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100 Jahre Festschrift Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Stiftung Mittelfränkisches 100 Jahre Blindenheim · 2018-01-19 · ein Kreis engagierter Menschen hatte vor über hundert Jahren die Not und die Armut blinder, alter Menschen vor

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100 Jahre

Festschrift Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

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Festschrift zum 100-jährigen Jubiläum der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Herausgeber:Stiftung Mittelfränkisches BlindenheimBielefelder Straße 4590425 NürnbergTel. +49 (0)911 / 39 57 89-0Fax +49 (0)911 / 39 57 [email protected]

Vorsitz Stiftungsvorstand:Eberhard Stollberg

Geschäftsführung:Wolfgang Brockhaus

Redaktion: Wolfgang Brockhaus Melanie Wager M.A.

Gestaltung:Ralf Weglehner grafikdesign, Nürnberg

Fotos:Peter Dörfel Design, Nürnberg

Druck:NovaDruck Goppert GmbH, Nürnberg

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Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim100 Jahre

Festschrift

100 Jahre Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

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8 Grußworte

18 Chronik „Eine traute Wohn- und Pflegestätte“ – 100 Jahre Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

20 Kapitel I (1906 – 1908) „Die Idee der Erbauung eines Altersblindenheims“ – Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

30 Kapitel II (1908 – 1911) „Testamentarisch 20 000 M für ein Mittelfränkisches Blindenheim“ – Joseph Hopf gibt den Startschuss zur Erbauung

37 Kapitel III (1911 – 1914) „Die ersten Blinden sind […] eingezogen“ – Eröffnung und erste Betriebsjahre

46 Kapitel IV (1914 – 1919) „Unsere Blinden mußten wir heimsenden“ – Das Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim

51 Kapitel V (1919 – 1929) „In solch fürchterliche[r] Not“ – Das Mittelfränkische Blindenheim während der Inflation

57 Kapitel VI (1929 – 1948) „Im Zuge einer einheitlichen […] Ausrichtung“ – Die Nationalsozialisten fordern die Auflösung des Vereins

Inhaltsverzeichnis

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63 Kapitel VII (1948 – 1972) „Das Vielbettzimmer-Wohnen haben allmählich alle satt“ – Neubau I und Neubau II werden realisiert

67 Kapitel VIII (1972 – 1996) „Blindenheim für alte Menschen oder Pflegeheim“ – Beginnender Mentalitätswandel

75 Kapitel IX (1996 – 2011) „Erst wenn´s nicht mehr geht“ – Die Pflegeversicherung bringt den Übergang vom Blindenheim zur Seniorenpflegeeinrichtung

80 Kapitel X (2011) „Miteinander Freud‘ und Leid teilen“ – Auf die nächsten 100 Jahre

92 Beitrag Emil Hopf – Der Schöpfer, Stifter und Vater des Mittelfränkischen Blindenheims

102 Beitrag Unter einem Dach: Vernetzt im Paritätischen

106 Beitrag Stationäre Altenhilfe: Wohnanstalt oder Lebensraum?

112 Beitrag Die kompetente Selbsthilfeorganisation für Blinde und Sehbehinderte

114 Beitrag Aus dem Geist des Sozialen: Das Stiftungswesen in Deutschland

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Mit dieser Festschrift zum 100-jährigen will die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim den Bogen von ihren Anfängen bis in die heutige Zeit aufzeigen und spannen. Den Auftakt dazu machen Grußworte des Bezirkstagspräsiden-ten des Bezirks Mittelfranken Herrn Richard Bartsch, des Oberbürgermeisters der Stadt Nürnberg Herrn Dr. Ulrich Maly, des Vorsitzenden des Vereins Mittel- fränkisches Blindenheim Herrn Eberhard Stollberg und des Geschäftsführers der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim Herrn Wolfgang Brockhaus.

Die Chronik steht im Mittelpunkt dieser Festschrift. Geschrieben wurde sie von Frau Melanie Wager M.A. Mit einem Beitrag von Frau Dr. Andrea Dippel, der Leiterin der Kunstvilla im KunstKulturQuartier, über den maßgeblichen Initiator Emil Hopf beginnt der breite Bogen der Beiträge.

Auch andere Institutionen widmen sich mit ihren spezifischen Aufgaben-stellungen der Versorgung und Begleitung von sehbehinderten und blinden Menschen. Das führt bisweilen auch aufgrund historischer Gegebenheiten zu Nachfragen, da die Stiftung, wie es im Stiftungsnamen zum Ausdruck kommt, als „Blindenheim“ wahrgenommen wird. Allen gemeinsam ist die Mitglied-schaft im Paritätischen Wohlfahrtsverband Bayern. Über sie berichtet die Ge-schäftsführerin des Bezirksverbandes Ober- und Mittelfranken Frau Christiane Paulus. Der Arbeit des Bayerischen Blinden- und Sehbehindert wird aufgrund der sich aus der Aufgabenstellung ergebenden Schnittstelle als Beratungs- und Selbsthilfeverein ein weiterer eigener Beitrag gewidmet. Diese Arbeit wird von Herrn Wolfgang Kurzer, Bezirksgruppenleiter der Bezirksgruppe Mittelfranken des Bayerischen Blinden- und Sehbehinderten-bundes e.V., dargestellt.

Vorwort

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Da die Stiftung, wie es auch die Chronik zum Ausdruck bringt, durch die strukturelle Einbindung der Stiftung als eine Seniorenpflegeineinrichtung mit dem Spannungsfeld einer stationären Langzeitpflegeeinrichtung konfrontiert ist, ist dieser Thematik ein eigener Fachbeitrag gewidmet. Lesen Sie hierzu die Ausführungen von Herrn Johannes Bischof, Referent für Altenhilfe des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Bayern e.V.

Mit einem weiteren Beitrag wird ein ganz anderer, aber nicht weniger be-deutsamer Aspekt mit aufgriffen: Gerade Stiftungen und deren Bedeutung für ein funktionierendes soziales Gemeinwesen in der heutigen Zeit erleben in den letzten Jahren wieder eine Renaissance. Diesen Boom veranschaulicht der Beitrag des Bundes Deutscher Stiftungen von Frau Katrin Korwak und Herrn Prof. Dr. Hans Fleisch.

Mit diesem Beitrag endet der Reigen der Beiträge und es sprechen Bilder. Bilder von den Menschen, die heute für die Stiftung und das Haus Verant-wortung tragen, von Menschen, die hier wohnen, leben, arbeiten, die sich hier begegnen und diese Lebendigkeit verdeutlichen. Mit ihnen und unserer Danksagung an alle Beteiligten klingt diese Festschrift aus, nicht ohne dass die Sparkasse Nürnberg mit einer Anzeige die regionale Verbundenheit zum Ausdruck bringt.

Oktober 2011 Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

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Das Mittelfränkische Blindenheim ist eine ganz besondere Einrichtung für ganz besondere Menschen.

Zum 100-jährigen Jubiläum der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim gratuliere ich für den Bezirk Mittelfranken recht herzlich.

Ein Pflegeheim für alte Menschen stellt besondere Anforderungen an die bauliche Gestaltung und an die Ausstattung. Dies gilt umso mehr für ein Pflegeheim, in dem überwiegend Blinde und Menschen mit starken Seh-behinderungen leben. Um den modernen Anforderungen gerecht zu werden, konnte mit großem finanziellen Aufwand ein Neubau mit 42 Wohnheim- plätzen geschaffen werden. Der vorhandene Altbau wird ebenfalls saniert, sodass nach Abschluss aller Maßnahmen insgesamt 120 Wohnheimplätze angeboten werden, in denen den Bewohnern alle erforderliche Unterstützung und Hilfe insbesondere hinsichtlich der Orientierung geboten wird. Besonde-rer Wert wurde darauf gelegt, dass die Bewohner im Innenhof und im Thera-piegarten Zeit in der Natur, an der frischen Luft verbringen können. Dies ist ein wesentlicher Beitrag zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Bewoh-nerinnen und Bewohner.

Die engagierten Menschen, die hinter der Stiftung Mittelfränkisches Blinden-heim stehen, arbeiten seit nunmehr 100 Jahren sehr erfolgreich. In all den Jahren wurde vielen Menschen mit Sehbehinderungen ein wohlverdienter Lebensabend ermöglicht. Angesichts der demographischen Entwicklung, die wir Sozialpolitiker ständig im Blickfeld haben, müssen wir uns dieser schwie-rigen Aufgabe weiterhin stellen und den uns anvertrauten Menschen mit dem gebotenen Respekt und der erforderlichen Wertschätzung gegenübertreten.

Grußwort Bezirkstagspräsident Richard Bartsch

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Der Bezirk Mittelfranken ist derzeit im Rahmen seiner Zuständigkeiten für rund 25 Hilfeempfängerinnen und Hilfeempfänger im Blindenheim Mit-telfranken zuständig und wendet dafür im laufenden Haushaltsjahr rund 560.000 Euro auf. Wir werden der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim auch in Zukunft zur Seite stehen. Ich bin sicher, gemeinsam werden wir es schaffen, diese Erfolgsgeschichte fortzusetzen.

Mit freundlichen Grüßen

Richard Bartsch

BezirkstagspräsidentVerwaltungsratsvorsitzender der Blindenanstalt Nürnberg e.V.

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Kapitel II, Lorem ipsum dolor sit non set amen dulgor

Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Freundinnen und Freunde der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim,

100 Jahre ist es her, dass die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim mit dem Ziel gegründet wurde, blinden und sehbehinderten Menschen in Nürnberg eine Unterbringung, Betreuung und Pflege anzubieten, die ihren besonderen Bedürfnissen entspricht.

Der Grundstein für die Umsetzung des Stiftungszweckes wurde mit dem Bau des Mittelfränkischen Blindenheimes und seiner Einweihung am 21. Oktober 1911 gelegt. Beides aber wäre ohne den Einsatz engagierter Nürnberger Bürger nicht möglich gewesen. Sie gründeten 1907 den Verein Mittelfränkisches Blindenheim, aus dem die Stiftung hervorging. Ihnen und ganz besonders Emil Hopf, dem Sohn einer jüdischen Kaufmannsfamilie, ist es als Stifter und „Vater“ des Mittelfränkischen Blindenheimes zu verdanken, dass blinde und sehbehinderte Bürgerinnen und Bürger in Nürnberg damals angemessen betreut und gepflegt werden konnten – und es auch heute noch werden!

Schaut man sich die Geschichte der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim an, stößt man auf ein Wort, das es heute in Deutschland glücklicherweise kaum noch gibt: „Kriegsblind“. Es erinnert an die Schrecknisse der Kriege, in denen junge Menschen ihr Augenlicht verloren und in der Folge lebenslang auf Hilfe angewiesen waren. Heute geht die „erworbene Blindheit“ meist mit dem Alter einher: 48 % aller Erblindungen treten nach dem 80. Lebensjahr auf. Die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim hat sich also bereits sehr früh eines Themas angenommen, das – leider – noch immer Aktualität besitzt.Wir können dauerhafte Erblindungen nicht verhindern, aber wir können Menschen, die daran erkrankt sind, das Leben erleichtern. Die Stiftung Mittel-fränkisches Blindenheim hat dies erkannt, sich dieser Aufgabe gewidmet und

Grußwort Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly

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sie im Laufe der Zeit mit anderen Beeinträchtigungen eines höheren Lebens-alters verknüpft. Nun können längst auch Sehende in das Mittelfränkische Blindenheim einziehen und so wird – fast nebenbei – auch „Integration“ gelebt.

Die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim ist ein wichtiger Teil des vielfälti-gen bürgerschaftlichen Engagements in Nürnberg und diente sicher auch als Vorbild für die eine oder andere nachfolgende Stiftungsgründung.

Den Stiftern, wie den haupt- und ehrenamtlich Engagierten, die dafür gesorgt haben und sorgen, dass Menschen mit und ohne Sehbehinderung ein Zuhause gefunden haben, das ihren Wünschen und Bedürfnissen entspricht, sage ich auch im Namen ihrer Stadt einen herzlichen Dank!

Ich wünsche der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim und all ihren Mitar-beiterinnen und Mitarbeitern, allen ehrenamtlich Tätigen und nicht zuletzt allen Bewohnerinnen und Bewohnern des Heimes für die Zukunft weiterhin ein gutes Miteinander und dass die Stiftung ihrem Aufrag noch lange gerecht werden kann.

Im Griechischen gibt es übrigens ein Kosewort, das „matia mou“, „meine Augen“ heißt, und der oder dem Liebsten sagen soll, WIE kostbar er/sie für den anderen ist. Es ist auch ein treffendes Wort für eine Einrichtung, die in diesem Jahr 2011 allen Grund hat, zu feiern.

Mit den besten Wünschen

Dr. Ulrich Maly

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Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Leserinnen und Leser,

ein Kreis engagierter Menschen hatte vor über hundert Jahren die Not und die Armut blinder, alter Menschen vor Augen. Gemeinsam, privat etwas zu unternehmen, war ihnen ein Anliegen.

Zu diesem Zweck wurde der Verein Mittelfränkisches Blindenheim e.V. gegründet. Aus diesem ging dann die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim hervor, die am 21. Oktober 1911 ihren Berieb aufnahm. In dieser langen Zeit haben das Haus und die Stiftung viel erlebt, erlitten und bewältigt. Diese Geschichte aufzuzeigen und uns vor Augen zu führen, ist Aufgabe unserer Generation geworden.

Der Verein Mittelfränkisches Blindenheim und seine Mitglieder gratulieren ihrem Kind, der „Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim“ herzlichst zum Jubiläum. Die allerbesten Wünsche zum 100-jährigen Geburtstage, verbun-den mit der Hoffnung, segensreich das nächste Jahrhundert zu meistern,ist uns allen eine Verpflichtung.

Diese Aufgabe, privatwirtschaftlich eine solche Institution zu führen, ist aktueller denn je. Sich nicht immer auf den Staat zu verlassen, sondern selbst etwas zu unternehmen – für geplagte, verdiente alte Mitbürger den Lebens-abend so angenehm als möglich zu gestalten, ist auf Grund unserer demosko-pischen Entwicklung dringen nötig.

Grußwort Vorsitzender Eberhard Stollberg

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Wir sind froh, mit unserer Stiftung einen Solidarbeitrag leisten zu können und so unsere Gesellschaft menschlicher und sozialer mitgestalten zu können. Dies wollen wir auch weiterhin tatkräftig tun und umsetzen!

Ich danke allen Vereinsmitgliedern, allen Freunden und Förderern „unserer“ Stiftung für ihre stetige und tatkräftige Unterstützung.

Mein besonderer Dank gilt aber auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbei-tern, die sich täglich neu und engagiert um das Wohl der ihnen anvertrauten Menschen sorgen und ihnen einen Lebensabend in Würde und Wertschätzung ermöglichen. Unabhängig davon, ob die alten Menschen blind, sehbehindert,pflegebedürftig oder nicht sind, schenken sie diesen ihre Zuwendung und begleiten sie.

Ich danke allen Angehörigen und Bewohnern für ihr uns geschenktes Vertrauen. Auf die nächsten hundert Jahre!

Eberhard Stollberg

Vorsitzender des Vereins Mittelfränkisches Blindenheim e.V.

Grußwort Vorsitzender Eberhard Stollberg

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Sehr geehrte Damen und Herren,liebe Leserinnen und Leser,

schon Johann Wolfgang von Goethe stellte fest: „Eine Chronik schreibt nur derjenige, dem die Gegenwart wichtig ist“. Mit dieser Festschrift wollen wir daher die Gegenwart bewusst machen, sie aus der Geschichte heraus besser verstehen und damit das Profil der Stiftung in der heutigen, in einer vom Pluralismus geprägten Zeit, deutlich darstellen.

Ein Profil, das sich immer wieder veränderte und sich weiter verändern und entwickeln wird. Mit der Inbetriebnahme unseres neuen Hauses, das den Bedürfnissen von Menschen, die heute hier wohnen, nach Überschaubarkeit und nach Geborgenheit vermittelnden Pflegemöglichkeiten entspricht, ist im Jubiläumsjahr die Grundlage für eine weitere zukunftsfähige und nachhaltige Entwicklung und eine folgerichtige Antwort auf die derzeitige demographi-sche Entwicklung gefunden worden. Nachfolgende Generationen werden sich vermutlich in 30-50 Jahren bei sich wieder verändernder Demographie damit oder anderen, derzeit nicht absehbaren Entwicklungen auseinandersetzen müssen, um den Stiftungsauftrag neu auszulegen.

Wenn man die Festschrift und ihre Beiträge liest, ist spürbar, dass sich unser Haus immer dieser Dynamik und damit einhergehenden steten Veränderung stellen musste. Dieser starke Wandel wird gerade derzeit verstärkt durch eine Pflegepolitik, die sich meines Erachtens mittlerweile von den authentischen Bedürfnissen der betroffenen Menschen entfernt hat. Interessant in diesem Zusammenhang ist eine Äußerung einer Angehörigen vor einige Wochen als es um die Aufnahme ihres Vaters in unserem Haus ging: „Pflegenoten inter-essieren mich nicht, sondern Menschlichkeit“. Dieser Satz bringt es auf den Punkt: Die Atmosphäre und das Klima einer Einrichtung kann man nicht mit Pflegenoten und Prüfungsdruck festmachen. Es sind die hier tätigen und

Grußwort Geschäftsführer Wolfgang Brockhaus

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engagierten Menschen, die jeden Tag neu daran arbeiten. Es ist uns daher Verpflichtung und Anspruch, weiter an diesem gutem Miteinander zu arbei-ten. Menschen, die zu uns kommen, sollen ein Gefühl und eine Atmosphäre der Wertschätzung vermittelt und mit ihren Bedürfnissen wahrgenommen und angenommen werden. Damit wird die Einrichtung jeden Tag neu ihrem Stiftungsauftrag gerecht. Dabei den Spagat zu schaffen, wirtschaftlich und nachhaltig zu arbeiten, wird auch zukünftig eine Herausforderung sein. Hier hoffen wir weiter auf die Unterstützung von vielen Menschen, die der Stif-tung bis heute in besonderem Maße zu Teil wird. Dafür sind wir dankbar.

Diese Festschrift ersetzt nicht den persönlichen Kontakt miteinander. Sie kann und soll aber dazu einladen, miteinander ins Gespräch zu kommen. Denn: „Wer die Vergangenheit nicht kennt, kann die Gegenwart nicht ver-stehen. Wer die Gegenwart nicht versteht, kann die Zukunft nicht gestalten“ (Hans-Friedrich Bergmann). Wir freuen uns, wenn es uns mit diesem Heft ge-lingt, miteinander die Vergangenheit kennenzulernen, die Gegenwart besser zu verstehen, um die vor uns liegende Zukunft gemeinsam zu gestalten. So wünsche ich uns allen für das vor uns liegende zweite Jahrhundert der Stif-tung Mittelfränkisches Blindenheim eine von Herzlichkeit und Menschlichkeit geprägte Atmosphäre und viele, von Wertschätzung und Respekt getragenen Begegnungen in unserem Haus – jeder ist uns herzlich willkommen.

Wolfgang Brockhaus

Geschäftsführer der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

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„Eine traute Wohn- und Pflegestätte“ – 100 Jahre Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Chronik 100 Jahre Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Chronik

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Mehr als 100 Jahre Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim haben sich im Zuge der Recherchen für diese Chronik mit Leben gefüllt. Die vielen Ge-schichten, die das Haus in sich birgt und aufgrund der erhaltenen Quellen preisgibt, sind außergewöhnlich und verleihen der Stiftung die persönliche Note. 100 Jahre Arbeit mit und für Menschen, die Pflege brauchen, prägen den Charakter einer Institution, ihre Traditionen und Werte. Ziel dieser Chronik war keine penible, trockene Chronologie der Daten und Fakten, vielmehr möchte sie dem Leser ermöglichen, sich aus eben diesen vielen kleinen Geschichten ein Bild der großen Geschichte der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim zusammenzusetzen. Ganz bewusst sprechen vorrangig die Quellen selbst, um eine größtmögliche atmosphärische Nähe mithilfe der auratischen Wirkung der Quellen zu erzielen.

Eine Festschrift ist nicht der Rahmen für eine streng wissenschaftliche Dar-stellung, nichtsdestotrotz wurden Abstriche aus zeitlichen wie räumlichen Motiven lediglich an der Quantität und nicht an der Qualität gemacht.

So wurde aus Gründen des Lesekomforts und der grafischen Gestaltung auf Verweise im Fließtext verzichtet, verwendete Literatur und Quellen an Ort und Stelle eingearbeitet und im Literatur- und Quellenverzeichnis sowie Abbildungsverzeichnis aufgeführt, daher wurde auch in Zitaten die aktuell gültige Rechtschreibung verwendet. Diese sind kenntlich gemacht, die einzel-nen Verweise liegen bei der Autorin und sind selbstverständlich einsehbar.

Oktober 2011 Melanie Wager M.A.

Vorwort

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Bild eines hervorragenden Mannes in der bleibenden Erinnerung festhalten müssen. Emil Hopf, aus dem Stamme der Nürnberger Großhändlersfamilie Hopf, war Schöpfer, Stifter und Vater des Mittelfränkischen Blindenheims.“

Der zeitgenössische Blickwinkel

Um die Beweggründe eines Emil Hopf und seiner Zeitgenossen besser nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, sich in die Lage, das Denken und Fühlen und nicht zuletzt die herrschenden Verhältnisse um die Jahrhun-dertwende hineinzuversetzen. (Abb. 1, 2)

Einige Passagen zu diesem Thema sollen dies ermöglichen. „Zur Zeit der Gründung des Mittelfränkischen Blindenheimes im Jahr 1911 […] herrschten völlig andere soziale Verhältnisse. Der blinde Mensch von damals war weitgehend Objekt der Armenfürsorge.“ So schreiben die Nürnberger Nachrichten in der Ausgabe vom 30./31. August 1986 unter der Überschrift „Mittelfränkisches Blinden-heim an der Bielefelder Straße feiert mit einem Sommerfest 75-jähriges Bestehen“ und führen weiter aus: „Bei der Vereinsgründung 1911 gab es noch kein ‚soziales Netz‘, das

Die Geschichte des Mittelfränkischen Blinden- heims beginnt lange vor der Eröffnung am 21. Oktober 1911, so schreibt der Fränkische Kurier, eine zeitgenössische Nürnberger Tages- zeitung, just an diesem Tag: „Schon seit langer Zeit macht sich in der Blindenfürsorge das Bedürfnis geltend, ein Heim für arbeits-unfähige Blinde zu schaffen, um diesen Un-glücklichen einen erträglichen Lebensabend zu bereiten.“

Dr. Sigmund von Forster, der im folgenden noch des Öfteren zu Wort kommen wird, nennt eine erste Jahreszahl: „Es war im Jahre 1907, als Emil Hopf den Verein Mittel-fränkisches Blindenheim gründete.“ Welche Rolle spielte dieser Emil Hopf, dessen Name untrennbar mit der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim verbunden ist?

Darüber geben einige einleitende Worte seines Nachfolgers als Vorstand des Ver-eins Mittelfränkisches Blindenheim, Dr. von Forster, anlässlich des 75-jährigen Bestehens der Blindenanstalt, einer im Jahr 1854 ins Leben gerufenen Einrichtung zur Ausbildung blinder Menschen, im Jahre 1929 Auf-schluss: „Wem es zufällt, eine Niederschrift über Werden und Sein des Mittelfränkischen Blindenheimes zu verfassen, der wird das

„Die Idee der Erbauung eines Altersblindenheims“ – Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

Kapitel I Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

1906 – 1908

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schildert, der Regierung von Mittelfranken, übernommen] im Mittelfränkischen Blinden-heim betreffend, enthält eine anschauliche Schilderung der damaligen Verhältnisse. „Es gibt, wie die bei uns vorliegenden Gesuche zeigen, oft Fälle, in denen weder der Landes-fürsorgeverband, noch der Bezirks- oder Ortsfürsorgeverband verpflichtet sind, die Kosten für die Anstaltspflege einer armen, blinden Person zu tragen. […] Um der geehrten Regierung ein Bild zu geben, sei

den Bürger und seine Angehörigen im Falle der Erblindung vor dem wirtschaftlichen und sozialen Abstieg bewahrte. Der blinde Mensch fiel damals der unterentwickelten Armenfürsorge zur Last.“Folgendes Schreiben des Mittelfränkischen Blindenheims an die Regierung aus den zwanziger Jahren, die Errichtung von Frei-plätzen [d.h. die Kosten des Heimplatzes werden für den Bewohner von Dritten, beispielsweise Stiftern oder wie hier ge-

Abb. 1: Sinnsprüche und Gesangsbuch aus den Anfängen des 20. Jahrhunderts.

Abb. 2: Poesiealbum mit Eintragungen aus dem Gründungsjahr 1911.

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kalten Dachkammer kann sie sich im Winter untertags nicht aufhalten, deshalb bringt sie, wie mir zugetragen wurde, im Winter oft stundenlang im Kuhstall zu und sitzt dort in einer Ecke!“ Schließlich werden mit Schreiben vom 24. Juli 1928 zwei Freiplätze genehmigt: „Von Ihrer Mitteilung der Geneh-migung der Mittel für zwei Kreisfreiplätze im Mittelfränkischen Blindenheim durch den Kreistag von Mittelfranken haben wir mit großer Freude Kenntnis genommen.“

Im Vorwort einer Broschüre zum Thema Blindenbeschäftigung aus dem Jahre 1924 skizziert der Direktor der Universitäts-Klinik für Augenkrankheiten in Berlin, Professor Krückmann, eine kurze Geschichte im Um-gang mit Blindheit: „Den ersten Anstoß zur Gründung der Blindenanstalten gaben in Preußen die Befreiungskriege, wodurch

ein Fall der letzten Zeit kurz skizziert: Ein blindes Mädchen [sic!], 61 Jahre alt, lebt bei ihrem Stiefbruder […] ist schwach und gebrechlich, aber der Landesfürsorgeverband erkennt Anstaltspflegebedürftigkeit nicht an. Die Blinde, die nicht mehr mithelfen kann wie in jüngeren Jahren, bekommt Vorwürfe über Vorwürfe und leidet seelisch ungeheuer darunter. Der Ortsfürsorgeverband lehnt die Übernahme der Anstaltskosten ab, da der Bruder notariell zum Unterhalt verpflichtet ist. Dieser wieder erklärt, nicht mehr als 50 M. aufbringen zu können. In einem solchen Falle kann nur geholfen werden durch Frei-plätze. Da die Familie Raum gewinnen woll-te, hat sie die Blinde aus dem ihr zustehen-den Zimmer verdrängt und ihr ein kleines Dachkämmerchen als Schlaf- u. Aufenthalts-raum zugewiesen. Im warmen Wohnzimmer sieht man die Blinde […] nicht gerne; in der

Kapitel I Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

Abb. 3: Stichelbrett Abb. 4: Blindenschreibmaschine

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gleichzeitig erreicht wurde, dass sich weitere Kreise, insbesondere die Regierung, mit dem Schicksal der Blinden beschäftigten. Damit war der Weg geöffnet für die Entwicklung, die sich im neunzehnten Jahrhundert ab-spielte. Die Erkenntnis, dass jedem blinden Kinde die gleich sorgfältige Erziehung wie dem sehenden gebührt, dass die Betätigung in praktischer Arbeit möglich und notwen-dig sei, wurde im Laufe eines Jahrhunderts allgemein zur Wirklichkeit.“ (Abb. 3, 4) Zur konkreten Situation in Nürnberg äußert sich 1913 der Direktor der Blindenanstalt Schleußner: „Wie andernorts, so [wur-de] auch in Nürnberg gegen die Mitte des vorigen Jahrhunderts eine Heilstätte für Augenkranke errichtet. Aus dieser Anstalt […] mussten wiederholt Kinder entlassen werden, denen trotz sorgfältiger Pflege und Aufbietung der ganzen damaligen Augen-heilkunst das verlorene oder niemals vorhan-dene Augenlicht nicht zurückgebracht oder geschenkt werden konnte. Deshalb entschlos-sen sich edle Männer, die Gründung einer Blindenerziehungsanstalt anzustreben.“

In einem Artikel des Fränkischen Kuriers „Zur Frage der Blindenfürsorge in Nürnberg“ (Abb. 5) wird am 18. Oktober 1911 die Entwicklung in Nürnberg folgendermaßen beschrieben: „In Nürnberg haben einige Menschenfreunde, darunter Herr Nold, der Vater des jetzigen Schatzmeisters des Mittel-

Abb. 5: Artikel im Fränkischen Kurier vom 18. Oktober 1911.

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straße 17.“ Laut Gewerbeanmeldung ist der jüdische Kaufmann Emil Hopf seit 15. Febru-ar 1890 Teilhaber der Hopfenhandlung Hopf und Söhne.

Von seinem außerordentlichen Engagement wird später mehr zu erfahren sein. Zunächst führt der Platzmangel in der Altersversor-gungsabteilung der Blindenanstalt zur Erbau-ung eines Mittelfränkischen Blindenheims:

„Diese [Altersversorgungs] Abteilung hat den Zweck, solche blinde Männer und Frauen bei eintretender Erwerbsunfähigkeit in Wohnung und Pflege zu nehmen, welche dem Verbande der Anstalt als Zöglinge oder Arbeiter angehörten oder noch angehören. Bei Gründung dieser Abteilung wurden zwar auch erblindete Personen aufgenommen und in Altersverpflegung gegeben, welche früher mit der Anstalt nicht in Verbindung standen, es wurde jedoch dabei ausgesprochen und bestimmt, das solche Aufnahmen nur solange stattfinden dürfen, als nicht durch Raum-mangel die Möglichkeit der Unterbringung früherer Zöglinge und Arbeiter der Anstalt in Frage gestellt wird. Dieser Zeitpunkt ist nunmehr eingetreten, so dass eine unmittel-bare Aufnahme altersschwacher Personen, die noch nicht in der Fürsorge der Anstalt standen, nicht mehr stattfinden kann. Für sie ist das neue ‚Mittelfränkische Blindenheim‘ an der Wetzendorfer Straße bestimmt.“

fränkischen Blindenheims [Carl Nold], den Plan zur Errichtung einer Blindenerziehungs-anstalt im Jahre 1854 gefasst.“

Kontaktaufnahme mit Emil Hopf und erste Schritte

Der Platzbedarf dieser Blindenanstalt steigt seit der Gründung 1854 stetig, daher ent-schliesst man sich dank einer günstigen Finanzlage zum Verkauf der Blindenan-stalt in der Blumenstraße 17 und zu einem Neubau: „Das rasche Erblühen der Marien-Vorstadt, in welcher die Anstalt lag, brachte eine so wesentliche Steigerung der Grund-stückswerte mit sich, dass der Verkauf des Anstaltsterritoriums und die Verlegung nach einer weniger angebauten Vorstadtseite die Mittel zu einer bedeutenden Vergrößerung der Anstaltsgebäude an die Hand zu geben versprach.“

Zu diesem Zeitpunkt tritt der als Vater des Blindenheims in die Geschichte eingegange-ne Emil Hopf wohl erstmalig in Erscheinung, nämlich als Käufer des Anwesens Blumen-straße 17. So findet sich in einer Meldung vom 17. August 1894 des neunten Wacht-bezirks Marienvorstadt sein Name: „In dem Neubau Villa Emil Hopf befindet sich ein von dem Baumeister Goll angelegter proviso-rischer Abort, derselbe besteht seit Abbruch des Blinden-‚Erziehungs‘-Institutes, Blumen-

Kapitel I Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

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fer des Anwesens Blumenstraße 17 mit der Blindenanstalt in Kontakt gekommen war, wieder in Erscheinung. In dieser Beziehung zur Blindenanstalt, mit deren Direktor er wohl befreundet war, liegt vermutlich der Ausgangspunkt von Emil Hopfs Verbindung zu einem Projekt Mittelfränkisches Blinden-heim. „In Emil Hopf reifte in öfteren Gesprä-chen mit dem Direktor der Blindenanstalt Schleußner und mir der Plan, für alte, arme,

Neben der Blindenanstalt spielt auch der Blindenunterstützungsverein eine Rolle: „Bei den Fürsorgebestrebungen, die in den letzten Jahrzehnten in weit ausgedehnterem Maße als früher den in den verschiedens-ten Altersstufen und sozialen Verhältnissen lebenden Blinden in Nürnberg und in Mit-telfranken zugewendet wurden, fanden sich alte, kranke und sieche Blinde zum Teil in so jämmerlichen und menschenunwürdigen Verhältnissen, dass man sich der Erkenntnis nicht verschließen konnte, man müsse auch hier lindernd, helfend und rettend eingrei-fen. Deshalb gründete sich […] ein Komitee, das unter Heranziehung von Herren aus dem Verwaltungsrate der Blindenanstalt und der Verwaltung des Blindenunterstützungsver-eins die in den Kreisen des letzteren entstan-dene, durch Denkschriften und Instruktions-reisen schon sorgfältig vorbereitete Idee der Erbauung eines Altersblindenheims aufgriff und mit Energie in die Tat umsetzte.“ Die-se Idee kann aber erst realisiert werden als 1907 der Kommerzienrat Joseph Hopf, der Vater von Emil Hopf, „testamentarisch 20 000 M für ein Mittelfränkisches Blinden-heim bestimmte“.

