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Steuerlehre II(Abgabenordnung und Umsatzsteuer)
Steuerlehre II 2
Veranstaltungsinformationen
Die Vorlesungsfolien geben den prüfungsrelevanten Stoff lediglich in Stichworten wieder. Sie verdeutlichen die Struktur der Veranstaltung und reduzieren den Umfang der Mitschrift in der Vorlesung, sie sind aber kein Ersatz für den Besuch der Veranstaltung und das Studium der gesetzlichen Regelungen.
Der prüfungsrelevante Stoff ergibt sich aus der angegebenen Literatur sowie den Erläuterungen in der Vorlesung.
Rechtsstand: Die Folien entsprechen dem Rechtsstand 2011.
Auf Gesetzesänderungen wird in der Vorlesung hingewiesen.
• Prüfung
• im Rahmen des Moduls Institutionelle Rahmenbedingungen
• schriftliche Prüfung, 1 Zeitstunde
• Benotung zusammen mit den anderen Veranstaltungen des Moduls Institutionelle Rahmenbedingungen
Steuerlehre II 3
Zugelassene Hilfsmittel:
• Beck´sche Textausgaben: Aktuelle Steuertexte (aktuelle Ausgabe)
oder
• Besch´sche Textausgaben: Steuergesetze I, Textsammlung aktuelle Stand (Loseblattsammlung)
oder
• NWB-Textausgabe: Wichtige Steuergesetze mit Durchführungsverordnung (aktuelle Ausgabe)
• geräuschloser, nicht programmierbarer Taschenrechner
Bitte beachten Sie bereits während der Klausurvorbereitung:
1. Gesetztes- und Verordnungstexte sind nur ohne handschriftliche Zusätze zulässig; also unkommentiert.
2. Allein Unterstreichungen und farbliche Markierungen sind zulässig!
3. Die Markierung einzelner Paragraphen mit Klebezetteln, sowie Paragraphenverweise sind nicht gestattet.
Veranstaltungsinformationen
Steuerlehre II 4
Veranstaltungsinformationen
Auswahl an Lehrbüchern:
• Bornhofen, „Steuerlehre 1 Rechtslage 2011“, 32. Auflage, 2011, Gabler Verlag, ca. € 19,90
• Stobbe, „Steuern kompakt“, 10. Auflage, 2011, Verlag Wissenschaft & Praxis, ca. € 10,00
• Grefe, „Unternehmenssteuern“, 14. Auflage, 2011, Kiehl Verlag, ca. € 30,00
• Warsönke, „Abgabenordnung leicht gemacht“, 3. Auflage, 2010, Ewald v. Kleist, ca. € 10,90
Wegen der ständigen Änderung des Steuerrechts ist darauf hinzuweisen, dass sinnvoller Weise nur mit Lehrbüchern der aktuellen Auflage gearbeitet wird, da nur diese den aktuellen Rechtsstand enthalten können.
Steuerlehre II 5
Ziele der Veranstaltung
• Vermittlung der Grundzüge der Abgabenordnung (Verfahrensrecht)
• Steuerverwaltungsakt
• Fristen
• Ermittlungsverfahren
• Festsetzungs- und Feststellungsverfahren
• Bekanntgabeverfahren
• Erhebungsverfahren
• Rechtsbehelfsverfahren
• Straf- und Bußgeldverfahren
• Vermittlung der Grundzüge der Umsatzsteuer
• Einordnung der Umsatzsteuer
• Steuerbare Lieferungen und sonstige Leistungen
• Steuerbare Einfuhr
• Steuerbarer innergemeinschaftlicher Erwerb
• Steuerbefreiungen und Vorsteuerabzug
• Bemessungsgrundlage und Steuersatz
• Besteuerungsverfahren, Steuerfestsetzung und Erhebung
Steuerlehre II 6
Gliederung
A. Abgabenordnung
B. Umsatzsteuer
Steuerlehre II 7
Inhaltsübersicht
A. Abgabenordnung
1. Abgabenordnung allgemein
1.1. Einführung1.2. Ablauf des Besteuerungsverfahrens
2. Zuständigkeit der Finanzbehörden
3. Steuerverwaltungsakt
4. Fristen
4.1. Begriffe4.2. Arten der Fristen4.3. Berechnung der Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
4.5. Folgen der Fristversäumnis
4.5.1. Verspätungszuschlag
4.5.2. Säumniszuschlag
4.5.3. Zinsen
4.5.4. Zwangsgelder
4.5.5 Verzögerungsgeld
5. Ermittlungsverfahren
6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren
6.1. Grundzüge des Festsetzungs- und Feststellungsverfahrens
6.2. Nicht endgültige Steuerfestsetzung6.3. Festsetzungsverjährung bei Steuern6.4. Berichtigung von Steuerbescheiden6.4.1. Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten
6.4.2. Aufhebung oder Änderung fehlerhafterendgültiger Steuerbescheide
6.4.3. Aufhebung oder Änderung v. Steuer-bescheiden wg. neuer Tatsachen/Beweis-mittel
6.4.4. Fälle
7. Erhebungsverfahren
8. Rechtsbehelfsverfahren
8.1. Außergerichtliche Rechtsbehelfs-verfahren
8.2. Gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II 8
Inhaltsübersicht
9. Straf- und Bußgeldverfahren
9.1. Steuerstraftaten und Steuermaße
9.2. Steuerordnungswidrigkeiten
9.3. Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung
Steuerlehre II 9
Gliederung
A. Abgabenordnung
B. Umsatzsteuer
Steuerlehre II 10
Warum Abgabenordnung ?
A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung
Grundlegendes Gesetz für das deutsche Steuerrecht, regelt alle grundsätzlichen Fragen für die verschiedenen Steuerarten, wie Begriffsbestimmungen, Zuständigkeit der Finanzbehörden, Steuergeheimnis, Steuerschuldverhältnis, Haftung, Verfahrensgrundsätze, Steuerbescheide, Durchführung der Besteuerung, Erhebungsverfahren, Vollstreckung, außergerichtliche Rechtsbehelfe, Straf- und Bußgeldvorschriften.
Im Jahr 1977 wurde die bis dahin geltende Reichsabgabeordnung von 1919 und einen erheblichen Teil ihrer Nebengesetze durch die neue Abgabenordnung ersetzt.
Die Abgabenordnung soll sicherstellen, dass das materielle Steuerrecht gleichmäßig und dem Gesetz entsprechend, zugleich aber möglichst unbürokratisch und unter Beachtung rechtsstaatlicher Erfordernisse angewendet werden kann.
Sie gilt als Rahmengesetz für das gesamte Steuer- und Zollrecht, das Abschöpfungsrecht und den Bereich der Steuervergünstigungen (zum Beispiel Investitionszulagen), die durch Bundes-Abkommensrecht oder Recht der Europäischen Union (EU) definiert und von Bundes- oder Landesbehörden verwaltet werden. Außerdem gelten ihre Bestimmungen auch in Bezug auf Kommunalabgaben (zum Beispiel Erschließungs-, Rohrnetzkostenbeiträge usw.), soweit die Kommunalabgabengesetze der Bundesländer auf einzelne Bestimmungen der Abgabenordnung verweisen.
Fazit: Jeder muss sich im geschäftlichen und privaten Bereich mit der Abgabenordnung auseinander setzen.
Steuerlehre II 11
Geltungsbereich der Abgabenordnung
Abgabenordnung
BewG
GewSt ErbSt ESt KSt USt
A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung
Steuerlehre II 12
Zwecke, Funktionen und Aufbau der Abgabenordnung
Zwecke Entlastung der
Einzelgesetze AO enthält Vorschriften, die bei der Ermittlung, Festsetzung, Erhebung und Vollstreckung für alle einzelnen Steuergesetze gelten
Vereinheitlichung des Steuerrechts Mantelgesetz
kein Einzelsteuergesetz ist alleine anwendbar:
AO enthält allgemeine Regeln für alle Steuergesetze
Funktionen Regelung von verfahrensrechtlichen Vorschriften
zum Entstehen und Erlöschen von Steueransprüchen, z.B.
- Steuerfestsetzung durch Bescheide
- Verjährung von Ansprüchen
zum Rechtsbehelfsverfahren - Einspruch
zu den Änderungsmöglich- keiten von Steuerbescheiden
- Korrekturvorschriften
Aufbau Grundlage für den Aufbau der AO ist der Ablauf des Besteuerungsverfahrens
Gliederung in 9 Teile
A 1. Abgabenordnung allgemein1.1. Einführung
Steuerlehre II 13
Ermittlungsverfahren § 134 ff. AO
Festsetzungs- und Feststellungsverfahren § 155 ff. AO
Bekanntgabeverfahren § 122 ff. AO
Berichtigungsverfahren Rechtsbehelfsverfahren
Erhebungsverfahren § 218 ff. AO
Vollstreckungsverfahren § 249 ff. AO
1. Abgabenordnung allgemein1.2. Ablauf des BesteuerungsverfahrensA
Steuerbescheid
Steuererklärung
Steueranmeldung
Steuerlehre II 14
Bei den Zuständigkeitsregeln wird unterschieden zwischen
Sachliche Zuständigkeit § 16 AOBestimmt den Aufgabenbereich einer Behörde.Sachlich zuständig für die Verwaltung der Steuern sind die Finanzbehörden des Bundes, der Länder und der Gemeinden, z.B. Für den Erlass von Einkommensteuerbescheiden die Finanzämter: § 17 FVGWelches der Finanzämter im Einzelfall konkret zuständig ist, ergibt sich erst aufgrund der örtlichen Zuständigkeit.Entscheidungen einer sachlich nicht zuständigen Behörde sind fehlerhaft [§ 130 Abs. 2 Nr. 1 AO] Aufhebung oder Änderung des fehlerhaften Verwaltungsakts z.B. nach §§ 130, 131 AO nichtig [§ 125 Abs. 1 AO] nur bei besonders schwerwiegenden Fehlern ist der Verwaltungsakt ganz oder teilweise unwirksam
Örtliche Zuständigkeit §§ 17- 29 AO Regelt die Aufgabenverteilung der sachlich zuständigen Behörde in räumlicher Hinsicht: Welches der Finanzämter ist zuständig?
