Frau Matkey, eingerahmt vonEckfahnen und Toren – dort quatschen wir gemütlich mit Olaf Thon. DerWeltmeister von 1990 erzählt aus seiner Jugend: „Über die Sutumer Brü-cke bin ich immer von Buer-Beckhausen mit meiner Pegasus-Mofa zurArbeit gefahren. Ich habe bei den Stadtwerken Gelsenkirchen meineLehre zum Hochdruckrohrreiniger gemacht, bevor ich mit 17 Jahren mei-nen ersten Profivertrag bei Schalke 04 unterschrieben habe.“ In der Ju-gend spielte Thon beim STV Horst-Emscher und sei als Horster Junge so-wieso den ganzen Tag an Emscher und Kanal herumgeschwirrt: „Wir Jungs konnten uns doch noch viel freier bewegen als die Kinderheute.“ In Gelsenkirchen-Hessler hatte Thons Opa einen Schrebergar-ten, „da durfte ich sogar mal an einer Jagd mit dem Luftgewehr teil-nehmen …“. Heute trainiert Thon den VfB Hüls und war gerade nochmit seiner Mannschaft in der Saisonvorbereitung auf der Lippe paddeln.Fo

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Gerne in HerneWir verabschieden uns vom Uefa-Cup-Sieger von 1997 und fahren zu-rück an Emscher und Kanal, am Zoo vorbei, bis zur Herner Künstlerze-che Unser Fritz und zur „Kirmissage“, unserer letzten Picknickstationdirekt am Wasser. Die Decke ist noch nicht fertig, denn die Oberflächeist noch einfarbig. Der Ort ist trotzdem toll. Wir schmeißen den Cam-ping-Kocher an und essen Ravioli aus der Dose. Neben uns nehmenKinder am RUHR.2010-Projekt „Kinder am Kanal“ teil und malen Bil-der vom idyllischen Nass. Im angrenzenden Park wird geschaukelt, fla-niert und gespielt. Wir sind satt und rundum zufrieden, ein Nickerchenwäre jetzt klasse.

Treppe zum Deusenberg

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Als Dortmund noch koksteEine Woche später zieht’s uns erneut aus grauer Städte Mauern. Kor-rekterweise müsste es heißen „zu grauer Städte Mauern“, denn unserZiel ist die Grenze Dortmund-Huckarde/-Deusen. Grau und Schwarz wa-ren bis vor gar nicht allzu langer Zeit die vorherrschenden Farben die-ses Gebietes. Hüben verdreckte die Kokerei Hansa Luft und Gegend, drü-ben wuchs geschwürartig eine pestende, giftige Müllhalde, entlang flossstinkend unsere Emscher. Bäh! Dort hielt sich nur auf, wer unbedingtmusste. Das ist heute anders, die Besucher kommen freiwillig. Die 1928eröffnete Kokerei wurde 1992 stillgelegt und dient seither als begeh-bare Großskulptur. Zuvor wurde dort über 60 Jahre lang gekokst, dasheißt die Steinkohle wurde zu Koks bzw. Kokereigas verarbeitet und anDortmunder Hüttenwerke und die chemische Industrie geliefert. Koh-lenturm, Ofenbatterien, Maschinenhalle (mit neun riesigen Kompresso-ren, die aussehen wie stahlgewordene Ungetüme aus der Dinosaurier-zeit) und weitere Gebäude der Anlage sind stumme Zeugen der Schwer-industrie des vergangenen Jahrhunderts. Stumm im wahrsten Sinne desWortes, denn es ist sehr still hier, allein der für Industriedenkmäler ty-pische leichte Ölgeruch weht übers Gelände. Im ehemaligen Löschteichtummeln sich Goldfische, das Areal bietet offensichtlich beste Bedin-gungen für Birken und Sommerflieder, und längst wachsen aus den Rit-zen Greiskraut, Storchschnabel, Blutweiderich und anderes Kraut, Libel-len, Frösche und sogar Falken haben sich angesiedelt. Der Lärm der Kom-pressoren, der widerliche Kokereigestank, die schlechte Luft und dieharte Maloche an bis zu über 1 000 Grad heißen Koksöfen sind struk-turwandelseidank Vergangenheit.

