7
Türkei · Auslandsjahr 2011/12 · Rotary Bielefeld Süd / Rotary Sisle · Nick Loose The meeting of continents

The meeting of continents - Rotary Distrikt 1900rotary1900.de/schueleraustausch/06_infos/Schueler/Trkei-NickLoose... · lung Istanbul-SPAGAT!D esign Istanbul Tasarımı in der MARTA

Embed Size (px)

Citation preview

Türkei · Auslandsjahr 2011/12 · Rotary Bielefeld Süd / Rotary Sisle · Nick Loose

The meeting of continents

„Das Fundament der TürkischenRepublik ist die Kultur.“ (Mustafa Kemal Atatürk, 1931)Als ich mit dem Bericht anfing,wusste ich nicht genau, was ich fürAußenstehende wertvolles übermein Auslandsjahr berichten kann.Zunächst fiel mir das einleitendgenannte Zitat von Mustafa KemalAtatürk ein. Atatürk hat dietürkische Republik am 29. Oktober1923 gegründet und trägt aus demGrund seinen Namen - „Der Vater der Türken“. Erdogan istseit 2003 Ministerpräsident der Türkei und bei vielen Türken,die ich getroffen habe eher umstritten, da er den muslemis-chen Glauben wieder stärkt. Atatürk war pro westlicheingestellt und hat die Religion grundsätzlich vom Staat unter-schieden. Er war gegen den Fundamentalismus und hat sichfür die Freiheit seines Volkes eingesetzt: „Unser Volk war seitseiner Geschichte immer ein Beispiel für Freiheit und Unab-hängigkeit.“ (Mustafa Kemal Atatürk)

Ein Auslandsjahr bekommterst durch die Reflexion eineNachhaltigkeit, also habeich einige meiner Erfahrun-gen und Gedanken im fol-genden Bericht festgehalten:Eigentlich wollte/sollte ich indas Triathlon-Sportinternat inEssen gehen. Da aber daszugehörige Gymnasiumüberlaufen war, konnte ich indem Schuljahr 2010/2011nicht aufgenommen werden.Daraufhin wuchs der Wun-sch ein Jahr im Ausland zu

verbringen, wie es zuvor meine SchwesterKim 2008/09 in Mexiko gewagt hatte,immer mehr. Also bewarb ich mich nochsehr kurzfristig bei dem Rotary-Club Biele-feld Süd und Dr. Pankoke nahm mich zumGlück noch im Programm mit auf. Die Län-derwahl stellte mich vor eine große Her-ausforderung, denn ich hatte nicht diegeringste Idee wo es den hingehen sollte.Ich kann mich noch gut daran erinnern,dass ein Mädchen aus unserem Distrikt1900 die Entscheidung einfach Rotary

überließ, indem sie keine Länderwahl abgab, keine schlechteIdee. Meine Familie redete mir ein, USA wäre das richtige Zielland,da ich dort am ehesten meinen Sport weiterführen könnte unddann vielleicht nicht meinen Kaderstatus (diese Erfahrunghatte Kim leider gemacht) durch einAuslandsjahr verlieren würde. Fremd-sprachen zu erlernen, fällt mir außerdemrecht schwer, da ich unter der Lese-,Rechtschreibschwäche (LRS) leide. Ichsollte lieber meine Englischkenntnisseverbessern, bevor ich mich in eine neueSprache hineinstürzte. Meine SchwesterKim sah mich schon immer in Brasilien,ein Land in dem ich sehr viel Spaß habenwürde. Also entschied ich mich für dieUSA als Erstwunsch und Brasilien alszweites Wunschland. Da mir aber immernoch der dritte Länderwunsch fehlte undich selber noch nicht von meiner eigenenWahl begeistert wahr, las ich die von Rotary erstellte Län-derliste unzählige male durch, wobei ich bei der „Türkei“immer länger verweilte. Ich weiß nicht warum mich diese Landin seinen Bann zog. Allerdings hatte bereits einige Wochenzuvor Dr. Pankoke, der Jugenddienstleiter meines sendenden

Clubs Bielefeld-Süd mir auf meine Nachfrage hin die Türkeiempfohlen. Damals kam mir dieser Rat ziemlich absurd vor,aber je länger ich auf die Liste starrte und so mehr ich darübernachdachte, gefiel mir die Türkei immer mehr – mein Dritt-Wunsch stand fest!