Zwei Zuständigkeitszuordnungen sind zu unterscheiden:
Örtliche Zuständigkeit nach der Steuerart
ESt
KSt
USt
Realsteuern
Örtliche Zuständigkeit nach der gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungs-grundlagen
A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden
Steuerlehre II 15
Steuerart zuständiges Finanzamt
Einkommensteuer natürlicher Personen
Wohnsitzfinanzamt § 19 (1) AO
Umsatzsteuernatürlicher Personen diekeine Unternehmer sind
Wohnsitzfinanzamt § 21 (2) AO
ESt und KSt bei juristischen Personen
Geschäftsleitungsfinanzamt§ 20 (1) AO
Grundsteuer * Lagefinanzamt § 22 (1) AO
Umsatzsteuerinländischer Unternehmerund Gewerbesteuer *
Betriebsfinanzamt§ 21 (1) AO§ 22 (1) AO
USt und EStbei Bauleistungen aus-ländischer Unternehmer
Zentralfinanzamt§ 21 (1) Satz 2 AO
§ 20 a (1) AO
Örtliche Zuständigkeit nach Steuerart
* nur Steuermessbetrag
A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden
Steuerlehre II 16
Örtliche Zuständigkeit nach der Steuerart
Einkommensteuer natürlicher Personen [§ 19 (1) AO]
Wohnsitzfinanzamt Wohnsitz [§ 8 AO] - objektiv zum Wohnen geeignete Räume - Innehaben bedeutet, dass tatsächlich darüber verfügt wird - An- und Abmeldung beim Ordnungsamt sind Indizien für den Wohnsitz des SteuerpflichtigenGewöhnlicher Aufenthalt [§ 9 AO] - Zeitlich zusammenhängender Aufenthalt von mehr als sechs Monaten - Kurzfristige Unterbrechungen sind unbeachtlich
Körperschaftsteuer juristischer Personen [§ 20 AO]Geschäftsleitungsfinanzamt
Geschäftsleitung [§ 10 AO] - wo der für die Geschäftsleitung maßgebende Wille gebildet wird - i.d.R. die Büroräume des UnternehmensSitz des Unternehmens [§ 11 AO] - Sitz: An dem Ort, der durch Gesetz, Gesellschaftsvertrag oder Satzung bestimmt ist
Umsatzsteuer [§ 21 AO]Inländische Unternehmer:
Betriebsfinanzamt Ausländische Unternehmer, die im Inland steuerpflichtig sind
Zentralfinanzamt z.B.für Unternehmer aus Belgien: FA Trier
Natürliche Person (Nichtunternehmer) Wohnsitzfinanzamt [siehe § 19 (1)] z.B. beim Erwerb neuer Fahrzeuge
Realsteuern [§ 18 AO]Gewerbesteuer (Gemeindesteuer) - Festsetzung und Zerlegung des Gewerbesteuermessbetrages
Betriebsfinanzamt . - Gewerbesteuerbescheid
Grundsteuer (Gemeindesteuer) - Festsetzung und Zerlegung des Grundsteuermessbetrages
Lagefinanzamt - Grundsteuerbescheid
2. Zuständigkeit der FinanzbehördenA
Steuerlehre II 17
Örtliche Zuständigkeit nach gesonderter und einheitlicher Feststellung v. Besteuerungsgrundlagen
Steuern werden in einem Steuerbescheid festgesetzt [§ 157 (1) AO].Bestimmte Besteuerungsgrundlagen werden in einem Feststellungsbescheid gesondert festgestellt [§ 179 (1), § 180 AO].Sind mehrere Personen an einer Besteuerungsgrundlage beteiligt, so wird die gesonderte Feststellung gegenüber den Beteiligten einheitlich vorgenommen (gesonderte und einheitliche Feststellung) [§ 179 (2) S. 2 AO]. Die gesonderte Feststellung in einem Feststellungsbescheid ist zweckmäßig, wenn sie für mehrere Steuerbescheide von Bedeutung ist, weil sonst die Besteuerungsgrundlagen für jeden Steuerbescheid erneut ermittelt und festgesetzt werden müssten.
Nach § 180 AO werden gesondert festgestellt: Die Einheitswerte nach Maßgabe des BewG [§ 180 (1) Nr. 1 AO], z. B. für Grundstücke Die ESt- und KSt-pflichtigen Einkünfte und mit diesen im Zusammenhang stehende Besteuerungsgrundlagen, wenn mehrere Personen daran beteiligt sind [§ 180 (1) Nr. 2a AO]Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder freiberuflicher Tätigkeit, wenn das für die Feststellung der Einkünfte zuständige Finanzamt nicht auch für die Steuern vom Einkommen zuständig ist [§ 180 (1) Nr. 2b].Örtliche Zuständigkeit für die Feststellungen nach § 180:Für Gewinneinkünfte § 18 (1) Nr. 1 bis 3 AO - Lage-, Betriebs- bzw. TätigkeitsfinanzamtFür Überschusseinkünfte: § 18 (1) Nr. 4 AO - Verwaltungsfinanzamt
Lagefinanzamt
- Einheitswert der Grundstücke [§ 180 (1) Nr. 1 i.V.m. § 19 (1) BewG]- Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO]
Betriebsfinanzamt
Gewinn aus Gewerbebetrieb [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO]
Tätigkeitsfinanzamt
Einkünfte aus selbständiger Arbeit [§ 180 (1) Nr. 2a u. 2b AO]
Verwaltungsfinanzamt
- Einkünfte aus Kapitalvermögen [§ 180 (1) Nr. 2a AO]- Einkünfte aus Ver- mietung und Verpachtung
[§ 180 (1) Nr. 2a AO]
A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden
Steuerlehre II 18
Fall 1:
Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt seine Kanzlei mit fünf Mitarbeitern in Mannheim in eigenen Büroräumen.
Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig?
Fall 2:
Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt seine Kanzlei mit fünf Mitarbeitern in Ludwigshafen in eigenen Büroräumen.
Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig?
Fall 3:
Der ledige Steuerberater C wohnt in Mannheim in einem eigenen Einfamilienhaus und betreibt die Kanzlei in Form einer BGB-Gesellschaft mit dem in Heidelberg wohnenden D in Ludwigshafen in angemieteten Büroräumen.
Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig?
Fall 4:
B, der in Mannheim wohnt, gehört zur Erbengemeinschaft S, die Eigentümerin eines in Würzburg gelegenen Mietwohngrundstückes ist. Die anderen Mitglieder der Erbengemeinschaft wohnen in Heidelberg. Die Verwaltung des Mietwohngrundstückes obliegt einem Immobilienbüro in Stuttgart. Darüber hinaus ist B an der gewerblich tätigen ABC OHG beteiligt, die in Karlsruhe die Betriebsräume hat.
Frage: Welches Finanzamt ist für welche Steuerart örtlich zuständig?
A 2. Zuständigkeit der Finanzbehörden
Steuerlehre II 19
Steuern werden von den Finanzbehörden grundsätzlich durch Steuerbescheide festgesetzt [§ 155 (1) S. 1 AO].
Steuerbescheide sind (Steuer-) Verwaltungsakte [§ 155 (1) S. 2 AO]. Unter einem Verwaltungsakt versteht man jede Verfügung, Entscheidung oder andere hoheitliche
Maßnahme, die eine Behörde zur Regelung eines Einzelfalles auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts trifft und die auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichtet ist [§ 118 Satz 1 AO].
Diese Gesetzesdefinition enthält folgende Begriffsmerkmale:
1. Es muss sich um eine (finanz-) behördliche Maßnahme handeln,
• Willensäußerung einer Finanzbehörde
• auf Rechtsfestsetzung oder Rechtsgestaltung gerichtet
• häufig auch als Bescheide bezeichnet
2. zur Regelung eines Einzelfalles,
• Eingriff in die Rechtsverhältnisse einer einzelnen Person oder Personengruppe
3. auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts (Steuerrecht),
• eine behördliche Maßnahme aufgrund von steuerrechtlichen Vorschriften
• keine zivilrechtliche Maßnahme des Finanzamtes
4. mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen.
• der Steuerpflichtige muss unmittelbar in seinen Rechten und Pflichten berührt sein
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 20
S t e u e r v e r w a l t u n g s a k t e
begünstigende Steuerverwaltungsakte
belastende Steuerverwaltungsakte
.. sind Verwaltungsakte, die für einen Steuerpflichtigen ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründen oder bestätigen [§ 130 (2) AO].
Beispiele:
Fristverlängerung [§ 109 AO]
Gewährung von Buchführungs-erleichterungen [§ 148 AO]
Steuerstundung [§ 222 AO]
Steuererlass [§ 227 AO]
.. sind Verwaltungsakte, die für den Steuerpflichtigen einen Nachteil begründen.
Beispiele:
Steuerbescheid [§ 155 AO]
Aufforderung zur Buchführung[§ 141 (2) AO]
Prüfungsanordnung [§ 196 AO]
Pfändung [§ 281 AO]
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 21
Voraussetzung für das Wirksamwerden eines Verwaltungsaktes
Ein Verwaltungsakt wird gegenüber demjenigen, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, in dem Zeitpunkt wirksam, in dem er ihm bekannt gegeben wird [§ 124 (1) AO]
Bekanntgabe bedeutet, dem Beteiligten, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Möglichkeit zu verschaffen, von dem Inhalt des Verwaltungsakts Kenntnis zu nehmen.
Bis zur Bekanntgabe ist ein Verwaltungsakt nur ein behördeninterner Vorgang ohne Wirkung für den Betroffenen.
Vorraussetzung für die Wirksamkeit eines Verwaltungsaktes:(1) Inhaltlich hinreichende Bestimmung des Verwaltungsaktes [§ 119 (1) AO] und(2) Bekanntgabe des Verwaltungsaktes [§ 124 (1) AO]
Deshalb ist beim Erlass von schriftlichen Verwaltungsakten festzulegen,
an wen er sich richtet (Inhaltsadressat bzw. Steuerschuldner [§§ 37, 43 AO]), wem er bekannt gegeben werden soll (Bekanntgabeadressat [§ 122 (1) AO]), welcher Person er zu übermitteln ist (Empfänger [§ 80 AO], z.B. Steuerberater) und ob eine besondere Form der Bekanntgabe erforderlich oder zweckmäßig ist.
Beispiel: Der Steuerinspektor Willig fertigt einen ESt-Bescheid für den Steuerpflichtigen Silbermann aus. Aus Versehen bleibt der Steuerbescheid in der Steuerakte liegen.
→ Er wird nicht wirksam, weil er nicht bekannt gegeben wurde.
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 22
Fall:
Max Müller (acht Jahre) hat Kapitalvermögen geerbt und dadurch erhebliche Einkünfte. Seine Eltern (Hans und Erna) haben einen Steuerberater (Dr. Kaiser) mit der Wahrnehmung der steuerlichen Interessen des Max beauftragt (§ 80 AO) und ihn zum Empfangsbevollmächtigten bestellt. Die schriftliche Empfangsvollmacht liegt dem Finanzamt vor.
Aufgabe:
a) Wer ist materieller Adressat (Inhaltsadressat)?b) Wer ist formeller Adressat (Bekanntgabeadressat)?c) Wem wird der Steuerbescheid zugestellt (Empfänger)?
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 23
A 3. Steuerverwaltungsakt
Lösung:
Materieller Adressat (Inhaltsadressat) ist ................................ . Er ist Steuerschuldner. Sein Name muss im Bescheidkopf genannt werden.
Formeller Adressat (Bekanntgabeadressat) sind ............................... (§ 34 (1) AO). Ihre Namen sowie das Vertretungsverhältnis müssen ebenfalls im Bescheid aufgeführt werden.
Empfänger ist ............................. Sein Name ist im Anschriftfeld anzugeben.
Postalisches Anschriftenfeld
.....................
Postfach 1176
68165 Mannheim
Bescheidkopf:
......................
Blumenweg 17
68165 Mannheim
Bescheid für:
......................................................................................................................, Blumenweg 17, 68165 Mannheim
Steuerlehre II 24
Formen der Bekanntgabe
schriftlich mündlich elektronisch konkludent (schlüssiges Verhalten)
schriftliche Bestätigung, wenn hieran ein berechtigtes Interesse besteht und der Betroffenen dies unverzüglich verlangt (§ 119 (2) S. 2 AO)
Übermittlung per Post § 122 (2) AO
mittels gewöhnlichem Brief
Bekanntgabefiktion: a) im Inland: am dritten Tag nach der Aufgabe zur Postb) im Ausland: einen Monat nach Aufgabe zur Post.
Besonderheiten: 1) Fällt der Bekanntgabetag auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so verlängert sich die Bekanntgabefiktion auf den nächsten Werktag (AEAO zu § 108 AO).
2) Bekanntgabefiktion gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist. Behörde muss Zugang nachweisen.
Elektronische
Übermittlung § 122 (2a) AO
Bekanntgabe-fiktion: am 3. Tag nach
Absendung.
Besonderheiten:
siehe 1) und 2) „Übermittlung per Post“.
Öffentliche Bekanntgabe § 122 (3) AO
a) Möglich, wenn dies durch Rechtsvorschrift
zugelassen ist.
b) Allgemeinverfügung
sind z.B. Öffentliche Aufforderung zur Abgabe der Steuerer-
klärung § 149 (1) S. 3 AO
c) Die öffentliche Bekanntgabe von Einzelverwaltungs- akten hat in der Praxis eine geringe Bedeutung. (Ausnahme: Adresse nicht bekannt)
Zustellung § 122 (5) AO
-Förmliche Übergabe eines Schriftstückes in der gesetzlich vorgeschrieb-enen Art und Weise.
-Rechtsgrundlage: Verwaltungszustellungs- gesetz
-nur erforderlich wenn gesetzlich vorgeschrieben oder behördlich angeordnet.
- Zustellungsarten (Post):
a) Postzustellungs- urkunde
b) Einschreiben (§7 VwZG) ; Zweck: Eindeutiger Nachweis!
