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Statistik I f¨ ur Betriebswirte Vorlesung 1 Dr. Andreas W¨ unsche TU Bergakademie Freiberg Institut f¨ ur Stochastik 1. April 2019 Dr. Andreas W¨ unsche Statistik I f¨ ur Betriebswirte Vorlesung 1 Version: 18. M¨ arz 2019 1

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Statistik I fur BetriebswirteVorlesung 1

Dr. Andreas Wunsche

TU Bergakademie FreibergInstitut fur Stochastik

1. April 2019

Dr. Andreas Wunsche Statistik I fur Betriebswirte Vorlesung 1 Version: 18. Marz 2019 1

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Organisatorisches

I Vorlesung: Mo, 11:00-12:30, FOR-0270.

I Ubungen:I Di, 7:30-9:00, MIB-1113, Dr. Anna Chekhanova,I Di, 9:15-10:45, PRU-1104, Dr. Felix Ballani,I Fr, 7:30-9:00, MIB-1113, Dipl.-Math. Markus Dietz.

I Selbststudium (Laut Modulbeschreibung zusammen fur beideSemester 120h Prasenzzeit und 150h Selbststudium.)

I Information: http://www.mathe.tu-freiberg.de/wiwistat

I Prufung: Klausur 120 Minuten, zugelassen sind Taschenrechner,Bucher, Mitschriften; nicht zugelassen sind Laptops, Handys.

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Themen

I Wahrscheinlichkeitsrechnung (ca. 6 Vorlesungen).I Zufallige Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten, bedingte

Wahrscheinlichkeiten, Unabhangigkeit.I Zufallsgroßen, Typen, Charakterisierung und Kenngroßen.I Wichtige diskrete Wahrscheinlichkeitsverteilungen.I Wichtige stetige Wahrscheinlichkeitsverteilungen.

I Beschreibende (deskriptive) Statistik (ca. 4 Vorlesungen).I Grundbegriffe.I Merkmale, Grafiken und Kenngroßen.I Konzentrationsmaße.I Indexzahlen.

I Schließende (induktive) Statistik (ca. 3 Vorlesungen).I Stichproben.I Parameterschatzungen.

I Fortsetzung im folgenden Semester: Statistik fur Betriebswirte II.

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1. Wahrscheinlichkeitsrechnung

1.1 Einleitung

I Im praktischen Leben, in den Wissenschaften usw. hat man es oftmit Situationen, Versuchen, Beobachtungen etc. zu tun, bei denenErgebnisse nicht genau vorausberechnet werden konnen, eineUnsicherheit besteht, bei denen aber Aussagen und/oderEntscheidungen getroffen werden sollen.

I Beispiele:I Versicherungswesen (Zeitpunkte von Schadensfallen, Hohe von Ein-

bzw. Auszahlungen).I (Statistische) Qualitatskontrolle (notwendige Anderungen von

Produktionsparametern wegen zu mangelhafter Qualitat derErzeugnisse).

I Produktionsplanung (Entwicklung der Nachfrage).I Finanzmarkte (Entwicklung von Aktienkursen, Wechselkursen).I Wetter- und Klimavorhersagen.I Physikalische Grundgesetze (statistische Physik, Quantenphysik).

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1.2 Zufallige Ereignisse und Wahrscheinlichkeiten

I Ideales Zufallsexperiment, zufalliger Versuch, Zufallssituation:I Genau festgelegte Bedingungen.I Ausgang bzw. Ergebnis des Experiments ist nicht vorhersehbar, die

moglichen Ausgange sind vor Durchfuhrung des Experiments bekannt.I Es ist zumindest gedanklich beliebig oft wiederholbar und eine

statistische Gesetzmaßigkeit kann beobachtet oder angenommenwerden.

I Menge aller moglicher Ergebnisse (Ergebnismenge, Grundmenge) Ω.

I Elemente ω1, ω2, . . . der Ergebnismenge sind dieElementarereignisse, Versuchsausgange oder Grundrealisierungen.