Vereinsgründung und Stiftungsausschuss

Eine rege Korrespondenz Emil Hopfs geht der Realisierung voran. So tritt der jüdische Kaufmann 13 Jahre, nachdem er als Käu-

Abb. 6: Handschriftlicher Brief Emil Hopfs an den Regierungs-präsidenten vom 10. Juli 1906.

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nehmen wie in weiteren Kreisen so auch von der königlichen Regierung nur mit vollster Anerkennung begrüßt werden kann.“

In der Frage nach einem geeigneten Namen wendet sich Hopf erneut an den Regierungs-präsidenten und fragt am 13. November 1906 ob das Heim „Mittelfränkisches Blin-denheim“ oder „Fränkisches Blindenheim“ genannt werden soll. Direktor Schleußner von der Blinden-Erziehungs-Anstalt hatte die Frage aufgeworfen, „ob man es nicht „Frän-kisches Blindenheim“ nennen sollte, um da-mit zu sagen, dass auch Blinde aus anderen Kreisen aufgenommen werden können, falls Platz vorhanden sein sollte.“

Weiterhin hält er den Regierungspräsidenten über die Vereinsangelegenheiten auf dem Laufenden: „Gleichzeitig beehre ich mich Eurer Exzellenz mitzuteilen, dass ich pro-visorisch den Vorsitz für das Blindenheim übernommen habe und ich bin nun von den anderen Herren beauftragt, Eurer Exzellenz den tiefgefühltesten Dank für die schnelle Gewährung der Lotterie auszusprechen.“ Diese Bitte um Genehmigung zur Durchfüh-rung einer Landeslotterie hatte der Vorstand des Blindenunterstützungsvereins im August 1906 an die hohe Regierung von Mittel-franken, Kammer des Innern, zu Ansbach gestellt, „damit das von so vielen Unglückli-chen sehnlichst erhoffte Blindenheim seiner Erbauung entgegengeführt werden könne.“

unversorgte und sieche Blinde ein Wohn-heim zu errichten und zu betreiben, langsam heran“, schreibt der Augenarzt Hofrat Dr. Sigmund von Forster, seit 1898 Mitglied des Verwaltungsrates der Blindenanstalt Nürnberg, seit 1918 deren Vorstand. 1906 wendet sich Direktor Schleußner diesbezüg-lich an den jüdischen Kaufmann, der sich auch äußerst erfolgreich einbringt.

So geht aus dem ersten Brief Emil Hopfs in dieser Sache vom 4. Juli 1906 (Abb. 6) hervor: „Der hiesige Blinden-Unterstützungs-Verein – gemeinsam mit dem Direktor der hiesigen Blinden-Erziehungs-Anstalt [Schleußner] – ist an mich herangetreten, ihm bei Erbauung eines ‚Mittelfränkischen Blindenheims‘ behülflich zu sein. Ehe ich weitere Schritte unternehme, erlaube ich mir die ergebene Bitte an Euere Exzellenz zu stellen, mir eine Audienz in dieser Angele-genheit zu gewähren, um Euerer Exzellenz die nötigen Unterlagen zur Begutachtung vorlegen zu können. Einer geneigten Ant-wort entgegensehend, verbleibe ich Euerer Exzellenz ergebener Emil Hopf [mit Bleistift in anderer Handschrift] Kaufmann, Blumen-straße 17.“ Die Audienz wird ihm gewährt, er erhält ein Antwortschreiben des Regie-rungspräsidenten von Blaul vom 6. August 1906: „Im Besitze Ihres geschätzten Briefes […] beehre ich mich über Ihren Plan der Begründung eines Blindenversorgungsheims zunächst zu wiederholen, dass dieses Unter-

Kapitel I Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

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größten Erwartungen bei Weitem übertrof-fen worden sind“ und ersucht erneut um eine Audienz beim Regierungspräsidenten, um dessen Ansichten hinsichtlich der beabsich-tigten weiteren Arbeiten einzuholen.

Dass Emil Hopf seine Aufgabe außerordent-lich gut macht, zeigt folgende Notiz des Regierungspräsidenten: „Geantwortet, dass ich mit Vergnügen bereit bin, Emil Hopf […] zu empfangen.“

Die Abbildung zeigt ein Los dieser Wohl-tätigkeits-Geld-Lotterie zur Erbauung eines Mittelfränkisches Blindenheims in Nürnberg mit öffentlicher notarieller Gewinnziehung am 10. April 1907 in München. (Abb. 7)

In einem weiteren handschriftlicher Brief bringt Emil Hopf am 21. November zum Ausdruck, dass die „gütigst gewährte Unter-stützung im Landrate“ die Bestrebungen „in einer Weise gefördert [hatten], dass unsere

Abb. 7: Los der Wohltätigkeits-Geld-Lotterie zur Erbauung eines Mittelfränkischen Blindenheims aus dem Jahr 1907.

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Allerhöchster Anerkennung des Beweises humaner Gesinnung die landesherrliche Bestätigung fand. Der Gedanke des Blinden-Unterstützungsvereins durch Errichtung eines Heimes für alte oder kranke und sieche Blinde, die einer geordneten und zweckent-sprechenden Pflege entbehren, eine Stätte des Friedens und des Schutzes zu bereiten, war zwar schon seit mehr als zehn Jahren unablässig im Auge behalten und durch Ansammlung von Kapitalien und Erwerbung eines sehr geeigneten Bauplatzes schon wesentlich gefördert worden.“ Da der Blindenunterstützungsverein mit sei-ner Hauptaufgabe voll ausgelastet ist, geht es an die „Gründung eines besonderen Vereins,

Vereinsgründung und Stiftungsausschuss

Der Verein Mittelfränkisches Blindenheim wird schließlich am 29. April 1907 im Ver-einsregister des Königlichen Amtsgerichts Nürnberg, Band Fünf, Nummer 37 einge-tragen. Folgende Auszüge stammen aus der Satzung vom 17. April 1907:

§1. Der Zweck des Vereins ist, die Mittel zur Erbauung und zum Betriebe eines Mittel-fränkischen Blindenheims in Nürnberg aufzubringen.

§2. Der Verein führt den Namen ‚Mittelfrän-kisches Blindenheim‘.

§3. Sitz des Vereins ist Nürnberg. Der Verein soll in das Vereinsregister eingetragen werden. […]

§6. Der Jahresbeitrag beträgt mindestens 2 Mark pro Jahr.

Das erste Protokollbuch trägt den Titel „Mit-telfränkisches Blindenheim April 1907“, und beginnt mit der ersten Sitzung der Vorstand-schaft vom 5. Juni 1907 im Industrie- und Kulturverein. (Abb. 8)

„Einen besonders wichtigen Schritt in der Weiterentwicklung der Blindenfürsorge im Regierungsbezirke Mittelfranken und im ganzen Königreich Bayern bedeutet die Gründung der Stiftung: ‚Mittelfränkisches Blindenheim‘, welche im Jahre 1908 unter

Kapitel I Vorgeschichte des Mittelfränkischen Blindenheims

Abb. 8: Protokollbuch vom April 1907.

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Luitpold, des Königreichs Bayern Verweser, haben allergnädigst geruht, zur Entstehung der von dem Verein ‚Mittelfränkisches Blindenheim‘ und von dem ‚Blindenunter-stützungsverein‘ in Nürnberg mit einem Kapitale von 64200 M sowie zwei Bauplät-zen an der Bucher- und Wetzendorfer Straße in Nürnberg errichteten, zur Erbauung und zum Betrieb eines Versorgungshauses für Blinde bestimmten Stiftung ‚Mittelfränkisches Blindenheim‘ in Nürnberg die staatliche Genehmigung zu erteilen und zu bestimmen, dass die Stiftung unter dem Ausdruck Aller-höchster Anerkennung des von den Stiftern bekundeten Wohltätigkeitssinnes zur öffent-lichen Kenntnis gebracht werde.“

der sich die Erbauung einer solchen Heim-stätte zum Ziele setzte.“ Der Stiftungsausschuss besteht aus sechs Mit-gliedern der Verwaltung des Blindenunter-stützungsvereins, dem Vorstand der Blinden-Erziehungsanstalt und der Vorstandschaft des Mittelfränkischen Blindenheims. (Abb. 9) Der Blindenunterstützungsverein übergibt der Stiftung Kapital und einen Bauplatz.Das Königliche Staatsministerium des Innern schreibt am 5. Oktober 1908 an die König-liche Regierung von Mittelfranken, Kammer des Innern: „Im Namen seiner Majestät des Königs. Seine Königliche Hoheit Prinz

Abb. 9: Verwaltungsrat des Mittelfränkischen Blindenheims.

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Hopf den Herrn Regierungspräsidenten […] Weiterhin wurde einstimmig beschlossen, das erste Hauptgebäude nach den Entwür-fen des Herrn Bauamtmanns Ullmann und des Herrn Architekten Behringer mit einem Gesamtkostenaufwand von ca. 140 000 M noch in diesem Jahre am Wetzendorfer Weg zu errichten.“ (Abb. 10)

Grundstückskauf

Laut Protokollbuch berichtet Herr Hopf am 3. Januar 1908 über die Besichtigung einiger Bauplätze zusammen mit anderen Herren, dabei erscheint am besten geeignet „ein der israelitischen Kultusgemeinde gehöriger, 61/2 Morgen großer Platz am Wetzendorfer Weg“. Nach Ansicht des Sachverständigen Architekt Ochsenmayer wird dieser Platz als in „jeder Hinsicht […] äußerst empfehlens-wert bezeichnet“. Die Entscheidung für den Bauplatz fällt am 27. März 1908, als dieser vom Verein übernommen wird. Aus dem Kaufvertrag mit der Israelitischen Kultusge-meinde geht hervor, dass das besagte Grund-stück mit einer Fläche von 2.115 Hektar – ursprünglich zur Anlage eines israelitischen Friedhofes bestimmt – für 103 000 Mark den Besitzer wechselt.

Im Fränkischen Kurier vom 8. April 1910 findet sich in der Rubrik „Städtisches“ folgender Hinweis auf die weitere Entwick-lung in Sachen eines Mittelfränkischen Blindenheims: „Eine entscheidende Sitzung hat gestern Nachmittag fünf Uhr der Verein Mittelfränkisches Blindenheim abgehalten, welcher der Regierungspräsident Dr. von Blaul beiwohnte. Vorher fand eine Besichtigung der beiden Bauplätze seitens des Herrn Regierungsprä-sidenten statt. In der Sitzung selbst begrüß-te der Vorsitzende Herr Großhändler Emil

„Testamentarisch 20 000 M für ein Mittelfränkisches Blindenheim“ – Joseph Hopf gibt den Startschuss zur Erbauung

Kapitel II Joseph Hopf gibt den Startschuss zur Erbauung

Abb. 10: Artikel im Fränkischen Kurier vom 8. April 1910.

1908 – 1911

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In der Generalversammlung am 30. April 1908 werden bereits Vorschläge über Erbau-ung des Heims besprochen und die Vorstand-schaft ermächtigt, die erforderlichen Pläne ausarbeiten zu lassen.

PlanungIm Folgenden sollen einige Pläne, die noch heute im Archiv des Mittelfränkischen Blindenheims vorhanden sind, sowie einige Pläne aus den Beständen der Bauordnungs-behörde, vorgestellt werden. (Abb. 11 – 17)

Über die Wahl des Grundstücks und die Gebäudeentwürfe liefert die Tagespresse, namentlich der Fränkische Kurier am 21. Oktober 1911 in seinem Artikel „Das Mittel-fränkische Blindenheim“ eine anschauliche Beschreibung: „Besonders hervorzuheben ist, dass der Verein mit sachgemäßer Großzü-gigkeit an die Lösung der Aufgabe herantrat und in der Wahl des Platzes und Grundstücks eine sehr glückliche Hand zeigte, so dass ein Ausbau der Anstalt für das Bedürfnis auf absehbare Zeit hinaus möglich ist. Das in der Nähe des Allgemeinen Krankenhauses gele-gene Heim steht auf allen Seiten frei und ist mit der Hauptfront gegen Süden gerichtet. Es ist in seinen einfachen Formen vorzüglich in die Landschaft hinein komponiert und macht einen gemütlichen Eindruck. Namentlich wird es als äußerst angenehm empfunden, dass das Gebäude nicht direkt an der Straße steht, sondern es ist ein geräumiger Vorgar-ten geschaffen, der den Lärm und Staub der Straße abhalten soll.“

Abb. 12: Entwurf zur Ansicht gegen Süden und Westen vom Oktober 1909.

Abb. 11: Entwurf zur Gestaltung des Mittelfränkischen Blindenheims vom 1. Juni 1909.

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von links nach rechts: Abb. 13: Lageplan zur Erbauung vom Mai 1910.

Abb. 14: Vorderansicht des am 7. Dezember 1910 vom Stadtmagistrat Nürnberg genehmigten Plans.

Abb. 15: Grundriss des Kellergeschosses vom Juni 1910.

Abb. 16: Grundriss des Erdgeschosses vom Juni 1910.

Abb. 17: Grundriss des 1. Stocks vom Juni 1910.

Kapitel II Joseph Hopf gibt den Startschuss zur Erbauung

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Auch der Jahresbericht des Mittelfränkischen Blindenheims aus dem Jahr 1909 fasst für seine Mitglieder die Geschehnisse rund um den Neubau zusammen: „Nachstehend beeh-ren wir uns, unseren Gönnern, Mitgliedern und Wohltätern über das abgelaufene Ge-schäftsjahr Bericht zu erstatten. – Der Ver-ein, welcher im Jahre 1907 gegründet wurde und somit das dritte Jahr seines Bestehens vollendet, kann dank dem Entgegenkommen der Königlichen Kreisregierung von Mittel-franken und der Stadt Nürnberg mit seinen Erfolgen insofern zufrieden sein, als er die erste Etappe seiner Bestrebungen erreicht hat. Der Verein hat an der Wetzendorfer Straße ein Grundstück von 6 Tagwerken Fläche erworben; die Baupläne sind in Arbeit und es soll im Monat April 1910 mit dem Bau des ersten Hauses begonnen werden, sodass das Mittelfränkische Blindenheim im Oktober oder November 1910 in Betrieb kommen wird. Zu unserem großen Bedauern haben wir schon beim Bauen unseren knappen Mitteln Rechnung tragen müssen; denn es liegen bereits 50 bis 60 Anmeldungen vor, während das vorläufig in Aussicht genomme-ne Gebäude nur 20 bis 30 Personen aufneh-men kann. Unser Bestreben muss nun dahin gehen, die Mittel zu weiterem Ausbau und zur Unterhaltung des Heims beizubringen und unsere Bitte an alle diejenigen, welche sich für unsere Bestrebungen interessieren, geht nun dahin, in ihren Bekanntenkreisen für uns zu wirken.“

Die Fortschritte des Bauvorhabens skizziert Emil Hopf in einem Brief aus dem Grand-hotel Wust Zandvoort vom 19. Juli 1910 an den Regierungspräsidenten von Blaul: „Durch meine verschiedenen Reisen bin ich nicht mehr dazu gekommen, Euer Hoch-wohlgeboren zu berichten, dass die Fassa-denpläne für das Blindenheim nochmals durchgearbeitet worden sind und dass ich hoffe, dass die Arbeit im August vergeben werden kann.“

Über die Arbeit des Architekten gibt die Beschreibung Dr. von Forsters in der Fest-schrift zur Fünfundsiebzig-Jahrfeier der Blindenanstalt im Jahr 1929 Aufschluss: „Durch die geniale Künstlerhand des Regie-rungsdirektors Ullmann in feiner architekto-nischer Gliederung, in der Fassadenwirkung in harmonischen Formen aufstrebend, in seinem Ausbau für eine Wohlfahrtseinrich-tung mit allen hygienischen Anforderungen ausgestattet, dabei in seiner Einrichtung den Charakter des Familienheims tragend. Ullmann hat seinen großen Ruf als bedeu-tender Künstler und Architekt für alle Zeiten in Nürnberg bewahrt und für Nürnberg ein Bauwerk geschaffen, dessen Wert ein blei-bender sein wird.“

Dieses „Meisterstück architektonischer Leistung“ kostet weniger als 150 000 Mark, was den Äußerungen zufolge ein annehm- barer Preis gewesen sein muss.

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gen Anlässen unseres Vereins zu gedenken; hauptsächlich bitten wir aber auch, uns mit Jahresbeiträgen zu unterstützen. Wir rechnen auf kräftige Förderung bei unse-rem Werk, damit der Segen unserer Anstalt in Bälde einer weiteren Zahl pflegebedürfti-ger alter Blinder zugute kommen wird.“

Erbauung

Im nächsten Jahresbericht für das Jahr 1910 (Abb. 18) ist der Verein Mittelfränkisches Blindenheim „in der angenehmen Lage, seinen Gönnern, Mitgliedern und Wohltä-tern die Mitteilung machen zu können, dass der langersehnte Wunsch, alten Blinden ein Heim zu bereiten, nunmehr greifbare Gestalt bekommen hat. Im September wurde mit dem Bau begonnen und heute ist das Heim bereits unter Dach, so dass es im August oder September seinem Zweck übergeben werden kann.“

Die Finanzen bleiben aber das große The-ma: „Bedrückend ist es für den Verein, dass trotz Entgegenkommens der Königlichen Regierung von Mittelfranken, der städtischen Kollegien von Nürnberg und Fürth, sowie anderer Gemeinden und Behörden, dieses Resultat nur durch Aufnahme einer größe-ren Hypothek erzielt werden konnte, welche dem Verein zugesagt ist und nach Vollen-dung des Baues gegeben wird. Anmeldungen von 50-60 alten Blinden liegen vor, aber unsere Mittel ermöglichen es leider nicht, einstweilen mehr als 15 Pfleglinge aufzunehmen, trotzdem Platz für 35-40 Personen vorhanden ist. Wir wenden uns deshalb vertrauensvoll an alle, die es als eine Pflicht der Menschlichkeit betrachten, frem-de Not zu lindern; wir bitten bei Abfassung von Testamenten, bei freudigen und trauri-

Abb. 18: Vorderseite des gedruckten Jahresberichts für das Jahr 1910.

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der Tagesraum angeordnet, an welche sich dann Räume für Pfleglinge schließen. Für die Pfleglinge sind in jedem Stockwerk beson-dere Waschräume vorgesehen, welche den Betrieb und die Reinigung der Schlafräume wesentlich erleichtern. Im ersten Stock befindet sich ein geräumiger Speisesaal, welcher mit der Küche durch entsprechen-de Aufzüge verbunden ist. Das Gebäude ist mit gärtnerischen Anlagen auf allen Seiten umgeben, welche den Blinden schöne beque-me Spaziergänge bieten. Mit dem Bau wurde Ende September vergangenen Jahres begon-nen; er wurde also in etwas über Jahresfrist fertiggestellt, und zwar durch ausschließlich einheimische Geschäftsleute. Die gesamte Planbearbeitung und Bauleitung war dem Architekten R. Behringer in Nürnberg über-tragen unter Mitwirkung des königlichen Bauamtsmanns Ullmann in München, wel-cher in uneigennütziger Weise seine Erfah-rungen […] zur Verfügung stellte.“

Anlässlich der Festsetzung einer Besprechung wegen der Grundsteinlegung gestattet sich Emil Hopf, der sich zwischenzeitlich in Rot-tach am Tegernsee aufhielt, am 18. August 1911 „ergebenst mittzuteilen, dass die Ar-beiten für das Mittelfränkische Blindenheim sehr weit fortgeschritten sind und dass das Heim jedenfalls Anfang Oktober vollendet sein wird.“

Am 1. September geht es schließlich schon um die Anschaffung der Möbel, die Eröff-nung ist nunmehr in greifbare Nähe gerückt. Aus diesem Anlass beschreibt der Fränkische Kurier am 22. Oktober 1911 den Bau für ihre Leser folgendermaßen: „Treten wir durch den Haupteingang in das Erdgeschoß ein, welches ca. 1,50 Meter über der vorgelager-ten Terrasse liegt, so macht sich zunächst die klare, einfache, übersichtliche Anordnung der Räume angenehm bemerkbar. Seitlich des Eingangs sind die Verwaltungsräume und

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„Die ersten Blinden sind […] eingezogen“ – Eröffnung und erste Betriebsjahre

Tatsächlich war es nun – fast – soweit: Zunächst werden die Einladungen zur Besichtigung gedruckt. (Abb. 19) In der Einladung zur Besichtigung vom 18. Oktober 1911 gestattet sich die unter-zeichnete Vorstandschaft „zur Besichtigung des Mittelfränkischen Blindenheims Wetzen- dorfer Straße 120, Haltestelle der elektrischen Straßenbahn am Poppenreuther Weg beim St. Johannis-Friedhof, Linie Fünf ergebenst

einzuladen. Die Räume stehen am 21. und 22. Oktober vormittags von zehn bis ein Uhr und nachmittags von zwei bis fünf Uhr zur allgemeinen Besichtigung offen. – Nach Er-öffnung des Blindenheims, welche Ende des Monats stattfinden wird, kann die Besich-tigung mit Rücksicht auf den Betrieb nicht mehr gestattet werden.“ Die Ortsangabe „beim Johannis-Friedhof“ klingt für den orts-kundigen Leser etwas befremdlich, auf der Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1927 wird schnell ersichtlich, dass bei der Eröffnung des Mittelfränkischen Blindenheims 1911, also noch 16 Jahre zuvor, nicht viel mehr Ortsangaben existierten. (Abb. 20)

Am 18. Oktober 1911 berichtet der Fränkische Kurier unter der Überschrift „Zur Frage der Blindenfürsorge in Nürnberg“, dass in der

Abb. 19: Einladung zur Besichtigung vom 18. Oktober 1911. Abb. 20: Luftbildaufnahme aus dem Jahr 1927.

1911 – 1914

Kapitel III Eröffnung und erste Betriebsjahre

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finden sich die Initialen E.H., die wohl auf Emil Hopf als Verfasser hinweisen. Am 21. Oktober 1911 weist die Zeitung wiederholt darauf hin, dass das Mittelfränkische Blin-denheim morgen zur „allgemeinen Besich-tigung“ offen steht und kündigt darüber hinaus an, „den schönen Bau […] noch in einem besonderen Artikel [zu] würdigen“. (Abb. 21)

Dieser erscheint bereits einen Tag später mit dem Titel „Das Mittelfränkische Blindenheim“. (Abb. 22) Auf zwei Fotos sind die Vorder- und Rückansicht des Mittelfränkischen Blindenheims zu sehen. (Abb. 23, 24)

Nähe des städtischen Klinikums ein Platz erworben wurde, und bringt weitere Details: „Unterstützt von der königlichen Regierung, von Behörden und Gemeinden sowie durch private Kreise, ist es möglich geworden, den Bau zu beginnen. Vorerst konnte nur der Mittelbau errichtet werden, dem, sobald es die Mittel erlauben, zwei Seitenflügel ange-gliedert werden sollen.“ Anschließend wird auf die Möglichkeit der Besichtigung hinge-wiesen und das Haus beschrieben: „Einfach, aber allen Anforderungen der Zweckmäßig-keit und Hygiene entsprechend, wurde das gebaut und ausgestaltet. Seine Bestimmung ist es, arbeitsunfähigen Blinden eine Zu-fluchtsstätte zu sein.“ Am Ende des Artikels

Kapitel III Eröffnung und erste Betriebsjahre

Abb. 21: Hinweis auf den Besichtigungstermin im Fränkischen Kurier vom 21. Oktober 1911.

Abb. 22: Artikel im Fränkischen Kurier vom 22. Oktober 1911.

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vollständig erschöpft. Die Verwaltung ist einstweilen gezwungen, eine abwartende Stellung einzunehmen, bis neue Mittel sie in den Stand setzt, auch die noch vorliegenden Aufnahmsgesuche, zu welchen fortwährend neue kommen, berücksichtigen zu können.“

Auch der Blindenunterstützungsverein lässt es sich nicht nehmen, in seinem Bericht „von dem erfreulichen Fortgange des Wer-kes zu berichten, welches nach viel Mühe und Arbeit, die sich über mehr als 14 Jahre erstreckte, endlich am 21. Oktober 1911 zur Vollendung kam, da sich an diesem Tage das für das Heim errichtete Gebäude, Wetzen-dorfer Straße 120, den ersten Bewohnern gastlich öffnete. Möge es seine segensreiche Bestimmung, besonders älteren blinden Per-sonen eine traute Wohn- und Pflegestätte zu sein, bis in die fernsten Zeiten erfüllen!“

Im Jahresbericht 1911 scheint die Freude über die Eröffnung durch, gleichzeitig deutet sich die Knappheit der Betriebsmittel an: „Am 21. Oktober 1911 ist das Mittelfränkische Blindenheim eröffnet und dem Betriebe übergeben worden. – Die ersten Blinden sind am 23. Oktober eingezogen und fühlen sich in dem neuen Heim geborgen! – Viel Elend ist gelindert! – Heute befinden sich bereits zwölf Pfleglinge in dem Heim, drei weitere werden im Januar eintreffen; es liegen einst-weilen noch 20 weitere Aufnahmsgesuche vor, von welchen im Jahre 1912 nur fünf berücksichtigt werden können, da die Be-triebsmittel für weitere Pfleglinge nicht aus-reichen. Der Landrat von Mittelfranken hat in diesem Jahre einen Jahreszuschuss von Mk. 1200.- bewilligt; die Mitgliederbeiträge sind von Mk. 13 983.- auf Mk. 15 743,50 gestiegen, doch ist damit die Werbetätigkeit

Abb. 23: Vorderansicht des Blindenheims. Abb. 24: Rückansicht des Blindenheims.

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Schwester vom Roten Kreuz mehrere schwe-bende Fragen. Es ist der Versuch gemacht worden, einige Blinde außer dem Hause und zwar in der Werkstätte des Blindenun-terstützungsvereins in der Rinderstraße auf entlohnte Arbeit gehen zu lassen. (Abb. 28) Die Blinden benützten die Gelegenheit zum Besuch von Wirtshäusern und einer kam betrunken heim. Es stellte sich aber her-aus, dass diese Armen nur je 1-2 Glas Bier zu sich genommen hatten, dass sie aber zu geschwächt sind, um diese kleine Quantität vertragen zu können.“

Neben dieser kleinen Anekdote schildert er auch seine Beobachtungen die Versorgung der Blinden betreffend: „Die leitende Ober-

Hoher Besuch

Eine Sammlung von drei handschriftlichen Seiten in einer Akte der Regierung von Mittelfranken aus der Kammer des Innern, gewährt 100 Jahre nach ihrer Entstehung interessante Einblicke, so berichtet ein „Auszug aus dem Tagebuche des Königlichen Regierungs-Präsidenten von Mittelfranken“ vom 16. Dezember 1911 vom hohen Besuch im Mittelfränkischen Blindenheim: „Am Vormittag um neun Uhr besichtigte ich das nun in Betrieb genommene Blindenheim. Ich ließ mir die sämtlichen bis jetzt aufgenom-menen zehn Blinden, darunter drei weibli-che vorstellen und erörterte dann mit dem Vereinsvorstand Emil Hopf und der leitenden

Kapitel III Eröffnung und erste Betriebsjahre

Abb. 25, 26, 27: Tagebucheintrag des Regierungspräsidenten von Blaul vom 16. Dezember 1911.

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Oberschwester Sibylla Heck und Schwes-ter Kreszenz Bartenschlager, geleitet. Das freundliche, mit hübschen Gartenanlagen umgebene Haus, noch ganz im freien Gelän-de am Rande der Johannisvorstadt, Wetzen-dorfer Straße 120, gelegen, enthält außer den Verwaltungsräumen, dem Speisesaale und den nötigen Wirtschaftsräumen, eine Anzahl von Zimmern für Männer und Frau-en, teils für einen oder zwei, teils für drei Pfleglinge.“

Wohngemeinschaft mit der Krüppelfürsorge

Im dritten Jahres- und Rechenschaftsbe-richt aus dem Jahr 1912 schreibt der Verein für Krüppelfürsorge: „Das Mittelfränkische Blindenheim, welches in seinem schönen Hause über unausgenützte Räume verfügte, weil seine finanzielle Lage es nicht gestattet, diese Räume mit Blinden zu belegen, erbot sich, der Krüppelfürsorge eine vorläufige Unterkunft zu geben durch Überlassung von Räumen für eine kleine klinische Station und Übernahme der Verpflegung der unterzu-bringenden Kinder gegen eine vom Verein für Krüppelfürsorge dem Mittelfränkischen Blindenheim zu leistende angemessene Ent-schädigung.“ Bereits am 24. Juni 1912 zieht der Verein für Krüppelfürsorge zunächst in ein Zimmer mit fünf Betten. Die Motivation hierzu ist finanzieller Natur: „Da jedoch

schwester macht einen ruhigen, wohlwollen-den Eindruck, eine jüngere Schwester steht ihr zur Seite. Das Personal besteht weiter aus einem Hausmeister, einem Putz- und einem Küchenmädchen. Auch den Speisezettel habe ich eingesehen: Suppe, Ochsenfleisch, Kartof-felgemüse, Brot – in diesem Rahmen bewegt es sich, gewiss alles und mehr, als was billig gefordert und erwartet werden kann. Die schwer arbeitende Bevölkerung des Landes kann sich solchen Tisch nicht decken.“ (Abb. 25 – 27)

Zur besseren Vorstellung zum Betrieb, aber auch zur Lage des Heimes bei seiner Grün-dung ist neben einem Auszuge aus den Aufnahmebedingungen (Abb. 29) und dem Personalbogen (Abb. 30) auch folgende Beschreibung aufschlussreich: „Die Anstalt wird von Schwestern des Roten Kreuzes,

Abb. 28: Beispiel für eine Werkstätte für Blinde.

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großem Danke verpflichtet für das liebens-würdige Entgegenkommen, den Krüppel-pfleglingen probeweise in den Räumen des Blindenheims Unterkunft gewährt zu haben. Der Versuch hat sich als sehr zweckmäßig erwiesen, nur wird zur Zeit der zur Verfü-gung gestellte Raum, in welchem gegenwär-tig sechs Pfleglinge zusammengedrängt sind, für unsere Zwecke zu klein. Nachdem uns bekannt ist, dass das Mittelfränkische Blin-denheim das zweite Stockwerk seines Hauses vorläufig für seine Zwecke nicht benötigt, so stellen wir das ergebene Ersuchen, uns provisorisch die Räume des ganzen zweiten Stockes, in welchem wir etwa 20 Pfleglinge unterbringen könnten, zu überlassen. Wir würden wiederum die Einrichtung selbst beschaffen und weiterhin für jeden Pflegling den verhältnismäßig nicht geringen Satz von MK 2.- pro Tag bezahlen, auch würden wir eine eigene Schwester vom Roten Kreuz anstellen, bezahlen und unterhalten.“

Der gegenseitige Nutzen bleibt in diesem Brief nicht unerwähnt: „Die anfallenden nicht unbedeutenden Beträge für Verpfle-gung dürften dem Mittelfränkischen Blin-denheim eine nicht unwillkommene Verbil-ligung des eigenen Betriebes bieten, während wir bis zur Fertigstellung des beabsichtigten Neubaues (Abb. 31) eine entsprechende Un-terkunft finden. Auch die räumliche Tren-nung in verschiedenen Stockwerken wird für beide Teile Vorteile bringen. Wir erhoffen

nicht genügend Geld zur Aufführung eines eigenen Baues vorhanden war, ergriff der Verein mit Freuden eine sich ihm bietende günstige Gelegenheit, wenigstens ein Provi-sorium einzurichten.“

Diese Wohngemeinschaft wird aber, bedingt durch den Mangel an Mitteln beider Vereine, zügig weiter ausgebaut. So wendet sich der Erste Vorstand des Vereins für Krüppelfür-sorge, Dr. Leonhard Rosenfeld mit einem Schreiben an den Vorstand des Vereins Mit-telfränkisches Blindenheim Emil Hopf: „Euer Hochwohlgeboren beehrt sich der Unterfer-tigte, zurückkommend auf die stattgehabten Besprechungen der Vorstände, ergebenst zu unterbreiten: Der Verein für Krüppelfürsorge ist dem Mittelfränkischen Blindenheim zu

Kapitel III Eröffnung und erste Betriebsjahre

Abb. 29, 30: Auszüge aus den Bedingungen zur Aufnahme ins Mittelfränkische Blindenheim und dem Personalbogen.

