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123 STANDORT-INFO https://doi.org/10.1007/s00548-020-00650-1 Standort (2020) 44:112–130 Online publiziert: 10. Juni 2020 Städte entdecken das Gehen neu Ergebnisse des Projektes „Bausteine für Fußverkehrsstrategien“ Immer mehr deutsche Städte entde- cken das Gehen neu. Zwölf von ih- nen haben sich in den letzten Jahren vom Fachverband für Fußverkehr FUSS e. V. strategisch beraten las- sen; das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt haben das Projekt „Bausteine für Fußverkehrs- strategien“ gefördert. Zum Abschluss des Projektes resümiert Projektkoor- dinator Patrick Riskowsky: „Nachdem Fußgänger*innen hundert Jahre lang als Randfiguren betrachtet wurden, rückt der stadtfreundliche, einfache, kostengünstige und umweltfreundli- che Fußverkehr in vielen Städten wie- der mehr in den Fokus.“ Riskowsky berichtet: „Besonders spannend waren die Fußverkehrs- Checks, die wir überall gemacht ha- ben. Teilnehmende Verwaltungsmit- arbeitende, Kommunalpolitiker*innen und andere waren zwar schon vorher zu Fuß in ihrer Stadt unterwegs, hat- ten aber Stärken und Schwächen der Fußverkehrs-Infrastruktur noch nie systematisch betrachtet – von der idyl- lischen Wohnstraße bis zur fußgänger- feindlichen Großkreuzung.“ Manche Probleme traten in fast allen Städten auf: Das erste ist Geh- wegparken zu Lasten der zu Fuß Ge- henden, das zweite sind Konflikte mit dem Radverkehr. Häufige Themen sind auch Bus- und Tramhaltestellen, Barrierefreiheit und in Altstädten Kon- flikte mit dem Denkmalschutz, etwa in der Frage des richtigen Wegebelags. Auch fehlende Beleuchtung über Geh- wegen und in Tunneln ist ein häufiges Problem; ein weit verbreitetes Ärger- nis sind Ampeln, an denen die Warte- zeiten für den Fußverkehr zu lang sind und die Grünphasen zu kurz. Empfehlungen für die Verkehrsplanung Aus den Analysen in den zwölf Städ- ten leiten die Fußverkehrs-Exper- ten Empfehlungen für alle deutschen Städte ab. Dazu Riskowsky: „Es sollte mehr verkehrsberuhigte Bereiche ge- ben und an Straßenkreuzungen und anderen Stellen mehr Zebrastreifen, Mittelinseln und Gehweg-Nasen, mit denen Fahrbahnen verschmälert und Sichtbeziehungen zwischen Gehenden und Fahrenden verbessert werden.“ Fußverkehrs-Workshop in Halle. (Foto: FUSS e. V.) Die Grünphasen der Ampeln sind für viele Fußgänger zu kurz. (Foto: FUSS e. V.)

Standort-Info - Springer...113 123 Standort-Info Eine wichtige Forderung von FUSS e.V.: Breite Wege, die das Gehen at-traktiver und die Städte schöner ma-chen. Parkende Autos gehören

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    Standort-Info

    https:// doi.org/ 10.1007/ s00548- 020- 00650-1Standort (2020) 44:112–130

    Online publiziert: 10. Juni 2020

    Städte entdecken das Gehen neu

    Ergebnisse des Projektes „Bausteine für Fußverkehrsstrategien“

    Immer mehr deutsche Städte entde-cken das Gehen neu. Zwölf von ih-nen haben sich in den letzten Jahren vom Fachverband für Fußverkehr FUSS e. V. strategisch beraten las-sen; das Bundesumweltministerium und das Umweltbundesamt haben das Projekt „Bausteine für Fußverkehrs-strategien“ gefördert. Zum Abschluss des Projektes resümiert Projektkoor-dinator Patrick Riskowsky: „Nachdem Fußgänger*innen hundert Jahre lang als Randfiguren betrachtet wurden, rückt der stadtfreundliche, einfache, kostengünstige und umweltfreundli-che Fußverkehr in vielen Städten wie-der mehr in den Fokus.“

    Riskowsky berichtet: „Besonders spannend waren die Fußverkehrs-Checks, die wir überall gemacht ha-ben. Teilnehmende Verwaltungsmit-arbeitende, Kommunalpolitiker*innen und andere waren zwar schon vorher zu Fuß in ihrer Stadt unterwegs, hat-ten aber Stärken und Schwächen der Fußverkehrs-Infrastruktur noch nie systematisch betrachtet – von der idyl-lischen Wohnstraße bis zur fußgänger-feindlichen Großkreuzung.“

    Manche Probleme traten in fast allen Städten auf: Das erste ist Geh-wegparken zu Lasten der zu Fuß Ge-henden, das zweite sind Konflikte mit dem Radverkehr. Häufige Themen sind auch Bus- und Tramhaltestellen, Barrierefreiheit und in Altstädten Kon-flikte mit dem Denkmalschutz, etwa in der Frage des richtigen Wegebelags. Auch fehlende Beleuchtung über Geh-wegen und in Tunneln ist ein häufiges Problem; ein weit verbreitetes Ärger-

    nis sind Ampeln, an denen die Warte-zeiten für den Fußverkehr zu lang sind und die Grünphasen zu kurz.

    Empfehlungen für die Verkehrsplanung

    Aus den Analysen in den zwölf Städ-ten leiten die Fußverkehrs-Exper-

    ten Empfehlungen für alle deutschen Städte ab. Dazu Riskowsky: „Es sollte mehr verkehrsberuhigte Bereiche ge-ben und an Straßenkreuzungen und anderen Stellen mehr Zebrastreifen, Mittelinseln und Gehweg-Nasen, mit denen Fahrbahnen verschmälert und Sichtbeziehungen zwischen Gehenden und Fahrenden verbessert werden.“

    Fußverkehrs-Workshop in Halle. (Foto: FUSS e. V.)

    Die Grünphasen der Ampeln sind für viele Fußgänger zu kurz. (Foto: FUSS e. V.)

    https://doi.org/10.1007/s00548-020-00650-1

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    Standort-Info

    Eine wichtige Forderung von FUSS e. V.: Breite Wege, die das Gehen at-traktiver und die Städte schöner ma-chen. Parkende Autos gehören an den Fahrbahnrand, nicht auf die Gehwege.

    Das Projekt und die entwickelten Broschüren sollen einen Beitrag dazu leisten, das Zufußgehen in Deutsch-land wieder attraktiver zu machen, auch damit das eigene Auto öfter ste-hen gelassen wird und die eigenen Füße gerade für kurze Wege bevorzugt werden.

    Zwölf Modellstädte waren beteiligt: Chemnitz, Eisenach, Jena, Marl, Rendsburg, Coesfeld, Erlangen, Frankfurt (Oder), Göttingen, Mainz, Halle (Saale) und Neustrelitz. Drei Kurzpor-träts stehen zum Download im UMKEHR-FUSS-Online-Shop bereit: https://umkehr-fuss-online-shop.de/. Informationen zum Projekt, Porträts der Modellstädte und Ergebnispro-tokolle aller durchgeführten Veranstaltungen: www.fussverkehrsstrategie.de. Informationen zum Stand der Technik bei Planungs- und Rechtsfragen: Broschüre „Geh-rechtes Planen und Gestalten“, Download: https://www.fuss-ev.de/?view=article&id=777:neu-gesetze-und-regeln-zum-fussverkehr&catid=73.

    FUSS

    Neues Planungs-wissen für gemein-schaftliches Wohnen

    Projekte in Deutschland und der Schweiz

    In den vergangenen Jahren sind unter dem Sammelbegriff „Cluster-Woh-nungen“ einige Pilotprojekte zum ge-meinschaftlichen Wohnen entstanden. Eine vom Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) herausgegebene Broschüre zeigt, was diese Wohnform ausmacht – und wie sie umgesetzt wird. Grundlage sind acht untersuchte Projekte in Deutsch-land und der Schweiz.

    Cluster-Wohnungen kombinieren die Vorteile einer Kleinstwohnung mit denen einer Wohngemeinschaft. Meh-rere private Wohneinheiten sind mit

    gemeinschaftlich genutzten Räumen verbunden. Anders als bei WGs sind die Wohneinheiten mit einem Bad und manchmal auch einer Küche ausge-stattet. Die Gemeinschaftsfläche setzt sich aus Wohn-, Koch- und Essberei-chen sowie weiteren Räumlichkeiten zusammen.

    Vor allem Bau- und Wohnungsge-nossenschaften haben bislang Clus-ter-Wohnungen geschaffen – meist im Neubau. Die Projekte prägt ein hohes Maß an Selbstorganisation und Mit-wirkung. Die Belegungspolitik ori-entiert sich am Gemeinwohl, sozia-le Inklusion und Diversität werden großgeschrieben. „Die Studie zeigt, wie bemerkenswert vielfältig die For-men des gemeinschaftlichen Wohnens sind“, sagt BBSR-Expertin Helga Kühnhenrich. „Die Projekte erfüllen den Wunsch nach Partizipation, aber auch nach Selbstbestimmung. Sie bie-ten kostengünstigen Wohnraum und unterstützen einen schonenden Um-gang mit Ressourcen – allen voran mit der Fläche.“

    Professor Michael Prytula (Fach-hochschule Potsdam) und Professo-rin Susanne Rexroth (Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin) ha-ben die Studie durchgeführt. Geför-

    dert wurden sie von Zukunft Bau. Das Innovationsprogramm setzt seit über zehn Jahren wichtige Impulse für Ar-chitektur und Bauwesen und schlägt Brücken zwischen Bauforschung und -praxis. Das BBSR setzt Zukunft Bau für das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat (BMI) um.

    Die Veröffentlichung „Cluster-Wohnungen – eine neue Wohnungstypologie für eine anpas-sungsfähige Stadtentwicklung“ ist als Band 22 der vom BBSR herausgegebenen Reihe „Zu-kunft Bauen – Forschung für die Praxis“ er-schienen. Interessierte können sie kostenfrei be-ziehen: [email protected]. Eine digitale Version finden Sie unter http://www.zukunftbau.de.

    BBSR

    Quartiersforschung im Märkischen Viertel Berlin

    Zusammenleben und Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen

    Ein Forschungsprojekt „Strategien und Instrumente des sozialen Zusam-menlebens im Quartier zur Integration besonders benachteiligter Bevölke-rungsgruppen“ (StraInQ) startete im Mai unter Leitung von Prof. Dr. Hei-di Sinning. Das Projekt wird bis 2022 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert und vom In-stitut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation (ISP) der Fachhoch-schule Erfurt mit weiteren Partnern durchgeführt.

    Städtische Quartiere sind einem Differenzierungsprozess ausgesetzt: Alte und neue Nachbar*innen unter-schiedlicher Generationen mit ver-schiedenen Lebensstilen, kulturellen Hintergründen, Einstellungen sowie Einkommens- und Bildungsständen treffen aufeinander; die Zuwanderung neuer Bewohner*innen trägt zur ge-sellschaftlichen Differenzierung bei.

    „Die vielfältige Ausdifferenzierung der Quartiere wirft Fragen auf, wie

    Cover Cluster-Wohnungen

    https://umkehr-fuss-online-shop.de/https://umkehr-fuss-online-shop.de/http://www.fussverkehrsstrategie.dehttps://www.fuss-ev.de/?view=article&id=777:neu-gesetze-und-regeln-zum-fussverkehr&catid=73https://www.fuss-ev.de/?view=article&id=777:neu-gesetze-und-regeln-zum-fussverkehr&catid=73https://www.fuss-ev.de/?view=article&id=777:neu-gesetze-und-regeln-zum-fussverkehr&catid=73mailto:[email protected]://www.zukunftbau.de

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    Standort-Info

    sich das nachbarschaftliche Zusam-menleben in städtischen Quartieren or-ganisieren und durch geeignete Strate-gien unterstützen lässt. Damit wird das Zusammenleben in den Nachbarschaf-ten vor Herausforderungen gestellt und neue Möglichkeiten des Mitei-nanders können genutzt werden“, so Professorin Dr. Heidi Sinning, Leite-rin des Forschungsverbunds sowie des Instituts für Stadtforschung, Planung und Kommunikation (ISP) der Fach-hochschule Erfurt. Gemeinsam mit Jo-hannes Glöckner, wissenschaftlichem Mitarbeiter am Institut, dem Bezirks-amt Reinickendorf von Berlin, dem Wohnungsbauunternehmen GESO-BAU AG, dem sozialen Träger Auf-wind e. V. und unterstützt vom Fach-gebiet Stadtsoziologie der HafenCity Universität Hamburg wird das For-schungsprojekt diesen und weiteren Fragen nachgehen.

