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Als Chefarzt im Münchner Klinikum Großhadern erle- be ich jeden Tag, wie wichtig medizinische Aufklärung ist. Meine Kollegen und ich (www.facebook.de/Urolo- gieLMU) möchten den Le- sern daher jeden Montag ein Thema vorstellen, das für ih- re Gesundheit von Bedeu- tung ist. Im Zentrum der heutigen Seite stehen Erkäl- tungen und die Grippe. Der Experte des Beitrags ist Prof. Jörg Schelling. Er führt eine Allgemeinarztpraxis in Mar- tinsried und erklärt, wie man die echte Grippe er- kennt und wie man sich vor einem Infekt schützen kann. Seit 1. Oktober 2014 ist der erfahrene Allgemeinarzt zu- dem Leiter des neu gegrün- deten Instituts für Allge- meinmedizin an der Ludwig- Maximilians-Universität (LMU) München. In mehr als 250 Lehrpraxen in und um München sollen die Stu- denten in direktem Kontakt mit den Patienten lernen. Prof. Dr. Christian Stief Einzelfächern. Der Hausarzt ist eine besondere Disziplin, die besondere Fähigkeiten verlangt. Das Studium hat das bislang zu wenig vermittelt. - Wie wollen Sie das än- dern? Die angehenden Ärzte wer- den so früh wie möglich in Lehrpraxen ausgebildet, durch erfahrene Hausärzte, die als ehrenamtliche Lehrbe- auftragte arbeiten. Die Stu- denten begleiten sie in ihrem beruflichen Alltag. An der Uni haben die späteren Mediziner bislang außerdem fast nur Kontakt mit Hochspezialis- ten. Jetzt lernen sie auch den Hausarzt als Vorbild kennen – und sehen, wie erfüllend der Beruf sein kann. ner mit Menschen zu tun? Natürlich. Der Hausarzt bleibt aber immer an der Seite seiner Patienten, nicht selten sein halbes Leben lang. Er be- handelt sie, wenn sie einen Husten haben. Und er beglei- tet sie, wenn sie schwer krank sind – und zusätzlich beim Facharzt behandelt werden. Viele Patienten erzählen über ihr Leben, ihre Familie – und ich ihnen auch über meines. Da kommt man menschlich eine Schicht tiefer. - An der Uni unterrich- ten Experten aller Fachrich- tungen. Warum braucht es ein eigenes Institut für All- gemeinmedizin? Die Allgemeinmedizin ist nicht nur ein Destillat aus den Der Hausarzt wird nie wegra- tionalisiert. - Näher am Patienten? Hat es nicht jeder Medizi- der Medizin zu tun. Der Allge- meinmediziner ist noch ein echter Vollarzt, dabei näher am Menschen. Und: Der Be- ruf ist absolut zukunftssicher. Vor allem auf dem Land dro- hen Lücken: Immer mehr Hausärzte finden keinen Nachfolger. Prof. Jörg Schel- ling leitet seit vier Monaten das neu gegründete Institut für Allgemeinmedizin an der Ludwig-Maximilians-Univer- sität München. Er will den Be- ruf des Hausarztes wieder at- traktiver machen. - Sie sind Allgemeinarzt. Warum nicht Orthopäde oder Radiologe? Die ver- dienen besser. (lacht) Mal ehrlich: Auch ein guter Allgemeinmediziner muss nicht gerade verhun- gern. Außerdem ist es ein wunderschöner, abwechs- lungsreicher Beruf. Man hat es mit dem ganzen Spektrum INTERVIEW ________________________________________________________________________________________________________________________________________________ „Der Hausarzt wird nie wegrationalisiert“ Hausarzt aus Leidenschaft: Prof. Jörg Schelling. KLAUS HAAG Bayern schnieft und hustet. Die Wartezim- mer der Hausärzte sind derzeit voll mit Erkäl- tungsopfern. Und: Die Grippewelle könnte erst noch anrollen. Ein Experte gibt Tipps, was gegen die Viren hilft. VON SONJA GIBIS Die Nase ist wund, die Klei- dung schmerzt auf der Haut. Nachts schütteln einen Hus- tenanfälle. Derzeit sind die Wartezimmer wieder voll mit Patienten, die über solche Be- schwerden klagen – auch das von Prof. Jörg Schelling in Martinsried. Denn Husten und Schnupfen gehören im Winter zum Alltag jedes All- gemeinarztes. Daran konnten auch die Fortschritte der Me- dizin nichts ändern. Doch warum gibt es keine Spritze gegen den Schnup- fen? „Man bräuchte Dutzen- de Impfungen – und die jedes Jahr“, erklärt Schelling. Läuft die Nase, steckt dahinter nämlich nicht immer derselbe Übeltäter. Die häufigsten An- greifer heißen Rhinoviren. Insgesamt können aber mehr als 200 verschiedene Erreger Erkältungen auslösen. Viele davon sind zudem Verwand- lungskünstler – wie bei der echten Grippe. Auch ein Me- dikament gegen die Viren ist nicht in Sicht. Es müsste eine sehr breite Wirkung haben. „Die Nebenwirkungen wären wohl schlimmer als die Erkäl- tung selbst“, sagt Schelling. Dennoch hat der Allgemein- mediziner einige Tipps für Schnupfennasen. Wie gut helfen Paracetamol & Co? Wenn das Fieber steigt, greifen viele in die Hausapo- theke. Doch Medikamente wie Paracetamol, Ibuprofen