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Teil 2 NMR-Spektroskopie 1 Dr. Christian Merten, Ruhr-Uni Bochum, WiSe 2018/19 www.ruhr-uni-bochum.de/chirality

Teil 2 NMR-Spektroskopie - Ruhr-Universität Bochum · MdS-1 | NMR-Spektroskopie | Dr. C. Merten, WS 2018/19 8 Der Kernspin: Kernspinquantenzahl Kernspinquantenzahl ist abhängig

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Teil 2

NMR-Spektroskopie

1

Dr. Christian Merten, Ruhr-Uni Bochum, WiSe 2018/19 www.ruhr-uni-bochum.de/chirality

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Einführung: NMR, was ist das?

NMR = Nuclear Magnetic Resonance

… oder zu deutsch: Kernspinresonanz

NMR ist ein (kern)physikalischer Effekt, bei dem Atomkerne einer Materialprobe in einem konstanten Magnetfeld elektromagnetische Wechselfelder absorbieren und emittieren.

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Einführung: NMR, was ist das?

Kompassnadel in Elektromagnet:

Bei Anschalten des Magnetfeldes erfolgt Ausrichtung entlang der Feldlinien.

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Einführung: NMR, was ist das?

Einstrahlen eines zweiten Magnetfeldes (Radiofrequenz)

Auslenkung aus Gleichgewichtslage und Relaxation bei Abschalten.

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Einführung: NMR, was ist das?

Atomkern verhält sich ähnlich wie Kompass

Relaxationszeit abhängig von Kern und seiner magnetischen Umgebung

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Ladung auf Leiterschleife: Drehmoment / magn. Moment

Ein Teilchen (Masse m), dass sich mit Winkelgeschwindigkeit

auf Kreisbahn bewegt, besitzt einen Drehimpuls P:

2∙ 2 ∙

Positiver Ladungsfluss I auf Kreisbahn (bspw. Leiterschleife mit

Radius r) erzeugt magnetisches Moment µ:

∙ ∙ ∙

Zusammenhang zw. magnetischem Moment und Drehimpuls:

2 ∙

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Der Kernspin: Drehimpuls

Die meisten Kerne besitzen ebenfalls einen Kern- oder

Eigendrehimpuls P, der durch die Rotation des Atomkerns um

die eigene Achse erzeugt wird und gemäß der QM gequantelt

ist:

∙ 1

mit P: DrehimpulsI: Kernspinquantenzahl

(I = 0, 12, 1, 3 2, 2, … 6)

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Der Kernspin: Kernspinquantenzahl

Kernspinquantenzahl ist abhängig von der Zahl der

Protonen und Neutronen, die den Kern aufbauen.

Es gibt entsprechend drei Arten von Kernen:

(1) Kerne mit gerader Zahl Neutronen und Protonen

I = 0, z. B. 12C, 16O, …

(2) Kerne mit ungerader Zahl Protonen und gerader Zahl

an Neutronen (oder umgekehrt)

I = 1/2, z. B. 1H, 13C, 15N, 19F, 31P, …

I = 3/2, z. B. 7Li, 9Be, 11B, 23Na, 33S, 35Cl, …

I = 5/2, z. B. 17O, 25Mg, 27Al, 55Mn, …

(3) Kerne mit ungerader Zahl Neutronen und Protonen

I = 1, z. B. 2H, 6Li, 14N, …

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Der Kernspin: Magnetisches Moment

Analog zur klassischen Mechanik ist mit dem Kerndrehimpuls ein

magnetisches Moment verknüpft:

ist für jedes Isotop anders und gleichzeitig auch ein Maß für

die Nachweisempfindlichkeit eines Kerns.

mit : Gyromagnetisches Verhältnis

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Der Kernspin: Magnetisches Moment

Analog zur klassischen Mechanik ist mit dem Kerndrehimpuls ein

magnetisches Moment verknüpft:

ist für jedes Isotop anders und gleichzeitig auch ein Maß für

die Nachweisempfindlichkeit eines Kerns.

Magn. Moment µ ist auch gequantelt!

Kerne mit I=0 haben kein magnetisches Moment.

Hauptkomponenten organischer Moleküle wie 12C

oder 16O sind nicht NMR-spektroskopisch detektierbar!