Beispiele:Wurfeln mit einem oder mehreren Wurfeln.Bildquelle: de.wikipedia.org/wiki/Spielwurfel

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Zufallige Ereignisse

I Zufalliges Ereignis oder kurz Ereignis A zu einem betrachtetenZufallsexperiment:Nach Durchfuhrung des Zufallsexperiments muss man mit Sicherheitsagen konnen, ob das Ereignis A eingetreten ist oder nicht.

I Im Sinne der (mathematischen) Logik: ”Das Ereignis A isteingetreten.” ist entweder eine wahre oder eine falsche Aussage.

I Im Fall einer Ergebnismenge Ω: Teilmenge A der Ergebnismenge Ω;das Ereignis A tritt ein, falls das realisierte Ergebnis des zufalligenVersuchs in der Menge A enthalten ist.

Beispiele:

I Wurfeln mit einem oder mehreren Wurfeln.

I Tagliche DAX-Schlusskurse.

Bildquelle: www.boerse.de

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Stabilisierung von relativen Haufigkeiten – Beispiel

Quelle: N. Henze, Stochastik fur Einsteiger, 2013, 10. Auflage, Kap. 4 .

Ergebnisse von 300 Wurfen einer Reißzwecke auf einen Steinboden mitden beiden moglichen Ergebnissen ”Spitze nach oben” = ”1” und ”Spitzeschrag nach unten” = ”0”.

Fortlaufend notierte relative Haufigkeiten fur ”1”:

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Wahrscheinlichkeiten

I Jedem zufalligen Ereignis A zu einem betrachteten Zufallsexperimentwird eine Zahl P(A) zwischen 0 und 1 zugeordnet, die sogenannteWahrscheinlichkeit (fur das Eintreten) des Ereignisses A.

I P(A) ist ein quantitatives Maß fur die Chancen, dass das zufalligeEreignis A bei einer Realisierung des Experiments eintritt, z.B.P(A) ≈ 0 ⇒ sehr geringe; P(A) ≈ 1 ⇒ sehr große Chancen.

I Hintergrund sind Eigenschaften von relativen Haufigkeiten

hn(A) =Hn(A)

n≈ P(A) (falls n groß) ;

Hn(A) Haufigkeit des Eintretens von A in n (unabhangigen)Realisierungen des Zufallsexperiments.

I Haufigkeitsinterpretation fur P(A): bei n Realisierungen desZufallsexperiments wird das zufallige Ereignis A ungefahr n · P(A)mal eintreten und n · (1− P(A)) mal nicht eintreten.

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Verknupfungen von Ereignissen

Geg.: Zufallsexperiment mit Ergebnismenge Ω und zufalligenEreignissen A,B .

I Vereinigung A ∪ B : A oder B (oder beide) treten ein.

I Durchschnitt A ∩ B : A und B treten beide ein.

I Differenz A \ B : A tritt ein, aber B nicht.

I Das zu A komplementare (entgegengesetzte) EreignisA = Ac = ¬A : tritt genau dann ein, wenn A nicht eintritt;A = Ω \ A .

I Unmogliches Ereignis ∅ : tritt niemals ein.

I Sicheres Ereignis Ω : tritt immer ein (gleich Ergebnismenge).

I A und B sind unvereinbar (sind disjunkt, schließen einander aus) : siekonnen nicht gemeinsam eintreten, d.h. A ∩ B = ∅.

I Das Ereignis A zieht das Ereignis B nach sich : A ⊂ B (wenn Aeintritt, dann tritt auch B ein).

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Rechenregeln fur Verknupfungen von Ereignissen

Geg.: Zufallsexperiment mit Ergebnismenge Ω und zufalligenEreignissen A,B,C . Dann gelten wie allgemein fur Teilmengen A,B,Ceiner Menge Ω die folgenden Rechenregeln.

I Kommutativitat : A ∪ B = B ∪ A , A ∩ B = B ∩ A .

I Assoziativitat : (A ∪ B) ∪ C = A ∪ (B ∪ C ) ,(A ∩ B) ∩ C = A ∩ (B ∩ C ) .

I Distributivitat : (A ∪ B) ∩ C = (A ∩ C ) ∪ (B ∩ C ) ,(A ∩ B) ∪ C = (A ∪ C ) ∩ (B ∪ C ) .

I Regeln von de Morgan : A ∩ B = A ∪ B , A ∪ B = A ∩ B .