und der Aspirin-Wirkstoff Acetylsalicylsäure (ASS) lin- dern nur die Symptome der Erkältung. Paracetamol senkt vor allem das Fieber, Ibupro- fen hilft gut gegen Glieder- schmerzen. Insgesamt senken alle drei Wirkstoffe das Fieber, hemmen Entzündungen und Schmerzen. „Schneller ge- sund machen sie aber nicht“, sagt Schelling. Im Gegenteil: Wie Untersuchungen gezeigt haben, ist es nicht günstig, leichtes Fieber gleich zu un- terdrücken und die Entzün- dungsreaktion des Körpers zu hemmen. Die Erkältung kann dann sogar länger dauern. Das beste Rezept ist daher: sich Ruhe gönnen und viel trinken. Denn eine Erkältung ist nicht immer harmlos. „Auch bei einem harmlosen Infekt, kann der Herzmuskel leicht beteiligt sein“, sagt Schelling. Oder die Viren breitet sich auf die Nebenhöh- len aus. Sport ist daher tabu. Hustet und fiebert man nach einer Woche immer noch, sollte man zum Arzt gehen. Was taugen Komplexmittel? Skeptisch sind viele Exper- ten bei Komplexmitteln. Zwar addieren sich oft die Neben- wirkungen der Inhaltsstoffe, wegen der geringen Dosis bleibt eine Wirkung aber oft aus. Viele schlucken bei einer Erkältung zudem noch andere Mittel wie Paracetamol. Dass das bereits im Komplexmittel enthalten ist, wissen sie oft nicht. Wenn Mittel frei ver- käuflich sind, heißt das auch nicht, dass sie keine Neben- wirkungen haben. „ASS kann den Magen angreifen, Parace- tamol zu Leberschäden füh- ren“, sagt Schelling. ASS wirkt zudem blutverdünnend – und das noch Tage nach der Einnahme. Auch Ibuprofen kann Magen und Darm an- Experten-Tipps gegen die Schnupfennase STIEFS SPRECHSTUNDE .................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................. Rezept gegen eine Anste- ckung ist daher: Hände wa- schen! Und das regelmäßig, und mit Seife. In der U-Bahn sollte man darauf achten, nicht zuerst an die Haltestan- ge und dann ins Gesicht zu greifen. Auch Handschuhe schützen. „Kein Hausarzt ist zudem böse, wenn man ihm zur Begrüßung die Hand lie- ber nicht gibt“, sagt Schelling. Ziehen Sie sich warm an! Viele Menschen glauben, dass eine Erkältung von Kälte kommt. Dabei infiziert man sich wohl meist in warmen In- nenräumen. Die Ursache von Erkältungen sind dabei stets Viren. Der Name geht wohl eher darauf zurück, dass die Opfer frösteln. Dennoch hilft es, sich warm anzuziehen. Wer friert, ist of- fenbar anfälliger. Das haben Versuche bestätigt: So muss- ten Testpersonen ihre Füße entweder in Eiswasser baden, die anderer blieben warm. Unter denen, die kalte Füße hatten, erkrankten bald da- rauf mehr an einer Erkältung. Ein Grund: Bei Kälte gelangt weniger Blut in die Schleim- häute – und damit weniger Abwehrzellen. Auch verliert das Immunsystem allgemein bei Kälte an Schlagkraft. chen die Abwehr fit. Bei der Suche nach Mitteln, die die Krankheit verkürzen, gibt es laut Schelling immer- hin aussichtsreiche Kandida- ten unter den Spurenelemen- ten: Zink und Selen. Einigen Studien zufolge kann die Ein- nahme helfen, einen Infekt schneller loszuwerden, aller- dings nur geringfügig. Hände waschen, nicht vergessen! Viren sind winzig und gera- de im Winter allgegenwärtig. Dennoch kann sich jeder schützen. Hochwirksam, aber oft unterschätzt ist die richtige Hygiene. Erkältungsviren ver- breiten sich zwar auch über die Luft. Bei jedem kräftigen Niesen schleudern Erkrankte zahllose kleine Tröpfchen he- raus, in denen Viren stecken. Die vielleicht größere Gefahr ist aber eine Schmierinfekti- on. „Die Türklinke ist unter- schätzt“, sagt Schelling. So gilt es als höflich, sich beim Husten die Hand vor den Mund zu halten. Doch beim Gang aus dem Büro oder auf die Toilette landen die Viren auf der Klinke. Der nächste öffnet die Tür, greift sich mit der Hand an die kitzelnde Na- se oder die juckenden Augen – und sie haben ihren neuen Wirt gefunden. Ein wichtiges ge Rolle im Immunsystem spielt, also auch bei der Ab- wehr von Viren. Und: Vor al- lem am Ende des Winters ha- ben hierzulande viele Men- schen einen Mangel, vor allem wenn sie eine dunkle Haut ha- ben. Denn das Vitamin wird mit Hilfe der UV-Strahlen der Sonne in der Haut gebildet. Läuft die Nase bereits, hilft aber auch Vitamin D nicht mehr. Zudem sollte man da- von nicht beliebig viel schlu- cken. Das Vitamin wird im Körper gespeichert, eine Überdosierung ist daher mög- lich. Ob man tatsächlich an ei- nem Vitamin D-Mangel lei- det, erfährt man durch einen Bluttest beim Hausarzt. Wie stärkt man seine Abwehr? Insgesamt ist eine gute Ver- sorgung mit Vitaminen zwar wichtig, um gesund zu blei- ben. Doch ist ein Mangel hier- zulande selten. Bei Mitteln, die versprechen, die Abwehr zu stärken, ist indes Skepsis angebracht. Denn die Schlag- kraft unseres Immunsystems lässt sich nicht so einfach mit einem Pülverchen erhöhen. Besser wirkt gesunde Ernäh- rung, vor allem Rohkost. Auch regelmäßige Bewegung, Wechselduschen, Kneipp- Kuren und Sauna-Gänge ma- greifen. Auf keinen Fall sollte man sich nach dem Motto ku- rieren: „Viel hilft viel!