    Märkisches Viertel in Berlin als Beispielquartier

    Als Beispielquartier steht die Groß-wohnsiedlung Märkisches Viertel in Berlin Reinickendorf im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Untersuchung. Mit ca. 40.000 Einwohnerinnen und Einwohnern aus mehr als 100 Natio-nen ist es durch seine diverse Bevöl-kerungsstruktur und hohe räumliche Dichte geprägt. Der stellvertreten-de Bezirksbürgermeister und Stadtrat für Wirtschaft, Gesundheit, Integra-tion und Soziales von Reinickendorf, Uwe Brockhausen, betont: „Das For-schungsprojekt StraInQ ermöglicht es uns, konkrete Lösungsstrategien für ein gutes Miteinander zu entwickeln, zu erproben und zu reflektieren. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit und wissenschaftliche Begleitung stellt für den Bezirk eine ausgezeichnete Mög-lichkeit dar, neue Perspektiven für das Zusammenleben im Quartier zu erhal-ten.“

    Ziel des Forschungsprojektes StraInQ sind die Entwicklung von Handlungsempfehlungen für eine so-

    zial-ökologisch nachhaltige und kul-tursensible Entwicklung von Quartie-ren auf der Grundlage der Förderung sozialen Zusammenlebens zwischen ansässigen und neu hinzugezoge-nen Bewohner*innen. Erwartet wer-den wissenschaftliche Erkenntnisse, wie verschiedene Bevölkerungsgrup-pen ihr Quartier räumlich wahrneh-men, nutzen und sich aneignen. Dabei geht es um (halb-)öffentliche Räume als gemeinschaftsfördernde bzw. kon-fliktprägende Orte, um kultursensible Transformationsprozesse städtischer Quartiere, um die Weiterentwicklung von Instrumenten zur Förderung des sozialen Zusammenlebens sowie um den Abbau von Diskriminierung.

    Der praxisorientierte Forschungs-ansatz des Reallabors ermöglicht es, konkrete Maßnahmen zur Integration benachteiligter Bevölkerungsgruppen exemplarisch im Märkischen Viertel zu untersuchen, zu entwickeln und zu erproben. Die Ergebnisse sollen auch auf andere städtische Kontexte und Akteurskonstellationen übertragen und in einem begleitenden Expertin-nen- und Expertenkreis kritisch reflek-tiert werden.

    Im Hinblick auf das soziale Zu-sammenleben im Quartier Märkisches Viertel machte ein Vorgängerprojekt (StraInWo) deutlich, dass sozial-räum-liche Nutzungskonflikte, fehlende In-frastrukturen vor Ort, unzureichende Konfliktlösungsstrategien zwischen den Bewohnerinnen und Bewohnern, anhaltende Diskriminierung oder man-gelndes quartiersbezogenes Handeln beteiligter Akteure sich hemmend auf den Prozess des individuellen Ankom-mens in Nachbarschaft auswirken. So wird das Zusammenleben im Quartier beispielsweise durch das Fehlen von Begegnungsräumen, durch soziokultu-rell bedingte Konflikte, Alltagsrassis-mus und Diskriminierung behindert; die Bildung sozialer Kontakte wird er-schwert. Aufbauend auf diesen Ergeb-nissen soll der Fokus im Anschluss-vorhaben StraInQ auf der Integration benachteiligter Gruppen, insbesondere der Minderheit der Roma, im Quartier und auf der Förderung des öffentlichen Raumes als stabilisierender, schützen-der und ermächtigender Ort liegen.

    Ansprechpartner: Institut für Stadtforschung, Planung und Kommunikation der Fachhochschu-le Erfurt: Professorin Dr.-Ing. Heidi Sinning, Tel.: 0173/260 9051, [email protected]; Jo-

    Im Märkischen Viertel treffen die unterschiedlichsten Kulturen aufeinander. (Foto: Bauer)

    mailto:[email protected]

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    Standort-Info

    hannes Glöckner, M. A., Tel.: 0361/6700 – 390, [email protected]. Bezirksamt Reinickendorf von Berlin, Integrationsbüro: Ju-lia Stadtfeld, Tel.: 030/90294-2012, [email protected]; Matthias Mundt, Tel.: 030/90294 -4125, [email protected]. Aufwind – Verein für Aufsu-chende Erziehungshilfen e. V.: Sabine Hermann-Rosenthal, Tel.: 030/319 89 12 – 12, [email protected]. Informationen zum Vorgängerprojekt „Strategien und Instru-mente zur Integration besonders benachteiligter Bevölkerungsgruppen in den Wohnungsmarkt“: https://www.fh-erfurt.de/isp/forschung/projek-te/strainwo.

    FH Erfurt

    Brockhaus startet Wissensservice zum Klima der Welt

    Was kann getan werden, was wird getan?

    Was beeinflusst unser Klima? Wie zeigt sich der Klimawandel? Wie wirkt sich der Klimawandel heute und in Zukunft aus? Das Klima ist eines der bedeutendsten gesellschaftlichen und politischen Themen unserer Zeit. Dabei sind die Erkenntnisse aus der Klimaforschung oft sehr komplex und verlangen Wissen aus vielen Fachbe-reichen. Der neue interaktive Online-Wissensdienst „Das Klima der Welt“ von Brockhaus bereitet umfangreiche Informationen über das Klima einfach und verständlich auf für alle, die sich mit dem Problem des Klimawandels auseinandersetzen möchten. Damit schafft er die Grundlagen dafür, die Klimadebatte zu verfolgen und aktiv daran teilzunehmen.

    „Das Klima der Welt“ wurde maß-geblich von zwei der international an-erkanntesten Klimaforschern verfasst: Markku Rummukainen ist Professor für Klimatologie in Lund und Schwe-dens Vertreter im Weltklimarat. Ro-ger Hildingsson arbeitet am Institut für Politikwissenschaft in Lund und ist an dem renommierten BECC-For-schungszentrum tätig. Die Expertise

    der beiden Forscher und der Brock-haus Redaktion steht für die hohe Qualität und Aktualität der Inhalte. „Mit zunehmender Dringlichkeit des Klimaproblems steigt auch der Be-darf an zuverlässigen Informationen zu diesem Thema“, sagt Daniel Main-ka, Marketing Direktor bei Brock-haus. „Das Wissen darüber, was getan wird und was getan werden kann, ist entscheidend, um uns in die Lage zu versetzen, mit dem Klimawandel um-zugehen, aber auch, um die Klimade-batte zu verfolgen und aktiv daran teil-zunehmen.“

    Das „Klima der Welt“ ist für Pri-vatkunden ab sofort innerhalb des Pre-mium- und Familienpakets verfüg-bar. Der Dienst bietet verständliche, wissenschaftlich fundierte Beschrei-bungen des Weltklimas und seiner Geschichte, des komplexen Klimasys-tems, des anhaltenden Klimawandels und der notwendigen Maßnahmen zur Eindämmung der globalen Erwär-mung. Infografiken, Filme, Animati-onen und Artikel aus den Brockhaus Online-Nachschlagewerken machen den Dienst zu einem interaktiven Er-lebnis für Klima-Interessierte.

    Informationen: http://www.brock-haus.de/info/privat/das-klima-der-welt/. Kon-takt: Daniel Mainka, Brockhaus NE GmbH, Tel.: 089/99529278, [email protected].

    BROCKHAUS

    Online-Aktivitäten des Difu neu aufgestellt

    Website- und Newsletter-Relaunch sowie Einstieg bei Twitter

    Nachdem das Difu zunächst sein Logo, das Berichte-Magazin und sämtliche Publikationen, Flyer und Geschäfts-papiere neugestaltet hatte, erscheint nun auch der Internetauftritt im neu-en Look. Die Umgestaltung war nicht trivial, denn unter der Oberfläche – im Difu-Extranet – verbirgt sich unter an-derem die große Literaturrecherche-Datenbank ORLIS, die komplett neu und benutzungsfreundlich umgestal-tet wurde. Im öffentlich zugänglichen Datenbankbereich sind sämtliche Di-fu-Publikationen nachgewiesen.

    Wichtig war dem Difu – bei dem gemeinsam mit der Berliner Agentur 3pc gestalteten und zusammen mit der Firma Computermanufaktur technisch umgesetzten Webauftritt – Aktualität und ein ansprechender und zugleich benutzerfreundlicher Auftritt, der zu Besuch und Recherche anregt. Dafür setzt das Institut neben einer intuitiven Navigation auf inspirierendes Bildma-terial. Selbstverständlich wurde der Relaunch responsiv umgesetzt, so dass auch von Tablets und Smartphones auf Difu-Inhalte zugegriffen werden kann.

    Screenshot der neuen Difu-Website

    mailto:[email protected]:[email protected]:[email protected]:[email protected]:[email protected]:[email protected]:[email protected]://www.fh-erfurt.de/isp/forschung/projekte/strainwohttps://www.fh-erfurt.de/isp/forschung/projekte/strainwohttp://www.brockhaus.de/info/privat/das-klima-der-welt/http://www.brockhaus.de/info/privat/das-klima-der-welt/mailto:[email protected]:[email protected]

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    Standort-Info

    Neben dem neuen Look gibt es auch neue Formate. So werden mit den „Nachrichten“ verschiedene ak-tuelle Inhalte von der Kurzmeldung über Presseinformationen bis hin zum ausführlichen Autor*innen-Beitrag transportiert. Alle Meldungen sind im Nachrichten-Archiv recherchier-bar. Die bisher als Einzelseiten umge-setzten Artikel des Berichte-Magazins sind künftig im PDF des Gesamthefts und teils zusätzlich als Nachricht zu finden.

    Auch der E-Mail-Newsletter „Di-fu-News“ difu.de/12829 wurde in den Relaunch einbezogen. Weniger text-lastig und zugleich lesefreundlicher durch Bildelemente war hier die De-vise. Der Newsletter beschränkt sich in Zeiten der Informationsflut auf zen-trale Infos, jeweils verlinkt auf Difu-Seiten. Außerdem wurden hier die In-tervalle verkürzt: Künftig gibt es die „Difu-News“ im Zweiwochentakt.

    Parallel zum Relaunch der Difu-Website www.difu.de verstärkt das Institut seine digitale Kommunikation durch Twitter: Über den Twit-ter-Auftritt www.twitter.com/difu_d können Difu-Inhalte gefunden und geteilt werden. Der Austausch mit der Twitter-Community erfolgt über: @difu_d. Die einzelnen Difu-Seiten sind künftig außerdem sharing-fähig und können di-rekt über Facebook, Twitter und andere Kanäle oder per Mail geteilt werden.

    Difu

    Stadtgrün hilft Menschen in der Corona-Pandemie

    Lebenswichtige Ressource während und nach der Krise

    Mit der Lockerung der strengen Maß-nahmen zum Schutz vor der Auswei-tung der Corona-Pandemie zieht es die Menschen sofort wieder verstärkt ins Freie. Die Beschränkungen, die Coro-na mit sich gebracht hat, haben eines gezeigt: Stadtgrün in Wohnungsnä-he ist enorm wichtig für das Wohlbe-

    finden der Menschen – besonders in Krisenzeiten, aber auch jenseits von Ausgangsbeschränkungen. Mit seiner Forschung zeigt das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) die fundamentale Bedeutung von Grün in der Stadt.

    In der aktuellen Corona-Pandemie müssen viele Menschen große Teile ihres Tages in den eigenen vier Wän-den verbringen. Reisen in die Ferne waren nicht mehr möglich, selbst der Ausflug in die weitere Umgebung war nur bedingt zugelassen. Die Weltge-sundheitsorganisation warnt daher in diesen Tagen, dass die Pandemie auch negative Folgen für die psychische Gesundheit der Bevölkerung hat. Die strengen Maßnahmen befördern Stress und Ängste, das Gefühl der Einsamkeit und Depressionen. Leistungen der Na-tur, so genannte Ökosystemleistungen, werden in dieser Situation für Städte und ihre Bewohner lebenswichtig.

    Umso wichtiger ist es, dass Men-schen in ihrem unmittelbaren Wohn-umfeld Stadtgrün vorfinden und auf-suchen können. Kleine und größere Grünflächen zwischen Wohnblocks, Parks, Flussauen und Stadtwälder tra-gen zur Lebensqualität und zur Erho-lung bei. Das zeigt auch eine Befra-

    gung der Dresdner Stadtbevölkerung. Im Projekt BIDELIN hat das IÖR-Pro-jektteam 286 Bürgerinnen und Bürger gefragt, welche Leistungen der Stadt-natur (Ökosystemleistung) für sie be-sonders wichtig sind. 94 % der Befrag-ten gaben an, dass sie die Erholung in öffentlichem Grün besonders schät-zen. 89 % nannten die Verbesserung der Luftqualität durch Stadtgrün als besonders wichtig. Die Ergebnisse der Befragung machen auch den positiven Einfluss von Stadtnatur auf das Wohl-befinden deutlich. Vier Fünftel der Be-fragten fühlen sich in der Natur erhol-ter und entspannter. Zufriedener und glücklicher fühlen sich 70 %, körper-lich wohler 68 % und energievoller im-merhin noch die Hälfte der Befragten.