§ 122 (2) – (5) AO nennt vier Formen für die Bekanntgabe
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 25
Rechtswirkungen und Nichtigkeit eines bekannt gegebenen Verwaltungsaktes
Ein Verwaltungsakt ist mit dem Inhalt wirksam, mit dem er bekannt gegeben wird [§ 124 (1) S. 2 AO] Ein Verwaltungsakt bleibt nach der Bekanntgabe so lange und so weit wirksam, als er nicht
zurückgenommen, widerrufen, anderweitig aufgehoben, durch Zeitablauf oder auf andere Weise erledigt ist [§ 124 (2) AO].
An den bekannt gegebenen Verwaltungsakt sind das Finanzamt und der Steuerpflichtige gebunden, falls
keine Korrekturvorschrift zur Anwendung kommt z.B. die §§ 130, 131 AO bzw. §§ 172 ff. AO
oder der Steuerpflichtige nichts gegen den Steuerbescheid unternimmt z.B. Einspruch einlegt.
Ein nichtiger Verwaltungsakt ist unwirksam [§ 124 (3) AO]. Ein Verwaltungsakt ist nur nichtig, wenn er einen besonders schweren und offenkundigen Fehler
enthält [§ 125 (1) AO]. Ein nichtiger Verwaltungsakt entfaltet keine Rechtswirkung. z.B. die telefonische Bekanntgabe des Steuerbescheids [§ 157 (1) AO]
Ohne Rücksicht auf das Vorliegen eines offenkundigen Fehlers ist ein Verwaltungsakt nichtig [§ 125 (2) AO],
der schriftlich erlassen worden ist, die erlassende Finanzbehörde aber nicht erkennen lässt, den aus tatsächlichen Gründen niemand befolgen kann (z.B. Steuerbescheid an einen Verstorbenen), der gegen straf- oder bußgeldrechtliche Vorschriften verstößt, der gegen die guten Sitten verstößt (hat keine praktische Bedeutung).
Keine Nichtigkeit eines Steuerbescheids z.B. wegen: örtlicher Unzuständigkeit des Finanzamts [§ 125 (3) AO] fehlender Begründung des Verwaltungsakts [§ 121 (1) AO]
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 26
Aufgabe:
Prüfen Sie in folgenden Fällen ob es sich um Steuerverwaltungsakte handelt und geben Sie die Wirkung an:
1. Bewilligung einer Stundung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Steuerpflichtigen W.
2. Interne Niederschlagung einer Einkommensteuer-Abschlusszahlung nach § 261 AO.
3. Vertrag zwischen dem Vorsteher des Finanzamtes und der Stadt Ludwigshafen über die Anmietung von Diensträumen.
4. Festsetzung eines Säumniszuschlages gegen die H-GmbH wegen rückständiger Körperschaftsteuer-Vorauszahlungen.
In welchen Fällen gilt der Steuerbescheid als wirksam bekannt gegeben?
1. Der Einkommensteuerbescheid wird dem Steuerpflichtigen persönlich im Finanzamt übergeben.
2. Der Briefträger hat den Einkommensteuerbescheid in den Türbriefkasten des Steuerpflichtigen M geworfen. Der Hund vernichtet den Steuerbescheid ohne das M dies bemerkte.
3. Der mit einfachem Brief übermittelte Einkommensteuerbescheid weist einen sachlichen Fehler aus, der zu einer überhöhten Steuerschuld führt.
A 3. Steuerverwaltungsakt
Steuerlehre II 27
Die Fristbestimmung und die Einhaltung von Fristen haben in der Praxis der steuerberatenden Berufe und der Finanzbehörden eine große Bedeutung.
Frist Verweis in § 108 AO auf die §§ 187 - 193 BGB ein abgegrenzter, bestimmbarer Zeitraum, vor dessen Ablauf eine Handlung oder ein Ereignis
wirksam werden muss, um fristgerecht zu sein, z.B.:• Rechtsbehelfsfrist von einem Monat [§ 355 (1) S. 1 AO]• Steuerliche Verjährungsfristen [§§ 169 ff. AO]• Fristverlängerung zur Abgabe der ESt-Erklärung [§ 149 AO]
Termin Ein bestimmter Zeitpunkt, an dem etwas geschehen soll oder zu dem eine Wirkung eintritt. Die verlangte Handlung kann weder vorher noch nachher erbracht werden.
Fälligkeitstermin der Endzeitpunkt einer Frist; er gibt das Ende einer Frist an
Bedeutung Fristen, die an einem Wochenende oder an einem gesetzlichen Feiertag regulär enden,
verlängern sich bis zum Ablauf des folgenden Werktages [§ 108 (3) AO]. Termine, die auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag fallen, werden
nicht verschoben z.B. behördliche Termine [§ 108 (5) AO]
A 4. Fristen4.1. Begriffe
Steuerlehre II 28
F r i s t e n
behördliche Fristen gesetzliche Fristen
sind Fristen, die im Einzelfall von der Behörde festgelegt werden:
Beispiele:
Stundungsfrist [§ 222 AO]
Frist zur Aussetzung der Vollziehung [§ 361 AO]
sind Fristen, die gesetzlich genau bestimmt sind.
Beispiele:
Einspruchsfristen [§ 355 AO]
Erklärungsfristen [§ 149 AO]
Zahlungsfristen [§ 222 AO]
Behördliche Fristen, Erklärungsfristen und Zahlungsfristen (z.B. durch (§ 361 (2)) können von den Finanzbehörden verlängert werden [§ 109 (1) AO].
Gesetzliche Fristen sind nur dann verlängerbar, wenn dies gesetzlich vorgesehen ist, andernfalls können diese nicht verlängert werden. Die nicht verlängerbaren gesetzlichen Fristen werden auch Ausschlussfristen genannt.
A 4. Fristen4.2. Arten der Fristen
Steuerlehre II 29
Für die Berechnung von Fristen gelten grundsätzlich die Vorschriften des BGB [§ 108 AO].
Beginn der FristEreignisfristen [§ 187 (1) BGB] - die Frist beginnt mit Ablauf des Ereignistages (z.B. Bekanntgabe des ESt-Bescheides), - der Tag des Ereignisses bleibt unberücksichtigt, z.B. - Einspruchsfrist [§ 355 AO], - Festsetzungsfrist [§ 169 (2) AO]Beginnfristen [§ 187 (2) BGB] Der Anfangstag zählt bei der Fristberechnung mit, d.h. die Frist beginnt mit Ablauf des Vortages z.B.: - Zahlungsfrist f. Vorauszahlungen [§ 18 (1) UStG], - Lebensalterberechnung [§ 187 (2) BGB]. § 108 (3) AO gilt auch für Drei- Tage-Regelungen, die Monats-Rege- lung und die Zweiwochen-Regelung zum Zeitpunkt der Bekanntgabe (vgl. AEAO zu § 108 Nr. 2).
Dauer der FristEine Frist kann nach Tagen, Wochen, Monaten oder Jahren bestimmt sein- Jahresfristen, z.B.: Festsetzungsfrist [§ 169 (2) AO] Verjährungsfrist [§ 228 AO] Aufbewahrung von Unterlagen [§ 147 (3) AO]- Monatsfristen, z.B.: Einspruchsfrist [§ 355 (1) AO] Klagefrist [§ 47 (1) FGO]- Wochenfristen, z.B.: Mahnfrist [§ 159 AO] Vollstreckungsschutzfrist [§ 254 (1) AO]- Tagesfristen, z.B.: Schonfrist bei Zahlung [§ 240 (3) AO]
Ende der FristDas Fristende ist abhängig von der Fristdauer Tagesfristen enden mit Ablauf des letzten Tages der Frist um 24:00 Uhr [§ 188 (1) BGB].Wochenfristen enden mit Ablauf des Tages, der in seiner Benennung (z.B. Mittwoch) dem Anfangstag entspricht.Monatsfristen enden mit Ablauf des Tages, der in seiner Zahl (z.B. 14.) dem nicht mit- gezählten Anfangstag entspricht.Fällt das Ende einer Tages-, Wochen- oder Monatsfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages [§ 108 (3) AO].
A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen
Steuerlehre II 30
Fall 1: Dem Steuerpflichtigen Müller aus Frankfurt am Main wird am 28.09.2008 (= Sonntag) sein ESt-Bescheid bekannt gegeben. Wann endet die Rechtsbehelfsfrist?
Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen grundsätzlich mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 28.09.2008; da der 28.09.2008 aber ein Sonntag ist, beginnt die Frist erst mit Ablauf des 29.09.2008.
Fristdauer: einen Monat (§ 355 Abs. 1 AO)Fristende: Monatsfristen enden grundsätzlich mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch
seine Zahl (29.) dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, d.h. am 29.10.2008 um 24.00 Uhr.
Fall 2: Dem Steuerpflichtigen A ist am Freitag, dem 29.08.2008, eine Mahnung zugegangen. In der Mahnung wird eine (Ereignis-) Frist zur Zahlung von einer Woche gesetzt.Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 29.08.2008. Fristdauer: eine WocheFristende: Wochenfristen enden grundsätzlich mit Ablauf des Tages in der nächsten Woche, der den gleichen
Wochentagsnamen hat, wie der Ereignistag, nämlich am Freitag, d.h. am 5.09.2008 um 24.00 Uhr.
Fall 3: Dem Steuerpflichtigen B wird am Mittwoch, dem 3.09.2008, sein ESt-Bescheid bekannt gegeben.
Wann endet die Rechtsbehelfsfrist?Fristbeginn: Ereignisfristen beginnen mit Ablauf des Ereignistages, d.h. mit Ablauf des 3.09.2008.Fristdauer: einen Monat (§ 355 Abs. 1 AO)Fristende: Monatsfristen enden grundsätzlich mit Ablauf desjenigen Tages des letzten Monats, der durch
seine Zahl (3.) dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, d.h. am 3.10.2008 um 24.00 Uhr. Da der 3.10.2008 ein Feiertag ist, kommt die Feiertagsregelung zur Anwendung.
Feiertagsregelung: Fällt das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag oder einen gesetzlichen Feiertag, so endet die Frist mit Ablauf des nächstfolgenden Werktages (§ 108 III AO), d.h. am 6.10.2008
um 24.00 Uhr.
A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen
Steuerlehre II 31
Fall 4: Das Finanzamt Freiburg gibt am Dienstag, 1.07.2008, einen Einkommensteuerbescheid mittels gewöhnlichem Brief zur Post. Wann endet die Rechtsbehelfsfrist?
Fristbeginn: Fristdauer:
Fristende:
Fall 5: Die Steuerpflichtige Karin Killing erhält ihren Einkommensteuerbescheid 2007 am Donnerstag, 28.02.2008. Der Einkommensteuerbescheid wurde vom Finanzamt am Mittwoch,
27.02.2008, zur Post gegeben (Datum des Poststempels).
Wann endet die Rechtsbehelfsfrist?
Fristbeginn:
Fristdauer:
Fristende:
Fall 6: Dem Steuerpflichtigen Müller wird am Donnerstag, 27.03.2008, ein Einkommensteuerbescheid bekannt gegeben. Gegen diesen Bescheid will Müller Einspruch einlegen.
An welchem Tag endet die Rechtsbehelfsfrist?
Fristbeginn:
Fristdauer:
Fristende:
A 4. Fristen4.3. Berechnung der Fristen
Steuerlehre II 32
[§ 110 (1) AO]
War jemand ohne Verschulden verhindert, eine gesetzliche Frist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (Nachsicht) zu gewähren, d.h. der Steuerpflichtige wird so gestellt, als hätte er die Frist nicht versäumt.
Verhinderung bedeutet, dass jemand wegen äußerer Umstände oder persönlicher Gründe die Frist nicht wahren kann (z.B. plötzlich eintretende schwere Krankheit).
Kein Verschulden an der Fristversäumnis liegt vor, wenn der Antragsteller alles Zumutbare getan hat, um eine Frist einzuhalten. Arbeitsüberlastung ist aber kein Grund für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
Das Verschulden des Vertreters (z.B. des Steuerberaters) wird dem Steuerpflichtigen als eigenes Verschulden zugerechnet. Steuerberater führen deswegen grundsätzlich ein Fristenkontrollbuch.