I A ∪ A = Ω , A ∩ A = ∅ , A \ B = A ∩ B ,(A)

= A ,A ∪∅ = A , A ∩∅ = ∅ , A ∪ Ω = Ω , A ∩ Ω = A .

I Entsprechend konnen auch Vereinigungen und Durchschnitte vonmehr als zwei Ereignissen definiert werden und auch dieRechenregeln konnen entsprechend verallgemeinert werden.

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Ubungsbeispiel 1.1

Entwicklung von 3 konkreten Aktienkursen in einem festen Zeitraum aneiner bestimmten Borse.

Si = Wert der Aktie i steigt .

Ges.: Darstellung der folgenden Ereignisse durch die Ereignisse Si .

I A = Wert aller 3 Aktien steigt .

I B = Wert keiner der 3 Aktien steigt .

I C = Wert mindestens einer der 3 Aktien steigt .

I D = Wert genau einer der 3 Aktien steigt .

I E = Wert aller 3 Aktien fallt oder bleibt gleich .

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Axiomatische Wahrscheinlichkeitsdefinition (Kolmogorow)

I Mathematisches Modell fur ein Zufallsexperiment ist einWahrscheinlichkeitsraum (Ω,A,P) .

I Ω ist eine nichtleere Menge (Grundraum, Ergebnismenge), sie wirdin komplizierteren Situationen oft nicht explizit angegeben.

I A ist eine Menge von Teilmengen von Ω, so dass endlich viele oderabzahlbar unendliche Verknupfungen von Elementen aus A wiederzu einem Ergebnis in A fuhren (Ereignisalgebra, σ−Algebra).

I Die Wahrscheinlichkeitsfunktion P ordnet jeder Menge A aus A diereelle Zahl P(A) zu, so dass die folgenden Axiome gelten:

1. 0 ≤ P(A) ≤ 1 .

2. P(Ω) = 1 .

3. P(A1 ∪ A2) = P(A1) + P(A2) falls A1 ∩ A2 = ∅ .

4. P

(∞⋃i=1

Ai

)=∞∑i=1

P(Ai ) falls die Ereignisse Ai paarweise unvereinbar

sind, d.h. Ai ∩ Aj = ∅ (i 6= j) .

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Bemerkungen zu und Folgerungen aus den Axiomen

I Man benutzt oft weiter die Wahrscheinlichkeitsterminologie (z.B.”Ereignis” statt ”Teilmenge”).

I Axiome 1.-3. spiegeln Eigenschaften der relativen Haufigkeiten wider.

I Alle Zuordnungen von Wahrscheinlichkeiten, die den Axiomengenugen, sind mathematisch gesehen erst einmal korrekt(insbesondere auch subjektive Zuordnungen).

I P(∅) = 0 .

I P(A1 ∪ A2 ∪ . . . ∪ An) = P(A1) + P(A2) + . . .+ P(An) falls dieEreignisse Ai paarweise unvereinbar sind.

I P(A) = 1− P(A) , P(A) = 1− P(A) . (Oft sehr nutzlich!)

I A ⊂ B ⇒ P(A) ≤ P(B) , P(B \ A) = P(B)− P(A) .

I Additionsgesetz: P(A ∪ B) = P(A) + P(B)− P(A ∩ B) .

I Siebformel: P(A ∪ B ∪ C ) =P(A)+P(B)+P(C )−P(A∩B)−P(A∩C )−P(B∩C )+P(A∩B∩C ) .

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Ubungsbeispiel 1.2

Fur die Ereignisse A und B zu einem Zufallsexperiment seien folgendeWahrscheinlichkeiten bekannt:

P(A) = 0.25 , P(B) = 0.45 , P(A ∪ B) = 0.5 .

Berechnen Sie P(A ∩ B), P(A ∩ B) und P((A ∩ B) ∪ (A ∩ B)) !

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Klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition (Laplace-Modell)

I Gilt fur Zufallsversuche mitI endlich vielen moglichen Versuchsergebnissen (n elementare

Versuchsausgange oder Elementarereignisse),

I die alle gleichwahrscheinlich sind (keines wird bevorzugt, alle habendieselbe Chance einzutreten).

