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ALFRED TARSKI Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen *). Inhaltsver z ei eh n i s. Seite Bibliographische Abkürzungen 2öl Einleitung 261 § 1. Der Begriff der wahren Aussage in deT Umgangssprache. 267 § 2. Formalisierte Sprachen, insbesondere die Sprache des Klassen- kalküls . 279 § 3, Der Begriff der wahren Aussage in der Sprache des Klassen- kalküls , 303 § 4. Der Begriff der wahren Aussage in den Sprachen endlicJter Ordnung 327 § 5, Der Begriff der wahren Anssage in den Sprachen unendlicher Ordnung 363 ,L';usammenfassung 390 Nachwort 393 Bibliographische Abkürzungen. In den bibliographischen Zitaten dieser Arbeit verwende ich fol- gende Abkürzungen: 11 Ackermann 1 " für "W. Ackermann, Ober die Erfüllbarkeit fJeUYisser Zählausdrücke. Mathematisc.he Annalen! 100. Band. BeTlin 1928. S. GSS-649". "Ajdukiewicz 1 " für "K. Ajdukiewicz. Z metodologji nauk deilu.kcyJnych. [Zwr Afethodologie der dedUktiven TVissenschaften). Wy- Polskiego Towa.rzystwa Filozofi.cznego we Lwowie, tom X. Lwüw 1921 "· *) Dissertationern haue lingua polona inscriptam tune ita: PoJr;oie prauxly w .j{!Zykach nauk dedulcCyjnych primum anno 1933 typis expressit publieique iuris fecit fasciculo 34, suorum Actarum Societas Sdentiarum ac Littararum Varsoviensis; lingua germaniea eam reddidit L. Blaustcin.

Tarski-WFS (1936)

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Alfred Tarski, "Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen," trans. L. Blaustein, Studia Philosophica 1 (1936), 261–405.

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  • ALFRED TARSKI

    Der Wahrheitsbegriff in den formalisierten Sprachen *).

    Inhaltsver z ei eh n i s. Seite

    Bibliographische Abkrzungen 2l Einleitung 261 1. Der Begriff der wahren Aussage in deT Umgangssprache. 267 2. Formalisierte Sprachen, insbesondere die Sprache des Klassen-

    kalkls . 279 3, Der Begriff der wahren Aussage in der Sprache des Klassen-

    kalkls , 303 4. Der Begriff der wahren Aussage in den Sprachen endlicJter

    Ordnung 327 5, Der Begriff der wahren Anssage in den Sprachen unendlicher

    Ordnung 363 ,L';usammenfassung 390 Nachwort 393

    Bibliographische Abkrzungen. In den bibliographischen Zitaten dieser Arbeit verwende ich fol-

    gende Abkrzungen:

    11 Ackermann1 " fr "W. Ackermann, Ober die Erfllbarkeit fJeUYisser Zhlausdrcke. Mathematisc.he Annalen! 100. Band. BeTlin 1928. S. GSS-649".

    "Ajdukiewicz1 " fr "K. Ajdukiewicz. Z metodologji nauk deilu.kcyJnych. [Zwr Afethodologie der dedUktiven TVissenschaften). Wy-

    dawni(~two Polskiego Towa.rzystwa Filozofi.cznego we Lwowie, tom X. Lww 1921 "

    *) Dissertationern haue lingua polona inscriptam tune ita: PoJr;oie prauxly w .j{!Zykach nauk dedulcCyjnych primum anno 1933 typis expressit publieique iuris fecit fasciculo 34, suorum Actarum Societas Sdentiarum ac Littararum Varsoviensis; lingua germaniea eam reddidit L. Blaustcin.

  • 262 .Alfred Tarsld [2]

    11Ajdukiewicz!!" fr "K. Ajdukiewicz. Gl6U-'1'W zasady meto-dologJi nauk i logilci forrnalnej. [ Hauptprinzipien der 1\letlwrlolo,qie der TVissenscha[ton und dm formalen Logik.] Vom Verfa.sser genehmigte Nachschrift, redigiert von M. Presburger. Wydawnictwa Kola Mate-matyczno-fizycznego SluchaczOw Uniwersytetu Warszawskiego, tom XVI. Warszawa 1928 (Lithographische Vervielfltigung)".

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  • 264 Alfl'ed Tarski [4]

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    Ein leitun g.

    Vorliegende Arbeit ist fast gnzlich einem einzigen Pro-b lern gewidmet, nmlich dem der Definition der "\Vahr-heit; sein \\Teseu besteht darin, dass mau - im Hinblick anf diese oder jene Sprache - eine sachlich zutreffende und formal korrekte Definition des Terminus "wahre Au~sage" zu konstruieren hat. Dieses Pro-blem, welches zu den klassischen Fragen der Philosophie gezhlt wird, vorursacht bedeut-ende Schwierigkeiten. Obgleich nmlich die. Bedeutung des Terminus "wa.hre Aussage" in der Umgangssprache recht klar und verstndlich zu sein scheint1 sind alle Versuche einer genaueren Przisierung dieser Bedeu-tung bis nun erf9lglos geblieben und manche Untersuchungen 1 in welchen dieser r_J..1erminus verwendet wurde und welche von scheinbar evidenten Prmissen ausgingen, haben oft zu Para-doxien und Antinomien gefhrt (fr welche sich brigens eine

  • [5) Der Wahrheitsbegriff 265

    mehr oder weniger befriedigende Lsung finden liess ). Der Begriff der Wahrheit teilte in die"er Hinsicht das Schicksal anderer analoger Begriffe aus dem Gebiete der sog. Semantik der Sprache.

    Die Frage, wie dieser oder jener Begriff zu definieren sei, ist erst dann in korrekter Weise gestellt, wenn ein Verzeichnis der Termini gegeben ist, mit deren Hilfe man die gefor-rlPrte Definition aufbauen will; soll dabei die Definition ihre eigentliche Aufgabe erfllen, so darf der Sinn der in diesem Verzeichnis enthaltenen Termini keine Zweifel hervorrufen. Es drngt sich also naturgernss die Frage auf, welche Termini wir bei der Konstruktion der Definition der Wahrbei t verwenden wollen. Ich werde nicht unterlassen, dies im weiteren V er lauf unserer Untersuchungen zu klren; jedenfalls werde ich mich bei dieser Konstruktion keines semantischen Begriffes bedienen, wenn es mir nicht voTher gelingt, ihn auf andere Begriffe zurckzufhren.

    Eine weitergehende Analyse der im tglichen Leben gelufigen Bedetltung des Terminus "wahr" wird hier nicht beabsichtigt: jeder Leser besitzt wohl in hherem oder gerin-gerem Grade eine intuitive Kenntnis des Begriffes der Wahr-heit und eingehendere Errterungen darber kann er in vielen erkenntnistheoretischen Werken finden. Ich mchte nur erwh~ nen, dass es sich in der ganzen Arbeit ausschliesslich darum handelt, die Intentionen zu erfassen, welche in der sog. "klas-sischen" Auffassung der Wahrheit enthalten sind ("wahr -mit der \Virklichkeit bereinstimmend") im Gegensatz z. B. zu der "utilitaristischen" Auffassung (nwahr- in gewisser Hinsicht ntzlich") 1 ).

    Der Umfang des Begriffes, den wir definieren wollen, hngt im wesentlichen von der Sprache ab, die Gegenstand der Erwgungen ist: derselbe Ausdruck kann in einer Sprache eine wahre, in einer anderen eine falsche Aussage oder ein sinnloser Ausdruck sein. Von einer einzigen allgemeinen Defi-nition des untersuchten Terminus wird hier berhaupt keine Rede sein: das uns interessierende Problem wird in eine Reihe

    1) Vgl. Kotarbiii.ski1, S. 126 (ich habe dieses .Werk wiederholt bei der Niederschrift der vorliegenden Arbeit zu Rate gezogen und mich in vielen Punkten a.n die dort festgelegte Terminologie gehalten).

  • 266 Alfred Tarski (B]

    yon gesonderten Problemen zerfallen, welche die eiuzelnen Sprachen betreffen.

    Im 1 bildet die Umgangssprache den Gegenstand unserer Erwgungen. Das Schlussergebnis dieser Erwgungen ist gnzlich negativ: in Bezug auf die Umgangssprache scheint nicht nur die Definition des Wahrheit.

  • [7] Der Wahrheitsbegriff 267

    sind ausRerdem ~ allerdings in bescheidenem J\!Jaasse - go-wisse rein mathematische BegrifFe una Methoden ntig. ~s wrde mich freuen, wenn diese Arbeit den Leser berzeugt, dass die genannten Hilfsmittel schon gegenwrtig ein sogar fr die Untersuchung- rein philosophischer Probleme notwen-diges Rstzeug bilden 2).

    1. Der egrift' der wahren Aussagt\ in der Umgangssprache.

    Zur Einfhrung des Lesers in den Kreis unserer Unter-suchungen erscheint mir eine - wenn auch nur flchtige -.Betrachtung des Problems de.r Wahrheitsdefinition in Bezug auf die Umgangssprache wnschenswert; ich mchte hier besonders die verschiedenartigen Schwierigkeiten hervorheben, denen die Versuche einer Lsung dieser Aufgabe begegnen 3).

    Unter den mannigfaltigen Bestrebungen, welche die Kon-struktion einer korrekten Definition der Wahrheit fr dio Aus-

    ~) Diese Arbeit wurde von J. Lnkasiewicz der Gesellschaft der Vlie:senschaften in VVarschau am 21. :Mrz 1D31 yorgelegt. Die in ihr enthaltenen J

  • 268 Alfred Tarski [8)

    Ragen der Umgangssprache bezwecken, scheint wohl der Ver-such einer semanti~chen Definition der natrlichste zu sein. Ich meine hier eine Definition, welche man zunchst in folgende Worte kleiden knnte:

    (1) eine wahre Aussage ist eine Aussage, 'Welche besagt, dass die Sachen sich so und so verhalten, und die Sachen ver-halten sich eben so und so 4 ).

    In Hinsicht auf formale Korrektheit, Kla.rheit und Ein-deutigkeit der in ihr auftretenden Ausdrcke lsst obige For-mulierung offe-nbar viel zu wnschen brig. Nichtsdestoweniger scheint der anschauliche Sinn und die allgemeine Intention dieser Formulierung recht klar und verstitndlich zu sein; es wre eben die Aufgabe einer semantischen Definition, diese Intention zu przisieren und ihr eine korrekte Form zu geben.

    Als Ausgangspunkt drngen sich gewisse Stze speziel-leren Charakters auf, welche als Teildefinitionen der Wahrheit. einer Aussage oder richtiger als Erklrungen verschiedener konkreter Redewendungen vom Typus "x ist eine wahre Aus-sage" gelten knnen. Das allgemeine Schema dieser Art von Stzen stellt sich folgendermassen dar:

    (2) x ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn p; um konkrete Erklrungen zu gewinnen) setzen wir in diesem Schema an Stelle des Symbols "p" irgend eine Aussage und an Stelle des nx" einen beliebigen Einzelnamen dieser Aus-sage ein.

    Ist uns fr eine Aussage ein Einzelname gegeben, so knnen wir fr ihn eine Erklrung vom Typus (2) konstruieren, falls es uns nur mglich ist, die durch diesen Namen bezeichnete Aussage anzufhren. Die wichtigste und die hufigste Kate-gorie von Namen, fr welche die obige Bedingung erfllt ist, sind die sog. Anfhrnngsnamen; wjr bezeichnen nmlich mit diesem Terminus jeden Namen einer Aussage (oder eines belie-bigen anderen, sogar sinnlosen Ausdrucks), welcher aus Anfh-rungszeichen (dem links- und rechtsseitigen) und dem AuRdruck besteht, der zwischen den Anfhrungszeichen steht und der

    4) hnliche Formulierungen finden wir bei Kotarbillski1, S. 127 und 136, wo sie als Kommentare behandelt werden, die das Wesen der .,klassischen11 Auffassung der Wahrheit nhet erklren,

  • (9] Der, Wahrheitsbegriff 269

    eben da3 durch den betrachteten Namen Bezeichnete ist. Als Beispiel eines solchen Anfhrungsnamens einer Aussage kann etwa der Name "nes schneit"" dienen; die entsprechende Erluterung vom Typus (2) lautet in diesem Falle:

    (3) "es schneit" ist eine wahre Aussage dann und nur dann1 wenn es sehne#~).