Der Antrag ist innerhalb eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen. Innerhalb dieser Frist ist auch die versäumte Rechtshandlung nachzuholen.
Die Frist ist nicht verlängerbar. Bei Versäumung der Frist ist jedoch wiederum Wiedereinsetzung in den vorigen Stand möglich.
Nach einem Jahr seit dem Ende der versäumten Frist kann der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand grundsätzlich nicht mehr gestellt werden [§ 110 (3) AO].
A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Steuerlehre II 33
Aufgabe
Der Steuerpflichtige V. aus Ludwigshafen geht am 07.05.2010 zum zuständigen Finanzamt um einen schriftlichen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid 2009 vom 04.04.2010 persönlich in den Briefkasten zu werfen. An einer ungesicherten Baustelle stürzt er.
Wegen einer schweren Gehirnerschütterung wird er ins Krankenhaus eingeliefert, wo er bis zum 26.05.2010 bleiben muss. Am Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus findet er in seiner Jacke das Einspruchsschreiben.
Kann V. nach Entlassung aus dem Krankenhaus noch Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid einlegen ?
A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Steuerlehre II 34
Aufgabe
Der Steuerpflichtige V aus Ludwigshafen will sich nach seinem Unfall erholen und fährt daher in einen ausgedehnten Urlaub nach Australien. Dieser dauert vom 10. Juni 2010 bis 30.Sepember 2010.
Am Tag der Rückkehr von seinem Urlaub stellt V fest, dass er Post vom Finanzamt erhalten hat.
Der Brief mit dem Einkommensteuerbescheid 2009 trägt das Postdatum „Donnerstag 22.07.2010“.
Kann V noch Einspruch gegen Einkommensteuerbescheid einlegen?
A 4. Fristen4.4. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Steuerlehre II 35
Bei Fristversäumnis können sich für den Steuerpflichtigen negative Folgen
ergeben:
1. Verspätungszuschläge [§ 152 AO],
2. Säumniszuschläge [§ 240 AO],
3. Zinsen [§§ 233 bis 237 AO],
4. Zwangsgelder [§ 329 AO],
5. Verzögerungsgeld [§ 146 AO].
A 4. Fristen4.5. Folgen der Fristversäumnis
Steuerlehre II 36
Folgen der Fristversäumnis
Verspätungszuschlag
§ 152 AO
Säumniszuschlag
§ 240 AO
Zinsen
§ 233 ff. AO
Zwangsgeld
§ 329 AO
Der Verspätungs-zuschlag darf 10 % der festgesetzten Steuer nicht über-steigen und höchstens 25.000 € betragen.
Der Säumniszuschlag beträgt 1% für jeden angefangenen Monat der Säumnis.
Der rückständige Steuerbetrag ist auf volle 50 € abzurunden.
Die Zinsen betragen 0,5 % für jeden vollen Monat des Zinslaufs. Der zu verzinsende Betrag ist auf volle 50 € abzurunden.
Das Zwangsgeld darf im Einzelnen 25.000 € nicht übersteigen.
§ 233 a AO
Erstattungs- und Nachzahlungszinsen
Bsp.: STE 2008
Beginn 1.4.2010 Ende: Bekanntgabe des Steuerbescheids 2008
A 4. Fristen4.5. Folgen der Fristversäumnis
Verzögerungs-geld § 146 AO
Verzögerungs-geld nach Ermessen von 2.500 € bis 250.000 € möglich.
Steuerlehre II 37
1. Verspätungszuschlag [§ 152 AO]
Gegen denjenigen, der seiner Verpflichtung zur Abgabe einer Steuererklärung nicht fristgerecht nachkommt, kann ein Verspätungszuschlag festgesetzt werden [§ 152 (1) S. 1 AO].
Es kann von einem Verspätungszuschlag abgesehen werden, wenn die Versäumnis entschuldbar erscheint [§ 152 (1) S. 2 AO].
Berechnung:
max. 10 % der festgesetzten Steuer oder des festgesetzten Messbetrages, höchstens 25.000 EUR [§ 152 (2) S.1 AO]
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.1. Verspätungszuschlag
Steuerlehre II 38
2. Säumniszuschlag [§ 240 AO]
Wird eine Steuer nicht bis zum Ablauf des Fälligkeitstages gezahlt, so hat der Steuerpflichtige einen Säumniszuschlag zu entrichten [§ 240 (1) S. 1 AO].
Der Säumniszuschlag entsteht kraft Gesetz allein durch Zeitablauf. Auf ein Verschulden des Steuerpflichtigen kommt es nicht an.
Der Säumniszuschlag wird nicht erhoben bei einer Säumnis bis zu drei Tagen bei einer Überweisung an die Finanzkasse (nicht bei Scheck oder Barzahlung) [§ 240 (3) S. 2 AO].
Besonderheit Scheckzahlung: Zahlungseingang bei Scheckzahlungen ist erst drei Tage nach Eingang des Schecks!
Auf diese Schonfrist hat der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch. Fällt der letzte Tag der Schonfrist auf einen Samstag, Sonntag oder gesetzlichen Feiertag, so tritt an seine Stelle der nächstfolgende Werktag.
Berechnung: Für jeden angefangenen Monat der Säumnis 1 % des rückständigen auf 50 € abgerundeten Steuerbetrages [§ 240 (1) S. 1 AO].Der Säumniszeitraum beginnt mit dem Ablauf des Fälligkeitstages, nicht erst nach Ablauf der Schonfrist. Eine Säumnis tritt nicht ein, bevor die Steuer festgesetzt oder angemeldet worden ist [§ 240 Abs. 1 S. 3 AO], d.h. beispielsweise, dass bei Voranmeldungen (USt, LSt) Säumniszuschläge erst nach der Abgabe der Voranmeldung entstehen können. Der Säumniszeitraum endet mit dem Erlöschen der Steuerschuld. Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis erlöschen im Regelfall durch Zahlung [§ 47 AO], in anderen Fällen durch Aufrechnung, Erlass oder Verjährung.
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.1. Verspätungszuschlag
Steuerlehre II 39
Fälle zum Säumniszuschlag:
Fall 1: Die Steuerpflichtige Mayer hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat April 2007 fristgerecht dem Finanzamt übermittelt, jedoch ihre am 10.05.2007
fällige USt- Schuld i.H.v. 190 € nicht fristgerecht gezahlt. Die Zahlung ging durch Banküberweisung erst am 11.05.2007 bei der Finanzkasse ein.→
Fall 2: Die Steuerpflichtige Heike Utler reicht ihre USt-Voranmeldung für den Monat Mai 2007 mit einer USt-Schuld von 49 € erst am 8. August 2007 ein, ohne eine Zahlung zu leisten.
→
Fall 3: Frau Müller hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat März 2007 fristgerecht übermittelt. Die am 10.04.2007 fällige Zahlung i.H.v. 1.140 € geht aber erst am 16.05.2007 bei der Finanzkasse ein.
→
Fall 4: Die Steuerpflichtige Müller hat ihre USt-Voranmeldung für den Monat Oktober 2007 fristgerecht übermittelt. Die am 12.11.2007(10.11. ist ein Samstag) fällige Zahlung i.H.v. 2.140 € geht erst am 10.12.2007 bei der Finanzkasse ein.
→
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.2. Säumniszuschlag
Steuerlehre II 40
3. Zinsen [§ 233 bis 237 AO]
Berechnung: Die Zinsen betragen 0,5 % für jeden vollen Monat des Zinslaufs des auf 50 € abgerundeten Betrages; angelaufene Monate bleiben außer Ansatz [§ 238 AO].
Zinsen werden nur dann festgesetzt, wenn sie mindestens 10 € betragen [§ 239 (2) AO].
Steuernachforderungen bzw. -erstattungen
Stundung
Steuerhinterziehung Aussetzung der Vollziehung (AdV)
Prozesszinsen auf Erstattungen
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen
Steuerlehre II 41
Zinsen von Steuernachforderung und Steuererstattung
Grund: Die Verzinsung nach § 233a AO (Vollverzinsung) soll einen Ausgleich dafür schaffen, dass die Steuern trotz gleichen gesetzlichen Entstehungszeitpunkts zu unterschiedlichen Zeitpunkten festgesetzt und erhoben werden.
Die Verzinsung ist gesetzlich vorgeschrieben und steht nicht im Ermessen der FinanzbehördeDie Verzinsung ist beschränkt auf ESt, KSt, USt und GewSt [§ 233a (1) AO]
Der Zinslauf beginnt grundsätzlich 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist (Karenzzeit) und endet mit Ablauf des Tages, an dem die Steuerfestsetzung wirksam wird (Bekanntgabe des Steuerbescheids). Der Tag der Bekanntgabe ist immer ein Werktag.Zinsen sind nur für volle Monate zu zahlen [§ 238 (1) S. 2 AO].(Beginn des Zinslaufs am 01.04. und Bekanntgabe des Steuerbescheids am 30.04. ergibt einen vollen Zinsmonat) (Beginn des Zinslaufs am 01.04. und Bekanntgabe des Steuerbescheids am 29.04. ergibt keinen vollen Zinsmonat)Der zu verzinsende Betrag ist die festgesetzte Steuer abzüglich anzurechnender Steuerabzugsbeträge und festgesetzte Vorauszahlungen (Unterschiedsbetrag) [§ 233a (3) AO]
festgesetztes Soll lt. Steuerbescheid
./. festgesetzte Vorauszahlungen
= Unterschiedsbetrag (Mehrsoll/ Mindersoll)
Berechnung:
Mindersoll => Zugunsten des Steuerzahlers (Erstattung) Mehrsoll => Zuungunsten des Steuerzahlers (Nachzahlung)
beachte: Ein Mindersoll ist ebenfalls Grundlage der Zinsberechnung. Die Zinsen daraus stellen steuerpflichtige Einnahmen dar.
Erstattungszinsen werden nur auf entrichtete Vorauszahlungen festgesetzt, d.h. nur der tatsächlich zu erstattende Betrag wird verzinst. Maßgebend ist dabei der Zeitpunkt der (Voraus-) Zahlung (§ 233a (3) S.3 AO).
Bei Nachzahlungszinsen wird dagegen mit dem Vorauszahlungssoll gerechnet.
Keine Verzinsung von freiwilligen Vorauszahlungen, d.h. nur der Unterschiedsbetrag (Mindersoll) wird verzinst.
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen
Steuerlehre II 42
Das Finanzamt gibt am 4.12.2008 den ESt-Bescheid 2006 zur Post
Der Zinslauf beginnt am ____________________________
Der Zinslauf endet am ______________________________
Festgesetzte ESt lt. Bescheid 40.000 €
./. Festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen (VZ) 26.000 €
Unterschiedsbetrag (Nachzahlung) ______€
Nachzahlungszinsen: ______€
Festgesetzte ESt lt. Bescheid 0 €
./. Festgesetzte und geleistete Vorauszahlungen (VZ) 26.000 €
Unterschiedsbetrag (Erstattung) ______€
Erstattungszinsen: ______€
Es wurde allerdings nur 10.000 € am 6.06.2008 als VZ bezahlt.
Erstattungszinsen: ______€
Mehrsoll
Fall 1.
Mindersoll
Fall 2.
V-Zahlung
Fall 3.
Fälle:
Lösung
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen
Steuerlehre II 43
Stundungszinsen [§ 234 AO]
Für die Dauer einer gewährten Stundung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis werden Stundungszinsen erhoben [§ 234 (1) AO].
Voraussetzungen für eine Stundung [§ 222 AO]:- Steuerzahlung ist eine erhebliche Härte für den Steuerpflichtigen
- Steueranspruch wird durch die Stundung nicht gefährdet
Grundsatz der Sollverzinsung gilt:- vorzeitige Zahlungen ändern an der Zinspflicht grundsätzlich nichts
- verspätete Zahlung löst zusätzliche Säumniszuschläge aus
Berechnung: - Der Zinslauf beginnt mit dem ersten Tag der Stundung, i.d.R. der Tag nach dem Fälligkeitstag.
- Der Zinslauf endet mit dem in der Stundungsverfügung genannten letzten Tag der Stundung.