    Erreichbarkeit von Stadtgrün

    Damit Stadtnatur ihre positiven Wir-kungen entfalten kann, muss gewähr-leistet sein, dass die Grünflächen schnell und gut zu erreichen sind. Gera-de in Krisenzeiten ist es entscheidend, dass Stadtgrün auch im unmittelbaren Wohnumfeld, also in fußläufiger Ent-fernung, zugänglich ist. Der Monitor der Siedlungs- und Freiraumentwick-lung des IÖR bietet für dieses Thema

    Grünanlagen: Wichtig für das Wohlbefinden der städtischen Bevölkerung. (Foto: Bauer)

    http://difu.de/12829http://www.difu.dehttp://www.difu.dehttp://www.twitter.com/difu_d

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    Standort-Info

    den Indikator „Erreichbarkeit städti-scher Grünflächen“. Er gibt den Anteil der Bevölkerung an, der wohnungs- und quartiersnah öffentliche Grün-flächen fußläufig gut erreichen kann. Als wohnungsnah wird dabei jede Grünfläche ab einem Hektar Größe gezählt, die im Umkreis von 300 Me-tern Luftlinie zu finden ist. Quartiers-nah sind Grünflächen ab zehn Hektar Fläche im Umkreis von 700  Metern. Untersuchungen für die 182 deutschen Groß- und Mittelstädte mit mindestens 50.000 Einwohnern liefern recht po-sitive Ergebnisse: Rund 80 % der Be-völkerung (25,6  Mio. Menschen) in großen Mittel- und Großstädten haben Zugang zu Grünflächen im unmittelba-ren Wohnumfeld, rund 88 % (28 Mio. Menschen) können auch größere Grün-flächen gut und schnell erreichen.

    Die Zahlen klingen positiv, doch sie machen auch deutlich, dass längst nicht alle Menschen in Deutschland in unmittelbarer Nähe ihrer Wohnung Zugang zu Stadtgrün haben. Vor allem – aber nicht nur – in Zeiten von Aus-gangsbeschränkungen können sich da-mit Nachteile für ihre psychische Ge-sundheit ergeben.

    meinGrün-WebApp – Grünflächen besser finden und erreichen

    Wie jede*r schnell die wohltuenden Leistungen von Stadtgrün genießen kann, das zeigt eine Webanwendung, die das IÖR aktuell mit Partnern ent-wickelt. Sie greift das Problem auf, dass Stadtmenschen längst nicht alle Grünflächen kennen, die es in ihrer unmittelbaren Umgebung gibt. Die meinGrün-WebApp befindet sich ak-tuell in der Test-Phase (Beta-Version). Sie soll Anwender*innen – zunächst in den Pilotstädten Dresden und Hei-delberg – dabei unterstützen, diejeni-ge Grünfläche in der Nähe zu finden, die am besten zu den eigenen Bedürf-nissen passt. Die App stellt nicht nur Informationen zur Lage von Grünflä-chen bereit, sondern informiert auch

    über ihre Ausstattung, etwa ob es ei-nen Spielplatz, ruhige Sitzbänke oder eine Liegewiese gibt. Darüber hinaus lässt sich mit der WebApp ermitteln, wie Park, Wiese oder See am besten zu Fuß oder mit dem Rad, also mög-lichst umweltschonend zu erreichen sind. Dabei werden neuartige Routing-funktionen angeboten, die es erlauben, nicht nur den kürzesten, sondern auch den grünsten, leisesten oder am besten verschatteten Weg zu wählen.

    Viele Kommunen stehen aktuell je-doch unter dem Druck, zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Dieser soll möglichst in den Innenbereichen der Städte entstehen, um einerseits Natur und Landschaft am Stadtrand zu scho-nen und um andererseits den Stadtraum möglichst effizient zu nutzen. Die Ge-fahr dieses Konzeptes der „kompakten Stadt“ liegt auf der Hand: Städtische Grünflächen müssen für Bebauung wei-chen. Wie sich beide Konzepte – die „kompakte Stadt“ und die „grüne Stadt“ – miteinander in Einklang bringen las-sen, haben Forschende des IÖR unter-sucht. In der Zeitschrift „Ecological In-dicators“ haben sie ihr Konzept einer „intelligenten kompakt-grünen Stadt“ vorgestellt und zeigen auf, dass es wich-tig und möglich ist, auch in kompakten Städten viel Stadtgrün zu erhalten.

    Von den Beschränkungen durch die Corona-Pandemie ist das Projektteam aktuell selbst betroffen: Öffentliche Veranstaltungen zur Prä-sentation der App in den Pilotstädten sind abge-sagt. Interessierte können die Beta-Version aber bereits testen (Registrierung: http://meingruen.ioer.info/). Im Juni geht die App in Dresden und Heidelberg dann offiziell an den Start. Analyse-Ergebnisse des IÖR-Monitor: Grünerreich-barkeit in Städten im Vergleich: https://www.ioer-monitor.de/ergebnisse/analyseergebnisse/gruenerreichbarkeit-in-staedten-im-vergleich/. Projekte zum Thema Stadtgrün (Auswahl): BIDELIN (Die Werte von Ökosystemdienst-leistungen, Biodiversität und grün-blauer Infra-struktur in Städten am Beispiel von Dresden, Li-berec und Děčín): https://www.ioer.de/projekte/bidelin/; meinGrün (Informationen und Naviga-tion zu urbanen Grünflächen in Städten): https://www.ioer.de/projekte/meingruen/.

    IÖR

    Kulturtourismus als geeignete Strategie im Strukturwandel?

    IÖR erforscht Potenziale in der Lausitz

    Zusammen mit 14 internationalen Partnern wird das Leibniz-Institut für ökologische Raumentwicklung (IÖR) in den nächsten drei Jahren einen neu-en Ansatz für das Verständnis des Kul-turtourismus in Europa etablieren. Be-nachteiligte Gebiete sollen so in ihrer Entwicklung gefördert werden. Unter Leitung der Mendel-Universität Brno forscht das IÖR im EU-Projekt SPOT zu neuen Formen des Kulturtourismus. Ziel ist es, Strategien zu entwickeln, die es der Bevölkerung ermöglichen, von wertvollen Kulturgütern vor Ort mehr als bisher zu profitieren.

    Der Kulturtourismus ist im Wan-del begriffen. Das zeigen Trends wie Agro- oder Filmtourismus. Den ers-ten kennzeichnet der Wunsch der Rei-senden, im Urlaub auf Bauernhöfen, Almwiesen oder Weingütern mitzuar-beiten. Beim zweiten führen die Rei-sen zu Originalschauplätzen von Fern-sehserien oder Filmen. Kultur erleben, anstatt sie nur anzuschauen, lautet das Motto dieser neuen Reisetrends. Für ärmere und ländliche Regionen in Eu-ropa bergen sie ein großes Potenzial. Sie bieten die Möglichkeit, diese Ge-biete durch wirtschaftliche und soziale Entwicklungen wiederzubeleben und zugleich die Kultur und Landschaft vor Ort zu schützen.

    Doch wie lassen sich diese Ent-wicklungen in ausgewählten europä-ischen Regionen konkret anstoßen? Wie können neue Formen des Kul-turtourismus auch abseits von Me-tropolen für ein wirtschaftliches Aus-kommen der Bevölkerung und mehr sozialen Zusammenhalt sorgen? Wie können sie zum Schutz wichtiger Kul-turgüter beitragen und zudem die He-rausbildung einer neuen europäischen Identität unterstützen? Diesen und

    http://meingruen.ioer.info/http://meingruen.ioer.info/https://www.ioer-monitor.de/ergebnisse/analyseergebnisse/gruenerreichbarkeit-in-staedten-im-vergleich/https://www.ioer-monitor.de/ergebnisse/analyseergebnisse/gruenerreichbarkeit-in-staedten-im-vergleich/https://www.ioer-monitor.de/ergebnisse/analyseergebnisse/gruenerreichbarkeit-in-staedten-im-vergleich/https://www.ioer.de/projekte/bidelin/https://www.ioer.de/projekte/bidelin/https://www.ioer.de/projekte/meingruen/https://www.ioer.de/projekte/meingruen/

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    Standort-Info

    weiteren Fragen geht das Forschungs-projekt SPOT (Soziale und innovati-ve Plattform zum Kultur-Tourismus und seiner Potenziale zur Vertiefung der europäischen Annäherung) nach. Es wird drei Jahre lang durch das EU-Programm Horizon2020 gefördert.

    Ideen für Kulturtourismus

    Ländliche Räume machen 85 % des europäischen Territoriums aus. Doch immer mehr Menschen zieht es in die Städte und Metropolen Europas. Umso wichtiger ist es, dass ländliche Regionen Impulse für ihre Entwick-lung erhalten. Ein besonderes Potenzi-al wird dabei dem kulturellen Erbe und den Kulturlandschaften Europas zuge-schrieben. „Kulturlandschaft“ ist dabei ein weit gefasster Begriff. Er schließt historisch gewachsene Städte und Dör-fer, das kulturhistorische Erbe, Tra-ditionen und Bräuche, das Handwerk und die Arbeit der Menschen genauso ein wie die offene Landschaft mit den Zeugnissen jahrhundertealter Land-bewirtschaftung sowie bestimmte Er-lebnisorte und ihre Bedeutungen. Dies zu schützen und wirtschaftlich in Wert zu setzen, kann helfen, ländliche Re-

    gionen zu stärken und den Menschen vor Ort neue Perspektiven zu eröff-nen. Wie sich dies konkret umsetzen lässt, das erforschen die Wissenschaft-ler im EU-Projekt SPOT. Gemeinsam mit Akteuren vor Ort in 15 verschiede-nen Regionen Europas suchen sie nach neuen Wegen im Kulturtourismus und zur Förderung benachteiligter Gebie-te. Angestrebt wird eine Plattform, die Akteure unterschiedlicher Handlungs-felder und -ebenen verbindet. Von den 15 Fallbeispielen sollen später auch andere Regionen lernen können.

    Fallbeispiel Deutschland: Niederlausitz und Spreewald

    Das Team des IÖR wird ein Fallbei-spiel in der Lausitz bearbeiten. Das Untersuchungsgebiet südlich von Ber-lin umfasst die Lieberoser Heide, den Schwielochsee und Teile des Biosphä-renreservates Spreewald. Während der Spreewald touristisch bereits gut er-schlossen ist, befinden sich andere Tei-le der Lausitz mitten in einem Trans-formationsprozess. Mit der Lieberoser Heide wartet ein trockenes und wald-reiches ehemaliges Truppenübungsge-lände auf seine Umnutzung. Das Ge-

    biet ist einzigartige Kulturlandschaft und Heimat einer vielfältigen Tier- und Pflanzenwelt gleichermaßen. Wie las-sen sich diese Naturschätze in Verbin-dung mit der militärischen Nutzungs-geschichte bewahren? Wie lassen sie sich für eine nachhaltige Regionalent-wicklung nutzen? Welche neuen wirt-schaftlichen Wege können umliegende Kommunen gehen? Auf diese Fragen sucht das Team des IÖR gemeinsam mit Akteuren vor Ort Antworten. Ide-en und Strategien, die dabei entstehen, fließen in die Projekt-Plattform ein.

    Weitere Informationen zum Projekt: https://www.ioer.de/projekte/spot/. Kontakt im IÖR: Dr. Peter Wirth, [email protected]; Dr. Ralf-Uwe Syrbe, [email protected].

    IÖR

    20 Jahre Erneuerbares-Energien-Gesetz

    Jetzt neu durchstarten!

    Am 1.  April 2000 trat das Erneuer-bare-Energien-Gesetz (EEG) in Kraft und hat Deutschland zum führenden Energiewendeland weltweit gemacht. Doch in den letzten Jahren kam der Ausbau erneuerbarer Energien ins Stocken. Dabei ist eine zunehmende Versorgung aus heimischer Wind- und Sonnenenergie nicht nur essenziell fürs Klima, sondern schützt Deutsch-land auch vor möglichen Ausfällen bei Importen fossiler Brennstoffe. Das Institut für ökologische Wirtschafts-forschung in Berlin (IÖW) empfiehlt, dass die Energiewende in Deutschland daher gerade jetzt radikal an Fahrt auf-nehmen muss.

    „Das EEG sollte jetzt konsequent geändert werden. Es ist Zeit, seit Lan-gem vorhandene Regelungen in Ge-setze zu überführen“, fordert der Ener-gieexperte Professor Bernd Hirschl, Leiter des Forschungsfeldes Nach-haltige Energiewirtschaft und Klima-Bereits touristisch gut erschlossen: Der Spreewald. (Foto: Bauer)

    https://www.ioer.de/projekte/spot/https://www.ioer.de/projekte/spot/mailto:[email protected]:[email protected]

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    schutz am IÖW, und erläutert im De-tail: „Kurzfristig sollte der sogenannte Solardeckel, der den Ausbau der Son-nenenergie begrenzt, abgeschafft und Ausschreibungsfristen für EEG-Anla-gen sollten verlängert werden. Geneh-migungsprozesse müssen so gestaltet werden, dass Themen wie Naturschutz und Flugsicherheit mit einem ambitio-nierten Ausbau von Wind- und Solar-energie zusammengehen. Die geplante bundesweite strikte 1000-Meter-Ab-standsregelung für Windenergiean-lagen muss fallengelassen werden.“ Ebenso müsse die neue Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II der Euro-päischen Union, die das Erzeugen und Verbrauchen erneuerbarer Energie vor Ort deutlich stärkt, zeitnah in nationale Gesetzgebung überführt werden.

