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Strukturerhaltende Integratoren f¨ ur Hamiltonsysteme Anna Schell 11. Dezember 2010 1

Strukturerhaltende Integratoren fur Hamiltonsysteme · tische Euler mit dieser Schrittweite einen Fehler von 14%, St ormer-Verlet nur einen Fehler von etwa 0.3% und die Implizite

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Strukturerhaltende Integratoren fur

Hamiltonsysteme

Anna Schell

11. Dezember 2010

1

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Inhaltsverzeichnis

1 Symplektizitat 31.1 Symplektizitat des Flusses eines Hamiltonsystems . . . . . . . . . 31.2 Symplektizitat in Einschrittverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . 3

2 Symplektische Runge-Kutta-Verfahren 6

3 Das Doppelpendel 11

4 Splitting-Methoden 15

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1 Symplektizitat

1.1 Symplektizitat des Flusses eines Hamiltonsystems

In den ersten beiden Vortragen des Seminars haben wir gesehen, dass Erhal-tungsgroßen nicht grundsatzlich von den uns bisher bekannten numerischenLosungsverfahren konserviert werden. So gewinnt der explizite Euler sehr schnellan Energie, wahrend der implizite Euler diese dampft und damit komplett ver-nichtet. Die neu eingefuhrten Hamiltonsysteme haben wesentliche nutzliche Ei-genschaften zum Thema Energieerhaltung. Der Satz von Poincare besagt, dassder Fluss ϕt symplektisch ist.

Zunachst eine Wiederholung der Definition von Symplektiziat:

Definition 1.1 (Symplektische Transformation). Eine differenzierbare Funkti-on g : U → R2d, U ⊂ R2d heißt symplektisch, wenn ihre Jacobi-Matrix Dg(p, q)uberall symplektisch ist, wenn also gilt:

Dg(p, q)TJDg((p, q) = J (1)

oder aquivalent

ω(Dg(p, q)ξ,Dg(p, q)η) = ω(ξ, η) ∀ξ, η ∈ R2d (2)

wobei ω(ξ, η) = ξTJη und J =

(0 Id−Id 0

).

Der Satz von Poincare liefert nun eine Aussage uber die Symplektizitat ineinem Differentialgleichungssystem, und zwar genauer gesagt, in einem Hamil-tonsystem. Es gilt sogar die (lokale) Umkehrung. Betrachtet wird dazu der Fluss

ϕt : U → R2d eines Hamiltonsystems{p=−∇qH(p,q)q= ∇pH(p,q)

mit{p(0)=p0q(0)=q0

, der durch die

Losung am Zeitpunkt t gegeben ist: ϕt(p0, q0) = (p(t, p0, q0), q(t, p0, q0)).

Satz 1.2 (Satz von Poincare). Sei H(p, q) eine zweimal stetig differenzierbareFunktion auf U ⊂ R2d (Hamiltonfunktion). Dann ist fur jedes feste t, der Flussϕt eine symplektische Transformation.

In diesem Zusammenhang wurden auch erste Integrale eingefuhrt, die die-se Erhaltungsgroßen mathematisch beschreiben. Entlang des Flusses sind ersteIntegrale konstant.

1.2 Symplektizitat in Einschrittverfahren

Nun ist noch nicht klar, wie sich diese Definitionen und Satze auf die zu unter-suchenden numerischen Verfahren ubertragen lassen. Hierzu soll die Definitionder Symplektizitat vom stetigen auf den diskretisierten Fluss, der durch Anwen-dung eines numerischen Einschrittverfahrens entsteht, projeziert werden. Hierlasst sich eine gewisse Analogie finden.

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Definition 1.3 (Symplektisches Einschrittverfahren). Ein EinschrittverfahrenΦh(yn) = yn+1 heißt symplektisch, falls der diskrete Fluss Φh(y) eine symplekti-sche Transformation ist, wenn das Einschrittverfahren auf ein glattes Hamilton-System angewandt wird.

Man beachte, dass im Diskreten eine zur exaten Definition der Symplekti-zitat von ϕt(y) fur Φh(y) existiert. Fur solche symplektische Verfahren gilt also,dass sie Energie, Impuls und Flachen, also samtliche erste Integrale des Hamil-tonsystems erhalten. Dies ist sehr anschaulich am Beispiel des mathematischenPendels zu sehen (vgl. Abb.1).