I Beispiele:I Wurfeln mit einem fairen oder gerechten Wurfel,

n = 6, Elementarereignisse sind 1, 2, 3, 4, 5, 6 .

I Zahlenlotto”6 aus 49“ ,

n = Anzahl der moglichen Tipps mit 6 aus 49 Zahlen.

I Aus den Axiomen fur Wahrscheinlichkeiten folgt dann die einzigemogliche Definition von Wahrscheinlichkeiten in dieser Situation (diesogenannte klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition).

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Klassische Wahrscheinlichkeitsdefinition

I Fur jedes der n Elementarereignisse gilt unter obigen Bedingungen:

P(Elementarereignis) =1

n.

I Fur ein beliebiges Ereignis A gilt unter obigen Bedingungen:

P(A) =Anzahl der Elementarereignisse in A

nbzw.

P(A) =Anzahl der fur A gunstigen Falle

Anzahl aller moglichen gleichwahrscheinlichen Falle.

I Bei Wahrscheinlichkeitsberechnungen im Zusammenhang mit derklassischen Wahrscheinlichkeitsdefinition werden oft kombinatorischeFormeln genutzt.

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Kombinatorische Formeln I

I Geg.: n Objekte, z.B. 1, 2, . . . , n . ⇒ Die Anzahl aller moglichenReihenfolgen betragt n! = 1 · 2 · . . . · n (

”n Fakultat“).

I Geg.: n Objekte, die in k unterschiedlichen Sorten vorliegen,bestehend jeweils aus ni , i = 1, . . . , k , nicht unterscheidbarenObjekten (2 ≤ k ≤ n und n1 + . . .+ nk = n) .⇒ Die Anzahl aller moglichen Reihenfolgen betragt(

n

n1, n2, . . . , nk

)=

n!

n1! · n2! · . . . · nk !(”Multinomialkoffizien“).

I Im Spezialfall k = 2, d.h. gegeben sind n Objekte, jedes gehort zueiner von zwei Sorten (z.B.

”Erfolg“,

”Misserfolg“), gilt

n1 = m, n2 = n −m und die Anzahl aller moglichen Reihenfolgenbetragt (

n

m

)=

n!

m!(n −m)!(”Binomialkoeffizient“).

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Kombinatorische Formeln II

I Nun seien n Objekte gegeben. Dann ist eine Frage, wie vieleMoglichkeiten es gibt, um daraus k Objekte auszuwahlen ?

Die Antwort ist abhangig davon,I ob sich in der Auswahl Objekte wiederholen durfen (m.W.) oder

nicht (o.W.)

I ob es auf die Reihenfolge der Auswahl (oder eine zusatzlicheAnordnung) ankommt (m.R.) oder nicht (o.R.).

I

o.W. m.W.

o.R.

(n

k

) (n + k − 1

k

)”Kombinationen“

m.R.

(n

k

)k! nk

”Variationen“

I Beispiel: n = 4, k = 2 .

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Ubungsbeispiel 1.3

I Eine Seminargruppe von 21 Studenten hat ihr Statistikseminar ineinem Raum mit 25 Platzen.

I Wieviele Anordnungsmoglichkeiten gibt es fur die vier freien Platze?

I Wieviele verschiedene Sitzordnungen gibt es?

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1.3 Bedingte Wahrscheinlichkeiten, Formel von Bayes

I Sind zusatzliche Informationen zu einem Zufallsexperiment verfugbar(oder werden diese hypothetisch angenommen), konnen sich dieWahrscheinlichkeiten fur die zufalligen Ereignisse andern.

I Geg.: Zufallsexperiment mit Ereignissen A,B, wobei P(B) > 0 .Es sei jetzt zusatzlich bekannt, dass B eingetreten ist.Def.: Bedingte Wahrscheinlichkeit von A unter der Bedingung B:

P(A|B) =P(A ∩ B)

P(B).

I Beispiel:Die Wahrscheinlichkeit fur ein gewisses Bauteil, sechs Monatefunktionstuchtig zu sein, betrage 0.97. Diejenige, zwei Jahre zufunktionieren, sei 0.88. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit fur einsechs Monate altes funktionstuchtiges Bauteil, nach weitereneineinhalb Jahren immer noch zu funktionieren?