    Eine andere Kategorie der Einzelnamen von Aussagen, fr die wir analoge ErklTungen konstruieren knnen, bilden die sog. strukturell-deskriptiven Namen. So wollen wir solche Namen nennen, welche beschreiben, aus welchen Worten der durch den Namen. bezeichnete Ausdruck sowie aus welchen Zeichen jedes einzelne \V'" ort besteht und in welcher Ordnung diese Zeichen und Worte aufeinanderfolgen. Solche Namen kann man ohne Hilfe von Anfhrungszeichen formu-

    fi) Die Aussagen (Stze) behandeln wir hier stets als eine bestimmte Art von Ausdrr,ken, also als sprachliche G-ebilde. Wenn man jedoch die Termini ,lAusdrucku, "Aussage" u. s. w. als Namen konkreter Schriftzei-chenreihen interpretiert, so erscheinen verschiedene Formulierungen, die in dieser Arbeit enthalton sind, nicht ganz korrekt und erwecken den Anschein eines verbreiteten Fehlers, der in der Identifizierung gleich-gestalteter Ausdrcke besteht. Dies betrifft insbesondere die Aussage (3), tlenn bei obiger Interpretation mssen die Anfhrungsnamen als allge-meine (und nicht individuelle) Namen behandelt werden, welche sowohl die Zeiehenreihe in Anfhrungszeichen, als auch jede mit ihr gleichge-staltete Zeichenreihe bezeichnen, Um derartige Vorwrfe zu vermeiden und dabei keine berflssigen Verwicklungen in die Erwgungen ein-zufUhren, die u. a. mit der Notwendigkeit des Gebrauchs des Gleichge-staltigkeitsbegriffs verbunden wren, ist es bequem festzusetzen, dass 'l'ermini wie "Wort", "Ausdruck", "Aussage" u. s. w. niemals konkrete Zeichenreihen, sondern ganze Klassen von solchen .7.eiehenreihen bezeichnen werden, die mit der gegebenen Zeichenreihe gleichgestaltet sind; nur :in diesem Sinne werden wir die Anfhrungsnamen als individuelle Namen von Ausdrcken behandeln. Vgl. hiezu Whitehead-Russell1, Vol, J, R. 661-666 und- wenn es sich um andere Interpretationen des Terminus "Aussage" handelt- Kotarbillskiu S. 123-125.

    Bei dieser Gelegenheit bemerke ich, dass ich hier die Worte "Name" und "bezeichnen" (hnlich wie die Worte "Gegenstand", "Klasse", ,,R.ela~ tion"):~nicht in einem, sondern in vielen verschiedenen Bedeutungen gebrauche, indem ich sie sowohl auf Gegenstnde iin engeren Sinne (J.. !1. auf Individuen), als auch auf aller Art Klassen, Relationen u. s. w. anwende, Vom Gesichtspunkt der in Whitehead-Russel~ (Vol. I, ,':'_ P.f:l-BS) begrndeten Typentheorie betrachtet, sollten diese Ausdrcke als ~systematisch mehrdeutige" bezeichnet werden.

  • 270 Alfred Tarski [10]

    lieren. Zu diesem Zwecke muss man in die Sprache1 deren man sich bedient, also in diesem Falle in die Umgangssprache, fr alle Buchstaben und alle anderen Zeichen, aus welchen die Vl orte und Ausdrcke der Sprache bestehen, irgendwelche Einzelnamen, die aber keine Anfhrungsnamen sind, einfhren; so z. B. kmen a.ls Namen der Buchstaben ,,a", "e1' 1 "fu, "j~, ,;p~, "x" ... die Bezeichnungen "A", ":E", "Ef", "Jot", "Pe", "Iks" ... in IJetracht. Es ist klar, dass man nunmehr jedem Anfhrungs-namen einen strukturell-deskriptiven Namen zuordnen kann, der ohne AnfhrungRzeichen aufgebaut ist und denselben Um-fang besitzt (d. i. denselben Ausdruck bezeichnet), und umge-kehrt; so entspricht z. B. dem Namen "Schnee"c.: der Name:

    " ,,ein W ()rt, das ans den sechs aufeinander folgenden Buch-staben: Es, Oe, Ha, Eu, E und E besteht". Es leuchtet also ein, dass man auch fr strukturell-deskriptive Namen von Aus-sagen Teildefinitionen vom Tjrpus (2) konstruieren kann. Dies ist aus folgendem Beispiele ersichtlich.

    ( 4) ein Ausdruck, der aus zwei warten gebildet ist, 1JOn denen das erste aus den zwei aufeinander folgenden Buchstaben: E, Es, das zweite aus den sieben aufeinander folgenden Buch-staben: Es, Ce, Ha, En, E, I, Te besteht, ist eine 'Wahre Aus-sage dann und nur dann, wenn es schneit.

    Stze, die (3) und (4) analog sind, scheinen evident zu sein und vollkommen mit der Bedeutung des \Vortes "wahr" bereinzustimmen, welche in der Formulierung (1) ihren Ans-drnck gefunden hat. Sie erregen auch. bezglich der Klarheit ihres Inhaltes und der Korrektheit, ihrer FoTm im allgemeinen keinen Z-weifel (freilich nur unter der Voraussetzung, dass die Aussagen, die wir in (2) fr das Symbol "p" einsetzen, keine derartigen z,voif8l erregen).

    Hier ist jedoch eine gewisse Einschrnkung ntig. Es sind Situationen l)ekannt, in denen Behauptungen von eben diegern Typus im Verein mit gewissen anderen, intuitiv nicht minder evidenten Prmissen zu einem offen baTen. Widerspru-ch fhren, nmlich zu der sog. Antinomie des Lgners. Wir wollen eine mglichst einfache, von .J. Lukasiewicz stammende ],assung dieser Antinomie angeben.

    Der grsseren -bersichtlichkeit wegen wollen wir uns des Symbols 11 c(' als typographischer Abkrzung des Ausdrucks

  • [11] Dei' Wahrheitsbegrift' 271

    "die au.f dieser Seite, Zeile 3 'Von oben gedruckte Aussageu bedienen. Beachten wir nun folgende Aussage:

    c ist keine wahre Aussage. Bercksichtigen wir die Bedeutung des Symbols "c") so

    knnen wir auf empirischem Wege fe . .;;tstellen: (a) "c ist keine wahre Aussage" -ist mit c identisch. FUr den Anfhrungsnamen der Aussage c (oder irgend

    einen anderen ihrer Einzelnamen) stellen wir ferner eine Erkl-rung vom Typus (2) auf:

    () 71 C ist keine wahre Aussage'-' ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn c keine wahre Aussage ist.

    Die Pr.missen (a) und () zusammen ergeben sofort einen VVidersprnch:

    c if;t eine wahre. Aussage dann und nur dann, wenn c keine wahre .Aussage ist.

    Die Quelle dieses Widerspruchs kann man leicht. auf-decken: um die Behaupt,ung () zu konstruieren, haben wir fr das Symbol ",p" in Schema (2) einen .Ausdruck eingesetzt, welcher selbst den Terminus ",wahre A.u~~age" enthlt (weshalb die so gewonnene Behauptung - im Gegensatz z. B. zu (3) odr (4) - nicht mehr als Teildefinition der Wahrheit gelten kann). I\fan kann jedch keinen vernnftigen Grund angeben, der solche Einsetzungen grundstzlich verbieten sollte.

    Ich beschrnke mich hier auf die Formulierung obiger Antinomie nnd behalte es mir fr spter vor, die entsprechenden Kausequenzen aus dieser Tatsache zu ziehen. Von dieser Schwie-rigkeit a.hsehend, versuche ich zunchst eine Definition der wahren Anssage durch Verallgemeinerung cler Erklfirungen vorn Typus (3) zu konstrniereri: Auf den ersten Blick kann diese Aufgabe als eine ganz leichte erscheinen ~ besonders fr jemanden, der den Apparat der modernen mathematischen Logik einigennassen beherrscht. Ma . .n knnte meinen, dass man dmch die Einsetzung einer beliebigen Ans1mgevariablen (d. i.

    eine~ Sy:rnbols1 fr das man beliebige Anssagen einsetzen kann) in (3) fr den zweimal dort auftretenden Ausdruck ",es schneit" uud weiterhin durch die Feststellung, dass die so gewonnene .E'ormel fr jeden \VeTt der Variablen gilt, ohne weit.eres zu einem Satz gelangt, weicher alle Behauptungen vom Typm-1 (3) als 8pezia1fti.l1e umfasRt:

  • 272 Alfred Tarski [12}

    (5) fr ein beliebiges p - "p" ist eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn p.

    Obiger Satz knnte schon ans dem Grunde nicht als allgemeine Definition des Ausdrucks "x ist eine wahre Aussage" gelten, weil die Gesamtheit der mglichen Einsetzungen fr das Symbol 71 x" hier auf die Anfhrungsnamen eingeschrnkt wurde. Um diese Einschrnkung zu beseitigen, msste man sich auf dio bekannte Tat~mche berufen, dass jeder wahren Aussage (und berhaupt jeder Aussage) ein Anfhrungsname entspricht, der eben diese Aussage bezeichnet 41 ). Auf Grund dieser Tat-sache knnte man eine Verallgemeinerung der Formulierung (5) z. B. auf folgende \V eise versuchen:

    (6) fr ein beliebiges x - x ist eine wahre Aussage dann und_ nur dann, wenn - fr ein gewisses p - x mit '11p" iden-tisch ist und dabei p.

    Auf den ersten Blick wrden wir vielleicht geneigt sein, den Satz (6) als korrekte semantische Definition des Aus-drucks "wahre Aussage" gelten z11 lassen, welche auf przise Weise die Intention der Formulierung (1) realisiert, und sie deshalb als zufriedenstellende Lsung des uns hier interessie-renden Problems anzuerkennen.-. Im Grunde genommen ist jedoch die Sache keineswegs so einfach: sobald wir die Bedeu-tung der in () und (6) auftretenden Anfhrungsnamen zu analy-sieren beginnen, bemerken wir eine Reihe von Schwierigkeiten und Gefahren.

    Die Anfhrungsnamen kann man so wie einzelne v;,r orte einer Sprache behandeln, also so wie syntaktisch einfache Ausdrcke; die einzelnen Bestandteile dieser Namen - die Anfhrungszeichen und die in den Anfhrungszeichen stehenden Ausdrcke - erfllen dieselbe Funktion, wie die Buchstaben oder die Komplexe der aufeinanderfolgenden Buchstaben in den_ einzelnen Worten, sie besitzen also in diesem Zusammen~ hang keine selbstndige Bedeutung. Jeder Anfhrungsname ist dann ein konstanter Einzelname eines bestimmten Aus-

    6) Diese Tatsache knnte man z. B. auffolgende Weise formulieren: (5') fr ein beliebiges x - wenn x eine wahre Aussage ist, so

    ist - [t ein gewisses p - x mit "p"' identisch; aus den Prmissen (5) und (5') kann man den unten angefhrten Satz () als Konklusion ableiten.

  • [13J Der WahrheitsbegrHl' 273

    druoks (nmlich dAs in Anfhrungszeichen gefassten Aus-drucks), und zwa.r ein Name von demselben Charakter wie die

    }~igennamen der Menschen; so bezeichnet z. B. der Name ,.,pt'"' . " einen der Buchstaben des Alphabets. Bei dieser Interpretation,

    wlche nb. die natrlichste zu sein und der gewhnlichen Ge1rauchsweise der Anfhrungszeichen vollkommen zu ent-;.;preC'hen scheint, sind Teildefinitionen vom Typus (3) fr irgend welche vernnftige Verallgemeinenlugen nicht verwendbar. Keineswegs kann die Anssago (5) bzw. (6) als eine solche Verallgemeinerung gelten: bei Anwendung der sog. Einsetzungs-regel auf (5) haben wir nmlich kein Recht, irgend etwas fr den Buchstaben nP", WPlcher als Bestandteil eines Anfhrungs-namens auftritt, einzusetzen (so wie es uns nicht erlaubt ist, irwmd etwas fr den Buchstaben "w" in dem Worte 'flwahre" einzusetzen). Daher erhalten wir als Konklusion nicht (3), sondern folgende Aussage: "p" ist eine wahre Aussage dann 1m.d nur dann, wenn es .'Whneit. Man ersieht bereits hieraus, dass rlie Aussagen (5) und (6) keine Formulierungen jener Gedanken sind, die wir ausdrcken mchten, uncl dass sie sogar offenbar unsinnig Rind. Die Aussage (5) fhrt sogar sofort zu einem \Viilerspruch, denn man kann aus ihr, neben der oben angegebenen Konsequenz, ebenso leicht die ihr widersprechende Kon.'1equenz ableiten: ,;P" i.~t eine wahre Aussage dann und nur dann, wenn es nicht schneit. Die Aussage (6) allein fhrt zwar zu keinem Widerspruch, es folgt aber aus ihr der offenbar wirlersinnige Schluss, wonach der Bnchstabe '!lp" die einzige wahre Aussage wre.

    Um obigen Betrachtungen grssere Klarheit zu verleihen,, wollen wir die Bemerkung hinzufgen, dass man bei dieser Auffassung der Anfhrungsnamen dieselben berhaupt aus der Sprache eliminieren und sie berall z. B. durch entsprechende iltrukturell-deskriptivo Namen ersetzen kann. \VTenn wir jedoch die fr solche Namen konstruierten Erklrungen vom Typus (2), 7., B. die Erklrung (4) betrachten, so sehen wir keinen Weg, der zur Verallgemeinerung dieser Erkl.rungen fhrt; ersetzen wir andrerseits in (5) oder (6) den Anfhrungsnamen 11 p"" durch

    " den umfangsgleichen strukturell-deskriptiven Namen rJPell (bzw. ndaB TVo1't, das aus dem einzigen Buchstaben Pe besteht"), so wird der \Vidersinn der so erhaltenen Formulierungen sofort in d.ie Augen springen.

