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Thema 1 Brauchen Menschen Gott – braucht Gott Menschen? (Gottesbilder) Nachdenken über Gott Viele Theologinnen und Theologen haben über Gott nachgedacht. Dabei haben auch manche versucht, Gott und seine Existenz (= dass es Gott gibt) zu beweisen. So hat Anselm von Canterbury im Mittelalter gesagt: Gott ist das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Und wenn Gott das ist, dann bedeute das, so Anselm: Gott muss existieren. Denn wenn er nicht existiert, dann ist er ja nicht vollkommen. Und wenn er nicht vollkommen wäre, dann wäre er auch nicht das, worüber hinaus nichts Größeres gedacht werden kann. Das war klug gedacht, aber durch Nachdenken kann man Gott nicht beweisen. Nur weil man sich etwas vorstellen kann, heißt das nicht, dass es das auch gibt! Gott kann man nicht beweisen. Man kann nur an ihn glauben. In erster Linie geht es also nicht um Denken und Verstehen, sondern um Gefühl oder Sinn und Geschmack für das Unendliche. Das hat Friedrich Schleiermacher gesagt. In der Bibel gibt es deshalb auch so viele verschiedene Vorstellungen und Bilder von Gott – sie alle sind zu unterschiedlichen Zeiten für unterschiedliche Menschen in unterschiedlichen Situationen wichtig gewesen. Die Vielfalt der Vorstellungen von Gott zeigt, wie vielfältig Gott sein muss. Es geht nicht darum, ihn zu beweisen, sondern etwas von Gottes Wirken in seinem Leben zu erfahren und über das nachzudenken, was andere Menschen von Gott erfahren und mit ihm erlebt haben. Aus diesen Erfahrungen und Gedanken haben sich die vielen Gottesbilder ergeben.

Thema 1 Brauchen Menschen Gott – braucht Gott Menschen ...€¦ · manche versucht, Gott und seine Existenz (= dass es Gott gibt) zu beweisen. So hat Anselm von Canterbury im Mittelalter

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Page 1: Thema 1 Brauchen Menschen Gott – braucht Gott Menschen ...€¦ · manche versucht, Gott und seine Existenz (= dass es Gott gibt) zu beweisen. So hat Anselm von Canterbury im Mittelalter

Thema 1

Brauchen Menschen Gott –

braucht Gott Menschen?

(Gottesbilder)

Nachdenken über Gott

Viele Theologinnen und Theologen haben über Gott nachgedacht. Dabei haben auch

manche versucht, Gott und seine Existenz (= dass es Gott gibt) zu beweisen. So hat

Anselm von Canterbury im Mittelalter gesagt: Gott ist das, worüber hinaus nichts

Größeres gedacht werden kann. Und wenn Gott das ist, dann bedeute das, so Anselm:

Gott muss existieren. Denn wenn er nicht existiert, dann ist er ja nicht vollkommen.

Und wenn er nicht vollkommen wäre, dann wäre er auch nicht das, worüber hinaus

nichts Größeres gedacht werden kann.

Das war klug gedacht, aber durch Nachdenken kann man Gott nicht beweisen. Nur

weil man sich etwas vorstellen kann, heißt das nicht, dass es das auch gibt!

Gott kann man nicht beweisen. Man kann nur an ihn glauben. In erster Linie geht es

also nicht um Denken und Verstehen, sondern um Gefühl oder Sinn und Geschmack

für das Unendliche. Das hat Friedrich Schleiermacher gesagt.

In der Bibel gibt es deshalb auch so viele verschiedene Vorstellungen und Bilder von

Gott – sie alle sind zu unterschiedlichen Zeiten für unterschiedliche Menschen in

unterschiedlichen Situationen wichtig gewesen. Die Vielfalt der Vorstellungen von

Gott zeigt, wie vielfältig Gott sein muss. Es geht nicht darum, ihn zu beweisen,

sondern etwas von Gottes Wirken in seinem Leben zu erfahren und über das

nachzudenken, was andere Menschen von Gott erfahren und mit ihm erlebt haben.

Aus diesen Erfahrungen und Gedanken haben sich die vielen Gottesbilder ergeben.