Auf die Frage des Auswahlgremiums in Hagen, warum ich dieUSA ausgewählt hätte, fiel mir im Grunde keine mich überzeu-gende Antwort ein und der Wunsch mein Jahr in der Türkei zuverbringen stieg weiter. Gleichzeitig freundeten sich meine El-tern mit dem Land an, denn meiner Mutter war damals bereitsklar, dass die Türkei als Wunschland, wenn auch als Drittwun-sch, das Zielland werden würde. So besuchten wir die Ausstel-lung Istanbul-SPAGAT!�Design Istanbul Tasarımı in der MARTAin Herford. Istanbul wurde dort als Europas schnellstewaschende Metropole zwischen Ost und West als ein Spagatzwischen Asien und Europa mit einer vollkommen eigenen

Identität beschrieben. Der Aufdruck„Istanbul erzählt lieber“ weckte meinInteresse und Kim schoss ein Fotovon mir vor einem Luftbild von Istan-bul. Dieses Bild liegt immer nochunter meiner Schreibtischunterlageund beschreibt für mich den magis-chen Moment; diese Stadt möchteich selber erkunden. Im Dezembererhielt ich die für mich damals nocheher unerwartete Nachricht. Es warnach wie vor nur mein Drittwunschgewesen: In die Türkei sollte esgehen!

AnkunftIm Juli 2011 reisten die ersten Outbounds unseres Distriktsbereits in ihre Gastländer und ich hatte noch nicht einmal dieGarantieform zurück. Ich blieb aber gelassen, denn meineFamilie hatte ja bereits Erfahrung mit dem Rotary Austausch-

1

programm und vollstes Vertrauen in die Organisation und dasweltweit funktionierende Netzwerk. Anfang August bekam ichmeine Unterlagen und konnte endlich mein Visum beantragen.Ich schrieb sofort an meinen gastgebenden Club und dieeingetragene Gastfamilie. Auf der Garantieform war einZeitraum angegeben in dem ich in Istanbul ankommen sollte.Wir buchten einen Flug und teilten die Ankunftszeit allen vor-liegenden Adressaten mit. Nachdem einige Tage vor meinemAbflug noch keine Rückmeldung eingegangen war, schriebmeine Mutter eine Email an den gastgebenden Club. Endlichmeldete sich meine Counselorin von Rotex bei mir und teiltemir mit, dass die für mich vorgesehene Gastfamilie erst imDezember in Istanbul wäre und sie nicht geantwortet hättenda sie nur türkisch sprächen. Ich sollte es trotzdem bei demTermin belassen, sie würde alles organisieren und amFlughafen sein. Ich vertraute meiner Rotex Counselorin blind,teilte ihr noch schnell mit, dass ich zusätzlich mein Rennrad im

Gepäck hätte und flog am 18.August 2011 nach Istanbul. Ichhatte keine Rückmeldung vonmeinem gastgebenden RotaryClub, wusste nicht wer meineGastfamilie sein wird und hattenatürlich auch keine Adresse.Meine Eltern hätten unter diesenUmständen meine Schwesterniemals nach Mexiko fliegenlassen. Sie hatten jetzt Vertrauenin das weltweite Netzwerk undschließlich war ich nicht ganz soweit weg.