    Einbindung der Menschen vor Ort

    Durch die dezentrale Verteilung der Erneuerbare-Energien-Anlagen spie-len Kommunen und kommunale Un-ternehmen als Initiator, Planer und Be-treiber eine besondere Rolle. Um die Akzeptanz für die Energiewende zu steigern, ist es wichtig, die Menschen vor Ort und lokale Unternehmen ad-äquat zu beteiligen. Dies beinhaltet auch eine gesicherte und attraktive finanzielle Beteiligung von Kommu-nen und Bürgern an jedem errichteten Windrad.

    „Die Coronakrise führt uns vor Au-gen, wie wenig sicher verlässlich ge-glaubte Versorgungsketten sind“, so Hirschl, „eine Energieversorgung ba-sierend auf fossilen Brennstoffen, die wir zu großen Teilen importieren müs-sen, macht uns verwundbar. Wind- und Sonnenenergie kommen ohne Brenn-stoffimporte aus. Wir sind gut beraten, gerade jetzt die Weichen zu stellen, um unsere Energieversorgung rasch unab-hängiger und damit zukunftssicherer zu gestalten. Nur das Zusammenspiel von regional verteilter Windenergie an Land mit Solarenergie kann eine effi-

    ziente, sichere und resiliente Versor-gung sichern.“

    Kontakt: Prof. Dr. Bernd Hirschl, IÖW, Tel.: 030/884 594 – 0, [email protected], http://www.ioew.de.

    IÖW

    Quartierspeicher als Baustein der Energiewende

    Kommunales Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossen

    Dass dezentrale Energiespeicher für die Energiewende in Kommunen ein wichtiger Baustein sein können, zeigt ein Pilotprojekt in der hessischen Stadt Groß-Umstadt im Landkreis Darmstadt-Dieburg. Im Neubauge-biet „Am Umstädter Bruch“ verpflich-tet der Bebauungsplan alle Bauherren, eine Photovoltaikanlage zu installie-ren und den Solarstrom zu speichern. Hierfür wurde ein großer Batteriespei-

    cher, ein „Quartierspeicher“, vor Ort eingerichtet, an den 25 Haushalte der Solarsiedlung angeschlossen sind. Der mehrjährige Testbetrieb des Speichers wurde vom Forschungsprojekt „Esqui-re“ unter Leitung des Instituts für öko-logische Wirtschaftsforschung (IÖW) wissenschaftlich begleitet. Nach er-folgreicher Pilotphase wird nun in Kürze ein permanenter Stromspeicher im Quartier aufgestellt, der bis zu 274 Kilowattstunden speichern kann. Da-mit können die Haushalte bis zu 70 % ihres Verbrauchs aus selbst erzeugtem Strom decken.

    Vor vier Jahren errichtete der kom-munale Energieversorger Entega einen Quartierspeicher als Testlabor in Groß-Umstadt. Seit 2017 wird er durch das Projekt „Esquire“ mit Förderung des Bundesministeriums für Bildung und Forschung begleitet und technisch er-probt. Sein Hauptzweck: Er speichert den überschüssigen Sonnenstrom, den die Haushalte nicht sofort selbst ver-brauchen, zentral vor Ort. „So müssen die privaten Solaranlagenbetreiber ih-ren Strom nicht selbst in einer eigenen

    Statt vieler kleiner Speicher in jedem Keller: In der Solarsiedlung in Groß-Umstadt teilen sich 25 Haushalte einen Quartierspeicher. Foto: IÖW

    mailto:[email protected]://www.ioew.dehttp://www.ioew.de

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    Batterie in ihrem Haus speichern, spa-ren Platz und gehen kein technisches Risiko ein“, erklärt Projektleiterin Swantje Gährs vom IÖW. Im Gegen-satz zum Heimspeicher passt sich ein Quartierspeicher flexibel an den jewei-ligen Verbrauch der Anwohner an und bietet jederzeit und saisonal unabhän-gig die passende Speicherkapazität.

    In Zusammenarbeit mit den Part-nern Fraunhofer-Institut für Arbeits-wirtschaft und Organisation IAO und dem Karlsruher Institut für Technolo-gie (KIT) wurde auch untersucht, wie weitere Anwendungen des Speichers neben dieser Nutzung vor Ort ausse-hen können. So ist es etwa möglich, mit dem überschüssigem Strom Elek-trofahrzeuge zu laden. Die Erfahrun-gen aus Forschung und Praxis flossen in das Geschäftsmodell für einen neu-en Batteriespeicher ein, den Entega für das Quartier beschafft hat und der im Juli 2020 installiert werden soll. Bern-hard Fenn, Leiter des Bereichs For-schung und Entwicklung bei Entega erläutert: „Der Speicher ist ein neues Produkt, das wir gemeinsam mit ver-schiedenen Speicherherstellern kon-fektioniert haben und der in Groß-Um-stadt erstmals zum Einsatz kommt. Wir rechnen damit, dass er zehn bis zwölf Jahre in Betrieb sein kann. Der Strom, den die Solarsiedlung nicht selbst vor Ort benötigt, wird zukünftig auf dem Strommarkt angeboten.“

    Kommunen zeigen großes Interesse an Quartierspeichern

    Die Projektpartner stellten ihre For-schungsergebnisse in einem Work-shop interessierten Kommunen und kommunalen Energieversorgern aus ganz Deutschland vor. Bei den über 40 Teilnehmenden zeigte sich großes In-teresse an Quartierspeichern als Bau-steine der Energiewende vor Ort. Be-sonders ausführlich diskutiert wurden Fragen der Umsetzung und Erweite-rung eines Quartierspeichers sowie zu den rechtlichen Rahmenbedingungen. Das Thema Netzentgelte, Steuern, Ab-

    gaben und Umlagen wird wegen der unterschiedlichen, einzelfallabhängi-gen Regeln als größtes Hemmnis bei der Umsetzung von Quartierspeichern wahrgenommen.

    Für die Energiewende wird es im-mer wichtiger, erneuerbaren Strom de-zentral zu speichern. Er kann dadurch flexibel verbraucht werden und entlas-tet die Stromnetze. Einen wichtigen Baustein bilden Batteriespeicher, die mehrere Haushalte gemeinsam nutzen. Das Projekt „Energiespeicherdienste für smarte Quartiere (Esquire)“ un-tersucht, wie solche Quartierspei-cher eingeführt werden können, die zwei Bedingungen erfüllen: Die Nutzer*innen müssen sie akzeptieren und sie müssen das Stromsystem sta-bilisieren. Energieexpertin Gährs vom IÖW: „Die aktuellen Regelungen im Energiewirtschaftsgesetz verhindern, dass das ökonomische und ökologi-sche Potenzial von Quartierspeichern ausgeschöpft wird, welches sich er-gibt, wenn erhöhter Eigenverbrauch vor Ort mit einer Netzentlastung ein-hergehen. Der Gesetzgeber sollte hier noch nachbessern.“

    Welche Funktionen Quartierspeicher vor Ort bereitstellen können, zeigen ein Infoposter und die Webseite http://www.stromspeicher-in-der-stadt.de. Ein Film zum Quartierspeicherprojekt unter http://www.entega.ag/quartierspeicher stellt dar, wie der Speicher funktioniert und wie er für die Verbraucher angeboten wird. Mehr zum Projekt Esquire: http://www.esquire-pro-jekt.de. Kontakt: Dr. Swantje Gährs, IÖW, Tel.: 030/884 594 – 0, [email protected].

    IÖW

    Flurschau aus dem Weltall

    Was wächst in Feldern und Wäldern einer Region?

    Detaillierte Informationen zur Land-bedeckung sind wichtig für ein bes-seres Verständnis unserer Umwelt – etwa zur Abschätzung von Ökosys-

    temleistungen wie Bestäubung oder um Nitrat- und Nährstoffeinträge in Gewässer zu quantifizieren. Diese In-formationen werden zunehmend aus zeitlich und räumlich hochaufgelösten Satellitenbildern gewonnen. Häufig versperren jedoch Wolken den Blick aus dem All auf die Erde. Eine dyna-mische Anwendung von Methoden des maschinellen Lernens kann das loka-le Auftreten von Wolken berücksich-tigen. Das zeigen Wissenschaftler des UFZ in einer kürzlich veröffentlich-ten Studie. Ihr Algorithmus erkennt 19 verschiedene Feldfruchtarten mit einer Genauigkeit von 88 %.

    „Wenn wir feststellen können, was auf den Feldern einer Region wächst, können wir nicht nur auf den Nähr-stoffbedarf, sondern auch auf die Ni-tratbelastung umliegender Gewässer schließen“, erklärt Sebastian Preidl, Wissenschaftler im Department Land-schaftsökologie am UFZ. Auch ließen sich mit den Informationen beispiels-weise konkrete Maßnahmen zum Schutz von Wildbienenbeständen bes-ser initiieren. „Nur wenn wir die bio-logische Vielfalt einer Region kennen, können wir sie effektiver schützen“, so Preidl.

    Erdbeobachtungssatelliten, wie die des Copernicus Programms der euro-päischen Weltraumorganisation ESA, liefern zeit- und räumlich hochauf-gelöste Daten und machen damit ein kontinuierliches Monitoring der Land-oberfläche auf ökologisch relevanter Skala möglich. So werden vom Sa-telliten Sentinel-2, auf dessen Daten sich Preidls Arbeit stützt, regelmäßig Bilder der Landoberfläche in neun verschiedenen Spektralbereichen auf-genommen. Aus solch einer spektralen Zeitserie können die Forscher schlie-ßen, womit der Boden im betreffenden Gebiet bedeckt ist.

    http://www.stromspeicher-in-der-stadt.dehttp://www.stromspeicher-in-der-stadt.dehttp://www.entega.ag/quartierspeicherhttp://www.esquire-projekt.dehttp://www.esquire-projekt.demailto:[email protected]

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    Wie die Methode lernt, Weizen und Mais zu unterscheiden

    Damit die UFZ-Klassifikationsmetho-de lernt, Mais von Weizen oder Hop-fen von Wein zu unterscheiden, stehen in der Trainingsphase vor-Ort-Infor-mationen der Bundesländer für aus-gewählte landwirtschaftliche Flächen bereit. Für einzelne Standorte ist also bekannt, welche Feldfrucht auf wel-chem Acker gedeiht. Für die flächen-deckende Bestimmung der Landbe-deckung, haben die Wissenschaftler Deutschland in sechs Regionen un-terteilt. „In der Magdeburger Börde werden andere Feldfrüchte angebaut als im Rheingau“, erklärt Preidl. „Au-ßerdem wächst ein und dieselbe Nutz-pflanzenart im Breisgau anders als in der Uckermark. Klima und Höhenla-ge haben einen großen Einfluss.“ Das Ergebnis: Der Algorithmus der For-scher erkennt 19 verschiedene Feld-fruchtarten mit einer Genauigkeit von 88 %. Bei den Hauptfeldfrüchten liegt die Trefferquote sogar über 90 %. Un-ter Berücksichtigung von rund 7000 Satellitenbildern, haben sie nun eine Deutschlandkarte der landwirtschaft-lichen Nutzflächen zunächst für das Jahr 2016 generiert. Diese enthält ne-

    ben der eigentlichen Landbedeckung auch eine Aussage über die Klassifika-tionsgüte, also mit welcher Genauig-keit das System die jeweilige Pflanze für ein bestimmtes Pixel erkannt hat.

    Der UFZ-Ansatz hat noch mehr Potenzial: In einem Projekt mit dem Bundesamt für Naturschutz (BfN) un-terscheiden Preidls Algorithmen auch Fichte, Buche und andere Baumarten voneinander. Damit wird untersucht, inwieweit sich Wälder mithilfe von Satellitendaten naturschutzfachlich bewerten lassen. „Wenn wir wissen, welche Baumarten eines Waldgebietes über die Zeit vorherrschen, lassen sich Auswirkungen von Sturmereignissen, Dürreschäden oder Schädlingsbefall besser feststellen. Ein widerstands-fähiger Wald ist im Sinne der Ziele zur nachhaltigen Entwicklung ökono-misch und ökologisch hochrelevant“, sagt Preidl.