“ Das kann bei Paracetamol sogar tödlich sein. Wer auf pflanzliche Mittel wie Echinacea schwört oder lieber zu homöopathischen Globuli greift, dem rät Schel- ling nicht ab. Wissenschaft- lich nachgewiesen sei die Wir- kung aber oft nicht. Wie gut schützen Vitamine? Wenn es Winter wird, grei- fen viele zu Vitamin C. Schon als Kind haben sie gelernt: Das schützt vor Erkältungen. Schelling ist allerdings skep- tisch. Studien zufolge, ist es vor allem der Glaube an die Macht des Vitamins, der hilft. „Vitamin C schützt wohl kaum“, sagt der Allgemein- arzt. Zwar ist eine heiße Zitro- ne wohltuend, schneller ge- sund macht Vitamin C aber auch nicht, wenn man es in großen Mengen schluckt. Der Körper scheidet es einfach wieder aus. Deutliche Effekte fanden die Forscher nur bei Menschen, die großer Kälte oder Anstrengung ausgesetzt waren wie Soldaten und Ma- rathonläufern. „Anders ist das bei Vitamin D“, sagt Schelling. So gibt es Hinweise, dass es eine wichti- Wann helfen Antibiotika? Antibiotika sind zwar hochwirksame Medikamente, gegen eine Erkältung helfen sie aber nicht. Die Mittel töten nur Bakterien. Und hinter Er- kältungen stecken Viren. Manchmal macht es die Er- kältung aber auch Bakterien leicht, sich zu vermehren. Will etwa das Halsweh nicht mehr weggehen, ist es vielleicht zu einer bakteriellen Superinfek- tion gekommen. Dann sind Antibiotika sinnvoll. Leider werden diese oft zu schnell verschrieben. Das hat Folgen: Immer öfter treten re- sistente Bakterien auf, gegen die die Mittel machtlos sind. Ziel muss es daher sein, Anti- biotika seltener einzusetzen. Schelling hat gute Erfahrun- gen damit gemacht, seine Pa- tienten mit in die Verantwor- tung zu nehmen: Steht das Wochenende bevor und es gibt Anzeichen, dass sich Bakterien breitmachen, stellt er schon mal ein Rezept aus – und gibt den Rat, es nur ein- zulösen, wenn es schlimmer wird. Die meisten verzichten erst mal auf die Pillen, und der Körper hilft sich oft selbst. Auch bei Antibiotika, die ein breites Spektrum von Bakte- rien abtöten, ist Schelling eher zurückhaltend. Wie gefährlich ist die echte Grippe? „Ich hatte eine Grippe.“ Das hört derzeit oft. Doch meist war der Schuldige ein Erkältungsvirus – und nicht der Influenza-Erreger. So nennt man das Virus, das die echte Grippe auslöst. Wäh- rend die Erkältungserreger derzeit umgehen, ist die Grip- pewelle noch nicht richtig an- gerollt. Doch gibt es noch kei- ne Entwarnung: „Sie kann auch erst im März zuschla- gen“, sagt Schelling. Dabei werde die Erkran- kung noch immer unter- schätzt. Experten zufolge soll die Grippe in Deutschland je- des Jahr zu mehr als 8000 Tö- desfällen führen. Sie überfällt ihre Opfer dabei meist recht plötzlich. Typisch sind hohes Fieber über 39 Grad, ge- schwollene Lymphknoten und ein schweres Krankheits- gefühl, aber nicht unbedingt ein Schnupfen. „Man fühlt sich wie gerädert“, sagt Schel- ling. Oft klagen Grippeopfer darüber, dass sie sich noch wochenlang erschöpft fühlen. Zudem ist die Grippe kei- neswegs harmlos. Die Viren können eine Lungentzün- dung auslösen und den Herz- muskel angreifen. Nicht sel- ten kommt es auch im An- schluss zu einer Infektion mit Bakterien. Mediziner vermu- ten, dass auch Herzinfarkte nach einer Grippe vermehrt auftreten. Gerade älteren und chronisch kranken Patienten macht schon allein das lange Liegen zu schaffen. Für sie be- deutet ein solcher Infekt nicht selten den Anfang vom Ende. Schelling rät daher vor al- lem Senioren zur Impfung. Auch wenn der Schutz bei Äl- teren nicht mehr ganz so gut wirkt und manche trotzdem erkranken. Das könnte vor al- lem in diesem Jahr grassieren: Denn der Impfstoff schützt nur teils vor den grassieren- den Viren. Experten schätzen die Wirksamkeit auf etwa 23 Prozent. Dennoch: „In nor- malen Jahren sind die meisten durch die Impfung geschützt“, sagt Schelling. Und: Einen an- deren zuverlässigen Schutz gibt es nicht. Auch Schelling selbst lässt sich daher jedes Jahr impfen – auch, um seine Patienten zu schützen. Für Erkältungsopfer gibt es vor allem ein Rezept: Bettruhe und viel trinken. Medikamente können zudem die Beschwerden lindern. PANTHERMEDIA