(a) expliziter und symplektischer Euler (b) impliziter und symplektischer Euler

Abbildung 1: h=0.15, Gesamtzeit: 500 Sekunden

Deutlich zu erkennen ist, dass der symplektische Euler das Problem ener-gieerhaltend lost im Vergleich zum expliziten oder impliziten. Aber auch unterden symplektischen Verfahren gibt es offenbar Unterschiede, so hat der symplek-tische Euler mit dieser Schrittweite einen Fehler von 14%, Stormer-Verlet nureinen Fehler von etwa 0.3% und die Implizite Mittelpunktsregel noch wesentlichgeringer (vgl. Abb. 2).

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(a) symplektischer und Stormer-Verlet (b) Stormer-Verlet und Implizite Mittelpunkts-regel

Abbildung 2: h=0.15, Gesamtzeit: 500 Sekunden

Mit diesen Grundlagen werden nun Verfahren auf Symplektizitat untersuchtund Voraussetzungen fur symplektische Verfahren gefunden.

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2 Symplektische Runge-Kutta-Verfahren

In der Numerik stellen die Runge-Kutta-Methoden, die sich mit dem Butcher-Schema darstellen lassen, eine bedeutsame Klasse von Verfahren dar. Deshalbkonzentrieren wir unsere Aussagen auf Verfahren dieser Form. Der folgendeSatz fur Runge-Kutta-Verfahren liefert Voraussetzungen, die helfen, einfacheBedingungen fur Symplektizitat zu konstruieren.

Satz 2.1. Wenn ein s-stufiges Runge-Kutta-Verfahren quadratische erste Inte-grale erhalt, d.h. I(y1) = I(y0) ∀ I(y) = yTCy erstes Integral von y = f(y),dann ist das RKV symplektisch.

Beweis. Um den Beweis zu verstehen, ist es wesentlich die Analogie zum Satzvon Poincare zu erkennen und zusatzliche die folgende Kommutativitat furRunge-Kutta-Verfahren voraussetzen zu konnen:

y = f(y), y(0) = y0 → y = f(y), y(0) = y0

Ψ = f ′(y)Ψ,Ψ(0) = Id↓ ↓{yn} → {yn,Ψn}

(3)

Diese Voraussetzung liefert das Lemma 4.1 in [3]. Hierbei bedeutet ein horizon-taler Pfeil die Differentation nach y0 und senkrechte Pfeile die Anwendung dernumerischen Methode. Die Differentialgleichung durch ihre Variationsgleichungzu erweitern und dann das numerische Verfahren anzuwenden ist also aquivalentzur Erweiterung der numerischen Losung durch die Ableitung Ψn = ∂yn/∂y0.Im jetztigen diskretisierten Fall lasst sich ebenso wie im Beweis vom Satz vonPoincare zu der Ausgangsdifferentialgleichung y = J−1∇H(y) die Variations-gleichung aufstellen:

˙DΦh︸ ︷︷ ︸Ψ

= −J−1∇2H(y)DΦh︸ ︷︷ ︸Ψ

(4)

Die Ausdruck F (y) := ΨTJΨ ist nun ein quadratisches erstes Integral dieserVariationsgleichung, denn: Fur y = y0 (also fur h=0) gilt: F (y0) = J .

Desweiteren erhalt man:

˙F (Ψ) = ΨTJΨ + ΨTJΨ

= (−J−1∇2H(y)Ψ)TJΨ + ΨTJ(−J−1∇2H(y)Ψ)

= −ΨT∇2H(y) J−TJ︸ ︷︷ ︸−I2d

Ψ−ΨT JJ−1︸ ︷︷ ︸I2d

∇2H(y)Ψ

= 0.

Also ist ΨTJΨ quadratisches erstes Integral des mit (4) erweiterten Systems ist.Alle Runge-Kutta-Methoden die quadratische erste Integrale erhalten sind alsosymplektische Methoden.

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Mit dieser Voraussetzung konnen wir konkretere Verfahren betrachten. EineGruppe der interessanten Verfahren stellen die Gauss-Kollokations-Verfahrendar, bei dem die Interpolationspunkte durch ein Legendrepolynom bestimmtwerden und dann ein Naherungspolynom konstruiert wird. Zunachst werdendazu die Nullstellen des geshifteten Legendre-Polynomsds

dxs

(xs(1− x)s

)betrachtet, die zwischen 0 und 1 liegen.