Ende im GeländeWeiter geht’s. Ein kleiner Abstecher zu IKEA (die Teelichter sindalle), und ruckzuck sind wir schon an der Abfahrt Lütgendort-

mund. Nun zeigt sich, dass ein Navi doch keine soooo schlechte An-schaffung wäre, sprich: wir verfransen uns total, aber – think positive!– wir sehen eine Menge von Lütgendortmund und Dellwig. Nach einerDreiviertelstunde sind wir endlich am Haus Dellwig. Das mittelalterlicheWasserschloss mit romantischem Burggraben und schattigem Park drum-rum ist ein harter Kontrast zum Kokerei-Setting (und zu IKEA sowieso)und zeigt uns mal wieder, wie nah im Ruhrgebiet alles zusammenliegt.Der Hund, der unsere kleine Irrfahrt luftschnappend und schicksalser-geben ertragen hat, säuft den halben Schlossgraben leer und will end-lich Gassi gehen. Ihm macht’s überhaupt nichts aus, dass das Heimatmu-seum im Schloss heute geschlossen ist (nur sonntagmorgens geöffnet!).Uns schon, aber egal, hier ist es traumschön, dann gehen wir eben Gas-si. Der Dellwiger Bach fließt freundlich glucksend durch die Landschaft,als hätte er sein Leben lang nichts anderes getan. Und dabei war er meh-rere Jahrzehnte als offener Schmutzwasserlauf in ein Betonkorsett ge-quetscht, bevor die Emschergenossenschaft zu Beginn er 80er Jahre ineinem Pilotprojekt begann, den Dellwiger Bach auf einer Länge von 3,5Kilometern zu renaturieren (damals war der Umbau des Emscher-Sys-tems noch reine Zukunftsmusik). Wir gehen ein Stückchen am parallelverlaufenden Wanderweg entlang, sind aber nach des Tages Mühenziemlich fußlahm und kehren bald zum Auto zurück. Eigentlich wolltenwir noch die nicht weit entfernte Zeche Zollern besuchen, aber ganzehrlich, no way, wir können nicht mehr.Zurück bleibt das beruhigende Gefühl, dass wir auch im nächsten Früh-ling noch genügend Ausflugsziele auf unserem Wunschzettel haben.

Und wer weiß, vielleicht finden wir ja im Jahr 2011 den perfektenPicknickplatz im Ruhrgebiet …Gipfelstürmer

Vis à vis der Bahnlinie hinter dem Gelände erhebt sich majestätisch, fastschon Ayers-Rock-mäßig der Deusenberg. Nichts erinnert mehr daran,dass unter einer vier Meter dicken Isolationsschicht bis in alle Ewigkeitder Müll von Jahrzehnten lagert. Seit der Eröffnung als Freizeitpark imJahre 2004 wird der Berg immer grüner, der Weg führt uns vorbei anMaisfeldern und dichten Brombeerhecken. Unten am Deusenberg ent-lang fließt still und leise die Emscher. Im Laufe unserer Picknickausflügeist uns ihre unbeirrbare Geradlinigkeit richtig ans Herz gewachsen. Sa-ge und schreibe 277 Stufen (gefühlte 1 000, denn es ist ein schwüler Tag)führen uns oben auf die Spitze der Exdeponie. Dort wartet die Be-lohnung jedes Bergsteigers: die fantastische Aussicht!Ganz Dortmund liegt uns zu Füßen und sieht soschön friedlich aus von hier oben. Verständlich,dass es viele zu Sylvester hierher zieht. Wir set-zen uns ins Gras, mampfen fröhlich unsere mit-gebrachten Brote, atmen tief durch und genie-ßen den Fernblick. Der Nahblick richtet sich aufjunge, ziemlich waghalsige Menschen, die ihremHobby nachgehen: Mountainbiken.