Nach nur drei Stunden Flugzeit landete ich in Istanbul auf derasiatischen Seite, dem Flughafen Sabiha Gökcan (Name derersten türkischen Pilotin). Während des Fluges in dem wenigbesetzten Flugzeug und der Landung in Istanbul hatte ich eingutes Gefühl, ein Gefühl von Geborgenheit, das ich bis zumeiner Abreise, knapp ein Jahr später, beibehielt. Ich habe

mich in der Türkei immer sicher gefühlt, sogar an denGrenzen vom Iran, Irak und Syrien, wo die Terrorge-fahr tendenziell steigt. Meine Rotex Counselorin (ich hatte über Facebookbereits ein Bild von ihr) empfing mich wie versprochenam Flughafen. Sie hatte ein Mitglied des Rotary Clubsmitgebracht, der mich übergangsweise für eine Wocheaufnehmen wollte, bis sie für mich eine Familie gefun-den hätten. Der erste Satz, den die beiden zu mirsagten war, dass man in Istanbul nicht planen kannund alles spontan und dem Zufall überlassen sollte. Ichkam mit meinen Übergangsgastvater von Anfang ansehr gut klar und ich merkte sofort, dass ich in Istanbulgut aufgehoben bin. Meine Counselorin hatte einigeJahre zuvor ein Jahr in Ostwestfalen gelebt undsprach endsprechend gut Deutsch. Rotex in Istanbul hat dasKonzept, dass jeder Inbound einem Rotex Counselor oderCounselorin, der/die die Sprache des Inbounds spricht, zurSeite bekommt. Ich glaube viele Inbounds finden das einesuper Idee und ich kann das Konzept nachvollziehen, aber ichpersönlich fand es schade, dass ich in deutscher Sprache be-grüßt wurde. Später brach der Kontakt zu meiner Rotex Coun-selorin komplett ab. Ich mied auch die Touristengebiete mitentsprechend vielen deutschen Touristen und deutschsprechen-den Türken. Es ist schwer in einer so großen und interna-tionalen Stadt wie Istanbul die türkische Kultur herauszufiltern. Das Rotary Austauschprogramm ist wirklich verlässlich, esfunktioniert auch ohne individuelle Absprachen und es werdenimmer Lösungen gefunden. Diese Erfahrung konnte ich indiesem Jahr mehrfach machen.

Meine erste FamilieDie Übergangsgastfamilie wurde zu meiner ersten und imnach hinein meiner prägendsten Gastfamilie. Planmäßig sollteich die Familie nach einer Woche wieder verlassen, aber ichblieb fünf Monate dort und wurde als drittes Kind in der Fam-ilie Bil aufgenommen. Ich hatte einen Gastbruder Dogan (18)

und eine Gastschwester Kurmru (15), diemich anfangs etwas arrogant behan-delte. Ich musste mir ihren Respekt erar-beiten. Von meiner ersten Gastfamiliehabe ich das meiste mitgenommen, ichwürde sogar sagen, dass sie mich sehrstark geprägt haben. Ich habe es vorge-zogen Zeit mit ihnen zu verbringen,anstatt mich mit den anderen Inbounds zutreffen. Im nach hinein kann ich erstsagen, wie sehr ich mich selber als Teildieser Familie gefühlt habe. Wir fuhrengemeinsam in den Urlaub, unter anderemauch nach Antalya. Ich konnte jeder Zeitin die Firma meiner Gastmutter Gamze

kommen und auch mein Gastvater Serhat, den ich außeror-dentlich schätze, hat mich mit zur Arbeit genommen. Beidehaben sich viel Zeit für mich genommen und mir die Kultur, dieSchönheit aber auch die Gefahren dieser Stadt vermittelt unddie Grundlagen geschaffen, dass ich mich in dieser riesigenStadt zu Hause fühle. Mit meinen Gastvater Serhat habe ichwöchentlichen E-Mail Kontakt, da er sich sehr für meine En-twicklung interessiert, eben wie eine Vater-Sohn-Beziehung. Es gibt verschiedenartige Beziehungen zwischen Gastfamilieund Austauschschüler. Das zu erleben ist meiner Meinungnach ein wichtiger Teil des Rotary Austausch Programms.Meine zweite und dritte Gastfamilien waren längst nicht so er-wähnenswert wie meine erste, aber die Unterschiede konnteich erst im Nachhinein beurteilen und schätzen lernen.