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Biblische Vorstellungen von Gott

Schöpfer

Auf, mein Herz, preise den Herrn! Herr, mein Gott, wie groß du bist! Du lässt

Quellen entspringen und zu Bächen werden; zwischen den Bergen suchen sie ihren

Weg. Sie dienen den wilden Tieren als Tränke. Du lässt das Gras sprießen für das

Vieh und lässt die Pflanzen wachsen, die der Mensch für sich anbaut, damit die Erde

ihm Nahrung gibt. Herr, was für Wunder hast du vollbracht! Alles hast du weise

geordnet; die Erde ist voll von deinen Geschöpfen. (Ps 104)

> Die Vorstellung von Gott als Schöpfer bedeutet: Alles kommt von Gott.

> Gott hat die Welt geschaffen – den Himmel und die Erde, die Natur, die Tiere, die

Menschen, ...

> Die Welt und das Leben sind kein Zufall, sondern sie entspringen Gottes Willen

> Jeder Mensch und jedes Tier ist Gottes Geschöpf – er liebt es und kennt es.

> Gott selbst hat keinen Ursprung, sondern er ist der Anfang von allem.

> Ein Abglanz/Wiederhall/Schimmer von Gott findet sich in seiner ganzen Schöpfung

Allmächtiger

Gott ist der „alleinige Herrscher, der König der Könige und Herr aller Herren. Ihm

(allein) gehören Ehre und ewige Macht.“ (1 Tim 6,15.16b)

> Gott ist mächtig – er kann helfen und etwas ändern.

> Die Vorstellung davon, dass Gott allmächtig ist, bedeutet nicht, dass Gott einfach

tut, was er will. Viel wichtiger ist dabei, dass Gott allen anderen Mächten

übergeordnet ist: Nichts ist für ewig, nur Gott; nichts ist absolut, nur Gott.

> Im Befreiungskampf vieler armer Menschen und vieler Frauen in Südamerika hat

diese Vorstellung Hoffnung gemacht. Denn wenn nur Gott allmächtig ist, dann heißt

das: alle menschlichen Diktatoren und alle Gewalttäter sind Aufrührer gegen Gottes

gute Macht und verstoßen gegen Gottes Herrschaft.

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Heiliger Geist

Das habe ich zu euch geredet, solange ich bei euch gewesen bin. Aber der Tröster,

der Heilige Geist, den mein Vater senden wird in meinem Namen, der wird euch alles

lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. (Joh 14,25f.)

Der Geist weht, wo er will. (Joh 3,8)

> Gott hat die Welt erschaffen und er ist Mensch geworden in Jesus Christus. Doch

als Heiliger Geist wirkt er jeden Tag – für immer.

> Gott wirkt in der Welt auf verborgene Weise.

Adlermutter

Wie ein Adler ausführt seine Jungen und über ihnen schwebt, so breitete er seine

Fittiche aus und nahm ihn und trug ihn auf seinen Flügeln. (Dtn 32,11)

> Wisst ihr, wie Adlerjungen fliegen lernen? Die Mutter stößt sie aus dem Nest – und

dann klappt es. Und wenn nicht, dann fliegt die Adlermutter hinterher und fängt das

Junge auf ihren Flügeln auf.

> Wenn Gott wie eine Adlermutter ist, dann will er offenbar, dass wir Menschen auch

das Nest verlassen und fliegen. Aber wenn es mal nicht klappt mit unserem Fliegen,

dann wird Gott uns helfen wie die Adlermutter.

Menschgeworden in Christus

Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine

Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge. […] Und der Engel

sprach zu den Hirten: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude,

denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr. Und das

habt zum Zeichen: Ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer

Krippe liegen. (Lk 2)

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> Gott, der allmächtige Schöpfer der Welt, ist Mensch geworden und als Mensch

sogar gestorben.

> Gott liebt die Menschen so sehr, dass er ihnen auch im Leid und im Tod nahe ist. Er

weiß, dass Menschen nicht ohne Schuld leben können und ihm nicht gerecht werden

können, deshalb ist Gott zu uns gekommen.

Die Blinden und der Elefant

Es waren einmal fünf weise Gelehrte. Sie alle waren blind. Diese Gelehrten wurden von ihrem

König auf eine Reise geschickt und sollten herausfinden, was ein Elefant ist. Und so machten sich

die Blinden auf die Reise nach Indien. Dort wurden sie von Helfern zu einem Elefanten geführt. Die

fünf Gelehrten standen nun um das Tier herum und versuchten, sich durch Ertasten ein Bild von

dem Elefanten zu machen.