Infos:www.kletterhalle-bergwerk.de

www.industriedenkmal-stiftung.dewww.edg-mountainbike-arena.dewww.museum-luedo.de

cc, Tani Capitain

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Stadt Land Fluss

BADESEEN IM RUHRGEBIET

Wet, Wet, Wet„Gehst du wohl mit den Pommes vom Beckenrand!“ Wer diesenfiesesten aller Bademeistersprüche auf keinen Fall mehr hörenwill und lieber mit den Enten seine Runden dreht, für den hatdas Ruhrgebiet einige echte Bade-Perlen.

Der Klassiker bei hochsommerlichen Temperaturen liegt im nördlichenRuhrgebiet: Im Halterner Seebad mit 1 000 Meter langem Natursand-strand (02364-2539) gibt es pures Urlaubsfeeling. Die Zeiten, in den manseine Luftmatratze ewig durch den Wald schleppen musste, um zumSilbersee II zu gelangen, sind gottlob vorbei. Vom neuen Parkplatzaus gelangt man gleich zum acht Hektar großen Strandabschnitt desKult-Baggersees. WC, Imbiss und DLRG-Station machen den Badetagrundum entspannt (www.silbersee-haltern.de).Auch ein Tag am Auesee in Wesel kommt einem Kurzurlaub gleich,auch wenn’s hier an heißen Tagen auf den 60 000 qm Liegewiese hochher geht. Zwischen Niederrhein und Ruhrgebiet genießt man Wiesen,Sand und seichtes Wasser sowie genügend Platz zum Bolzen und Beach-volleyballspielen (0281-27228).Eher ein Geheimtipp ist dagegen der Horstmarer See in Lünen. Das fla-che Ufer, sauberer Strand, klares Wasser und schattige Liegewiesen ma-chen den neun Hektar großen See familientauglich. Wenn man nicht ge-rade zuguckt, wie unweit von hier auf der Kanalbrücke im Seepark dietodesmutigen Brückenspringer ihr Unwesen treiben. (02594-98198).Noch ein Stückchen östlicher lockt das Naturfreibad Heil in Bergka-men. Rund um den Seitenarm der Lippe ziehen sich die Liegewiesen,die gleichermaßen für Röstfreunde wie Schattenvolk geeignet sind. Dasschilfgesäumte Wasser und die idyllische Lage zwischen Feldern undWäldern sorgen für Entspannung pur (02389-1335).Etwas kleiner, aber auch recht lauschig ist das Recklinghäuser Natur-freibad Suderwich. Neben Kinderplanschbecken und Nichtschwim-merpool lädt der Naturteich ein, mit den Enten Rennen zu schwimmen(02361-81000).Aber auch der tiefste Pott geht baden: Ausgerechnet im nicht geradevor landschaftlicher Anmut strotzenden Duisburg findet sich mit der

Sechs-Seen-Platte unweit der City ein echtes Freizeit-Juwel. Währenddie südlichen Seen allesamt geschützte Biotope sind, stehen die nörd-lichen drei allen Freizeitvergnügen offen: Masurensee, Wambachsee,Wolfssee, letzterer mit 450 m langem Seebad-Sandstrand. Hier wirdauch gesurft, gesegelt, getaucht und Boot gefahren (0203-720405). EinFreibad-Badesee-Zwitter ist der Kruppsee in Duisburg-Rheinhausen.Hier hat man die Wahl zwischen Kachelbecken mit grüner Liegewiese

oder See mit Sandstrand (02065-41433). Ohne Beach, dafür aber kin-derfreundlicher weil ungefährlicher ist der Großenbaumer See, woim naturtrüben und sauberen Wasser die perfekten Wellen überschwap-pen (0203-761101).Zum Schluss noch ein besonders abgefahrener Tipp: Der Badeweiheram Chemiepark Marl. Vor cooler Industriekulisse lässt es sich in die-sem Naturbad mit abgetrenntem Nichtschwimmerbereich vortrefflichchillen, großer Liegewiese und zwei Holzstegen sei Dank. Wer sich dieAbkühlung erst verdienen will, nutzt vorher die Beachvolleyball- undTennisplätze (02365-496716).