WeihnachtenEiner meiner tollsten Erlebnisse in meiner ersten Gastfamiliebzw. mit meinem Gastvater war die Weihnachtsnacht, die wirmit einigen Schriftstellern an der türkischen Landesgrenze zumIran verbrachten. Zum Ende meines Auslandjahres war nochmal eine Wanderung in dieser Region geplant zu der ich ein-geladen wurde, aber Rotary hat diese Reise abgesagt, da sich

2

zu diesem Zeitpunkt dort eine neue Terrorgruppe formierteund die Sicherheit nicht gewährleistet war. Ich flog am 22.12.2011 mit einer Gruppe von Männern (ich war mit Abstandder Jüngste Teilnehmer) von Istanbul nach Erzurum. Erzurumist eine Millionenstadt in der Nähe des Schwarzen Meers in

den Bergen auf 2000 MeternHöhe. Im Gegensatz zum sonni-gen Istanbul versank Erzurumbereits im Schnee. In Erzurumwurde ich dem Bürgermeistervorgestellt, denn nicht vieleDeutsche verschlägt es in dieBerge der Türkei. Am 23.12.fuhren wir mit einem Bus weiterzu einem Denkmal in denGebirgsketten von Erzurum undder historischen Stadt Kars. VomMilitär geschützt verbrachen wirdort die Nacht bei - 30 C° nur mit

Zelten und einfachen Isomatten ausgerüstet. Es war eine kör-perlich an die Grenzen gehende aber berührende Weihnacht-snacht, zum Gedenken an den unnötigen Kältetod einertürkischen Kompanie mit einigen sehr jungen Soldaten zumEnde des ersten Weltkrieges.Das schönste an einem Auslandsjahr ist es, etwas Neues,Ungewöhnliches zu erleben und die gewohnten Strukturen zuverändern. Ich habe in diesem Jahr kein Weihnachten gefeiertund ich habe es auch nicht vermisst. In Is-tanbul ist Weihnachten einfach keinThema, außer in Starbucks. Mir istdadurch bewusst geworden, dass nichtdie Sprache die unterschiedlichen Kul-turen ausmacht, sondern vor allen Dingendie Religion.

Rotary, Rotaract und RotexRotary spielte in meinem Auslandsjahr

immer eine große Rolle. Da mein Gastvater Serhat selber Ro-tarisches Mitglied in meinen gastgebendem Club, dem RotarySisle Club ist, hatte ich die Möglichkeit wöchentlich zum Ro-tary Treffen zu gehen. Ich war der einzige Inbound diesesClubs (was wohl in Istanbul so üblich ist) und genoss dieungeteilte Aufmerksamkeit und auch Respekt, wurde zu allenAktivitäten eingeladen und fühlte mich quasi selbst als Mit-glied. Ich habe zu einigen Mitgliedern ein freundschaftlichesVerhältnis aufgebaut, was mir sehr viel bedeutet. In Laufe meines Auslandjahres hatte ich viel mit Rotaract zutuen, das ist ein Zusammenschluss von Jungen Leuten meist Stu-denten_innen, die zwar noch nicht über finanzielle Mittel ver-fügen, sich aber ebenfalls bereits wie Rotary engagieren. Wirhaben viel gemeinsam unternommen. Ich interessierte michimmer mehr für die Rotarische Organisationen. Der Rotarcat