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Eigenschaften bedingter Wahrscheinlichkeiten

I Im Allgemeinen gilt P(A|B) 6= P(B|A) !

I Bei fester Bedingung B kann man wie mit (unbedingten)Wahrscheinlichkeiten rechnen, z.B.

P(A|B) = 1− P(A|B) ;

P(A1 ∪ A2|B) = P(A1|B) + P(A2|B)− P(A1 ∩ A2|B) .

I MultiplikationsregelnI Es gilt P(A ∩ B) = P(A|B) · P(B) = P(B|A) · P(A) .

I Sind A1, . . . ,An zufallige Ereignisse mit P(A1 ∩ . . . ∩ An−1) > 0 ,dann gilt

P(A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An) = P(A1) · P(A2|A1) · P(A3|A1 ∩ A2) · . . .· P(An|A1 ∩ A2 ∩ . . . ∩ An−1) .

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Ubungsbeispiel 1.4

In einer Urne befinden sich 10 Kugeln (7 rote und 3 schwarze). Eswerden 4 Kugeln rein zufallig ohne Zurucklegen entnommen.

Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit fur das Ereignis A , dass alle 4gezogenen Kugeln rot sind ?

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Stochastische Unabhangigkeit

I Es kann vorkommen (und tut es in wichtigen Situationen auch), dassdas Eintreten des Ereignisses B nichts an der Wahrscheinlichkeit furdas Eintreten des Ereignisses A andert, d.h. es gilt P(A|B) = P(A) .

I Dass A und B in diesem Fall stochastisch unabhangig sind, lasst sichmit der Multiplikationsregel leicht zeigen:

P(A ∩ B) = P(A|B) · P(B)

= P(A) · P(B) .

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Formel der totalen Wahrscheinlichkeit

I Berechnung der totalen (unbedingten) Wahrscheinlichkeit aus denbedingten Wahrscheinlichkeiten: als gewichtetes Mittel.

I Sei B1, . . . ,Bn eine Zerlegung von Ω mit P(Bi ) 6= 0, i = 1, . . . , n(ein vollstandiges Ereignissystem, eine Fallunterscheidung, d.h.

n⋃i=1

Bi = Ω , Bi ∩ Bj = ∅ fur i 6= j)

.

Dann lautet die Formel der totalen Wahrscheinlichkeit: fur einbeliebiges zufalliges Ereignis A ⊂ Ω gilt

P(A) =n∑

i=1

P(A ∩ Bi )

=n∑

i=1

P(A|Bi )P(Bi ) .

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Formel von Bayes

I Unter den Bedingungen des Satzes der totalen Wahrscheinlichkeitgilt die Formel von Bayes

P(Bi |A) =P(A ∩ Bi )

P(A)=

P(A|Bi )P(Bi )

P(A)

=P(A|Bi )P(Bi )n∑

j=1P(A|Bj)P(Bj)

.

I P(Bi ) heißen auch”a-priori“-Wahrscheinlichkeiten.

I P(Bi |A) heißen auch”a-posteriori“-Wahrscheinlichkeiten,

sie liefern eine Korrektur der ursprunglichen Wahrscheinlichkeiten,wenn bekannt ist, dass das zufallige Ereignis A eingetreten ist.

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Ubungsbeispiel 1.5

Drei Zulieferer liefern eine Komponente zur Produktion einesErzeugnisses im Anzahlverhaltnis 5 : 3 : 2. Die Fehlerquote betrage beiKomponenten der 1. Zulieferfirma 7%, bei Komponenten der2. Zulieferfirma 4% und bei Komponenten der 3. Zulieferfirma 2% .

1. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit dafur, dass eine aus derGesamtliefermenge rein zufallig ausgewahlte Komponente defekt ist ?

2. Es werde eine Komponente aus der Gesamtzuliefermenge reinzufallig ausgewahlt und uberpruft. Dabei stellt man fest, dass dieKomponente defekt ist.Mit welcher Wahrscheinlichkeit wurde diese Komponente von der 1.,2. bzw. 3. Zulieferfirma geliefert ?

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