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Sur Dossier-Aufnahme im Tertiärbereich
Vortrag Prof. Dr. Philipp Gonon
der acepta -Tagung
Überlegungen im Lichte
Bildungssystem und berufliche Bildung
• Durch die Berufsbildung kam es zur Etablierung eines Systems im 20. Jahrhundert, welches in Fortsetzung des Volksschulunterrichts weitere schulische Bildung und fachspezifisches Können breiten Schichten zugänglich machte.
• Auszeichnung der modernen Berufsbildung durch ein gewisses Ausmass an Beschulung, Verschriftlichung des Lehrvertrags, und Kontrolle durch die öffentliche Hand
• International Bildungssystem als „early tracking“ zu bezeichnen
• Dominanz des dualen Berufsbildungssystems
• Stärkung der Tertiär B als Zielsetzung, um das bestehende System weiterhin attraktiv zu halten
2Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Charakteristika
Bildungskarrieren
• TREE-Daten: (Transition from Education to Employment)– (Evi Schmid & Philipp Gonon 2010)
5500 Jugendliche die im Jahre 2000 die obligatorische Volksschulbildung abgeschlossen haben.
• Sample:
2292 Jugendliche (gewichtet) die die Berufsbildung abgeschlossen haben.
Frage: wie viele sind zwischen 2001-2007 in eine Tertiärbildung eingetreten?
3Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
TREE-Studie
Abschlüsse• 7 Jahre nach Beendigung der obligatorischen Schulzeit haben 84%
die Sekundarstufe II abgeschlossen.
• 19 % Matura 12 % Berufsmatura
• 64 % Abschluss einer beruflichen Grundbildung57 % EFZ 4 % DMS 4 % HMS
4Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
TREE-Auswertung
Der Weg zu Tertiär A, B
7 Jahre nach Abschluss der obligatorischen Schulzeit:
• 21% der Jugendlichen bzw. jungen Erwachsenen mit einem Berufsbildungsabschluss steigen in die Tertiärbildung ein, davon:
12 % Tertiär A
9 % Tertiär B
5Prof. Dr. Philipp Gonon,7.9.2010
Duales Modell und Tertiär A und B
(Nicht)-Anteile an Tertiär A und B
• Aus der Beruflichen Grundbildung gehen von 100...
89 in keine, 3 in Tertiär A und 9 in Tertiär B
• Aus der Berufsmaturität gehen von 100...
48 in keine, 42 in Tertiär A und 10 in Tertiär B
• Aus der gesamten Berufsbildungsbereich unserer Stichprobe gehen (wie bereits erwähnt) von 100...
79 in keine, 12 in Tertiär A und 9 in Tertiär B
6Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Berufliche Bildung und ISCED 5 A und B
Zugang zu Tertiär A und B ausbauen!
• Die Wahrscheinlichkeit weiterer Bildung hängt stark vom vorgängig besuchten Typus ab.
• Je schulischer die Bildungslaufbahn, umso höher die Wahrscheinlichkeit der weiterführenden Bildung im Tertiärbereich.
• PISA-Ergebnisse und sozialer Hintergrund bestimmen Neigung zu Höherer Bildung.
• Je schulbasierter umso eher die Neigung zu Tertiär A, jedoch sind auch Absolventen der beruflichen Grundbildung wenig für Tertiär B zu gewinnen.
7Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Schule, Bildung und Tertiär B
Zurückhaltung
• Im Lichte dieser Ergebnisse spielt der zu ermöglichende Zugang zur höheren Bildung eine starke Rolle.
• „Die erleichterte Zulassung (...) (Aufnahmen Sur Dossier) stellt allerdings ein Spannungsfeld dar. Hier kollidiert das Anliegen, die Studiengänge möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen, mit der Sorge, ein hohes Niveau (...) gewährleisten zu können. Von der Möglichkeit, Interessierte über die Ausnahmeregelung zuzulassen, wird an der Universität (...) zurückhaltend Gebrauch gemacht“.