Abbildung 3: Legendre-Polynome bis zum Grad 4

Nun wird das Polynom u(t) ∈ Ps konstruiert. Die s+1 Randbedingungenlauten:

u(t0) = y0 (5)

u(t0 + cih) = f(t0 + cih, u(t0 + cih)) (6)

Aus dem so gewonnenen Polynom kann nun der iterierte Wert y1 = u(t0 + h)bestimmt werden. Dieses numerische Verfahren fuhrt auf ein implizites Runge-Kutta-Verfahren, wenn man ki = u(t0 + cih) setzt und so auch u(t0 + cih)in Termen von ki beschreibt. Ein bekanntes Beispiel hierfur ist die impliziteMittelpunktsregel mit s=1:

k1 = u(t0 + h/2) = f(t0 + h/2, u(t0 + h/2)) (7)

Das Butcher-Schema dazu lautet also:12

12

1(8)

Satz 2.2. Gauss-Kollokations-Methoden erhalten erste Integrale und sind somitsymplektisch.

Beweis. Sei I(y) = yTCy ein erstes Integral von y = f(y). Man kann leichtzeigen, dass fur die Ableitungen gilt:

I ′(y) = 2yTC (9)

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sowied

dtI(u(t)) = 2u(t)TCu(t). (10)

Betrachte nunI( y1︸︷︷︸u(t0+h)

)− I( y0︸︷︷︸u(y0)

) = yT1 Cy1 − yT0 Cy0

= 2

∫ t0+h

t0

u(t)T︸ ︷︷ ︸∈Ps

C u(t)︸︷︷︸∈Ps−1

dt

Damit hat das zu integrierende Polynom insgesamt den Grad 2s − 1, das da-her von der Gauß-Quadratur der Ordnung s exakt integriert werden kann. Dieexakte Losung lautet wegen

u(t0 + cih)TCu(t0 + cih) = u(t0 + cih)TCf(t0 + cih)

=1

2(2u(t0 + cih)TC)︸ ︷︷ ︸1. Integral⇒=I′(u)

f(t0 + cih) = 0,

also ist auch das Integral exakt 0. Also folgt I(y1) = I(y0). Damit ist nach demvorausgehenden Satz das Runge-Kutta-Verfahren symplektisch.

Abgesehen von solchen Gauß-Kollokations-Methoden sind allerdings auchandere Verfahren von Interesse. Fur allgemeine Runge-Kutta-Verfahren fur dieein Butcher-Schema der folgenden Art vorliegt gilt der nachste Satz.

Butcher-Schema:c A

bT,

wobei A = (aij)i,j=1,...,s

Satz 2.3 (Satz von Cooper). Wenn eine Runge-Kutta-Methode mit dem obigenButcher-Schema der Bedingung

biaij + bjaji = bibj ∀i, j = 1...s

genugt, dann erhalt sie quadratische Invarianten und ist somit symplektisch.

Beweis. Zunachst sollten die genauen Vorschriften der Runge-Kutta-Verfahrengenauer betrachtet werden. Es gilt namlich:

ki = f(t0 + cih, y0 + h

s∑j=1

aijkj) (11)

sowie

y1 = y0 + h

s∑i=1

biki. (12)

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Damit lasst sich auch die quadratische Invariante genauer betrachten:

yT1 Cy1 = yT0 Cy0 + h

s∑i=1

bikTi Cy0 + h

s∑j=1

bjyT0 Ckj + h2

s∑i,j=1

bibjkTi Ckj

Nun definiere: ki = f(Yi), mit Yi = y0 + h∑sj=1 aijkj , womit dann auch gilt:

y0 = Yi − h∑sj=1 aijkj .