Clubs ist eine guteMöglichkeit gleichal-trige Kontakte zuschließen, sich in demGastland zu integri-eren und dabei ansozialen Projekten mitzu arbeiten. Das istübrigens auch einegute Möglichkeit sichals Rebound in deinerStadt zu engagieren.Sowohl durch die Ro-

tary als auch Rotaract Treffen lernte ich viele neueGegenden von Istanbul kennen. Ich hatte keineProbleme mich in der Millionenstadtzurechtzufinden, wurde schnell selbstständig undkonnte mich unabhängig von meinen Gastfamilienmit öffentlichen Verkehrsmitteln in Istanbul bewe-gen. Rotex spielte hinter den Kulissen eine große Rollein meinem Auslandsjahr. Wie bereits bei meiner

Ankunft war Rotex zunächst immer mein Ansprechpartner undim Grunde genommen im Distrikt Istanbul verantwortlich fürdas Austauschprogramm. Ich muss aber gestehen, dass ichnicht so viel Interesse hatte mein Auslandsjahr mit anderen In-bounds zu verbringen, denn ich wollte Türkisch lernen undnicht Englisch und mein Gastland kennenlernen. Nach meinerErfahrung (auch mit Blick auf die Inbounds in Bielefeld), ist esoptimal den Kontakt zu anderen Austauschschüler_innen undden Menschen im Gastland im Gleichgewicht zu halten.

Rotary ReisenDas Austauschprogramm von Rotary international beinhaltetnicht nur, dass du deine Gastfamilien und Gaststadt kennen-lernst, sondern auch dass du das Gastland erkundest und anSozialen Projekten teilnimmst.Von meinen Distrikt in Istanbul wurden zwei große Reisen or-ganisiert und viele kleine Wochenendausflüge, die alles bein-halteten was die Türkei zu bieten hat. Die erste Reise fand imJanuar statt in der wir die gesamte Mittelmeerküste abge-fahren sind. Diese Reise war meiner Meinung nach sehr Touris-tisch ausgerichtet. Die Mittelmeerküste der Türkei ist natürlichmit seinen Stränden und den Archäologischen Funde wie dasSagenumwogende Troja oder die Badehäuser von Kleopatra

3

touristisch attraktiv. Wir reistenvon Pamukkale über Antalya bisnach Canakkale. Die Türkei istreich an Kultur, ein Land, daslieber erzählt, wie ich bereits inder Ausstellung im MARTA lesenkonnte. Allein zwei der siebenWeltwunder liegen in der Türkei.Die Reisen vermitteln unter an-derem auch die Vielseitigkeit

deines Gastlandes. DieTürkei ist umzingelt vonverschiedenen Meerenund an den Grenzen zumNahen Osten liegen dieBergketten, die bis zu5000 Meter in die Höheragen. Am SchwarzenMeer gibt es teilweise Re-genwaldgebiete aberauch Waldflächen, die

sehr stark an die Alpen erinnern. Die schönstenStrände liegen am Mittelmeer und mittendringibt es Kilometerlange wüstenartige Flächen.Die Zweite Reise ging von Konya bis nach An-takya und Cappadocia. Die gefiel mir beson-ders gut, denn hierhin verschlägt es kaumTouristen. An den Grenzen zu Syrien liegen diewirtschaftlich ärmeren Gebiete, dafür aber umeiniges Reicher an Wissen und Kultur. Die ersteReise verbrachten wir in 5-Sterne-Hotels ent-lang der Mittelmeerküste, die zweite Reise in

einfacheren Motels. Die Reisen waren sehr unterschiedlich undspiegelten die Vielseitigkeit des Landes wieder.Wir Inbounds hatten natürlich auch viel Spaßmiteinander und lernten auch das Nachtlebenkennen. Abgesehen von den Touristen Gebietenunterscheidet es sich von dem westlichgeprägten Nachtleben, der Spaß miteinandersteht im Vordergrund und nicht der Kommerz.