  • 274 .A.lfred Tal'.Um den Sinn der Stze (5) und (6) zu retten, mssen wir zu einer ganz anderen Interpretation der Anfhrungsnamen greifen. Diese Namen mssen wir schon als syntaktisch zusam-mengesetzte AusdrUcke behandeln, deren syntaktische Bestand-teile sowohl die A nfii.hrungszeichen wie auch die darin .ste-henden Ausdrcke sind. Nicht alle Anfhrungsausdrcke sind dann konstante Namen: der in (5) und (6) auftretende Aus-druck "p~.~.u muss z. B. als Funktion angesehen werden, deren

    " Argument eine Aussagevariable ist und deren Werte konstante Anfhrungsnamen von Aussagen sind; eine solche Full.ktion wollen wir als Anfhrungsfunktion bezeichnen. Die Anfh-rungszeichen werden so zu selbstndigen Worten ans dem Ge-biete der Semantik, die der Bedeutung nach dem Worte "Name" nahe stehen und in syntaktischer Hinsicht die Rolle von Funk-toren spielen 1). Es entstehen dann neue Komplikationen. Der Sinn der Anfhrungsfunktion und der Anfhrungszeichen selbst ist nicht gengend klar. Jedenfalls sind es keine exten-sionalen Funktoren: die Aussage "fr beliebige p und q -ist p dann und nur dann, wenn q, so ist nP" identisch mit ,,quu. steht ohne Zweifel in krassem Widerspruch zur blichen Verwendungsweise der Anfhrungszeichen. Schon aus diesem Grunde wrde die Definition (6) fr Alle unannehmbar sein, die konsequent d-en Gebrauch intensionaler Funktoren vermeiden wollen und sogar der Meinung sind, eine tiefen>. Analyse mache es unmglich, solchen Funktoren irgend welchen przisen Sinn zuzuschreiben 8). Der Gebrauch der Anfhrungsfunktion setzt nns ferner der Gefahr aus, in verschiedene semantische Anti-

    7) Funktoren nennen wir solche Worte wie "liest" in dem Ans-druck "x liestu (ein aussagebildender Funktor mit einem lndivi!luen-namen als Argument), 11sieht" in dem Ausdruck 11 X sieht y" (ein au!'sage-bildender Funldor mit zwei Namenargumenten \ 11 Vater" in dem Ausdruck 1,der Vater des x'' (ein namenbildender Funktor mit einem Namen-argument), "oder'' in dem Ausdruck "p oder q" (ein aussagebildender Funktor mit zwei Aussageargumenten); die Anfhrungszeichen sind ein Beispiel fr einen namenbildenden Funktor mit einem AusRage-argument. Der Terminus 1,Funktor" stammt von T. KotarbillHki, die Termini 11 aussagebildender Fnnktor" und "namenbildender Fnnktor" -von K. Ajdukiewic?.; vgl. AjdukiewicZ:t, S. 16 und 147.

    ~)__.Das schwierige Problem der Extensiona.litt werde ich hier nicht pher bl(sprechen;_vgl, zu dieser Frage Carnap1, wo die Literatur des

  • [15] Der Wahrheitsbegriff 275

    nomien, z. B. in die Antinomie des Lgners verwickelt zu werden. Das gilt sogar fr den Fall, dass wir - weitgehende Vorsicht walten lassend - nur von den fast evident scheinen-den Eigenschaften der besprochenen Funktionen Gebrauch machen. Im Gegensatz nmlich zu derjenigen Fassung der Antinomie des Lgners, die wir oben kennen gelernt haben, kann man die betrachtete Antinomie ganz ohne Anwendung des Ausdrucks "wahre Aussage" formulieren, indem man die Anfhrungsfunktionen mit variablem Argument einfhrt. Eine Skizze dieser Formulierung soll angegeben werden.

    Das Symbol "c" sei eine typographische Abkrzung des Ausdrucks r~die auf dieser Seite, Zeilen 14 'und 15 von oben gedruckte Aussage". \1\''"ir nehmen folgende Aussage in Betracht:

    fr ein beliebiges p - ist c mit der Aussage ",p~' iden tisch, so nicht p (falls wir (6) als Definition der Wahrheit annehmen, so besagt obige Aussage, dass c kC'ine wahre Aussage Rei).

    Wir stellen empirisch fest: (a) die Aussage ."fr beliebiges p - ist c mit der Aus

    sage "p" identisch, so nicht p'' ist mit c identisch. A usserdem machen wir nur eine einzige ergnzende Vor-

    aussetznng, welche sich auf die Anfhrungsfunktion bezieht und keinen Zweifel zu erregen scheint:

    ((I) fr beliebige p und q - ist die Aussage ,p" mit der Aussage ",q" identisch, so p dann und nur dann, wenn q.

    Aus den Prmissen (a) und () leiten wir mit Hilfe ele-mentarer Gesetze der Logik leicht einen Widerspruch ab.

    Nur nebenbei mchte ich noch auf andere Gefahren auf-merksam machen, denen uns die konsequente Anwendung obiger Interpretation der Anfhrungszeichen aussetzt - nmlich auf die Mehrdeutigkeit gewisser Ausdrcke [so muss z. B. der Anfhrungsausdruck, welcher in (5) und (6) auftritt, in ge-wissen Situationen als Funktion mit vernderlichem Argument betrachtet werden, in anderen dagegen ist er ein konstanter

    Problems angegeben ist, und besonders Whitehes.dRussell1 Vol. I., S. GW---(i66. Man muss beachten, dass man mit den Termini 71extensional" und "intensional"' gewhnlich die aussagebildenden Funktoren be;-;eichnet, wlihrend sie im Texte anf die Anfh:iungszeichen, also aufnamenbildende l!'unktoren angewendet werden.

  • 276 A1frtHl Ttl.l'ski [16]

    Name" welcher einen Buchstaben des Alphabets bezeichnet]; ferner auf die Notwendigkeit,, gewisse spraehliche Konstruk-tionen zuzulassen; deren bereinstimmung mit den Grund-ges-etzen der Synta.x mindestens %Weifelhaft ist1 z. B. sinn-volle Arudrcke, welche als syntaktische Bestandteile sinnlose Ausdriicke enthalten (als Beispiel kann jeder Anfhrangsnamo eines sinnlosen. A usdrncks dienen). - Aus allen diesen Grnden scheint sogar bei der neuen Auffassung der A.nfhrungs~ zeichen die Korn'lktheit der Definition () stark erschtitt,ert zu sein.

    Die bisherigen Erwgungen berechtigen uns jedenfalls zur Feststellung, dass der Vers11ch, eine korrekte s:eman tische Dofinition des Ausdrucks :r,wahre Aussage~ aufzubauen) auf WesentUche Schwierigkeiten s t s 8- t~ \Vir kennen nicht einmal eine allgeme-ine. M-ethode, die es: un;; gestatten wrde) die- Bedeutung eines boliebigen kon~ kre.ten Ausdruck-s vorn Typus "x i,;;t eine wahro Aussage" 1 wo an Stelle von "z'-' irg~nd ein Einzelname einer Aussage steht.) zu przisieren. Die an den Beispielen (B) und (4) illustrierte Methode lss-t uns in solchen Situationen im St.ich, in welclwn wir fr einen gegebenen Namen einer Aussage nicht diE' durch diesen Namen bezeichnete Anssrtge aufzeigen ln1nnen (als Beispiel eines solchen Namens kann z. B. ),die erste .Aus-sage, welche im ,Jahre 20()0 gedruckt. sein wird" dienen); W(;llten wir aber in einem solchen ]'alle zu. der Konstruktion) die bei der Formulierung der Definition (G) verwendet wnrde1 Zuflucht nehmen, ~o wrden wir uns allen den Verwicklu1lgen aussetzen, von denen oben die Rede war.

    In dieser Sachlage drngt. sich der Gedanke auf1 bei der Lsung unseres Problems zu anderen lfethoden. zu greifen. Ich '\\"111 hier nur auf einen derartigen Versuch aufmerksam rnachen, nrrJich auf den V-ersuch1 E'jne strukturelle Defi-nition zu kon,'{truieren. Das allgemeine Schema dieser Defi~ nition wrde Rich annhernd folgendermassen darstellen; eine. wahre Aussage ist ebw A u.ssage, 'we.lehe die un.d die struktureJlen Eigenschaften (tl, i. Eigenschafton1 '\Volche die (}estu.lt und Aufeinanderfolge der ein~elnen Bestaniltcile des Ausdrucks OOtre:ffen) besitzt oder welche man aus so und so strukturell beschriebenen Ausdrcken mit Hilfe der "nd der sl1''11.kturelkn

  • [17J

    (]'mJorrnungen gewinnen kann. Als Ausgangspunkt knnen hier zah lroicho a tlS der formalen Logik geschpfte Gesetze dienen, welche aas gewissen strukturellen Eigenschaften der Aussage a-nf ihre \Vahrheit bzw. Unwahrheit oder aus der \\Tahrheit hzw. Unwahrheit gewisser Aussagen auf analoge Eigenschaften anderer Aussagen, die man aus den gegebenen Aussagen n:it Hilfe dieser oder jener strukturellen Umformungen erhalten kttnn1 zu schlie.ssen gestatten. Hier einige triviale Beispiele solch0r Gesetze: jede?* .Attsdruelc, der aus trier Teilen besteht, 1x;n drmen den mwten das fV O'rt "wenn 14 , den dritten dcu; fV orl nso", den mneiten und den vierten dieselbe Aussage bildet, ist elne wahre A -u._

  • 278 Alfred Tars ki [18]

    bauen, stsst - auf die Umgangssprache ange-wendet - auf Sch,vierigkeiten, die wir nicht berwinden knnen.

    Das Scheitern der bisherigen Versuche fhrt von selbst auf die Vermutung, dass das hier betrachtete Problem sich berhaupt nicht in befriedigender Weise lsen lsst. Man kann sich tatschlich auf gewichtige Argumente allgemeiner Natur berufen, welehe diese Vermutung nahelegen und welche ich hier nur kurz besprechen werde.

    Ein charakteristisches Merkmal der Umgangssprache (im Gegensatz zu verschiedenen wissenschaftlichen Sprachen) ist ihr U niversalism.us : es wre mit dem Geiste dieser Sprache unvereinbar, wenn in irgend einer anderen Sprache "''"orte oder Ausdrcke auftreten wrden, die man nicht in die Umgangs~ sprache bersetzen knnte; ,., wenn man berhaupt ber irgend etwas sinnvoll sprechen kann, so kann man darber auch in der Umgangssprache sprechen". Dieser Universalistischen Ten-denz der Umgangssprache in Bezug auf semantische Unter-suchungen folgend, mssen wir konsequenterweise in die Sprache neben ihren beliebigen Aussagen und anderen Ausdrcken auch die Namen dieser Aussagen und Ausdrcke, weiterhin die Aussagen, welche diese Namen enthalten, ebenso solche semantische Ausdrcke wie "wahre Am'lsageu, "Nameu, "be-zeichne-nu u. s. w. aufnehmen. Andrerseits ist eben dieser Universalismus der Umgangssprache im Gebiete der Semantik vermutlich die wesentliche Quelle aller sog. semantischen Antinomien, wie der Antinomie des Lgners oder der hetero-logischen Worte ; diese Antinomien scheinen einfach ein Beweis dafr zu sein, dass sich auf dem Boden jeder Sprache, welche im obigen Sinne universal wre und fr welche hiebei die nor-malen Gesetze der Logik gelten sollten, ein Widerspruch ergeben muss. Dies betrifft besonders jene Formulierung der Antinomie des JA\gners, welche ich Seite [10] und [11] ange-geben habe und welche keine Anfhrungsfunktion mit variablem Argument enthlt. \Venn wir nmlich il.io Antinomie in obiger Formulierung analysieren, so gewinnen wir die berzeugung, dass keine wiederspruchsfreie Sprache existieren kann, fr welche die gewhnlichen Gesetze der Logik gelten und die zugleich folgende Bedingungen erfllt: (I) neben einer belie-

  • [19] Der Wahrheitsbegrift' 279

    bigen Aussage, welche in der Sprache auftritt, gehrt auch ein gewisser Einzelname dieser Aussage zur Sprache; (Il) jeder Ausdruck, der aus (2) durch Ersetzung des Symbols '!'Jp" durch eine beliebige Aussage d.er Sprache und des Symbols "x" -durch einen Einzelnamen dieser Aussage entsteht, soll als wahre Anssage dieser Sprache anerkannt werden i (ill) in der betrachteten Sprache lsst sich eine empirisch begrndete und mit (a) gleichbedeutende Prmisse formulieren und als eine wahre Aussage anerkennen 9).

    Sind obige Bemerkungen richtig, so scheint selbst die Mglichkeit eines konsequenten und dabei mit den Grundstzen der Logik und dem Geiste der Umgangssprache bereinstimmenden Gebrauchs des Ausdrucks "wahre Aussage" und, was daraus folgt, die Mglichkeit des Aufbaus irgend welcher korrekten Definition dieses Ausdrucks sehr in Frage gestellt.