Als sie zurück zu ihrem König kamen, sollten sie ihm nun über den Elefanten berichten. Der erste

Weise hatte am Kopf des Tieres gestanden und den Rüssel betastet. Er sprach: "Ein Elefant ist wie

ein langer Arm." Der zweite Gelehrte hatte das Ohr des Elefanten ertastet und sprach: "Nein, ein

Elefant ist vielmehr wie ein großer Fächer." Der dritte Gelehrte sprach: "Aber nein, ein Elefant ist

wie eine dicke Säule." Er hatte ein Bein des Elefanten berührt. Der vierte Weise sagte: "Also ich

finde, ein Elefant ist wie eine kleine Strippe mit ein paar Haaren am Ende", denn er hatte nur den

Schwanz des Elefanten ertastet. Und der fünfte Weise berichtete seinem König: " Also ich sage, ein

Elefant ist wie eine riesige Masse, mit Rundungen und ein paar Borsten darauf." Dieser Gelehrte

hatte den Rumpf des Tieres berührt.

Nach diesen widersprüchlichen Äußerungen fürchteten die Gelehrten den Zorn des Königs, konnten

sie sich doch nicht darauf einigen, was ein Elefant wirklich ist. Doch der König lächelte weise: "Ich

danke Euch, denn ich weiß nun, was ein Elefant ist: Ein Elefant ist ein Tier mit einem Rüssel, der

wie ein langer Arm ist, mit Ohren, die wie Fächer sind, mit Beinen, die wie starke Säulen sind, mit

einem Schwanz, der einer kleinen Strippe mit ein paar Haaren daran gleicht und mit einem Rumpf,

der wie eine große Masse mit Rundungen und ein paar Borsten ist."

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Thema 2

Und ob ich schon wanderte im finstern Tal –

Umgang mit Leid

MERKE:

Theodizee ist die Frage nach Gottes Allmacht, Weisheit und Liebe angesichts von

Leid und Übel auf der Welt. Kann (>Allmacht) oder will (>Liebe) Gott das Leid nicht

verhindern?

Die Frage (bzw. Kritik) der Theodizee gegenüber Gott lautet: Wie kann Gott, der

doch gut und allmächtig ist, das Böse und das Leid auf der Welt zulassen?

Konkret könnte man folgende Fragen dazu stellen (und natürlich weitere):

Wie kann Gott das zulassen? Warum greift er nicht ein, wenn Menschen einander quälen, einander ausbeuten und grausam ums Leben bringen? Warum hat er eine Welt geschaffen, in der nur die Stärkeren überleben, in der die großen Tieredie kleinen fressen und Menschen zu Mördern werden? Warum hat er uns nicht mehr Moral und mehr Liebe mitgegeben und weniger Freiheit, mit der wir offensichtlich nicht umgehen können? Warum hat er uns Krebs und AIDS nicht erspart? Warum …?

Zum Theodizee-Problem gibt es einige traditionelle Antworten, die auch in der Bibel

vorkommen. Zum Beispiel:

• Gott wird schon wissen, warum es das Leid gibt.

• Gott verfolgt mit dem Leid einen geheimen Plan, der die Menschen nur nicht

verstehen.

• Leid ist die Strafe für eigene (oder fremde) Schuld.

• Es steht dem Menschen nicht zu, Gott anzugreifen oder zu kritisieren.

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Allerdings sind all diese Antwortversuche unbefriedigend. Schließlich gibt es

durchaus auch unverschuldetes Leid in der Welt und es erscheint nicht glaubwürdig,

dass alles Leid – gerade das besonders Schlimme, z.B. wenn Kinder vor oder bei der

Geburt sterben – einem guten Plan Gottes folgen soll. Das passt nicht zum

christlichen Gottesbild und würde als Erklärung den Schmerz und den Grund zur

Klage gegen Gott nicht mindern. Außerdem erscheint es aus der Perspektive des

Neuen Testaments nicht so, als würde Gott die Menschen durch Leid bestrafen

wollen – das widersprecht dem, was Jesus von Gott erzählt hat.

Das Theodizee-Problem stellt sich letztlich nur aufgrund des Glaubens. Würde man

nicht an Gott glauben, hätte man ja niemanden, dem man das Leid vorwerfen könnte.

