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1 Stressmanagement-Coaching mit Bio- und Neurofeedback Siegfried Greif, Universität Osnabrück Ralf Stürmer, psyrecon, Wuppertal Gliederung: Was ist Stress? Vier Säulen des Stressmanagement-Coachings (1) Bedingungen verbessern (2) Individuelle Ressourcen stärken (3) Entspannung und Selbstberuhigung - unterstützt mit Bio- und Neurofeedback - Fallbeispiele (4) Nachhaltige Umsetzung Ihre Meinung und Quintessenz? Was ist gesundheitsschädlicher Stress? Lazarus (1966): subjektive Bewertung der Situation und der Bewältigungs- fähigkeiten (Coping-Kompetenzen) Stress = Eine Situation wird als intensiver, unangenehmer Spannungszustand erlebt. Der Klientin/ dem Klienten ist Vermeiden dieses Spannungszustands wichtig! Die Situation ist: 1. schwer (oder nicht) zu bewältigen 2. zeitlich nahe (oder bereits eingetreten) und 3. dauert lange oder wiederholt sich oft Stressoren: Alle Reize und Situationen, die Stressempfindungen auslösen (Greif, 1991, s. a. Semmer & Udris, 2007)

Stressmanagement-Coaching mit Bio- und Neurofeedback · Stress- management Säule 3: Selbstberuhigung Säule (3): Selbstberuhigung fördern! 0. Vorbereitung: - Stress- und Grübelthemen

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Stressmanagement-Coaching mit Bio- und Neurofeedback

Siegfried Greif, Universität Osnabrück Ralf Stürmer, psyrecon, Wuppertal

Gliederung: •  Was ist Stress? •  Vier Säulen des Stressmanagement-Coachings

(1) Bedingungen verbessern (2)  Individuelle Ressourcen stärken (3)  Entspannung und Selbstberuhigung

- unterstützt mit Bio- und Neurofeedback - Fallbeispiele

(4) Nachhaltige Umsetzung •  Ihre Meinung und Quintessenz?

Was ist gesundheitsschädlicher Stress?

Lazarus (1966): subjektive Bewertung der Situation und der Bewältigungs- fähigkeiten (Coping-Kompetenzen)

Stress = Eine Situation wird als intensiver, unangenehmer Spannungszustand erlebt. Ø  Der Klientin/ dem Klienten ist Vermeiden dieses Spannungszustands

wichtig! Ø  Die Situation ist:

1.  schwer (oder nicht) zu bewältigen 2.  zeitlich nahe (oder bereits eingetreten) und 3.  dauert lange oder wiederholt sich oft

Stressoren: Alle Reize und Situationen, die Stressempfindungen auslösen

(Greif, 1991, s. a. Semmer & Udris, 2007)

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Was ist gesundheitsschädlicher Stress?

Ausschüttung von Stresshormonen

"  Adrenalin und Noradrenalin (Nebennierenmark) " Cortisol (Nebennierenrinde)

ò

Aktivieren von Energiereserven

Quelle: Wikipedia, Original: US-Bundesregierung

Stressabbau

Physiologisches Unwinding (Rückstellung, ‚Abspulen‘):

Wie lange dauert es, bis die Hormonwerte wieder Normalwerte erreichen?

Subjektive Selbstberuhigung:

Wie lange brauchen Sie, um sich nach der Stresssituation wieder zu beruhigen?

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Stressmanagement-Coaching: Vier-Säulen

Vorgeschichte und Situation

(2) Individu-

elle Ressour-

cen

(3) Selbst-beruhi-gung

(1) Bedingungen verbessern

(4) Umsetzungs-

unter-stützung

Belastung durch Stress

Säule 1: Stressoren und Stresspuffer

Säule (1): Veränderung der Situation hat Vorrang! "   Sind die Stressoren beeinflussbar oder kontrollierbar? "   Stressoren verringern oder zumindest stabilisieren!

–  Gestaltung der Aufgaben –  Redesign der Prozesse –  Gestaltung der Arbeitsbedingungen –  Gesundheitsförderliche Führung

"   Stresspuffer und Umgebungsressourcen nutzen! –  Erholungspausen/ ruhigere Arbeitszeiten –  Handlungsspielraum erweitern –  Soziale Unterstützung –  Expertenwissen –  Wissenssysteme

(1) Kontrollier-barkeit und Beeinfluss-

barkeit

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Säule 2: Individuelle Ressourcen

"   Wissen und Erfahrungen –  Übertragbares Erfahrungswissen –  Effiziente Arbeitsmethoden

"   Personale Ressourcen –  Belastbarkeit/ schnelle

Selbstberuhigung –  Selbstvertrauen/ Selbstwert-

gefühl –  Soziale Fähigkeiten –  Körperliche Fitness –  Genügend erholsamer

Nachtschlaf –  Gesund ernährter Körper –  Gute Gesundheit

" Copingstrategien •  Problembezogen •  Emotionsbezogen •  Bewertungsorientiert

"   Selbstmotivierung –  Feedforward –  Selbstwirksamkeitsüberzeugung –  Selbstmotivierungstechniken

"   Veränderbare Persönlichkeitseigenschaften? –  Optimismus –  Resilienz

Säule (2): Individuelle Ressourcen verbessern!