STIEFS SPRECHSTUNDE Experten-Tipps gegen die Schnupfennase€¦ · Ziel muss es daher sein, Anti-biotika seltener einzusetzen. Schelling hat gute Erfahrun-gen damit gemacht, seine

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Page 1: STIEFS SPRECHSTUNDE Experten-Tipps gegen die Schnupfennase€¦ · Ziel muss es daher sein, Anti-biotika seltener einzusetzen. Schelling hat gute Erfahrun-gen damit gemacht, seine

Als Chefarzt im MünchnerKlinikum Großhadern erle-be ich jeden Tag, wie wichtigmedizinische Aufklärungist. Meine Kollegen und ich(www.facebook.de/Urolo-gieLMU) möchten den Le-sern daher jeden Montag einThema vorstellen, das für ih-re Gesundheit von Bedeu-tung ist. Im Zentrum derheutigen Seite stehen Erkäl-tungen und die Grippe. DerExperte des Beitrags ist Prof.Jörg Schelling. Er führt eineAllgemeinarztpraxis in Mar-tinsried und erklärt, wieman die echte Grippe er-kennt und wie man sich voreinem Infekt schützen kann.Seit 1. Oktober 2014 ist dererfahrene Allgemeinarzt zu-dem Leiter des neu gegrün-deten Instituts für Allge-meinmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität(LMU) München. In mehrals 250 Lehrpraxen in undum München sollen die Stu-denten in direktem Kontaktmit den Patienten lernen.