Beispiel:
Der Steuerpflichtigen A wurde die am 14.08.2008 fällig gewesene ESt-Abschlusszahlung 2007 in Höhe von 3.730,- € bis zum 31.10.2008 gestundet.
•Der Zinslauf beginnt am 15.08.2008 und endet am 31.10.2008. Die Stundungszinsen betragen 37 € (2 volle Monate x 0,5% = 1% von 3.730 €).
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.3. Zinsen
Steuerlehre II 44
4. Zwangsgelder [§ 329 AO]
Erfüllt ein Steuerpflichtiger nicht die ihm obliegende Mitwirkungspflicht, so kann ihm die Finanzbehörde ein Zwangsgeld auferlegen [§ 328 AO].
Das Zwangsgeld muss schriftlich angedroht werden [§ 332 AO] und darf im Einzelnen 25.000 € nicht übersteigen [§ 329 AO].
Beispiel: Der Steuerpflichtige Müller hat seine Einkommensteuererklärung 2007 bis zum 2.6.2008 abzugeben. Er hat die Erklärung noch nicht abgegeben.
Mit welchen Maßnahmen des Finanzamtes muss er rechnen, wenn er seine Einkommensteuererklärung 2007 nicht abgibt?
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.4. Zwangsgelder
Steuerlehre II 45
4. Verzögerungsgeld [§ 146 Abs. 2b AO] / 2 Fälle
Steuerpflichtiger verstößt gegen Pflichten im Zusammenhang mit dem Transfer der elektronischen Buchführung ins Ausland oder kommt Mitwirkungspflichten im Rahmen einer
steuerlichen Außenprüfung nicht in angemessener Weise nach.
Höhe des Verzögerungsgeldes von 2.500 € bis 250.000 € nach Ermessen möglich. Steht in Konkurrenz zum Zwangsgeld [§ 329 AO]. Gegen ein Verzögerungsgeld ist der Einspruch statthaft.
Beispiele:
• Steuerpflichtiger kommt Pflicht zur Rückverlagerung elektronischer Buchführung nicht nach.
• Steuerpflichtiger hat seine elektronische Buchführung ohne Bewilligung des Finanzamtes in das Ausland verlagert.
• Steuerpflichtiger räumt den Datenzugriff bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht ein.
• Steuerpflichtiger legt Unterlagen bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht vor.
• Steuerpflichtiger erteilt eine Auskunft bei einer Außenprüfung innerhalb einer bestimmten angemessenen Frist nicht.
A 4.5. Folgen der Fristversäumnis4.5.5. Verzögerungsgeld
Steuerlehre II 46
Die Festsetzung der Steuern setzt voraus, dass zuvor die Besteuerungsgrundlagen ermittelt worden sind.
Bei der Ermittlung der Besteuerungsgrundlagen haben sowohl die Finanzbehörden als auch die Steuerpflichtigen
mitzuwirken (Mitwirkungspflichten).
Ermittlungsverfahren
Pflichten der Finanzbehörde Pflichten der Steuerpflichtigen
1. Besteuerungsgrundsatz (§ 85 AO)
Die Finanzbehörden haben die Steuern nach Maßgabe der Gesetze gleichmäßig festzusetzen und zu erheben. Insbesondere haben sie sicherzustellen, dass Steuern nicht verkürzt, zu Unrecht erhoben oder Steuererstattungen und Steuervergünstigungen nicht zu Unrecht gewährt oder versagt werden.
2. Untersuchungsgrundsatz (§ 88 AO)
Die Finanzbehörden haben den Sachverhalt von Amts wegen zu ermitteln. Sie haben auch die für den Steuerpflichtigen günstigen Umstände zu berücksichtigen.
1. Allgemeine Mitwirkungspflicht (§ 90 AO)
Die Steuerpflichtigen sind zur Mitwirkung bei der Ermittlung des Sachverhalts verpflichtet.
2. Besondere Mitwirkungspflichten
a) Personenstands- und Betriebsaufnahme
b) Anzeigepflicht bei der zuständigen Gemeinde
bzw. dem Finanzamt
c) Buchführungs- und Aufzeichnungspflichten
d) Steuererklärungspflicht
3. Auskunftspflicht (§ 93 AO)
a) Der Steuerpflichtige und Dritte haben den Finanzbehörden die für die Besteuerung erforderlichen Auskünfte zu erteilen. b) Die Kreditinstitute müssen seit dem 1.4.2005 über bestimmte Konten- und Depot- verbindungen Auskünfte erteilen.
A 5. Ermittlungsverfahren
Steuerlehre II 47
Anzeigepflichten:
Wer einen Betrieb der Land- und Forstwirtschaft, einen gewerblichen Betrieb oder eine Betriebsstätte eröffnet, hat dies nach amtlich vorgeschriebenem Vordruck der zuständigen Gemeinde mitzuteilen. Die Gemeinde unterrichtet unverzüglich das zuständige Finanzamt [§ 138 (1) AO].
Wer eine freiberufliche Tätigkeit aufnimmt, hat dies dem zuständigen Finanzamt mitzuteilen [§ 138 (1) AO]. Seit dem 1.1.2003 sind die Mitwirkungspflichten bei Auslandssachverhalten ausgeweitet worden [§ 90 (3) AO]. Grundstückseigentümer haben die Personen anzugeben, die auf dem Grundstück eine Wohnung, Wohnräume, eine
Betriebsstätte, Lagerräume oder sonstige Geschäftsräume haben [§ 135 (1) AO].
Abgabe von Steuererklärungen
Wer zur Abgabe von Steuererklärungen/Steueranmeldungen verpflichtet ist, bestimmen die Steuergesetze.• Einkommensteuererklärung [§ 25 (3) EStG]• Schenkungsteuererklärung [§ 30 ErbStG]
Zur Abgabe einer Steuererklärung ist auch verpflichtet, wer hierzu persönlich oder durch öffentliche Bekanntmachung von der Finanzbehörde aufgefordert wird [§ 149 AO].
Die Angaben in den Steuererklärungen sind wahrheitsgemäß und nach bestem Wissen und Gewissen zu machen [§ 150 (2) AO].
Erkennt ein steuerpflichtiger nachträglich vor Ablauf der Festsetzungsfrist, dass eine Erklärung unrichtig oder unvollständig ist, und dass er dadurch zu einer Verkürzung von Steuern kommen kann oder bereits gekommen ist, so ist er verpflichtet, dies unverzüglich anzuzeigen und die erforderliche Richtigstellung vorzunehmen [§ 153 (1) AO].
Auskunftspflichten:
Die Steuerpflichtigen haben der Finanzbehörde die zur Feststellung eines für die Besteuerung erheblichen Sachverhalts erforderlichen Auskünfte zu erteilen.
Im Besteuerungsverfahren hat der Steuerpflichtige selbst als Beteiligter kein gesetzliches Auskunfts-verweigerungsrecht [AEAO zu § 101 Nr. 1 AO].Andere Personen können ein Auskunftsverweigerungsrecht haben, z.B. Angehörige [§ 101 (1) AO, § 15 AO]
Andere Personen als die Steuerpflichtigen sollen erst dann zur Auskunft angehalten werden, wenn die Sachverhaltsaufklärung durch die Steuerpflichtigen nicht zum Ziele führt oder keinen Erfolg verspricht.
Seit dem 1.4.2005 können die Finanzbehörden bei den Kreditinstituten über das Bundeszentralamt für Steuern Stammdaten über Konto- und Depotverbindungen abrufen (§ 93 (7) und (8) AO i.V.m. § 93 b (2) AO).
A 5. Ermittlungsverfahren
Steuerlehre II 48
Steuerrechtliche Buchführungspflicht
abgeleitete (derivative) Buchführungspflicht [§ 140 AO]
originäre Buchführungspflicht [§ 141 AO]
Wer nach anderen Gesetzen als den Steuergesetzen (z.B. HGB) Bücher zu führen hat, hat die Verpflichtung auch für die Besteuerung zu erfüllen.
Gewerbetreibende sowie Land- und Forstwirte sind auch dann buchführungspflichtig, wenn eine der folgenden Grenzen überschritten ist:
1. Umsätze > 500.000,- €
2. Wirtschaftswert > 25.000,- €
3. Gewinn aus Gewerbebetrieb > 50.000,- €
4. Gewinn aus Land- und Forstwirtschaft > 50.000,-€
Kaufleute kraft Eintragung/ BetätigungBestimmte Gewerbetreibende und
Land- und Forstwirte
Die Ordnungsvorschriften (vollständig, richtig, zeitgerecht, geordnet) des § 146 AO müssen beachtet werden.
A 5. Ermittlungsverfahren
Steuerlehre II 49
Wie bei den Buchführungspflichten kann auch bei den Aufzeichnungspflichten zwischen originären und abgeleiteten Aufzeichnungspflichten unterscheiden werden.
Abgeleitete Aufzeichnungspflicht
Aus anderen, nicht steuerlichen Vorschriften, wenn diese für die Besteuerung von Bedeutung sind, z.B.: Apotheker → Herstellungsbücher Banken → Depotbücher Bauträger und Baubetreuer → Bücher nach der Gewerbeordnung Fahrschulen → Ausbildungsbücher Hotel, Gaststätten und Pensionsgewerbe → Fremdenbücher Metallhändler → Einkaufsbücher Reisebüro → Bücher nach der Gewerbeordnung
Originäre Aufzeichnungspflicht
Aus rein steuerlichen Vorschriften, z.B.: Umsatzsteuerliche Aufzeichnungen [§ 22 UStG] Aufzeichnung des Wareneingangs [§ 143 AO] Aufzeichnung des Warenausgangs [§ 144 AO] Aufzeichnung bestimmter Betriebsausgaben [§ 4 (5) und (7) EStG]
5. ErmittlungsverfahrenA
Steuerlehre II 50
Aufbewahrungspflichten und Ordnungsvorschriften
Bücher und Aufzeichnungen sind zehn Jahre aufzubewahren [§ 257 (1) und 4 HGB, § 147 (1) und (3) AO],
die Aufbewahrungsfrist beginnt mit dem Schluss des Kalenderjahres [§ 257 (5) HGB, § 147 (4) AO].
Allgemeine Ordnungsvorschriften Die Buchführung muss so beschaffen sein, dass sie einem sachverständigen Dritten innerhalb
angemessener Zeit einen Überblick über die Geschäftsvorfälle und über die Lage des Unternehmens vermitteln kann. Die Geschäftsvorfälle müssen sich in ihrer Entstehung und Abwicklung verfolgen lassen [§ 238 (1) HGB, § 145 (1) AO].
Die Aufzeichnungen sind so vorzunehmen, dass der Zweck, den sie für die Besteuerung erfüllen sollen, erreicht wird [§ 145 (2) AO].
Besondere Ordnungsvorschriften [§ 239 HGB, §§ 146 und 154 AO] Die Buchungen und die sonst erforderlichen Aufzeichnungen sind vollständig, richtig, zeitgerecht und
geordnet vorzunehmen. Kasseneinnahmen und –ausgaben sollen täglich festgehalten werden. Sie sind in einer lebenden Sprache vorzunehmen. Bei anderen Sprachen als der deutschen Sprache
können Übersetzungen verlangt werden. Sie dürfen nicht so verändert werden, dass der ursprüngliche Inhalt nicht mehr feststellbar ist. Auch solche Veränderungen dürfen nicht vorgenommen werden, die es ungewiss lassen, ob sie
ursprünglich oder erst später gemacht worden sind. Werden diese auf Datenträgern geführt, muss insbesondere sichergestellt sein, dass während der
Aufbewahrungsfrist die Daten jederzeit verfügbar und unverzüglich lesbar gemacht werden können. Im Einzelfall muss die Bedeutung von Abkürzungen, Ziffern, Buchstaben oder Symbolen eindeutig
festliegen.
5. ErmittlungsverfahrenA
Steuerlehre II 51
Verstöße gegen die Buchführungsvorschriften und mögliche Folgen
Verstöße mögliche Folgen
Verwerfung der Buchführung;
Vollschätzung [§ 162 AO];
bei Steuergefährdung: Geldbuße bis 5.000 € [§ 379 AO];
bei Steuerverkürzung: Geldbuße bis 50.000 € [§ 378 AO];
bei Steuerhinterziehung: Geld- oder Freiheitsstrafen [§ 370 AO].