    „Unsere Methodik lässt sich auf-grund der Berücksichtigung der je-weiligen zeitlichen Abfolge von wolkenfreien Beobachtungen und Landnutzung auf andere Regionen in-nerhalb und außerhalb Europas und weitere Jahre übertragen“, gibt Dr. Da-niel Doktor, Leiter der Arbeitsgruppe Fernerkundung im Department Land-

    schaftsökologie des UFZ einen Aus-blick auf die nächsten Schritte. „Wenn diese Methodik mit anderen Modellen – beispielsweise zur Phänologie oder zur Ökologie – verschnitten wird, las-sen sich nicht nur Aussagen bezüglich artenspezifischer Verwundbarkeit ge-genüber Extremereignissen wie Dür-ren treffen, sondern auch zum zukünf-tigen Verhalten von Ökosystemen als Kohlenstoffquelle oder -senke“, so Doktor.

    Informationen: http://www.ufz.de/land-cover-classification, https://www.ufz.de/in-dex.php?en=43862. Ansprechpartner: Sebastian Preidl, UFZ-Department Landschaftsökologie, [email protected]. Originalpublikation: Sebastian Preidl, Maximilian Lange, Daniel Doktor (2020) Introducing APiC for regiona-lised land cover mapping on the national scale using Sentinel-2A imagery, Remote Sensing of Environment, Volume 240, Article 111673, https://doi.org/10.1016/j.rse.2020.111673.

    UFZ

    Alternde Gesellschaft – Wie wollen wir sterben?

    Repräsentative Studie gibt Aufschluss über Wünsche und Ängste zum Lebensende

    Derzeit führt uns die Covid-19-Pan-demie vor Augen, wie Menschen ge-rade nicht aus dem Leben gehen wol-len: Dort, wo die Gesundheitssysteme überlastet sind, müssen sie womöglich um eine gute palliative Versorgung bangen. Die coronabedingte Kontakt-sperre stellt zudem infrage, ob Ster-bende in Krankenhäusern, Hospizen und Pflegeeinrichtungen so begleitet werden können, wie sie es sich eigent-lich wünschen – von ihren Angehö-rigen, aber auch von ehrenamtlichen Sterbebegleitern. Die aktuelle gesell-schaftliche Auseinandersetzung mit dem Sterben ist einer akuten Krisen-situation geschuldet. In Zukunft setzt der demografische Wandel das Thema

    Deutschlandkarte Landbedeckung. Der Algorithmus identifiziert 19 verschiedene Feldfruchtar-ten mit einer Genauigkeit von 88 %. ©UFZ

    http://www.ufz.de/land-cover-classificationhttp://www.ufz.de/land-cover-classificationhttps://www.ufz.de/index.php?en=43862https://www.ufz.de/index.php?en=43862mailto:[email protected]://doi.org/10.1016/j.rse.2020.111673

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    weniger krisenhaft, aber dafür umso langfristiger auf die Agenda: In eini-gen deutschen Landkreisen dürften im Jahr 2035 statistisch auf eine Geburt vier Beerdigungen kommen – heu-te liegt das Verhältnis dort bereits bei eins zu zwei. Was vielen Menschen als Privatangelegenheit erscheint, wird angesichts dieser Zunahme an Ster-befällen auch zu einem gesellschafts-politischen Thema: Die Alterung der Bevölkerung fordert einen neuen Um-gang mit dem Sterben. Zu diesem Schluss kommt eine aktuelle Studie des Berlin-Instituts für Bevölkerung und Entwicklung, der Körber-Stiftung und der Software AG – Stiftung. Mit einer repräsentativen Umfrage und vertiefenden Leitfadeninterviews ge-hen die Autoren der Frage nach, wel-che Wünsche, Ängste und Hoffnungen die Menschen mit ihrem Lebensende verknüpfen.

    Die Wünsche sind laut Umfrage-ergebnissen eindeutig: Nach einem langen Leben möchten die meisten Menschen schmerzfrei, nah am Ge-wohnten, selbstbestimmt, sozial ein-gebunden und gut versorgt aus dem Leben scheiden. „Damit sind sich

    alle einig darüber, was es heißt, ‚gut‘ zu sterben: Frauen wie Männer, Jun-ge wie Alte, Arme wie Reiche, Men-schen mit und ohne Migrationshinter-grund“, erklärt Catherina Hinz vom Berlin-Institut. „Welche Befürchtun-gen und Hoffnungen Menschen mit ihrem eigenen Lebensende verbinden, hängt aber auch wesentlich damit zu-sammen, ob sie Lücken in der Gesund-heits- und Palliativversorgung vor Ort wahrnehmen und ob sie bereits Ster-benden zur Seite gestanden haben.“

    Nicht nur während der aktuellen Ausnahmesituation, sondern auch in normalen Zeiten bleibt es vielen Men-schen verwehrt, gemäß ihren Wün-schen zu sterben. In Zukunft könnten Idealvorstellungen und Realität noch weiter auseinanderdriften. So würden beispielsweise 76 % der Befragten ihr Lebensende am liebsten im Kreise ih-rer Angehörigen verbringen. Gleich-zeitig nimmt aber besonders unter den Älteren die Zahl der Einpersonenhaus-halte seit Jahren zu. Mit den Babyboo-mern altern zudem jene Geburtsjahr-gänge, die selbst nur wenige Kinder haben, die ihnen beistehen könnten.

    Die alternde Gesellschaft und der Tod

    Konrad Lampart von der Software AG – Stiftung betont: „Die Studie gibt auch Hoffnung: Die Mehrheit der Menschen ist bereit, sich um sterben-de Angehörige oder Freunde zu küm-mern. Dies ist eine Form des sozialen Zusammenhalts, die es ebenso zu stär-ken gilt wie den offenen Dialog über das Sterben. Denn wenn wir den Tod als Teil des Lebens begreifen und ler-nen, ihm ohne Angst zu begegnen, kann uns das helfen, bewusster zu le-ben.“ Neben einem solchen Perspek-tivwechsel braucht es vor allem aber auch Entlastung für all diejenigen, die sich in der Sterbebegleitung engagie-ren. Ambulante Palliativdienste, das soziale Umfeld sowie der Arbeitgeber können dafür sorgen. Hier gibt es – so die Studie – Nachholbedarf: Bisher fühlen sich gerade einmal 22 % aus-reichend durch Freunde, Kirche oder Kommune unterstützt.

    Viele Befragte kritisierten zudem die geringe Zahl an Hospizen oder die gängige Praxis, Sterbende noch ins Krankenhaus zu bringen – insbe-sondere, wenn sie bereits Sterbende begleitet haben. Zwar steigt die Zahl an Medizinern und Pflegekräften mit palliativer Zusatzausbildung seit lan-gem, doch nach wie vor fehlt es vie-lerorts an spezialisiertem Wissen, wie es etwa Hospize bereithalten. Die Stu-die fordert Institutionen, die sich um ältere Menschen kümmern, dazu auf, ihre Beschäftigten im Umgang mit Sterbenden fortzubilden, das Erlebte mit ihnen zu reflektieren und vermehrt auch (geschulte) Engagierte einzubin-den, um eine bessere Betreuung zu ge-währleisten.

    Die Studienergebnisse machen deutlich, dass es insgesamt einen Be-darf gibt, sich anders mit der Endlich-keit des Lebens zu befassen, als es derzeit der Fall ist. 75 % der Befragten betrachten es als Missstand, dass das Thema Sterben verdrängt wird. Eine Beschäftigung mit Sterben und Tod sei Erfahrungen mit Todesfällen im nahen Umfeld, in Prozent, 2019. (Quelle: Berlin-Institut)

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    unerlässlich, meint Doris Kreinhöfer von der Körber-Stiftung: „Ohne Aus-einandersetzung damit kann der Ein-zelne nicht zu eigenen Vorstellungen und Wünschen kommen, ohne Ausei-nandersetzung wissen seine Nächsten nicht, wie und wo er sterben möchte, ohne Auseinandersetzung wissen wir nicht, welche Strukturen wir benö-tigen, um gutes Sterben zu ermögli-chen.“ Mancherorts entstehen bereits neue Formate, die sich dem Lebensen-de nicht nur als pflegerische Heraus-forderung, sondern in all seinen Facet-ten widmen: im Museum mit aktueller Kunst zum Sterben, beim informel-len Austausch zum Thema im Death Café oder beim Straßenfest, auf dem der örtliche Hospizverein seine Arbeit vorstellt. Sterben und Tod betreffen je-den Einzelnen in seiner individuellen Biografie. Die Studie fordert daher alle – Wissenschaft, Politik, Wirtschaft, Medien und jeden Einzelnen – dazu auf, dem Sterben einen neuen Platz in der Gesellschaft zu geben.

    Die Studie „Auf ein Sterbenswort – Wie die alternde Gesellschaft dem Tod begegnen will“ wurde vom Berlin-Institut in Zusammenar-beit mit der Körber-Stiftung und der Software AG – Stiftung erstellt. Kostenloser Download: https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/auf-ein-sterbenswort. Kontakt: Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung, Ad-rián Carrasco Heiermann, Tel.: 030/31 10 26 98, [email protected]; Dr. Tanja Kiziak, Tel.: 030/31 01 73 24, [email protected].

    Berlin-Institut für Bevölkerung und Entwicklung

    Geflüchtete von Corona-Krise besonders betroffen

    Soziale Isolation führt zu Ängsten

    Wie geht es Geflüchteten aktuell in Leipzig? Wie gehen sie mit den Covid-19-Beschränkungen um? Und welche Rolle spielen die gesellschaftspoliti-

    schen Akteure, die für das Ankommen geflüchteter Menschen in der Stadt sorgen? Um mehr über diese in der Öffentlichkeit bislang weniger beach-teten Aspekte der Corona-Krise her-auszufinden, haben Dr. Elisabeth Kirn-dörfer und Dr. Kathrin Hörschelmann vom Leibniz-Institut für Länderkunde (IfL) in einer nicht repräsentativen Te-lefonbefragung Stimmen von Sozial-einrichtungen und Beratungsstellen gesammelt.

    Demnach leiden Menschen, die in Gemeinschaftsunterkünften leben, be-sonders unter den Besuchs- und Aus-gangsbeschränkungen. Beratungen sind eingestellt, Gemeinschaftsräu-me geschlossen, Kinder- und Fami-lienbetreuungsangebote, aber auch Aktivitäten wie Sport, Nähcafés oder Fahrradwerkstätten sind ausgesetzt. Ehrenamtliche Unterstützungen, etwa in Form von Patenschaften wurden ganz „auf Eis gelegt“, dadurch fehlt der direkte Kontakt zu den Bewoh-nerinnen und Bewohnern. Die ersatz-weise Kommunikation über Video kann nur teilweise Abhilfe leisten und Angebote wie offene Treffs nicht er-setzen, oft scheitert auch sie an der fehlenden Bereitstellung von flächen-deckendem WLAN. Konflikte kön-nen sich in dieser angespannten Lage leicht hochschaukeln.

    Große Corona-Ansteckungsgefahr in Erstaufnahmeeinrichtungen

    Äußerst problematisch ist die Situati-on in den Erstaufnahmeeinrichtungen. In ihnen herrscht ein besonders „star-rer Zustand“, wie eine Beschäftigte be-richtet. Hunderte Menschen leben dort auf engstem Raum, ohne Anschluss an zivilgesellschaftliche Strukturen. Auf-grund fehlender Hygienevorrichtun-gen können sie sich nicht angemessen vor dem Virus schützen.

    Auch die sich ständig ändernde In-formationslage führt zu Verunsiche-rung, vor allem bei Migrant*innen mit geringen Deutschkenntnissen und jun-

    gen Geflüchteten, die noch nicht lan-ge in Deutschland leben. Die Men-schen wissen oft nicht, was sie dürfen und was nicht. Zu ihrer Angst vor An-steckung durch das Virus kommt die Sorge, von der Polizei kontrolliert zu werden und aufenthaltsrechtliche Pro-bleme zu bekommen.

    Als besonders problematisch schätzt eine Beratungsstelle die Si-tuation von Familien ein. Sprachli-che Hürden und fehlende Geräte wie Notebooks erschweren die Teilnahme der Kinder an den Ersatzangeboten der Schulen. Durch das ständige enge Bei-einandersein wächst die Gefahr häus-licher Gewalt gegenüber den Kindern wie auch unter Geschwistern und Ehe-leuten.

    Von der Politik wünschen sich die Akteure in der jetzigen Lage vor allem eines: mehr Schutz. Sie rufen dazu auf, marginalisierte Gruppen stärker in den Fokus rücken, damit diese nicht noch mehr diskriminiert werden als sie es ohnehin bereits sind. Im Bildungsbe-reich müssten die Verantwortlichen jetzt rasch digitale Möglichkeiten für alle schaffen und den Leistungsdruck bei Kindern verringern. Sammelunter-künfte sollten abgeschafft, unbefriste-te Aufenthaltstitel erteilt, die Sanktio-nen im Asylbewerberleistungsgesetz gestoppt und uneingeschränkter Zu-gang zum deutschen Gesundheitssys-tem gewährt werden.