Nur wenn man glaubt, dass ein guter und liebender Gott die Welt geschaffen hat und

Macht über den Lauf der Welt hat, kann man ihm das Leid auf der Welt zum Vorwurf

machen.

Der römische Philosoph Epikur überlegte dazu:

Entweder will Gott die Übel beseitigen und kann es nicht (dann ist er schwach, nicht

allmächtig), oder er kann es und will es nicht (dann ist er missgünstig, nicht gut), oder er kann

es nicht und will es nicht (dann ist er schwach und missgünstig zugleich), oder er kann es und

will es – woher kommen dann die Übel und warum nimmt er sie nicht weg?

Aber Achtung: Der Gott des Christentums ist nicht nur ein mächtiger, aber ferner und

unverständlicher Gott, sondern es ist der, der in Jesus Christus Mensch geworden ist,

der sich den Armen, Schwachen, Kranken und Ausgeschlossenen zugewendet hat und

der für alle Menschen am Kreuz gestorben ist. Daraus folgt für die Theodizee-Frage:

Relativ neu ist ein anderer theologischer Gedankengang: Gott sieht dem Leiden seiner

Geschöpfe keineswegs ungerührt zu, er teilt es! Ein ohnmächtiger, mit seinen Menschen

mitleidender Gott hat den Anspruch auf Allmacht verloren – aber eine ganz neue

Glaubwürdigkeit gewonnen, weil er bis zum letzten solidarisch mit seinen Geschöpfen ist und

ihre Not damit verwandelt. Es ist der Gott des Karfreitags: In Christus ist er präsent in der

Welt, im Zentrum aller menschlichen Not. Gott steht hier konsequent auf der Seite der

Leidenden, Partei ergreifend für die Elenden und Verfolgten, sehen Christus als Kämpfer gegen

Leid und Gewalt.

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Ein Beispiel dafür findet sich bei dem Theologen Dietrich Bonhoeffer, der im

Zweiten Weltkrieg von den Nazis gefangen und getötet wurde:

Menschen gehen zu Gott in ihrer Not,

flehen um Hilfe, bitten um Glück und Brot

um Errettung aus Krankheit, Schuld und Tod.

So tun sie alle, alle, Christen und Heiden.

Menschen gehen zu Gott in Seiner Not,

finden ihn arm, geschmäht, ohne Obdach und Brot,

sehen ihn verschlungen von Sünde, Schwachheit und Tod.

Christen stehen bei Gott in Seinen Leiden.

Gott geht zu allen Menschen in ihrer Not,

sättigt den Leib und die Seele mit Seinem Brot,

stirbt für Christen und Heiden den Kreuzestod,

und vergibt ihnen beiden.

Außerdem ist es im Christentum wichtig, dass Menschen sich in Freude und Leid an

Gott wenden können – denn Gott war selbst in Jesus Christus Mensch und hat die

Freude und das Leid des Lebens erlebt. Sogar Jesus hat im Moment größter Qual,

nämlich am Kreuz, zu Gott gebetet und ihm sein Leid geklagt. Wer an Gott glaubt,

kann sich also auch im Leid an Gott wenden – zum Beispiel im Gebet – und ihm sein

Leid klagen, um Hilfe bitten und Trost suchen in der Hoffnung auf Gott.

Zuletzt ist noch zu beachten, dass diese Welt aus christlicher Sicht eben nicht alles ist

– das Glück des Lebens erfüllt sich nicht allein in dieser Welt! Es ist schlimm, dass

das Leben von Menschen von Leid geprägt ist, aber diese Welt und dieses Leben sind

nicht alles, sondern Christinnen und Christen erwarten und erhoffen eine bessere

Zukunft nach dem Tod bei Gott. Auch diese Hoffnung kann trösten angesichts von

Erfahrungen des Leids im Leben.

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Thema 3

Arm und reich –

Gerechtigkeit in der Einen Welt

Armut und Reichtum

Elemente von Armut

• schlechte Ernährung

• wenig Bildung

• geringe Aufstiegschancen

• Gesundheitsrisiken

• geringe Bildungschancen für Nachkommen

• Arbeitslosigkeit

Kreislauf der Armut

... > geringe Bildungschancen > Arbeitslosigkeit / schlechte Jobs > geringes

(oder kein) Einkommen > schlechte Ernährung > gesundheitliche Probleme

> ...