Dies wird nun oben eingesetzt und die nun vorhandene Symmetrie der Misch-terme wird genutzt:

yT1 Cy1 = yT0 Cy0 + 2h

s∑j=1

bi YTi Cf(Yi)︸ ︷︷ ︸

=0

+ h2s∑

i,j=1

(bibj − biaij − bjaji)kTi Ckj

= yT0 Cy0 ⇔ (bibj − biaij − bjaji) = 0

Hierbei gilt die Gleichheit von Y Ti Cf(Yi) = 0 wieder wie im voherigen Beweiswegen der Voraussetzung, dass die quadratische Invariante erstes Integral vony = f(y) war. Damit gilt nun Symlektizitat genau fur den Fall der Bedingung

(bibj − biaij − bjaji) = 0.

Beispiel 2.4. Sehr schnell konnen wir den Satz am Impliziten Mittelpunktsre-gelverfahren testen. Das zugehorige Butcher-Schema lautet wie in (6):

12

12

1

Prufe nun die Bedingungen des Satzes biaij + bjaji = bibj :1 · 1/2 + 1 · 1/2 = 1 · 1 gilt offensichtlich, damit ist dieses Verfahren symplek-

tisch!

Beispiel 2.5. Weitere Beispiele fur Runge-Kutta-Verfahren sind partitionierteVerfahren. Hier wurde bereits der symplektische Euler und das Stormer-Verlet-Verfahren vorgestellt. Der symplektische Euler ist eine Kombination aus impli-zitem und explizitem Euler:{

pn+1 = pn − h∇qH(pn+1, qn)qn+1 = qn + h∇pH(pn+1, qn)

(13){pn+1 = pn − h∇qH(pn, qn+1)qn+1 = qn + h∇pH(pn, qn+1)

(14)

Das Stormer-Verlet-Verfahren ist eine Kombination aus der Trapezregel und der

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impliziten Mittelpunktsregel:pn+1/2 = pn − h

2∇qH(pn+1/2, qn)qn+1 = qn + h

2

(∇pH(pn+1/2, qn) +∇pH(pn+1/2, qn+1)

)pn+1 = pn+1/2 − h

2∇qH(pn+1/2, qn+1)(15)

qn+1/2 = qn + h

2∇pH(pn, qn+1/2)pn+1 = pn − h

2

(∇qH(pn, qn+1/2) +∇qH(pn+1, qn+1/2)

)qn+1 = qn+1/2 + h

2∇pH(pn+1, qn+1/2)(16)

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3 Das Doppelpendel

Die neu gewonnenen Verfahren wollen wir nun an einem physikalischen Beispieltesten. Das Doppelpendel ist ein Hamilton-System mit den Zwangsbedingun-gen, dass Massen sowie Langen der Pendel konstant bleiben. Es ist wie in derfolgenden Skizze aufgebaut:

Abbildung 4: Skizze des Doppelpendels. Der Winkel wird immer nach rechts zurNormalenrichtung angegeben.

Grundgleichungen fur potentielle und kinetische Energie:

T =m1

2(x1

2 + y12) +

m2

2(x2

2 + y22)

U = m1gy1 +m2gy2

Ausgehend von diesen lassen sich schnell Gleichungen herleiten, die die ge-

wunschten verallgemeinerten Koordinaten q =

(αβ

), p =

(p1

p2

)enthalten:

U(q) = −(m1 +m2)gl1 cos(α)−m2gl2 cos(β) (17)

T (q, p) =1

2pTM(q)−1p (18)

Hierbei stellt M(q) die 2 × 2-Massenmatrix dar, die symmetrisch und positivdefinit ist:

M(q) =

((m1 +m2)l1 l1l2m2cos(α− β)l1l2m2cos(α− β) m2l

22

)(19)

Die Hamiltonfunktion lautet bekanntermaßen: H(q, p) = U(q)+T (q, p). Hierbeiist zu beachten, dass zwar die kinetische Energie in Abhangigkeit von p und qangegeben ist, es allerdings nur von q abhangt. Wenn nun das Hamiltonsystem

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angegeben wird, muss wegen der partiellen Ableitung die Variable q in der kine-tischen Energie nicht berucksichtigt werden. Hieraus folgt das Hamiltonsystem:

(qp

)=

(∇pH(q, p)−∇qH(q, p)

)=

M(q)−1p− (m1 +m2) gl1 sin(α)−m2gl2 sin(β)

(20)

Dieses Verfahren wird vom expliziten Euler-Verfahren erwartungsgemaß uber-haupt nicht energieerhaltend integriert (vgl. Abb. 5 und 6).