    Soziale Arbeit mit Geflüchteten intensivieren

    „Wir steuern auf eine große sozia-le Krise zu und müssen dafür sorgen, dass die organisierte Zivilgesellschaft gut arbeiten kann“, so das Resümee von Elisabeth Kirndörfer und Kathrin Hörschelmann. Die Politik müsse die sozialen Einrichtungen und Vereinen während und nach der Krise finanziell so ausstatten, dass sie ihre Arbeit nicht nur fortführen, sondern intensivieren können.

    Die beiden IfL-Wissenschaftlerin-nen haben sich im Rahmen eines eu-

    https://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/auf-ein-sterbensworthttps://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/auf-ein-sterbenswortmailto:[email protected]:[email protected]:[email protected]

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    Standort-Info

    ropäischen Verbundprojekts bis vor kurzem mit der Frage beschäftigt, wie junge Geflüchtete den öffentlichen Raum mitgestalten und dabei ihre in-dividuellen Migrationsgeschichten einbringen können. Wegen der Maß-nahmen zur Eindämmung der Coro-na-Pandemie können sie ihr Vorhaben derzeit nicht wie geplant fortführen. Gemeinsam mit ihren Projektpartnern in England, Belgien und den Nieder-landen haben sie sich deshalb dafür entschieden, den Fokus auf die aktu-elle Situation in den Asylunterkünften und Betreuungseinrichtungen zu rich-ten. „Wir sind uns im Klaren darüber, dass unsere Umfrage nicht die stren-gen Kriterien einer wissenschaftlichen Studie erfüllt und längst nicht alle in-dividuellen Erfahrungen berücksich-tigt. Trotzdem denken wir, dass die Ergebnisse dazu beitragen können, die angespannte Lage in den Asylun-terkünften und Hilfseinrichtungen zu verbessern.“

    Kontakt: Dr. Elisabeth Kirndörfer, [email protected]; Dr. Kathrin Hörschelmann, [email protected].

    IfL

    Bitterer Kaffee aus Uganda

    Filmisch dokumentierter Fall von Landraub in Afrika

    Im August 2001 vertrieb die ugandi-sche Armee mehr als 4000 Menschen aus vier Dörfern, weil die Regierung deren Land an die Kaweri Kaffee-Plantage verpachtet hat. Kaweri ist eine Tochterfirma der Neumann Kaf-fee-Gruppe in Hamburg. Die Soldaten walzten in den Dörfern Häuser und Hütten nieder. Sie zerstörten Felder und Lebensmittelvorräte der Klein-bauern, legten Feuer. Die Menschen verloren ihren gesamten Besitz, es gab sogar Tote. Die Menschen flüchteten zunächst in die angrenzenden Wälder.

    Später ließen sie sich auf freiem Land neben der Plantage nieder, in der klei-nen Siedlung Kyengeza – dem Dorf der Vertriebenen. Dort lebten sie jah-relang in notdürftigen Behausungen – ohne sauberes Wasser, medizinische Versorgung und ohne ausreichende Er-nährung.

    Bis heute wurden die Vertriebenen nicht entschädigt. Doch sie fordern ihre Rechte ein: Mit Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen verklagten sie den ugandischen Staat und den Neumann-Konzern. Doch der Prozess wurde über Jahre verschleppt. Erst elf Jahre später, im März 2013, fällte der High Court des zuständi-gen ugandischen Gerichts ein erstes Urteil zu ihren Gunsten. Es erkannte die gewaltsame Vertreibung an, sprach den Vertriebenen eine finanzielle Wie-dergutmachung zu und gab auch der Firma Neumann eine Mitschuld. Der Konzern lehnt jedoch bis heute jegli-che Mitverantwortung für die Vertrei-bung ab und ist daher auch nicht be-reit, sich an einer Entschädigung zu beteiligen.

    Auch der Ausschuss für wirtschaft-liche, soziale und kulturelle Rechte der Vereinten Nationen in Genf be-schäftigte sich 2015 mit dem Fall und

    forderte die ugandische Regierung auf, die Rechte der Vertriebenen wie-derherzustellen. Im gleichen Jahr hob ein Berufungsgericht das erste Urteil auf und verwies das Verfahren zurück an den High Court. Danach schlepp-te sich der Prozess erneut dahin. Rich-ter wurden versetzt, neue lange nicht ernannt, Prozesstermine verschoben. Langwierige Verhandlungen über ei-nen außergerichtlichen Vergleich blie-ben ebenfalls ohne Erfolg.

    Erfolgreiche Zermürbungsstrategie?

    Als der Richter im Juli 2019 eine au-ßergerichtliche Schlichtung anordne-te, schien die Chance auf eine Lösung des Konflikts gekommen. Aber auch diese Verhandlungen ziehen sich in die Länge. Inzwischen scheint das zer-mürbende Ringen um eine Entschädi-gung Wirkung zu zeigen. Anfang 2020 sind die Vertriebenen uneins, wie sie auf ein neues Entschädigungsangebot der Regierung reagieren sollen. Die meisten Familien wollen es anneh-men, andere jedoch weiter klagen. Sie bewerten das Angebot nach wie vor als zu gering – für das erlittene Unrecht, für den zerstörten Besitz und ohne zu-

    Screenshot der Phoenix-Filmankündigung „Bitterer Kaffee“

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    Standort-Info

    sätzliche Mittel, sich neues Land kau-fen zu können.

    Werden die Menschen auch fast zwei Jahrzehnte nach der Vertreibung weiter um ihr Recht kämpfen und auf eine Entschädigung warten müssen? Der Fall ist kein Einzelfall, aber einer der ersten, gut dokumentierten Fäl-le von „Landgrabbing“ (Landraub) in Afrika. Mittlerweile ist er über die Grenzen Ugandas hinaus bekannt ge-worden. Der Journalist Michael Eng-ler hat die Geschichte über viele Jahre verfolgt und 2019 in einer Filmdoku-mentation verarbeitet. Sie rekonstru-iert die Ereignisse der Vertreibung aus der Sicht der Betroffenen, hinterfragt Positionen und Behauptungen in die-sem langen Konflikt um Land in Ugan-da.

    Der Dokumentarfilm „Bitterer Kaffee: Ugan-da – Bauern kämpfen um ihr Land“ von Mi-chael Enger wurde im Mai 2020 im TV-Sender Phoenix ausgestrahlt. Der Film kann weiterhin bei YouTube gesehen werden: https://www.you-tube.com/watch?v=9v89adptaN4. Eine Chro-nologie der Ereignisse finden Sie hier: https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/news_bil-der/2020/Chronologie_Kaweri_2001-2020.pdf.

    RED

    Den Alltag auf dem Land verbessern

    Projekte des Netzwerks Daseinsvorsorge

    Dorfshuttle, Landretter, CoWork-Land, Meet & Ride: In vielen Regio-nen entstehen Projekte, die das Leben auf dem Land verbessern. Sie stärken die Daseinsvorsorge und erhöhen die Chancen für die Menschen auf Teil-habe. Das Bundesministerium des In-nern, für Bau und Heimat (BMI) und das Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) unterstüt-zen die Regionen dabei im Netzwerk Daseinsvorsorge. Die Erkenntnisse können Landkreise sowie Städte und Gemeinden in ganz Deutschland zur

    Nachahmung anregen. Eine neue Ver-öffentlichung stellt die Modellregio-nen mit ihren Projekten vor.

    Die Projekte decken ein breites Spektrum der Daseinsvorsorge ab. Sie gehen in den Bereichen medizinische Versorgung, Pflege, Mobilität, Bil-dung oder Fachkräftesicherung neue Wege. Der Landkreis Vorpommern-Greifswald sichert mit dem Projekt „Landretter“ beispielsweise die not-fallmedizinische Versorgung ab: Eine App auf dem Smartphone informiert geschulte, ehrenamtliche Ersthelfer im Notfall, wenn die Rettungskräfte noch nicht vor Ort sind. In der Regi-on Uckermark kommt der Zahnarzt zu Menschen, die keine Praxis aufsu-chen können. Der Vogelsbergkreis lobt

    jährlich Stipendien für Medizinstudie-rende aus. Im Gegenzug verpflichten diese sich dazu, nach dem Studium zunächst als Hausarzt im Kreisgebiet zu arbeiten. Im Bereich der Mobilität ergänzen einige Regionen den Linien-verkehr mit flexiblen Angeboten und verzahnen Mobilitätsangebote mitei-nander. Auch im Feld von Arbeit und Fachkräftesicherung testen die Regio-nen neue Ansätze – etwa um Jugendli-chen die heimischen Betriebe näher zu bringen oder Uni-Absolvent*innen die Rückkehr in die Heimat schmackhaft zu machen.

    In vielen Vorhaben spielt die Digi-talisierung eine große Rolle. So versu-chen einige Regionen zum Beispiel, Beschäftigten und Selbstständigen das

    Die Regionen des Netzwerks Daseinsvorsorge. (Quelle: BBSR)

    https://www.youtube.com/watch?v=9v89adptaN4https://www.youtube.com/watch?v=9v89adptaN4https://www.fian.de/fileadmin/user_upload/news_bilder/2020/Chronologie_Kaweri_2001-2020.pdfhttps://www.fian.de/fileadmin/user_upload/news_bilder/2020/Chronologie_Kaweri_2001-2020.pdfhttps://www.fian.de/fileadmin/user_upload/news_bilder/2020/Chronologie_Kaweri_2001-2020.pdf

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    Standort-Info

    Arbeiten in Coworking-Spaces zu er-möglichen. Ebenfalls wichtig sind bürgerschaftliches Engagement, eine ganzheitliche Planung sowie vielfäl-tige Kooperationsformen über Ge-meindegrenzen hinweg. Viele dieser Projekte und Initiativen stellen auch im Hinblick auf die Corona-Pandemie nachahmenswerte Beispiele dar.

    Im Netzwerk tauschen sich Regionen aus

    Die Modellregionen sind im Netz-werk Daseinsvorsorge organisiert, das das BMI und das BBSR im Jahr 2018 initiiert haben. Das Netzwerk bündelt Erkenntnisse im Umgang mit dem de-mografischen Wandel in ländlichen Räumen und dessen Folgen für die Da-seinsvorsorge. Es fördert den gegen-seitigen Austausch und vermittelt gute Beispiele. Das Netzwerk versteht sich als „Praxisschmiede“ für die Planung und Umsetzung von qualitätsvoller re-gionaler Daseinsvorsorge.

    Die Schaffung gleichwertiger Le-bensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands ist ein zentrales Anlie-gen und wird vom BMI unter anderem über das Aktionsprogramm Modell-vorhaben der Raumordnung (MORO) gefördert. Das Netzwerk Daseinsvor-sorge ist Teil des Modellvorhabens und trägt dazu bei, Erkenntnisse ge-meinsam mit der Planungspraxis zu gewinnen und Strategien zu erproben. Mit dem MORO-Aktionsprogramm werden somit nachhaltige und praxis-orientierte Lösungen für aktuelle He-rausforderungen der Raumentwick-lung erarbeitet. Das BBSR betreut die Modellvorhaben der Raumordnung wissenschaftlich und organisatorisch.

    Kostenfreier Download der Broschüre: http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentli-chungen/ministerien/MOROInfo/19/moroinfo-19-2-dl.pdf.

    BBSR

    Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt startet im Juni

    Strategien zum Umgang mit Herausforderungen der Gegenwart

    Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) hat entschie-den, das neue Forschungsinstitut Ge-sellschaftlicher Zusammenhalt (FGZ) für zunächst vier Jahre zu fördern. Das Forschungsinstitut ist ein Verbund aus elf Hochschul- und Forschungs-instituten, die in zehn verschiede-nen Bundesländern angesiedelt sind und dadurch auch die regionale Viel-falt gesellschaftlichen Zusammen-halts in Deutschland in den Blick nehmen. Zusammen sollen mehr als 100 Wissenschaftler*innen aus vielen verschiedenen Disziplinen mit empi-rischen Untersuchungen und großan-gelegten Vergleichen praxisrelevante Vorschläge erarbeiten, die dazu bei-tragen, gesellschaftlichen Herausfor-derungen der Gegenwart zu begegnen. Sie decken Aspekte wie Identitäten und regionale Erfahrungswelten, Un-gleichheiten und Solidarität, Medien und Konfliktkultur, Polarisierung und Populismus, aber auch Antisemitis-mus und Hasskriminalität ab und er-forschen diese im europäischen Ver-gleich und darüber hinaus.

    In der anderthalbjährigen Vorphase des FGZ, in der das Gründungskon-zept für das Institut erarbeitet wurde, wurde ein umfangreiches Forschungs- und Transferprogramm mit mehr als 70 Teilprojekten und institutsübergrei-fenden Arbeitsbereichen entwickelt, die ab dem 1. Juni 2020 realisiert wer-den.