Ein Problem beim Bereich Armut ist, dass die Ursachen der Armut einander

bedingen, sodass die Armut Folgeprobleme nach sich zieht, die die Armut

verstärken. Dieses Phänomen kann als Kreislauf der Armut bezeichnet werden.

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Armut und Reichtum bei Ländern

• Erste Welt: Industriestaaten

• Zweite Welt: Staaten, die sich zu Industriestaaten entwickeln

• Dritte Welt: Entwicklungsländer

• Vierte Welt: Länder, in denen sehr viele Menschen unter Armut und

Unterdrückung leiden

Zusammenhänge: Das Leben der Reichen auf Kosten der Armen

Bei den Staaten der Erde gibt es krasse Unterschiede hinsichtlich des Wohlstands der

Gesamtbevölkerung und der Staaten. Deshalb werden die Länder der Erde in die

Erste bis Vierte Welt unterteilt. Allerdings ist die Armut vieler Staaten auch eine

Folge des Reichtums anderer Staaten. Der Luxus der einen ist dabei das Problem der

anderen, zb:

• Billigimporte

• Kinderarbeit

• Umgang mit Reichtum (z. B. Anspruchsdenken, unreflektiertes

Konsumverhalten)

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Die Geschichte vom reichen Kornbauern

Dann wandte Jesus sich an alle: »Hütet euch vor der Habgier! Wenn jemand auch

noch so viel Geld hat, das Leben kann er sich damit nicht kaufen.« An einem Beispiel

erklärte er seinen Zuhörern, was er damit meinte: »Ein reicher Gutsbesitzer hatte

eine besonders gute Ernte. Er überlegte: ›Was soll ich bloß tun? Ich weiß gar nicht,

wo ich das alles unterbringen soll. Jetzt hab ich eine Idee! Ich werde die alten

Scheunen abreißen und neue bauen, so groß, dass ich das ganze Getreide, ja alles,

was ich habe, darin unterbringen kann. Dann werde ich mir sagen: Du hast es

geschafft und für lange Zeit ausgesorgt. Ruh dich aus! Lass es dir gut gehen – iss und

trink und genieße dein Leben!‹ Aber Gott entgegnete ihm: ›Wie dumm du doch bist!

Noch in dieser Nacht wirst du sterben. Wer bekommt dann deinen ganzen Reichtum,

den du angehäuft hast?‹« Und Jesus schloss mit den Worten: »So wird es allen

gehen, die auf der Erde für sich selber Reichtümer anhäufen, aber mit leeren Händen

vor Gott stehen.«

Jesus kritisiert in dieser Geschichte alle Menschen, die glauben, dass Geld im Leben

am wichtigsten sei. Er weist darauf hin, dass man sich für Geld aber weder das Leben

selbst kaufen kann, noch den Tod verhindern (obwohl man ihn durch Medizin

vielleicht hinauszögern kann). Vor allem aber macht Geld nicht glücklich, so Jesus.

Statt gierig mit allen Mitteln zu versuchen, immer reicher zu werden, soll man besser

darauf achten, dass man vor Gott nicht mit leeren Händen dasteht – Gott wiederum

achtet offenbar nicht auf das Geld, das jemand besitzt, sondern darauf, wie man

gelebt und geliebt hat.

Die Geschichte wendet sich also kritisch gegen Gier und gegen den Versuch, immer

mehr und mehr Geld anzuhäufen. Zumal wenn andere darunter leiden und

ausgebeutet werden. In dieser Welt mag Geld wichtig sein, doch Gott ist es nicht

wichtig. So führt Gier einen Menschen immer weiter von Gott weg.

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Gerechtigkeit

Gerecht heißt nicht unbedingt, dass alle gleich behandelt werden. Ein anerkannter

Grundsatz von Gerechtigkeit ist, dass Gleiches gleich behandelt wird und Ungleiches

ungleich behandelt wird.

Jedem das Seine: Jede(r) wird entsprechend seinen/ihren Bedürfnissen behandelt.

Dieser Grundsatz ist gerecht, wenn alle ungleich sind und auf die ungleichen

Bedürfnisse bzw. Fähigkeiten eingegangen wird. Von allen das Gleiche zu verlangen

oder allen das Gleiche zu geben, wäre oftmals unangemessen und ungerecht, da

Menschen unterschiedliche Stärken und Schwächen und unterschiedliche

Möglichkeiten haben. Im Steuersystem oder bei der Beurteilung sportlicher

Leistungen nach Leistungs- und Altersgruppen wird versucht, dem Rechnung zu

tragen.Ungleichbehandlung führt in dem Fall zu Gerechtigkeit.