    2. Formalisierte Sprachen, insbesondere die Sprache des Klassenkalkil!s.

    Den Versuch einer Lsung des besprochenen Problems in Bezug auf die Umgangssprache gebe ich also aus den im 1 dargelegten Grnden auf und beschrnke mich im weiteren Verlaufe der Untersuchung ausschliesslich auf die formali-sierten Sprachen 10). Ich knnte sie ungefhr als solche (knstlich konstruierte) Sprachen charakterisieren, in denen

    ~)Die Antinomie der heterologischen -Worte (die joh hier nicht dar-stellen werde- vgl. Grelling-Nelson1, 8. 307) bertrifft die Antinomie des l~gners insoweit an Einfachkeit, als in ihrer Formulierung keine empirische Prmisse auftritt, die() analog wre; sie fhrt auch zu einer entsprechend strkeren Schlussfolgerung: es kann keine widerspruchsfreie Sprache geben, welche die blichen Gesetze der Logik beibehlt und zwei gewisse Bedingungen erfllt, die (I) und (II) analog sind, sich aber von jenen Uadurch unterscheiden, dass in ihnen nicht von Aussagen, sondern von Namen und l'lkht von der Vtahrheit der Aussagen, sondern von der R.elation des Bezeichnens die Rede ist.

    IO) Die fr formalisierte Sprachen gewonnenen Ergebnisse haben auch in Bezug auf die "Cmgangssprache eine gewiflse Geltung und zwar da.nk dem Universalismus der letzteren: indem wir eine beliebige Defini-tion einer wahren Aussage, die fr diese oder jene formalisierte Sprache

  • 280 Alfred Tarski [20]

    der Sinn jedes Ausdrucks durch seine Ge13talt eindeutig bestimmt ist. Ohne eine vllig erschpfende und przise Beschreibung zu versuchen, die wohl mit grossen Schwierigkeiten zu kmpfen htte, werde ich hier auf einige wesentliche Eigenschaften aufmerksam machen, welche die aktuell bekannten formali-sierten Sprachen besitzen. Und zwar: ( a) fr jede dieser Sprachen gibt man an oder beschreibt (strukturell) smtliche Z e i ehe n, aus denen die Ausdrcke der Sprache gebildet sind; () unter allen mglichen Ausdrcken, die aus diesen Zeichen gebildet werden knnen, sondert man mit Hilfe rein struktureller Eigenschaften diejenigen aus, die als Aussagen bezeichnet werden. Ferner konstruiert man die formalisierten Sprachen, wenigstens bis jetzt, ausschliesslich zu dem Zwecke, um auf ihrem Boden formalisierte deduktiye Wis:-;en-s c haften zu betreiben; die Sprache wchst mit der \Vissen-schaft zu einem Ganzem zusammen, so dass man von der Sprache dieser oder jener fonnalisierten deduktiven Wissenschaft spricht, anstatt von dieser oder jener formalisierten Sprache zu reden. Darum treten, im Zusammenhang mit der Art, wie deduktive Wissenschaften ! aufgebaut werden, weitere charakteristische Eigenschaften der formalisierten Spraphen auf. Und zwar: (y) gibt man an oder beschreibt strukturell eine Kategorie von Aussagen, welche man Axiome oder Grundstze nennt; (0) in speziellen Regeln, den sog. Schlussregeln, hebt man gewisse Operationen von strukturellem Charakter hervor, welche die Umformung von Aussagen in andere Aussagen ermglichen, wobei die Aussagen, welche man aus gegebenen Aussagen durch ein- oder mehrmalige Anwendung dieser Operationen gewinnen kann, Folgerungen aus den gegebenen Aussagen genannt werden; insbesondere werden die Folgerungen aus den Axiomen als beweisbare oder anerkannte Stze bezeichnet 11).

    konstruiert wurde, 'in die UmgaugsE'lprachc berset!'len, erhalten wir ei.ne fragmentarische Definition der W~thJ;heit, welche eine weitere oder engere Kategorie von Aussagen umfasst.

    11) Die Formulisierung einer Wissenschaft lsst gewhnlich die M~ glichkeit der Einfhrung neuer Zeichen in die -Wissenschaft zu, die anfa11gs explicite nicht angegeben worden sind. Dies Zeichen - definierte Zeichen genannt (im Gegensatz zu den Grundzeichen)- erscbeinen zum erstell Mal in der Wissenschaft in AusdrUcken von spezieller Struktur, de11 sog. Definitionen, welche man auf G-rund besonderer Regeln -

  • [21] Der \Vahrheitsbegriff 281

    Es erbrigt sich vielleicht hinzuzufgen, dass uns hier nforruale~' Sprachen und Wissenschaften in einem besonderen Sinne des 'Vortes "formal ~ gar nicht inten,.,ssieren, nmlich solche Wis:senschaften, deren Zeichen und Ausdrcken kein inhaltlicher Sinn zukommt, Fr solche "\Vissenschaften ver-liert das hier besprochene Problem jede Relevanz, ja es wird hier geradezu unverstiindlich. Den Zeichen, die in den hier betrachteten Sprachen auftreten, schreiben wir immer ganz konkrete und fr uns verstndliche Bedeutungen zu 12). Die Ausdrcke, die wir Aussagen nennen, bleiben Anssagen auch nach der bersetzung der in ihnen auftretenden Zeichen in die Umgangssprache; Aussagen, die als Axiome ausgoztlichnet, wurden, scheinen uns inhaltlich wahr zu sein; boi der \Vahl der Schlussregeln leitet uns stets das Prinzip, dass man auf Grund dieser Regeln, wenn sie auf wahre Aussagen angewendet werden, zn neuen wahren Aussagen gelangen soll 13 ).

    Im Gegensatz zur Umgangssprache besitzen die formali-sierten Sprachen keineswegs den universalistischen Charakter, von dom am Ende des vorigen Paragraphen die Rede war. Insbesondere enthlt der grsste Teil dieser Sprachen ber-haupt keine Tormini aus dem Gebiete der Lehre von der Sprache, also z. B. keine Ausdrcke, die Zeichen und Ausdrcke dersBlbe,n oder ei11er anderen Sprache bezeichnen oder die zwischen ihnen bestehende Strukturzusammenhnge beschrei-ben (solche Ausdrcke werde ich in Ermangelung eines besse-ren Terminus strukturell-deskriptive nennen). Darllm mssen wir immer, wenn wir die Sprache einer formalisierten deduktiven \Vissenschaft untersuchen, zwischen der Sprache,

    der Definitionsregeln- konstruiert. Die Definitionen werden manch-mal als anerkannte Sii.f.ze da Wissenschaft botrac.lJtnt. Dieses Moment der Formalisiorung einer Sprache werde ich im weiteren Verlaufe nicht in Betracht ziehen.

    12) Genau genommen betrifft dies einzig die sog. Konstanten. Va~ 1iable und technische Zeichen (wie Klamme-rn, Punkte u. H, w.)' besitzen kt-oi11e selbstndige Bedeutung; sie ben dagegen einen wesentlichen Ein-Tim;;.; anf die Bedeutung der Ausdriicko aus, deren BestandteHe sie sind.

    13) Schliesslich wer!len difl Definitionen so kon1-1truiert, Jass sie die Bedeutung der Zeichen, welche in die Sprache eingefhrt weTden, mit Hilfe vou Grundzeichen und bereits definierten Zeichen erlutel"n oder bestimmen (vgl. 11)).

  • 282 AlfreU Ta.rski [22]

    von der wir sprechen, und der Sprache, in der wir sprechen, sowie auch zwischen der Wissenschaft, die Gegenstand der Betrachtung ist, und der Wissenschaft, in der die Betrachtung angestellt wird, deUtlich unterscheiden. Die Namen der Aus-drcke der ersten Sprache und der zwischen ihnen bestehenden Relationen gehren schon zu der zweiten Sprache, der sog. Meta s pr ac he (welche brigens die Grundsprache als Fragment enthalten kann); die Beschreibung dieser Ausdrcke, die Defi-nition der komplizierteren ~ und zwar besonders der mit dem Aufbau einer deduktiven Wissenschaft verknpften - Begriffe (wie des Begriffs der Folgerung, des beweisbaren Satzes, ev. der wahren Aussage), die Bestimmung der Eigenschaften dieser Begriffe ist schon die Aufgabe der zweiten Wissenschaft, die als Metawissenschaft bezeichnet wird.

    Fr eine recht umfangreiche Gruppe von formalisierten Sprachen kann man eine Methode angeben, welche die Kon-struktion korrekter Definitionen der wahren Aussage fr jede einzelne dieser Sprachen ermglicht. Die allgemeine, abstrakte Beschreibung dieser Methode und der Sprachen, auf welche sie Anwendung findet, wrde recht beschwerlich und nicht beson-ders bersichtlich sein. Ich ziehe es daher vor, den Leser auf einem anderen Wege mit dieser Methode bekannt zu machen : ich werde nmlich eine Definition dieser Art in Bezug auf eine ganz konkrete Sprache bilden und zugleich ihre wichtig-sten Konsequenzen darlegen; die Fingerzeige, die ich sodann im 4 dieser Arbeit geben werde, werden - so glaube ich -:in hinreichendem Maasse belehren, w:ie man die- an diesem Beispiele veranschaulichte Konstruktionsmethode auf andere Sprachen von einem hnlichen logischen Bau anwenden kann.

    Als Objekt meiner Betrachtungen whle ich die Sprache einer usserst einfachen und dem Leser sicherlich gut bekann-ten deduktiven \Vissenschaft, nmlich des Klassenkalk 1 s. Der Kl!1ssenkalkl ist - wie bekannt - ein Teilstck der mathematischen Logik und kann als eine der Interpretationen ener nformalen" \Vissenschaft1 die gewhnlich A 1 g e b r a der

    Logik genannt wird, aufgefasst werden 14).

    H) Vgl. Sehrder1, I. Bd. (besonders S. 160-163) und. \.Vhi te-head-Russell1, Vol. I., K 205-212.

  • [23] Der Wahrheitsbegriff 283

    Unter den Zeichen, aus denen die Ausdrcke der betrach-te~en Sprache bestehen, unterscheide ich zwei Arten: K o n-s t an t e und Variable 15). Ich fhre nur vier Konstante ein : das Negationszeichen nN", das Zeichen der logi-schen Summe (Alternative, Disjunktion) nA", das All z ei ehe n "!I.'-' und endlich das Inklusion sz e i ehe n "I" 16). Diese Zeichen, betrachte ich als beziehungsweise gleich-bedeutend mit den Ausdrcken der Umgangssprache "nicht", 71 oder", "fr ein beliebiges" (in dem Sinne, in welchem dieser Ausdruck z. B. in Aussage (6) des 1 verwendet wurde) urid "ist in ... enthalten". Als Variable knnte man prinzipiell ganz beliebige Symbole verwenden, wenn nur ihre Anzahl nicht im Vorhinein begrenzt ist und wenn sie ihrer Gestalt nach sich von den Konstanten unterscheiden. Fr den weiteren Verlauf der Betrachtungen ist jedoch die genaue Angabe der Gestalt dieser Zeichen, und zwar in solcher Weise, dass man diese Zeichen leicht in eine Folge anordnen (abzhlen) kann, technisch wichtig. Ich verwende also hier als Variable ausschliesslich solche Symbole wie "x,", "z11 u, "x11 ,u und analoge Zeichen, die aus

    1 ~) Dagegen vermeide ich es, indem ich mir eine Bemerkung von Lukasiewicz nutzbar mache, hier in die Sprache irgend welche technische Zeichen (wie Klammern, Punkte u. s. w.) einzufhren, und dies hauptschlich dank dem Umstande, dass ich in jedem sinnvollen

    Ausdru(~ke die Funktoren stets vor die Argumente stelle; vgl. fJuka-siewiczl, insbesondere S. V u. 40.

    16) In dem Klassenkalkl treten gewhnlich noch viele andere Kom.tante auf, z. B. das Existenzzeichen, die Zeichen der Implikation, des logischen Produkts (der Konjunktion), der quivalenz, der Gleich-heit sowie des Komplements, der Summe und des Produkts von Klas-sen "); darum Hisst sich in der bett-achteten Sprache - formal genom-men - nur ein BruchstUck des Klassenkalkls begrnden. Es ist aber zu bemerken, dass alle Konstanten des Klassenkalkls in diese Sprache als definierte Termini eingehen knnten, wenn wir die Formalisierung der Sprache vervollstndigten, indem wir die Einfhrung neuer 7.AJichen mit Hilfe von Definitionen 11) ermglichten; dank diesem Umstande genilgt schon unsere fragmentarische Sprache, um jeden Gedanken auszu-drcken, der in der vollstndigen Sprache der betrachteten Wissenschaft fmmuliert werden kann. - Ich bemerke noch, dass man aus der betrach-tet-en Sprache sogar das Zeichen der Inklusion "I" eliminieren kann, Cndem man die Ausdrcke vom 1'ypus "xy'' (wo anstatt "x" und "y'' beliebige Variable auftreten) so interpretiert, wie wir im weiteren Verlauf den Ausdruck "Ixy" interpretieren werden.