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Sorge getragen. Mit ansteckenden Krankhei-ten behaftete Kinder sind von der Aufnahme ausgeschlossen.“

Im vierten Jahres- und Rechenschaftsbericht für das Jahr 1913 ist die rasche Entwicklung skizziert: „Die im Juni 1912 im Anwesen des Mittelfränkischen Blindenheims, Wetzen-dorfer Straße 120, eröffnete Krankenstation von anfänglich fünf, später sechs Betten hatte sich […] schon kurze Zeit nach ihrer Eröffnung als zu klein und unzureichend erwiesen, sodass noch im Dezember 1912 eine Erweiterung notwendig wurde. Es ge-lang, Platz für 20 Pfleglinge zu schaffen; die Anstalt enthält außerdem Operationszimmer und einen großen Raum, welcher für die Zwecke des Unterrichts bestimmt ist. Die Pflege und den Wirtschaftsdienst in der klini-schen Station haben bis zum Ende des Jahres 1912 die im Mittelfränkischen Blindenheim tätigen Schwestern vom Roten Kreuz im Ne-benamt in größter Bereitwilligkeit und mit dankenswertem Fleiße und Entgegenkom-men besorgt. Mit der Erweiterung zu einem selbständigen Institute wurde es notwendig, neben der Leitung der Krüppelabteilung durch die Oberschwester des Mittelfränkischen Blindenheims, Schwester Sibylle Heck, eine eigene lediglich im Dienste der Krüppelfür-sorge tätige Schwester anzustellen.“

Im Jahresbericht des Mittelfränkischen Blin-denheims 1912 wird die Wohngemeinschaft

unter diesen Umständen eine wohlwollende Verbescheinigung unseres Antrages und bit-ten um tunlichste Beschleunigung, da für un-sere Zwecke jeder Tag ein Gewinn ist.“ Mit der Zustimmung des Mittelfränkischen Blin-denheims ist es nicht getan. Der Verein für Krüppelfürsorge wendet sich am 16. Januar 1913 an den Magistrat der Stadt Nürnberg mit dem Anliegen einer gewerbepolizeilichen Genehmigung der Verlegung des Betriebes und einer Erweiterung zu einer Krüppelheil-anstalt: „Laut Polizeisenatsbeschluss […] wurde dem Vereine für Krüppelfürsorge e.V. in Nürnberg […] die Genehmigung zum Betriebe einer Privatheilanstalt in einem Zimmer im Erdgeschosse des Hauses Wet-zendorfer Straße 120 erteilt. Die andauernd zunehmende Inanspruchnahme der Anstalt veranlasst den Verein die Zahl der vorgese-henen fünf Kinderbetten auf 20 zu vermeh-ren und den Betrieb der Anstalt in den vom Mittelfränkischen Blindenheim zu diesem Zwecke überlassenen zweiten Stock des Hau-ses Wetzendorfer Straße 120 zu verlegen, nach Maßgabe des beigeschlossenen Planes. Der Verein bittet um die Gewerbepolizeiliche Genehmigung dieses Vorhabens, es wird der ärztliche Dienst durch den ersten Vorstand des Vereines, den Spezialarzt für Orthopädie Dr. Leonhard Rosenfeld in Verbindung mit zwei weiteren Fachärzten versehen werden, für genügende Wart und Pflege ist durch An-stellung einer eigenen Krankenschwester und die Hilfe der Schwestern des Blindenheimes

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und der Verein ist in seinen finanziellen Verhältnissen nicht vorwärts gekommen; die einmaligen Beiträge sind bedeutend gerin-ger geworden, auch liegen, wie bei allen Vereinen, viele Abmeldungen vor, sodass auch im nächsten Jahre die Mittel nicht reichen werden, um mehr wie 25 Pfleglinge aufzunehmen. Die leerstehenden Räume im zweiten Stock wurden wie im vorigen Jahre dem Verein für Krüppelfürsorge mietweise überlassen und es wurden zwischen 15-20 Kinder verpflegt.“

Diese Wohngemeinschaft führt zum ersten Anbau bereits wenige Jahre nach der ei-gentlichen Erbauung des Gebäudes: „Bei Erbauung des Mittelfränkischen Blinden-heims im Jahre 1911 war beabsichtigt, die eigentlichen Kellerräume in den später zu erbauenden Seitenflügeln unterzubringen

ebenfalls erwähnt: „Es wurden in dieser Zeit 26 Blinde verpflegt, hiervon starben zwei, wegen widersetzlichen Benehmens konnten vier Pfleglinge nicht in der Anstalt bleiben und zwei weitere wurden von ihren Angehö-rigen zurückgeholt. – Mehr Pfleglinge auf-zunehmen gestatten die Mittel des Vereins nicht, und um die leeren Räume auszunüt-zen, gleichzeitig um ein weiteres humanitä-res Werk zu fördern und nicht zum letzten um dem Verein einen finanziellen Zuschuss zu verschaffen, wurde ein Abkommen mit dem Verein für Krüppelfürsorge, welcher seinen Schützlingen noch kein eigenes Heim bauen kann, getroffen, wonach demselben das zweite Stockwerk provisorisch überlas-sen wurde.“ Ebenso im nächsten Jahresbe-richt des Mittelfränkischen Blindenheims: „Das Jahr 1913 hat seinen Schatten auch auf das Mittelfränkische Blindenheim geworfen

Kapitel III Eröffnung und erste Betriebsjahre

Abb. 31: Lageplan des Grundstücks des Vereins für Krüppelfürsorge vom Januar 1913.

Abb. 32: Plan für den Anbau im April 1914.

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werden, welche beim späteren Ausbau des Flügelbaues irgendwo auf dem Grundstücke wieder als Wandel- und Liegehalle verwen-det werden kann. Die Gesamtbaukosten be-laufen sich auf ca. Mk 8000.-. Wenn mit dem Bauvorhaben Anfangs April begonnen wird, dann könnte bis Mitte oder Ende Mai der An-bau vollendet sein.“ Unterzeichnet hat diese Überlegungen der Architekt R. Behringer in Nürnberg am 5. März 1914. (Abb. 32)

Die Pläne des Vereins für Krüppelfürsorge zur Errichtung eines eigenen Gebäudes, die schon bis zum Erwerb eines Grundstücks angrenzend an das Anwesen des Mittelfrän-kischen Blindenheims reichten, enden zu-sammen mit dem Provisorium schon ein Jahr später: „Das Betriebsjahr 1914, das sechste unseres Bestehens, stand, wie jede Tätigkeit dieses Jahres, unter der Einwirkung des im Monat August ausgebrochenen Krieges. Un-sere Ärzte eilten zu den Fahnen, und unsere Krüppelheil- und Erziehungsanstalt in der Wetzendorfer Straße wurden geschlossen, da die Räume zu Lazarettzwecken hergegeben werden mussten.“

Gleichzeitig liefert dieser Bericht eine kon-krete Vorstellung des klinischen Betriebs: „In unserer Krüppelheil- und Erziehungs-anstalt in der Wetzendorfer Straße wurden bis Anfang August 1914 51 klinische Fälle behandelt, darunter 23 größere Operationen ausgeführt und 45 Gipsverbände angelegt.“

und allenfalls zwei Keller übereinander zu legen, damit der unterste Keller möglichst tief im Boden steckt. Die Erbauung dieser Seitenflügel ist jedoch auf unbestimmte Zeit hinausgerückt. [Heute wissen wir: die Sei-tenflügel wurden als Erweiterungsbau I im Jahr 1966 und Erweiterungsbau II im Jahr 1972 erbaut.] Nachdem das Blindenheim einschließlich der Pfleglinge der Krüppel-fürsorge samt Personal ca. 40 Personen beherbergt, so reichen zur Aufbewahrung der Vorräte etc. die vorhandenen Räume nicht aus. Es können immer nur kleine Vor-räte aufgespeichert werden, wodurch sich der Einkauf ziemlich unrationell gestaltet. Außerdem wird der Garten- und Feldbau in etwas größerem Maßstabe betrieben und die anfallenden Früchte können nicht zweckmä-ßig aufgespeichert und überwintert werden. Ferner ist der Kohleraum etwas klein, ein Raum für Gartengeräte ist benötigt und eine Kammer für Leichen.

Man beabsichtigt nun, für die angeführten Bedürfnisse einen Anbau zu schaffen, wel-cher einen Teil der zukünftigen Flügelerwei-terung darstellt und aus zwei übereinander-liegenden Kellergeschossen bestehen soll. Im oberen Kellergeschoss soll der Geräteraum, Kohlenraum und die Leichenkammer unter-gebracht werden, das untere Kellergeschoss soll als Wirtschaftskeller dienen. In Höhe des Erdgeschossfußbodens soll dann einstwei-len eine provisorische Wandelhalle erbaut

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sind bedeutend zurückgegangen. Traurig ist jetzt das Los der alten Blinden! Unsere herzliche Bitte an unsere Gönner und Mit-glieder ist, uns beizustehen, das Los dieser armen Menschen zu mildern. Auch manche

Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges durch-kreuzt die Entwicklung des Mittelfränkischen Blindenheims, wie aus dem Jahresbericht 1914 hervorgeht: „Für unsere Blinden hat der Krieg traurige Folgen gehabt! Das Blin-denheim wurde bereits in Friedenszeiten dem Roten Kreuz für den Kriegsfall zur Verfügung gestellt und 60 bis 70 Betten sind nun auch mit Verwundeten belegt; viel Gutes ist geschehen und wir danken an dieser Stelle den stets hilfsbereiten Kräften, die sich an der Pflege beteiligen. Der Betrieb des Blindenheims hatte bis zum Kriegsausbruch weiter zugenommen und die Zahl der Pfleg-linge hatte sich auf 25 erhöht; es liegen auch noch viele Aufnahmegesuche vor, deren Erledigung bis nach Friedensschluss ruhen muss. Unsere Blinden mussten wir heimsen-den, meistens in arme Gemeinden, und sie schreiben rührende Briefe, dass ein günstiger Friede ihnen bald die Rückkehr in das Heim gestatten möge. Die bedürftigen Blinden erhalten während der Dauer des Krieges Unterstützung durch den Verein, sodass sie keine Not leiden. Groß sind die Ausgaben, welche wir in diesem Jahr haben werden, da das ganze Haus renoviert werden muss! Die Lotterie hat uns zwar einen Vermögens-zuwachs von Mk. 29807,08 gebracht, aber die Eingänge an Legaten und Geschenken

Kapitel IV Das Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim

„Unsere Blinden mussten wir heimsenden“ – Das Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim

1914 – 1919

Abb. 33, 34: Feldpostkarte eines Verwundeten im Lazarett aus dem Jahr 1914 – Vorder- und Rückseite.

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sitzung des Vereins (Abb. 35) teilt Emil Hopf am 19. Oktober 1915 dem Regierungsprä-sidenten mit, dass eine Besichtigung des Lazaretts Mittelfränkischen Blindenheim zwischen drei und fünf Uhr am besten wäre.

unserer tapferen Soldaten haben im Kampfe das Augenlicht verloren und wir haben uns bereits mit der Militärbehörde in Verbindung gesetzt und begonnen, auch diese Blinden in unserem Heim aufzunehmen. Die Blinden werden durch den Blinden-Unterstützungs-verein im Bürstenmachen, Stühleeinflechten etc. unterrichtet, sodass sie, auch wenn sie später nicht im Blindenheim bleiben wollen, leichter ihren Lebensunterhalt finden.“Dr. Sigmund von Forster benutzt noch ein-dringlichere Worte und spricht vom „grässli-chen Kriegsjahr“, das den „Raub des Heimes“ nach sich zog. Und weiter: „Im Heim lagen Kriegsverwundete die ganzen fünf Jahre des Weltkrieges hindurch.“

Feldpost aus dem Mittelfränkischen Blindenheim

Eine Feldpost aus dem Jahr 1914, eine Ansichtskarte mit dem Mittelfränkischen Blindenheim als Motiv (Abb. 33, 34), veranschaulicht diese Zeit. Ein Unbekannter, dem Text auf der Postkarte nach zu urteilen ein Verwundeter, schreibt aus dem Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim an eine weib-liche Person, die Äpfel seien angekommen, er könne aber noch nicht so viel essen, es werde zwar alles wieder ganz gut, aber sie solle nichts [unterstrichen!] mehr schicken bis er wieder essen könne.Anlässlich der Einladung zu einer Vorstands-

Abb. 35: Einladung an den Regierungspräsidenten zur Vorstandssitzung vom 19. Oktober 1915.

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da die Zahl der Kriegserblindeten leider eine sehr hohe ist und bei Friedensschluss auch die bestehenden Räume nebst Einrichtung von Grund auf erneuert werden müssen, nachdem sie solange als Lazarett gedient haben“.

Erlebnisbericht aus dem Ersten Weltkrieg

Einen weiteren Beleg aus der Lazarettzeit stellt folgender Erlebnisbericht aus dem Ersten Weltkrieg dar, der aus dem Notiz-buch eines Infanteristen stammt. Unter der Überschrift „Im Lazarett und in der Heimat 1916/17“ schreibt er: „Dann ging es mit Auto zurück, bis wir in die Bahn verladen wurden. In Kambrae (Cambrai) wurden wir verpflegt und dann ging es nach Aachen. Von Aachen aus nach Nürnberg und in Nürn-berg kamen wir Mittags zwei Uhr am 27. September an. Und vor vier Uhr in dem Ver-einslazarett Mittelfränkisches Blindenheim, Wetzendorfer Straße 120. Und da blieb ich bis zum 30. Oktober.“

Im Jahresbericht für das Jahr 1916 wird als Hauptaufgabe noch immer die Versorgung der alten Blinden genannt, „da die Verpfle-gungsfrage, besonders in einer Reihe ärmerer Gemeinden eine sehr schwierige war. – Die Blinden bekamen daher von dem Mittelfrän-kischen Blindenheim genügende Unterstüt-zungen und es wurde ihren Bedürfnissen

Der Jahresbericht des Mittelfränkischen Blindenheims des Jahres 1915 berichtet von der Fortdauer des Krieges, aufgrund derer es leider „nicht möglich [sei], unsere Blinden wieder in das Blindenheim, das ihre zweite Heimat geworden war, aufzunehmen, da die erste Pflicht immer noch die Sorge für die Verwundeten sein muss. Die Blinden sind in ihren Heimatgemeinden oder bei Ver-wandten untergebracht und erhalten durch uns, soweit sie bedürftig sind, regelmäßige Unterstützungen, sodass die Not von ihnen ferngehalten ist. Eine neue schwere Aufgabe, die Fürsorge für die erblindeten Soldaten, ist an uns herangetreten. Schon jetzt wer-den durch die Sanitäts-Behörde die blinden Kriegsinvaliden an das Lazarett Mittelfrän-kisches Blindenheim überwiesen, um deren Ausbildung für einen Beruf nach einheit-lichen Gesichtspunkten durchzuführen und ihnen die Möglichkeit zu geben, wieder auf eigenen Füßen zu stehen. Es ist beabsich-tigt, im Anschluss an das Mittelfränkische Blindenheim ein Bayerisches Kriegsblinden-heim zu errichten und die Pläne dafür sind bereits in Arbeit, sodass alle, die im Dienste für das Vaterland die schönste Gabe Gottes, das Augenlicht verloren haben, stets ein Heim und liebevolle Pflege finden können, falls dies später einmal nötig werden sollte. Erfreulicherweise gehen die Spenden für diesen Zweck schon recht zahlreich ein, aber die Ausgaben, die dem Verein bevorstehen, werden ganz außergewöhnlich große sein,

Kapitel IV Das Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim

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25. Juni 1917 deutet sich sein krankheitsbe-dingter Rückzug aus Verein und Stiftung an, so sei er zu seinem Bedauern „durch schwere Erkrankung und durch Einzug des größten Teils meines Personals noch nicht in der Lage gewesen, die Abrechnung für die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim zu geben“. Die Führung der Geschäfte sei ihm zusätzlich erschwert, da der Zweite Vorsit-zende August Barth „sehr schwer erkrankt ist und sein Amt niederlegen will“.

Das Blindenheim ist wieder Heim für Blinde

Erst auf einer Sitzung der Vorstandschaft vom 27. Mai 1918 im Hotel Fürstenhof in Nürnberg berichtet Emil Hopf über die Freigabe der Anstalt als Lazarett, 13 Pfleg-linge wurden zu diesem Zeitpunkt bereits zurückberufen, andere haben die Erlaubnis zur Rückkehr erhalten. Weiterhin teilt Emil Hopf teilt mit, „dass neuerdings von der Vorstandschaft des Roten Kreuzes der Antrag einlief, das Heim wieder zu Lazarettzwecken zu erhalten. Die Versammlung beschließt einstimmig, diesem Wunsche nicht stattzu-geben, da das Haus erst neu instandgesetzt sei, die Belegung mit Verwundeten meist gering, zeitweilig überhaupt nicht vorhanden war und sonstige Gründe vorlägen, die einen ablehnenden Entschluss rechtfertigen. Bei der Besprechung wurde auch betont, dass die

Rechnung getragen. – Leider konnte ihr Wunsch – die Wiederaufnahme in das Mittel-fränkische Blindenheim – noch nicht erfüllt werden, da die Anstalt vorerst noch als Laza-rett benötigt wird, doch finden fortwährend Verhandlungen mit den Behörden statt, um, so bald wie irgend möglich, die alten Blin-den wieder aufnehmen zu können“.

Ein weiteres Hauptaugenmerk dieses Jahres liegt auf den erblindeten Soldaten, so „ist besonders großer Wert darauf gelegt wor-den, dass die Ausbildung entlassener Kriegs-blinder in richtiger Weise durchgeführt wird. Diese Ausbildung erfolgt kostenlos durch die Blindenanstalt und den Blindenunterstüt-zungsverein. Die im Jahresbericht für 1915 mitgeteilte Absicht unserer mit der Fürsor-ge für Kriegsblinde befassten Abteilung die Bezeichnung ‚Bayerisches Kriegsblinden-heim‘ beizulegen, muss mit Rücksicht auf die staatlich geleitete Kriegsinvalidenfürsorge aufgegeben werden, da hierbei Irrtümer über den Zweck und die Grenzen unserer Tätigkeit entstehen könnten“.

Auch in einem Schreiben an die Königliche Regierung vom 6. Mai 1915 betreffs Rech-nungsablage 1914 der Stiftung Mittelfrän-kisches Blindenheim spricht man von der gegenwärtigen „Verwendung des Blinden-heims als Lazarett“. In einem von Emil Hopf als Erster Vorsitzender gezeichneten Schrei-ben an die Königliche Regierung vom

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Hopf: „Das Protokollbuch, welches für den Verein und die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim geführt wurde, ist während der Zeit des Lazaretts verloren gegangen.“ Das lässt vermuten, dass während dieser Zeit ein eigenes Buch angefangen wurde, das, wie Emil Hopf schreibt, nicht mehr existiert. (Abb. 36)

Blinden ein gewisses Recht hätten, nunmehr wieder ihre Zuflucht im Heim zu finden, die Unterhalts- und Errichtungsmittel zu diesem Zweck gegeben seien. Bei aller Anerkennung der vaterländischen Pflicht könne daher das Heim nicht zum zweiten Male zur Verfügung gestellt werden. Herr Vorstand berichtet, dass dies auch der Standpunkt der königlichen Regierung sei“. Dr. von Forster schreibt gar, nach Kriegsende sei das Heim von Grund auf erneuert worden, „bis es endlich wieder aus dem Kriegszustande heraus seinem ei-gentlichen Zwecke zugeführt werden konnte“.

Zwischen dem Eintrag der Sitzung der Vor-standschaft am 27. Mai 1918 im Fürstenhof und nach dem Eintrag der Mitgliederver-sammlung vom 13. Mai 1910 im Indust-rie- und Kulturverein sind acht Jahre ohne Einträge vergangen, es findet sich lediglich folgender handschriftlicher Satz von Emil

Kapitel IV Das Lazarett Mittelfränkisches Blindenheim

Abb. 36: Eintragung im Protokollbuch von Emil Hopf.

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versetzte.“ Dies wurde durch seinen Tod „jäh verschärft“.

Nach der Aufzeichnung der letzten Vorstand-sitzung mit Emil Hopf am 14. Oktober 1920 findet sich im Protokollbuch ein Eintrag seines Neffen Dr. med. Karl Hopf, der neben seinem Vater, Dr. Alfred Hopf, Emil Hopfs älterem Sohn, im Verein Mittelfränkischen Blindenheim aktiv ist und als Schriftführer folgenden Eintrag festgehalten hat: „Am 7. November 1920 verstarb Herr Emil Hopf; Gründer und langjähriger Vorsitzender des Vereins. Bei der Einäscherung sprach Herr Dr. von Forster über die Verdienste von Herrn Emil Hopf, dessen Werk das Mittel-fränkische Blindenheim ist.“ (Abb. 37)

In dieser angespannten Lage erkrankt Emil Hopf, was zunächst zu seinem Umzug nach Oberbayern und der Aufgabe seines Amtes als Vorstand führt: So setzt er am 13. Dezem-ber 1919 die Regierung in Kenntnis: „Der un-terzeichnete Vorstand erlaubt sich ergebenst mitzuteilen, dass er durch seine Erkrankung gezwungen ist seinen Wohnsitz von Nürn-berg zu verlegen, wodurch eine Neuwahl der Vorstandschaft nötig wird.“

Bei der Mitgliederversammlung am 19. Dezember 1919 teilt er dem Verein mit, „dass er wegen seines Gesundheitszustan-des wegen und dem Umstande nach, dass er von hier fortziehe, gezwungen sein, den ersten Vorsitz niederzulegen. Nach Vorschlag des Herrn Emil Hopf wird Herr Hofrat von Forster durch Zuruf zum ersten Vorsitzenden gewählt“.

Der Tod Emil Hopfs

Dr. von Forster offenbart die Folgen für das Heim mit drastischer Wortwahl. Er spricht von einer Katastrophe, die das Heim er-reichte, „als der erste Vorsitzende Emil Hopf seine Stelle niederlegte und in Egern am Tegernsee sich in selbstgewählten Ruhestand

„In solch fürchterliche[r] Not“ – Das Mittelfränkische Blindenheim während der Inflation

Abb. 37: Eintragung im Protokollbuch von Dr. med. Karl Hopf.

1919 – 1929

Kapitel V Das Mittelfränkisches Blindenheim während der Inflation

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ist, denselben anderweitig zu überlassen“. Die dramatische Situation zeigt sich an den folgenden Ausführungen: „Die Winterversor-gung mit Kartoffeln ist zur Zeit noch ganz unzulänglich, da die Kartoffelverteilungsstel-le bisher eine Zuteilung nicht hat erfolgen lassen, sondern stets weitervertröstet. Eine der Schwestern wird bevollmächtigt, sich in aller Bälde auf eine Kartoffeleinkaufsreise, vielleicht nach Niederbayern, zu begeben und ist Herr Hofrat Dr. von Forster gerne bereit, einige Adressen mitzuteilen.“

Aber es gibt auch freudige Anlässe, so wird bei der Mitgliederversammlung vom 19. Dezember 1919 „der Wunsch eines Kriegsblinden, der auch beide Arme ver-loren hat, ein Grammophon zu besitzen, bewilligt“, außerdem sollen Spiele für Blinde angeschafft werden. (Abb. 38 – 40)

Gemüse im Park und Kartoffelreise

Der Krieg ist noch länger Thema im Mittel-fränkischen Blindenheim, so wird in der Mit-gliederversammlung vom 10. Januar 1919 im Kulturverein „nach längerer Debatte […] beschlossen, die Idee einer eignen Abteilung für Kriegsblinde zu führen, fallen zu lassen, dass aber Kriegsblinde jederzeit aufgenom-men werden sollen und dass dieselben das Blindenheim als Heim betrachten sollen“. Als weitere Kriegsfolge erweist sich v.a. die Versorgung mit Lebensmitteln als Problem. In der Vorstandssitzung vom 15. November 1919 „wird beschlossen, der Leitung des Jugendgartens mitzuteilen, dass das Mittel-fränkische Blindenheim den Garten ab 1. Januar 1920 zu eigenen Zwecken be-nötigt; in der Hauptsache zum Anbau von Kartoffeln, dass es also nicht mehr möglich

Abb. 38 – 40: Spiele speziell für Blinde.

Kapitel V Das Mittelfränkisches Blindenheim während der Inflation

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ausschuss über Schlagen der Oberschwester klagt. Beruhigend ist aber die Meinung des Vereins: „Dies wird auf alle Fälle untersagt. Als Strafe dienen Verweise und Entlassung.“ In der Vorstandssitzung vom 3. November 1921 wird berichtet, dass zur Aufstellung der Turmuhr 6000.- M vom Stadtrat Nürn-berg bewilligt wurden, M 1200,- wurden von Herrn Funk und Mutter gestiftet.“ Bereits in der Vorstandssitzung vom 25. Juni des Fol-gejahres heißt es: „Turmuhr mit Schlagwerk ist angebracht, Danksagung an die Stiftung (Stadtrat).“ (Abb. 41)

In einem Schreiben vom 14. Juli 1921 wird mitgeteilt, dass auch 1920 kein Jahresbericht gedruckt wurde; die angespannte Finanzlage ist auch Thema eines Schreibens

Die finanziellen Nöte bleiben ein Problem, so existiert ab 1916 kein gedruckter Jahresbe-richt mehr, was das Mittelfränkische Blin-denheim in einem Schreiben an die König-liche Regierung vom 10. November 1919 wie folgt begründet: „Anbei erlauben wir uns die gewünschte Abrechnung 1917 zu über-senden mit dem Bemerken, dass 1917 und 18 aus Sparsamkeitsrücksichten kein Jahres-bericht gedruckt wurde.“ Im folgenden Jahr, am 11. Juni 1920 hat sich die Situation nicht verbessert: „Der Verein […] gestattet sich, einliegend Rechnungsablage für das Jahr 1919, unter Beifügung der vorhergehenden Abrechnung für das Jahr 1918, sowie sämt-licher Belege zu überreichen. Ein Jahresbe-richt konnte auch 1919 wegen der erhöhten Herstellungskosten nicht gedruckt werden.“

Der Anschaulichkeit dienen im Folgenden einige Details aus dem Protokollbuch, die einen Einblick in den Alltag der Einrichtung in dieser Zeit ermöglichen: So beantragt der Blindenausschuss 1921 Ausgang nach sieben Uhr, für heutige Ohren unvorstellbar, wird dieser mit Zustimmung der Oberschwester in Einzelfällen genehmigt, und dies sogar versuchsweise mit Hausschlüssel. Außerdem wird die Anschaffung einer Glocke, zur An-kündigung der Essenszeit, bewilligt. Damals werden Heimbewohner durchaus „wegen Disziplinlosigkeit entlassen“, die strenge Führung schießt manchmal weit über jedes Ziel hinaus, so ist zu lesen, dass der Blinden- Abb. 41: Original-Uhr aus dem Bestand der Stiftung.

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ren, zum Mindesten aber verzögern. Da ja nun die Ziffern des Jahres 1922 durch die Geldentwertung völlig überholt sind, ge-statte ich mir darum nachzusuchen, dass die genaue Rechnungsablage per 1922 uns erlassen wird. Zur Erläuterung gestatte ich mir anzuführen, dass der Kassenbestand per

des Schatzmeisters Dr. Alfred Hopf vom 16. April 1924: „Die genaue Rechnungsab-lage für 1922 wurde von Ihnen einverlangt. Es sind nun durch den Tod des vorherigen Schatzmeisters, Herrn Direktor Tutenberg, erhebliche Schwierigkeiten entstanden, die die Aufstellung in höchstem Masse erschwe-

Kapitel V Das Mittelfränkisches Blindenheim während der Inflation

Abb. 42, 43: Übersicht über die Belegungssituation im Jahr 1922 – Vorder- und Rückseite.

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Durch ihr elfjähriges Bestehen hat die Anstalt bewiesen, wie sehr diese Stiftung dem Be-dürfnis entspricht, indem sie armen, kranken, des Lichtes beraubten Menschen, eine Heim-stätte bietet, in der alles ihrem gebrechlichen Zustand angepasst ist, so dass sie sich noch wohl und glücklich fühlen können.“

Weitere Verkäufe können die Not auch nur vorübergehend lindern, wie in einem Schrei-ben vom 30. Januar 1923 deutlich wird: „Zur Aufklärung unserer finanziellen Not möge Ih-nen […] dienen, dass wir im Laufe des Jahres einen kostbaren Acker um M. 210.000.- und für M. 100.000.- Kriegsanleihe verkaufen mussten, um den Betrieb der Anstalt aufrecht erhalten zu können, welche Summen längst aufgebraucht sind.“

Zum Ende des Jahres ist Dr. von Forster ge-zwungen, in einem weiteren Schreiben vom 20. November 1923 zusammen mit Worten des Dankes ein Gesuch um weiteren Kreiszu-schuss zu stellen: „Für die uns von der Kreis-kasse von Mittelfranken am 17. Juli und 11. Oktober 1923 gütigst überwiesenen Zuschüs-se von M. 2 Millionen und M. 213 Millionen, danken wir herzlich.“ Solche Zahlen lassen auf den ersten Blick eher an eine luxuriöse Seniorenresidenz denken, denn an ein Heim für arme, alte Blinde. Diese gewaltigen Fi-nanzspritzen klären sich im nächsten Satz des Schreibens auf – das unwillkürliche Lächeln vergeht: „Durch die erschreckende Geldent-

31. Dezember 1922 M. 211.400,94 betrug, wir jedoch genötigt waren, am 19. Oktober 1922 unser Grundstück an der Bucherstrasse zu verkaufen.“ Von der Belegung des Heimes erfährt man aus einer „Übersicht über die Verhältnisse“ aus dem Jahr 1922, einem Auskunftsbogen mit Detailangaben zum Betrieb. (Abb. 43, 44)

500 Milliarden von der Stadt Nürnberg

Aus dem folgenden Jahr, vom 10. Januar 1923, stammt das Gesuch um nachträgliche Bewilligung eines Sonderzuschusses: „In-zwischen [seit Gesuch vom 3. Februar 1922 um einen Zuschuss zu den Betriebskosten des Mittelfränkischen Blindenheims aus Kreismitteln] sind durch die Geldentwer-tung unsere Ausgaben bedeutend gestiegen. Unsere Einnahmen konnten hiermit nicht gleichen Schritt halten. So betragen unsere Mitgliederbeiträge nur zwei Drittel des Frie-densbetrages, Stiftungen und Legate rund M. 5000.- Die notwendige Steigerung der Ver-pflegungssätze stößt bei den Armenräten auf große Schwierigkeiten, da dieselben unserer Berechnung nur einen Friedenstagessatz von 50 Pfg. täglich zu Grunde legen wollen. Die Folge dieser finanziellen Not ist ein Defizit von mehreren 100.000.- M., und wir kön-nen die Mittel zur Bestreitung der laufenden Betriebskosten nicht mehr aufbringen ohne Unterstützung der Behörden.

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Mit größeren Einnahmen aus dem Verein ist nicht zu rechnen, so lautet ein Schreiben vom 27. Februar 1924: „Eine nennenswerte Steigerung der Mitgliederbeiträge dürfte sich bei der Verarmung weiter Kreise des Mit-telstandes 1924 kaum ermöglichen lassen.“ Auch ein Jahr später richtet sich das Mittel-fränkische Blindenheim mit einem Schreiben vom 9. Februar 1925 an die Regierung mit der Bitte um Betriebskostenzuschuss, da die „Einführung besserer Ernährung für eine Anzahl kränklicher Blinder notwendig ge-worden“ sei, und das „Hausreparaturenkonto eine stark aufsteigende Kurve aufweist. Unser Heim ist gegenwärtig voll belegt und beher-bergt 44 Blinde“.