Jedem das Gleiche: Jede(r) bekommt das Gleiche. Dieser Grundsatz ist gerecht,

wenn alle gleich sind (hinsichtlich Bedürfnissen, Fähigkeiten oä.). Dieser Grundsatz

ist sehr verbreitet und beliebt – zB in der Erziehung, wenn alle Kinder "gleich"

behandelt werden. Allerdings sind Menschen eben meist unterschiedlich und die

Situation und Umstände sollten in die Beurteilung von gerecht und ungerecht

eingebracht werden.

Ein Problem des Themas Gerechtigkeit ist allerdings, dass es schwer zu erkennen und

zu beurteilen ist, wer/was gleich ist und wer/was ungleich. Insofern ist Gerechtigkeit

schwer zu erzielen und zu erhalten und erfordert genaues Prüfen und Nachdenken.

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Thema 4

Jesus Christus – eine Herausforderung

Grundwissen

• Die Bibel besteht aus zwei Teilen: dem Alten Testament und dem Neuen

Testament.

• Das Alte Testament ist (bis auf kleine Ausnahmen) auf Hebräisch geschrieben

worden. Viele Geschichte sind so alt, dass sie über Jahrhunderte nur mündlich

weitererzählt worden sind. Im Alten Testament stehen zB die zwei

Schöpfungsgeschichten, die Geschichten von Abraham, Mose und Jona.

• Das Neue Testament ist auf Griechisch geschrieben worden. Darin stehen u.a.

die vier Evangelien (Markus, Matthäus, Lukas, Johannes) und die Briefe, die

der Apostel Paulus an die ersten christlichen Gemeinden geschrieben hat.

• Die Evangelien berichten vom Leben und Sterben Jesu und über das, was er

gesagt und getan hat.

• Jesus ist etwa im Jahr 30 n. Chr. gestorben, Paulus hat seine Briefe ab dem Jahr

50 n. Chr. geschrieben und die Evangelien wurden zwischen 70 und 100 n.

Chr. verfasst. Die Evangelien sind also keine Augenzeugenberichte, sondern

sie sammeln Geschichten und Erzählungen über Jesus.

• So findet man eine Bibelstelle: Lukas 2,10 bedeutet

◦ im Lukasevangelium (siehe Abkürzungs- und Inhaltsverzeichnis der Bibel)

◦ Kapitel 2

◦ Vers 10

▪ "." heißt "und"

▪ "-" heißt "bis"

▪ "f." heißt "folgender Vers"

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Auflösung

1 Jünger

2 Maria

3 Bethlehem

4 Karfreitag

5 Jerusalem

6 Galiläa

7 vier

8 Zimmermann

9 Wunder

10 Christus

11 Tempel

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Stadt / Ort Ereignis

Bethlehem Geburtsort (nach dem Lukasevangelium)

Nazareth Dort hat Jesus seine Kindheit und Jugend verbracht

Kapernaum Dort und ringsum spielen viele Geschichten von Jesu (Wunder, Reden etc.)

See Genezareth Der See, an dessen Ufer Kapernaum liegt. Auf dem See und am Ufer spielen ebenfalls viele Geschichten (Sturmstillung, Fischzug, Speisung der 5000 usw.)

Galiläa In dieser Region liegen Nazareth, Kapernaum und der See Genezareth

Jordan Im Fluss Jordan wurde Jesus von Johannes getauft

Jerusalem Dort verbrachte Jesus die letzte Woche seines Lebens– hier wurde er verhaftet, verhört und gekreuzigt, hierist er wiederauferstanden

Der historische Jesus

Jesus hat wirklich gelebt – davon berichten die vier Evangelien, aber auch andere Schriften des Neuen Testaments und Texte, die von jüdischen und römischen Autorengeschrieben wurden. Einige dieser Autoren hätten keinen Grund und kein Interesse, von Jesus zu berichten, wenn er nicht wirklich gelebt hätte.Manches in seinem Leben ist legendenhaft und klingt unwahrscheinlich. Anderes aber passt zu historischen Fakten, die gesichert sind, wird von verschiedenen Schriften bezeugt oder ist aufgrund der historischen Situation sehr glaubwürdig.