∙ ∙ 1

mit : Gyromagnetisches Verhältnis

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Kerne im statischen Magnetfeld

Vorhandensein von magnetischem Moment und Drehmoment führt zu komplexer Bewegung um Feldlinien

Kern in Magnetfeld B0 orientiert sich nicht exakt parallel zu Feldrichtung!

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Richtungsquantelung

Orientierung des Kerns, so dass Pz-Komponente des

Drehimpulses ganz- oder halbzahliges Vielfaches von ist:

und entsprechend ∙ ∙ ∙

wobei m die magnetische Quantenzahl oder Orientierungs-

quantenzahl ist, die nur folgende Werte annehmen kann:

, 1, …

Gesamtzahl möglicher Orientierungen: 2I + 1

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Doppelpräzessionskegel

Wie schnell präzedieren die Dipole?

Für das Drehmoment der Kerndipole gilt:dd

und damit

Lamorfrequenz L

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Empfindlichkeiten

Lamorfrequenz L

Kern I / 108radT·s

NatürlicheHäufigk. / %

1H2H

½1

2.680.41

99.980.016

12C13C

0½ 0.67

98.91.1

16O17O

05/2 -0.36

99.960.037

Kern I / 108radT·s

NatürlicheHäufigk. / %

14N15N

0.193-0.27

99.60.4

19F ½ 2.52 100

29Si ½ -0.54 4.7

31P ½ 1.08 100

B0 = 12 T

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Energien im Magnetfeld: Zeeman-Effekt

Für Dipol im Magnetfeld gilt: ∙

Für Kern mit (2I+1) Orientierungen folgt: ∙ ∙ ∙

Energieschema für I = ½∙ ∙

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Mitmachfolie: Besetzung der Energieniveaus

∙ ∙

Wie ist das Besetzungsverhältnis in den Energieniveaus?

Boltzmann-Verteilung

exp

exp 1Δ

1

Beispiel für Protonen mit B0=1.41 T (60 MHz) ist DE=2.410^-2 J/mol.

Bei T=300 K ist Nb = 0.9999904 Na! Gleichverteilung!

Mit B0 = 7.05T => Nb = 0.99995 Na

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Doppelpräzessionskegel mit vielen Kernspins

Energieunterschied zwischen beiden Niveaus ist sehr gering

Beide Niveaus sind ungefähr gleich besetzt.

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Resonanzbedingung

Zur Anregung wird Zusatzfeld B1(bzw. elektromagnetische Strahlung der Frequenz 1) eingestrahlt.

Es muss gelten: Δ

Resonanzbedingung

Mit Δ folgt

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Kurzer Zwischenstopp

Kerne haben magn. Moment, dass sich entlang der

Magnetfeldlinien eines statischen Magnetfeldes

ausrichten (ok, alle außer die mit I=0).

Ausrichtung erfolgt nicht parallel sondern gekippt.

Magnetische Momente präzedieren um Feldlinien

mit Lamorfrequenz

Nicht alle Kerne sind gleich empfindlich

Besetzungsunterschiede der E-Niveaus klein

Energieunterschied zwischen E-Niveaus ist

feldabhängig

Übergänge werden nur angeregt, wenn 1 = L

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Kernspin-Resonanz: Wie soll ich mir die denn nu vorstellen?

Atomkern lässt sich durch Magnetfeld aus bevorzugter Ausrichtung ablenken.

Relaxationszeit abhängig von Kern und seiner magnetischen Umgebung

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Makroskopische Magnetisierung

≈ =

Berücksichtigung der Rotation des Koordinatensystems entsprechend der Anregungsfrequenz 1: (x, y, z) (x‘, y‘, z)

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Einstrahlen eines 90°-Pulses

Kurzzeitiges Einstrahlen eines Zusatzfeldes B1 entlang der x‘-Achse kippt die makroskopische Magnetisierung auf die y‘-Achse

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90°-Pulse auf N Einzelkernspins

90°−Puls

Nach 90°-Puls: Mz = 0 und My‘ = max

Kerne präzidieren nicht mehr statistisch verteilt auf Doppelkegel, sondern ein kleiner Teil präzidiert in Phase (Phasenkohärenz).