Doch scheint zu diesem Zeitpunkt zumindest der Tiefpunkt überwunden, da „die Vorstand-schaft glaubt [mit Zuschuss] eine Abglei-chung von Ein- und Ausgaben zu erreichen und damit das Blindenheim wieder auf eine normale finanzielle Grundlage zu stellen.“ Erwähnenswert ist ein Schreiben vom 23. Mai 1925, in der bekanntgegeben wird, dass „die Zahl unserer Mitglieder […] rund 800“ beträgt, ein knappes Jahr später, am 11. Fe-bruar 1926 war die „Zahl unserer Mitglieder durch die Folgen der Inflation auf circa 600 zusammengeschrumpft“.

wertung der letzten Wochen sind wir jedoch in solch fürchterliche Not geraten, dass es uns unmöglich ist unseren Betrieb nur noch einige Wochen aufrecht zu erhalten, wenn uns nicht durch die Behörden geholfen wird.“ Wie groß die finanziellen Probleme waren, bringt Dr. von Forster auf den Punkt. Er schreibt, dass „wir [ohne Zuschuss] ausser-stande sind, die für Küche und Haus nötigen Kohlen, sowie genügend Lebensmittel für un-sere armen blinden Pfleglinge zu beschaffen.“ Das Mittelfränkische Blindenheim steht 22 Jahre nach seiner Eröffnung kurz vor der Schließung: „Ohne Hilfe und Eingreifen der hohen Regierung von Mittelfranken wären wir gezwungen unser Haus zu schließen und unsere armen Pfleglinge zu entlassen.“

„Die Stadt Nürnberg zahlte uns im laufenden Rechnungsjahre, im Februar M. 100.000.- und am 31.10. M. 500 Milliarden.“ Trotz sol-cher Summen verschärft sich die Lage weiter, der Verein kann keine genauen Mitglieder-zahlen mehr angeben, „da viele bei Zahlungs-aufforderung, in Folge ihrer veränderten wirtschaftlichen Lage, die Zahlung verwei-gern müssen und ihren Austritt erklären.“

Tatsächlich muss es wohl sehr knapp gewor-den sein, denn in dem Schreiben vom 15. Dezember 1923 heißt es weiter, dass „unsere Vorräte an Kohlen und Lebensmitteln in den letzten Monaten so stark aufgebraucht wurden, dass wir nur für einige Tage eingedeckt sind“.

Kapitel V Das Mittelfränkisches Blindenheim während der Inflation

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1935 statt, die Satzungsänderung wird als „nötig geworden“ vorgetragen und „von allen Anwesenden en block übernommen“, wie denn auch mit Stempel unter diesem Eintrag im Protokollbuch vom Registergericht Nürn-berg beim Amtsgericht bestätigt. Bei der Mitgliederversammlung am 10. November 1937 gibt Herr Direktor Heinz bekannt, dass mit Anlass des 25-jährigen Bestehens des Mittelfränkischen Blindenheims eine beson-dere Festschrift herausgegeben werden wird. Leider ist diese, wie auch eine später er-wähnte Festschrift zum 50-jährigen Jubiläum, nicht auffindbar und wohl nicht erhalten ge-blieben. Lediglich von den zwei Broschüren zum 75. und 85. Geburtstag haben sich Exemplare erhalten.

Zwei Jahre später verliert das Blindeheim ei-nen zweiten prägenden Mann aus den Grün-dungsjahren: Dr. von Forster erlebt weder die Auflösung noch die Wiedereintragung des Vereins. In der Mitgliederversammlung des Mittelfränkischen Blindenheims am 23. November 1939 abends 6 Uhr in der Blin-denanstalt „widmet er [Kommerzienrat Reis-mann] dem heimgegangenen, Herrn Geheim-rat Dr. v. Forster, einen warmen Nachruf, in welchem er die hervorragenden Verdienste, die sich der Entschlafene um das Mittelfrän-

Die kommenden Jahre bringen vor allem politische Umwälzungen. Die letzte Mitglie-derversammlung vor der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten findet am 23. Juni 1932 im Luitpoldhaus statt, nicht nur hinsichtlich des Ortes, vor allem in der Teilnehmerliste kommt es bis zur nächsten Mitgliederversammlung zu eine gravieren-den Veränderung.

Die 1. Sitzung ohne ein Mitglied der Familie Hopf

Die erste Mitgliederversammlung im Dritten Reich tritt am 27. November 1934 nun in der Blindenanstalt Nürnberg, Kobergerstra-ße 34, zusammen. Zum ersten Mal in der Geschichte des Mittelfränkischen Blinden-heims ohne ein Mitglied der Familie Hopf. Weder Alfred Hopf noch Karl Hopf werden weiterhin im Protokollbuch erwähnt. Auf der Tagesordnung Punkt Vier steht gleich die nächste Änderung betreffend die Satzung des Mittelfränkischen Blindenheimes. „Wegen dieser Angelegenheit soll mit der Regierung und der NSV [Nationalsozialistische Volks-wohlfahrt] in Verhandlungen eingetreten werden.“ Die nächste Mitgliederversamm-lung findet am selben Ort am 20. Dezember

„Im Zuge einer einheitlichen […] Ausrichtung“ – Die Nationalsozialisten fordern die Auflösung des Vereins

1929 – 1948

Kapitel VI Die Nationalsozialisten fordern die Auflösung des Vereins

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hier in der Wetzendorfer Flur so versumpft sind, dass ein ordnungsgemäßer Gemüsean-bau unmöglich ist. Der Ausbau einer Entwäs-serungsanlage von der Vogelherdstraße bis zum Nordostbahnhof ist unbedingt erforder-lich.“ Ein kleines Detail mit großen Erleich-terungen sei hier am Rande bemerkt: So findet sich im Protokoll der Ausschusssitzung vom 5. März 1942 der Hinweis, dass „zur Ergänzung unserer Waschanlage […] die dringend notwendig gewordene Anschaffung einer Waschmaschine genehmigt“ worden sei.

Auflösung des Vereins

Im Jahre 1942 erhält der Verein Mittelfrän-kisches Blindenheim Besuch der einschlä-gigen NSDAP-Organisation. Im Protokoll der Mitgliederversammlung vom 27. Juli 1942 in der Blindenanstalt, Kobergerstr. 34, heißt es: „Anwesend von der Reichsleitung der NSDAP, Hauptamt für Volkswohlfahrt, der Sachbearbeiter für das Blindenwesen Heu-mann, vom Hauptamt für Volkswohlfahrt, Gau Franken, die Gaustellenleiter Girod, Reißer und Bayer“.

Die Tagesordnung umfasst u.a. die Auflö-sung des Vereins. Nach einem Einblick in den Mitgliederstand des Vereins, der 200 Einzelmitglieder umfasst, folgen zunächst kriegsbedingte Nachrichten: „Schwester An-tilie vom DRK ist seit Kriegsbeginn in einem

kische Blindenheim erworben hat, besonders hervorhebt.“

Am 5. März 1942 erstattet Direktor Heinz den Geschäftsbericht für die Jahre 1939-1941, „also die 3 Kriegsjahre, in denen unser Blinden-Altersheim weit mehr in Anspruch genommen wurde, als in der vorangegange-nen Zeit, sodass zahlreiche Aufnahmeanträge zurückgestellt werden mussten, da das Heim voll belegt war und noch voll belegt ist. Die-ser starke Zustrom – in den 3 letzten Jahren 32 Neuaufnahmen – ist darauf zurückzufüh-ren, dass sich die häuslichen Verhältnisse in einzelnen Familien infolge des Kriegseinsat-zes ungünstig gestalteten, sodass es an der notwendigen Betreuung der blinden Familien- mitglieder fehlte und zum anderen kamen mit den volksdeutschen Rückwanderern aus dem Osten, Südosten und Süden auch zahl-reiche blinde Volksgenossen in das Reich zurück, die untergebracht werden mussten.“

Die Versorgung mit Nahrungsmitteln ist durch den Krieg erschwert, so „dass in einem Teil unseres Grundstückes eine Obst- und Beerenanlage geschaffen wurde, die für die Eigenversorgung gerade jetzt in der Kriegs-zeit sehr wichtig ist.“ Es sei bedauerlich, „dass schon seit 1939 der nördliche Teil unseres Grundstückes, etwa eineinhalb Tag-werk Ackerland nur sehr wenig bewirtschaf-tet werden konnte, da durch das plötzliche Auftreten von Wasseradern weite Gebiete

Kapitel VI Die Nationalsozialisten fordern die Auflösung des Vereins

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gen der Blindenanstalt Nürnberg, die nun-mehr den Namen Blindenschule mit Heim in Nürnberg und Blindenfürsorge im Gau Franken erhalten wird, angeschlossen wer-den. Gaustellenleiter Girod gibt die Richt-linien dieser neuen Einrichtung bekannt und stellt fest, dass der Antrag auf Auflösung des Vereins Mittelfränkisches Blindenheim vor-liegt. Die Stiftung Mittelfränkisches Blinden-heim wird durch diese Neuorganisation nur in soweit berührt, dass ihre Verwaltung in die Hände des Verwaltungsrates der Blinden-schule übergeht. Das Amt für Volkswohlfahrt wird der geplan-ten Einrichtung jede nur mögliche Unterstüt-zung zuteil werden lassen, er bittet Herrn Dr. Merkel, den Vorsitz zu übernehmen. Gleich-zeitig weist er darauf hin, dass der NSDAP noch ein größeres Ziel vor Augen schwebe, nämlich die Zusammenfassung aller für Nordbayern maßgebenden Blindenfürsorge-vereine. Die Aussprache wird eröffnet durch den Vorsitzenden Dr. Merkel, der sich den Ausführungen des Gaustellenleiters Girod voll und ganz anschließt und sich bereit erklärt, die Leitung der neuen Einrichtung zu übernehmen und ärztlich und universell für das Wohl der im Gau Franken lebenden Blin-den zu wirken. […] Der Vorsitzende Dr. Mer-kel stellt den Antrag […] zur Abstimmung. Der Antrag wird einstimmig angenommen.“

Feldlazarett als Pflegeschwester. Der Haus-arzt Dr. Bräutigam liegt schwer verwundet in einem Lazarett in Zwickau.“ Schließlich geht es wieder um das zentrale Thema: „Es ist der Wunsch und Wille des Hauptamtes für Volkswohlfahrt, dass unser Verein Mit-telfränkisches Blindenheim in dieser Mitglie-derversammlung seine Auflösung beschließt, damit das gesamte Blindenwesen im Gau Franken eine einheitliche Leitung und Führung bekommt. Diese Planung liegt im Interesse unserer Bestrebungen und ist nur zu begrüßen.“

Es kommt zur „Aussprache und Abstimmung. Der Vorsitzende erteilt Gaustellenleiter Girod das Wort. Gaustellenleiter Girod begrüßt im Auftrag des Gauamtsleiters, Oberbereichs-leiter Heumann die Mitgliederversammlung. Er gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte der NS-Volkswohlfahrt, die in der Kampfzeit der NSDAP geboren wurde und am 3. Mai 1933 als Organisation innerhalb der Partei für alle Fragen der Volkswohlfahrt und Fürsorge im Reiche anerkannt wurde. Ihr wurden im Jahr 1934 alle im damaligen Paritätischen Wohlfahrtsverbande ange-schlossenen Vereine unterstellt, also auch die in Nürnberg bestehenden Vereine der Blindenfürsorge. Was vor Jahren in Franken schon geplant war, soll nun im Zuge einer einheitlichen nationalsozialistischen Aus-richtung durchgeführt werden. Die kleineren Vereine sollen aufgelöst und ihre Einrichtun-

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Vereins, dessen am 27. Juli 1942 beschlosse-ne Auflösung von der NSDAP aufgezwungen war. Eine Liquidation wurde nicht durch-geführt, vielmehr der Betrieb des Heimes unverändert, unter der in gesonderter Rech-nung geführten Verwaltung der Blindenan-stalt fortgesetzt; eine Verteilung von Ver-einsvermögen hat nicht stattgefunden.“ Nun folgt die Bekanntgabe des Bescheides vom 8. Juli 1948, der vom Registergericht auf den Antrag folgte und in dessen Verfolgung diese Mitgliederversammlung einberufen wurde. „Es wird einstimmig beschlossen, den Verein fortzuführen und es wird Dr. Fried-rich Merkel zum Vorsitzenden des Vereins gewählt. Die Versammlung beschließt darauf einstimmig die Vereinssatzung von den auf Veranlassung der NSDAP seinerzeit einge-fügten Zusätzen und Änderungen wieder frei zu machen. Nach Vorschlag von Geheimrat Groß wird auf die ursprüngliche Satzung vom 17. April 1907 zurückgegriffen.“

In einer Stunde und zehn Minuten sind die Spuren der Nationalsozialisten zumindest in der Satzung des Vereins getilgt, die neue Fas-sung wird einstimmig beschlossen, und „mit Dankesworten an die Erschienenen schließt der Vorsitzende die Versammlung“. Zugleich endet mit diesem denkwürdigen Eintrag das Protokollbuch aus dem Jahr 1907. Ein zwei-tes, überwiegend handschriftliches Protokoll-buch beginnt mit der Mitgliederversamm-lung des Vereins am 22. Juni 1949, nun

Antrag auf Wiedereintragung beim Amtsgericht

Über den Betrieb des Mittelfränkischen Blindenheims während der Zeit des National-sozialismus und in den Kriegsjahren gibt ein Quellenfund aus dem Stadtarchiv Nürnberg Aufschluss. Dabei handelt es sich um einen „Bericht über die Tätigkeit des Vereins und des Heimes seit Kriegsende vom November 1946“. Dieses Schreiben des Mittelfränkischen Blindenheims an den Stadtrat Nürnberg, da-tiert auf den 5. November 1946, erfolgte in Beantwortung eines Schreibens vom 23. Oktober 1946, die Führung der Stadt-chronik betreffend. Darin heißt es: „Von einem ‚Wiederaufbau‘ unseres Verbandes und unserer Arbeit im Mittelfränkischen Blindenheim kann nicht gesprochen wer-den, da diese Arbeit im Großen und Ganzen unverändert durch die letzten Zeiten hin-durch gekommen ist. Wie der Bau äußerlich sehr große Schäden nicht erlitten hat, so war auch die Art der Arbeit im Haus und an den Blinden kaum beeinflusst worden.“

Darüber hinaus ergibt sich ein relativ nahtlo-ser Überblick über die Geschehnisse, die der Auflösung folgten, aus der Niederschrift über die Mitgliederversammlung vom 29. Septem-ber 1948 in der Blindenanstalt. „Der Vorsit-zende [Dr. Friedrich Merkel] verliest den am 6. Juli 1948 an das Registergericht Nürnberg gerichteten Antrag auf Wiedereintragung des

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erfährt der Leser hier: „Zum besseren Schutz des Lebens unserer Pfleglinge vor Flieger-angriffen, wurde der Schutzraum im Keller-geschoß fachmännisch abgestützt und das Mauerwerk verstärkt. Die Ausgaben hierfür betrugen RM 2437.-.“ Die extreme Belastung durch den Luftkrieg ist ebenfalls Thema: „Im Jahre 1945 war die Belegungsziffer größeren Schwankungen unterworfen, bedingt durch die andauernden Fliegerangriffe. Das Heim wurde von direk-ten größeren Bombenschäden verschont, doch erlitt es durch Sprengbomben und Minen, welche im Heimgrundstück und in den benachbarten Anwesen explodierten, mehrmals beträchtliche Fenster-, Türen-, Dach- und Mauerschäden.“

Gerade die Zeit unmittelbar nach Kriegsen-de, also die Jahre 1945 bis zum Rückblick des Dr. Friedrich Merkel, stellt das Heim vor neue Herausforderungen: „Seit dem Zusam-menbruch ist der Aufgabenkreis unseres Heimes wesentlich größer geworden. Mit den Flüchtlingen aus den besetzten deut-schen Ostgebieten und den ausgewiesenen Deutschen aus den verschiedenen fremden Staaten sind auch zahlreiche alte Blinde nach Nordbayern gekommen, die vorübergehend in Lagern untergebracht, dann aber den zu-ständigen Heimen zur Aufnahme zugewiesen werden.“

wieder vor Ort im Mittelfränkischen Blinden-heim. In diesem Rahmen blickt Dr. Friedrich Merkel als Vorsitzender auf die Geschehnisse der letzten Jahre zurück: „Die Geschäftsbe-richte, die der Vorsitzende gab, umfassen die Jahre 1942 mit 1948, also jene Jahre, in der die Weiterführung unseres Blinden-Pflege-betriebes durch die Totalitätsansprüche der damaligen Machthaber ernstlich gefährdet war und in der das sonst so friedliche Le-ben in unserem Feierabendhaus durch die unglückseligen Kriegseinwirkungen schwer erschüttert wurde, bis zu der Zeit, in der unser Heim wieder seine volle Selbständig-keit erlangte und ungestört und ungehemmt seine altersfürsorgenden Maßnahmen für unsere Blinden durchführen konnte. Auf Ver-langen der NS Volkswohlfahrt hat der Verein Mittelfränkisches Blindenheim am 27. Juni 1942 seine Auflösung beschlossen und die Liquidation beim Registergericht Nürnberg beantragt. Als Liquidator wird der Direktor der Blindenanstalt Georg Heinz bestellt.“ Aus dem Geschäftsbericht des Jahres 1944 gehen interessante Details aus den Kriegs-jahren hervor, z.B. ist die Rede von „sieben Neuaufnahmen, darunter vier, welche total ausgebombt waren und drei, welche im Zuge der damals angeordneten Umsiedelung aller Deutschen aus den Ost Staaten hier eine neue Heimat fanden.“ Auch von der Existenz eines Luftschutzrau-mes sowie der dafür aufgewendeten Kosten

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Abb. 44: Sommer im Park.

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63Kapitel VII Bau I und Bau II werden realisiert

mer waren aber alle belegt.“ Wiederum drei Jahre danach offenbaren sich Belegungs-schwierigkeiten, schließlich erklärt Frau Hartmann-Oehl in der Vorstandssitzung und Mitgliederversammlung vom 13. April 1960 „alles dranzusetzen, um das Heim wieder auf Vollbelegung zu bringen, wenngleich im vergangenen Jahr die Nachfrage immer nur nach Einzelzimmern war und Mehrbettzim-mer nur in wirklichen Notfällen (Blinden ohne jegliche Angehörige) belegt werden konnten“.

Ausweichstelle Virchowstr. 15

Eine Ausweichstelle des Mittelfränkischen Blindenheims in der von Dr. Friedrich Mer-kel geleiteten Maximilians-Augenklinik, die laut Stadtlexikon Nürnberg ihrerseits nach ihrer Zerstörung durch eine Luftmine seit 1944 provisorisch in der Virchowstraße 15 untergebracht ist, hat noch einige Jahre Bestand, in der Vorstandssitzung vom 22. Juni 1949 wird der Platzbedarf thematisiert: „Da das Heim voll belegt ist und noch viele Aufnahmegesuche vorliegen, ist es unbedingt notwendig, mietweise ein Gebäude mög-lichst außerhalb Nürnberg, zur Einrichtung eines Zweigbetriebes für unser Blindenheim

Am 10. Dezember 1952 schreibt die Blinden-fürsorgerin Annemarie Hartmann-Oehl über die seinerzeitige Lage der westdeutschen Al-tersblindenfürsorge: „Immer noch besteht bei unseren alten und arbeitsunfähigen blinden Männern und Frauen das Verlangen, ihren Lebensabend in einem Blindenheim zu be-schließen. Doch geht der Ruf der alten Leute nach Ein-, Zwei- und höchstens Dreibett-zimmern […] Das Vielbettzimmer-Wohnen haben allmählich alle satt.“ Am 4. Juli 1953 wird in einem Bericht über die gegenwärtige Lage der Blindenaltersfürsorge erneut darauf hingewiesen, „dass bei Aufnahme in unser Heim der Ruf nach Einzel- und höchstens Zweibettzimmern geht und die Unterbrin-gung in Mehrbettzimmern zum Großteil abgelehnt wird“.

Vier Jahre später enthält der Rechenschafts-bericht vom 16. April 1957 folgende Pas-sage: „Es kamen im Berichtsjahre laufend Nachfragen bzw. Meldungen zur Aufnahme in unser Heim, doch konnten nur einige Fälle Berücksichtigung finden. Zum Teil handelte es sich um Blinde, die bereits reine Pfle-gefälle und dadurch für unser Heim nicht geeignet waren. Wieder andere wollten nur ein Einzel- oder Zweibettzimmer. Die im Heim vorhandenen Ein- bzw. Zweibettzim-

„Das Vielbettzimmer-Wohnen haben allmählich alle satt“ – Bau I und Bau II werden realisiert

1948 – 1972

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der andere „vielleicht altersgebrechlich oder nur hochgradig sehschwach ist“. Ein Jahr später wird im gleichen Berichtsrahmen das Problem der Pflege noch deutlicher thema-tisiert: „Anfragen um Aufnahme ins Heim waren da, doch drehte es sich bei den Auf-zunehmenden meist um teilpflegebedürftige blinde Personen, die wir aber infolge Feh-len einer eigenen Pflegeabteilung ablehnen mussten.“ Da eine Aufnahme blinder Per-sonen von den Altersversorgungsanstalten der Stadt Nürnberg abgelehnt wird bzw. erst bei dauernder Bettlägerigkeit erfolgen kann, wäre die Errichtung einer solchen Abteilung „dringend notwendig, […] denn es ist wirk-lich ein Jammer, gerade so hilfsbedürftige blinde Menschen abweisen zu müssen mit der Begründung: Wir können keine Fälle auf-nehmen, wo es sich um mehr als nur norma-le Blindenaltersbetreuung handelt oder nur vorübergehende krankenpflegerische Hilfe notwendig ist. Es fehlt uns an Räumlichkei-ten und zusätzlichen Schwestern“.

Von einer wesentlichen Änderung der „Struktur der Blinden-Altersfürsorge“ ist be-reits im „Bericht über die gegenwärtige Lage unserer Altersblindenfürsorge“ vom 26. März 1955 die Rede. So handelte es sich bei den Aufnahmegesuchen „fast in allen Fällen um reine Pflegefälle, die wir ablehnen mussten“. Blinde Menschen, so heißt es weiter, ver-bleiben in der Familie, sofern sie außer der Blindheit „kein nennenswertes Gebrechen“

zu gewinnen.“ Aus dem Bericht der Blinden-fürsorgerin wird ersichtlich, dass Dr. Merkel bereits im Oktober 1948 Klinikräume in der Virchowstraße 15 für die Zwecke des Blindenheimes zur Verfügung gestellt hatte. Die Aufrechterhaltung dieses Provisoriums bezeichnet Annemarie Hartmann-Oehl als dringend notwendig. In der Mitgliederver-sammlung vom 1. Juni 1951 findet sich der Hinweis auf die Belegungszahl: „In der be-helfsmäßigen Ausweichstelle in der Maximi-lians-Heilungsanstalt für arme Augenkranke konnten 15 Blinde untergebracht werden.“ Erst sechs Jahre später endet das Provisori-um, hier berichtet Frau Hartmann-Oehl, dass den Heiminsassen der Ausweichstelle Vir-chowstraße 15 die Sorge um ihre zukünftige Unterkunft im Anschluss an deren Auflösung zum 30. Juni 1956, genommen werden konnte. „Am Tage der Auflösung des Hauses Virchowstraße 15 […] waren alle Heimin-sassen ordentlich und örtlich wunschgemäß untergebracht.“

Fehlende Pflegeabteilung wird zum Problem

Am 10. Dezember 1952 wird der Wunsch nach einem „Blinden-Pflegeheim“ formuliert, die Blindenfürsorgerin konstatiert, „so ein Heim fehlt immer noch“. Besonders die Un-terbringung von Ehepaaren wird als schwie-rig beschrieben, wenn ein Ehepartner blind,

Kapitel VII Bau I und Bau II werden realisiert

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der Kriegsschäden gehen aus dem „Bericht über die Tätigkeit des Vereins und des Hei-mes seit Kriegsende vom November 1946“ hervor. „Die dringendsten Glaserarbeiten an den Fenstern werden zur Zeit laufend im Rahmen des uns zugeteilten Glases vorge-nommen, das Dach wurde repariert, sonstige Schäden an Türen, Fensterrahmen und an den Wänden (Verputzabfall) konnten noch nicht beseitigt werden. Die durchschnittliche Bettenanzahl ist von 40 auf 50 erhöht wor-den. Viele Anmeldungen mussten abgewie-sen werden bzw. wurden vorgemerkt.“

Noch genauer informieren die Akten des städtischen Kriegsschädenamts. Demnach stellt der Geschädigte Mittelfränkisches Blindenheim, Anschrift Wetzendorferstraße 120 einen Antrag auf Entschädigung von Gebäudeschäden, verursacht durch Luft-angriffe vom 28. Februar 1943, 8./9. März 1943, 10. August 1943, 28. November 1944 und 21. Februar 1945. Dabei handelt es sich um Luftdruck- und Splitterschäden durch Spreng- und Brandbomben sowie Wasser-schäden. Wände, Decken, Türen, Fenster, Gänge, Fensterläden und Außenwände werden als schwer beschädigt angegeben. Heizungsröhren, Dachrinnen und die Umzäu-nung des Gartengrundstücks als zerstört. Als ungefähre Höhe des Gebäudeschadens werden 20 000 DM beziffert. Für die „Entfernung der Luftschutzmauern und Wiederherstellung der notwendigen Kellerräume: Mk. 850,43“.

haben. Die Begründung hierfür sei die Zubil-ligung eines Mehrbedarfs wegen Alters oder schwerer Erwerbsbeschränkung und eine Pflegezulage für Blinde, der die Blinden „viel besser als früher“ stellt.

Beseitigung der Kriegsschäden

Laut Geschäftsbericht aus dem Jahre 1951 ist die finanzielle Lage „nicht günstig“, so dass sogar „dringend notwendige Reparaturen am Gebäude“ wiederholt zurückgestellt werden mussten und nur das „Allernotwendigste“ erledigt wird. Um die „geistige und seeli-sche Betreuung unserer Insassen“ wird sich durch Vorlesestunden gekümmert, zusätzlich stellten sich „viele Blindenfreunde […] auch heuer wieder für das Liebeswerk unentgelt-lich zur Verfügung“. Zehn Jahre später liest sich das Angebot für die „Pflegebefohlenen“ um einiges reichhaltiger, so enthält der Jahresbericht für das Jahr 1961 den Passus: „Außer den täglichen Andachten, Konzerten, Vorlesungen, Tonbandübertragungen von Tonbändern der Blindenbücherei, München, gesanglichen und musikalischen Darbietun-gen von Vereinen und Künstlern, fanden Unterhaltungen und Feiern statt.“ Im glei-chen Jahr wurde das Mittelfränkischen Blin-denheim 50 Jahre alt und aus diesem Grund „ist auch noch der 50 Jahrfeier festlich und würdig gedacht worden“. Die angekündigten Details zur Beseitigung

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und des Vereins Mittelfränkisches Blinden-heim erwähnt, nachdem er einführend einen Überblick über die Belegungssituation gibt: „96 Personen betreut, 18 Männer, 78 Frauen, 35 Sozialhilfe, 61 Selbstzahler. Morgenan-dachten täglich (St. Johannis, St. Michael), wöchentlich Gottesdienste, Vorlesungen sowie gesangliche und musikalische Vorträge haben dem Heim wohlgesinnte und nachste-hende Künstler geboten. Erwähnenswert ist noch, dass wir im Herbst vergangenen Jahres [1970] das Richtfest für unseren Neubau II feiern durften.“

Im Geschäftsbericht des Jahres 1954 werden zahlreiche Renovierungen beschrieben, somit sei „das Gebäude nicht nur vom Kriegsscha-den befreit, sondern fast neu überholt“. Im einzelnen wird das Gebäude neu verputzt, Fenster, Türen, Veranda, Balkons, sowie Dachbleche und Dachrinnen instandgesetzt und gestrichen und Beträge für Malerarbei-ten und Renovierung von Küche, Toiletten, Speisesaal und Büros zurückgelegt. Neben dieser Renovierung informieren die Unter-lagen der Bauordnungsbehörde über eine Reihe an Modernisierungsmaßnahmen des vergangenen Jahrhunderts, beispielsweise wurde 1960 die Errichtung einer Ölfeuerung für die Heizungsanlage, 1964 der Einbau eines Personenaufzugs und 1966 schließlich der erste Erweiterungsbau in Angriff genom-men, dessen Pläne, wie auch für den Bau II, aus der Hand des Architekten J. Walter Kaspar von der Bauunternehmung Max Stellwagen stammen. Aus einem Gästebuch stammt die Einladung zur Einweihung von Erweiterungsbau I im Jahr 1968. (Abb. 45)

1969 folgen Bau und Errichtung sowie Umbau einer Remise zu einer Garage und Errichtung einer Einfriedung, bis 1970 die Genehmigung für den Erweiterungsbau II vorlag, der 1972 fertiggestellt wird. Dieser wird auch im Jahresbericht 1971 vom 8. September 1972 unter dem Vorsitz von Dr. Merkel im Bericht des Geschäftsführers Herrn Tischner über die Belange der Stiftung

Kapitel VII Bau I und Bau II werden realisiert

Abb. 45: Eintrag im Gästebuch anlässlich der Einweihung des Erweiterungsbaues 1968.

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Telefons für die blinden Heimbewohner hin. Das Telefon stelle oft den wichtigsten Kon-takt des Blinden mit seiner Umwelt dar. Im Flur vor dem Speisesaal soll auch eine öffent-liche Sprechstelle angebracht werden.“ Zwar ist bei der Jahresmitgliederversamm-lung des Vereins vom 8. Dezember 1984 das Haus voll belegt, aber „die größere Zurück-haltung bei der Aufnahme von Sehenden hat dazu geführt, dass ab November 84 zwei Räume nicht belegt werden konnten. Es ent-wickelt sich eine Diskussion darüber, inwie-weit es zweckdienlich sei, in einem Blinden-heim auch Sehende aufzunehmen.

Anlässlich einer Spendenwerbung (Abb. 46) des Mittelfränkischen Blindenheims vom 23. Juli 1975 wird eine Änderung in der Sicht auf die Bewohner offensichtlich, so bittet Herr Doubrava darum, „dass man in Zukunft von Formulierungen wie ‚unsere Schützlinge, die tatsächlich zu den Ärmsten der Armen zählen‘ Abstand nehmen möge, da solche Bezeichnungen dem Ansehen der Blinden nicht dienlich seien“. Zusätzlich werden Veränderungen hinsicht-lich der Altersstruktur der Bewohner erkenn-bar, „sehr viele Heimbewohner kommen bereits in sehr hohem Alter ins Heim, durch Annoncen in der Zeitung versucht man immer wieder, neue Interessenten zu gewin-nen“. Die Konsequenz lautet zunächst: „Da sich nicht genügend Blinde für eine Aufnah-me melden, werden auch sehbehinderte und sehende Personen aufgenommen.“

Dass die Ausrichtung aber noch eindeutig auf Blinde bestehen bleibt, zeigt sich auch an folgender Passage aus derselben Quelle: „Häufig würden die Blinden eigene Telefone auf ihren Zimmern wünschen. […] Die Post stellt nunmehr 50 Leitungen zur Verfügung, sodass allen Ansprüchen genügt werden kann. Herr Doubrava weist in diesem Zusam-menhang auf die besondere Bedeutung des

Abb. 46: Opferstock der Stiftung.

„Blindenheim für alte Menschen oder Pflegeheim“ – Beginnender Mentalitätswandel

1972 – 1996

Kapitel VIII Beginnender Mentalitätswandel

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man betont, dass „das Mittelfränkische Blin-denheim […] zu den wenigen Altenheimen in der Bundesrepublik [gehört], die speziell für Blinde unterhalten werden“. Im darauf-folgenden Jahr, klingt dies in der Mitglieder-versammlung vom 6. Dezember 1986 bereits anders, als der Vorsitzende Dr. Babel glaubt, „dass sich das Haus problemlos mit Pflege- fällen anfüllen ließe; dadurch ginge jedoch der eigentliche Charakter des Heimes, näm-lich ein Heim für ältere blinde Menschen zu sein, verloren“. Seit 1978 ist die gängige Praxis bezüglich Pflegefällen im Mittelfrän-kischen Blindenheim wie das Protokoll der Mitgliederversammlung des Vereins vom 2. Dezember 1978 belegt, rigide: „Pflegefälle [werden] in der Regel nicht aufgenommen“.