• Jesus hat wirklich gelebt• Jesus war Jude• Er wurde zur Zeit des Herodes geboren, kurz vor 0 vor Christus• Jesus stammt aus Nazareth in Galiläa• als er etwa 30 Jahre alt war, wirkte er für ungefähr 3 Jahre sehr

außergwöhnlich• Jüngerinnen und Jünger begleiteten ihn• Sein Wirken brachte ihn in Konflikt mit den Mächtigen der Juden und der

Römer• In seinen Reden setzte er sich für soziale Randgruppen ein: für Kranke,

Schwache, Ausgeschlossene usw.• Er wirkte auch in Jerusalem• Dort starb er zur Zeit des Pilatus am Kreuz• Sein Wirken und seine Worte bedeuteten vielen Menschen weit über seinen

Tod hinaus etwas• ...

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Jesus Christus – Gott und Mensch

Den Evangelien ist es wichtig zu betonen, dass Jesus Christus ein echter Mensch war

(dass also Gott in ihm wirklich und echt Mensch wurde) und dass er zugleich auch

göttlicher Natur war (dass er also nicht nur ein außergewöhnlicher Mensch war,

sondern wirklich Gott in ihm und durch ihn gewirkt hat). Im folgenden ist dargestellt,

was Jesus Christus als Mensch bzw. als Gott zeigt:

Gott Mensch

Auferstehung Geburt

Wunder Sterben

Geheimniswissen Angst vor dem Sterben

Geburt von der Jungfrau Maria

Freude am Leben (Freunde, Feiern, ...)

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Die radikale Botschaft Jesu

Jesus hat sich in seiner Botschaft vor allem an die Menschen gewendet, die in Not

waren: Kranke, Verachtete, Ausgeschlossene. Damit hat er viele Menschen seiner

Zeit provoziert. Letztlich hat er sich aber allen Menschen zugewendet, die zu ihm

gekommen sind oder zu ihm gebracht worden sind. Allerdings war seine Botschaft

eben auch provokativ und seine Forderungen sind bis heute noch schwer und

anspruchsvoll.

Christinnen und Christen haben nach der Botschaft Jesu große Verantwortung für die

Welt, für sich und andere. Er versucht, das mit einem Vergleich deutlich zu machen.

Bibeltext

»Ihr seid für die Welt wie Salz. Wenn das Salz aber fade geworden ist, wodurch soll

es seine Würzkraft wiedergewinnen? Es ist nutzlos geworden, man schüttet es weg,

und die Leute treten darauf herum. Ihr seid das Licht, das die Welt erhellt. Eine

Stadt, die oben auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet ja

auch keine Öllampe an und stellt sie dann unter einen Eimer. Im Gegenteil: Man

stellt sie auf den Lampenständer, so dass sie allen im Haus Licht gibt. Genauso soll

euer Licht vor allen Menschen leuchten. (Matthäus 5)

Erklärung

Die Christinnen und Christen sind nach Jesus das Salz der Welt, also das, was der

Welt Würze verleiht, sie also lecker und schmackhaft macht. Jesus will, dass die

Christinnen und Christen sich dessen bewusst sind und seine Botschaft in Tat und

Wort verbreiten und damit die Welt, die sonst fad und geschmacklos ist, interessant

und gut machen. Die Christinnen und Christen vergleicht Jesus auch mit dem Licht,

dass ein Haus hell macht, und mit einer Stadt, die weithin sichtbar auf einem Berg

gebaut ist. Sie sollen durch ihr Reden und durch ihr Tun das Licht – das Gute, die

Botschaft von Gottes Liebe – verbreiten und leuchten lassen und die Welt so hell

machen; im Herzen der Menschen und auch im Leben.

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Bibeltext

Als Jesus weitergehen wollte, lief ein Mann auf ihn zu, warf sich vor ihm auf die Knie

und fragte: »Guter Lehrer, was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?«

Jesus entgegnete: »Weshalb nennst du mich gut? Es gibt nur einen, der gut ist, und

das ist Gott. Du kennst doch seine Gebote: Du sollst nicht töten! Du sollst nicht die