SpracheDie Türkische Sprache ist etwas ganz beson-deres. In Deutschland hatte sich mich ehrlichgesagt vor meinem Auslandsjahr nicht dafür in-teressiert. In einem Englischen Lehrbuch fürTürkisch - ich habe türkisch über englisch gelernt,kann ich nur empfehlen - habe ich gelesen, dass die türkischeSprache von der Satzstruktur dem Japanischen und die Gram-matik den Finnischen ähnelt. Türkisch ist nicht wie allgemeinangenommen Arabischen Uhrsprungs, sondern eine eigeneSprache und zwar eine der ältesten Sprachen überhaupt.Türkisch hat z.B. sogenannte Klick-Laute wie einige Urafrikanis-che Sprachen. Der große Wortschatz dieser Sprache hat mirzugegeben erweise enorme Schwierigkeiten bereite. Ich per-sönlich finde es sehr schade ist, dass die faszinierendetürkische Literatur weltweit sehr unbeobachtet ist. Die Grenzenzur Arabischen Welt tragen dazu bei, dass viele Türken auch

Arabisch sprechen und der Wortschatz der türkischenSprache selber neben vereinzelten russischen und französis-chen Worten, besonders arabische Wörter beinhandelt.Türkisch hat mir auch die Tür zur Arabischen Welt geöffnet,ich kann einige Wortfetzen aus dem Arabischen und Persis-chen verstehen. Für uns Europäer ist es eine schwer zu erler-nende Sprache, aber gleichzeitig die leichteste asiatischeSprache, da sie auf dem Lateinischen Alphabet aufgebaut ist.Ich selber konnte mich erst nach 5 Monaten langsam intürkischer Sprache unterhalten. Wo hingegen viele Outboundsin Südamerika nach eigenen Angaben sich bereits nach 3Monaten fließend unterhalten können. Das die türkische

Sprache das lateinis-che Alphabet nutz istdem StaatsgründerMustafa Kemal Atatürkzu verdanken. Er re-formierte die TürkischeSprache im Jahr 1925und verwarf das nochaus dem OsmanischenReich stammendeeigene Alphabet.Deutsch wird in derTürkei als zweiteFremdsprache gelehrt.

In Deutschland bin ich als Deutscher mit Türkischen Sprachken-ntnissen noch ein Exot. Aus meiner jetzigen Sicht nicht nachvol-lziehbar.

SchuleDas Doga Kollej in Acarkent war für ein Jahr meine Schule.Ich hatte großes Glück. Es ist eine sehr teure Privatschule aufder Asiatischen Seite in der Nähe des Schwarzen Meers, ineiner der wohlhabendsten Gegenden von Istanbul. Ich hattezwar fünf Monate lang (1. Gastfamilie) einen langen Schul-weg - je nach Verkehr zwischen 1,5 und 2,5 Stunden Busfahrt

4

pro Richtung. Ich wurde um 6.30 Uhr von einem Schulbusabgeholt und war vor 18.00 Uhr nie zu Hause. Die Zeit habeich aber sinnvoll zum türkisch lernen nutzen können. Ich fühltemich auf dem gesamten Campus sehr wohl, habe viel Zeit mitmeinen türkischen Mitschüler_innen verbracht und viel gelernt.Es gibt auf dem Campus Gelände unter anderem einSchwimmbad und eine Eisbahn. Trotz der Hitze bin ich in denPausen oft Schlittschuh gefahren. Der Name Doga Kollej be-deutet „Natur-Kolleg“, dem end-sprechend war auch dasSchulkonzept. Es ist von derSchülerzahl eine mit 300Kollegiat_innen kleine Schule, allerd-ings auf einem großen Campus-Gelände. Ich war einer von 12Schüler_innen einer besonderenKlasse mit überwiegend interna-tionalen Schüler_innen. Die Schule hatdas Konzept pro Stufe eine Klasse mitdem internationales System IBBarcelona zu unterrichten. Ich hattedas Privileg, Teil dieser Klasse zu sein.Alle internationalen Fächer wie Mathematik, Biologie und En-glisch selber wurden in Englisch unterrichtet. Dem zufolge kon-nten meine Mitschüler_innen sehr gut Englisch sprechen. Dasbeschränkte sich allerdings nur auf die Schüler_inen diesesKlassenkonzeptes, alle anderen sprachen kaum englisch. Sonutzte ich die Pausen um Türkisch zu lernen und im Unterrichtselber konnte ich mein Englisch um einiges verbessern. Denndas war wie bereits erwähnt nicht meine Stärke. Ich kann nurempfehlen kein Englisch sprachiges Land zu wählen, denn En-glisch wirst du mehr oder weniger in jedem Land sprechen(mindestens unter den Inbounds). Nutze die Chance und lernenoch eine andere Sprache, egal welche, es ist immer eineBereicherung. Ich liebe die Türkische Sprache. Sie hat übri-gens wenig mit der Sprache zu tun, die ich in Deutschland aufder Straße höre.