Gleichzeitig galt, „dass aber Heimbewohner, die diesen Status erreichen, im Heim verblei-ben können“. In der Mitgliederversammlung vom 29. November 1980 wird der Alters-durchschnitt als sehr hoch beschrieben, 41 Bewohner seien zwischen 80 und 89, acht zwischen 90 und 97 Jahre alt, darunter befänden sich 15 Pflegefälle, sieben mussten in ein Pflegeheim verlegt werden. Außerdem findet sich der erste Vorstoß in Richtung Pflegeheim, so bittet Schwester Erika um die Errichtung einer eigenen Pflegeabteilung, da eine räumliche Zusammenfassung der Pflege-fälle die Betreuungsarbeit erleichtere.

Man einigt sich dahingehend, dass im Inte-resse eines humanen Pflegesatzes und einer genügenden Rentabilität auch Sehende auf-genommen werden sollten, wenn Anmeldun-gen von Sehgeschädigten nicht vorliegen“.

In der Regel keine Pflegefälle und Diskussion um Öffnung für Sehende

Nach diesem ersten Vorstoß einer größeren Öffnung des Heimes gegenüber Sehenden kommt es bald zu Unstimmigkeiten über die-se Praxis, wie aus einem Schreiben aus dem Jahr 1984 hervorgeht: „Nach einer Diskus-sion der Vorstandschaft im Juni des Jahres wurde jedoch festgestellt, dass die Aufnahme von Nicht-Sehbehinderten unter Umständen gegen die Satzung verstößt. Aus diesem Grund wurden ab diesem Zeitpunkt Anmel-dungen von Nicht-Sehbehinderten nicht mehr angenommen. Es wäre nun zu über-legen, ob es nicht doch möglich wäre, auch künftig Sehende dann aufzunehmen, wenn von Blinden keine Nachfrage vorhanden ist.“

Im Protokoll der Jahresmitgliederversamm-lung des Vereins vom 30. November 1985 scheint die Entscheidung zunächst zu keiner mangelnden Belegung geführt zu haben, so sei das Heim mit 84 Bewohnern „voll belegt“, die „Baumaßnahmen im Neubau I Mitte September 1985 abgeschlossen, drei neue Appartements hinzugewonnen“ und

Kapitel VIII Beginnender Mentalitätswandel

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Insassen von Heimbewohnern zu sprechen“. In der Vorstandssitzung vom 2. Juli 1993 fällt der zukunftsweisende Satz: „Allgemein muss überlegt werden, was aus dem Haus werden soll – Blindenheim für alte Menschen oder Pflegeheim.“

Einzug von „Musik“ und „Tanz“

Im Nürnberger Künstlerlexikon findet sich unter den Werken des Bildhauers, Medail-leurs und Kunsthandwerkers Philipp Kittler folgender Eintrag: „Bielefelder Straße 45, Blindenanstalt: zwei Statuen „Musik“ und „Tanz“, Muschelkalk, 1905 (früher beim Industrie- und Kulturverein am Frauentor-graben).“

Zwölf Jahre später nimmt das Mittelfränkische Blindenheim noch immer keine Pflegefälle auf, dies stellt sich immer mehr als Problem dar, wie in der Jahresmitgliederversamm-lung vom 30. Juni 1990 deutlich wird: „Herr Kubisch [Geschäftsführer] verweist darauf, dass sich ältere Personen immer schwerer entschließen, in ein Altenheim zu gehen. Das Heim wird häufig erst dann aufgesucht, wenn die alten Leute zum Pflegefall gewor-den sind.“ Aus einer Aktennotiz im Vorfeld dieser Mitgliederversammlung erfährt der Leser einige Hintergründe „Die staatliche Förderung der ambulante Hauspflege so-wie Schreckensmeldungen über chaotische Zustände in Heimen halten viele Leute davon ab, rechtzeitig ins Heim zu gehen. Erst wenn eine Pflege zu Haus ambulant nicht mehr ge-währleistet werden kann, müssen die Leute – dann als in der Regel schwerer Pflegefall in ein Heim. Die Heime werden immer mehr zu reinen Pflegeheimen. Für unsere Einrichtung könnte diese Entwicklung eine zunehmende Unterbelegung bedeuten, da wir von außen keine Pflegefälle aufnehmen können. Wir werden die weitere Entwicklung intensiv verfolgen.“Folgende Zeilen unterstreichen diesen be-ginnenden Mentalitätswandel in den Jahren vor der Einführung der Pflegeversicherung, so kommt ein Vorstoß von der damaligen Geschäftsführerin in der Jahresmitglieder-versammlung vom 26. Juni 1993: „Von Frau Batz-Fischer kommt die Anregung, statt von

Abb. 47: Philipp Kittlers Steinfiguren am 11. April 1967 vor dem Abbruch des Gebäudes.

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Ulrich Distler beschreibt in seiner vom Ge-schichts- und Heimatverein Schwabach und Umgebung e.V. herausgegebenen Publikation über Philipp Kittler die meisterhafte Einpas-sung der „beiden großen, die Musik und den Tanz darstellenden, Portalfiguren. Die Figur, welche die Musik verkörpern soll, trägt ein zeitlos-phantasiereiches Prunkgewand in Jugendstilmanier. Sie spielt Harfe. Ihr Pen-dant wiegt sich im Tanz. Die Frauengestalt bewegt den Umhang, den sie in den Händen hält, zu den Klängen der Musik“.

Auf einem Foto aus dem Jahre 1983 sind die beiden Steinfiguren sowie ein Putto, „der das Nürnberger Stadtwappen hält“ und laut Ulrich Distler „ebenfalls vom Kulturvereins-gebäude“ stammt, im Garten des Mittelfrän-kischen Blindenheims abgebildet. (Abb. 49)

Der ehemalige Student an der Akademie der bildenden Künste München unter Wilhelm von Ruemann arbeitet seit 1895 als freischaf-fender Bildhauer in Nürnberg und bekommt 1895 umfangreiche Aufträge für die Ausge-staltung der II. Bayerischen Landesausstel-lung. Seit 1898 ist er Lehrer für elementares Modellieren an der Kunstgewerbeschule Nürnberg und wird 1918 zum königlichen Professor ernannt. Das kriegszerstörte Ge-bäude am Frauentorgraben 45 (Abb. 47), wo die Steinfiguren weit über ein halbes Jahr-hundert standen, wird 1967/68 abgebro-chen. Laut einer Aktennotiz des Hauptamtes für Hochbauwesen, Abteilung Hochbau II, vom 7. September 1967 werden die beiden Musik und Tanz darstellenden Figuren vom Portal des Kulturvereins im Auftrag des Archi-tekten Fersch abgenommen und in seinem An-wesen Virchowstraße 36 aufgestellt. (Abb. 48)

Kapitel VIII Beginnender Mentalitätswandel

Abb. 48: Skulptur „Tanz“ im Anwesen Virchowstraße 36 am 6. September 1969.

Abb. 49: Als Trio im Jahr 1983 an ihrem ersten Standort neben dem ehemaligen Haupteingang des Blindenheims.

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grafiker Fritz Henry Oerter vorlegen zu lassen.

Diesem Briefkopf gingen bereits einige voraus, wie eine kleine Sammlung aus den verschiedensten Dokumenten zeigt: Der erste Briefkopf enthält noch keine graphischen Elemente, dies ändert sich erst mit dem Logo, das den Neubau I enthält. (Abb. 52 – 55)

Im Jahr 1999 geht es für die drei im Zuge der Entstehung des Saals am See schließlich hoch in die Lüfte und über das Mittelfrän-kische Blindenheim hinweg auf die andere Seite. Dort stehen sie bis heute und haben nun einen Ehrenplatz zwischen Haus 45 und Haus 43. (Abb. 50, 51)

Ein weiteres Charakteristikum ist seit 1986 das gezeichnete Logo der Stiftung Mittel-fränkisches Blindenheim, welches in der Vorstandssitzung vom 28. Juni 1986 initiiert wird.

Auf der Sitzung wird beschlossen, dass be-dingt durch den Um- und Ausbau des Heimes das auf dem Briefkopf bisher vorhandene Signet durch ein neues ersetzt werden solle, welches dem Gesamtbild des Hauses besser entspricht. Der Schriftführer Dr. Dorner wird beauftragt, einen geeigneten Entwurf von dem Stadt-

Abb. 50, 51: Heute stehen die Steinfiguren zwischen den beiden Komplexen an exponierter Stelle.

Abb. 52 – 55: Briefköpfe im Wandel der Zeit.

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sichert. […] Der frühere Schweinestall und eine alte Garage wurden abgerissen. Da das Gartengelände im Osten des Hauses durch den Bau des Nordwestringes weggefallen ist, wird es nun dringend erforderlich, das nord-westliche Grundstück so bald wie möglich als Gartengelände für die Heimbewohner auszubauen.“

Zwei Jahre später, 1977, resümiert er anläss-lich des gleichen Anlasses über die „Ein-schließung des Altenheimes durch bereits vorhandene Straßenzüge sowie durch neue Straßenplanungen, die das Grundstück des Heimes erheblich verkleinern“, man stehe in Verhandlungen mit dem Umlegungsaus-schuss der Stadt Nürnberg. Neben diesen Infrastrukturveränderungen erfährt man einiges über den laufenden Betrieb. Die Kapazität sei voll ausgeschöpft, von 110-115 Heimbewohnern seien 63 blind, die übrigen sehbehindert oder von Blindheit bedroht. Im alten Speisesaal wird für die Heim-bewohner eine Kaffeestube eingerichtet. Bus- und Schiffsfahrten werden organisiert sowie Unterhaltungsnachmittage abgehal-ten. Weitere Neuerungen werden wie folgt beschrieben: „Durch den Umbau [des Mittel-traktes] werden 22 Appartements errichtet. Im Dachgeschoß soll eine Terrasse entstehen. Von einem Ausbau des Schwimmbades im Neubau II soll abgesehen werden; in diesem Bereich soll eine neue Küche mit den zuge-hörigen Nebenräumen erstellt werden.“

Große Straße, große Veränderungen: Der Nordwestring

Im Laufe der Jahrzehnte wächst die Stadt und die Lage des Mittelfränkischen Blinden-heims wird immer zentraler. Neben einem Namenswechsel in der Anschrift, von ehe-mals Wetzendorfer Straße 120 (Abb. 56) zu Bielefelder Straße 45, bringt die attraktive Lage des Grundstücks immer wieder Ver-änderungen mit sich. Im Protokoll über die

Mitgliederversammlung des Vereins am 28. November 1975 erläutert Dr. Helmut Babel als Vorsitzender: „Der Aufenthalt im Mit-telfränkischen Blindenheim wird durch die Vorbeiführung von zwei neuen Straßenzügen in unmittelbarer Nähe der Gebäude stark beeinträchtigt. Der Vorstand ist bemüht, entsprechende Lärmschutzvorrichtungen anbringen zu lassen. Die Stadt Nürnberg hat die Erstellung einer Lärmschutzmauer zuge-

Kapitel VIII Beginnender Mentalitätswandel

Abb. 56: Original-Straßenschild mit der alten Adresse.

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Auch in der Mitgliederversammlung am 1. Dezember 1979 ist das „Generalproblem“ die geplante Straßentangente im Norden des Heimes. So ging ein Schreiben des Regierungs- direktors Anders von der Stiftungsaufsicht in Ansbach an die Stadt Nürnberg, dass die „Existenzfähigkeit des Mittelfränkischen Blindenheims durch die geplanten Straßen-züge und ihren voraussichtlich hohen Ver-kehrsaufkommen ernstlich gefährdet sei, mit der Bitte um eine Stellungnahme“. Im Rahmen der Mitgliederversammlung vom 29. November 1980 wird konstatiert, dass die Stadt Nürnberg an der Errichtung der neuen Straße im Norden des Heimes festhal-te. „Hierdurch muss ein Teil des Parks, der für die Heimbewohner so dringend notwen-dig ist, aufgegeben werden.“

Unter der Überschrift „Mittelfränkisches Blindenheim an der Bielefelder Straße feiert mit einem Sommerfest 75-jähriges Bestehen“ weist ein Zeitungsartikel in den Nürnberger Nachrichten am 30/31. August 1986 auf das Jubiläum hin – am 21. Oktober 1986 wird das Mittelfränkische Blindenheim 75 Jahre alt und gibt zu diesem Anlass auch eine Broschüre heraus. (Abb. 57) In der Vor-standssitzung am 16. Mai 1987 gibt es neue Ergebnisse in Sachen Grundstücksabtretung zu vermelden, so habe das Mittelfränkischen Blindenheim einen Teil seines Grundstücks abtreten müssen, weil die Stadt Nürnberg diese zur Anlegung neuer Straßen bean-

spruchte. Als Ersatz gebe es von der Stadt laut Umlegungsausschuss vom 18. Februar 1987 das sog. Vogel´sche Grundstück, das im Westen an das bisherige Areal anschließt. Der neu zugeteilte Boden mit ca. 8 000 qm Fläche sei zur Zeit noch mit etwa 15 Klein-gärten belegt.

Trotz angebotenem Ersatzland seitens der Stadt Nürnberg macht der dort ansässige Kleingartenverein Johannis dem Mittelfrän-kischen Blindenheim den Vorschlag, das Grundstück gemeinsam zu nutzen. Nach lebhafter Diskussion beschließt der Vorstand aufgrund schwerwiegender praktischer und juristischer Gründe, „dass man auf einer Räumung des Geländes bestehen müsse“. (Abb. 58)

Abb. 57: Broschüre zum 75-jährigen Bestehen.

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den Neubau II gebracht. Eine bessere Kont-rolle und Überwachung ist jetzt möglich.“In der Mitgliederversammlung am 26. Juni 1993 wird die Einführung eines neuen sozi-alen Dienstes mit zwei Sozialpädagogen und einer Beschäftigungstherapeutin mitgeteilt, außerdem ist die Rede von Kaffeestübchen, Gymnastik, Tanzen und Vorträgen, Konzer-ten, Sängerchor, Gartenfest und Weihnachts-feier. Kurz darauf, in der Vorstandssitzung vom 20. Oktober 1993 fällt eine wegweisen-de Entscheidung: „Das geplante Bauvorha-ben „Blindenwohnstift“ […] wird nicht mehr realisiert“, da die Planungen für die Nutzung der heutigen Bielefelder Str. 43 zunächst nochmals weg von einem Seniorenpflege-heim in Richtung eines Blindenwohnstiftes gegangen waren. In der Jahresmitgliederver-sammlung vom 25. Juni 1994 jedoch sind diese Pläne endgültig ad acta gelegt, denn es wird verkündet, ein „geplantes Bauvorhaben Blindenwohnstift nicht zu verwirklichen“, da ein hohes Investitionsvolumen absolut un-realistische Mieten nach sich ziehen würde. Den Ausschlag gab hierbei die Erkenntnis des erheblichen Renovierungsbedarfes an bestehenden Gebäuden der Einrichtung. Eine kleine Neuerung mit großer Wirkung, die bis heute Bestand hat, fällt noch in dieses Kapitel, so wurde das Hausradio in der Vor-standssitzung vom 5. April 1995 eingeführt. Täglich um neun Uhr werden die Bewohner begrüßt und über das Wetter, den Speiseplan sowie Veranstaltungen informiert.

Außerdem soll eine neue Küche entstehen. In der Jahresmitgliederversammlung vom 25. Juni 1988 gibt es Fortschritte auf diesem Ge-biet zu verkünden: „Die geplante Verlegung des Küchentraktes wird vom Freistaat mit einem Zuschuss in Höhe von 400.000 DM unterstützt. Weitere Zuwendung wurde von der Regierung von Mittelfranken in Aussicht gestellt.“

Die Gesamtkosten sollen 1,2 Millionen be-tragen, die Ausführung obliegt dem Archi-tekturbüro Popp. Fast auf den Tag genau ein Jahr später, am 24. Juni 1989, wird die Mit-gliederversammlung über den Abschluss der Baumaßnahme unterrichtet: „Seit ca. Mitte Juni 89 läuft die Küche im Probebetrieb. En-de Juni/Anfang Juli geht sie voll in Betrieb. Ab ca. Ende Juli ist der in den Neubau II (ne-ben die Küche) verlegte Bürobereich eben-falls fertig. Im Zuge dieser Verlegung wurde auch die Pforte und die Eingangssituation in

Kapitel VIII Beginnender Mentalitätswandel

Abb. 58: Die Kleingärten auf dem Grundstück des heutigen Gerd-Meckelburg-Hauses auf einer Aufnahme vom 12. April 1988.

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Die Pflegeversicherung tritt im Hinblick auf die Leistungserhebung am 1. Januar 1995 in Kraft, die ambulanten Leistungen begannen am 1. April 1995, die stationären am 1. Juli 1996. Mit der Einführung der Pflegever-sicherung manifestiert sich die Tendenz vom Blindenheim zum Seniorenpflegeheim endgültig. Zu diesem Zeitpunkt sind am 11. Mai 1996 „nach dem Grad der Pflegebedürf-tigkeit […] per 30. April 1996 51 Bewohner voll pflegebedürftig“, für 23 sei halbe Pflege erforderlich. In dieses Jahr fällt der 85. Jah-restag der Einweihung des Mittelfränkischen Blindenheims, so wird für die 85-Jahr Feier eine Broschüre erstellt.

Aus dem Bericht des Heimbeirats zur Jah-reshauptversammlung vom 26. April 1997 gehen Details zu dieser Feier, dem „85-Jahr Jubiläum mit vielen prominenten Gästen“ und u.a. zur Abschaffung des großen Speise-saals hervor. Außerdem seien neue Türschil-der in Punktschrift angebracht worden. Die Reaktionen auf die Auflösung des Speisesaals und die Eröffnung der neuen Ess-Aufent-haltsräume seien nach anfänglichen Schwie-rigkeiten jetzt positiv, der große Speisesaal sei zur Kommunikation im Heim nicht das A und O, stattdessen würden Kleingruppen bevorzugt.

Die Pflegeversicherung tritt in Kraft

Erst die Stufe II der Pflegeversicherung betrifft das Mittelfränkische Blindenheim unmittelbar, erste Auswirkungen werden in der Jahresmitgliederversammlung am 26. April 1997 beschrieben: „Am 1. Juli 1996 ist die 2. Stufe der Pflegeversicherung in Kraft getreten. Die Einstufung der Bewoh-ner durch den medizinischen Dienst ist er-folgt. Mit dem Bezirk Mittelfranken wurden für unser Heim vier statt drei Pflegestufen (zusätzlich Stufe 0) vereinbart.“ Weiterhin wird berichtet, die Pflegeversicherung habe eine Strukturveränderung bewirkt, so seien Pflegedokumentation und Leistungserfas-sung sehr wichtig geworden. Insgesamt zieht die Einführung der Pflegeversicherung eine

Abb. 59: Salon im Originalzustand.

„Erst wenn´s nicht mehr geht“ – Der Übergang vom Blindenheim zur Seniorenpflegeeinrichtung

1996 – 2011

Kapitel IX Der Übergang vom Blindenheim zur Seniorenpflegeeinrichtung

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76 Kapitel IX Der Übergang vom Blindenheim zur Seniorenpflegeeinrichtung

Architekt, habe sich angeboten: „Der Salon wird für DM 90.000 saniert und erhält eine Bestuhlung für 50 bis 60 Personen.“ Und weiter heißt es, dass die „Gemeinschaft durch das neue Essenskonzept (Etagenessen) gewachsen ist und der Speisesaal nicht ver-misst wird“. Die gelungene Umgestaltung des Salons, besser gesagt der Rückbau in einen möglichst originalgetreuen Zustand, veran-schaulicht ein direkter Vergleich eines Fotos des Originalzustands aus der Zeit der Erbau-ung und eines aktuellen Fotos. (Abb. 59, 60)

Die abgehängte Decke verschwindet, mit neuer Holzvertäfelung, neuem Parkett und neuen Fenstern werden die Proportionen wiederhergestellt, die alte Tür beibehalten. Der Speisesaal wird in einen Kommunikati-onsbereich mit drei teilbaren Mehrzweckbe-reichen umgebaut, ebenso wird ein Nassbio-top, das namengebende Element des Saals am See angelegt, um den Außenbereich attraktiver zu machen, erläutert der Archi-tekt Herr Popp. (Abb. 61 – 63) Dieser Saal beheimatet beispielsweise auch die Mitgliederversammlungen und Sitzungen etwa der Bewohnervertretung. (Abb. 64)

Die Jahreshauptversammlung vom 24. April 1999 fasst diese Neuerungen nochmal zu-sammen, so sei mit dem Umbau des Salons von Januar bis April mit einem Renovie-rungsaufwand von 100 000 DM ein ange-

starke Öffnung für Nicht-Sehbehinderte nach sich, auch die Entwicklung, den Schritt ins Pflegeheim erst als letzte Möglichkeit zu vollziehen, kündigt sich an, in der Vorstands-sitzung vom 18. Juni 1998 ist dies bereits Thema, so hatte man festgestellt: „Die Ver-weildauer im Heim nimmt rapide ab.“

Salon und Saal am See

1996 beginnen die Planungen zur Errichtung eines Anbaus zwischen Altbau und Bau I, eine Grundrisserweiterung sowie Ergänzung stehen auf dem Programm. Bei der Jahres-mitgliederversammlung am 26. April 1997 wird auch über die bereits beschriebene Auflösung des großen Speisesaals berichtet, der im Laufe der Zeit nur noch von einem Bruchteil der Bewohner aufgesucht werden konnte. Die dezentrale Versorgung in Grup-pen, so berichtet Herr Popp, der zuständige

Abb. 60: Salon nach der Renovierung.

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messener Versammlungsraum für Gruppen-arbeiten sowie Lese- und Singkreise der Heimbewohner entstanden. (Abb. 65 – 70)

Die Einrichtung eines Kinos für spezielle Hörfilme (Filme mit besonderen akustischen Untertiteln) sei sinnvoll, da die Mehrzahl der Bewohner sog. späterblindete Personen sind, die sich zum Teil sehr gut an gesehene Filme erinnern können. In der Jahreshauptver-sammlung vom 25. April 1998 wird kons-tatiert: „Das Kinoangebot ab Oktober 1998 wird sehr rege genutzt. Bei mehr als 100 Besuchern pro Monat kann diese Einrichtung als voller Erfolg gewertet werden.“

Abb. 61 – 63: Saal am See. Abb. 64: Sitzung der Bewohnervertretung.

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78 Kapitel IX Der Übergang vom Blindenheim zur Seniorenpflegeeinrichtung

Abb. 67: Mit Freude dabei.Abb. 65: Singen als ein wichtiges Element der Beschäftigung.

Abb. 68: Vorlesen im Salon. Abb. 70: Gottesdienst im Salon.Abb. 69: Ehrenamtliches Engagement.

Abb. 66: Liederbuch mit langer Tradition.

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Pflege und Betreuung von blinden und von Blindheit bedrohten Heimbewohnern“ umgesetzt werden. Zugleich möchte sich die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim „aber auch der Realität einer stationären Senio-renlangzeitpflegeeinrichtung“ stellen, die gekennzeichnet ist von „Pflegebedürftigkeit und Multimorbidität von Bewohner/-innen“ ebenso wie „verkürzten Verweildauern durch lange hinausgezögerten Einzug“ und „Men-schen mit Demenz“ wobei Demenz als ein Prozess von hoher Individualität verstanden wird. Diese Leitlinien hatten Einfluss auf die Entscheidungen zu Ausstattung, Konzept und Arbeit im neuen Gebäude.

Der Neubau

Aus der Pressemitteilung zum Richtfest am 2. Juli 2010: „Mit dem Richtfest wurden die ersten Schritte auf das im Jahr 2011 an-stehende Jubeljahr zur 100-Jahr-Feier der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim zuge-gangen. In diesem Rahmen ist die Eröffnung des neuen Hauses für den Frühsommer 2011 geplant.“ (Abb. 71, 72)

Aus dem Informationsblatt zum Konzept-gehen die Leitlinien für die Arbeit in dem neuen Haus hervor. Allen voran soll der Stiftungsauftrag „Aufnahme, Versorgung,

Abb. 71, 72: Richtfest

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Lebenserwartung bringt neben Demenz oft altersbedingte Sehbehinderungen mit sich. Auch nach 100 Jahren, zwei Weltkriegen, Inflation, Mentalitätswandel, Pflege- versicherung und vielen weiteren gerade gesellschaftlichen Entwicklungen ist das Kernanliegen der Stiftung unverändert und doch zeitgemäß, wie der Geschäftsführer Herr Brockhaus erläutert: „Wir laden Sie ein, sich mit uns auf den Weg zu machen, miteinander Freud´ und Leid zu teilen und uns der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe und Verantwortung zu stellen, pflegebedürf-tig gewordenen und an Demenz erkrankten alten Menschen einen Lebensabend in Würde zu ermöglichen.“

Mit diesem Neubau ist das Mittelfränkische Blindenheim nun am Ende eines „schleichen-den Prozesses ohne bewusste Entscheidung“ wie Herr Prof. Böhme es formulierte, von einem Altersblindenheim zu einem Senioren-pflegeheim mit besonderer Berücksichtigung von Blindheit und Sehbehinderung im Alter angekommen.

So hat der Anteil an schwer sehgeschädigten und vollblinden Bewohnern zwar abgenom-men, dennoch ist einer Statistik anlässlich der Jahresmitgliederversammlung 2004 zu entnehmen, dass noch immer ein Anteil von beispielsweise 22 % vollblinder Personen im Jahr 2003 das Heim bewohnte. Die steigende

Abb. 73, 74: Sommerfest und Einweihung des Gerd-Meckelburg-Hauses.

„Miteinander Freud‘ und Leid teilen“ – Auf die nächsten 100 Jahre

 2011

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selbst durch einen Blick in den schön ange-legten Innenhof, für den der Architekt Herr Popp sogar einen großen Christbaum einge-plant und die dafür nötigen Vorkehrungen auch getroffen hat. Einige optische Raffi-nessen, ob die farbigen Bodenstreifen und Farbstreifen am Türrahmen zur Orientierung oder die Türen von Funktionsräumen in Wandfarbe nach dem Motto „aus den Augen – aus dem Sinn“ ermöglichen ein Wohnge-fühl der Geborgenheit in stilvollem Ambien-te. Erstaunlich wenig fällt die Funktionalität des Komplexes auf, die Herr Popp einplanen musste, beispielsweise müsse es möglich sein, in einem Pflegeheim mit Bett die Türen zu passieren, insgesamt sei das Bauen für Behinderte und Betagte intensiver von der Technik her. (Abb. 75 – 77)

Wir sind die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Nicht zuletzt gehören in diese Chronik auch die Menschen, die jetzt die Stiftung Mittel-fränkisches Blindenheim verkörpern. Auch wenn hier nicht die Namen aller Mitarbeiter genannt werden können, sollen doch alle die Möglichkeit haben, dabei zu sein! (Abb. 78) Darüberhinaus sind die Mitarbeiter, die dem Haus schon besonders lange angehören, einfach erwähnenswert. Sie haben mit vielen Informationen geholfen, diese Chronik aus der Vergangenheit in die Zukunft zu bringen

Einweihung des Neubaus

Am 2. Juli 2011 ist es dann auch soweit: Der Neubau, der laut Vorstandsbeschluss vom 1. August 2011 den Namen „Gerd- Meckelburg-Haus“ trägt, wird mit einem öffentlichen Sommerfest eröffnet. Der Vor-sitzende Herr Meckelburg lässt es sich trotz schwerer Krankheit nicht nehmen, einige Worte zur Einweihung des Neubaus zu spre-chen. Es soll sein letzter Besuch im Mittel-fränkischen Blindenheim werden. Er stirbt wenige Tage danach, am 6. Juli 2011. (Abb. 73, 74)

Der Neubau weckt großes Interesse und fin-det regen Zuspruch. Dem Architekten, Herrn Popp, ist ein lichtdurchflutetes, großzügiges und doch anheimelndes Gebäude gelungen. Ein eigens für die Besucher der Einweihung erstelltes Informationsblatt ergänzt diesen angenehmen ersten Eindruck um die Fakten hinsichtlich der baulichen Struktur der drei Wohngemeinschaften für insgesamt 42 Be-wohner. Jedes Stockwerk verfügt über eine geräumige Wohnküche mit großem Fenster, offen zum Flurbereich für eine individuelle Gestaltung des Tagesablaufs in jeder Wohn-gruppe. Dieser helle Raum dürfte zusam-men mit der Flurfläche um den Innenhof, die durch bodentiefe Fenster besonders viel Licht ins Haus bringt, das Herzstück jeder Wohngemeinschaft werden. Das Prinzip Rundlauf erschließt sich jedem Besucher von

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Hier ist die hauseigene Küche ein großer Ge-winn. Es gibt kein Tablettsystem, die Bewoh-ner können die Speisen beliebig zusammen-stellen und erhalten mengenmäßig soviel wie gewünscht wird. Die Küche ist flexibler, individueller und kann schneller z.B. auf Befindlichkeitsstörungen eingehen. Wünsche werden sehr schnell erfüllt und zum Geburts-tag gibt es das Lieblingsgericht.

Ebenso lange ist Herr Thomas (Abb. 80) von der Haustechnik dabei, zusammen mit dem Leiter der Abteilung, Herrn Riefle (Abb. 80), der seit 1997 bei der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim arbeitet, berichtet auch er von hohen Standards. In der hauseigenen Wä-scherei arbeitet Frau Zörner (Abb. 81) seit 1987, schon ihre Mutter hatte hier gear-beitet. In Spitzenzeiten, so schildert sie eindrucksvoll, werden hier in vier Wochen 4 200 kg Wäsche bewältigt. Sie berichtet vom strengen Qualitätsmanagement in der

und einen aktuellen Eindruck der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim zu vermitteln.Frau Glauber (Abb. 79), stellvertretende Küchenleiterin und Hygienebeauftragte, arbeitet seit 1981 in der Küche des Hauses, aus einer vorübergehenden Krankheitsvertre-tung wurden bisher 30 Jahre. Sie berichtet von einem erstaunlich breiten Aufgabenbe-reich: Allein bei der Warenanlieferung und -annahme wird das MHD (Mindesthaltbar-keitsdatum), die Verpackung auf Beschädi-gung, der Lieferwagen auf Sauberkeit und die Temperatur überprüft, bei Entnahme und Verarbeitung der Lebensmittel geht es wieder von vorne los – natürlich streng dokumentiert. Daneben noch ein Reinigungs- und Desinfektionsprotokoll, Verfahrensan-weisung, Qualitätsmanagement, Checklisten, Kontrollpunkte etc. und das alles natürlich nicht nur in der Küche. Das Küchenpersonal kennt die Bewohner mitsamt ihren Vorlieben und Krankheiten.

Kapitel X Auf die nächsten 100 Jahre

Abb. 75 – 77: Gerd-Meckelburg-Haus

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Abb. 80: Herr Thomas und Herr Riefle bei der Arbeit im Garten.

Abb. 78: Wir sind die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim!

Abb.79: Frau Glauber in Aktion.

Wäscherei, besonders beeindruckt die 24 kg fassende Waschmaschine, die von zwei Räu-men, der „reinen“ und der „unreinen“ Seite aus zugänglich ist. Einmal die Woche fährt sie die Wäsche aus und hält so den Kontakt zu den Bewohnern. Nach wie vor ist sie fit im Umgang mit blinden Bewohnern, so sei es wichtig, dass alles an seinem Platz sei. Sogar kleine Näh-arbeiten übernimmt sie – die in einer Hem-denfabrik das Nähen gelernt hat – für die Bewohner.

Abb. 82: Frau Uilecan mit einem ihrer Schützlinge.

Abb. 83: Frau Sappert vor einem ihrer Kunstwerke.

Abb. 81: Frau Zörner in ihrem Reich.

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Frau Sappert (Abb. 83), Lehrerin für Kunst und Mathematik, arbeitet seit 1998 im Mittelfränkischen Blindenheim. Mit ihr zog die Farbe ein, unermüdlich gestaltetet sie Gänge und Wände mit Bildern, Mobiles und sonstiger Dekoration und allen voran ihren liebevoll komponierten Monatsprogramm-plakaten, die ein fester Bestandteil im Ein-gangsbereich des Heimes sind. Eindrücklich berichtet sie von der Vorreiterrolle des Mittel-fränkischen Blindenheims beim Sozialdienst, der vor dem Hintergrund der Ausrichtung auf Blinde zu verstehen ist. Laut der „Konzeption des Sozialdienstes im Mittelfränkischen Blindenheim“ wird dem Sozialdienst hier im Haus schon besonders lange große Bedeutung beigemessen „Normalerweise ist der erste Auslöser, wie Menschen zueinander finden, der (zufällige) Blickkontakt. Es entstehen Sympathien, die ausgebaut werden können.