  • 2&1 Alfrod Tarski [241

    dem Symbol nx" n.nd ein'cr AnZahl kleiner, unton Striche bestehen. Das Zeichen, welches k kleine unten ange~ fgte Striche enth-lt (wo k Pine beliebige natrlichei von 0 vorsohicdene Zahl i;;;t) 1 soll Varia blo Jthr Gestalt heissen, In der inhaltliehen InterprBt.ation der Sprache: die ich hier stets im Auge habc1 reprsentieren tiitl Variablen immer Namen von Klassen von Individuen. Als Aus d r o k e dor Sprache treten teils einzelne Konstante und Variable, teil~ Komplexe solcher aufeinanderfolgenden Zeichen auf) z. B, "x,.~.Y:r,;", ,.,Nix, X11 ~,~. 1 ,1AlX,X11 lX 0 Z/.:., 't't{Ja;,, 1,llx1 1X11 Z 11 /J.; 'nlx11 ::c11 / u. s. w, Ans~ drcke vom Typus "1Yp'ri. 1 r:Apqu. 1 rJixp" und r:h:y'"-, wo an Stelle von ,.p" und nq" beliebige Aussagen oder Aussage-funktionen (di Bedeutung dieser Termini wird uuten erklrt werrlen) und an Stelle von nx'" und "y beliebige Variable auftreten, leseil wir beziehungsweise: "nichtp" oder "es ist nicht wahrt das~ p"' 17), ;;P oder q'J., 1~fr oine beliebige Klasse X.Pu und "die Klasse x ist in der Klasse y enthalten". Von znqam-mengeRetzten Ausdrcken, d. i. soleheut die keine Z.eiche11 sindt kann man behaupten, dass sie aus ZWf>i oder meh-reren anderen, einfacheren .Ausdrcken bestehen; so besteht z. B. der Ausdruck nNl:t1 X 11 :' aus den .zwei aufeimmder-folgenden Ausdrcken "N::. und "lX1 Z11 r.:. oder aus den Aus-drcken n,NJ'', und n,'t1 Xu" oder endlich aus den Ausdrcken nNix," und ,;Z,,r,L:.

    Das eigentliche Gebiet rler folgendem Betr

  • [25] Der \Va.hrheltabegritf 285

    werde, obue ihre Bedeutung im Verlaufe der Untersuchung niiher zu erklren1 nud auf die Aufst.ellnng eines Systems der Axivme1 welche znr Grundlegung der Metn:wissenschttft oder wenigstens zur BegTndung der in dieser Arbeit enthfl.)-

    t~ntm Ergebnisse gengen. Diese beiden Momente stehen in inniger Verbindung mit dern fund:nntmben Problem ummrer trnteTsuchungen: wiirden wir s!e nieht be:rcksichtigDn, so knnten wir weder sinnvoll behaupten, dass es uns gelungen s:ei: irgend einen Begriff allf dem Boden der 1v[eta.sprache konekt rle:finiert zu haben, noch dass die konstruierte Definition diese oder jene Konsequenzen bc~itze. Ich will dagegen hier gu,r nicht versuchen, der Metawissenschaft clen Chara.kter einer streng formalisierten deduktiven Wissenschaft zu verleihen. Ich begnge mich einzig mit clo:>r Bemerkung, cla.ss - ausser den ;?iWei angefl1hrten ~[omenteu der J1rozes,s. der Fornmli~ sierung rler ]\{etawissenicha.ft keine spezifische Eigenart auf-Wist i insbefi!ondere unterscheiden sich die Schluss- und Defi-rtit;ion.sregelu in nichts von den Regeln, die beim A nfba:n anderer formalisierter deduktiver Wissenschaften Anwendung finden.

    Unter dun Ausdrcken der lrfetasprache kaun man zwei Kategorien unterscheiden. Dle erste Kawgorie bilden Aus-drcke von allgemein-logischem Charakter, die

  • 286 A1fl'ed Xa.:rski [26]

    Metasprache fibersetzen knnen; so bildet z. B. die Aussage ,fli r jedes a (bzw. f!lr jede beliebige Klasse a) - aca" die tfbe.rsetzung des Ausdrucks 11 Tfx1 Ix,z/'". Zu derselben Kate-gorie gehrt weiterhin eine Reihe a.na.loger Ausdt'iicke ans dem Gebiete des Auss,.genkalkls, des Funktionenkalkls (Theorie der scheinbaren Variablen) und des Klassenkalkiils1 z. B. "wenn ... , so" 1 "und~.G, "dann und nur dann, wenn", "fr ein gewisses z" (oder "es gibt ein solches X 1 dass.~."'), "ist nicht in .. enthalten" - 3ymbolisch -ur r.ist mit ... identisch" - symboli

  • {271 Der Wahrheitsbegriff 287

    -zweigliedrigeu Relation R gehrt, nur einen Gegenstand x gib~ derart dass xRy, so wird die Relation R eindeutig (oder einmehr d e u t i g) gnannt~ }Jine grosse Rolle wird in unseren Erwgungen der Begriff der Folge spielen. Eine u n end-l ich e Folge ist jede eindeutige Relation, deren Gegen hereich die Kla."se aller natUrliehen Zahlen mit Ausnahme der Null ist; in hnlicherWeise bezeichnetde:r'l'erminus "endliche Folge von n Gliedern" jede eindeutige R-elation! deren Gegenbe-reich aus allen natrhchen Zahlen k besteht~ derart dass 1 ,;: k < n (wo n eine beliebige natrliche, von 0 verschiedene Zahl ist). Das einzige .t 1 welches die Formel: x R k (fr eine gegebene Folge R und eine gegebene natrliche Zahl k) erfllt, nennen wir das k" Glied der Polge R oder das Glied der Folge .R mit dem Index k tn:td bezeichnen es mit dem Symbol nR,". Wir sagen, dass die Folgen R und B sich hchstens a.n der _i:tn Stelle unterscheiden, wenn zwei beliebige enLsprechende Glieder die.ser Folgen R 1 und S, identisch sind, hchstens mit Ausnahme de:r kttm Glieder R~. und Sk, welche ver~chieden sein knnen. In clen folgenden Erwgungen werden wir es mit Folgen -von Klassen und von natrlichen Zahlon zu tun haben~ d. i. mit Folgen, deren smtliche Glieder entweder Klassen von Individuen oder natrliche 2'Athlen sind; insbesondere werden wir eine Folge, deren smtliche Glieder Klassen sind, die in einer gegebenen Klasse a enthalt;:n ?lind, eine Folge von 'reilkla.ssen von Klasse a nennen~

    Im Gegensatz zu de:r ersten Kategorie von Ausdrc-ken wird die zweite Kategorie durch_ spezifische Termini der Metasprache von struktnrell-deskripti vem Oha:r a k te r ge-hltdet, also, durch Namen von .konkreten Ze.ichen und Ausdrcken der Sprache des Klassenkalkls, Namen von Klassen, von ~~olgen soleher Ausdrcke und von zwisc.hen ihnen bestehenden strukturellen Relationen. Es gehren hieher in erster Lini-e die Termini :ndas Nega.tionszeichen", "das Zeichen der logischen Summe"1 lldas Allzei-chen"., r,da.s Inklnsionsll.:~ichen"~ "die Variable 7thr Gestalt\ "der Ausdruck, der aus zwei .anfeinand.er-folgenden Ausdrcken :t und y besteht" und "Aus-d ruok"; als Abkrzungen der ersten sechs Termini werde ich beziehungsweise die Symbole "ngu, 11sm": nal", 11in",

  • 288 Alfred Tarski (28]

    "vk" und "x,.... y" verwenden (d~ts Zeichen "v" bezeichnet also eine ]'olge, deren G-lieder die aufeinanderfolgenden -variablen v1 , v2 , v3 ,... sind). Diese Termini habe ich schon frher verwendet - als ich den Leser einleitend in dio Sprache des Kla8tienkalkls einfiihrto; ich hofl:'e, dass dank Cl~=m in dem betreffenden Abschnitte enthaltenen Bemerkungen und Bei-spielen der Sinn der besprochenen Termini keine Zweifel offen liisst. Mit Hilfe dieser Termini (und eventuell der allgemein-logischen Termini) kann man alle anderen Begriffe der J.,'lcta-wissenschaft von strukturell-deskriptivem Charakter definieren. Insbesondere lsst sich, wie leicht zu ersehen ist, fr jeden einfachen oder zusammengesetzten Ausdruck der Sprache, die Gegenstand der Untersuchung ist, in der Metasprache ein individueller Name dieses Ansdrucks von demselben Typus wie die strukturell-deskriptiven Namen der Umgangssprache konstruieren (vgl. S. (9] und (10]) j so kann z. B. als Name des Aus-drucks "Nlz 1 :.c 11 "' der symbolische Ausdruck "((ng,-,in),.,v1)nv~/ .. dienen. Der Umstand, dass man jedem Ausdruck (und besonders jeder Aussage) der betrachteten Sprache in der Metasprache einerseits einen individuellen Namen dieses Ausdrucks und andrerseits einen Ausdruck, welcher die bersetztrug dieses Ausdrucks in die Metasprache ist, zuordnen kann, wird eine entseheidenrle Rolle bei der Konstruktion der Definition der Wahrheit spielen, wovon sich der Leser im nchsten Paragraphen berzeugen wird.

    Als Variable werde ich in der "Metasprache die Sym-bole (1) "au, "b"', (2) "f"', "g"', "h"', (3) "ku, "zu, "m", "n", "p'\ (4) "t", "u", "w", "x", "y", 11 z" und (5) "X", "Y' verwenden; sie reprsentieren in dieser Ordnung die Namen: (1) der Klassen von Individuen von beliebigem Charakter Ul), (2) der Folgen von solchen Klassen, (3) der natrlichen Zahlen und der Folgen von natrlichen Zahlen, (4) der Ausdrcke 19) und der Folgen von Ausdrcken und (5) der Klassen von A nsdrcken.

    Wir wenden uns dem Axiomensystem der Metasprache zu. Zunchst bemerke ich, dass dieses System - den zwei Kate-

    19) Trotzdem ich in den Fllen (1) und (4) verschiedene Variable verwende, behandle ih hier die Ausdrcke alt! spazielle Klassen von Individuen, nmlich oJfl Klassen konkreter Schriftzeichenreihen (vgl. l)).

  • (2HJ Der VVahrheitsbegriff 289 gorien von Ausdrcken der :Metasprache entsprechend zwei ganz verschiedene Arten von Aussagen umfasst: einerseHR rlie allgemein-logischen Axiome, die zur Grundlegung eines gengend umfangreichen Systems der mathematischen Logik hinreichen, andrerseits die s p e z i fischen Axiome rl e r .IVf e t a sprach e1 welche gewisse elementare und mit der A m;chaunng bereinstimmende Eigenschaften der oben bespro-ehAnon strukturell-deskriptiven Begriffe beschreiben. Es er-brigt s-ich wohl, die auch sonst gut bekannten Axiome der ersten Art hier explicite anzufhren 20) ; als Axiomtl der zweiten Art kann man z. B. folgende Aussagen annehmen 21 ):

    Axiom 1. ng, sm, al und in sind A-usdrcke; unter diesen tier A usdriicken gibt es keine zwei identischen.

    Axiom 2. v1, ist ein Ausdr1.tek dann und nur dann, UJenn k eine von 0 verschiedene natrliche Zahl ist; vk ist von den Ausdrcken ng, sm, al, in und auch, wenn k g:: l, von jedem dm A u.r;;dr.eke v1 verschieden.

    A x i o m 3. x " y ist ein Ausdruck dann und nur dann, wenn x und y A UlKlrcke sind; x n y ist '/}On den Ausdrcken ng, sm, al, in und 1Jon jedem der A u.sdrcke vk verschieden.

    Axiom 4. Sind x, y, z und t Ausdrcke, so gilt x ~, y = z n t dann und nur dann, wenn eine der folgtmden Bedin-gungen erNlllt ist: ( a) x ~ z und y ~ t; () es gibt einen solchen A u~r;;druck u, dass X = z n u und t = u n y; (y) es gibt einen solche-n Ausdruck u, dass z = X n u und y = u n t.

    Axiom 5. (das Prinzip der vollstndigen In-duktion). Sei X eine Klasse, welche folgende Bedingungen erHtllt: (a) ngeX, srneX, aleX und inEX; () ist k eine vnn 0 'lJCrschiedene natrliche Zahl, so vk e X; (y) ist x e X und y e X, so auch x ,... y e X. Dann gehrt jeder Ausdruck zur Klasse X.

    Der inhaltliche Sinn der Axiome 1-4 bedarf keiner nhe-ren Erluterungen; im Axiom 0 findet der TJmRta,nd 1 dass jeder

    20) Man knnte sie wieder dem Werke "\Vhitehead-Russell1 ent-Iwhmen (vgl. 1S)).

    ~ 1 ) Soviel mir bekannt ist, ist. bisher die Metawissenschaft niemals in der Form oines axiomatisierten Systems dargestellt worden.

  • 2[)0 Alf'red Tart~ki (30]

    Ausdruck aus einer endlichen Anzahl von Zeichen besteht, eine przise Formulierung.

    Man knnte nachweisen, dass obiges Axiomensystem kate-gorisch ist; dieser Umstand garantiert uns in einem gewissen Grade, ilass es ein gengendes Fundament fr den Aufbau der Metasprache bildet 22).