Verpflichteter führt Bücher mit
schweren und gewichtigen formellen oder sachlichen Mängeln.
Verpflichteter führt Bücher mit
geringfügigen formellen oder unwesentlichen sachlichen Mängeln
Verpflichteter führt keine Bücher
Zwangsgeld bis 25.000 € [§§ 328 und 329 AO];
Vollschätzung [§ 162 AO];
bei Steuergefährdung: Geldbuße bis 5.000 € [§ 379 AO];
bei Steuerverkürzung: Geldbuße bis 50.000 € [§ 378 AO];
bei Steuerhinterziehung: Geld- oder Freiheitsstrafen [§ 370 AO].
Berichtigung
durch [R 5.2 Abs. 2 EStR]
Zuschätzung
5. ErmittlungsverfahrenA
Steuerlehre II 52
Grundzüge des Festsetzungs- und Feststellungsverfahrens
Steuerbescheide Grundlagenbescheide
Steuern werden i.d.R. durch Steuerbescheide der Finanzbehörden festgesetzt [§ 155 (1) AO]
Form: grundsätzlich schriftlich [§ 157 AO]
Inhalt: ● Steuerschuldner (§ 157 AO)● Steuerart (§ 157 AO)● Steuerbetrag (§ 157 AO)● Besteuerungszeitraum (§ 157)
Absender: erlassende Behörde (§ 119 (3))
Begründung: Besteuerungsgrundlagen (§ 157 (2) AO)
Rechtsbehelfsbelehrung: (§ 157 (1) AO)
Ausnahme: Eine Steuerfestsetzung durch Steuerbescheid ist nicht erforderlich, wenn der Steuer-pflichtige eine Steueranmeldung [§ 167 AO] abgibt, die zu keiner abweichenden Steuer führt.
Besteuerungsgrundlagen werden durch Grundlagenbescheide gesondert festgestellt, wenn die
• Besteuerungsgrundlagen für mehrere Steuerarten oder Steuerpflichtige bedeutsam sind oder
• Steuermessbeträge nach den Einzelsteuergesetzen festzusetzen sind.
Grundlagenbescheide sind:
• Festsstellungsbescheide [§ 182 (1) AO]
• Steuermessbescheide [§ 171 (10) AO]
Grundlagenbescheide sind für die Folgebescheide (z.B. Gewerbesteuer-Bescheid) bindend (§ 182 (1) S. 1 AO)
A 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren6.1. Grundzüge des Festsetzungs- und Feststellungsverfahrens
Steuerlehre II 53
Grundsatz: Die Steuerfestsetzung durch einen Steuerbescheid ist endgültig.
Ausnahme: Eine Steuer kann unter dem Vorbehalt der Nachprüfung oder vorläufig festgesetzt werden.
Nicht endgültige Steuerfestsetzungen
Vorbehaltsfestsetzung [§ 164 AO] Vorläufige Steuerfestsetzung [§ 165 AO]
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
Voraussetzung für die Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung ist, dass der Steuerfall noch nicht abschließend geprüft ist.
Die Festsetzung von Vorauszahlungen und Steueranmeldungen stehet kraft Gesetzes stets unter dem Vorbehalt der Nachprüfung. Der Vorbehalt der Nachprüfung kann auch im Steuerbescheid ausdrücklich vermerkt sein. („Der Bescheid ergeht nach § 164 (1) AO unter dem Vorbehalt der Nachprüfung“) Zweck: rasche Steuerfestsetzung Wirkung: Der gesamte Steuerfall bleibt offen, d.h. die Steuerfestsetzung kann jederzeit innerhalb der Festsetzungsfrist aufgehoben werden.
Vorläufige Steuerfestsetzung
Voraussetzung für die vorläufige Steuerfestsetzung ist, dass ungewiss sein muss, ob und in wie weit die Voraussetzungen für die Entstehung der Steuer eingetreten sind. [§ 165 (1) S. 1 AO]
Die Vorläufigkeit ist auf die ungewissen Voraussetzungen zu beschränken.
Die Vorläufigkeit ist aufzuheben, wenn die Ungewissheit beseitigt ist. [§ 165 (1) S. 2 AO]
Es gibt eine Ablaufhemmung von 2 Jahren (§ 171 (8) AO).
Umfang und Grund der Vorläufigkeit sind anzugeben.Wesentliche Fälle: - § 165 (1) Nr. 2 AO BVerfG - § 165 (1) Nr. 3 AO EuGH- Verfahren
A 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren6.2. Nicht endgültige Steuerfestsetzungen
Steuerlehre II 54
Zahlungsverjährung
Eine festgesetzte Steuer muss innerhalb einer gesetzlich bestimmten Frist bezahlt werden. Nach Ablauf der Frist ist die Einziehung der Steuer nicht mehr zulässig [§§ 228 bis 232 AO].
Festsetzungsverjährung
Eine Steuerfestsetzung ist nach § 169 (1) AO nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abge-laufen ist. Durch Eintritt der Festsetzungsver-jährung erlischt der Steueranspruch des Steuergläubigers [§§ 169 bis 171 AO].
FestsetzungsfristenEine Steuer ist innerhalb einer gesetzlich be-stimmten Frist durch Bescheid festzusetzen (Festsetzungsfrist). Nach Ablauf der Festsetzungs-frist ist eine erstmalige Steuerfestsetzung bzw. Aufhebung oder Änderung einer durchgeführten Steuerfestsetzung nicht mehr zulässig [§ 169 (1) AO].
Die Festsetzungsfrist beträgt nach § 169 (2) AO:
für Verbrauchssteuern: 1 Jahrfür alle übrigen Steuern: 4 Jahrefür leichtfertig verkürzte Steuern: 5 Jahre für hinterzogene Steuern: 10 Jahre
Zweck der Verjährung:
- Wahrung des Rechtsfriedens
- Gewährung von Rechtssicherheit
A 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren6.3. Festsetzungsverjährung bei Steuern
Steuerlehre II 55
Beginn der Festsetzungsfrist
Die Festsetzungsfrist beginnt allgemein mitAblauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist [§ 170 (1) AO]
Anlaufhemmung = Hinausschieben des Anlaufs der Festsetzungsverjährung [§ 170 (2) AO] - wenn eine Steuererklärung oder Steueranmeldung einzureichen ist (z.B. ESt, USt, GewSt): mit Ablauf des Kalenderjahres in dem die Steuer- erklärung abgegeben wurde. - spätestens mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das auf das Kalender- jahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist.
Die Festsetzungsfrist ist gewahrt, wenn derSteuerbescheid den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanz-behörde vor Ablauf der Frist verlassen hat.
Ende der Festsetzungsfrist
Die Festsetzungsverjährung tritt grundsätzlich mit Ablauf der genanntenFristen ein.
Ablaufhemmung = Hinausschieben des Ablaufs der Festsetzungsfrist durch bestimmte Tatsachen [§171 AO]
§171 (1) AO: höhere Gewalt inner- halb der letzten sechs Monate des
Fristlaufes. Die Festsetzungsfrist endet dann im Laufe und nicht am Ende des Kalenderjahres.
§171 (4) AO: Beginn einer Außen- prüfung. Die Festsetzungsfrist läuft im Allgemeinen nicht ab, bevor die aufgrund der Außen-prüfung zu erlassenden Steuer-bescheide unanfechtbar geworden sind.
A 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren6.3. Festsetzungsverjährung bei Steuern
Steuerlehre II 56
Anlaufhemmung
Fall 1: Der Steuerpflichtige Maier reicht seine Einkommensteuer-Erklärung 2007 am 18.05.2008 beim Finanzamt ein.
die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des ........
die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des ........
Fall 2: Dem Steuerpflichtigen Maier wurde für die Abgabe der Einkommensteuererklärung 2006 eine Fristverlängerung bis zum 31.01.2008 gewährt. Er reicht die Steuererklärung am 16.01.2008 beim Finanzamt ein.
die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des ........
die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des ........
Ablaufhemmung
Fall 3: Die Frist für die Einkommensteuer-Festsetzung des Steuerpflichtigen Maier endet regulär am 31.12.2007.
im Finanzamt kam es am 30.09.2007 zu einem Brand, weswegen bis zum 31.01.2008 eine Festsetzung nicht erfolgen kann.
Ruhezeitraum: 30.09 – 31.12.2007 = 3 Monate
die Festsetzungsfrist endet mit Ablauf des ...........
A 6. Festsetzungs- und Feststellungsverfahren6.3. Festsetzungsverjährung bei Steuern
Steuerlehre II 57
aber: Berichtigungsfähig sind i.d.R. nur Fehler der Finanzbehörde. Fehler des Steuerpflichtigen können grundsätzlich nur im
Rechtsbehelfsverfahren berichtigt werden. Ist der Fehler des Steuerpflichtigen jedoch so offensichtlich, dass das Finanzamt diesen klar erkennen konnte und übernimmt es ihn dennoch in
den Steuerbescheid, so wird aus dem Fehler des Steuerpflichtigen auch ein Fehler des Finanzamtes („Übernahmefehler“).
beachte: Ablaufhemmung §171 (2) AO Die Berichtigungsfrist endet allerdings nicht vor Ablauf eines Jahres
nach Bekanntgabe des Steuerbescheides.
Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Steuerbescheids unterlaufen sind, innerhalb der Festsetzungsfrist, d.h. auch noch nach Unanfechtbarkeit zugunsten wie zuungunsten des Steuerpflichtigen, berichtigen [§§ 129, 169 (1) S. 2 AO]
Beispiel:
Dem Steuerpflichtige Huber, München, wurde am 11.10.2007 sein ESt-Bescheid für 2002 bekannt gegeben. Die Steuererklärung 2002 hatte er im Februar 2003 abgegeben. Er entdeckt im April 2008, dass das Finanzamt statt den deklarierten 4.300 € Versicherungsbeiträge nur 3.400 € als Sonderausgaben in den Bescheid übernommen hat. Dadurch hat er Steuern i.H.v. 500 € zu viel gezahlt. Die Festsetzungsverjährung für 2002 ist bereits am 31.12.2007 eingetreten.
Obwohl die Festsetzungsfrist abgelaufen ist, kann das Finanzamt eine Berichtigung vornehmen, weil nach § 171 (2) AO die Berichtigungsfrist erst 1Jahr nach Bekanntgabe des Steuerbescheides endet, also am 11.10.2008.
A 6.4. Berichtigung von Steuerbescheiden6.4.1. Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten
Steuerlehre II 58
Endgültige Steuerbescheide sind solche, die nicht vorläufig [§ 165 AO] oder nicht unter dem Vorbehalt der Nachprüfung [§ 164 AO] ergangen sind. Endgültig bedeutet nicht, dass die Steuerbescheide schon unanfechtbar sind.
Ein fehlerhafter endgültiger Bescheid kann nur mit Zustimmung oder auf Antrag des Steuerpflichtigen aufgehoben oder geändert werden [§ 172 (1) Nr. 2a AO]: vor Ablauf der Einspruchsfrist zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen nach Ablauf der Einspruchsfrist nur noch zuungunsten des Steuerpflichtigen § 172 (1) Nr. 2a AO bietet die Möglichkeit, einen Fehler durch eine sog. „schlichte Änderung“,
d.h. durch Änderung eines Bescheides außerhalb eines Rechtsbehelfsverfahrens, zu berichtigen. Vorteil: Formfrei möglich und keine Gefahr der Verböserung des Bescheides!
Ein Steuerbescheid kann ferner aufgehoben oder geändert werden, wenn er von einer sachlich unzuständigen Behörde erlassen worden ist, durch unlautere Mittel (z.B. Drohung oder Bestechung) erwirkt worden ist oder aufgrund anderer gesetzlicher Vorschriften (z.B. nach §§ 173 - 175, 129 AO) berichtigt werden
kann
Aufhebung
Ersatzloser Wegfall eines Steuerbescheides
Änderung
Teilweise Korrektur eines Steuerbescheides
A 6.4. Berichtigung von Steuerbescheiden6.4.2. Aufhebung oder Änderung fehlerhafter endgültiger Steuerbescheide
Steuerlehre II 59
Tatsachen- Alles was Merkmal oder Teilstück eines steuergesetzlichen Tatbestandes sein kann, z.B. innere Tatsachen (Absicht, Erzielung von Einkünften) die anhand äußerer Merkmale festgestellt werden (Hilfstatsachen).