Im gleichen Jahr hat auch Frau Uilecan (Abb. 82) ihren Dienst in der Pflege be-gonnen. Sie berichtet vom Saal am See als ehemaligen Speisesaal und der Zeit, bevor die Pflege durch z.B. moderne Pflegebetten erleichtert wurde. Ganz klar seien die Be-wohner damals rüstiger gewesen und we-sentlich jünger, etwa mit 65-70 Jahren, ins Heim gezogen.

Nach dem Mittagsessen wurden die Rüstigen in den Park begleitet, abends wurde oft Kar-ten gespielt. Sie erinnert sich gut an die Zeit, als die Pflegedienstleitung noch Oberschwes-ter hieß. Jetzt werden die Pflegebetten vom Haus gestellt, die Pflege sei durch Hilfsmittel einfacher geworden, aber auch schwieriger, da die Neuzugänge in der Regel pflegebe-dürftig ins Heim kommen und der Anteil von Menschen mit Demenz sehr zugenommen habe. Gerade hier ist der Sozialdienst wichtig.

Kapitel X Auf die nächsten 100 Jahre

Abb. 84, 85: Sommer im Park.

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telfränkischen Blindenheim an. Neben dem Kaffeestübchen, das sich einmal im Monat in ein Tanzcafé verwandelt, stellen die Ausflüge die Highlights des Geselligkeit dar. Dabei ist v.a. für Gehbehinderte und Blinde wich-tig, sich dank Begleitung auch außerhalb des Heimes bewegen zu können. Schon zu Gründungszeiten ist die Rede vom „Paradies des herrlichen Gartens“, der das Heim bis heute in außergewöhnlicher Größe, wie ein Schlosspark umschließt. (Abb. 84 – 87)

Da Blinden diese Möglichkeit verschlossen ist, liegt eine Hauptaufgabe des Sozialdiens-tes darin, den Bewohnern den Aufbau von Beziehungen zu ermöglichen.“ Mit der Ein-führung von zusätzlichen Betreuungsassis-tenten im Jahr 2009 wurde der Sozialdienst weiter ausgebaut, so dass im September 2010 mit Frau Brehm-Moosburger erstma-lig eine Leitung für dieses Aufgabenfeld geschaffen wurde. Mit der Sing- und Gym-nastikgruppe fing der Sozialdienst im Mit-

Abb. 86, 87: Sommer im Park.

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Neben Besuchen mit Angehörigen und Gäs-ten im mit Handläufen und reichlich Bänken ausgestatteten Parkgrundstück (Abb. 89, 90), stellt ein Spaziergang im Garten in Beglei-tung für die Bewohner ein besonderes Natur-erlebnis dar. (Abb. 91)

Aufnahmegespräche erleichtern die Ein-gewöhnung und eine Besonderheit, die

Der Park findet in jeder Beschreibung des Mittelfränkischen Blindenheims besondere Erwähnung, Dr. von Forster etwa schreibt von einem „heranwachsenden schönen, gro-ßen Garten“ und „behaglichen Ruhebänken“ schon im Jahre 1929. Eine Postkarte zeigt zehn Jahre später, wie eingewachsen das Mittelfränkische Blindenheim bereits 1939 in seinem Garten lag. (Abb. 88)

Kapitel X Auf die nächsten 100 Jahre

Abb.88: Postkarte aus dem Jahr 1939.

Abb.91: Naturerlebnis in unmittelbarer Nähe.

Abb.90: Viele Bänke zum Verweilen.

Abb.89: Wege mit Handlauf.

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Wissen weiter und führte mich in die Welt von Blindenspezifika wie Handlauf, taktilen Markierung, verschiedene Bodenbeläge, kon-trastreicher Beleuchtung u.v.m. ein, so bleibe die sehbehindertengerechte Ausrichtung der Stiftung im Fokus. Informativ war auch das Gespräch mit Herrn Kaspar. (Abb. 95)

Biografiearbeit, die sich mit der individuel-len Lebensgeschichte der Bewohner befasst, helfen, das Heim als zu Hause zu empfinden. Das tägliche Hausradio erreiche nicht alle, berichtet Frau Sappert, zudem sorgten die festen Termine der Veranstaltungen für Vor-freude auf den Abend, diese sei umso größer, je größer die Abhängigkeit von Heimangebo-ten sei.Daneben organisiert der Sozialdienst regel-mäßige Geburtstagsfeiern. Mit Unterstützung und in Zusammenarbeit mit dem ganzen Haus gelingt es immer wieder, verschiedenste Feste, Ausflüge und vielfältige Aktivitäten, wie das Plätzchenbacken an Weihnachten, Konzerte und differenzierte Gruppenange-bote sowie gezielte Einzelbetreuung anzu-bieten.

Eine zentrale Einrichtung ist die Hauswirt-schaft, die Frau Burger (Abb. 92) seit 1998 mit großem Engagement leitet und zu der auch die bereits vorgestellte Wäscherei gehört. Jedes Stockwerk hat zwei Reini-gungskräfte, die in täglichem Kontakt zu den Bewohnern stehen. Seit 1994 gehört auch Frau Mayer (Abb. 93) zur Hauswirtschaft, sie berichtet vom Café, das sonntags und feier-tags von 14-16 Uhr seine Gäste, bis zu 40 Personen, mit Selbstgebackenem verwöhnt.

Auch die Vereinsmitglieder waren zu infor-mativen Gesprächen bereit. Der Vorsitzende Herr Meckelburg (Abb. 94) gab mir sein

Abb. 93: Frau Mayer berichtet vom Café.

Abb. 94: In memoriam Herr Meckelburg.

Abb. 92: Frau Burger im Kiosk: ein echtes Ereignis. Abb. 95: Herr Kaspar.

Abb. 96: Herr Prof. Böhme.

Abb. 97: Herr Popp.

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unterschätzen, das Grundstockvermögen müsse im Bestand und Wert ungeschmälert erhalten bleiben und schließlich gehe es um die Erhaltung der Gemeinnützigkeit. Und es sei keine Selbstverständlichkeit, dass dieses Heim, wie er sagt, „ein echtes Erfolgsmodell“ sei. Zwar fanden die Informationen aus dem Gespräch mit Herrn Popp (Abb. 97) schon in der Beschreibung des Neubaus ihren Platz, dennoch darf er in der Reihe der Interview-partner selbstverständlich nicht fehlen. Die bauliche Entwicklung der letzten 100 Jahre veranschaulicht das Panoramabild des gan-zen Komplexes (Abb. 98).

Der Architekt trat 1963 in den Verein ein, er plante, wie schon erwähnt, Bau I und Bau II. Als langjähriger Schatzmeister in-teressieren ihn die Belange des Hauses bis heute. Auch Herr Prof. Böhme (Abb. 96), der 1984 in Kontakt mit der Stiftung Mit-telfränkisches Blindenheim kam und 1993 bis 2006 im Vorstand war, bekleidete eben-falls lange das Amt des Schatzmeisters. Er erläuterte mir den Stiftungsauftrag, der da lautet, das Stiftungsvermögen zu nutzen, d.h. zu bauen oder zu erweitern, wie mit dem Gerd-Meckelburg-Haus geschehen. Die wirtschaftlichen Belange seien nicht zu

Kapitel X Auf die nächsten 100 Jahre

Abb. 98: Panoramaaufnahme des ganzen Komplexes.

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vorhanden ist. Hervorheben möchte ich den besonderen Einsatz aller, die mit ihren Leihgaben die Ausstellung möglich machen. Ausdrücklicher Dank gebührt Frau Dr. Dippel, der Leiterin der Kunstvilla im KunstKulturQuartier, die durch Ihre Recherchen zu Emil Hopf Herrn Brockhaus in seinem Engagement hinsichtlich der Stiftungsgeschichte bestärkte und den Kontakte herstellte. Ohne folgende Protagonisten wäre die Quellenlage anders ausgefallen: Herrn Dütsch, Herrn Neidiger, Herrn Dr. Radlmaier, Frau Walthier und Frau Wiedemann vom Stadtarchiv, ebenso wie Herrn Friedrich vom Staatsarchiv und Frau Kolmetz von der Bauordnungsbehörde möchte ich an dieser Stelle herzlich danken. Die gelungene grafische Umsetzung verdanke ich Herrn Weglehner, die wunderbaren Fotos Herrn Dörfel, die beide genau das richtige Gespür für dieses Thema mit-brachten.

Mit den bereits erwähnten Worten im Bericht des Blinden-unterstützungsvereins zur Eröffnung des Mittelfränkischen Blindenheims aus dem Jahr 1911 schließt sich der Kreis und diese Chronik – 100 Jahre und viel(e) Geschichte(n) später: „Möge es seine segensreiche Bestimmung, besonders älteren blinden Personen eine traute Wohn- und Pflegestät-te zu sein, bis in die fernsten Zeiten erfüllen!“

Dank an alle Mitwirkenden

An dieser Stelle möchte ich aus ganzem Herzen „Danke!“ sagen für die durchwegs herzliche Aufnahme in der Bielefelder Straße 45. Die Arbeit hat mir neben den inte-ressanten Quellen nicht zuletzt aus diesem Grund Freude gemacht.

Besonders danken möchte ich Herrn Brockhaus, dem Initiator dieses Projektes, für sein außerordentliches Enga-gement neben dem Tagesgeschäft als Geschäftsführer, Herrn Fuchs für vielfältige Informationen aus seinem Wissen als Verwaltungsleiter, den beiden Verwaltungsan-gestellten Frau Wolf und Frau Dornhuber für Rat und Tat, den Pfortenmitarbeiterinnen Frau Börkel, Frau Meiselbach, Frau Müller und Frau Roth für die Überlassung eines Arbeitsplatzes am Wochenende und die Fürsorge, der Leite-rin der Hauswirtschaft Frau Burger für vielseitigen Einsatz, ganz besonders bei der Ausstellung zum Jubiläum, Herrn Riefle, dem Leiter der Haustechnik, für technische Unter-stützung verschiedenster Art, für informative Rundgänge und die Bereitstellung des historischen Straßenschildes, Herrn Müller, dem Küchenleiter, und seinem Team fürs leibliche Wohl, allen oben aufgeführten Interviewpartnern sowie dem Vorsitzenden Herrn Stollberg, dem Schatzmeis-ter Herrn Siebentritt und dem Beisitzer Herrn Brunner für die Versorgung mit Detailwissen, wie es nur nach langem Engagement im Verein Mittelfränkisches Blindenheim

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90 Kapitel II, Lorem ipsum dolor sit non set amen dulgor

Literatur- und Quellenverzeichnis

Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim

Das Archiv befindet sich im Aufbau, daher existieren noch keine Signaturen. Verwendet wurden u.a. Protokolle der Mitgliederver-sammlungen und Vorstandssitzungen, Ver-einssatzungen, Stiftungsurkunde, Korrespon-denzen, Geschäftsunterlagen, Dokumente, Broschüren und Informationsblätter.

Staatsarchiv Nürnberg

Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. VIII, Nr.11; Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. VIII, Nr. 185; Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. XIII, Nr. 3501; Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. XIII, Nr. 3510; Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. XIII, Nr. 3511; Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., Abg. 1968, K.d.I., Tit. XIII, Nr. 3513

Stadtarchiv Nürnberg

A 25 Nr. 535; C 7/I Nr. 7673; C 7/VIII Nr. 1782; C 22/II Nr. 22/537; C 52/II Nr. 355; E 6/111, Nr. 1; E 6/299 Nr. 1; E 6/374, Nr. 1, 2

Bauordnungsbehörde Nürnberg

Bielefelder Straße 43-45

Festschrift zur Fünfundsiebzig-Jahrfeier der Blindenanstalt Nürnberg. Die Blindenanstalt Nürnberg und ihre Beziehungen zum Blinden- wesen Nordbayerns während der Jahre 1854-1929. Hrsg. Vom Verwaltungsrat und der Direktion der Anstalt. Nürnberg 1929.

Schleussner, Karl. Die Blindenanstalten in Nürnberg. Sonderabdruck aus dem Illustra-tionswerk: Die Deutschen Blindenanstalten in Wort und Bild. Halle a. S. 1913.

Distler, Ulrich. Der Bildhauer Philipp Kittler (1861-1944). Schwabach 1994.

Nürnberger Künstlerlexikon. Bildende Künst-ler, Kunsthandwerker, Gelehrte, Sammler, Kulturschaffende und Mäzene vom 12. bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts. 4 Bde. Hrsg. von Manfred H. Grieb. München 2007.

Stadtlexikon Nürnberg. Hrsg. von Michael Diefenbacher und Rudolf Endres. 2. Aufl. Nürnberg 2000.

Fränkischer Kurier vom 8.4.1910, 18.10.1911, 21.10.1911 und 22.10.1911.

Nürnberger Nachrichten vom 30/31. 8. 1986.

http://www.mfr-bh.de/index.php?option=com_content&view=article&id=13&Itemid=15. Abrufdatum 25.5.2011.

http://reocities.com/CapeCanaveral/Ga-laxy/3402/wb1418/wb1418.htm. Abrufda-tum: 25.5.2011.

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Abb. 23 – 30: StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11; StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. XIII, Nr. 3513

Abb. 31 – 32: BOB Plan 006, BOB Plan 007

Abb. 33 – 34: StadtAN A 34 Nr. 1546, Stadt-AN A 34 Nr. 1546-verso

Abb. 35: StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11

Abb. 36 – 41: SMB

Abb. 42 – 43: StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. XIII, Nr. 3510

Abb. 44 – 46: SMB

Abb. 47 – 49: StadtAN A 38 Nr. N-299-2, A 38 Nr. N-350-6, A 40 Nr. L 3792-9

Abb. 50 – 51: SMB

Abb. 52 – 53: StAN Rep. 270/IV, Reg v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11

Abb. 54 – 57: SMB

Abb. 58: StadtAN A 40 Nr. L-5081-25

Abb. 59 – 87: SMB

Abb. 88: StadtAN A 34 Nr. 1547

Abb. 89 – 98: SMB

Abb. 1 – 4: SMB (Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim)

Abb. 5: FrK (Fränkischer Kurier) vom 18.10.1911

Abb. 6: StAN (Staatsarchiv Nürnberg) Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11

Abb. 7: StadtAN (Stadtarchiv Nürnberg) A 25 Nr. 535-01

Abb. 8: SMB

Abb. 9: StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11

Abb. 10: FrK vom 8.4.1910

Abb. 11 – 12: SMB

Abb. 13 – 17: (BOB) Bauordnungsbehörde Plan 001; BOB Plan 002; BOB Plan 003; BOB Plan 004; BOB Plan 005

Abb. 18 – 19: StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. XIII, Nr. 3511; StAN Rep. 270/IV, Reg. v. Mfr., K.d.I., Abg. 1968, Tit. VIII, Nr. 11

Abb. 20: StadtAN A 97 Nr. 195 (Original-Nr. 5812)

Abb. 21 – 22: FrK vom 21.10.1911; FrK vom 22.10.1911

Abbildungsverzeichnis

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Die Familie Hopf und der Nürnberger Hopfenhandel

Stammvater der Nürnberger Familie Hopf war Löb (Löw) Hopf, geboren 1794 in Uehl-feld bei Neustadt an der Aisch. In Uehlfeld erstreckte sich ein früh belegtes Hopfenan-baugebiet, in dem sich im 19. Jahrhundert Landjuden zu bedeutenden Hopfenhändlern entwickelten. Löb Hopf zog 1851 nach Nürn-berg, bereits 1852 ist er als Handelsvorstand der Hopfenfirma Rosenfeld und Hopf nach-weisbar. 1854 meldete er gemeinsam mit seinen beiden Söhnen Stephan, geboren 1827, und Joseph, geboren 1829, die Hopfen- handelsfirma Hopf & Söhne an. (Abb. 1)

Beide Söhne verlegten ihren Wohnsitz noch im selben Jahr von Fürth nach Nürnberg. Die Familie Hopf gehört damit zu den ersten jüdischen Familien, die in Nürnberg das Bür-gerrecht erlangen konnten. 1855 zählte die jüdische Gemeinde 21 Familien. Bis 1874, dem Jahr der Einweihung der Synagoge am Hans-Sachs-Platz, wuchs sie auf ca. 2.000 Mitglieder an. Löb Hopf war 1857 unter den konstituierenden Gründungsmitgliedern der sich formierenden jüdischen Gemeinde und begleitete in der Folge das Amt des Kultus-vorstehers. 1868 starb Löb Hopf an einem

„Die Stiftung Mittelfränkisches Blinden-heim ist untrennbar mit dem Namen Emil Hopf verbunden, ein Spross einer Nürnber-ger Großkaufmannsfamilie. Emil Hopf war Schöpfer, Stifter und Vater des Mittelfränki-schen Blindenheims.“ – so ist es auf der Homepage des Mittelfränkischen Blinden-heims in Nürnberg zu lesen. Wer war dieser Emil Hopf, der 1907 diese wegweisende Institution begründete und bis zu seinem frühen Tod 1920 unterstützte?

Um es vorab zu sagen: Die Geschichte von Emil Hopf und seiner weitverzweigten Fami-lie muss noch geschrieben werden. Obwohl die Familie Hopf zu den ersten jüdischen Familien gehörte, die sich nach der 1850 erfolgten Aufhebung des Niederlassungs-verbots für Bürger jüdischen Glaubens in Nürnberg ansiedelten, steht sie bis heute im Schatten bekannterer Familien wie den Kohns und Bings oder den Brüdern Gerngros, deren Lebenswege bereits aufgezeichnet wurden.

Ein weiteres Desideratum stellt die Unter-suchung der jüdischen Mäzene, Sammler und Stifter in Nürnberg dar, weshalb der vorlie-gende Beitrag vorerst nur eine Spurensuche umschreiben kann.

Beitrag Eine Spurensuche: Emil Hopf

Emil Hopf – Der Schöpfer, Stifter und Vater des Mittelfränkischen Blindenheims

Eine Spurensuche

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des Schwefelverbots im Jahr 1858, das den Export des Hopfens seit 1830 verhindert hatte, entwickelte sich ab 1860 ein freier Hopfenmarkt in Nürnberg. Löb Hopf war neben Joseph Kohn einer der ersten, der diese Chance frühzeitig sah und nutzte. Aufgrund weitreichender Zunftbeschränkun-gen, bzw. modern gesprochen Berufsverbote waren jüdische Familien traditionell im Handel von Waren und Lebensmitteln tätig. War dies in Unterfranken der Weinhandel, so lag in Mittelfranken der Schwerpunkt im Hopfenhandel. Eng verbunden mit dem Hop-fenhandel war die Kreditvergabe, weshalb nicht wenige Hopfenhändler Privatbanken begründeten. Das im Ursprung als Hopfen-handelsbank gegründete Bankhaus Kohn avancierte sogar zügig zu einer der größten bayerischen Privatbanken.

Während das Stammhaus der Familie Hopf seit 1856 an der heutigen Marienstraße 1 lag, verlegten die Söhne ein Jahr nach dem Tod von Löb Hopf 1868 die Hopfenhand-lung samt Kontor hinter den Bahnhof, in die Bahnhofstraße 3. In der Gewerbeanmeldung sind als Beschäftigte drei Kommis, bzw. kaufmännische Angestellte, ein Lehrling und ein „Auslaufer“ genannt. In der Marienstraße verblieb das Bankgeschäft Hopf & Co. GmbH, das im Telefonbuch von 1925 den Zusatz „Devisen- und Effektenvermittlung“ trägt. Stephan und Joseph blieben zeit ihres Lebens den Gründungshäusern ihres Unternehmens

Schlaganfall und wurde auf dem wenige Jahre zuvor, nämlich 1864, angelegten ersten, heute Alten jüdischen Friedhof an der Bärenschanzstraße begraben. Der Aufstieg Nürnbergs zum international bedeutendsten Umschlagplatz für Hopfen Ende des 19. Jahrhunderts ist untrennbar verbunden mit jüdischen Familien, welchen das Niederlassungsrecht ab 1850 die Mög-lichkeit gab, ihren Handel vom Land in die aufstrebende Industriemetropole zu verlegen. Nürnberg lag verkehrsgeografisch günstig im Mittelpunkt der Hauptanbaugebiete von Hopfen in Süddeutschland. Aufgrund des ab 1844 erfolgten Anschlusses an das bay-erische Eisenbahnschienennetz avancierte Nürnberg zum Warenumschlagplatz für das „grüne Gold“. In der Folge der Aufhebung

Abb. 1: Joseph Hopf (1829-1907), Vater von Emil Hopf

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Ämter gehörte zu ihren Verdiensten vor allem ihr Wirken in zahlreichen Wohltä-tigkeitsvereinen, die sie mit großzügigen Stiftungen unterstützten.

Bis Ende des 19. Jahrhunderts datierten viele soziale Einrichtungen der Stadt noch aus dem Mittelalter. Einer stetig wachsen-den Bevölkerung in der Industriemetropole begegnete man mit dem 1894 bis 1897 er-bauten Städtischen Klinikum, dem heutigen Nordklinikum. Flankiert wurde die medizi-nische Versorgung durch private Initiativen, wie das 1876 an der Hallerwiese gegründete Kinderspital, einer heute nach ihrem Stifter Julius Cnopf benannten Kinderklinik. Der modernen Ansprüchen genügende Ausbau der Krankenversorgung ging somit nicht nur auf die Stadtverwaltung, sondern auch auf bürgerliches Engagement zurück. Es war eine Zeit hoher Säuglings- und Kindersterb-lichkeit. Unterernährung und Krankheit schwächten viele Schulkinder und vor allem Grippe und Lungentuberkulose forderten unzählige Opfer. Für viele Krankheiten gab es noch keine Behandlungsmethoden. Die hohe Kindersterblichkeit traf auch die Fami-lie Hopf. Unter den acht Kindern von Joseph und Sofie Hopf starben zwei noch am Tag ihrer Geburt. Eine weitere Tochter wurde nur sieben Jahre alt.

Innerhalb der jüdischen Bürgerschaft standen zunächst konfessionell gebundene Stiftungen

Beitrag Eine Spurensuche: Emil Hopf

treu. In der Marienstraße kamen ihre Kinder zur Welt. Ein Teil der männlichen Nachkom-men wurde in die Geschäfte einbezogen, während ein anderer Teil akademische Lauf-bahnen einschlug. Die weiblichen Familien-mitglieder engagierten sich zumeist karitativ.

Die zweite Generation Hopf in Nürnberg

Stephan Hopf, der 1860 die Genehmigung erhalten hatte, seinen Vornamen von Selig-mann in Stephan ändern zu lassen, starb 1893 mit 66 Jahren. 1869 war er nicht nur zum ersten Beisitzenden der jüdischen Gemeinde gewählt, sondern auch von der wahlberechtigten Nürnberger Bürgerschaft zum Gemeindebevollmächtigten bestimmt worden. Die Gemeindebevollmächtigten wählten den 19-köpfigen Magistrat, der die Geschicke der Stadt bestimmte. Dem Magistrat gehörte Stephan Hopf dann von 1882 bis zu seinem Tod an, zudem vertrat er den Landkreis in der mittelfränkischen Kreisvertretung. Seine Söhne Hans (1854-1918) und Eduard (1858-1926) verschlug es als Magistratsrat bzw. Gemeindebevollmächtigte gegen Ende des 19. Jahrhunderts gleichfalls in die Politik.

Stephan und Joseph sowie später Hans Hopf wurde aufgrund ihrer Verdienste um das Gemeinwohl der Titel eines Kommerzienrats verliehen. Neben der Übernahme politischer

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nes Siegfried die „Siegfried Hopf’sche Un-terstützungsstiftung“ für bedürftige Witwen eintragen, die ein Grundkapital von 25.000 Mark (umgerechnet ca. 150.000 Euro) auf-wies. Außerdem errichtete Joseph Hopf an-lässlich seines 76. Geburtstags im Jahr 1905 mit seiner zweiten Frau Emilie (1848-1933) die „Joseph und Emilie Hopf’sche Stiftung“.

Joseph Hopf war zudem einer der 33 auf der Stiftertafel verewigten Stifter des Nürnberger Künstlerhauses, das 1910 eröffnet werden konnte. Nach dem Vorbild ähnlicher Einrich-tungen in Wien und München sollte auch das Nürnberger Künstlerhaus der Künstlerschaft als Gemeinschaftshaus und zudem für die städtische Kunstsammlung als Ausstellungs-gebäude dienen. (Abb. 2)

im Vordergrund, darunter vornehmlich Alters- und Kinderheime. Für alle Glaubens-richtungen offen verstand sich dagegen die 1883 gegründete „Anton Kohnsche Stiftung für notleidende Gewerbetreibende“.

Die Familie Hopf ist mit zahlreichen Stiftun-gen verbunden, deren überwiegende Anzahl in Erinnerung an verstorbene Familienmit-glieder eingerichtet wurde. So begründete Stephan Hopf in Erinnerung an seine El-tern 1881 die „Löb und Karoline Hopf’sche Stiftung“ und im selben Jahr in Gedenken an seine ein Jahr zuvor verstorbene Frau Betty die „Betty Hopf’sche Stiftung“, letztere mit einem Stiftungskapital von 5.000 Mark (umgerechnet ca. 30.000 Euro). Die Erträge beider Stiftungen flossen dem „Verein für Feriencolonien ar-mer und kränklicher Schulkinder“ zu. Außerdem verbin-det sich sein Name mit der „Stephan Hopf’schen Stipen-dienstiftung für Naturwissenschaften und neuere Spra-chen in Nürnberg“. 1896 ließ Joseph Hopf kurz nach dem Tod seines mit 36 Jahren verstorbenen erstgeborenen Soh- Abb. 2: Das 1902 gestiftete und 1910 eröffnete Künstlerhaus.

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heimer, Bing und Gerngros. In Emil Hopfs Klasse wurde außerdem Wilhelm Ritter, ein Sohn des Malers und Radierers Lorenz Ritter, der später ebenfalls die Künstlerlaufbahn einschlug, unterrichtet. Über Emil Hopfs weitere Ausbildung ist nichts bekannt. Er wird erst wieder verzeichnet, als er 1890 mit 30 Jahren als Teilhaber in die Hopfenhand-lung Hopf & Söhne aufgenommen wird. Zu diesem Zeitpunkt wohnt er noch in seinem Geburtshaus in der Marienstraße 1. 1893 erwirbt er gemeinsam mit seiner 1870 ge-borenen, aus der Bankiersfamilie Josephthal

Beitrag Eine Spurensuche: Emil Hopf

Die dritte Generation der Familie Hopf und ihre Nürnberger Stiftungen

Emil Hopf wurde am 27.10.1860 als drittes Kind von Joseph und Sofie Hopf in Nürnberg geboren. (Abb.3) Er besuchte gemeinsam mit seinem nur ein Jahr älteren Bruder Siegfried und seinem gleichaltrigen Cousin Oskar die 1834 als Handelsgewerbeschule gegründe-te Städtische Handelsschule, aus der später das heutige Johannes-Scharrer-Gymnasium hervorging. Zu seinen Mitschülern gehörten die Söhne der jüdischen Familien Forch-

Abb. 3: Emil Hopf (1860-1920) nach dem Foto auf seiner Meldekarte.

Abb. 4: Emil Hopfs Ehefrau Elisabeth Auguste Hopf (1870-1932).

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verkauft. 1925 erwarb die Nürnberger Stadt-bibliothek einen Teilbestand. Dieser Teil der Hopf’schen Grafiksammlung befindet sich heute in der Grafischen Sammlung der Stadt Nürnberg und umfasst vornehmlich topogra-fische Ansichten des 15. bis 19. Jahrhunderts sowie Fotografien, die den Hopfenhandel betreffen.

Elise Hopf (1865-1936), die Ehefrau von Hans Hopf, war eine Tochter des Justizrats Gustav Josephthal (1831-1914), der ab 1869 das Amt des Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde begleitete. Elise Hopf leitete als zweite Vorsitzende den Verein für jüdische Krankenpflegerinnen, der im Jahr 1900 be-gründet worden war und der Ausbildung von Pflegepersonal diente.

stammenden Ehefrau Elisabeth Auguste, ge-nannt Lilly, das Grundstück Blumenstraße 17 in der Marienvorstadt, auf dem seit 1862 das Blinden-Erziehungs-Institut stand. (Abb. 5) Benannt nach der bayerischen Königin Marie, Gattin von Maximilian II., wurde das im 19. Jahrhundert angelegte, idyllisch an der Pegnitz gelegene Viertel bald zu einem bevorzugten Standort wohlhabender Kreise, die sich dort repräsentative Villen erbauen ließen. Gehörten die Hopfs wie die mit ihnen verwandtschaftlich verbundenen Familien Dormitzer, Forchheimer und Josephthal zur gehobenen jüdischen Bürgerschicht Nürnbergs, so ließen sie sich, auch was den Wohnort betraf, in deren Nachbarschaft nieder. Bis 1894 entstand im Auftrag von Emil Hopf auf dem ehemaligen Gelände der Blindenanstalt nach Plänen des Frankfur-ter Architekten Heinrich Theodor Schmidt (1843-1904) eine Villa im Stil des Historis-mus mit Renaissance- und Barockzitaten.

In Haus Nr. 11 baute Emil Hopfs Cousin Hans (1854-1918), ab 1909 Magistratsrat, seit 1917 Kommerzienrat, zur selben Zeit sein Anwesen aus. Hans Hopf machte sich neben seinen politischen Ämtern und seinem Engagement für die städtischen Volksküchen während des Ersten Weltkriegs einen Na-men als Grafiksammler. Seine umfangreiche Sammlung wurde nach seinem Tod von den Erben an den Antiquar Hermann Kistner

Abb. 5: Das Blinden-Erziehungsinstitut in der Blumenstr. 17

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1903 nach dem Tod ihrer mit sechs Jahren verstorbenen Tochter Gretel die „Gretel-Hopf-Stiftung“ mit einem Kapital von 20.000 Mark (ca. 120.000 Euro) in Bayerischen Staatsobligationen sowie 200 Mark in bar. Die Memorialfunktion der Stiftung verdeut-licht die Satzung, in der es heißt, dass die Zinsen immer am Geburtstag des Mädchens zur Hälfte an den „Verein für Feriencolonien“ und an das Nürnberger Kinderspital zu ver-teilen seien.

Emil Hopfs umfangreiche Zuwendungen an die Stiftung „Mittelfränkisches Blindenheim“, die 1907 aus dem Zusammenschluss des Vereins „Mittelfränkisches Blindenheim“ mit dem „Blindenunterstützungsverein“ entstand und die Errichtung eines Versorgungsheims für Blinde betrieb, erscheint in diesem Zu-sammenhang herausragend. Jedoch stellt sie nur einen Aspekt seiner vielfältigen Interes-sen dar. Seit 1889 war Emil Hopf Mitglied in der Naturhistorischen Gesellschaft zu Nürn-berg. 1900 zeigt der Generalanzeiger des Germanischen Nationalmuseums eine Kunst-drechslerei und Schnitzerei in Buchs aus dem 18. Jahrhundert als Schenkung von Emil Hopf an. 1909 folgte eine Stiftung von 2.000 Mark an das GNM durch die Firma Hopf & Söhne. 1904 wirkte Emil Hopf als Schatz-meister des I. Internationalen Kongresses für Schulhygiene, dessen beide Tagungsbände noch im selben Jahr bei Schrag in Nürnberg erschienen sind.

Beitrag Eine Spurensuche: Emil Hopf

Sie gewann außerdem neben ihrer Verwand-ten Else Dormitzer (Dorn) eine führende Rolle in der Frauenbewegung. Ihr 1887 geborener Sohn Ludwig studierte Physik in München und war danach kurzzeitig As-sistent von Albert Einstein in Zürich. Nach Veröffentlichungen zur Strahlungstheorie spezialisierte sich Ludwig Hopf auf die Flug-mechanik und publizierte 1922 das Stan-dardwerk „Aerodynamik“.

Direkt nebenan, in der Blumenstraße 15, wohnte ein weiterer Bruder von Hans, näm-lich Eduard Hopf (1858-1926) mit seiner Frau Anna. Gemäß der Familientradition er-richtete das Ehepaar Eduard und Anna Hopf

Abb. 6: Rückwärtige Ansicht des Blinden-Erziehungs-instituts in der Blumenstraße 17.