    Manche von den angegebenen Axiomen haben einen aus-gesprochen existentialen Charakter und ziehen weitere Folge-rungen derselben Art nach sich. Unter diesen Folgerungen verdient die Behauptung beachtet zu werden, die besagt, dass die Klasse aller Ausdrcke unendlich (genauer- abzhl bar) ist. Unter dem Aspekt anschaulichen Denkens scheint iliose Aus-sage zweifelhaft und jedenfalls wenig evident zu sein, weshalb das ganze Axiomensystem einer ernsten Kritik unterzogen werden kann; bei genauerer Analyse wrde sich brigens diese Kritik aussschlicsslich auf die Axiome 2 und 3 als die wesentli-chmt (luellen des Infinitismus in der Metawissenschaft be-schrnken. Dieses schwierige Problem will ich hier nicht nher errtern 23). Man knnte freilich alle erwhnten Konsequenzen

    22) Den Terminus 11kategorisch" gebrauche ich im Sinne 0. Ve blen's (vgl. Veblenll S. 346). warum ich in der Kategoro:itt eines Axiomen-systems eine objektive Garantie dafr sehe, dass das betrachtete System zur Grundlegung der entsprechenden deduktiven Wissenschaft gengt, beabsichtige ich nicht nher auszufhren j eine Reihe von Bemerkungen zu dieser Frage enthlt Fraenkel1, S. 347-391.

    In der Interpretation des Terminus "kategorisch" herrschen ge-wisse, brigens nicht besonders bedeutende Meinungsverschiedenheiten. Ohne darauf nher einzugehen, bemerke ich, dass bei einer von den mglichen Interpretationen der Beweis, dass das System kategorisch ;t, die Hinzufgung zweier weiterer Axiome zu dem im Texte angegebenen Axiomensystem der Metawissenschaft erfordern wrde. In diesen Axiomen, die sonst ohne grssere Bedeutung sind. \.Vrde die spezifische Auffassung der Ausdrcke als Klaso;en (vgl. 5)) zu Tage tret.en: das eine Axiom wrde besagen, dass zwei l1eliebige Ausdrcke disjunkte Klassen sind (d. h. keine gemeinsamen Elemente besitzen\ im zweiten wrde - in irgend einer 'V eise - die Zahl der Elemente jedes Ausdrucks festgesetzt werden.

    13) Es kommen hjer z. B. folgende recht subtile Momente jn Frage. Normalerweise fasst man die Ausdrcke als Produkte menschlicher T-tigkeit (bzw. als Klassen solcher Produkte) auf; bei dieser Auffassung scheint die Vermutung, dass es unendlich viele Ausdrcke gibt, ein offen bar(lr Lnsinn zn sein. Es bietet sich aber die Mglichkeit einer ander(ln Interpretation deH Terminus "Ausdruck": man knnte nmlich als Aus~

  • (31] Der Wahrheitsbegriff 291

    vermeiden, wenn man die Axiome in gengendem Grade von den existentialen Voraussetzungen befreien wrde. Man muss jedod1 den Umstand in Betracht ?.iehen, dass die Eliminierung oder Abschwchung eben dieser Axiome, welche die Existenv; aller mglichen Ausdrcke garantieren, den Aufbau der Meta->vissenschaft ungemein erschweren, eine Reihe der gebruch-lichsten Schlussfolgerungen unmglich machen und dadurch betrchtliche Komplikationen in der Formulierung der Defi-nitionen und Behauptungen nach sich ziehen wrde; dies tritt sogar - wie wir uns spter berzeugen werden - innerhalb der vorliegenden Untersuchungen zu Tage. Aus diesen Grnden lohnt es sich, die Betrachtung wenig,;;tens: provisorisch auf das ange-gebene Axiomensystem in seiner primren nnabgeschwchten Go.'ltalt zu sttzen.

    Unter Bentzung der vo:rher aufgezhlten Ausdrcke und Symbole der Metasprache werde ich nunmehr jene Begriffe definieren, welche dem Klassenkalkl den Charakter einer formalisierten deduktiven Wissenschaft verleihen, und zwar die R~griffe der Aussage, des Axioms (des Grundsatzes), der Folgerung und des beweisbaren (oder anerkann-ten) Satzes. Zunchst fhre ich jedoch ~ine Reihe von Hilfssymbolen ein, die zur Bezeichnung verschiedener einfacher r_l_lypen von Ausrlreken dienen und die ferneren Konstruktionen sehr erleichtern.

    Definition 1. x ist eine Inkl,usion mit dem Vor-derglied vk und dem Hinterglied v1 - symbol-isch x = tk, 1 - dann u.nd nu1 dann, wenn x = ("in ,.... v,J " v1

    DcfinUion 2. x ist eine Negation des Ausdruck~

  • 292 Alfred Tarski [32]

    Definition 4. x ist eine logische Summe der Ausdrcke tn t,., ... t" (oder eine logische Summe einer endlichen n-gliedrigen Folget von Ausdrcken) -

    n

    symbolisch x = ~" t" - dann und nur dann, wenn t eine endliche n- gliedrige Folge von Ausdrcken ist, welche eine der fol-genden Bedingungen erfllt: (a) n~ 1 und x~t" ({J) n > 1 und

    n-1 X= .2ktk+ tn 24).

    Definition 5. x ist ein logisches Produkt (eine Konjunktion) der Ausdrcke y und z - symbolisch x = y. z - dann und nur dann, wenn x = Y + Z.

    Definition 6. x ist eine Generalisation fies Aus-drucks y fr die Variable Vk- symbolisch X= n,,Y dann und nur dann, wenn x = (al'"' vk) "y.

    Definition 7. xisteine Generalisation des Aus-drucks y fr die Variablen Vp, 1 vp,, ... vPn- symbolisch

    "- 1

    :r.::iertore logisdw Struktur besitzen1 weniger bersichtlich in Bezug auf ilnen Inhalt nnd zu weiteren Ableitungen minder geeignet sind. Schon aus die[,;en G.rnden beabsichtige ich auch im weiteren Verlaufe nicht, die induktiven Definitionen ~t.u vermeiden.

  • [33] Der "-'T ahrhei tsbegrift 293

    Definition 9. x ist eine Partikularisation des Ausdrucks y fr die Variable v"-syrnbolisehx=Uky-dann und nur dann, wenn X = n "- y.

    Die. Operationen, durch welche wir aus gegebenen Ausdr-cken Negationen, logische Summen und Generalisationen bilden, krmte man beziehungsweise Negieren 1 1 o g i s c h es Ad-dieren und Generalisieren nennen. Wenn wir als Aus-gangspunkt die Inklusionen ,k,l nehmen und an ihnen beliebig oft die genannten Operationen vollziehen, so gelangen wir zu einer umfangreichen Klasse von Ausdrcken, die den Namen Anssagefunktionen tragen. AJs einen Sonderfall eben dieses Begriffes werden wir den Begriff der Aussage erhalten.

    Definition 10. x ist eine Aussagefunktion dann und nur dann, wenn x ein A usd1uck ist, welcher eine der vier folgenden Bedingungen erfllt: (a) es gibt solche natrliche Zahlen k und l, dass .'IJ= t 1c.~; () e8 gibt eine solche Aussage-funktion y, dass x=y; (y) es gibt solche Aussa,qefunktionen y und z, dass X=y+z , (0) es gibt eine solche rw,trliche Zahl k und eine solche Aussagefunktion y, dass X= n k y 25).

    ~5) Die Definition 10 ist eine rekursive Definition von etwas anderem l'ypus als z. B. die Def. 4, denn es fehlt in ihr der bliche "bergang von n-1 zu n". Um diese Definition auf eine gewhnliche induktive Defi-nition zurckzufhren, msste man den Ausdruck "x ist eine Aus-sagefunktion des nten Grades'' induktiv definieren (die Inklu-sionen tk, 1 wren dann Funktionen des Qten Grades, die Negationen und die logischen Summen dieser Inklusionen, sowie ihre Generalisationen fr eine LeHebige Variable-Funktionen des tten Grades u. s. w.) und dann einfach feHtstellen 1 dass "x ist eine Aussagcfu.nktion" dasselbe bedeutet wie 11es gibt eine solche natrUohe Zahl n~ dass x eine Ausr~agrfutUdion des nte:n Grades ist". Man knnte auch die Def. 10 in eine ihr quiva-lente normale Definition umformen1 und zwar z. B. in folgender \V eise:

    x ist eine Aussagefunktion darm und nur dnnn, wenn jede I-Gasse X~ welche folgende vier Bedingwngen m'}'llt: (u) sind k und l naliirliche~ von 0 verschiedene Zahlen, so tk, 1 c X; () ist Y8X, so auch YeX; (r) ist y~:X urui zcX1 so auch y+z8X; (0) ist k drne 1'0n verschiedene natrliche Zahl und ist y 8 X, so nk y 8 X -(tuch der Formel: x e X gengt.

    Es soll betont werden, dass die rekursiven Definitionen vom Typus der Def. 10 viel ernsteren methodelogischen Bedenken ausgesetzt sind als gewhnliche induktive Definitionen, denn im Gegensatz zu den letz-teren 1a~sen c1ie Aussagen von diesem Typus nicht immer eine Umformung in quivalente normale Definitionen zu (vgl. 24J). Der Umstand, dass im

  • 2~H Alfred Tar10ki [3+]

    Der Def. 10 gem.ss knnen als Beispiele von Aussago-funktionen die Ausdrcke: rJx,x,,"', nNix,x111 '-', 'r!Alx,:c,,,Ix,,,x,.:u dieser Kategorie. Es ist leicht ersichtlich, das~ wir fr jede Aus-sagefnnkLion der Sprache sozusagen automatisch in der ~ict.asprache einen strukturell-deskriptiven Namen dieser Funktion konstruieren knnen, indem wir uns ausschliesslich der Symbole bedienen, die in den Def. 1, 2, B und 5 eingefhrt worden sind. So z. B. fungieren als Namen der oben als Beispiele an-gefhrten Aussagefunktionen beziehungsweise die symbolischen Ausdrcke: nt 1, 2", 'J"Jt~'-', "t1, 3 + t 3, 1" und "n 1 i~"

    Definition 11. vk ist eine freie (reelle) Variable der Aussagefunktion x dann und nur dann, wenn lc eine von 0 verschiedene natrliche Zahl und x eine Aussagefunktion ist, welche eine von den folgenden vier Bedingungen erfllt: (a) e-S gibt eine solche nat,rliche Zaltll, dass x=tk,l oder x=t 1, 1,; () es gibt e-ine solche Aussa-gefunktion y, dass v" eine f1eie Variable der Funktion y ist und dabei X=y; (y) es gibt solche A ussagefnnlctionen y und z, dass v" eine freie Variable der Aussagefunktion y ist und dabei x=y+z oder mwh x=z+y; (0) es gibt eine solche von k ve1schiedene Zahl l und eine solche Aussagefunktion y, dass v" eine freie Variable der Funktion y ist und dabei X= n1y.

    Variable, die in einer Aussagefunktion auftreten, aber keine freien Variablen dieser Funktion sind, werden gewhnlich gebundene (scheinbare) Variable genannt 211). betrachteten Falle eine solche Umformung rnglid1 ir~t, erklrt sich durch die spezielle Bescha:fl'onheit der in der Definition auftretenden Begrifi'tJ (nmlich dadurch 1 dass jeder Ausdruck aus einer endlichen Anzahl von Zeichen besteht und dass die in den Bedingungen (/J)=(J) angegebenen Operationen immer Yon krzeren zu lngeren Ausdrcken fhren). Wenn ich ti:otzdem in dieser Arbeit mehrmals Definitionen dieser Art an Stelle von ihllen quivalenten normalen Definitionen angebe (Def. 10, 11, 14,22 und 24), so tue ich es deshalb, weil diese Definitionen bedeutende Vorzge ganz anderer Natur besitzen: sie heben den Inhalt der definierten Begriffe klarm als die normalen Definitionen hervor und bedrfen dabei - zum Unter-schied von den gewhnlichen induktiven Definitionen- keiner vorherigen Einfhrung von Hilfsbegriffen, die im brigen nutzlos sind (z. B. des lHlfsbegrift'es einer Aussagefunktion des ntlln Grades).

    26) Vgl. Hilbert-AckermannH S. 52-54.

  • [35] Der Waltrhuitsbegrifr 295

    Definition 12. x ist eine Au,ssage (oder eine sinn-volle Aussage)- symbolisch xcAs- dann undnur dann, wenn x eine Aussagefunktion ist und wenn dabei keine Va-riable vk eine freie Variable der Funktion x ist.

    So sind z. B. die Ausdrcke: n1 t 1 , 1 , n1 nz t 1 , 2 , n1 U, t 1.:1 , ndt1 ,~ + n1 U, t 2 , 1 ) Aussagen, dagegen sind die Funktionen: t 1 , 11 n2 t 1 , 2 , t1, 1 + n1 U 2 t 2 , 1 keine Aussagen, da sie die freie Variable v1 enthalten. Das Symbol "As" bezeichnet laut obiger Definition die Klasse aller sinnvollen Aussagen 27).

    DaH System der Grundstze des Klassenkalkls wird zwei Kategorien von Aussagen umfassen. Die Anssagen der end .. en Kategorie gewinnen wir in der \Veise, dass wir ein be-liebiges Axiomensystem in Betracht ziehen, welches zur Grund-leglmg des Aussagenkalkls gengt und die Zeichen der Nega-tion und der logischen Summe als einzige Konstante ent-hlt, also z. B. das aus folgenden vier Axiomen: "AN:Appp~~, ,ANpApq", ,ANApqAqp" und ,ANANpqANArpArq" beste-hende Axiomen.