- Keine Tatsachen sind Rechtsnormen, Schlussfolgerungen oder steuerrechtliche Bewertungen.
Beweismittel
- Insbesondere Urkunden, Akten, Auskünfte und Sachverständigengutachten (§ 92 AO)
Steuerbescheide sind bis zum Ablauf der Festsetzungsfrist aufzuheben oder zu ändern, wenn nachträglich neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden die
- zu einer höheren Steuer führen (§ 173 (1) Nr. 1 AO)
- zu einer niedrigeren Steuer führen und den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden am
nachträglichen Bekanntwerden trifft (§ 173 (1) Nr. 2 AO)
Die Änderung ist nur soweit zulässig, wie sich die neuen Tatsachen oder Beweismittel auswirken
Nachträglich
Tatsachen oder Beweismittel werden der Behörde erst bekannt, nachdem die Willensbildung über die Steuerfestsetzung abgeschlossen ist.
Verschulden- Grobes Verschulden bedeutet der Steuerpflichtige hat Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu vertreten. Insbesondere:
* trotz Aufforderung keine Steuererklärung abgeben. * allgemeine Grundsätze der Buchführung nicht beachtet* aber: Unkenntnis über steuerliche Vorschriften ist noch kein grobes Verschulden.
- Verschulden ist unbeachtlich, wenn die Tatsache oder das Beweismittel , die zu einer niedrigern Steuer führen in einem
unmittelbaren Zusammenhang mit neuen Tatsachen oder Beweismitteln stehen, die zu einer höheren Steuer führen (§ 173 (1) Nr. 2 S. 2 AO)
A 6.4. Berichtigung von Steuerbescheiden6.4.3. Aufhebung oder Änderung v. Steuerbescheiden wg. neuer Tatsachen/Beweismittel
Steuerlehre II 60
Fall 1:
Ein Mandant stellt am 15.11.2007 fest, dass im Steuerbescheid für den VZ 2001 vom 21.06.2002 ein Rechenfehler zu seinem Ungunsten enthalten ist. Die Steuerschuld wurde deshalb um 1.500 € zu hoch festgesetzt.
Kann er gegen diesen Bescheid noch etwas unternehmen? Begründen Sie ihre Antwort.
A 6.4.4. Fall
Steuerlehre II 61
Steuern können nur erhoben werden, wenn sie entstanden, festgesetzt und fällig sind. Entstehung, Festsetzung und Fälligkeit einer Steuer sind genau auseinander zu halten.
Entstehung der Steuer(Tatbestand)
Eine Steuer entsteht allgemein, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft [§ 38 AO].
Die Steuergesetze regeln im Einzelnen, wann die Steuern konkret entstehen:- ESt und KSt-Vorauszahlung: jeweils mit Beginn des Kalender- vierteljahres, in dem die Voraus- zahlung zu entrichten ist [§ 37 (1) S. 2 EStG]
- ESt und KSt-Abschlusszahlung: mit Ablauf des Veranlagungs- zeitraums [§ 36 (1) EStG]
- Umsatzsteuer: mit Ablauf des Voranmeldezeitraums, in dem der Umsatz ausgeführt wurde (Soll- besteuerung) bzw. das Entgelt ver- einnahmt wurde (Istbesteuerung) [§§ 13 und 20 UStG]
Festsetzung der Steuer (Bescheid)
Durch die Steuerfestsetzung wird der Steueranspruch verwirklicht (konkretisiert).
Die Festsetzung erfolgt i.d.R. durch einen Steuerbescheid [§§ 218 und 155 AO]
Beispiel:Die Einkommensteuer 2007 entsteht mit Ablauf des Jahres 2007 [§ 36 (1) EStG]. Einkommensteuervorauszahlungen entstehen mit Beginn des Vorauszahlungszeitraums. Durch den Erlass des Einkommen-steuerbescheids für 2007 wird der Steueranspruch des Staates festgesetzt.
Fälligkeit der Steuer(Zahlungstermin)
Der Steuergläubiger kann zu einem bestimmten Zeitpunkt vom Steuerschuldner die Zahlung verlangen.
Die Fälligkeit richtet sich nach den Einzelsteuergesetzen [§ 220 AO]:- ESt und KSt-Vorauszahlung: 10. März, 10. Juni, 10. September, 10. Dezember [§ 37 (1) EStG und § 31 (1) KStG]
- ESt u. KSt- Abschlusszahlung: 1 Monat nach Bekanntgabe des ESt-Bescheides [§ 36 (4) EStG und § 31 (1) KStG]
- USt-Vorauszahlung: 10. Tag nach Ablauf des USt-Vor-anmeldungszeitraums [§ 18 UStG]
- USt-Abschlusszahlung: 1 Monat nach dem Eingang der Jahressteuererklärung[§18(4)UStG]
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 62
Steuerstundung
Grund: Durch die Stundung wird der Fälligkeitstermin einer Steuer hinausgeschoben.
Voraussetzung: Die Finanzbehörden können Steuern ganz oder teilweise stunden, wenn
die Einziehung bei Fälligkeit eine erhebliche Härte für den Schuldner bedeuten würdeder Anspruch durch die Stundung nicht gefährdet erscheint [§ 222 AO]
Eine erhebliche Härte kann sich aus sachlichen und persönlichen Gründen ergebensachliche Gründe: z.B. Insolvenz eines wichtigen Kunden, unerwartete wirtschaftliche Schwierigkeitenpersönliche Gründe: z.B. eine längere schwere Krankheit
Die Stundung soll i.d.R. nur auf Antrag und gegen Sicherheitsleistung gewährt werden [§ 222 S. 2 AO]
eine Ermessensentscheidung der Finanzbehördengegen die Ablehnung ist Einspruch möglich
Stundungszinsen [§ 234 (1) AO]für jeden vollen Monat ½ Prozent des auf volle 50 Euro abgerundeten Betrags
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 63
Der Steueranspruch erlischt nach § 47 AO insbesondere durch:
Zahlung §§ 224 – 225 AO
Aufrechnung § 226 AO
Erlass §§ 163, 227 AO
Verjährung §§ 169 – 171 AO
§§ 228 – 232 AO
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 64
Zahlung
Der Steueranspruch wird im Regelfall durch Zahlung erfüllt. Die Zahlungsschuld ist eine Bringschuld, d.h. die Zahlung muss wirksam an die Finanzkasse geleistet werden [§ 224
AO] Eine wirksam geleistete Zahlung gilt als entrichtet [§ 224 (2) AO]:
bei Übergabe oder Übersendung eines Schecks drei Tage nach Eingang des Schecks bei Überweisung oder Einzahlung auf ein Konto der Finanzbehörde an dem Tag, an dem der Betrag der
Finanzbehörde gutgeschrieben wird bei vorliegen einer Einzugsermächtigung am Fälligkeitstag (Vorteil: keine Säumniszuschläge)
Der Zahlende hat die Kosten des Zahlungsvorgangs zu tragen. Ein Säumniszuschlag wird bei einer Säumnis bis zu 3 Tagen (Schonfrist) bei Überweisung nicht erhoben
(§ 240 (3) S.1 AO)
Aufrechnung
Aufrechnung ist die wechselseitige Tilgung zweier sich gegenüberstehender Forderungen durch Verrechnung. Sowohl Steuerschuldner als auch Finanzbehörde können die Aufrechnung erklären.
Voraussetzung: Die sogenannte Aufrechnungslage muss gegeben sein:
Gegenseitigkeit der Forderungen: Schuldner der einen Forderung muss Gläubiger der anderen Forderung sein. Gleichheit der Forderungen: gegeben, wenn sich Geldforderungen gegenüberstehen Erfüllbarkeit der Hauptforderung: Die Steuerpflichtigen können nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig
festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen [§ 226 (3) AO]. Forderung muss entstanden sein.
Fälligkeit der Gegenforderung: Die Forderung, die dem Aufrechnenden zusteht, muss fällig sein
Die Aufrechnungserklärung des Finanzamtes ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO, der mit Einspruch angefochten werden kann.
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 65
Erlass Erlass ist der endgültige Verzicht des Steuergläubigers auf eine entstandene Steuer. Der Erlass kommt nur in Ausnahmefällen in Betracht. Es ist eine Ermessensentscheidung. Voraussetzung: die Einziehung muss unbillig sein [§ 227 (1) AO].
In der Rechtsprechung werden zwei Arten der Unbilligkeit unterschieden:1) persönliche Unbilligkeit ist in der Person des Steuerpflichtigen und seiner wirtschaftlichen Lage begründet.
Der Steuerpflichtige muss erlassbedürftig und erlasswürdig sein• Erlassbedürftigkeit: der Steuerpflichtige ist durch die Zahlung in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet• Erlasswürdigkeit: der Steuerpflichtige hat seine mangelnde wirtschaftliche Leistungsfähigkeit nicht selbst
verschuldet2) sachliche Unbilligkeit liegt nach der Rechtsprechung vor, wenn die Besteuerung als solche, unabhängig von den
persönlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen, unbillig wäre (in der Praxis sehr selten)
Zahlungsverjährung Die Verjährung bewirkt, dass der Steueranspruch durch Zeitablauf erlischt. Die Verjährungsfrist beträgt 5 Jahre [§ 228 AO] Die Frist beginnt grundsätzlich mit Ablauf des Kalenderjahres, in der der Anspruch erstmalig fällig geworden ist
[§ 229 (1) AO] Anlaufhemmung [§ 229 (1) S.2 AO]:
Die Frist beginnt nicht vor Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Festsetzung, Aufhebung oder Änderung des Steueranspruchs wirksam geworden ist, denn eine verspätete Abgabe der Steuererklärung soll die Verjährung nicht begünstigen.
(Ablauf) Hemmung der Verjährung [§ 230 AO]:Die Verjährung ist gehemmt, solange der Anspruch wegen höherer Gewalt innerhalb der letzten 6 Monate der Verjährungsfrist nicht verfolgt werden kann. Die Frist verlängert sich um den Zeitraum der Hemmung.
Unterbrechung der Verjährung [§ 231 (1) AO] insbesondere bei:• Schriftlicher Geltendmachung des Anspruchs• Stundung• Aussetzung der Vollziehung• Anmeldung im Insolvenzverfahren
Im Fall der Unterbrechung beginnt die Verjährungsfrist neu zu laufen [§ 231 (3) AO]
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 66
Fall1:
Der Steuerpflichtige U hat einen fälligen USt-Erstattungsanspruch i.H.v. 2.000 €. Gleichzeitig hat er eine ESt-Vorauszahlung i.H.v. 3.000 € zu leisten.
Kann U aufrechnen?
Fall 2:
Der Steuerpflichtige Mang hat die USt-Voranmeldung für November 2007 erst im Januar 2008 abgegeben.
Wann verjährt der USt-Zahlungsanspruch für November 2007?
Fall 3:
Das Finanzamt hat dem Steuerpflichtigen K die am 7.9.2007 fällige ESt-Abschlusszahlung 2006 von 16.729,47€ ab Fälligkeit gestundet und folgende Teilzahlungen bewilligt:
6.000 € fällig am 29.09.2007
5.000 € fällig am 30.10.2007
5.729,47 € fällig am 30.11.2007.
Berechnen Sie die Stundungszinsen.