In Istanbul werden immer nur zwei Inbounds pro Schuleaufgenommen. Mit mir war das noch Jane aus Florida. DieSchule sponsert den Schulplatz, aber die Fahrtkosten undVerpflegungskosten übernimmt der jeweilige Club, das war inmeinem Fall auch nicht wenig. Allein das Essensgeld für dasSchuljahr betrug umgerechnet 3000,- Euro. Ich kann Rotarynur dafür danken, dass ich diese Schule für ein Jahr besuchenkonnte.

Ich durfte zweimal eine Schulklasseaus Deutschland begrüßen, da meineSchule an einigen Wochenaustausch-programmen teilnimmt. Es war schonamüsant als Deutscher DeutscheSchulklassen am Flughafen zu be-grüßen und ihnen die Stadt und dieSchule zeigen zu dürfen und mich alsDolmetscher zu beweisen. DieseWochenaustauschprogramme warenimmer ein voller Erfolg und ich hoffe,dass ich in Zukunft mit der Hilfe meinesRotary Gast Clubs und eine Schulkoop-eration organisieren kann. Die gemein-

same Geschichte verbindet die Türkei und Deutschland, wirsollten die Beziehungen untereinander wieder verbessern. DieChance im Kleinen etwas zu bewegen sehe ich und hoffe sieauch nutzen zu können.

MUNsÜber meine Schule bin ich auf das Projekt „MUN“ aufmerk-sam geworden, was „Model United Nation“ bedeutet. DieseEvents gibt es weltweit auch in Deutschland, ich hatte aberzuvor noch nicht davon gehört. MUNs sind Events die von derUN selber unterstützt und gesponsert werden. Es sind politis-che Simulationen für junge Menschen, in denen du dieMöglichkeit hast, die Zukunft zu gestalten. DieTeilnehmer_innen kommen aus der ganzen Welt. Jede_rbekommt ein Land zugewiesen über das er/sie sich in-

formieren muss und dieses dann eine Woche lang politischvertreten muss. Die Sprache ist Englisch. Ich hatte dieMöglichkeit zweimal an einer MUN teilzunehmen. In Antalyadem Model United Nation Turkey fungierte ich als Vertreterdes Landes Uganda in der African Union. Bei der zweitenMUN in Ankara vertrat ich in der Europäischen Union Slowe-nien. Das besondere an diesen Events ist die Atmosphäre. InAntalya kamen junge Menschen aus der ganzen Welt zusam-men, die große Pläne haben und aktiv die Zukunft verändernwollen. Ich habe auf den MUNs zusätzlich zum Austauschpro-gramm viele internationale Kontakte geknüpft und Freundegefunden. Es sind andere Freundschaften entstanden z.B. ausSaudi Arabien, Afghanistan, Indonesien, Pakistan, Uganda,Kenia. Ich habe mir ganz fest vorgenommen Freunde in Pak-istan zu besuchen.