    Neben der Goethe-Universität Frankfurt am Main gehören die Tech-nische Universität Berlin sowie die Universitäten Bielefeld, Bremen, Hal-le-Wittenberg, Hannover, Konstanz, Leipzig und das Soziologische For-

    schungsinstitut Göttingen, das Leib-niz-Institut für Medienforschung Hamburg und das Institut für Demo-kratie und Zivilgesellschaft Jena zu dem Verbund. Das interdisziplinär be-setzte Frankfurter FGZ-Team, das im Forschungsverbund Normative Ord-nungen der Goethe-Universität ange-siedelt ist, geht unter der Leitung von Prof. Dr. Nicole Deitelhoff der Frage nach, wie die Pluralisierung moderner Gesellschaften auf Fragen des Zusam-menhalts einwirkt und wie Konflikte so gestaltet werden können, dass sie demokratischen Zusammenhalt sta-bilisieren, nicht schwächen. Zugleich werden die Ambivalenzen des Begriffs „Zusammenhalt“ reflektiert.

    Auch in der Krise existieren Entscheidungsmöglichkeiten

    Bezogen auf die aktuelle Situation für den gesellschaftlichen Zusammenhalt angesichts der Covid-19-Krise sagt Nicole Deitelhoff, Professorin für In-ternationale Beziehungen und Theo-rien globaler Ordnungen, Leiterin des Leibniz-Instituts Hessische Stiftung Friedens- und Konfliktforschung so-wie gemeinsam mit Prof. Rainer Forst Sprecherin des Forschungsverbundes Normative Ordnungen: „Die Coro-na-Pandemie und die Maßnahmen zu ihrer Bewältigung haben Herausfor-derungen geschaffen, in der sich kultu-relle, soziale, politische, ökonomische und rechtliche Fragen miteinander verknüpfen, die eine breite, diszipli-nenübergreifende Analyse und Kom-mentierung erfordern – gerade auch für die Fragen des gesellschaftlichen Zusammenhalts. Es gibt auch in der Krise alternative Wege und Entschei-dungsmöglichkeiten, auch wenn der öffentliche Krisendiskurs häufig das Gegenteil vermittelt. Dafür braucht es offene Auseinandersetzungen und die Wahrnehmung der Verantwortung der Wissenschaft, die Entscheidungen der Politik in Krisenzeiten bestmöglich zu begleiten. Dazu wird unser Verbund mit seiner vielgestaltigen interdiszi-

    http://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ministerien/MOROInfo/19/moroinfo-19-2-dl.pdfhttp://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ministerien/MOROInfo/19/moroinfo-19-2-dl.pdfhttp://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ministerien/MOROInfo/19/moroinfo-19-2-dl.pdfhttp://www.bbsr.bund.de/BBSR/DE/Veroeffentlichungen/ministerien/MOROInfo/19/moroinfo-19-2-dl.pdf

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    Standort-Info

    plinären Perspektive einen wichtigen Beitrag in der Forschung und im Wis-senstransfer leisten.“

    „Wir freuen uns sehr darauf, im Juni diesen Jahres nun die Arbeit des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt hier im Frankfurter Teilinstitut gemeinsam mit den Kol-leginnen und Kollegen an den zehn regional verteilten Standorten aufzu-nehmen und darauf, den dezentralen Forschungsverbund mit der allgemei-nen Geschäftsstelle an der Goethe-Universität und den Geschäftsstellen an den Standorten Bremen und Leip-zig zu koordinieren“, so Deitelhoff.

    Kontakt: Rebecca Caroline Schmidt, Geschäfts-führerin Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt, Tel: 069/798 – 31400, [email protected].

    Universität Frankfurt am Main

    Kommunen erwarten Einnahmerückgang durch Corona-Pandemie

    Erneuter Anstieg der Verschuldung wird befürchtet

    Die Corona-Krise bildet für die Haus-halte von Landkreisen, Städten und Gemeinden eine deutliche Zäsur. Dies ist das Ergebnis einer Blitzbefragung unter 200 Kommunen, die vom Deut-schen Institut für Urbanistik (Difu) im Auftrag der KfW-Bankengruppe Ende April als Ergänzung zum KfW-Kommunalpanel durchgeführt wurde. Statt mit Haushaltsüberschüssen und sinkender Verschuldung rechnen die meisten Kommunen nun mit einem Einbruch ihrer Einnahmen, wachsen-den Ausgaben und einer erneut an-steigenden Verschuldung. 90 % der befragten Kämmereien blicken mit Sorgen auf das laufende Haushalts-jahr. Für 2021 erwarten sogar acht von

    zehn Kommunen eine Verschlechte-rung der finanziellen Situation.

    Die aktuelle Befragung zu den haushaltspolitischen Folgen der Co-rona-Pandemie ist zwar nicht reprä-sentativ, gibt jedoch einen belastbaren Eindruck, wie stark die Kommunen betroffen sind. Auf der Einnahmensei-te erwarten demnach 42 % der Städte und Gemeinden einen starken Rück-gang, weitere 53 % gehen von ten-denziell sinkenden Einnahmen aus. Hauptursache sind wegbrechende Steuereinnahmen, die von 63 % der kommunalen Haushälter*innen pro-gnostiziert werden. Fast jede vierte Kommune erwartet zudem sinkende Einnahmen aus eigener wirtschaft-licher Tätigkeit. Hierzu zählen etwa Ausschüttungen von Beteiligungen oder Eintrittsgelder. Auch über das laufende Jahr hinaus wird die aktuelle Krise spürbare Effekte nach sich zie-hen. Ein Viertel der Kämmereien geht auch für 2021 von stark rückläufigen Einnahmen aus.

    Steigende Ausgaben vor allem im sozialen Bereich

    Mit Blick auf die Ausgabenseite sind die Landkreise, Städte und Gemein-

    den ebenfalls pessimistisch: Sowohl für das Jahr 2020 als auch für die Fol-gejahre rechnet jede zweite Kommune mit steigenden Ausgaben in allen re-levanten Haushaltsbereichen. Einzige Ausnahme bilden die Investitionen. Sach- und Personalausgaben werden hingegen steigen und aus Sicht der Kämmereien die Haushalte substan-ziell belasten. Es ist aber vor allem der deutliche Anstieg der Sozialausgaben, der rund 70 % der Kämmereien Sorgen bereitet.

    Auf diese sich abzeichnenden He-rausforderungen reagiert laut Difu-Be-fragung rund ein Viertel der Kommu-nen mit der kurzfristigen Verhängung von Haushaltssperren. Ein Drittel be-reitet bereits Nachtragshaushalte vor, um die finanziellen Folgen der Coro-na-Krise abzufangen. Dies dürfte bei ähnlich vielen Kommunen auch über eine höhere Verschuldung erfolgen. In 63 % der Kommunen werden zudem Konsolidierungsmaßnahmen geplant.

    Im Ergebnis geht jede dritte Kom-mune von sinkenden oder stark sin-kenden Investitionsausgaben im lau-fenden Jahr sowie für die Folgejahre ab 2021 aus. Bereits in der Vergangen-heit haben die Kommunen erhebliche Investitionsrückstände aufgebaut, wie

    KfW-Kommunalpanel 2020, Umfrage Corona. (Quelle: KfW)

    mailto:[email protected]:[email protected]

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    Standort-Info

    sie jährlich vom Difu im Rahmen des KfW-Kommunalpanels ermittelt wer-den. Im Jahr 2018 betrug dieser rund 138 Mrd. Euro.

    Verschärfen Investitionsrückgänge die Disparitäten?

    „Der sich abzeichnende Investitions-verzicht in einem Teil der Kommunen infolge der Verwerfungen in den städ-tischen Haushalten ist ein Warnsig-nal“, sagt der wissenschaftliche Direk-tor des Difu, Prof. Dr. Carsten Kühl. „Denn wenn die Kommunen jetzt nicht finanziell in die Lage versetzt werden, steigende Sozialausgaben zu bedienen, wird dies zulasten der In-vestitionen gehen und im Ergebnis die regionalen Disparitäten zwischen finanzstärkeren und strukturschwa-chen Städten und Gemeinden wieder deutlich verschärfen. Angesichts der vielerorts maroden Infrastrukturen be-steht jetzt die Gelegenheit, die Trans-formation der Kommunen in Richtung grüner und nachhaltiger Technologien zu forcieren.“

    Hoffnung macht, dass immerhin 26 % der Kommunen steigende In-vestitionen in den nächsten Jahren für möglich halten, wenn die Politik Un-terstützungsmaßnahmen für die kom-munale Ebene auf den Weg bringen sollte – allen voran finanzielle Ent-lastungen, die von 49 % der befragten Kämmereien als notwendige Voraus-setzung zur Bewältigung der Krise an-gesehen wird. Jede zweite Kommune erwartet dabei, dass es zu einer Ver-schiebung von Investitionen innerhalb der Haushalte zugunsten „systemrele-vanter“ Bereiche wie der Gesundheits-versorgung oder des Katastrophen-schutzes in den Kommunen kommen dürfte.

    Für die aktuelle Analyse hat das Deutsche Institut für Urbanistik im Auftrag von KfW Research im Zeit-raum vom 23. bis 30.  April 2020 Kommunen zu den haushaltspoliti-schen Auswirkungen der Corona-Kri-

    se befragt. Von den 200 teilnehmenden Kommunen sind 69 % kreisangehöri-ge Städte und Gemeinden, 11 % kreis-freie Städte und 20 % Landkreise. Be-zogen auf die Anzahl der Kommunen in der Grundgesamtheit aller Kommu-nen ab 2000 Einwohnern sind kreis-freie Städte sowie Kreise damit über-repräsentiert. Aus demselben Grund machen auch Städte und Gemeinden aus NRW einen überproportional ho-hen Anteil aus. Damit ist die Umfrage statistisch nicht repräsentativ, gibt aber ein belastbares Bild der kommunalen Betroffenheiten wieder, da die größe-ren Städte auch eine höhere Bevölke-rung aufweisen.

    Kontakt: Elisabeth Krone, Difu, Tel.: 030/390 01 – 223, [email protected]; Dr. Henrik Schel-ler, Difu, Tel.: 030/39001 – 295, [email protected]. Weitere Informationen: https://www.difu.de/15407; https://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/KfW-Kommunalpa-nel.html.

    Difu

    Klimaschutz wichtigste Zukunftsaufgabe der Städte

    Difu-Städteumfrage „OB-Barometer 2020“

    Der Schutz des Klimas und die An-passung an die Folgen des Klimawan-dels werden für die Städte an Bedeu-tung zunehmen. Das ist ein Ergebnis der im Januar und Februar 2020 vom Deutschen Institut für Urbanis-tik durchgeführten Befragung der (Ober-)Bürgermeister*innen großer deutscher Städte. Knapp zwei Drit-tel der Befragten nennen den Klima-schutz als wichtiges kommunales Zu-kunftsthema. Damit hat sich die Zahl der Bürgermeister*innen, die diesem kommunalpolitischen Handlungsfeld einen Bedeutungszuwachs zuschrei-ben, im Vergleich zum Vorjahr mehr

    als verdreifacht. Zukünftige Umfragen werden zeigen, wie stark dieses Ergeb-nis durch die Proteste der „Fridays for Future“-Bewegung beeinflusst war.

    Über die Hälfte der Befragten sieht ferner einen wachsenden Handlungs-bedarf im Bereich Mobilität. Das The-ma, das bereits im Vorjahr auf Platz zwei der Zukunftsthemen lag, hat da-mit für die Stadtspitzen nochmals an Bedeutung gewonnen. Das mag auch damit zu tun haben, dass urbane Mobi-lität ein wesentlicher Aspekt des kom-munalen Klimaschutzes ist. Das TOP-Zukunftsthema der beiden Vorjahre, die Digitalisierung, liegt in der Be-fragung auf Platz drei der wichtigsten kommunalpolitischen Zukunftsthe-men. Gut ein Drittel der Befragten geht davon aus, dass die Digitalisierung in den nächsten fünf Jahren für die Städte an Bedeutung gewinnen wird. Weitere kommunalpolitische Themen, denen die Bürgermeister*innen eine beson-ders hohe Zukunftsrelevanz beimes-sen, sind die Schaffung bezahlbaren Wohnraums, die Finanzlage der Städte und die Stärkung der Wirtschaft.

    Zukunftsthemen erzeugen hohen Finanzbedarf

    Die Stadtspitzen sind sich einig, dass mit den künftigen Herausforderungen der Städte ein hoher Finanzierungsbe-darf verbunden ist. Dies gilt besonders für die Themen Mobilität und Klima-schutz. Knapp 90 % derjenigen, für die dies zentrale Zukunftsthemen sind, gehen davon aus, hier große oder sehr große Investitionen tätigen zu müssen. Ähnlich ist dies in den Bereichen Di-gitalisierung und Schaffung von be-zahlbarem Wohnraum: Hier halten immerhin noch rund drei Viertel der Stadtspitzen, die Digitalisierung und Wohnen unter den wichtigsten Zu-kunftsthemen der Städte sehen, den künftigen Finanzierungsbedarf in die-sen Politikfeldern für hoch oder sehr hoch.