Abbildung 5: Expliziter Euler, h=0.1s, T=20s, Energiefehler bis 600%

Abbildung 6: Expliziter Euler, h=0.1s, T=800s, Energiefehler etwa 2 · 104%

Allerdings stellen wir nun fest, dass das Verfahren des symplektischen Eulers,obwohl es sich offenbar einschwingt, dennoch nicht die gewunschten energie-erhaltenden Ergebnisse liefert (vgl. Abb. 7). Auch eine Verkleinerung der Schritt-weite auf 0.001 Sekunden liefert immer noch einen Anstieg der Energie (vgl.Abb. 8).

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Abbildung 7: Symplektischer Euler, h=0.1s, T=20s, Energie wird nicht erhalten

Abbildung 8: Symplektischer Euler, h=0.001s, T=140s, Auch hier ist Energie-gewinn von 50% zu beobachten

Das Problem in diesem Fall ist nicht, dass die hergeleiteten Verfahren feh-lerhaft sind und daher nicht symplektisch sind. Dieses Doppelpendelproblemist eine steife Differentialgleichung. Nach der Vorlesung ’Numerik der Diffe-rentialgleichungen’ konnen hier nur implizite Verfahren einen sichtbaren Erfolgerlangen. Das Verfahren des symplektischen Eulers ist allerdings bei genauererBetrachtung von (13) ’nicht wirklich implizit’: Zwar erfolgt bei der Berechnung

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von pn+1 die Bestimmung auf den ersten Blick implizit. Jedoch ist die Hamil-tonfunktion, partiell abgeleitet nach q, nicht mehr von pn+1 abhangig und kannsomit explizit erfolgen. Der zweite Schritt ist ohnehin nur explizit. Das gesamteVerfahren ist also explizit und kann nicht die steife Differentialgleichung hand-haben. Die Losung dieses Problems liefert nun die implizite Mittelpunktsregel.Diese ist tatsachlich implizit und liefert auch erheblich bessere Ergebnisse (vgl.Abb. 9 und 10).

Abbildung 9: Implizite Mittelpunktsregel nach 20 Sekunden, h=0.1: der We-sentliche Teil des Fehlers bewegt sich zwischen 5 und 8

Abbildung 10: Implizite Mittelpunktsregel nach 800 Sekunden, h=0.1: Fehler-intervall immer noch gleich, Peaks erzeugen den Streifen

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4 Splitting-Methoden

Das folgende Kapitel soll sich mit Splitting-Methoden beschaftigen, die, wiedann klar wird, im Zusammenhang mit symplektischen Verfahren stehen. Zu-nachst mussen jedoch einige Definitionen eingefuhrt werden.

Definition 4.1 (Adjunkte Methoden). Eine adjunkte Methode Φ∗h zu Φh istgegeben durch:

Φ∗h := Φ−1−h (21)

Eine symmetrische Methode erfullt:

Φ∗h = Φh (22)

Beispiel 4.2. Nicht symmetrisch ist der explizite Euler:

yi+1 = yi + hf(ti, yi)

Wird das Verfahren mit negativer Schrittweite angewandt erhalt man:

yi+1 = yi − hf(ti, yi)

Nun wird invertiert, was in diesem Fall bedeutet, dass man statt von yi zu yi+1

genau umgekehrt von yi+1 zu yi geht:

yi = yi+1 − hf(ti+1, yi+1)

Umstellen liefert: yi+1 = yi + hf(ti+1, yi+1), was wiederum die Vorschrift desimpliziten Eulers ist. Damit sind diese beiden Verfahren zueinander adjunkt,nicht aber symmetrisch, vgl. Abb. 11.