Prof. Dr. Christian Stief

Einzelfächern. Der Hausarztist eine besondere Disziplin,die besondere Fähigkeitenverlangt. Das Studium hat dasbislang zu wenig vermittelt.

-Wie wollen Sie das än-

dern?Die angehenden Ärzte wer-den so früh wie möglich inLehrpraxen ausgebildet,durch erfahrene Hausärzte,die als ehrenamtliche Lehrbe-auftragte arbeiten. Die Stu-denten begleiten sie in ihremberuflichen Alltag. An der Unihaben die späteren Medizinerbislang außerdem fast nurKontakt mit Hochspezialis-ten. Jetzt lernen sie auch denHausarzt als Vorbild kennen –und sehen, wie erfüllend derBeruf sein kann.

ner mit Menschen zu tun?Natürlich. Der Hausarztbleibt aber immer an der Seiteseiner Patienten, nicht seltensein halbes Leben lang. Er be-handelt sie, wenn sie einenHusten haben. Und er beglei-tet sie, wenn sie schwer kranksind – und zusätzlich beimFacharzt behandelt werden.Viele Patienten erzählen überihr Leben, ihre Familie – undich ihnen auch über meines.Da kommt man menschlicheine Schicht tiefer.

-An der Uni unterrich-

ten Experten aller Fachrich-tungen. Warum braucht esein eigenes Institut für All-gemeinmedizin?

Die Allgemeinmedizin istnicht nur ein Destillat aus den

Der Hausarzt wird nie wegra-tionalisiert.

-Näher am Patienten?

Hat es nicht jeder Medizi-

der Medizin zu tun. Der Allge-meinmediziner ist noch einechter Vollarzt, dabei näheram Menschen. Und: Der Be-ruf ist absolut zukunftssicher.

Vor allem auf dem Land dro-hen Lücken: Immer mehrHausärzte finden keinenNachfolger. Prof. Jörg Schel-ling leitet seit vier Monatendas neu gegründete Institut fürAllgemeinmedizin an derLudwig-Maximilians-Univer-sität München. Er will den Be-ruf des Hausarztes wieder at-traktiver machen.

-Sie sind Allgemeinarzt.

Warum nicht Orthopädeoder Radiologe? Die ver-dienen besser.

(lacht) Mal ehrlich: Auch einguter Allgemeinmedizinermuss nicht gerade verhun-gern. Außerdem ist es einwunderschöner, abwechs-lungsreicher Beruf. Man hates mit dem ganzen Spektrum

INTERVIEW ________________________________________________________________________________________________________________________________________________

„Der Hausarzt wird nie wegrationalisiert“

Hausarzt aus Leidenschaft: Prof. Jörg Schelling. KLAUS HAAG

Bayern schnieft undhustet. Die Wartezim-mer der Hausärzte sindderzeit voll mit Erkäl-tungsopfern. Und: DieGrippewelle könnteerst noch anrollen. EinExperte gibt Tipps, wasgegen die Viren hilft.