  • 296 Alfred 'rarski [36J

    Axiome dieses SysteiDS in die hier betrachtete Sprache; selbst-verstndlich haben wir vorher die mit Hilfe des Inklusions-zeichens definierten Konstanten zu eliminieren, sowie alle Termini aus dem Gebiete des Aussagen- und Funktionenkalkls, die sich bei inhaltlicher Deutung von dem Allzeichen, dem Negations-zeichen und dem Zeichen der logischen Summe unterschei-den. Als Beispiele von Aussagen dieser Kategorie fhre ich ,1Ilx,Ix/F1 " und "Ilx,llx,,Ilx1 ,,ANix,x,,ANix,,x,,,Ix,x,,,"' an.

    Definition 18. x ist ein Axiom (ein Grundsatz) dann und nur dann, wenn x eine von den zwei folgenden Bedingungen erfllt: (a) xEAs und es gibt solche Aussage-funktionen y, z und u, dass x eine GeneraliBation einer von den vier Funktionen 3t: y + y + y, y + (y + z), y + z + (z + y) und y+ z+(u+y+ (u+z)); () x ist mit einer von den fnf Aus-sagen identisch: n1 't,1 , n~ n, na (t1 ,,+~ +t1 , 3), n1 n, Us (,1,3. ,,,s .n" ( ~~." +'i" +'s,4)), n1 n, Us (,aol. ts,,. n4 (t4,1 + '"2 + + t,,,)) und n, U, (n, n, (~+I~+ ls..l (t-;:;- + ' + t,,,)) . n, (.,,,+ u, (,,,. ~-~ . ,,,) )) .

    Bei Formulierung der Definition des Folgerungsbegrif:'f:'s werde ich u. a. folgenden Ausdruck gebrauchen: nU ist ein aus der Aussagefunktion w durch Einsetzung der Variablen vk fr die Variable V1 gewonnener Ausdruck". Der inhaltliche Sinn dieses Ausdrucks ist klar und einfach, trotzdem nimmt die Definition eine etwas kompli-zierte Form an :

    Definition 14. x ist ein aus der A ussagefunk-tion y durch Einsetzung der {frtden) Variablen v,. fr die (freie) Variable 'th gewonnener Ausdruck dann und nur dann, wenn lc und l natrliche, von 0 verschiedene Zahlen und x und y Aussagefunktionen sind, welche eine von den sechs folgenden Bedingungen erfllen: (a) X= t,.,k und y= 'u; () es gibt eine solche natrliche, von l verschiedene Zahl m, dass x = tk,m und y = t 1_.,. oder auch x~ t.", k und y = tm, 1 ;

    vereinfacht, indem wir u. a. gewisse Voraussetzungen von existentialem Charfl.kter eliminiert haben).

  • [37] Der WahrheitsbegTiff 297

    (y) v1 ist keine frele Variable der Funktion y und x = y; ( 0) es gibt solche Aussagefunktionen z und t, dass x = -z, y = t und z ein nus der Funktion t du1ch Einsetzung der Variablen vk fr die Variable v, gewonnener Ausdruck ist; (E) es gibt solche Aussagefunktionen z, t, u und w, dass x=z+u, y=t+w, wobei z und u beziehungsweise aus den Funktionen t und w durch Ein-setzung der Variablen vk fr die Variable vz gewonnene Aus-drilcke sind, (~) es gibt solche Aussagefunktionen z, t und eine solche natrliche, von k und l verschiedene Zahl m, dass X= n m z, y '-= nm t und z ein aus der Funktion t durch Einsetzung der Variablen vk fr die Variable v1 gewonnener Ausdruck ist 50).

    So sind z. B. laut obigor Definition die Ausdrcke: t 1 ,~, n3 (t3 , 1 +t1 ,3 ) und t1 , 3 + n2 t2 , 3 beziehungsweise aus den Funk-tionen: 12 , 2 , n~:~ (t3 , 2 +r2 , 3 ) und 12 , 3 + n.~~12 , 3 durch die Einsetzung dAr Variablen v1 fr die Variable v2 gewonnen; den Ausdruck n 1 11 ,3 kann mau dagegen auf diesem Wege aus der Funktion n2 t2 .:3 nicht gewinnen, ebensowenig den Ausdruck n1 11 .1 aus der Funktion n2 t2 , 1 -

    Zu den Folgerungen aus einer gegebenen Klasse von Ans-sagon z.hlen wir in erster Reihe alle Aussagen dieser Klasse, ferner alle Aussagen, welche wir aus ihnen gewinnen knnen, indem wir an ihnen vier Operationen beliebig oft vollziehen, nmlich die Operationen dAr Einsetzung, der Abt re n-nnng, ferner der Hinzufgung und der Weglassung des Allzeichens 31). Wollten wir diese Operati011en nicht

    30) Eine normale, der obigen rekursiven (luiva1ente Definition ist die folgende (vgl. 25)):

    x ist ein aus der Aussn,qefnnktion y dnroh Einsetzung der Va-riablen vk fiir die Variable v, gewonnener Ausdruck dann und nur dann, wenn lc und l natrliche, von 0 '/Jersohiedene Zahlen sind nnd wenn jede Relation R, toelche die sechs folgenden Bedingungen erfllt: (u) 11 . k R t1, 1; () ist m eine natrliche, von 0 und von l verschiedene :Lahl, so 1k,mR t 1,m und tm,kR t",, 1; (y) ist z eine Aussagefunktion und ic;t v1 keine freie Variable der Funktion z, so zRz; (tl') ist zRt. so z Rt; (c) ist zRt und uRw, so z+u R t+w; (i;:) istmeine na-t,rtiche, von 0, k und l verschiedene Zahl und ist zRt, 8o nm z R n". t.-auch der Formel; xRy geniigt.

    Auf einer ganz anderen Idee beruhen die Definitionen der Ein-l',etzung in den Arbeiten LeSniewski1, S. 73 (T. E. XLVII) und LeSnic\vski2 , S. 20 (T. E. XLVII0 ).

    31) \.,-gl. Lukfl.sie\vicz1, 8.159-163; Lukasiewicz-Tarski1 ~ S.

  • 2~8 Alfred Tarski f58]

    ausschliesslich an Aussagen, sondern an beliebigen Aussage-fLmktionen vollziehen und. als Ergebnis ebenfalls Aassage-funktionell erhalten, dann wrde die Def. 14 den Sinn der Einsetzungsoperation in vollstndiger "'.,.eise bestimmen, die Operation der Abtrennnng wrde den Funktionen y und Y+ z die Funktion z zuordnen, die Operation der Hinzufgung des Allzeichens wrde in der Bildung der Funktion y+ nkz aus der- Funktion y+z bestehen (unter dor Bedingung, dass vk keine freie VariaLle der Funkt,ion y ist), die Operation der Vl eglassung des Allzeichens wrde dagegen in umgekehrter Hichtung fortschreiten - von der Funktion y+ nkz zur Funk-tion y+z 31). Hier wollen wir uns jedoch auschliesslieh auf Aussagen (im Sinne der Def. 12) beschrnken, und deshalb werden wir obige Operationen in der "\V eise modifizieren, dass wir an Stelle der betreffenden AnssagAfunktionen die .ii_ussagen betrachten werden, welche Generalisationen dieser Funktio-nen sind.

    Um die Konstruktion zu vereinfachen, definiere ich vorerst den Hilfsbegriff der Folgerung nten Grades:

    Definition 16. x ist eine Folgerung ntcr Grades aus der Aussagenklasse X dann und nur dann, wenn xeAs, XCAs, n eine natrliche Zahl ist und dabei entweder (a) n=O und xeX, oder n>O und eine der folgenden fnf Bedingungen erfllt it~t: () x ist eine Folgerung n-11en Grades aus der ](lasse X; (y) es gibt solche Aussagefunktionen u und w, eine solche Aussage y und solche natrliche Zahlen k und l, dass x die GeneraliBation der Funktion u, y die Generali-satiun der Funktion w ist, u sich aus der Funktion w durch Einsetzung der Variablen vk fr die Variable Vt ,qewinnen lsst und dass y eine Folgerung n-lten Grades aus der ](lasse X ist; (Q) es gibt solche Aussagefunktionen u und w sowie .Aussagen y und z, dass x, y und z beziehungsweise Generalisalianen der Funktionen u, w + u und w sind und dass y und z Folgerungen des n--lten Grades aus der Klasse X sind; (E) es gibt solche Aus-sagefunlctionen u und w, e'ine solche Aussage y und eine solche natrliche Zahl k, dass x eine GeneraliBation der Funletion u + nk w, y eine Generalisation der Funletion u-t-w, Vk keine freie Variable der Funktion u ist und dass y eine Folgerung n-lh~ Grades aus der Klasse X ist; (S') es gibt solche Aussage-

  • l3D] Der Wahrheitsbegriff

    funktionen u und w, eine solche Aussage y und eine solche natrliche Zahl k, dass x eine GeneraliBation der Funktion u + w, y eine Generalisation der Funletion u + n k w ist und dabei y eine Folgerung des n-1 1611 Cl-rades aus der Klasse X ist.

    Definition 16. x ist eine Folgerung aus der Aus-sagenklasse X - symboli:wh xeFl (X) - dann und nur dann, wenn es eine solche natrliche Zahl n gibt, dass x eine Folgerung nten Grades aus der Klasse X ist 32).

    Definition 17. x ist ein be-weisbarer (oder anM' kannter) Satz- symbolisch xeBw - dann 'Und n:ur dann, wenn x eine Folgerung aus der Klasse aller Grundslitze ist.

    \"Vio man leicht ersieht, gehren zu den anerkannten Stzen im Sinne der obigen Definition sowohl alle A_ussagen, rl.ie man aus den Lehrstzen des Aussagenkalkls auf .ganz gleiche \VT eise erhalten kann, auf welche die Grundstze der ersten Kategorie (d. i. diejenigen, welche die Bedingung (a) der Def. 13 erfllen) aus donAxiomendieser Theorie entstanden sind, wie auch alle bekannten Stze des nicht formalisierten Klassen-kalkls, falls sie nur vorher in die Spraehe, die den Gegenstand der Betrachtungen bildet, bersetzt wurden. Um sich davon zu

    :;~) Den Begriff der Folgerung knnte man auch unmittelbar (d. i ohne Hilfe der Folgerung des nten Grades) z. B. in folgender \V eise einfhren:

    xeFl(X) dann undnur dann, wenn XC Asundwennjede Klasse Y, wp,lchefolgende jiiuf Bedin[jUngen erfllt: (a) X c Y; (fl) wenn yeAs, y einl-! Generalisation der Funkbion u, :z eine Generalisation der ]t~mktion w ist, u sich aus der .l

  • 300 A lfred Tarski [40]

    berzeugen~ ahmen wir in jedem konkreten Fall den entspre-chenden Beweis aus dem Gebiete des Aussagenkalkls oder des Klassenkalkls in der MetMvissenschaft nach. So z. B. lsst sich in der oben erwhnteu Weise u. a. aus dem bekannten Lehrsatz des Aussagenkalkls "ANpp" die Aus-sage nl (~ + 11,1) gewinnen. Indem wir den Beweis diescH Lehr-satzes 33) transponieren, legen wir der Reihe nach dar, das8 laut der Def. 13 n, (~ +i;:; + ,,.,), n, (t,,, + (t,,, + t,,,)) und n 1 (t1 , 1 "'-.i-~, 1 +t1 , 1 + (t~, 1 + (t1 ,1 +t1.1 ) + (~ + t 1, 1))) Grundstze sind; demnach ist n1 (t1 , 1 +(t1 ,1 -!-t1 , 1)-!-(t1 ,1 +tu)), der Def.15 gemss, eino Folgerung des lWn Grades und n~(~t+tl.l)eine Folgerung des 2tE>n Grades aus der Klasse aller Grundstze.

    n (i+ 1 ) ist also, mit Rcksicht auf die Def. 16 und 17, 1 1,1 1,1 ein anerkannter Satz.

    An de-n Beispielen solcher Schlsse kann man sich die Schwierigkeiten vorstellen, welche sofort entstehen wrden, wenn man aus den Axiomen der J\fetawissenschaft die in ihnen enthaltenen Voraussetzungen existentialer Natur eliminieren wollte. Der L:"mstand, dass die Axiome uns jetzt nicht mehr die Existenz dor einzelnen AnsRagen gewhrleisten wrden, von denen wir dartun mchten, dass sie beweisbar sind, :fiele weniger ins Gewicht; wesentliche Bedeutung besitzt erst der Umstand, dass wir, sogar unter der Voraussetzung der Existenz dieser oder jener konkreten Aussage, ihre Beweisbarkeit nicht begrnden knnten, denn im Beweise mssten wir uns auf die ]jxistenz anderer, in der Regel komplizierterer Aus-sagen berufen (wie man schon aus dem Beweis des Satzes "n1 (~~ + t 1,J eBwv., den wir oben skizziert haben, ersieht,). So lange wir OR mit speziellen Stzen vOm Typus "xeBw" zu tun htten, knnten w:ir uns in der \Veise Rat schaffen, dast'1 wir diese Stze mit Prmissen versehen, welche die Existenz der zum Beweise notwendigen Aussagen gewhrleisten. Die Schwie-rigkeiten wrden bedeutend wachsen, wenn wir zu Stzen von allgemeinem Charakter bergingen, die besagen, dass alle Anssagen gewisser Art beweisbar oder - noch allge-meiner - Folgerungen aus der gegebenen Aussagenklasse sind;

    33) Vgl. Whitehead-Hussell1, Vol. I., S. 101, *21.