BuchtippDas Ruhrgebiet ist Burgenland. Dr. Baoquan Song arbeitet als Luftbild-archäologe an der Ruhr-Universität Bochum und fand spätestens bei derRecherche anlässlich der Ausstellung „AufRuhr 1225! Ritter, Burgen undIntrigen“ heraus: Das Ruhrgebiet gehört zu den burgenreichsten Regio-nen Europas! Mit Kamera und Flugmaschine zog er aus, 60 Burgen desRuhrgebiets zu bereisen und aus der Vogelperspektive zu fotografie-ren. Mit knappen Texten zur Geschichte und zu den Legenden und Sa-gen des jeweiligen Monuments versehen, ist das Buch„Die verborgene Seite des Ruhrgebiets-Burgen undSchlösser aus der Vogelperspektive“ auch ein guterReise- und Touristenführer. 200 Seiten mit über 200 Abbildungen; Preis: 29,90 Euro; Gimmerthal Verlag,www.gimmerthal-online.de

Immer sauber bleiben!Die Wasserqualität sämtlicher Badeseen in NRW ist gut bis ausgezeichnet.www.badegewaesser.nrw.de

Baden mit HundMit dem Vierbeiner unbedingt nur zum ausgewiesenen Hundestrand – ander Glörtalsperre im Sauerland oder am Kemnader See.

Ohne Tretboot in SeenotMit vollem Magen ein Köpper ins unbekannter Gewässer? Da lesen wir lie-ber noch mal die Baderegeln: www.dlrg.de

Get fresh at the weekend: Silbersee in Haltern

Top Secret: Horstmarer See

Mach dich nass: Naturfreibad Suderwich

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Zum Lunch-Break mal eine Frischluftkur für die Gehirnzellen? Bitteschön:Der Immanuel-Kant-Park ist die grüne Lunge der Duisburger City. Kin-der matschen auf dem Wasserspielplatz, Schöngeister studieren die 40Skulpturen aus der Sammlung des Wilhelm Lehmbruck Museums. Auch der Müga-Park in der Mülheimer Innenstadt direkt an der Ruhrbietet neben Camera Obscura, Ringlokschuppen und den Schlössern Sty-rum und Broich etliche Verweil-Ecken.Raus aus dem Großstadtlärm, rein in den Park heißt es auch im Stadt-garten Essen. Hier entspannen nicht nur Jogger und Eltern mit Kin-dern, auch zahlreiches Bürovolk packt hier gerne auf der Parkbank dieTupperdose aus. Wer mehr Zeit hat, relaxt bei einer Partie Boccia. Diese Kugeln kann man sich auch im Volksgarten Mengede in Dort-mund geben. Im Stil eines englischen Landschaftsgartens gehalten, istdieser der größte der drei Dortmunder Volksgärten und bietet nebenSpiel- und Sportflächen viel lauschigen Wald und einen netten Biergar-ten.Nicht nur zwischen den Vorlesungen ist der Botanische Garten der Bo-chumer Ruhr-Uni ein netter Anlaufpunkt. Zunächst zu Forschungszwe-cken gegründet, flaniert nun auch die breite Masse durch die Queren-burger Botanik bzw. das Tropen-, Wüsten- oder Savannenhaus. Bezau-berndes Unikum ist der von chinesischen Fachleuten angelegte Chinesi-sche Garten.Ausgiebige Runden lassen sich im Schlosspark Herten drehen. Einst einstrenger Barockgarten, wurde der üppige Park zum englischen Land-schaftsgarten umgestaltet. Seltene Baumriesen, alter Baumbestand unddie malerischen Schlossteiche sind die Markenzeichen. Bleibt zu hoffen,dass das geschlossene Schlosscafé bald wiederbelebt wird. Umgeben vom Schloss, historischer Windmühle und der alten Befesti-gungsanlage aus dem 13. Jahrhundert ist der Schlosspark Moers eineechte Relax-Oase: zwischen Rosengarten und jahrhundertealten Bäu-men oder auch im japanischen Garten vergisst der Besucher schnell dieZeit – wenn nicht gerade das Jazz-Festival tobt …Im Park um das Haus Weitmar zeigen im Sommer Bochumer Schauspiel-schüler Shakespeare, und auch sonst findet man hier ein muckeliges Plätz-chen. Gleich neben der Ruine von Haus Weitmar, das gerade zum mo-dernen Kubus umgearbeitet wird, befindet sich die Galerie M mit derAusstellung Situation Kunst für Max Imdahl. Am Park vorbei führt dieTrasse des Hasenwinkeler Kohlenwegs bis zum Bahnhof Dahlhausen, demPflicht-Weg im Bochumer Süden für Radler, Walker & Hundebesitzer. Im Rokokostil gehalten ist der Park von Schloss Berge in Gelsenkir-chen. Zwischen Buer und Erle spaziert man an vielen Biotopen, kleinenSeen und Tümpeln vorbei. Dalien- und Heilpflanzengarten, Bötchen-Fah-