VON SONJA GIBIS

Die Nase ist wund, die Klei-dung schmerzt auf der Haut.Nachts schütteln einen Hus-tenanfälle. Derzeit sind dieWartezimmer wieder voll mitPatienten, die über solche Be-schwerden klagen – auch dasvon Prof. Jörg Schelling inMartinsried. Denn Hustenund Schnupfen gehören imWinter zum Alltag jedes All-gemeinarztes. Daran konntenauch die Fortschritte der Me-dizin nichts ändern.

Doch warum gibt es keineSpritze gegen den Schnup-fen? „Man bräuchte Dutzen-de Impfungen – und die jedesJahr“, erklärt Schelling. Läuftdie Nase, steckt dahinternämlich nicht immer derselbeÜbeltäter. Die häufigsten An-greifer heißen Rhinoviren.Insgesamt können aber mehrals 200 verschiedene ErregerErkältungen auslösen. Vieledavon sind zudem Verwand-lungskünstler – wie bei derechten Grippe. Auch ein Me-dikament gegen die Viren istnicht in Sicht. Es müsste einesehr breite Wirkung haben.„Die Nebenwirkungen wärenwohl schlimmer als die Erkäl-tung selbst“, sagt Schelling.Dennoch hat der Allgemein-mediziner einige Tipps fürSchnupfennasen.

Wie gut helfenParacetamol & Co?

Wenn das Fieber steigt,greifen viele in die Hausapo-theke. Doch Medikamentewie Paracetamol, Ibuprofenund der Aspirin-WirkstoffAcetylsalicylsäure (ASS) lin-dern nur die Symptome derErkältung. Paracetamol senktvor allem das Fieber, Ibupro-fen hilft gut gegen Glieder-schmerzen. Insgesamt senkenalle drei Wirkstoffe das Fieber,hemmen Entzündungen undSchmerzen. „Schneller ge-sund machen sie aber nicht“,sagt Schelling. Im Gegenteil:Wie Untersuchungen gezeigthaben, ist es nicht günstig,leichtes Fieber gleich zu un-terdrücken und die Entzün-dungsreaktion des Körpers zuhemmen. Die Erkältung kanndann sogar länger dauern.

Das beste Rezept ist daher:sich Ruhe gönnen und vieltrinken. Denn eine Erkältungist nicht immer harmlos.„Auch bei einem harmlosenInfekt, kann der Herzmuskelleicht beteiligt sein“, sagtSchelling. Oder die Virenbreitet sich auf die Nebenhöh-len aus. Sport ist daher tabu.Hustet und fiebert man nacheiner Woche immer noch,sollte man zum Arzt gehen.

Was taugenKomplexmittel?

Skeptisch sind viele Exper-ten bei Komplexmitteln. Zwaraddieren sich oft die Neben-wirkungen der Inhaltsstoffe,wegen der geringen Dosisbleibt eine Wirkung aber oftaus. Viele schlucken bei einerErkältung zudem noch andereMittel wie Paracetamol. Dassdas bereits im Komplexmittelenthalten ist, wissen sie oftnicht. Wenn Mittel frei ver-käuflich sind, heißt das auchnicht, dass sie keine Neben-wirkungen haben. „ASS kannden Magen angreifen, Parace-tamol zu Leberschäden füh-ren“, sagt Schelling. ASSwirkt zudem blutverdünnend– und das noch Tage nach derEinnahme. Auch Ibuprofenkann Magen und Darm an-

Experten-Tipps gegen die SchnupfennaseSTIEFS SPRECHSTUNDE ..................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................................

Rezept gegen eine Anste-ckung ist daher: Hände wa-schen! Und das regelmäßig,und mit Seife. In der U-Bahnsollte man darauf achten,nicht zuerst an die Haltestan-ge und dann ins Gesicht zugreifen. Auch Handschuheschützen. „Kein Hausarzt istzudem böse, wenn man ihmzur Begrüßung die Hand lie-ber nicht gibt“, sagt Schelling.

Ziehen Siesich warm an!

Viele Menschen glauben,dass eine Erkältung von Kältekommt. Dabei infiziert mansich wohl meist in warmen In-nenräumen. Die Ursache vonErkältungen sind dabei stetsViren. Der Name geht wohleher darauf zurück, dass dieOpfer frösteln.