Tertiär A, Universität
8Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Verbreitung der Sur Dossier-Aufnahme• Keine konkreten Zahlen, stark dem Ermessen der
Organisationseinheit zugeordnet• Aufnahme in Doktorate, spezialisierte Masterstudiengänge
berufen auf der Prüfung individueller Dossiers: • „Über die Aufnahme von Personen mit vergleichbaren
Qualifikationen entscheidet die Studiengangleitung Sur Dossier (Bibliothekswiss.).
• Universitäre Weiterbildungen (CAS, DAS, MAS):– „Unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. grosse
Berufserfahrung und umfassendes Fachwissen) können „sur dossier“ Fachpersonen mit einem Bachelor aufgenommen werden“.
– ...2 Jahre Praxis“ dann Sur Dossier (Uni Basel)
Universität
9Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9. 2010
Lokale Unterschiede• Zulassung von Absolventen der Höheren Berufsbildung zu Bachelor-
Studien durch „sur-dossier“ Regelung möglich
• „Ausserhalb der FH erworbene Kompetenzen, Fähigkeiten und Kenntnisse können höchstens 50% eines Hochschulstudiums ersetzen“.
• Flexibilisierungsdruck, da je nach Branche, Beruf, mehrere Zugänge üblich waren. Berufsmaturität als exklusiver Zubringer versus Offenheit in den Diplomausbildungen:
• FHNW: 60 % Berufsmaturität, 23% Sur Dossier
• FH Ost: 61% BM, 13% Sur Dossier, 13 % Matura
• FH West: 38 % BM, 41% Sur Dossier/Eignung, 13% M
• (Bericht Fachhochschulen 2002)•
10Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Fachhochschulen
Zwei Sur Dossier-Philosophien
• Zulassung von AbsolventInnen und Absolventen, die mit praktischer Erfahrung, welche nicht in Schulen und Ausbildungen erworben wurde, ausgleichen
Mindestaltervorgabe (30 Jahre), umfassende Berufserfahrungen, zusätzliche Aus- und Weiterbildungen, „Lebenserfahrungen“ (Kompensation)
Äquivalenz bezüglich Allgemeinbildungsniveau zur Berufsmaturität Gesundheit/Soziales (HES-SO 2005)
• Zulassung von Absolventen, die durch (herausragende) Fähigkeiten und Fertigkeiten, die informell und/oder non-formal erworben wurden, als aufnahmefähig betrachtet werden (praktische Exzellenz)
Zulassung durch sur Dossier-Aufnahme: Grundsatz: „Vom Abschluss einer Ausbildung der Sekundarstufe II kann ausnahmsweise abgesehen werden, wenn eine herausragende gestalterisch-künstlerische Begabung nachgewiesen werden kann“ (Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich 2003).
11Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Fachhochschulen
Sur Dossier
Voraussetzungen, z.B. für HR-Fachmann/frau mit eidg. Fachausweis
• Zertifikatsprüfung Personalassistent/-in oder gleichwertiger Ausweis innerhalb der letzten 5 Jahre vor der Berufsprüfung
• Mindestens 4 Jahre Berufspraxis nach abgelegtem eidgenössischem Fähigkeitszeugnis, wovon mindestens 2 Jahre in qualifizierter HR-Funktion
12Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Höhere Berufsbildung
Herausforderungen • Empfehlungen der CRUS: „Zulassung möglich bei
gleichwertiger Qualifikation“, „gleichwertiger Bildungsstand“ (im Rahmen des Bologna-Prozesses, des NQF)
• Empfehlung der EU (angesichts der Feststellung, dass in Europa 24% der 25-64-jährigen Erwachsenen einen tertiären Bildungsabschluss haben, gegenüber 40% in den USA und Japan):
„Es werden mehr Anreize benötigt, damit sich Hochschulen für Lernende, die nicht den klassischen Zielgruppen angehören, sowie benachteiligte Gruppen öffnen, u.a. mit Hilfe von Partnerschaften mit externen Akteuren“ (Gemeinsamer Fortschrittsbericht 2010 des Rates und der Kommission über die Umsetzung des Arbeitsprogramms „Allgemeine und berufliche Bildung 2010“).
13Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Perspektiven
Begriff des „Self-Entrepreneurs“
„Der Self-Entrepreneur muss einerseits offen sein für den Wandel in der Arbeitswelt, sich individuell auf dem Markt bewegen und ein breit gefächertes Kompetenzrepertoire besitzen, dies jedoch gleichzeitig mit den gesellschaftlichen Strukturbedingungen der Erwerbstätigkeit arrangieren.“
– Agiert nicht losgelöst von Anforderungsprofilen und zertifizierten Abschlüssen
– Handelt selbstkontrolliert, selbstökonomisch und selbstrationalisiert
– Ist auf Erneuerung, Innovation ausgerichtet
– Merkmale: Mobilität, Flexibilität, Employabilität
14Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
„Unternehmer seiner Selbst“
• Übertragung handwerklicher und berufsfachlicher Fähigkeiten und Tugenden in einen neuen Kontext
• Erhöhte Bedeutung technischer, kommunikativer und wirtschaftlicher Netzwerke
• Auflösung zeitlicher und räumlicher Schranken
• Trennung zwischen Arbeitszeit und Freizeit zunehmend schwieriger
• Zusammenspiel von herkömmlichen Arbeitstugenden und Selbstverwirklichungsbestrebungen; „Employability“
• Organisation als „Kreativitäts- und Erlebnisgemeinschaft“
15Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Der Unternehmer seiner Selbst
„Unternehmer seiner Selbst“
Grundlegende
Lehr-Lernformen
Imitation Instruktion Exploration
Zentrale
Merkmale
(Lerntypus)
Lehre beim Meister bei enger personaler Bezugnahme
sachbezogene Kommunikation in der Schule beruhend auf kodifzierten Wissensbeständen
Lehr-Lernarrangement basierend auf selbstorganisiertem Lernen nach Plan
Rolle des Lerners aktiv, beobachtend eher passiv, zuhörend aktiv, erkundend
Rolle der
Lehrperson
vormachend, begleitend, überprüfend
vortragend, überprüfend eher abwesend, im Hintergrund als Organisator von Lernmöglichkeiten
Lehrtypus/Lehrziel personales Vorbild
Habitualisierung
sachbezogen-kommunikative Übertragung, Reproduktion des Erlernten
Selbsttätigkeit, entdeckendes Erforschen
Lernform informell formal informell-formal
Lehrplancharakter tätigkeitszentriert fachsystematisch fallspezifisch
Lernumgebung Arbeitsplatz
Alltag
Bildungsinstitution spezifische Umgebung in Schule oder Betrieb
Reformbedarf für die (Berufs-)Bildung
• Lernkonto-Management, Portfolio:
– Selbstmanagement des eigenen Lernens
– Akkumulation von Kompetenzen zur Steigerung und Erhaltung der Employabilität
– Loslösung der Berufsförmigkeit von engem Professionsverständnis und berufsfachlichem Bezug
17Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Self-Entrepreneur
Innovationsgeist
• Der Einzelne als Unternehmer, der sich selbst nach Kriterien der Spezialisierung und Wirtschaftlichkeit steuert
• Unternehmergeist als Anforderung an alle Gesellschaftsmitglieder
• Verwurzelung in globaler Kultur und Gesellschaft
• Organisation der Lebensführung durch Selbstinitiative, Selbstkontrolle und freie Zirkulation als „entrepreneurial subject and citizen“
• Leitfigur: Künstler, der sich in Gesellschaft/auf dem Markt mit eigenem Risiko präsentiert – Leben wird zur Kunst.
18Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Self-Entrepreneurship
Sur Dossier als Normalisierung
• Globalisierung und Mobilität erhöhen Flexibilitätsdruck auf Tertiärbildung
• Perspektive des Einzelnen, des Bildungsnachfragers gewinnt an Bedeutung
• Weiterbildung innerhalb- und ausserhalb der Hochschule als dynamischer Sektor für die Normalisierung des sur Dossier-Prinzips im Tertiärbereich
• Lernen als Unternehmung: Portfolio und Patchwork als Regel
19Prof. Dr. Philipp Gonon, 7.9.2010
Folgerungen