Ab in die BO-tanik!

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Relaxen mit Park-ErlaubnisEs muss nicht immer der Westfalenpark am Sonntag sein: Ob Chill-out-Runde auf der Picknickdecke, relaxtes Pauken unter Platanenoder Frischluft-Kick in der Mittagspause: Das Revier hat so einigelauschige Plätzchen zu bieten.

BUCHTIPPOpulente Gartenanlagen, reich bestückte Obstwiesen und üppigeBlumenbeete … und das im Ruhrgebiet? Ja klar! Der neue Mercator-Band „Blühendes Ruhrgebiet – Garten öffnen ihre Pforten“ (179 S.;29.80 EUR) zeigt die 25 schönsten Anlagen des Reviers. Über zwei Jah-re tourten Fotografin Ursel Borstell und die Journalisten Jens Dirksenund Ellen Sarrazin kreuz und quer durchs Ruhrgebiet und entdecktenErstaunliches: Es gibt sie, die beeindruckendschönen Gärten im Pott! Eines haben die-se alle gemeinsam: Sie können besichtigtwerden. Ob zu festgelegten Terminen,den „Offenen Gartenpforten“(im Buchvermerkt) oder nach telefonischer An-meldung, der Hobbygärtner kann auf die-sem Wege Inspiration für das eigene Gar-tenparadies sammeln. Doch auch dasBuch an sich, mit vielen großen Bildernund kenntnisreichen Texten versehen,bietet reichlich Anregung für den Heim-gärtner. www.mercator-verlag.de

ren auf dem Berger See und nicht zuletzt der Biergarten bieten Well-ness-to-go. Vor der Kulisse des Oberhausener Schlosses erstreckt sich der idyllischeKaisergarten. Voll familientauglich mit Tiergarten, Minigolf-. und Bo-genschießanlage, aber auch perfekt fürs gemütliche Rumstromern durchWiesen und Wälder, in denen sich auch uralte und daher geschützte Pla-

tanen tummeln. Bei schlechtem Wetter flaniert man eben durch die Lud-wiggalerie im Schloss.

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Stadt Land Fluss

TEIL I – INDUSTRIE & IDYLLE

Der Himmel überm RevierOb gigantische Industriekulisse oder idyllisches Grün, wer im Ruhrge-biet hoch hinaus will, kriegt voll eins auf die Augen. Hier eine Aus-wahl der schönsten Höhe-Punkte.Wer über die A 40 durchs Essener Zentrum braust, kommt sich manch-mal vor wie in Fritz Langs „Metropolis“ – nicht zuletzt wegen des RWETurms; dem mit 120 Metern höchsten Gebäude im Pott. Besuchern derAussichtsterrasse im 27. Stockwerk eröffnet sich ein spektakulärer Blick.Man sieht nicht nur gigantische Industriekultur wie Gasometer oder Zoll-verein, sondern auch jede Menge Grün. Dank Rundum-Doppelvergla-sung wackeln zwar die Sehnerven, aber nicht die Knie. Kostenlose Füh-rungen gibt’s jeden dritten Samstag im Monat von März bis Oktober.www.rwe.com