Dennoch hilft es, sich warmanzuziehen. Wer friert, ist of-fenbar anfälliger. Das habenVersuche bestätigt: So muss-ten Testpersonen ihre Füßeentweder in Eiswasser baden,die anderer blieben warm.Unter denen, die kalte Füßehatten, erkrankten bald da-rauf mehr an einer Erkältung.Ein Grund: Bei Kälte gelangtweniger Blut in die Schleim-häute – und damit wenigerAbwehrzellen. Auch verliertdas Immunsystem allgemeinbei Kälte an Schlagkraft.

chen die Abwehr fit.Bei der Suche nach Mitteln,

die die Krankheit verkürzen,gibt es laut Schelling immer-hin aussichtsreiche Kandida-ten unter den Spurenelemen-ten: Zink und Selen. EinigenStudien zufolge kann die Ein-nahme helfen, einen Infektschneller loszuwerden, aller-dings nur geringfügig.

Hände waschen,nicht vergessen!

Viren sind winzig und gera-de im Winter allgegenwärtig.Dennoch kann sich jederschützen. Hochwirksam, aberoft unterschätzt ist die richtigeHygiene. Erkältungsviren ver-breiten sich zwar auch überdie Luft. Bei jedem kräftigenNiesen schleudern Erkranktezahllose kleine Tröpfchen he-raus, in denen Viren stecken.Die vielleicht größere Gefahrist aber eine Schmierinfekti-on. „Die Türklinke ist unter-schätzt“, sagt Schelling. Sogilt es als höflich, sich beimHusten die Hand vor denMund zu halten. Doch beimGang aus dem Büro oder aufdie Toilette landen die Virenauf der Klinke. Der nächsteöffnet die Tür, greift sich mitder Hand an die kitzelnde Na-se oder die juckenden Augen –und sie haben ihren neuenWirt gefunden. Ein wichtiges

ge Rolle im Immunsystemspielt, also auch bei der Ab-wehr von Viren. Und: Vor al-lem am Ende des Winters ha-ben hierzulande viele Men-schen einen Mangel, vor allemwenn sie eine dunkle Haut ha-ben. Denn das Vitamin wirdmit Hilfe der UV-Strahlen derSonne in der Haut gebildet.Läuft die Nase bereits, hilftaber auch Vitamin D nichtmehr. Zudem sollte man da-von nicht beliebig viel schlu-cken. Das Vitamin wird imKörper gespeichert, eineÜberdosierung ist daher mög-lich. Ob man tatsächlich an ei-nem Vitamin D-Mangel lei-det, erfährt man durch einenBluttest beim Hausarzt.

Wie stärkt manseine Abwehr?

Insgesamt ist eine gute Ver-sorgung mit Vitaminen zwarwichtig, um gesund zu blei-ben. Doch ist ein Mangel hier-zulande selten. Bei Mitteln,die versprechen, die Abwehrzu stärken, ist indes Skepsisangebracht. Denn die Schlag-kraft unseres Immunsystemslässt sich nicht so einfach miteinem Pülverchen erhöhen.Besser wirkt gesunde Ernäh-rung, vor allem Rohkost.Auch regelmäßige Bewegung,Wechselduschen, Kneipp-Kuren und Sauna-Gänge ma-

greifen. Auf keinen Fall sollteman sich nach dem Motto ku-rieren: „Viel hilft viel!“ Daskann bei Paracetamol sogartödlich sein.

Wer auf pflanzliche Mittelwie Echinacea schwört oderlieber zu homöopathischenGlobuli greift, dem rät Schel-ling nicht ab. Wissenschaft-lich nachgewiesen sei die Wir-kung aber oft nicht.

Wie gutschützen Vitamine?

Wenn es Winter wird, grei-fen viele zu Vitamin C. Schonals Kind haben sie gelernt:Das schützt vor Erkältungen.Schelling ist allerdings skep-tisch. Studien zufolge, ist esvor allem der Glaube an dieMacht des Vitamins, der hilft.„Vitamin C schützt wohlkaum“, sagt der Allgemein-arzt. Zwar ist eine heiße Zitro-ne wohltuend, schneller ge-sund macht Vitamin C aberauch nicht, wenn man es ingroßen Mengen schluckt. DerKörper scheidet es einfachwieder aus. Deutliche Effektefanden die Forscher nur beiMenschen, die großer Kälteoder Anstrengung ausgesetztwaren wie Soldaten und Ma-rathonläufern.