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Hopf häufiger auf Reisen begeben zu haben. Immer wieder hielt er sich in Rottach-Egern am Tegernsee auf, wovon entsprechende Briefe zeugen. Gleichwohl kümmerte er sich als Vorstand weiterhin aktiv um die Korre-spondenz und war für die Buchhaltung des Blindenheims zuständig.

Emil Hopfs letztes Lebensjahr und das Ende einer jüdischen Stifterfamilie in Nürnberg

Das letzte Lebensjahr von Emil Hopf bleibt bislang leider rätselhaft. Am 19.12.1919 gibt er seine Teilhaberschaft an der Firma Hopf & Söhne auf. Sein Nachfolger im Unterneh-men wird Ernst Hopf, Sohn seines Cousins Hans. Seine Ämter, beispielsweise in der Verwaltung der „Siegfried Hopf’schen Unter-stützungsstiftung“, aber auch beim Mittel-fränkischen Blindenheim, gibt er unter der Angabe, „seinen Wohnsitz verlegen zu wol-len“, respektive „wegen eigener Krankheit und Krankheit seiner Frau“ an seinen Neffen, den Kinderarzt Dr. Karl Hopf, Sohn seines verstorbenen älteren Bruders Siegfried, ab. Hopfs Wohnhaus, die Villa in der Blumen-straße, geht am 2.1.1920 in den Besitz der Berliner Unternehmerfamilie Grünfeld über, mit welchen Emil Hopf über die Brüder Ja-kob und Leo Forchheimer bekannt gemacht worden sein dürfte.

Emil Hopf wird in diesem Zusammenhang in den verschiedensten in- und ausländischen Fachzeitschriften erwähnt, denn als Schatz-meister verwaltete er die Einnahmen der Tagungsgebühren. Beteiligt an der Organisa-tion des Kongresses waren neben Emil Hopfs Ehefrau Lilly auch die Ehefrau seines Cousins Hans Hopf, Elise Hopf, sowie Helene von Forster, Ehefrau des Augenarztes Dr. med. Sigmund von Forster, der mit Emil Hopf in der Stiftung „Mittelfränkisches Blindenheim“ aktiv war. 1911 findet man Emil Hopf im Ausschuss des Deutschen Luftfahrtverbands. 1912 spendete er eine kleine Summe an die Höhere staatliche Lehranstalt für Wein- und Gartenbau in Geisenheim und bedachte die Moses-Mendelssohn-Stiftung in Berlin mit einer Zuwendung.

Den von 1909 bis 1917 veröffentlichten Jahresberichten des Mittelfränkischen Blin-denheims, dessen Vorsitzender Emil Hopf von 1907 bis zu seinem Tod 1920 war, ist zu entnehmen, dass Zuwendungen durch verschiedene Mitglieder der Familie Hopf erfolgten, darunter Hans, Eduard, Rosa und Oskar. 1910 überwiesen Eduard und Anna Hopf anlässlich ihrer Silbernen Hochzeit 500 Mark. Im selben Jahr stiftete Emil Hopf 4.000 Mark.

Nach der 1911 erfolgten Eröffnung des Neu-baus in der Wetzendorfer Straße, der heu-tigen Bielefelder Straße, scheint sich Emil

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1941 deportierten die Nationalsozialisten die letzten in Nürnberg verbliebenen Juden in die Konzentrationslager. Als der erste Depor-tationszug am 29.11.1941 in das Vernich-tungslager Riga ging, war kein Mitglied der Familie Hopf mehr in der Blumenstraße als wohnhaft verzeichnet.

Damit erlosch nicht nur eine Familie, die sich in mehreren Generationen um das Gemeinwohl der Stadt verdient gemacht hat, sondern in Nürnberg wie in anderen deutschen Städten kam auch die spezifisch jüdische Tradition gesellschaftlichen Enga-gements zu einem jähen Ende. Die Mitglie-der der Familie Hopf hatten am politischen wie gesellschaftlichen Leben der Stadt aktiv teilgenommen. Sie übernahmen politische Ämter und engagierten sich in der Wohltä-

Beitrag Eine Spurensuche: Emil Hopf

Paul und Margarete Grünfeld waren Inhaber der Gesellschaft für Elektrometallurgie, die in diesem Jahr gleichfalls auf ihr hundertstes Firmenjubiläum zurückblicken kann. Teil-haber der GfE waren mit den Brüdern Jakob und Leo Forchheimer Verwandte der Hopfs. Hopf wird am 1.4.1920 aus der Steuerliste der Israelitischen Kultusgemeinde gestrichen – Ein Vorgang, der mit einem Austritt gleich-zusetzen ist. Laut Sterberegister ist Emil Hopf am 7.11.1920 in Nürnberg verstorben. Im Protokollbuch des Mittelfränkischen Blin-denheims heißt es hierzu: „Am 7. November verstarb Herr Emil Hopf; Gründer und lang-jähriger Vorsitzender des Vereins. Bei der Einäscherung [am] 10.XI.20 sprach Herr Dr. v. Forster über die Verdienste von H. Emil Hopf, dessen Werk das Mittelfr. Blindenheim ist.“ Entgegen jüdischem Ritus wurde Hopf auf dem Nürnberger Westfriedhof in einem Urnengrab beigesetzt.

Hopfs Ehefrau Lilly starb 1932 an ihrem Ge-burtsort Frankfurt. Mit der nationalsozialisti-schen Machtübergreifung 1933 wurde nicht allein die zuletzt in gemeinsamer Teilhaber-schaft mit den Hopfenhändlern Krakenberger und Hesselberger ausgeübte Geschäftstä-tigkeit der Firma unterbunden, mehr noch geriet auch das Leben der Familie Hopf in Gefahr. Hopfs älterem Sohn Alfred, geboren 1893, gelang die Flucht nach Amerika. Der jüngere Sohn Kurt, geboren 1896, beging am 19.4.1942 in Frankfurt Selbstmord. Ab Ende

Abb. 7: Von 1862 bis 1892 befand sich das Blinden-Erziehungsinsti-tut in der Blumenstraße 17 auf dem Grundstück, auf dem sich Emil Hopf ab 1893 eine repräsentative Villa erbauen ließ. (Staatsarchiv Nürnberg)

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tigkeit. Der Wunsch nach Prestige und gesell-schaftlicher Anerkennung paarte sich dabei mit der jüdischen Pflicht, dass jeder Einzelne als Teil einer Gemeinschaft für jeden Bedürf-tigen Verantwortung trägt, so weit die Mittel es zulassen.

Was bleibt, sind die Stiftungen der Familie Hopf, worunter das Mittelfränkische Blin-denheim als bedeutendste herausragt. Hopfs ehemaliges Wohnhaus in der Blumenstraße 17 wird seit 2006 zu einem städtischen Mu-seum für regionale Kunst, der Kunstvilla im KunstKulturQuartier (Künstlerhaus), umge-baut. Wenngleich die zukünftige Nutzung der herrschaftlichen Villa keinen direkten Bezug zu Emil Hopf aufweist, wird neben dem Mittelfränkischen Blindenheim auch das bald der Allgemeinheit geöffnete Ausstel-lungsgebäude die Erinnerung an seinen Er-bauer und einstigen Bewohner wach halten.

Für zahlreiche Hinweise und Anregungen bin ich Leibl Rosenberg, Gerhard Jochem, Dominik Radlmeier, Christof Neidinger, Gunther Friedrich, Jim G. Tobias und Gisela Blume sowie Stefan Jordan verbunden.

Abbildungen

1. Der Bankier Joseph Hopf (1829-1907), Vater von Emil Hopf, Kommerzienrat, Teilhaber der Hopfenhandlung Hopf & Söhne und einer der Stifter des Nürnberger Künstlerhauses, des heuti-gen KunstKulturQuartiers. (Stadtarchiv Nürnberg)

2. Das 1902 gestiftete und 1910 eröffnete Künstler-haus, Herzstück des heutigen KunstKulturQuar-tiers geht auf die Initiative des Ersten Bürger-meisters Georg von Schuh und des jüdischen Hopfengroßhändlers Ludwig von Gerngros zurück, die die ersten finanziellen Mittel bereit-stellten. (aus Siegfried Kett, Das Nürnberger Künstlerhaus, Nürnberg 1992, S.51: Bildstelle des Hochbauamts der Stadt Nürnberg)

3. Emil Hopf (1860-1920), Kaufmann und Stifter des Mittelfränkischen Blindenwerks, nach dem Foto auf seiner Meldekarte. (Stadtarchiv Nürnberg)

4. Emil Hopf heiratete zu einem unbekannten Zeitpunkt Elisabeth Auguste Hopf (1870-1932), die der Bankiersfamilie Josephthal entstammte und die ihn in seinem karitativen Engagement unterstützte. (Stadtarchiv Nürnberg)

5. Vom Blinden-Erziehungsinstitut in der Blumen- straße 17 gibt die dem Band „Die Blindenanstal-ten in Nürnberg“ von Karl Schleussner, erschienen 1913 in Halle, entnommene Fotogra-fie einen Eindruck. (Staatsarchiv Nürnberg)

6. Emil Hopf als Stifter des Mittelfränkischen Blindenwerks nach einer Abbildung aus dem Band „Die Blindenanstalten in Nürnberg“ von Karl Schleussner, Halle 1913. (Staatsarchiv Nürnberg)

7. Das Wohnhaus von Emil Hopf in der Blumen-straße 17, die heutige Kunstvilla im KunstKultur-Quartier auf einer Fotografie von 1979. (Stadtarchiv Nürnberg)

Andrea DippelLeiterinKunstvilla im KunstKulturQuartier, Nürnberg

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Eine weitere Aufgabe als Dachverband ist es, die Mitgliedsorganisationen in ihrer fach-lichen Zielsetzung zu unterstützen, in den vielfältigen politischen Gremien zu vertre-ten und die Beantragung von Zuschüssen zu begleiten.

Der Paritätische ist regional untergliedert in sechs Bezirksverbände. Der Bezirksverband für über 130 Mitgliedsorganisationen, mit einer Vielzahl von Einrichtungen, die das gesamte Spektrum der sozialen Aufgaben abdecken.

Die Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim ist bereits seit 1946 Mitglied beim Paritätischen. Die Mitgliedschaft einer Stiftung ist in Mit-telfranken einzigartig - alle anderen Orga-nisationen sind Vereine und gemeinnützige GmbHs. Die MitarbeiterInnen der Stiftung pflegen eine enge Zusammenarbeit mit dem Dachverband: so beteiligt sich die Einrich-tung aktiv am gemeinsamen Stand des Pa-ritätischen und der Mitgliedsorganisationen in der Seniorenarbeit am INViva Stand, der Heimleiter, Herr Brockhaus, vertritt den Pa-

Breites Dienstleistungsangebot und Vernetzte Strukturen für blinde und sehbehinderte Menschen in Nürnberg unter dem Dach des Paritätischen

Der Paritätische in Bayern ist einer der sechs Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege mit derzeit etwa 770 Mitgliedsorganisatio-nen. Seit seiner Gründung im Jahr 1924 als Verein für Fraueninteressen e.V. beziehungs-weise seit der Wiedergründung im Jahr 1948 ist der Paritätische in Bayern Partner und Dachverband für freie, gemeinnützige Orga-nisationen der sozialen Arbeit.Der Paritätische trägt die Idee der Parität, der Gleichwertigkeit aller Menschen, in die Gesellschaft und verwirklicht diese mit Nachdruck in den eigenen Einrichtungen und Geschäftsstellen sowie in der engen Zusam-menarbeit mit den Mitgliedsorganisationen.

Eine Aufgabe ist es, kritisch die gesellschaft-lichen und politischen Entwicklungen zu beobachten und vorausschauend Hand-lungsbedarf bewusst zu machen – für mehr Gerechtigkeit in der Gesellschaft. Vielfalt, Toleranz und Offenheit sind die Grundsätze des Paritätischen. Diese bilden die Grundlage für das soziale Engagement des Paritätischen und seiner Mitgliedsorganisationen.

Paritätischer Wohlfahrtsverband Bezirksverband Mittelfranken – Unter einem Dach: Vernetzt im Paritätischen

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berufliche Rehabilitation, Vermittlung von Mobilitätstraining, Unterweisung in speziel-len Blindentechniken, Schulung und Hilfe-stellung bei der Bewältigung des täglichen Lebens, Ambulanter Betreuungsdienst (Hilfe bei Behördengängen, beim Einkaufen, etc.).

Im Juli 2009 wurde das Sehbehindertenzen-trum in den Sebalder Höfen eröffnet, dessen Träger die Ober-Scharrer-Stiftung ist. Neben der augenärztlichen Betreuung bietet der BBSB als Kooperationspartner Unterstützung in der Nachsorge, Rehabilitation, Rechts-beratung und kontinuierlichen seelischen Beistand, sowie der Kontakt zu Gleichbetrof-fenen, und somit alle Hilfen aus einer Hand an. Der BBSB versteht sich als Selbsthilfeor-ganisation der Blinden und Sehbehinderten in Bayern.

Bildungszentrum für Blinde und Sehbehi-derte der Blindenanstalt Nürnberg e.V.

Das Bildungszentrum für Blinde und Sehbe-hinderte (BBS) ist bereits seit 1946 Mitglied im Paritätischen und somit gemeinsam mit der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim die ältesten Mitglieder in der Region Mittel-franken.

ritätischen in innerstädtischen Gremien und im Tagungsraum des Blindenheims finden Veranstaltungen des Paritätischen statt.

Außerdem wird die Vernetzung mit anderen paritätischen Organisationen genutzt und ge-pflegt. Als große Einrichtung in der Altenhil-fe, die auf die speziellen Bedürfnisse blinder und sehbehinderte Menschen ausgerichtet ist, ist die Stiftung stets ein starker Partner für die anderen Mitgliedsorganisationen in diesem Arbeitsfeld. In der Region Nürnberg gibt es durch diese aktiven Einrichtungen ein sehr gut aufeinander abgestimmtes Angebot der Beratung, Betreuung und Bildung für blinde und sehbehinderte Menschen in jeder Altersgruppe.

Bayer. Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. – Bezirksgruppe Mittelfranken

Der Bayerische Blinden- und Sehbehinder-tenbund e.V. ist seit 1972 Mitglied im Paritä-itschen. Die Bezirksgruppe des BBSB unter-hält am Bahnhofsplatz 6 in Nürnberg eine Beratungsstelle für blinde und sehbehinderte Menschen.Aufgaben der Beratungsstelle sind: Infor-mation und Hilfestellung für soziale und

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• Umschulungslehrgänge für berufsschul-pflichtige Späterblindete

• ein Internat mit 154 Plätzen, eine Tages-stätte mit über 70 Plätzen

• die Bayerische Blindenbücherei

Blindeninstitutsstiftung – Schule am Dachsberg – Rückersdorf

Die Blindeninstitutsstiftung hat ihren Haupt-sitz in Würzurg und ist seit 1953 Mitglied im Paritätischen. Die Schule am Dachsberg in Rückersdorf wurde 1986, als eine private Sondervolks-schule für mehrfachbehinderte Blinde und Sehbehinderte mit schulvorbereitender Ein-richtung und Werkstufe, eröffnet. Der Schu-le angeschlossen sind die Tagesstätte, das Internat und die Therapieabteilung.Aufgenommen werden Kinder und Jugend-liche im Alter von 3 – 21 Jahren. Grundlage der Erziehung und Unterrichtung der Kinder und Jugendlichen ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit aller Abteilungen und der ganzheitlich orientierte Ansatz.Der Einzugsbereich umfasst ganz Mittelfran-ken und die Randbereiche der angrenzenden Regierungsbezirke.

Die Blindenanstalt e.V. als Träger des Bil-dungszentrums wurde bereits 1854 gegrün-det. Zuerst war diese nur für Kinder, seit 1888 auch für Erwachsene, mit Blindheit zuständig. Schon damals war die Religions-zugehörigkeit für die Aufnahme, Förderung und Ausbildung nicht entscheidend.1932 wurde die Blindenschule mit dem „Mittel-fränkischen Blindenheim“, dem „Blindenun-terstützungsverein“ und dem „Blindenbund“ zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammenge-schlossen.

In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Organisation ständig weiter und ist inzwischen überregional tätig, da immer mehr sehgeschädigte Menschen aus dem näheren und weiteren Umkreis in die Ein-richtung wollten und wollen und betreibt heute u.a.:

• eine Beratungsstelle für die vorschulische, schulische und berufliche Ausbildung blinder und sehbehinderter Kinder und Jugendlicher

• eine Frühförderung und schulvorbereiten-de Einrichtung

• ein Förderzentrum - mit verschiedenen Grund- und Hauptschulklassen für Blinde und Sehbehinderte

• Berufliche Schulen für Blinde und Sehbe-hinderte

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Arbeits- und Beschäftigungsangebote sowie Wohn- und Lebensräume für blinde oder sehbehinderte erwachsene Menschen in einer Werkstatt für Sehgeschädigte, einer Tages-förderstätte, einem Wohnheim und einem Wohnpflegeheim mit integrieter Förderstätte bereitstellt.Begleitende Angebote, z.B. Ergotherapie, Logotherapie, Therapeutisches Reiten, und eine Fülle von Freizeitangeboten runden das Angebot der NWW ab.

Das Motto des Paritätischen „Gemeinsam Handeln“ wird bei den beschriebenen Orga-nisationen besonders gut sichtbar. Gemein-sam treten die Einrichtungen bei der jährlich stattfindenden „Woche des Sehens“ auf und organisieren eine Vielzahl von Veranstaltun-gen, um Betroffene und die Öffentlichkeit für die Belange ihrer KlientInnen zu sensibilisie-ren. Auch gemeinsam stimmen sie die Wei-terentwicklung ihrer Angebote ab, um für die sehbehinderten und blinden Menschen im Großraum ein bedarfsorientiertes Unter-stützungssystem vorzuhalten.

Christiane PaulusGeschäftsführerin

Aber nicht nur Bildung und Betreuung wer-den am Dachsberg groß geschrieben. Mit der Veranstaltungsreihe Kunst und Kultur des Blindeninstitutes in Rückersdorf wer-den möglichst viele Menschen angesprochen und an das Haus herangeführt und so für die Belange der Bewohner sensibilisiert. Die Ver-nissagen und Konzerte mit Künstlern aus der Region sind ein wichtiger Teil der Öffent-lichkeitsarbeit.

NWW - Nürnberger Wohn- und Werkstät-ten für Blinde und Sehbehinderte gGmbH

Die jüngste Einrichtung für Blinde und Sehbehinderte in Nürnberg, deren Gesell-schafter der Bayerischer Blindenbund e.V., die Blindenanstalt Nbg. e.V. und die Blinden-institutsstiftung sind, sind die Nürnberger Wohn- und Werkstätten.

Die gemeinnützige GmbH wurde 1995 ge-gründet, mit dem Ziel, Behindertenwerkstät-ten, Förderstätten und damit verbundene Wohnstätten für Blinde und Sehbehinderte aufzubauen und ist seit 1996 Mitglied im Paritätischen. Die gemeinnützige GmbH ist inzwischen ein Sozialunternehmen, das

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tenhilfe in Bayern durch die kontinuierliche Weiterentwicklung bestehender Angebote, durch politische Überzeugungsarbeit und die Entwicklung neuer, zukunftsweisender Pro-jekte zu gestalten. Besonderer Schwerpunkt hierbei ist neben der Beratung von Mitglied-sorganisationen vor allem eine kontinuierli-che Vernetzung von Akteurinnen und Akteu-ren im Feld Altenhilfe und darüber hinaus.

Zur Entwicklung der Altenhilfe in Bayern:Altenhilfe findet überwiegend in der eigenen Häuslichkeit statt. Allgemein bekannt ist das Bild des alten Menschen, der im Kreise seiner Familie alt werden durfte und am Ende seines Lebens in seinen „eigenen vier Wänden“ sterben kann. So stellt sich auch heute noch der Wunsch eines Großteils der Bevölkerung dar. In bekanntem, vertrautem Umfeld leben, altern und sterben zu „dür-fen“. Dabei ist es interessant zu untersuchen, wie es dazu kommt, dass aus einer Selbst-verständlichkeit - dem Leben und Sterben zu Hause - eine Hoffnung wird oder geworden ist, die offensichtlich nicht mehr selbstver-ständlich ist.

Wie ist diese Entwicklung zu erklären? Hinlänglich bekannt sind Faktoren, wie Mobilität der Familienmitglieder und Ausei-

Der Paritätische Wohlfahrtsverband, Landes-verband Bayern e.V. ist ein Spitzenverband der Freien Wohlfahrtspflege. Unter seinem Dach haben sich mehr als 770 Mitgliedsorga-nisationen aus allen Bereichen der sozialen Arbeit zusammengeschlossen. Nach seinen Prinzipien Vielfalt, Offenheit und Toleranz betreibt der Paritätische in Bayern eine en-gagierte Sozialpolitik und setzt sich für mehr Chancengerechtigkeit in der Gesellschaft ein.

Der Fachbereich Altenhilfe betreut etwa 130 Mitgliedsorganisationen mit knapp 150 Einrichtungen und Diensten. Dazu gehören sowohl stationäre als auch ambulante An-gebote wie Pflegeheime, Kurzzeitpflegen, Wohnstifte, Residenzen, Hausgemeinschaf-ten, Wohngemeinschaften, Tages- und Nacht-pflege sowie Ambulante Dienste. Im Zent-rum der Altenhilfepolitik des Paritätischen in Bayern steht dabei der pflegebedürftige Mensch, der seinen Bedürfnissen und Wün-schen entsprechend in seinem frei gewählten sozialen Umfeld leben möchte. Gemeinsam mit seinen Mitgliedsorganisationen versucht der Paritätische in Bayern hierbei die Al-

Paritätischer Wohlfahrtsverband Landesverband Bayern e.V. – Stationäre Altenhilfe: Wohnanstalt oder Lebensraum?

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Entberuflichung: Mit dem Austritt aus dem Berufsleben bricht ein großer Teil sozialer Kontakte weg. Verarmung: Rentenbezüge sinken und Eigenkapital ist immer weniger vorhanden. Dabei spielt Geld eine große Rolle bei der Ermöglichung von Teilhabe (z.B. zum Restaurantbesuch, etc.)Vereinsamung (Singularisierung): Steigen-de Anzahl an kinderlosen Paaren Dazu: Aufgrund hoher beruflicher Mobilität und das Leben in eher großstädtischen Bezügen fördert die Vereinsamung: Individualisierung der Gesellschaft gebärt einsame Alte.

Akteure in der Altenhilfe müssen sich - um dem eingangs formulierten Anspruch gerecht zu werden - als sozialpolitisch engagierte und am Menschen orientierte Organisationen genau diesen Herausforderungen stellen und versuchen, Teilhabe bei Pflegebedürftigkeit zu ermöglichen. Gerade stationäre Pflegeeinrichtungen ge-stalten hierbei Lebensräume für Menschen mit Pflegebedarf. Lebensräume, die nicht auf die Einrichtung beschränkt sind, sondern integrierter Bestandteil eines Quartiers oder Sozialraumes mit individuellen Vernetzun-gen in die örtlichen Strukturen. Das Kura-torium Deutsche Altershilfe spricht aktuell von Quartiershäusern, der 5. Generation der Alten- und Pflegeheime.

nanderbrechen oder Verkleinern familiärer Verbünde. Es ist schlicht niemand mehr vor Ort, um die Großeltern zu pflegen oder zu betreuen. In Zeiten des demografischen Wan-dels spricht man bereits von „Vergreisung“ ganzer Landstriche.

Die Aufgabe stationärer Altenhilfeeinrichtun-gen ist es hierbei, Menschen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit im Sozialraum einen Le-bensmittelpunkt zu schaffen, in dem sie einer-seits professionell und würdig gepflegt werden, aber auch einen Sozialraum, in dem Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ermöglicht wird.

Mit dem viel zitierten demografischen Wandel, der in aktuellen Debatten vor allem in Bezug auf Fachkräftemangel (in allen Bereichen), sinkende Steuereinnahmen durch immer weniger Beitragszzahlerinnen und Beitragszahler und steigenden Kosten für Pflege und Betreuung dargestellt wird, entwickelt sich die zentrale soziale Frage in einem gesellschaftlichen Schattendasein. Wie wollen wir in Zukunft miteinander leben?

Dabei ist es zunächst notwendig, die mit dem demografischen Wandel einhergehen-den Veränderungen der Altersstruktur und deren Auswirkungen zu beleuchten. Mit dem demografischen Wandel einher ge-hen Effekte, die das soziale Gefüge und das Leben im Alter, letztlich die Möglichkeiten zur Teilhabe massiv negativ beeinflussen:

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Die vierte Generation tritt neben die dritte Generation, die sich kontinuierlich weiter-entwickelt und orientiert sich am Leitbild des gemeinschaftlichen und selbstbestimmten Lebens und Wohnens, bei dem Hilfe und Unterstützung bei Bedarf zur Verfügung steht. Durch ihre räumliche und pflegerische Organisation bieten diese neuen Wohnfor-men vor allem für demenziell erkrankte Bewohnerinnen und Bewohner erheblich bessere Betreuungsmöglichkeiten als in den Heimkonzepten alter Prägung. Beispielhaft sind hierbei stationäre Haus-gemeinschaften zu nennen, die losgelöst von zentral versorgenden Großküchen und anderen zentralen Versorgungseinheiten ver-suchen, in kleinen Wohngruppen das alltägli-che, „normale“ Leben zu ermöglichen. In stationären Einrichtungen stellen Hausge-meinschaften und stationäre Wohngruppen-konzepte Formen von Heimstandards dar, die dem Leben in Gemeinschaft dem Wunsch nach sinnvoll erlebter Betätigung und not-wendiger auch pflegerischer Unterstützung schon baulich aber auch organisatorisch Rechnung trägt. Eine Hausgemeinschaft oder stationäre Wohngruppe umfasst eine in einem gemein-samen Haushalt lebende überschaubare so-ziale Gruppe. Jede Person hat innerhalb der (barrierefreien) Wohnung ein abgeschlos-senes Zimmer oder Apartment mit kleiner Diele und eigener Sanitäreinrichtung.

In den vergangenen Jahren und Jahrzehnten hat sich die baulich-räumliche Situation der Heime kontinuierlich verändert und nach unseren heutigen Maßstäben – verbessert. Einer Einteilung des KDA entsprechend, kann die Entwicklung des Pflegeheimbaus nach dem Zweiten Weltkrieg in fünf Phasen unterteilt werden: Die erste Generation der Alten- und Pfle-geheime, die bis in die 1960er Jahre vor-herrschte, hatte den Charakter von Verwahr-anstalten. Architektonisch waren die Heime in der Regel durch lang gestreckte Flure in wenig gegliederte blockartigen Häusern mit einem großen Anteil an Mehrbettzimmern geprägt, mit minimaler Ausstattung, zum Beispiel in den Sanitäreinrichtungen. Die zweite Generation in den 60er und 70er Jahren orientierte sich am Leitbild des Krankenhauses. Hohe Anforderungen an die Hygiene und arbeitserleichternde Sanitär-ausstattungen wurden in den Mittelpunkt gestellt. Die Heime wirkten teilweise steril, Privatheit und Wohnlichkeit standen dabei nicht im Zentrum. Die dritte Generation, die überwiegend den 1980er und 90er Jahren zugeordnet wird, ist gekennzeichnet von einem höheren Einzimmer-Anteil, größeren Zimmern bzw. Apartments sowie von seniorengerechten, barrierefreien, gleichwohl ansprechender gestalteten Sanitärausstattungen. Erstmals zerfließt hier die Grenze zwischen Wohn- und Pflegeeinrichtung.

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Medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) und „Heimaufsicht“, Gewerbe-aufsicht, Zollbehörden, Gesundheitsamt, Brandschutz und Qualitätsauditoren stehen regelmäßige interne und externe Qualitäts-prüfungen an, die sich vor allem auf pflege-fachliche und hygienische Leitlinien stützen. Dies bindet Personal und Leitungsressourcen. Dabei ist allerdings nicht allein das Ausrich-ten an durch externe Prüforganisationen vorgegebene Qualitätskriterien, sondern die dauerhafte und intensive Auseinander-setzung mit den Wünschen, Bedürfnissen und Lebenslagen der Bewohnerinnen und Bewohner, deren Angehörigen, Personen im indirekten oder direkten Umfeld der Einrich-tung und nicht zuletzt aller Mitarbeitenden und Führungspersonen das zentrale Kriteri-um, um dauerhaft hochwertigste Arbeit zu leisten.

Johannes BischofReferent Altenhilfe

Quellen:Pro Alter: KDA-Quartiershäuser, Köln, Ausgabe 5, 2011 http://www.bmfsfj.de/Publikationen/heimbericht/3-Heiminfrastruktur-in-deutschland/3-3-Baulicher-standard-und-ausstattung-der-heime/3-3-1-entwicklung-der-heimar-chitektur-und-neuer-pflege-und-wohnmodelle.html

Die Privaträume gruppieren sich um eine große Wohnküche bzw. einen Gemein-schafts-Wohn-/Essbereich mit offener Küche. Als weitere Gemeinschaftsfläche kommt im Idealfall ein geschützter Außenbereich (Ter-rasse, Garten, begrünter Innenhof) hinzu. In-tegraler Bestandteil von Hausgemeinschaften und stationären Wohngruppenkonzepten ist darüber hinaus die Vernetzung im Quartier.Die fünfte Generation des Altenwohnbaus ist eng verknüpft mit Hausgemeinschafts- und Wohngruppenkonzepten und wird durch das KDA seit 2010 als Quartiershaus beschrie-ben. Dieses basiert auf drei Grundprinzipien: Das Leben in Privatheit, das Leben in Gemein-schaft und das Leben in der Öffentlichkeit.Diese bauliche und konzeptuelle Entwick-lung zeigt deutlich den Wandel von reinen Versorgungsstrukturen zu sozialen Gesel-lungsorten auf, die dem Wunsch nach Leben in Privatheit und Gesellschaft in sozialer Teilhabe Rechnung trägt.

In Zeiten, in denen ordnungsrechtlich und leistungsrechtlich immer weitreichendere Vorgaben bei immer weniger finanziellen Mitteln gemacht werden, stellt die Erfüllung dieses Wunsches eine zentrale und unver-zichtbare Aufgabe dar.

Selbst in Kernkraftwerken wird wohl kaum so viel durch externe Prüforganisationen kontrolliert, wie in Pflegeeinrichtungen. Neben Kontrollen zum Beispiel durch den

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und ließen sich auch in Ämter des Vereins Mittelfränkisches Blindenheim e.V. wählen. Bis zum heutigen Tag sind gut ein Drittel der Vereinsmitglieder Selbstbetroffene. Stellver-tretend für viele andere sei hier namentlich Dr. Ernst Dorner erwähnt, der einige Zeit 2. Vorsitzender des Mittelfränkischen Blinden- heims war und die Bezirksgruppe des Bay-erischen Blinden- und Sehbehindertenbun-des von den 50er Jahren bis 1982 fast drei Jahrzehnte leitete. Im Hauptberuf war Dr. Dorner Blindenlehrer in der Koberger Straße und verkörperte so mit seiner Biographie die Verbundenheit mit den verschiedenen Einrichtungen des Blinden- und Sehbehin-dertenwesens.  Die Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner mit einer Sehbehinderung gehört seit 1920 zu den Aufgaben der Selbsthilfe des BBSB e.V.   Heute leben in Bayern ca. 16.000 Menschen, die blind im Sinne des Gesetzes sind, weil sie weniger als 2 % sehen oder eine vergleichba-re Beeinträchtigung, wie eine Gesichtsfeld-einschränkung, haben.  Darüber hinaus sind rund 8.000 Menschen hochgradig sehbehin-dert, was bedeutet, dass sie zwischen 2 und maximal 5 % sehen. Eine weitere Gruppe

Im Jahr 1912 gründete sich im damaligen Kaiserreich der Deutsche Blindenverband und im Jahr 1920 wurde in Nürnberg der Bayerische Blindenbund ins Leben gerufen. Die selbstbetroffenen Menschen wollten dadurch ihren Anspruch verdeutlichen, in eigener Sache für sich zu sprechen. Es kann deshalb nicht verwundern, wenn es in den zurückliegenden Jahrzehnten manchmal zu Meinungsverschiedenheiten zwischen den Einrichtungen für blinde Menschen und der Selbsthilfeorganisation kam. Dies trifft für die im Jahre 1854 gegründete Blindenanstalt Nürnberg ebenso zu wie für das Mittelfrän-kische Blindenheim. So hehr und beach-tenswert die Gründung der Blindenschule und des Feierabendhauses in der Bielefelder Straße waren und sind, so verständlich ist es andererseits, dass die Menschen, die ja zum größten Teil in den Schulen oder Werkstät-ten ausgebildet wurden und arbeiteten, mit zunehmendem Selbstbewusstsein auch über ihr Leben jenseits dieser Einrichtungen mit-bestimmen wollten. Im Fall des Mittelfrän-kischen Blindenheims wurden blinde und sehbehinderte Menschen Vereinsmitglieder

Der Bayerische Blinden- und Sehbehindertenbund e.V. – die kompetente Selbsthilfeorganisation für Blinde und Sehbehinderte

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durch Verhaltensänderung und engmaschige Kontrollen eine Sehverschlechterung  ver-langsamt oder sogar gestoppt werden kann. Die Behandlungsmöglichkeiten bei altersbe-dingter Makuladegeneration (AMD) bringen in Einzelfällen kleine Erfolge, die der BBSB als Patientenorganisation hoffnungsvoll be-gleitet. Die Tendenz, den Einzug in eine voll- stationäre Pflegeeinrichtung möglichst lange hinaus zu zögern, ist bei blinden und sehbe-hinderten Menschen genauso ausgeprägt wie in der Gesamtgesellschaft. Der BBSB begrüßt und fördert grundsätzlich diese Haltung, wenngleich daraus auch für seine sozialen ambulanten Betreuungsdienste zusätzliche Herausforderungen erwachsen. Die Ent-wicklung oder Wiederbelebung alternativer Wohnformen (Wohngemeinschaften, gene-rationenübergreifendes Wohnen etc.) als Bindeglied zwischen individuellem Wohnen und dem Pflegeheim gehört sicherlich zu den Aufgaben der näheren Zukunft.