A 7. Erhebungsverfahren
Steuerlehre II 67
RechtsbehelfRechtsbehelf ist die Erklärung eines Steuerpflichtigen, mit
der er die Nachprüfung eines Verwaltungsaktes der Finanzbehörden begehrt.
außergerichtliches Rechtsbehelfsverfahren
gerichtliches Rechtsbehelfsverfahren
Einspruch
§ 347 (1) Satz 1 AO
Klage
§ 40 ff. FGO
Untätigkeitseinspruch
§ 347 (1) Satz 2 AO
Revision
§ 115 ff. FGO
A 8. Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II 68
Statthaftigkeit des Einspruchs
Das Einspruchsverfahren ist nur eröffnet, wenn ein Verwaltungsakt angegriffen wird oder der Einspruchsführer sich gegen den Nichterlass eines Verwaltungsaktes wendet [§ 347 (1) AO]
Demnach sind 2 Arten des Einspruchs als Rechtsbehelf zu unterscheiden:
1) Rechtsbehelf gegen einen erlassenen Verwaltungsakt [Einspruch § 347 (1) S. 1 AO]
2) Rechtsbehelf gegen den Nichterlass eines Verwaltungsaktes [Untätigkeitseinspruch § 347 (1) S. 2 AO]
Nach § 347 (1) Nr.1 bis 4 AO ist der Einspruch als Rechtsbehelf statthaft gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten (auf die die AO Anwendung findet, d.h. § 1 (1) und § 1 (3) AO), Vollstreckungsangelegenheiten, Steuerberatungsangelegenheiten und sonstigen Verwaltungsangelegenheiten
Aussetzung der Vollziehung
Durch die Einlegung des Einspruchs wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht gehemmt insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehalten [§ 361 (1) S.1 AO].
In § 361 (2) AO ist deshalb vorgesehen, dass die Vollziehung eines Verwaltungsaktes bis zur Entscheidung über den Einspruch ausgesetzt werden kann.
Die Aussetzung der Vollziehung erfolgt grundsätzlich nur auf Antrag. In der Regel wird der Antrag zusammen mit dem Einspruch gestellt.
A 8. Rechtsbehelfsverfahren8.1. Außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II 69
Einspruchsverfahren gegen Verwaltungsakte in Abgabenangelegenheiten
Folgende Verwaltungsakte sind mit dem Einspruch anfechtbar:
Steuerbescheide, Steueranmeldungen, Festsetzungsbescheide, Steuermessbescheide, Festsetzung von Verspätungszuschlägen, Ablehnung von Stundungsanträgen, Ablehnung von Erlassanträgen, Festsetzung von Zwangsgeldern
Der Einspruch ist nach § 348 AO nicht statthaft:
gegen Einspruchsentscheidungen [§ 367 AO] bei Nichtentscheidung über einen Einspruch gegen Verwaltungsakte oberster Finanzbehörden gegen Prüfungs- oder Zulassungsentscheidungen der OFD
Befugt Einsprüche einzulegen ist nur, wer geltend macht, durch einen Verwaltungsakt oder dessen Unter-lassung beschwert zu sein [§ 350 AO]. Bei einer Nullfestsetzung besteht grundsätzlich keine Beschwer!
Bei Gemeindesteuern (GewSt, GrSt) ist ein finanzgerichtliches Einspruchsverfahren nur gegen die Steuer-meßbescheide möglich!
Einspruchsfrist: 1 Monat nach Bekanntgabe des Verwaltungsaktes [§§ 347 (1) S. 1 AO] Die Einspruchsfrist ist eine gesetzliche Frist, sie kann durch die Finanzbehörde nicht verlängert werden Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist möglich
Der Einspruch ist schriftlich einzureichen oder zur Niederschrift zu erklären [§ 357 (1) S. 1 AO] Die Finanzbehörde hat die Sache in vollem Umfang sowohl zuungunsten („Verböserung“) als auch zugunsten
des Einspruchsführers erneut zu prüfen [§ 367 (2) S.1 AO] Über den Einspruch entscheidet die Finanzbehörde durch Einspruchsentscheidung [§ 367 (1) S. 1 AO] oder
durch Abhilfebescheid, wenn sie dem Einspruch stattgibt [§ 367 (2) AO]. Das Einspruchsverfahren ist kostenfrei.
A 8. Rechtsbehelfsverfahren8.1. Außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II 70
Macht der Steuerpflichtige geltend, dass er durch die Entscheidung im außergerichtlichen Verfahren in seinen Rechten verletzt wurde, kann er gerichtlich gegen den Verwaltungsakt der Finanzbehörde vorgehen. Gerichtliche Rechtsbehelfe sind:
Klage [§§ 40 ff. FGO]
Wo: Die Klage ist beim zuständigen Finanzgericht (FG) schriftlich zu erheben [§ 64 FGO]
Wann: Die Frist zur Erhebung der Klage beträgt einen Monat nach Bekanntgabe der Entscheidung über den außergerichtlichen Rechtsbehelf [§ 47 (1) FGO]Über die Klage wird durch Urteil (FG-Urteil) vom Finanzgericht entschieden [§ 95 FGO]. Das Gericht muss auch eine Kostenentscheidung treffen, die Auskunft darüber gibt, wer die Kosten des Verfahrens zu tragen hat bzw. wie die Kosten auf die Beteiligten zu verteilen sind.
Revision [§§ 115 ff. FGO]
Wo: Gegen das Urteil des FG können die Beteiligten (Steuerpflichtige und / oder Finanzbehörde) Revision beim Bundesfinanzhof (BFH) einlegen. Die Revision ist nach § 115 (2) FGO nur zuzulassen, wenn 1. die Rechtssache grundsätzlich Bedeutung hat, 2. die Fortbildung des Rechts oder Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des BFH erfordert oder 3. ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Wann: Die Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteil schriftlich einzulegen [§ 120 (1) FGO]. Sie muss innerhalb eines weiteren Monats begründet werden [§ 120 (2) AO].Der BFH entscheidet durch Urteil (BFH-Urteil).Der BFH hat auch eine Kostenentscheidung zu treffen.
Durch die Erhebung der Klage wird die Vollziehung des angefochtenen Verwaltungsaktes grundsätzlich nicht gehemmt, insbesondere die Erhebung einer Abgabe nicht aufgehoben [§ 69 (1) S.1 FGO]. In § 69 (2) FGO ist deshalb vorgesehen, dass die zuständige Finanzbehörde die Vollziehung aussetzen kann.
A 8. Rechtsbehelfsverfahren8.2. Gerichtliche Rechtsbehelfsverfahren
Steuerlehre II 71
Verstöße gegen Steuergesetzte werden nach dem Grad der Pflichtverletzung unterschieden in
Steuerstraftaten Steuerordnungswidrigkeiten
mit Geld- oder Freiheitsstrafen (max. 10 Jahre) bedroht
mit Geldbußengeahndet
- Steuerhinterziehung (§ 370 AO)
- gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung (§ 370 (3) Nr. 5 AO)
- gewerbsmäßige oder bandenmäßige Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26c UStG lex specialis)
- Bannbruch (§ 372 AO)
- gewerbsmäßiger, gewaltsamer und bandenmäßiger Schmuggel (§ 373 AO)
- Steuerhehlerei (§ 374 AO)
- leichtfertige Steuerverkürzung (§ 378 AO)
- allgemeine Steuergefährdung (§ 379 AO)
- Gefährdung von Abzugsteuern (§ 380 AO)
- Verbrauchsteuergefährdung (§ 381 AO)
- Gefährdung der Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (§ 382 AO)
- Unzulässiger Erwerb von Steuererstattungsansprüchen (§ 383 AO)
- Schädigung des Umsatzsteueraufkommens (§ 26b UStG lex specialis)
A 9. Straf- und Bußgeldverfahren
Steuerlehre II 72
Steuerhinterziehung
Tatbestandsmerkmale: Steuerhinterziehung begeht, wer vorsätzlich,
1) den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerliche erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht oder2) die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerliche erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder3) pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt,
und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt (§ 370 (1) AO)
• Vorsätzlich handelt, wer den Tatbestand einer strafbaren Handlung wissentlich und willentlich verwirklicht• Steuern sind dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden.
Bannbruch begeht, wer vorsätzlich Gegenstände entgegen einem Verbot einführt, ausführt oder durchführt, ohne sie der zuständigen Zollstelle anzuzeigen [§ 372 AO]
Schmuggel begeht, wer Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (z.B. Einfuhrumsatzsteuer) hinterzieht [§ 373 AO]
Steuerhehlerei
begeht, wer vorsätzlich Erzeugnisse oder Waren bei denen Verbrauchsteuern oder Zoll
hinterzogen wurde, ankauft, um sich oder einen Dritten zu bereichern [§ 374 AO]
A 9. Straf- und Bußgeldverfahren9.1. Steuerstraftaten und Steuermaße
Steuerlehre II 73
Die AO bzw. das StBerG kennen folgende Steuerordnungswidrigkeiten und Bußmaße:
leichtfertige Steuerverkürzung [§ 378 AO] (Geldbuße bis zu 50.000 Euro) allgemeine Steuergefährdung [§ 379 AO] (Geldbuße bis zu 5.000 Euro) Gefährdung von Abzugsteuern [§ 380 AO] (Geldbuße bis zu 25.000 Euro) Verbrauchsteuergefährdung [§ 381 AO] (Geldbuße bis zu 5.000 Euro) Gefährdung der Einfuhr und Ausfuhrabgaben [§ 382 AO] (Geldbuße bis zu 5.000 Euro) unzulässiger Erwerb von Steuererstattungsansprüchen [§ 383 AO] (Geldbuße bis zu 50.000
Euro) unbefugte Hilfeleistung in Steuersachen [§ 160 Steuerberatungsgesetz]
(Geldbuße bis zu 5.000 Euro)
leichtfertige Steuerverkürzung begeht, wer als Steuerpflichtiger oder bei der Wahrnehmung der Angelegenheiten eines Steuerpflichtigen (z.B. Steuerberater, Angestellte) eine der in § 370 (1) AO bezeichneten Taten leichtfertig ( = grob fahrlässig) begeht [§ 378 AO]
allgemeine Steuergefährdung sind Vorbereitungshandlungen, die es ermöglichen (= geeignet sind), eine Steuerverkürzung zu bewirken. z.B. Belege ausstellen, die unrichtig sind oder Belege gegen Entgelt in den Verkehr bringt oder buchungs- oder aufzeichnungspflichtigen Vorgänge nicht oder unrichtig bucht oder buchen lässt
und dadurch ermöglicht, Steuern zu verkürzen oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile zu erlangen [§ 379 AO]
Eine Gefährdung von Abzugsteuern liegt vor, wenn jemand vorsätzlich oder leichtfertig seiner Verpflichtung, Steuerabzugsbeträge einzubehalten und abzuführen, nicht, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachkommt [§ 380 AO]
A 9. Straf- und Bußgeldverfahren9.2. Steuerordnungswidrigkeiten
Steuerlehre II 74
Der Täter bleibt straffrei, wenn er
unrichtige oder unvollständige Angaben bei der Finanzbehörde berichtigt oder ergänzt oder
unterlassene Angaben nachholt [§ 371 (1) AO] die verkürzte Steuer nach ihrer Festsetzung in der vom Finanzamt bestimmten Frist bezahlt
wird [§ 371 (3) AO]
Die Straffreiheit tritt in den folgenden Fällen nicht ein [§ 371 (2) AO]: wenn vor Abgabe der Selbstanzeige ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen
Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist oder
wenn vor Abgabe der Selbstanzeige dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung eines Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist oder
wenn die Tat im Zeitpunkt der Selbstanzeige ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste
Selbstanzeige
A 9. Straf- und Bußgeldverfahren9.3. Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung und leichtfertiger Steuerverkürzung
Steuerlehre II 75
A Zusammenfassung Durchführung der Besteuerung in Verfahrensabschnitten
Ermittlungsverfahren(Welche Sachverhalte sind festzusetzen?)
Mitwirkungspflichten der Finanzbehörde Mitwirkungspflichten der Finanzbehörde
Festsetzungs- und Feststellungsverfahren(Wie viel Steuer ist festzusetzen?)
Festsetzung der Steuer durch Steuerbescheid
Feststellung der Besteuerungsgrundlagendurch Grundlagenbescheide
Berichtigungsverfahren(Welche materiellen Fehler sind zu berichtigen?)
Berichtigung offenbarer Unrichtigkeiten
Aufhebung oder Änderung auf Antrag oder Zustimmung des
Steuerpflichtigen
Aufhebung oder Änderung auf wegen neuer Tatsachen
oder Beweismittel
Erhebungsverfahren(Ist die festgesetzte Steuer gezahlt worden?)