„Anders ist das bei VitaminD“, sagt Schelling. So gibt esHinweise, dass es eine wichti-

Wann helfenAntibiotika?

Antibiotika sind zwarhochwirksame Medikamente,gegen eine Erkältung helfensie aber nicht. Die Mittel tötennur Bakterien. Und hinter Er-kältungen stecken Viren.Manchmal macht es die Er-kältung aber auch Bakterienleicht, sich zu vermehren. Willetwa das Halsweh nicht mehrweggehen, ist es vielleicht zueiner bakteriellen Superinfek-tion gekommen. Dann sindAntibiotika sinnvoll.

Leider werden diese oft zuschnell verschrieben. Das hatFolgen: Immer öfter treten re-sistente Bakterien auf, gegendie die Mittel machtlos sind.Ziel muss es daher sein, Anti-biotika seltener einzusetzen.Schelling hat gute Erfahrun-gen damit gemacht, seine Pa-tienten mit in die Verantwor-tung zu nehmen: Steht dasWochenende bevor und esgibt Anzeichen, dass sichBakterien breitmachen, stellter schon mal ein Rezept aus –und gibt den Rat, es nur ein-zulösen, wenn es schlimmerwird. Die meisten verzichtenerst mal auf die Pillen, und derKörper hilft sich oft selbst.Auch bei Antibiotika, die einbreites Spektrum von Bakte-rien abtöten, ist Schelling eherzurückhaltend.

Wie gefährlich istdie echte Grippe?

„Ich hatte eine Grippe.“Das hört derzeit oft. Dochmeist war der Schuldige einErkältungsvirus – und nichtder Influenza-Erreger. Sonennt man das Virus, das dieechte Grippe auslöst. Wäh-rend die Erkältungserregerderzeit umgehen, ist die Grip-pewelle noch nicht richtig an-gerollt. Doch gibt es noch kei-ne Entwarnung: „Sie kannauch erst im März zuschla-gen“, sagt Schelling.

Dabei werde die Erkran-kung noch immer unter-schätzt. Experten zufolge solldie Grippe in Deutschland je-des Jahr zu mehr als 8000 Tö-desfällen führen. Sie überfälltihre Opfer dabei meist rechtplötzlich. Typisch sind hohesFieber über 39 Grad, ge-schwollene Lymphknotenund ein schweres Krankheits-gefühl, aber nicht unbedingtein Schnupfen. „Man fühltsich wie gerädert“, sagt Schel-ling. Oft klagen Grippeopferdarüber, dass sie sich nochwochenlang erschöpft fühlen.

Zudem ist die Grippe kei-neswegs harmlos. Die Virenkönnen eine Lungentzün-dung auslösen und den Herz-muskel angreifen. Nicht sel-ten kommt es auch im An-schluss zu einer Infektion mitBakterien. Mediziner vermu-ten, dass auch Herzinfarktenach einer Grippe vermehrtauftreten. Gerade älteren undchronisch kranken Patientenmacht schon allein das langeLiegen zu schaffen. Für sie be-deutet ein solcher Infekt nichtselten den Anfang vom Ende.

Schelling rät daher vor al-lem Senioren zur Impfung.Auch wenn der Schutz bei Äl-teren nicht mehr ganz so gutwirkt und manche trotzdemerkranken. Das könnte vor al-lem in diesem Jahr grassieren:Denn der Impfstoff schütztnur teils vor den grassieren-den Viren. Experten schätzendie Wirksamkeit auf etwa 23Prozent. Dennoch: „In nor-malen Jahren sind die meistendurch die Impfung geschützt“,sagt Schelling. Und: Einen an-deren zuverlässigen Schutzgibt es nicht. Auch Schellingselbst lässt sich daher jedesJahr impfen – auch, um seinePatienten zu schützen.

Für Erkältungsopfer gibt es vor allem ein Rezept: Bettruhe und viel trinken. Medikamente können zudem die Beschwerden lindern. PANTHERMEDIA