    Die Umfrage wurde durchge-führt, bevor die Corona-Pandemie in

    mailto:[email protected]:[email protected]:[email protected]://www.difu.de/15407https://www.difu.de/15407https://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/KfW-Kommunalpanel.htmlhttps://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/KfW-Kommunalpanel.htmlhttps://www.kfw.de/KfW-Konzern/KfW-Research/KfW-Kommunalpanel.html

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    Standort-Info

    Deutschland andere Themen in den Hintergrund drängte. Auch wenn in den Städten nach dem Ausnahmezu-stand wieder ein Stück weit Norma-lität eingekehrt sein sollte, wird der Blick der politisch Entscheidungstra-genden auf die kommunale Welt ein anderer sein. Deswegen wird das Difu sich mit der Veröffentlichung der aus-führlicheren Ergebnisse des OB-Ba-rometers 2020 noch etwas Zeit lassen und hat hier den Fokus nur auf den kleinen Ausschnitt „Zukunftsfragen“ gerichtet.

    Kontakt: Annegret Hoch, Difu, Tel.: 030/39001 – 198, [email protected]. Weitere Informationen: http://www.difu.de/15372.

    Difu

    Nachhaltigkeit durch Pandemie?

    Knapp 30 % der Deutschen sehen in der Krise eine Chance

    Davon, dass die Corona-Pandemie bei den Menschen ein Umdenken bewirkt, hin zu einem nachhaltigeren und kli-maschonenderen Wirtschaftssystem, sind sieben Prozent der deutschen Be-völkerung überzeugt, 20 % stimmen dem mit „eher ja“ ebenfalls zu. Das

    ergab eine repräsentative Umfrage anlässlich des deutschen Erdüberlas-tungstags am 3. Mai. Die Umfrage hat das Meinungsforschungsinstitut Civey im Rahmen des „Wissenschaftsjahres 2020 – Bioökonomie“, einer Initia-tive des Bundesministeriums für Bil-dung und Forschung (BMBF), durch-geführt.

    Der deutsche Erdüberlastungstag markiert den Tag im Jahr, an dem welt-weit das jährliche Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren Emissionen aufge-braucht wäre, wenn die gesamte Welt-bevölkerung so leben würde, wie die Menschen in Deutschland. Deutsch-land lebt ab dem 3. Mai bis zum Ende des Jahres praktisch auf Kredit. Der Tag wird jährlich vom „Global Foot-print Network“ errechnet.

    Prof. Dr. Markus Vogt, Mitglied im Sachverständigenrat Bioökono-mie Bayern, kommentiert die Er-gebnisse der Meinungsumfrage als positives Zeichen. „Viele Menschen sehen in der Krise die Chance für ei-nen dauerhaften Wandel“, erklärte er. „Dieser Umbruch muss als Auf-bruch genutzt werden.“ Im Bereich Bioökonomie sieht Prof. Vogt da-für sehr viele Chancen. „Wir haben viele Konjunkturprogramme, um die Wirtschaft wiederzubeleben. Es geht jetzt darum, das Geld nicht in veralte-

    te Strukturen zu investieren, sondern in die Wirtschaft, die wir in Zukunft brauchen. Die Bioökonomie bie-tet hierfür entscheidende Perspekti-ven, weil sie auf klimaverträglichem Wirtschaften basiert, nachwachsende Rohstoffe erschließt und weil sie Ab-fall vermeidet.“ Network“ will mit dem Erdüberlastungstag auf die End-lichkeit der natürlichen Ressourcen aufmerksam machen.

    Wie können wir nachhaltiger le-ben, Ressourcen schonen und gleich-zeitig unseren hohen Lebensstandard erhalten? Das Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie hält Antworten darauf bereit. Bürger*innen sind dazu einge-laden, im Dialog mit Wissenschaft und Forschung den Wandel hin zu nachhal-tigen, biobasierten Produktions- und Konsumweisen zu diskutieren. In viel-fältigen Formaten wird das Konzept der Bioökonomie mit all seinen Poten-zialen und Herausforderungen erleb-bar gemacht und aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

    Weitere Informationen: http://www.wissen-schaftsjahr.de, http://www.facebook.com/wis-senschaftsjahr, http://www.youtube.com/user/wissenschaftsjahr, http://twitter.com/w_jahr.

    Wissenschaftsjahr 2020 – Bioökonomie

    Verkehrswende in Deutschland

    Kommunen unter Druck

    „Um die Verkehrswende in Deutsch-land zu erreichen, muss die Anzahl der Autos verringert und der öffent-liche Personennahverkehr ausgebaut werden. Das setzt viele Kommunen unter Druck, weil sie nicht wissen, wie sie das schaffen sollen“, erklärt Prof. Dr. Andreas Knie vom Wissen-schaftszentrum Berlin für Sozialfor-schung (WZB). Für drei Kommunen sollen deshalb modellhaft Maßnah-menpakete entwickelt werden, die Ak-

    Welche kommunalpolitischen Themen werden in den nächsten fünf Jahren an Bedeutung ge-winnen?

    mailto:[email protected]://www.difu.de/15372http://www.wissenschaftsjahr.dehttp://www.wissenschaftsjahr.dehttp://www.facebook.com/wissenschaftsjahrhttp://www.facebook.com/wissenschaftsjahrhttp://www.youtube.com/user/wissenschaftsjahrhttp://www.youtube.com/user/wissenschaftsjahrhttp://twitter.com/w_jahr

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    Standort-Info

    teure schulen und beim Erreichen der Ziele unterstützen. Knie erklärt: „Mit den Ansätzen wollen wir in diesen Städten 50 % weniger Autos und 50 % weniger gefahrene Kilometer in fünf Jahren erreichen.“ Die Deutsche Bun-desstiftung Umwelt (DBU) fördert das Vorhaben fachlich und finanziell mit 120.000 Euro.

    In der Theorie sei die Verkehrs-wende in Deutschland leicht: Weniger Autofahrten, mehr öffentlicher Per-sonennahverkehr (ÖPNV) und eine gute Infrastruktur für Radfahrer und Fußgänger. „In der Praxis ist es aber nicht so einfach. Denn unser Rechts-rahmen ist entstanden und entwickelt worden mit dem Willen, das Privat-Kfz zu stärken“, so Knie. „Das macht es insbesondere aus Sicht der Kom-munen schwer, Umbaumaßnahmen zu ermöglichen.“ Das nötige Wissen sei vorhanden, es fehle aber häufig an Kompetenzen oder Mitarbeitern, um es umzusetzen.

    Modellhaft: Gingst, Drolshagen und Leipzig

    „Wir wollen mit dem Projekt ein ganz-heitliches Verkehrswendekonzept auf

    den Weg bringen, das vor allem auch die umweltverträglichsten Verkehrs-teilnehmer stärkt, die Fußgänger und Radfahrer“, erläutert Verena Exner, DBU-Referatsleiterin. Für die Kom-munen übertragbare Konzepte sollen dazu entwickelt werden. „Für unser Projekt haben wir uns drei sehr un-terschiedliche Regionen als Modelle ausgesucht“, so Knie. „Die Gemeinde Gingst mit 1200 Einwohnern liegt auf Rügen und dient als Beispiel für den ländlichen Raum, Drolshagen/Lenne-stadt mit 25.000 Einwohnern in Nord-rhein-Westfalen für ein größeres Sied-lungsgebiet, und die Stadt Leipzig in Sachsen mit 600.000 Einwohnern re-präsentiert den Typ einer wachsenden Großstadt.“ Sie stünden vor ähnlichen, aber auch sehr unterschiedlichen He-rausforderungen.

    Ziel sei es deswegen, Kommunen bei Umbauarbeiten zu unterstützen und das Verändern des Rechtsrah-mens in der Politik anzustoßen. Je nach Region können das zum Beispiel Hilfen beim Erstellen eines Bebau-ungsplans oder für den Aufbau eines Carsharingsystems für Elektroautos sein, also die organisierte gemein-schaftliche Nutzung von Autos. Für

    die ausgewählten Modellkommunen werde man ein Verkehrswendebüro einrichten, das kommunale Akteure schulen und beim Umsetzen der Ver-kehrswende unterstützen will. Durch das Einbinden etwa von Bauämtern, Investoren und Mobilitätsanbietern würden die vorgesehenen Maßnah-men auf die jeweiligen Bedürfnisse der Kommune zugeschnitten. Unter-stützt wird das Verkehrswendebüro von der „Allianz Verkehrswende“. Dort engagieren sich Personen und Organisationen, die an Modellvorha-ben zur Elektromobilität mitgewirkt haben.

    Angestrebt wird ein praxistauglicher Umsetzungsplan

    So soll eine bedarfs- und praxistaug-liche „Handreichung“ entstehen, die sich hauptsächlich an die Entschei-der von Kommunal- und Regional-politik richten soll. Es gehe um das Etablieren guter Rahmenbedingun-gen für das Verringern von individu-ellem Fahrzeugverkehr generell, das Umstellen auf elektrische Antriebe sowie das Fördern des Fuß- und Fahr-radverkehrs und das Modernisieren des ÖPNV durch das Nutzen digitaler Plattformen. Zum Ende des Projekts wolle man einen modellhaften Um-setzungsplan für die Verkehrswende entwickelt haben. Die Arbeiten wer-den von einem Beirat unterstützt. Die-sem Gremium gehören verschiedene Verbände und Personen an, die in den vergangenen Jahren in fünf Bundes-ländern große Modellvorhaben ver-antwortet haben. Sprecher sind Rai-mund Nowak, der Geschäftsführer der Metropolregion Hannover Braun-schweig Göttingen Wolfsburg, und Kurt Sigl, Präsident des Bundesver-bandes Elektromobilität. Im Beirat sollen zudem Vorschläge erarbeitet werden, wie die Wirksamkeit staat-licher Förderprogramme erhöht wer-den kann.

    DBU

    Wie die Verkehrswende gelingen kann, untersuchen Forscher des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung anhand mehrerer unterschiedlich großer Beispielkommunen. (Foto: Wil-helm Irsch/piclease)

    Städte entdecken das Gehen neuErgebnisse des Projektes „Bausteine für Fußverkehrsstrategien“Empfehlungen für die Verkehrsplanung

    Neues Planungswissen für gemeinschaftliches WohnenProjekte in Deutschland und der Schweiz

    Quartiersforschung im Märkischen Viertel Berlin Zusammenleben und Integration benachteiligter BevölkerungsgruppenMärkisches Viertel in Berlin als Beispielquartier

    Brockhaus startet Wissensservice zum Klima der WeltWas kann getan werden, was wird getan?

    Online-Aktivitäten des Difu neu aufgestelltWebsite- und Newsletter-Relaunch sowie Einstieg bei Twitter

    Stadtgrün hilft Menschen in der Corona-PandemieLebenswichtige Ressource während und nach der KriseErreichbarkeit von Stadtgrün meinGrün-WebApp – Grünflächen besser finden und erreichen

    Kulturtourismus als geeignete Strategie im Strukturwandel? IÖR erforscht Potenziale in der LausitzIdeen für Kulturtourismus Fallbeispiel Deutschland: Niederlausitz und Spreewald

    20 Jahre Erneuerbares-Energien-GesetzJetzt neu durchstarten!Einbindung der Menschen vor Ort

    Quartierspeicher als Baustein der EnergiewendeKommunales Pilotprojekt erfolgreich abgeschlossenKommunen zeigen großes Interesse an Quartierspeichern

    Flurschau aus dem WeltallWas wächst in Feldern und Wäldern einer Region?Wie die Methode lernt, Weizen und Mais zu unterscheiden

    Alternde Gesellschaft – Wie wollen wir sterben?Repräsentative Studie gibt Aufschluss über Wünsche und Ängste zum Lebensende Die alternde Gesellschaft und der Tod

    Geflüchtete von Corona-Krise besonders betroffenSoziale Isolation führt zu ÄngstenGroße Corona-Ansteckungsgefahr in ErstaufnahmeeinrichtungenSoziale Arbeit mit Geflüchteten intensivieren

    Bitterer Kaffee aus UgandaFilmisch dokumentierter Fall von Landraub in AfrikaErfolgreiche Zermürbungsstrategie?

    Den Alltag auf dem Land verbessernProjekte des Netzwerks DaseinsvorsorgeIm Netzwerk tauschen sich Regionen aus

    Forschungsinstitut Gesellschaftlicher Zusammenhalt startet im JuniStrategien zum Umgang mit Herausforderungen der GegenwartAuch in der Krise existieren Entscheidungsmöglichkeiten

    Kommunen erwarten Einnahmerückgang durch Corona-PandemieErneuter Anstieg der Verschuldung wird befürchtetSteigende Ausgaben vor allem im sozialen BereichVerschärfen Investitionsrückgänge die Disparitäten?

    Klimaschutz wichtigste Zukunftsaufgabe der StädteDifu-Städteumfrage „OB-Barometer 2020“Zukunftsthemen erzeugen hohen Finanzbedarf

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