Abbildung 11: Adjunkte Methoden

Die Idee der Splitting-Methoden basiert auf dem Phanomen, dass sich oftdas Vektorfeld von f(y) aus dem Differentialgleichungssystem y = f(y) auf-teilen lasst in die Teilfelder f [[1] + f [2], deren Losungen ϕ[1] und ϕ[2] jeweilsexakt berechnet werden konnen. Nun wird, statt eines gesamtes numerischenSchritts, zunachst f [1] gelost um y1/2 zu erhalten und danach f [2] um zu y1 zu

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gelangen. Dieses Verfahren nennt sich Lie-Trotter-Splitting und man erhalt dennumerischen Integrator:

Φh = ϕ[1]h ◦ ϕ

[2]h

Φ∗h = ϕ[2]∗h ◦ ϕ[1]∗

h

(23)

Auf diese Weise erhalt man ein Verfahren erster Ordnung. Aber auch Verfahren

hoherer Ordnung sind moglich. Hierzu wird der Schritt ϕ[1]h in zwei Halbschritte

unterteilt:

Φ[S]h = ϕ

[1]h/2 ◦ ϕ

[2]h︸︷︷︸

=ϕ[2]

h/2◦ϕ[2]∗

h/2

◦ϕ[1]∗h/2 = Φh/2 ◦ Φh/2∗, (24)

wobei mit Φh/2 der Schritt aus dem Lie-Trotter-Splitting gemeint ist. DiesesVerfahren hat bereits Ordnung 2 und ist symmetrisch.

Beispiel 4.3. Gehen wir nun von unserer bekannten Hamiltonfunktion

H(q, p) = T (p) + U(q)

aus, so stellt sich heraus, dass sich hier das Feld einerseits in die Komponentepotentieller, andererseits in die kinetischer Energie aufspalten lasst. Die beidenHamiltonsysteme die durch ϕT und ϕU beschrieben werden lauten dann:{

p = 0q = ∇pT (p)

und

{p = −∇qU(q)q = 0

(25)

Die Losung hier von ist gegeben durch:{p(t) = p0

q(t) = q0 + t∇pT (p)und

{p(t) = p0 − t∇qU(q)q(t) = q0

(26)

Verknupft man einen impliziten Euler-Schritt des einen Systems (U) mit ei-nem expliziten Euler-Schritt des zweiten Systems (T) erhalt man genau densymplektischen Euler: ϕTh,expl. ◦ ϕUh,impl. = ΦEulerh . Die adjunkte Methode fuhrtauf die zweite Version des symplektischen Eulers, bei dem zunachst den expli-ziten Schritt von ϕT und den impliziten Schritt von ϕU ausfuhrt: ΦEuler,∗h =

ϕUh,expl. ◦ ϕTh,impl. = ϕU,∗h,impl. ◦ ϕT,∗h,expl..

Auch das Stormer-Verlet-Verfahren kann man so herleiten: es ist die Kom-bination ϕUh/2,expl. ◦ϕ

Th,expl.+impl. ◦ϕUh/2,impl., welches wieder ein symmetrisches

Verfahren liefert.

Generelle Splitting-Methoden laufen immer nach dem Schema:

Ψh = ϕ[2]bmh◦ ϕ[1]

amh◦ ϕ[2]

bm−1h◦ ... ◦ ϕ[1]

a2h◦ ϕ[2]

b1h◦ ϕ[1]

a1h(27)

Werden hier die Koeffizienten ai, bi geschickt gewahlt, lassen sich symmetrischeVerfahren konstruieren. Eine weitere Moglichkeit ist z.B. a1 := β1, b1 = β1 +

α1, a2 = α1+β2, ... was zu einer Kombination aus Verfahren ϕ[2]ξh◦ϕ

[1]ξh bzw. davon

adjungierten fuhrt. Desweiteren kann man numerische Integratoren mit exaktenLosungen verknupfen und auch das Feld f(y) in mehr als zwei Vektorfelderunterteilen. Mit diesen beiden Varianten lassen sich Splitting-Methoden beliebighoher Ordnung konstruieren.

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Literatur

[1] E. Hairer, Geometric Numerical Integrators, Lecture 2: Symplectic inte-grators, S. 1ff, TU Munchen, Munchen, 2010

[2] B. Leimkuhler und S. Reich, Simulating Hamiltonian Dynamics, vol. 14of Cambridge Monographs on Applied and Computional Mathematics, S.70ff, Cambridge University Press, Cambridge, UK, 2004

[3] E. Hairer, C. Lubich und G. Wanner, Geometric numerical integration,S. 190ff, Springer, Berlin, 2006

[4] O. Junge, Skript zur Vorlesung ’Numerik 3 (Numerik gewohnlicherDifferentialgleichungen)’, Kapitel 6: Geometric Numerical Integration, TUMunchen, WS 2007/08

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