Rotary ist war der Anfang meines Austauschprogramms undich danke Rotary das sie mir diese Tür geöffnet haben. Es gibtaber noch zahlreiche andere Möglichkeiten, Events oder Ve-ranstaltungen mit denen ein Auslandsjahr erst richtig zu einenErlebnis wird. Diese wahrzunehmen bleibt jedem selber über-lassen.

5

SportEin Auslandsjahr verhindert auf den ersten Blick die sportlicheKarriere. Meine NRW Landestrainer waren davon nichtbegeistert und haben mir davon abgeraten. Zurück in Deutsch-land habe ich meinen Kaderplatz verloren und ich weiß nichtob ich noch mal an meine Leistun-gen anknüpfen kann. Aber ichhabe neben dem individuellen leis-tungsorientierten Sport eine andereSeite kennengelernt. Sportler gibtes überall auf der Welt und einegemeinsame Sportart verbindetMenschen aus unterschiedlichenNationen. Ich bekam mit Hilfe vonRotary Kontakt zu einem Triathletder Türkischen Nationalmannschaftaus Istanbul. Er informierte michüber die türkische Triathlon Szene und die zahlreichen Wet-tkämpfe. Leider konnte ich zu Beginn meines Auslandsjahrestrotz Startplatz (aus Deutschland) nicht an den Europameis-terschaften in Antalya teilnehmen, weil ein wichtiges Rotary

Event dazwischen kam. Später bekam ich die TürkischeStarter- Lizenz und reiste beinah jedes zweite Wochenende

durch die ganze Türkei und nahm an zahlre-ichen Lauf-, Schwimm- und Triathlon-Wet-tkämpfen teil. Die Türken lieben den Sport unddie Rotaryier unterstützten mich dabei. Sporthat einen großen Stellenwert in der türkischen

Gesellschaft. Zweimalhabe ich es durch denSport in das TürkischeFernsehen geschafftund unzählige malewurde ich inZeitschriften erwähnt. Letztendlich binich nun nicht nur in Deutschland, son-dern auch in der Türkei unter denbesten zehn Triathleten meinesJahrgangs. Ich möchte damit nurzeigen, dass es viele Möglichkeiten

gibt sich in einem fremden Land zu integrieren, das kann sicherauch die Musik oder Kunst sein oder was auch immer. An demRotary Austauschprogramm teilzunehmen ist nicht alles, alsInbound kannst du das Jahr auch selber gestalten, damit esunterschiedlich und individuell wird.

Rotary FragenMein Auslandjahr beutet mir sehr viel,aber es ist für mich erst der Anfang.Ideen hatte ich schon immer, aber jetztkonnte ich erleben, dass ich sie umset-zten kann und will. Das Rotary Aus-tauschprogramm öffnet vieleOptionen und ich bin sehr dankbardafür. Ich werde sie weiterhin nutzenund im Grunde genommen ist das Pro-jekt Auslandserfahrung noch nicht vor-

bei. Ich möchte nicht vom besten Jahr meines Lebenssprechen, denn zum einen kann ich das noch gar nichtbeurteilen und zum anderen hat sich die Tür zu einer anderenKultur erst geöffnet und ich werde sie noch weiter öffnen.Schon in der Türkei habe ich mich dafür eingesetzt mein Lebenneu zu organisieren und nicht einfach in die alten Strukturenzurückzukehren. Zunächst habe ich die Schule gewechselt. Ichgehe gern in die Schule, engagiere mich in vielen Gremienund habe überhaupt kein Problem damit das Abitur ein Jahrspäter zu machen. Für mich ist dieses Jahr keineingeschobenes Auslandsjahr, sondern eine Entscheidung, dievielseitige Auswirkungen hat und sicher auch noch habenwird. Durch das Jahr mit Rotary lebe ich die Veränderungenund lebe mein Auslandsjahr weiter, es wird nie zu endegehen...

6

ISTANBUL