(2) Individuelle Ressourcen

Spitzen- leistung Stress-

management

Säule 3: Selbstberuhigung

Säule (3): Selbstberuhigung fördern! 0. Vorbereitung: - Stress- und Grübelthemen erkunden - Lösungsansätze entwickeln 1.  Entspannung üben

–  Im Coaching –  Selbst zu Hause

2.  Selbstberuhigung während der Arbeit –  Wahrnehmung der eigenen Stressreaktionen –  Schnelle Selbstberuhigung

mit Selbstberuhigungstechnik 3.  Detachment und Selbstberuhigung

nach der Arbeit –  Gedankliches Loslassen und Abgrenzen –  Erholungsaktivitäten (z.B. Plaudern,

Spazieren gehen/sportliche Bewegung, Hobbies, erholsamer Schlaf)

–  Regelmäßige Entspannungsübungen)

Mehr Lebens-qualität!

(3) Selbst-

beruhigung

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Selbstberuhigung und Entspannung

(1)  Gedanken verändern •  Positive Gedanken o. Bilder •  Meditation und Aufmerksamkeitsübung

•  Neutrale Aufmerksamkeit (Beispiel Atemübung)

•  Mantra •  Eins-Zwei-Zählen

•  Gedankenstopp („STOPP!“) (2)  Entspannung

•  Muskelentspannung Jacobson •  Autogenes Training •  Yoga •  Achtsamkeitsmeditation

Biofeedback- und Neurofeedback-Coaching

Oft gemessene Biosignale: "   Herzraten Variabilität (HRV) "   Elektrodermale Aktivität (EDA) "   EEG

à Stärkere Motivierung durch direktes Feedback à Kontinuierliche Messungen (Beispiel Langzeit-EKG)

Nicht bewusst wahrgenommene Biosignale Idee: Training der Wahrnehmung und bewussten Kontrolle der gemessenen Biosignale durch kontinuierliches Feedback

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Biofeedback für alle?

"   Erste Bio- und Neurofeedbacksysteme "   Moderne Systeme

–  Klein und portabel –  Benutzerfreundlich –  Bezahlbar

"   Stressmanagement-Coaching mit Bio- und Neurofeedback

"   Apps für Smartphones " Self-Tracking-Bewegung

Herzraten-Variabilität (HRV)

als Tor zum Biofeedback

Technologische Revolution in der Gesundheitsförderung?

Herzratenvariability (HRV)

Gute HRV

Schlechte HRV

Qiu

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0,0#

10,0#

20,0#

30,0#

40,0#

50,0#

60,0#

70,0#

17.3.#

23.4.#

28.4.##

2.5.##

6.5.##

10.5.##

14.5.##

18.5.##

23.5.##

29.5.##

2.6.##

6.6.##

11.6.##

9.11.#

13.11.#

17.11.#

21.11.#

27.11.#

1.12.#

Mittelwert (MW) = 36,8 Min= 9,6 Max= 60,3

Stress

Fallbeispiel 1

krank

Start MW Mai

MW Nov-Dez

T-Test

13,5 23,0 45,4 p=0,01

HRV Unternehmer in der Wirtschaftskrise (2011, Mittelwerte von 76 Übungen, 6-8 Uhr morgens)

Fallbeispiel 2 (2) Stress in der Arbeit und Stress zu Hause – Keine Zeit zur Erholung?

Mitarbeiter im Job Center und Ehefrau mit Pflegefamilie –  Vorgeschichte: Konflikt mit Chef und Arbeitsplatzwechsel. –  Schwierige Kunden, aber großes Engagement und Selbstwirksamkeitsüberzeugungen –  “Ich kann kaum in Ruhe mit meiner Frau sprechen. Unser jüngstes Pflegekind unterbricht

sofort jedes Gespräch.” –  Oft starker Stress, hoher Puls und Blutdruck – Keinen Augenblick Ruhe und Entspannung –  Burnout-Risiko! –  Sehnsucht nach besserer Lebensqualität! Beobachtete Veränderungen ü  Bewusst zelebriertes Detachment und Entspannung mit HRV-Biofeedback ü  Entspannte Gespräche mit Kolleg/innen und neuer Chefin ü  Mehr Zeit für Hobbies mit Freunden – Kleine entspannende Situationen mit der Familie –

Tochter lernt weniger zu unterbrechen

Bewusstes Zelebrieren und Genießen kleiner entspannender Momente!

Offene Frage: Genügt das, um die Lebensqualität und Gesundheit nachhaltig zu verbessern?

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Säule 4: Umsetzungsunterstützung

Wie konsequent sind wir beim Umsetzen von Verhaltensänderungen? "  Beispiel: Patient beim Arzt nach einem Infarkt und der Reha "  Rat des Arztes:

–  Kürzer treten (weniger Aufgaben und Stress) –  Regelmäßig Entspannungsübungen –  Regelmäßig Bewegung –  Gesunde Ernährung –  Patient verspricht, dass er das alles umsetzen wird Frage: Wie lange halten die Patient/innen das für sie

lebenswichtige Programm durch?