Als der Florianturm 1959 zur Bundesgartenschauin Dortmund gebaut wurde, war er mit knapp 220Metern kurz mal das höchste Gebäude Deutsch-lands. Mittlerweile rangiert der „Flori“ auf Platz14, aber kultig ist der Fernmeldeturm immer noch,nicht zuletzt wegen des rotierenden Turmrestau-rants „Florians“ auf 137 Metern Höhe – ein ech-ter Klassiker! www.westfalenpark.deDie Aussicht von Oberhausener Gasometer ist füralle Rudel-Runtergucker Pflicht. Egal, ob man die110 Meter bis zum Dach des ehemaligen Dicht-gasbehälters von 1929 auf einer der weltweit größ-ten Industrietreppen oder im gläsernen Fahrstuhlzurücklegt, oben angekommen hört man nurnoch ein kollektives: „Wow!“ ob der phänome-nalen Aussichten. Schautafeln und Ferngläser so-wie Gitter für Wankelmütige erleichtern die Fern-sicht. Die momentane Ausstellung „Magische Or-te“ liefert noch bis Ende 2011 zusätzliches Augen-futter. www.gasometer.deIm Bergbaumuseumkann man bekanntlich nichtnur unter Tage fahren, sondern auch hoch hinaus:Das Fördergerüst, ehemals ein Teil der Dortmun-der Zeche Germania, ist über 70 Meter hoch. DieAussichtsplattformen auf 50 und 62 Meter Höhelassen sich entweder über Treppen oder mit demLift erreichen und bieten einen tollen Blick weitüber die City tief im Westen hinaus. www.bergbaumuseum.deDen wahren Idylle-Kick gibt’s in Hattingen. Hatman die hoch über der Ruhr gelegene Burg Blan-kenstein auf teils holprigen Stufen erklommen,erschließt sich vom 30 Meter hohen Bergfried einechter Boooah-Blick: Hier schlängelt sich die Ruhrin einem ihrer schönsten Abschnitte, dort spiegeltsich der Kemnader See, der Blick schweift über dieschmucken Hattinger Fachwerkhäuser und das Na-turschutzgebiet Katzenstein. Ein Eis an der Dorf-

kirche gehört zum After-Burg-Pflichtprogramm. www.burgblankenstein.de (Restaurant)Das Berger-Denkmal im Wittener Naherholungsgebiet Hohenstein istmit seinen 21 Metern zwar kein Gigant. 130 Meter über der Ruhr gele-gen wird man für den Aufstieg über eine schmale Wendeltreppe abermit einer tollen Weitsicht über das Ruhrtal belohnt. Die Kids schlepptman anschließend noch zum nah gelegenen Spielplatz, Streichelzoo undWildgehege.

S.B. PS: Noch mehr Höhe-Punkte gefällig? Die Route 25 „Landmarken-Kunst“der Route der Industriekultur stellt Halden, Hochöfen und weitere mar-kante Panorama-Punkte vor. www.route-industriekultur.de

Teil II im nächsten Heft: Landmarken in luftiger Höhe – Halden im Ruhrgebiet

High Energy: Florian-turm in Dortmund

Früher Gas, heuteSpaß: der Gasometer

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Rauf oder runter: Bergbaumuseum

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TEIL II – LANDMARKEN IN LUFTIGER HÖHE

Auf Halde gelegtIn den Waschkauen wird getanzt, die Hochöfen sind beleuchtet –und die Halden? Was tun mit den Relikten aus dem Steinkohle-bergbau, aufgeschüttet aus überflüssigem Gestein? Begrünen, sichselbst überlassen oder viel Kunst und Kultur draufpacken. Fertigsind prima Freizeitziele zum in die Ferne schweifen.