Der BBSB bietet für Mitarbeitende in ambu-lanten und stationären Pflegeeinrichtungen Fortbildungsmodule an, um den speziellen Umgang mit blinden und sehbehinderten Senioren zu erlernen; hierzu gehören auch Selbsterfahrungsübungen unter der Augenbinde.

Wolfgang KurzerKommissarischer Bezirksgruppenleiter Bezirksgruppe Mittelfranken

bilden die Menschen mit einer wesentlichen Sehbehinderung, was einem Sehvermögen von maximal 30 % entspricht. Dieser Per-sonenkreis wird sich von derzeit 55.000 aufgrund der demographischen Entwicklung weiter vergrößern. Die Beratung älterer Menschen, die mit einer Sehverschlechterung konfrontiert sind, stellt einen Schwerpunkt der Arbeit des BBSB dar. Dabei teilen sich selbstbetroffene ehrenamtli-che Blinden- und Sehbehindertenberater mit festangestellten Fachkräften dieses umfang-reiche Betätigungsfeld. Neben dem mitfüh-lenden Trost durch Schicksalsgefährten steht das Erlernen lebenspraktischer Fertigkeiten, wie Mobilitätstraining und Umgang mit vergrößernden Sehhilfen, im Mittelpunkt der Betreuung. Das Beratungs- und Begeg-nungszentrum des BBSB am Bahnhofsplatz 6 bildet die zentrale Anlaufstelle für die be-troffenen Menschen und deren Angehörige; dort werden Sozial- und Hilfsmittelberatung ebenso angeboten wie verschiedenste Frei-zeitveranstaltungen. Der BBSB ist bei vielen Gesundheitstagen und Seniorenmessen in der Region vertreten. Er trägt durch seine Presse- und Öffentlichkeitsarbeit dazu bei, dass sich Menschen, die eine Sehverschlech-terung erleiden, nicht verlassen vorkommen müssen, nach einiger Zeit wieder Mut fassen und lernen, ihr Leben im gewohnten Um-feld zu bewältigen. Prävention hat in der Beratung, insbesondere bei Diabetes und Glaukom einen hohen Stellenwert, da hier

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kamen Kunst, Kultur und auch Bildung als weitere Zwecke hinzu. Die tiefgreifenden gesellschaftlichen Um-brüche im 19. Jahrhunderts, vor allem die industrielle Revolution, gaben dem Stiftungs- wesen neuen Aufschwung. Mehr als 100 000 Stiftungen soll es um die vorletzte Jahrhun-dertwende gegeben haben. In diese „Grün-derzeit“ fällt auch die Stiftung Mittelfrän-kisches Blindenheim, deren 100. Jubiläum wir 2011 feiern. Das Anliegen ihres Stifters Emil Hopf war es, Handwerkern der Blin-denanstalt einen würdigen Ruhestand zu bieten. Die Stiftung existierte auch trotz der Wirrungen des Ersten und Zweiten Weltkrie-ges weiter – keine Selbstverständlichkeit im Stiftungssektor – und kümmert sich heute als „besonderes“ Seniorenpflegeheim um Blinde, Sehbehinderte und auch Sehende.

Jede dritte Stiftung ist sozial

Die lange Tradition des Sozialen erklärt den hohen Anteil dieser Gruppe bei den Ge-samtzwecken in der Stiftungswelt: Zu knapp 31 Prozent sind Stiftungen in Deutschland diesen Zielen verpflichtet (vgl. Abb. 1). Besonders in Bayern verfolgen Stiftungen überdurchschnittlich häufig soziale Zwecke

Ein Beitrag zum 100. Jährigen Bestehen der Stiftung Mittelfränkisches Blinden-heim vom Bundesverband Deutscher Stiftungen

„Wer gibt, der empfängt“, heißt es beim Ordensgründer Franz von Assisi. Nächsten-liebe, Barmherzigkeit, Mitgefühl, Verantwor-tung gegenüber der Gesellschaft: es ist eine Vielzahl von Handlungsmaximen, die sich in diesen vier Worten widerspiegelt. Auch der Gedanke des Stiftens. Die ältesten privaten Stiftungen in Deutschland sind aus frommen Motiven entstanden. Mit ihnen – so glaub-ten ihre weltlichen Stifter – könne man sein Seelenheil sichern. Ihre Destinatäre waren Kranke und Bedürftige, Arme und Schwache, für die es im Mittelalter neben Einrichtungen der Kirche kaum soziale Auffangnetze gab. Einer der ersten Sozialstifter war Jacob Fug-ger der Reiche, der 1521 eine ganze Wohn-siedlung für bedürftige Augsburger stiftete. Die Fuggerei gilt bis heute als eine der ältes-ten Sozialstiftungen der Welt. In den darauf-folgenden Jahrhunderten säkularisierte sich das Stiftungswesen und neben der Fürsorge

Bundesverband Deutscher Stiftungen – Aus dem Geist des Sozialen: Das Stiftungswesen in Deutschland.

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QuelleBundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.):

Verzeichnis Deutscher Stiftungen. 7. Auflage, Berlin 2011www.stiftungen.org/statistik

Die Gewichtung wurde wie folgt vorgenommen: Die Nennung von mehreren Einzelzwecken innerhalb einer Hauptgruppe führt zur einmaligen Zählung in dieser Hauptgruppe. Dies führt zur Beseitigung der unterschiedlichen Zahl von Einzelzwecken in den Hauptgruppen, sodass Letztere gleichbehandelt werden. Die Nennung von mehreren Zwecken, die in verschiedenen Hauptgruppen liegen, führt zu gleichverteilten Anteilen. Ein Beispiel: Eine Stiftung gibt Medizin, Öffentliches Gesundheitswesen und Völkerverständigung an. Es werden 0,5 für Wissenschaft und Forschung (Medizin) und 0,5 für Andere gemeinnützige Zwecke (Öffentliches Gesundheitswesen und Völkerverständigung) gezählt. [n=12.795]

7.2.1 Gewichtete Verteilung der Stiftungszweckhauptgruppen

Stiftungszweckhauptgruppe gewichtet

Soziale Zwecke 3.940,4 30,8%

Wissenschaft und Forschung 1.650,1 12,9%

Bildung und Erziehung 1.961,5 15,3%

Kunst und Kultur 1.932,4 15,1%

Umweltschutz 487,4 3,8%

Andere gemeinnützige Zwecke 2.288,6 17,9%

Privatnützige Zwecke 534,8 4,2%

Gesamt 12.795,0 100%

7,4

66 69 69 65 60 62

5 4 3

3 5

9

29 27 28 32 34 29

natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) privaten und öffentlichen Rechtsjuristische Person(en) privaten und öffentlichen Rechts natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) öffentlichen Rechts natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) privaten Rechtsausschließlich juristische Person(en) öffentlichen Rechts ausschließlich juristische Person(en) privaten Rechts ausschließlich natürliche Person(en)

Frauen als alleinige Stifter Frauen mit anderen Stiftertypen Frauen und Männer gemeinsam als alleinige Stifter Frauen und Männer gemeinsam mit anderen Stiftertypen Männer als alleinige Stifter Männer mit anderen Stiftertypen

bis 500501 bis 1.0001.001 bis 1.5001.501 bis 2.0002.001 bis 2.500mehr als 2.500

bis 2526 bis 5051 bis 7576 bis 100101 bis 125126 bis 150mehr als 150

bis 56 bis 1011 bis 1516 bis 2021 bis 2526 bis 3031 bis 3536 bis 4041 bis 4546 bis 5051 bis 5556 bis 6061 bis 6566 bis 70mehr als 70

bis 56 bis 1011 bis 1516 bis 2021 bis 2526 bis 3031 bis 3536 bis 4041 bis 4546 bis 5051 bis 5556 bis 6061 bis 6566 bis 70mehr als 70

bis 1,01mehr als 1,01

bis 56 bis 1011 bis 1516 bis 2021 bis 2526 bis 3031 bis 3536 bis 4041 bis 45mehr als 45

bis 56 bis 1011 bis 1516 bis 2021 bis 2526 bis 3031 bis 3536 bis 4041 bis 45mehr als 45

weniger als 1010 bis 1920 bis 29mehr als 30

bis 18bis 25bis 30bis 35bis 40mehr als 40

bis 11bis 13bis 15bis 17bis 19mehr als 19

bis 8bis 10bis 12bis 14bis 16mehr als 16

bis 12bis 15bis 18bis 21bis 24mehr als 24

natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) privaten und öffentlichen Rechtsjuristische Person(en) privaten und öffentlichen Rechts natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) öffentlichen Rechts natürliche Person(en) mit jurist. Person(en) privaten Rechtsausschließlich juristische Person(en) öffentlichen Rechtsausschließlich juristische Person(en) privaten Rechts ausschließlich natürliche Person(en)

ohne Beteiligung natürlicher Stifter natürliche Personen mit anderen Stiftertypen ausschließlich natürliche Personen

ohne Beteiligung natürlicher Stifter natürliche Personen mit anderen Stiftertypen ausschließlich natürliche Personen

Männer Frauen und Männer gemeinsam Frauen

Männer Frauen und Männer gemeinsam Frauen

Männer Frauen und Männer gemeinsam Frauen

Frauen und Männer gemeinsam Frauen Männer

Bild

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nur operativ fördernd und operativ nur fördernd

Anteil mit Internetpräsenz Anteil ohne Internetpräsenz

bis 3bis 4bis 5bis 6bis 7mehr als 7

bis 15bis 17,5bis 20bis 22,5bis 25mehr als 25

keine Bürgerstiftung12345

nach dem Tod des Stifters zu Lebzeiten

rechtsfähige Stiftungen desdes bürgerlichen Rechts

rechtsfähige Stiftungen desbürgerlichen Rechts

rechtsfähige Stiftungen desbürgerlichen Rechts

rechtsfähige Stiftungen desbürgerlichen Rechts

rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichenRechts (pro 100.000 Einwohner )

rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (pro 100.000 Einwohner )

rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (pro 100.000 Einwohner)

rechtsfähige Stiftungen des bürgerlichen Rechts (pro 100.000 Einwohner )

Soziale Zwecke Wissenschaft und Forschung Bildung und Erziehung Kunst und Kultur Umweltschutz Andere gemeinnützige Zwecke Privatnützige Zwecke

Soziales (in Prozent)

Kunst und Kultur (in Prozent) Wissenschaft (in Prozent)

Bildung und Erziehung (in Prozent)

Andere gemeinnützige Zwecke (in Prozent)

Umweltschutz (in Prozent)

3,1

2,4

1,3

1,7

3,0

2,1

1,3

0,7

0,6

0,6

1,1

1,3

0,9

1,0

1,0

0,7

1,8

2,7

1,9

2,9

18,9

15,7

17,4

15,5

16,5

17,2

17,1

18,9

18,9

19,8

18,7

20,9

22,2

18,8

19,0

23,1

23,2

19,4

21,8

21,9

5,6

3,4

3,7

4,3

6,7

4,6

3,9

4,2

5,1

4,7

5,2

4,7

4,3

6,6

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20,0

19,2

19,6

21,1

20,0

18,1

21,4

17,8

18,0

18,5

17,7

20,5

14,8

18,3

16,5

13,9

15,3

17,9

18,4

14,0

12,4

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10,3

13,0

14,6

14,3

11,8

14,7

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15,1

13,4

16,3

14,5

15,2

17,0

16,6

17,0

17,2

17,3

11,1

17,7

16,5

18,4

16,5

14,7

15,1

14,5

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14,4

12,3

14,1

10,9

12,4

12,0

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11,8

12,6

28,9

28,3

24,9

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24,3

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26,8

32,0

25,3

25,5

27,8

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27,4

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28,3

26,5

25,7

24,9

26,8

0%

100%

1991

19

92

1993

19

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1995

19

96

1997

19

98

1999

20

00

2001

20

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2003

20

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2005

20

06

2007

20

08

2009

20

10

2.7073.334

1.199

1.906

2.7073.334

660151

303

725

157236

3922451.643

843

2.7073.334

151

3.510

315

33

6

8137

1310

241170

37

124

153

13

176

14,6%

14,3%

17,7%

13,6%

13,3%

11,4%

6,3%

4,1%

2,7%

1,0%

0,5%

0,3%

0,1%

0,1%

5% 10% 15% 0%

bis zu 50.000 €

bis zu 100.000 €

bis zu 250.000 €

bis zu 500.000 €

bis zu 1 Mio. €

bis zu 2,5 Mio. €

bis zu 5 Mio. €

bis zu 10 Mio. €

bis zu 25 Mio. €

bis zu 50 Mio. €

bis zu 100 Mio. €

bis zu 250 Mio. €

bis zu 500 Mio. €

mehr als 500 Mio. €

Stiftungen

20,4% 10,7%

15,5% 13,4%

10,7% 10,3%

5,2% 4,3%

3,8% 1,9%

1,4% 1,3%

0,5% 0,4%

0,1% <0,1%

5% 0% 10% 15% 20%

bis zu 5.000 €bis zu 10.000 €bis zu 25.000 €bis zu 50.000 €

bis zu 100.000 €bis zu 250.000 €bis zu 500.000 €

bis zu 1 Mio. €bis zu 2,5 Mio. €

bis zu 5 Mio. €bis zu 10 Mio. €bis zu 25 Mio. €bis zu 50 Mio. €

bis zu 100 Mio. €bis zu 250 Mio. €

mehr als 250 Mio. €

Stiftungen

0

1.000

2.000

3.000

4.000

5.000

6.000

7.000

8.000

bis 12. Jh. 13. Jh. 14. Jh. 15. Jh. 16. Jh. 17. Jh. 18. Jh. 19. Jh. 20. Jh. 21. Jh. (2001 bis

2010)

0

200

400

600

800

1.000

1.200

1950 1955 1960 1965 1970 1975 1980 1985 1990 1995 2000 2005 2010

natürliche Person(en) mitjurist. Person(en) privaten

und öffentlichen Rechts1,6 %

juristische Person(en) privaten und öffentlichen Rechts

1,6% natürliche Person(en) mit

jurist. Person(en) öffentlichen Rechts

1,1%

natürliche Person(en) mit jurist. Person(en)

privaten Rechts3,2%

ausschließlich juristische Person(en) öffentlichen Rechts

11,1%

ausschließlich juristische Person(en) privaten Rechts

16,1%

ausschließlich natürliche Person(en) 65,4%

66 69 70 65 61 64

14 17 16

14 17 19

14 7 11

16 15 10

3 5

0%

100%

1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010

0%

100%

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

68 66 65 57

68

57

67

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57 58 65 62 63

56 60 61 60

65 63 67

3 6 3

4

4

5

4

5

6 7

7

6 9 9

12 10 11 11

7 6

3

29 28 32

39

29

38

29

39 33

36 34 30 29 28

32 30 28 28 29 31 31

0%

100%

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

25,9 26,7 28,1 31,1 32,428,5 26,1

21,629,5 26,7

20,5 23,8 21,327,0 27,0 25,3 24,6

20,1 20,526,0 27,7

24,7 23,326,3

23,8 23,022,5 25,0

30,4

31,033,2

40,6 33,4 35,7

33,7 30,6 36,641,6

36,9 35,027,7

33,1

49,4 50,045,6 45,1 44,6

49,0 48,9 48,0

39,5 40,1 39,042,8 43,0

39,3 42,538,0

33,8

43,1 44,5 46,339,2

0%

100%

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

26,5 22,9 20,8 21,3 17,322,5

15,7

28,223,6 28,2 31,8 43,4 30,5

15,9

45,353,6 51,0 46,9

39,347,0

68,4

0%

100%

Soziale Zwecke Wissenschaft und Forschung

Bildung und Erziehung

Kunst und Kultur Umweltschutz Andere gemeinnützige

Zwecke

Privatnützige Zwecke

Rein steuerbegünstigte Zwecke 94%

Rein privatnützige Zwecke 4%

Gemischte Zwecke 2%

23,0%

0,7%

45,2%

3,0%

23,7%

4,5%

eine Zweckhauptgruppe48,8%

zwei Zweckhauptgruppen26,6%

drei Zweckhauptgruppen12,6%

vier Zweckhauptgruppen5,9%

fünf Zweckhauptgruppen3,7%

sechs Zweckhauptgruppen2,4%

sieben Zweckhauptgruppen0,02%

ein Einzelzweck36,9%

zwei Einzelzwecke27,4%

drei Einzelzwecke13,9%

vier Einzelzwecke7,5%

fünf Einzelzwecke4,3%

sechs Einzelzwecke2,7%

mehr als sechs Einzelzwecke7,3%

30,8%

12,9%

15,3%

15,1%

3,8% 17,9%

4,2%

Soziale Zwecke 26,1%

Wissenschaft und Forschung

13,0%

Bildung und Erziehung

17,3%

Kunst und Kultur 15,4%

Umweltschutz 5,8%

Andere gemeinnützige Zwecke

19,7%

Privatnützige Zwecke

Soziale Zwecke

Wissenschaft und Forschung

Bildung und Erziehung

Kunst und Kultur

Umweltschutz Andere gemeinnützige Zwecke

Privatnützige Zwecke

2,7%

5 4

3 1

10

3 2

1 6

4 2

3 3

6 4

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16

14

18

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16

15

21

22

20

20

19

23

16

23

15

15

5 3

2 5

3

2 3

8 6

4 4

4

4

2

4 7

15

14

13

20

16

12

14

21

15

15

20

17

26

12

19

22

17

16

16

16

19

17

15

13

14

15

15

12

13

15

14

14

15

12

17

11

11

13

16

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13

12

16

12

7 8

12

27

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31

24

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37

29

27

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29

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26

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100%

Baden-Württ

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Berlin Brandenburg

Bremen Hamburg

Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersach

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Nordrhein-Westf

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Saarland

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17,2

17,7

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13,3

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21,3

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15,4

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13,0

16,0

17,8

15,4

21,2

17,1

6,7

37,5

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20,6

14,8

17,7

15,3

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15,1

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30,0

12,5

35,8

28,9

30,5

30,3

30,4

30,0

28,8

28,7

33,9

39,7

36,0

31,2

27,1

36,1

16,7

37,5

0%

100%

bis zu

5 T€

Soziale Zwecke Wissenschaft und Forschung Bildung und Erziehung Kunst und Kultur Umweltschutz Andere gemeinnützige Zwecke Privatnützige Zwecke

bis zu

10 T€

bis zu

25 T€ bis

zu 50 T€

bis zu

100 T€

bis zu

250 T€ bis

zu 500 T€

bis

zu 1.

000 T€

bis zu

2.500 T€

bis zu

5.000 T€

bis zu

10.000 T€

bis

zu 25.000 T€

bis

zu 50.000 T€

bis zu

100.000 T€

bis

zu 250.000 T€

mehr als

250.000 T€

fördernd 61%

operativ 19%

fördernd und operativ

20%

54 63 62 64 64 63

20

17 19 24 23 23

26 20 19

13 13 14

0%

100%

1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010

nur örtlich oder regional 80%

bundesweit 9%

In- und Ausland 6%

nur im Ausland 5%

3.226

941

2.296

206

324

154

0 500 1.000 1.500 2.000 2.500 3.000 3.500

Finanzanlagen

Immobilien

Bankguthaben

Unternehmens-beteiligungen

Sonstige Sachwerte

Kunst(werte)

69,5

44,4 41,4

75,3

30,5

55,6 58,6

24,7

0%

100%

fördernd operativ fördernd und operativ

unbekannt

0% 100%

Vorstand

Beirat

Stiftungsrat

Kuratorium

Aufsichtsrat

Geschäftsführer

Generalsekretär

Andere Organe

12.301

0 2.000 4.000 6.000 8.000 10.000 12.000

Vorstand

Beirat

Stiftungsrat

Kuratorium

Aufsichtsrat

Geschäftsführer

Generalsekretär

Andere Organe

1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010

0% 1951-1960 1961-1970 1971-1980 1981-1990 1991-2000 2001-2010

bis zu 100.000.000 €4%

mehr als 100.000.000 €<1%

bis zu 100.000 €29%

bis zu 10.000.000 €22%

bis zu 10.000 €31%

bis zu 100.000 €40%

bis zu 1.000.000 €20%

bis zu 10.000.000 €7%

bis zu 100.000.000 €2%

mehr als 100.000.000 €<1%

14 12 17

16

15

16

12

20 17 23 18

18 20 17

24 19 17

15

16 18

22

68 66 6557

68

57

67

5661

57 58

65 62 63

5660 61 60

65 36 67

11 13

15

21

12

18 15 18 13 11

14

10 7 10

7 9 10 12

12 11

8

100%

1.296

2.653

3.082

92

942

16

1.096

bis zu 1.000.000 €45%

0%

100%

17,621,9 21,0 24,9 26,6 24,0

15,6 25,0 22,423,3

29,3 34,8

62,557,4 56,6

51,844,1 41,3

0

100

200

300

400

500

600

700

800

900

1.000

1.100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

824

914

1.020

1.134

899

829

681

564505

466411385

323325290201181

774 784852

880

0

200

400

600

800

1.000

1951-1

955

1956-19

60

1961-1

965

1966-19

70

1971-1

975

1976-19

80

1981-1

985

1986-19

90

1991-1

995

1996-2000

2001-2005

2006-2010

Arnsberg, 2006

Bielefeld, 2002

Braunschweig, 2003

Citoyen, 2005

Dresden, 1999

Dortmund, 2000

Düsseldorf, 2005

Frankfurt, 1999

Fürstenfeldbruck, 1999

Göttingen, 2000

Gütersloh, 1996

Hamburg, 1999

Hanau, 2004

Hannover, 1997

Heilbronn, 2004

Hildesheim, 2001

Kassel, 1999

Melsungen, 2005

München, 2000

Offenburg, 2001

Ostfalen, 2004

Ravensburg, 2005

Rietberg, 2003

Schaumburg, 2005

Stormarn, 2003

Stuttgart, 2001

Vechta, 2007

Wiesbaden, 2003

Wittingen, 2006

1 Mio

.

2 M

io.

3 M

io.

4 M

io.

5 M

io.

6 M

io.

7 M

io.

8 M

io.

9 M

io.

10 M

io.

11 M

io.

12 M

io.

13 M

io.

3

6

2

2

29

25

7

52

67

71

76

77

4

72

45

28

28

21

23

67

75

20

37 36 3953 53 58 60

81 79 8498

124111 110

119

139145

188179

148

124

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

Berlin

Brandenburg

Bremen

Hamburg

Hessen

Mecklenburg-Vorpommern

Niedersachsen

Nordrhein-Westfalen

Baden-Württemberg

Bayern

Sachsen Schleswig-Holstein Rheinland-Pfalz

Saarland

Sachsen-Anhalt

Thüringen

2.707

3.334

725

157

660

245

392

236

843

151

303

1.199

1.643

151

1.906

3.510

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002 2004 2006 2008 2010

200

150

50

0

100

6 6 714 12 17

815 11

17

33 34 3422 27

3744

29 34

5037

0 2 6 5 4 2 0 3 3 5 7 4 4 515 10 8 9 14 11 13

3 3 5 6 5 28 9 9 6

14 14 157

17 13 14 16 13 11 6

3120

36 33 3751

36 37

58 6356

91

70 7079

7056

109

8374 70

27 30 30 3346 41 42

50 4861

73

92

76

112102 106 101

121

10291

81

23

38

56 56 5264

79 7989 92

134 134123

138 138

158 153

207

162168

153

915

22 2310

17 18 1622

2941

5446

30 3649 46

6756

35 31

0 2 4 5 3 3 2 3 3 7 103

9 5 9 9 411 7 4 5

17 17

46 48 5364

96103 106

119

141

176 182 176184 182

216 215228

192

176

16 189

17 20 23 26 2229 27

1422

36 3850

35 40

65

4454

37

1 311 11

4 6 11 1218 18 21 20 19

12 17 1826 26 27 27 24

8 5 9 9 1424

1323

1421 18

30 27 30 2821 26

33 37

2131

3 1 3 1 1 4 4 2 2 4 5 9 6 7 8 12 11 9 410 13

0 2 1 6 5 4 5 5 6 5 7 124

12 10 10 515 11 8 10

0 3 6 5 4 5 3 6 8 6 9 10 12 10 13 114

14 1910 11

QuelleBundesverband Deutscher Stiftungen (Hg.):

Verzeichnis Deutscher Stiftungen. 7. Auflage, Berlin 2011www.stiftungen.org/statistik

Die 50 deutschen Großstädte mit den meisten Stiftungen pro 100.000 Einwohner. Berücksichtigt wurden nur die Stiftungen, deren Rechtssitz dem Bundesverband bekannt ist.

3.6.1 Städteranking – Die 50 Großstädte mit der höchsten Stiftungsdichte

Abb. 1

Abb. 2

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116

bestehenden Stiftungen die Besonderheit ihres Wirkens – wie Nachhaltigkeit, Innova-tionsfähigkeit und Verbindlichkeit – immer wieder aufs Neue zu vermitteln. Jubiläen sind hierfür ein willkommener Anlass. Sie bieten, die Chance, inne zu halten und danke zu sagen, für gelebten Bürgersinn und Enga-gement.

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen gratuliert daher herzlich zu den ersten hun-dert Jahren erfolgreicher und fürsorglicher Stiftungsarbeit und wünscht der Stiftung Mittelfränkisches Blindenheim weiterhin ein produktives Bestehen!

Autoren:Prof. Dr. Hans FleischGeneralsekretär Bundesverband Deutscher Stiftungen

Katrin KowarkStv. Pressesprecherin Betreuerin des Arbeitskreises im Bundesverband Deutscher Stiftungen Bundesverband Deutscher Stiftungen

AbbildungshinweiseAbbildung 1: Verteilung der Stiftungszweckhauptgruppen, Verzeichnis Deutscher Stiftungen 2011Abbildung 2: Städteranking – Die 50 Großstädte mit der höchsten Stiftungsdichte

(36 Prozent); seine Geschichte als einflussrei-ches Herzogtum und die besondere Religiosi-tät der Bewohner des Freistaates spielen hier eine Rolle. Insgesamt zählt Bayern zu den stiftungstärksten Bundesländern in Deutsch-land. Während im Mittel aller Länder 22 Stiftungen auf 100.000 Einwohner existie-ren, sind es im Freistaat mit mehr als 3.300 Stiftungen 27 pro 100.000 Einwohner. Auch die zweitgrößte Stadt Bayerns, Nürnberg, zeigt sich stiftungsaffin. Im Ranking der Stiftungsdichte in den 80 deutschen Groß-städten (siehe Abb. 2) belegt Nürnberg Platz 23. Auf 100.000 Einwohner entfallen hier rund 40 Stiftungen. Die Stadt Nürnberg verwaltet mit den Findel- und Waisenhaus-stiftungen auch die älteste Stiftung in der Region. 1368 gegründet, ist es damals wie heute ihr Ziel, Kinder und Jugendliche der Stadt zu fördern.

In einer traditionsreichen Stiftungsstadt wie Nürnberg leben alte und neue Stiftungen meistens ein fruchtbares Nebeneinander. Eine stiftungsfreundliche Verwaltung, Kooperation und Vernetzung der Stiftungen untereinander, wie zum Beispiel zum 1. Nürnberger StiftungsTag, und stetige Anerkennung und Wertschätzung der Öffent-lichkeit bilden dabei den Nährboden für das künftige Tun. Besonders die Anerkennungs-kultur ist bedeutsam, damit sich auch poten-zielle Stifterinnen und Stiftern willkommen fühlen. Sie ist aber auch wichtig, um den

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117

Der Vorstand mit Geschäftsführung heute: stehend: Jürgen Siebentritt, Schatzmeister; Wolfgang Brockhaus, Geschäftsführer; Eberhard Stollberg, Vorsitzender; sitzend: Walter Metzler, Schriftführer; Waldemar Sonnauer, Beisitzer; Paul Brunner, Beisitzer

Die heutige Führungsriege im Haus (von links nach rechts):Claudia Brehm-Moosburger, Sozial-dienstleiterin; Karin Guttknecht, stellvertretende Pflegedienstleiterin; Monika Hummel, Pflegedienstleiterin; Peter Riefle, Leiter der Haustechnik; Adelheid Burger, Hauswirtschafts- leiterin; Alexander Fuchs, Verwal-tungsleiter; Olga Rockel, Bereichs-leiterin Gerd-Meckelburg-Haus; Gerhard Müller, Küchenleiter; Wolfgang Brockhaus, Einrichtungs-leiter

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Der NovaDruck Goppert GmbH

Ganz persönlich dem Vorstand unter dem Vorsitzenden Herrn Eberhard Stollberg für die ideelle und finanzielle Unterstützung durch den Verein und das Vertrauen in die-ses Projekt

Posthum unserem verstorbenen Vorsitzenden Herrn Gerd Meckelburg

Unseren Bewohnerinnen und Bewohner, und allen Angehörigen, die uns ihr Vertrauen schenken und denen wir mit dieser Fest-schrift etwas zurückgeben möchten

All unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbei-ter für ihr tolles Engagement – sie sind alle miteinander die Stützen unseres Hauses

Unseren ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die uns aktiv unterstützen

Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, für Ihr Interesse an unsere Festschrift – danke, dass Sie sich die Zeit genommen haben

Und schließlich danke allen, die nicht aus-drücklich Erwähnung fanden, deren ge-schilderte Fakten, Aspekte und Ereignisse die Beiträge nicht enthalten konnten, deren Mithilfe uns aber nicht weniger wertvoll und wichtig war und ist.

Wir danken den zahlreichen unmittelbar und mittelbar Mitwirkenden an dieser Festschrift für ihr Engagement und ihre Mitarbeit. Ohne sie hätte dieses beeindruckende Werk nicht entstehen können.

Frau Dr. Andrea Dippel, Leiterin der Kunst-villa – letztendlich gab sie den Impuls und Initialzündung

Frau Melanie Wager M.A. – ganz herzlichen Dank – es waren tolle Begegnungen

Allen Institutionen und Menschen, die Frau Wager in der Recherche zur Chronik unter-stützt und weitergeholfen haben: Das Stadt-archiv, das Staatsarchiv und die Bauord-nungsbehörde der Stadt Nürnberg

Den Autoren und Autorinnen der Grußworte und Gastbeiträge

Den vielen Mitarbeiterinnen, ehrenamtliche Vereins- und Vorstandsmitglieder, die mit ihrer Begeisterung und Erzählfreudigkeit als Zeitzeugen zum Gelingen dieses Werkes beigetragen habe

Herrn Ralf Weglehner für das tolle Layout und das viele Verständnis

Unserem Fotografen Herrn Peter Dörfel für wunderbare Fotos und hohe Flexibilität

Der Sparkasse Nürnberg für ihr Inserat

Danksagung

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s Sparkasse Nürnberg

Gut für Sie – gut für die Region.

WiederdieNummer1!

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