Lösung des Umsetzungsproblems

Was fördert eine nachhaltige Umsetzung von Gesundheitsverhalten? "   Gesundheit als Wert und

positive Einstellungen zum Gesundheitsverhalten

"   Klar definierte Ziele und Pläne "   Feste Umsetzungsabsichten "   Individuelle Umsetzungsunterstützung "   Veränderung der Situation

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Stressmanagementcoaching

Säule (4) : Unterstützung und Begleitung der Umsetzung in die Praxis!

"   Externe Hindernisse –  Stress zerstört Umsetzungsabsichten! –  Unvorhergesehene Probleme und Aufgaben –  Reaktionen der Umgebung –  Organisationales Transferklima

"   Innere Barrieren –  Fehlende Energie –  Unterschätzung der Schwierigkeiten

Gewohnheiten zu ändern –  Ablenkende Gedanken à Vergessen und Verdrängen –  Veränderungen der Prioritäten oder Motivation

"   Coach als Ressource –  Emotionale Unterstützung und Remotivierung –  Flexible und beharrliche Ergebnisorientierung –  Kreative und adaptive Lösungen –  Selbstbeobachtung und reflexives Lernen

(4) Umsetzungs-unterstützung

Vier-Säulen

Vorgeschichte und Situation

Wissen und

Fähig-keiten

Enstpan-nung &

Meditation

Kon-tro-lier-bar-keit

Um-setzung

Belastung durch Stress

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Zum Schluss: Ihre Meinung und Quintessenz?

"   Ihre Meinung und Quintessenz zu unserem Thema? "  Was nehmen Sie mit für Ihre Klient/innen? "  Was nehmen Sie mit für sich selbst als Coach?

Vermehren und zelebrieren Sie entspannende Momente!

Literatur Bamberg, E., Ducki, A. & Metz, A.-M. (Hrsg.). (2011). Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der

Arbeitswelt - Ein Handbuch. Göttingen: Hogrefe. Burisch, M. (2010). Das Burnout-Syndrom - Theorie der inneren Erschöpfung (4. Aufl). Berlin: Springer. Frankenhaeuser, M., & Johansson, G. (1986). Stress at work: Psychobiological and psychosocial aspects. International

Review of Applied Psychology, 35(3), 287-299. Greif, S. (1991). Einführung und Grundbegriffe. In S. Greif, E. Bamberg & N. Semmer (Hrsg.), Psychischer Streß am

Arbeitsplatz (S. 1-28). Göttingen: Hogrefe. Greif, S. (2008). Coaching und ergebnisorientierte Selbstreflexion. Göttingen: Hogrefe. Greif, S. (2011). Gesundheits- und Stressmanagementcoaching. In E. Bamberg, A. Ducki & A.-M. Metz (Hrsg.),

Gesundheitsförderung und Gesundheitsmanagement in der Arbeitswelt. Göttingen: Hogrefe. Greif, S. (2012 (in print). Putting goals to work in coaching: The complexities of implementation. In D. Megginson & D.

Clutterbuck (Eds.), Goal-break: The Coach’s or Mentor’s Antidote to the Tyranny of Goal-Setting. Hintsanen, M., Elovainio, M., Puttonen, S., Kivimaki, M., Koskinen, T., Raitakari, O. T. (2007). Effort-Reward Imbalance,

Heart Rate, and Heart Rate Variability: The Cardiovascular Risk in Young Finns Study. International Journal of Behavioral Medicine, 14(4), 202-212.

McCraty, R., Atkinson, M., Lipsenthal, L., & Arguelles, L. (2009). New Hope for Correctional Officers: An Innovative Program for Reducing Stress and Health Risks. Applied Psychophysiology & Biofeedback, 34(4), 251-272.

Palmer, S., Tubbs, I., & Whybrow, A. (2003). Health coaching to facilitate the promotion of healthy behaviour and achievement of health-related goals. International Journal of Health Promotion and Education, 41(3), 91-93.

Semmer, N. & Mohr, G. (2001). Arbeit und Gesundheit: Konzepte und Ergebnisse der arbeitspsychologischen Stressforschung. Psychologische Rundschau, 52(3), 150-158.

Semmer N. & Udris, I. (2007). Bedeutung und Wirkung von Arbeit. In H. Schuler (Hrsg.), Lehrbuch Organisationspsychologie. Bern: Huber. Kap. 5.

Sonnentag, S., Binnewies, C., & Mojza, E. J. (2008). 'Did you have a nice evening?' A day-level study on recovery experiences, sleep, and affect. Journal of Applied Psychology, 93(3), 674-684.

Ulich, E. & Wülser, M. (2004). Gesundheitsmanagement in Unternehmen. Arbeitspsychologische Perspektiven. Wiesbaden: Gabler.