Wer den Tetraeder erklimmen will, darf keinWeichei sein. Zumindest nicht, wenn man den di-rekten Weg wählt, der über 387 Stahltreppen-stufen zur Aussichtspyramide auf der Halde Beck-straße in Bottrop-Batenbrock führt. Schwindel-frei sollte man aber schon sein, sonst bereitet oftschon das Umdrehen oder der Blick durch die Trep-penlichtgitter Gehirnsausen. Toiletten und We-geweiser sind auf der Landmarke der IBA Em-scher Park Fehlanzeige. Dafür bietet die 58 Me-ter über dem Gipfel thronende Pyramide einenatemberaubenden Rundblick bis zur Schalke-

Arena, bei gutem Wetter gar bis zum 40 km entfernten Rheinturm in Düs-seldorf.

Als Richard Serra 1998 auf der Halde Schurenbach die „Bramme für dasRuhrgebiet“ errichten wollte, schüttelten viele Essener angesichts eines ver-meintlich überteuerten Metallstücks noch den Kopf. Inzwischen hat manden Koloss in Altenessen auf der 45 Meter hohen Halde am Rhein-Herne-Kanal lieb gewonnen. Bei gutem Wetter erspäht man von diesem eigenwil-ligen mondlandschaftsartigen Aussichtspunkt aus die Essener Skyline sowiediverse weit entfernte Ruhrpott-Landmarken.

Der Berg ruft auch in Buer: Die Halde Rungenberg in Gelsenkirchenwurde einst vom Bergwerk Hugo/Ewald aufgeschüttet und wirkt wie einkahles Bergmassiv. Von der Horster Straße oder der Siedlung Schüngelbergführen viele Wege schleifenförmig auf die begrünte Halde hinauf. Die schonwährend des Abbaus als Pyramide konzipierte Halde nimmt auch des Nachtsdiese Form an, wenn sich beim Kunstobjekt „Nachtzeichen“ von Klaus No-culak und Hermann EsRichter die Strahlen zweier Spiegelscheinwerfer op-tisch ergänzen.

Kreuzweg meets Kultur: Das ist die begrünte Halde Haniel in Bottrop.An 15 Stationen, die mit Kupferplatten und Federzeichnungen einer Or-densfrau sowie mit Elementen aus dem Bergbau versehen sind, führt derWeg in 126 Meter Höhe. Oben erwartet einen neben dem Amphitheaterechtes Lanzarote-Feeling mitten im Pott, der Gipfel ist nämlich von lavaar-tigem Gestein bedeckt. Netter Kontrast: Die bunte bemalten Eisenbahn-schienen, die verkehrt herum in den Himmel ragen.

Die Halde Hoheward zwischen Herten und Recklinghausen ist von derA2 dank des riesigen Horizontobservatoriums auszumachen. Seit zwei Jah-ren steht hier ein Freilichtplanetarium. Das moderne Stonehenge kann aufRing- und Balkonpromenaden erkundet werden, vom Salentinplatz führteine Treppe bis zum 45 Meter Observatorium aus zwei riesigen Stahlbögennebst Sonnenuhr. An wolkenlosen Tag erspäht das Auge von hier den Ga-someter und den Florianturm.

Wer die höchste Halde des Reviers erklimmenwill, muss nach Bergkamen: Von der Halde Gro-ßes Holz genießt man einen Weitblick bis ins Müns-ter- und Sauerland. Des Nachts schimmern zehnblaue Leuchttürme aus Stahl und Plexiglas aufder weitestgehend neu kultivierten Halde. Und

bei 150 Metern Höhe sind hier nicht nur beim Rudel-Runtergucken zu Sil-vester staunende „Ahs!“ und „Ohs!“ zu vernehmen.S.B.

Wolfgang Berke „Über alle Berge – Der Haldenführer fürs Ruhrgebiet“, 160 Seiten, Klartext Verlag, 160 Seiten, 13,95

Download der GPS-Daten der Halden: www.iruhr.deInfos über Halden und weitere Höhe-Punkte: www.route-industriekultur.de/panoramen

Der Tetraeder beimSunset Picknick 2010

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