  • [41] Der Wahrheitsbegriff 301

    oft mssten wir dann in die Prmissen allgemeine existentiale Voraussetzungen aufnehmen, die nicht schwcher wren als diejenigen, welche wir ans Grnden der Evidenz aus den Axiomen eliminiert htten M).

    Auf Grund des oben Gesagten knnte man den Stand-punkt einnehmen, dass die Def. 17 im Falle der Verwerfung der existentialen Voraussetzungen nicht mehr alle Eigenschaf-ten erfasst, welche wir dem Begriff des anerkannten Satzes zuschreiben. Es entsteht dann aas Problem einer geeigneten "Korrektur" der obigen Definition; prii.ziser ausgedrckt - es "\Viirde sich um die Konstruktion einer Definit,jon cles aner-kannten Satzes handeln, welche der Def. 17 auf dem Gebiet,e der existentialen Voraussetzungen quivalent wre und dabei -bereits unabhngig von diesen Voraussetzungen - jeden Satz YOm Typus 1'lwenn die Au..ssage x existiert1 so xeBuJI.I. nach sich ziehen wrde, falls man nur Uen entsprechenden Satz nXEBw" mit Hilfe der betra,chteten Voraussetzungen beweisen knnte. Ich skizziere hier kurz einen Versuch der Lsung dief-loS Problems.

    Man kann leicht nachweisen, dass das in der MetawjsRon-schaft angenommene Axiomensystem eine Interpretation in der Arithmetik dor natrlichen Zahlen beRitzt,: zwischen den Aus-driicken und den natrlichen Zahlen lsst sich eine eineindeu-tige Zuordnung durchfhren, wobei man den Operationen an Ausdrcken Operationen an Zahlen von denselben formalen Eigenschaften zuordnen kann. Wenn man diese Zuordnung in Betracht zieht, kann man aus der Gesamtheit aller Zahlen jene aussondern, welche den Aussagen zugeordnet sind, unter ihnen die "Grund "-Zahlen hervorheben, den Begriff der ilFol-gf:'.rung'' aus einer gegebenen Klasse von Zahlen einfhren und endlich die "anerkannten" Zahlen als "Folgerungen" aus der Klasse aller "Grund "-Zahlen definieren. \V enn wir nun ans den Axiomen die existentialen Voraussetzungen eliminieren, so verschwindet die eineindeutige Zuordnung: jedem AuRdrnck wird auch weiterhin eine natrliche Zahl,- aber nicht jeder Zahl ein .. A_uRdruck entsprechen; trotzdem darf man den vorhin be~timmten Begriff der "anerkannten" Zahl beibebalten und die anerkannten Stze als solche r:lefinieren, die den "an-

    3') Dies kann man leicht am Beispiele der Stv.e 11, 12, 24 und 28

    aus dem B B er:->ehen.

  • 302 Alfred Tarski [42]

    erkannten(( Zahlen zugeordnet sind. Wenn wir auf Grund dieser neuen Definition zu erweisen versuchen, dass eine kon-krete Aussage anerkannt ist, werden wir - wie leicht zu erRehen ist - nicht mehr gezwungen sein, uns auf die Existenz irgend welcher anderer Aussagen zu berufen. Nichtsdestoweniger wird der Beweis - was mit Nachdruck betont werden muss-auch weiterhin eine (wenn auch schwchere) existentiale Vor-aussetzung erfordern, nmlich die Voraussetzung, dass es gen-gend viele natrliche Zahlen oder - was auf dasselbe hinaus-luft - gengend viele verschiedene Individuen gibt. Lm also aus der neuen Definition alle erwnschten Schlsse abzu-leiten, mssten wir in der Metawissenschaft das sog. Axiom der Unendlichkeit annehmen, d. i. die Voraussetzung, nach welcher die Klasse aller Individuen unendlich ist:f15). Es ist mir kein anderer, wenn auch noch weniger natrlicher uud

    kompli:.~ierterer Weg bekannt, der unabhngig von obigem Axiom zu einer zufriedenstellenden Lsung Ues gegebenen Problems fhren wrde.

    Im Zusammenhang mit und des anerkannten Satzes erwhnt. Wenn man nmlich Wissenschaft selbst und nicht

    den Begriftn der Folgerung habe ich sog. Schlussregeln

    den Aufbau einer deduktiven die auf dem G-ebiete der Meta-

    Wissenschaft durchzufhrende Erforschung einer solchen Wis-senschaft beabsichtigt, so gibt man anstatt der Def. 17_ eine R,egel an, nach der man zu einer Wissenschaft jede Folgerung aus den Axiomen dieser Wissenschaft als anerkannten Sat.:~. hinzufgen darf. In unserem l!'allo knnte man diese Hegel in vier Regeln zergliedern - den vier Operationen entsprecheud 7 die wir bei der Konstruktion der Folgerungen anwenrleu.

    Mit Hilfe der Begriffe der Aussage und der Folgerung lassen sich schon in die Metawissenschaft alle wichtigsten methodologischen Begriffe einfhren) insbesondere die Begriffe des deduktiven Systems, der Widerspruchsfrei-heit und der Vollstndigkeit3t.).

    Definition 18. X ist ein deduktive.'? System dann und nur dann, wenn Pl (X) C XC As.

    J'l) Vgl. Whitehen.d-Russel11, Vol. II.7 R. 208. 36) Vgl. Ta.rski 1 ~ insbesondere S. mm, 387 -388 und 390.

  • [43] Der Vlr ahrheitsbegriff 303

    Definition 19. X ist eine widerspruchsfreie ]{lasse von Aussagen dann und nnr dann, wenn XC As und wenn - fiir jede beliebige Aussage x -entweder x E Fl (X) oder x e Fl (X).

    Definition 20. X ist eine vollstndige Klasse von Aussagen dann und nur dann, 'lN~nn XC As und wenn-fr jede beliebige Aussage x - entweder x e Fl (X) oder ;, E Fl (X).

    In den weiteren Betrachtungen wird Bich noch ein Begriff als ntzlich erweisen:

    Definition 21. Die Aussagen x und y sind q1.tiva-lent mit Rll.cksicht auf dieAussagenklasse X dann und nur dann, wenn x e As, y e As, XC As und wenn zugleich x + y e Fl (X) und y + x e Fl (X).

    Eine nii.here Analyse der in diesem Paragraphen einge-fhrten Bogriffe wrde die Grenzen der vorliegenden Un tcr-suchungf\n berschreiten.

    3. Der egrl' der wahren Anssage in der Sprache des Klassenkalkllls.

    Ich gehe nun znm Hauptproblem dieser Arbeit Ler nmlich zur Konstruktion der Definition der wahren .A u s-R a g e, wobei dio Sprache des Klassenkalkls weit.erhin der Gegenstand der Betrachtungen bleibt.

    Es knnte im ersten Augenblick scheinen, dass im gegen-wrtigen Sta,dinm unserer Betrachtungen diAse Aufgabe ohne Schwierigkeiten gelst werden kann, dass 71 wahre Aussage" in Bezug auf die Sprache einer formalisierten deduktiven Wis-senschaft nichts anderes bedeutet, als "beweisbarer (anerkann-ter) Satz"' und dass infolgedessen die Def. 17 zugleich eine Definition der wahren Aussage ist, und zwar eine Definition von rein strukturellem Charakter. Nach nherer berlegung mssen wir jedoch obige Anschauung schon aus folgendem Gr11nde ablehnen: keine mit dem Sprachgebrauch bereinstim-mende Definition der wahren Aussage ilarf dem Prinzip des ausgeschlossenen Dritten wirlersprechenrle Konsequenzen nach s-ich ziPhen; im Gebiete der anerkannten Stze aber hat dieses

  • 304 Alfred Tarski [44]

    Prinzip keine Geltung - ein einfaches Beispiel zweier einander widersprechender Aussagen (d. i. solcher, dass die eine die Negation der anderen ist), von denen keine beweisbar ist, bietet z. B. das unten angege bone Lemma E. Der Umfang der beiden betrachteten Begriffe ist also nicht idontisch; alle beweisbaren Stze sind ohne Zwoifol - vom inhaltlichen Go-:chtsiJnnkt aus - wahre Aussagen (wenigstens wurden die Def. 13-17 des 2 im Hinblick darauf formuliert), aber die Definition der wahren Aussage, die wir suchen, muss ausser-dem Aussagen umfassen, die nicht beweisbar sind ~7).

    Versuchen wir an das vorliegende Problem -\ron einer gan:r, anderen Seite heranzutret.en, indem wir zur Idee einer seman-tischen Definition aus dem 1 zurckkehren. Wie wir schon aus 2 wissen1 ent~pricht in der Metasprache jeder Aussage, die zur Sprache des Klassenkalkls gehrt, einerseits ein .indi-vidueller Na.me dieser Aussage von strukturell-deskripthcem rrypus, andrerseits eine mit der gegebenen Aussage gleich-

    37) Es kommt hier auch der Umstand in Betracht, dass - im Cl-t~gen!';atz v.u dem Begriff der wahren Aussage - der Begriff des beweis-baren Sat.zes in AnwenUung auf manche deUuktive Vnf.lsenschaften einen recht zuflligen Charakter besitzt, der hauptsliehlieh mit der histori-schen Bntwicldung der Wissenschaft zusammenhngt. Bs ist manchmal schwer1 die objektiven Grnde anzugeben, aus welchen wir den Umfang dieses Begriffs in dieser oder jener Richtung verengern oder erweitern. Ro z . .H. wird - wenn es sich um den Klassenkalkl handelt - auf Cl-rund t1er Definitionen des 2 die Aussage nt n2 t 11 :~ 1 welche die Existenz wenigstens zweier verschiedener Klassen feststellt, nicht anerkannt ~ was im Lemma E ausgedrckt werden soll. Auch lsst sich diese Aus sage nicht aus den formalen Voraussetzungen ableiten, auf denen das Werk Schrder1 aufgebaut ist, obzwar in diesem Falle die Sache nicht ganz klar ist (vgl. I. Rd., S. 245 und 246; II. Bd., 1. Abt., 8. 278; lll. BU., 1. Abt.1 R. 17 und 18); in vielen Arbeiten dagegen tritt die betrachtete Aussage als eines der Axiome tler AlgeUra der Logik auf oder stellt eine evidente Konsequem dieser Axiome dar (vgl. 7.. B. Huntington1, S. 2tl7, Postulat 10). Aus gan"" anderen Grnden, von denen unten im !l.mmm-menhang mit Satz 24 (vgl. insbesondere 54J) die Hede sein wird, wre es angebracht, die Aussage n1 (n~ t1,! + u~ ( t2.J. na(n~ t3 ,~ + -t~ + 12,3 ))) unter die anerkannten Stze aufzunehmen, was indes gewhnlich nicht

    geschieht.~ Zum Problem des gegenseitigen Verhiiltnisses beider Begriife: des anerkannten Satzes und der wahren Aussage werde ich im Laufe tlor Untersuchung noch mehrmals zurckkehren.

  • l4ii J Der Wahrheitsbegrift' 305

    bedeut,ende Anssage; so z. B. entsprechen der Aussage .Jlx,Ilx11 Aix,x11 lx"x," der Name "n 1 n~(t1 , 2 +t2 tl)" und die Aussage ,,fr beliebige Klassen a und b - aCb oder bCa''. Um den Inhalt des Begriffs der \Vahrheit in Bezug auf irgend eine konkrete Aussage der hfltrachteten Sprache zu cr-liintcrn, knnen wir dieselbe Methode anwenden, die wir im 1 hei der Formulierung der Aussagen (3) und (4) verwendet haben: wir nehmen nmlich das Schema (2) (vgl. S. [8]) und ersetzen dort das Symbol "x" durch den Namen der gegebenen Aussage und "p"' durch eine Aussage, welche die bersetzung der gegebenen Aussage in die Metasprache ist. Alle auf diesem \Vege gewonnenen Stze, z. B. "n 1 n2 (t1 , 2 +t2, 1 ) ist eine wahre A u,ssage dann und nur dann, wenn - fr beliebige Klassen a und b - a C b oder b C a", gehren selhstverstnd-lieh ~mr 1\i[etasprache und erklren in prziser und mit dem Sprachgebrauch bereinstimmender Weise die Bedeutung der in ihnen auftretenden Redewendungen von der Form "x ist eine wahre Aussage"'. Von einer allgemeinen Definition der wahren Aussage soll man also - im Grunde genommen - nicht viel mehr verlangen, als dass sie, die gewhnlichen Bedingungen der methodologischen Korrektheit erfllend, alle Teildefini-tionen von diesem Typus als Sonderflle umfasse, dass sie sozusagen ihr logisches Produkt sei; hchstens kann man noch verlangen, dass zum Umfang