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Verständnisfrage

Was passiert bei längerem Puls?

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Relaxationsprozesse

Direkt nach Abschalten des Zusatzfeldes präzidiert der Magnetisierungsvektor in xy-Ebene.

Zurück zur Gleichgewichtslage (Mz=max)

Aufheben der Spinkohärenz: Spin-Spin-Relaxation

Aufheben der energetischen Gleichverteilung der Kernspins: Spin-Gitter-Relaxation

Relaxationsprozess kann Sekunden bis Minuten, in manchen Fällen bis Stunden dauern.

Für Protonen typisch: Sekundenbereich

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Relaxationsprozesse

Spin-Spin-Relaxation (T2-Zeiten)

Klassisch: Fluktuierende Magnetfelder der Kernebeeinflussen andere Kerne und Kohärenz wird langsam aufgehoben

Realität: B0 nicht absolut homogen, dadurch leichterer Verlust der Kohärenz.

Keine Änderung der Besetzungszahlen, d.h. kein Energieänderung Entropischer Prozess

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Relaxationsprozesse

Spin-Gitter-Relaxation (T1-Zeiten)

Energie wird abgeführt durch Ww. (bspw. Stoß) mit anderen Molekülen oder der Gefäßwand

Besetzungsunterschied wird langsam ausgeglichen Enthalpischer Prozess

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Detektion des Signals entlang der y‘-Achse

Prinzip: Verfolgen, wie sich die makroskopische Magnetisierung zeitlich verändert.

Gemessen wird dies in fester Orientierung entlang der y‘-Achse.

Idealisierter Kurvenverlauf für den Fall, dass das

Koordinatensystem exakt mit der Lamorfrequenz

rotiert.

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Vom rotierenden Koordinatensystem zum FID

Berücksichtigung der Rotation des Koordinatensystems entsprechend der Anregungsfrequenz 1: (x, y, z) (x‘, y‘, z)

Detektion des Signalseines isolierten Protons:

(free induction decay FID)

1/ΔΔ | |

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Pulsbreite und das echte NMR-Signal

Experimenteller FID

von Ethanol:

Entscheidend für NMR: Puls mit Frequenz 1 hat immer eine gewisse Breite

Übergänge mit Frequenzen werden 1 ± angeregt

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Vom FID zum Spektrum: Fourier-Transformation

Genau wie bei der IR-Spektroskopie wird das Breitbandsignal (hier der FID, bei IR das Interferogram) über Fourier-Transformation umgewandelt.

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Aufbau moderner NMR-Spektrometer

Typischerweise wird die Größe des Magneten in NMR-Spektrometern in Bezug auf die Resonanzfrequenz von Protonen angegeben:

Vergleich Erdmagnetfeld: 60 mT

Heutiger Standard:Supraleitende Magneten

gekühlt mit flüssigem Helium Feldstärken > 20 Tesla (1GHz) extrem gute Feldhomogenität

7 - 9.4 - 11.7 - 14 - 18.7 - 21 Tesla

300 - 400 - 500 - 600 - 800 - 900 MHz

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Einblick in ein NMR-Spektrometer

LN2-Tank

LHe-Tank

Probe / Spule

Bild

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Das Herzstück: Der Probenkopf

Probe wird zum Ausgleich von Inhomogenitätenwährend der Messung rotiert

Spule ist Sender und Empfänger zugleich:

Radiofrequenzgenerator sendet kurzen, intensiven Puls zur Probe (typisch 10-20 µs, einige Hundert Watt)

Messung von minimalen Spannungsänderungen an Spule (einige Sekunden, Bereich on µV!)

Das Locken: Minimale Schwankungen in der Magnetfeldstärke (Feld-Frequenz-Lock) werden durch Vergleich mit Lösungsmittelsignal ausgeglichen

Der Shim: Zusatzspule gleicht Feldinhomogenitäten aus.

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1H-NMR-Spektrum von Ethanol (200 MHz)

/ Hz

Anregungsfrequenz 1als Referenz

Früher: Interner Standard TMS

Resonanzbedingung

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1H-NMR-Spektrum von Ethanol (200 MHz)

SubstanzSubstanz Ref

Ref∙ 10 ppm

Chemische Verschiebung