Ehe brechen! Du sollst nicht stehlen! Sag nichts Unwahres über deinen

Mitmenschen! Du sollst nicht betrügen! Ehre deinen Vater und deine Mutter!«

»Lehrer«, antwortete der junge Mann, »an all das habe ich mich von Jugend an

gehalten.« Jesus sah ihn voller Liebe an: »Etwas fehlt dir noch: Geh, verkaufe alles,

was du hast, und gib das Geld den Armen. Damit wirst du im Himmel einen Reichtum

gewinnen, der niemals verloren geht. Und dann komm und folge mir nach!« Als er

das hörte, war der Mann tief betroffen. Traurig ging er weg, denn er besaß ein

großes Vermögen. Da schaute Jesus seine Jünger an und sagte zu ihnen: »Wie

schwer ist es doch für Menschen, die viel besitzen, in Gottes Reich zu kommen!«

Seine Jünger waren über diese Worte erschrocken, aber Jesus betonte noch einmal:

»Ja, ihr Lieben, wie schwer ist es doch, in Gottes Reich zu gelangen! Eher geht ein

Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher in Gottes Reich kommt.« (Markus 10)

Erklärung

Wie schon im Gleichnis vom reichen Kornbauern (siehe oben bei Thema 3) betont

Jesus auch gegenüber dem reichen jungen Mann, dass irdischer Reichtum vor Gott

nicht zählt – ja es ist eher so, dass irdischer Reichtum den Menschen offenbar davon

abhalten kann, sich auf Gott zu konzentrieren und einzulassen. Es ist Jesus

stattdessen wichtig, dass man nicht nur die Gebote einhält (er hat den Mann ja

aufgefordert, die Zehn Gebote zu halten, was dieser angeblich immer tut), sondern

auch in seinem Handeln sich für die Menschen einsetzt, die in Not sind. Wenn man

Geld und Reichtum für sich behalten will, so zeigt das, dass man in den Regeln und

Abläufen dieser Welt gefangen ist. Dabei soll man sich doch auf Gott verlassen und

nicht auf sich selbst oder auf Geld...

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Bibeltext

»Urteilt nicht über andere, damit Gott euch nicht verurteilt. Denn so wie ihr jetzt

andere richtet, werdet auch ihr gerichtet werden. Und mit dem Maßstab, den ihr an

andere anlegt, werdet ihr selbst gemessen werden. Warum siehst du jeden kleinen

Splitter im Auge deines Mitmenschen, aber den Balken in deinem eigenen Auge

bemerkst du nicht? Wie kannst du zu ihm sagen: ›Komm her! Ich will dir den Splitter

aus dem Auge ziehen!‹, und dabei hast du selbst einen Balken im Auge! Du Heuchler!

Entferne zuerst den Balken aus deinem Auge, dann kannst du klar sehen, um auch

den Splitter aus dem Auge deines Mitmenschen zu ziehen. (Matthäus 7)

Erklärung

Viele Menschen tun sich leichter damit, Fehler und Schuld bei anderen zu erkennen

als bei sich selbst. Dem widerspricht Jesus. Er fordert, stattdessen überhaupt nicht

über andere zu urteilen. Es ging Jesus vielmehr um einen liebevollen und

verständnisvollen Umgang miteinander. So hat ja auch Jesus selbst sich Menschen in

Not zugewendet und ihnen von Gottes Liebe erzählt. Jede und jeder möge erkennen,

dass er bzw. sie Schuld trägt und Fehler macht – denn das gehört leider zum

Menschsein dazu – und dass deshalb alle Menschen auf Gottes Liebe angewiesen

sind und die nicht verdienen können, sondern Gottes Liebe nur von Gott geschenkt

bekommen können. Mitleid, Barmherzigkeit und Liebe soll deshalb das Verhalten

von Christinnen und Christen kennzeichnen.

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Thema 5

Chancen und Grenzen des Fortschritts –

dürfen wir alles, was wir können?

Grundlagen

Ethik beschäftigt sich mit dem Nachdenken über das, was gut, richtig oder akzeptabel

ist. Ein wichtiges Werkzeug der Ethik ist die Güterabwägung. Dabei werden ethische

Güter, die für (pro) oder gegen (contra) eine ethische Entscheidung sprechen,

gegenübergestellt, verglichen und abgewogen.

Eine gute ethische Betrachtung einer Frage berücksichtigt sowohl Argumente dafür

als auch solche dagegen, bezieht zu den Argumenten dafür und dagegen Stellung und

führt abschließend zu einer nachvollziehbaren Bewertung der Argumente und einer

Entscheidung. (Ein solches ethisch reflektiertes Urteil muss nicht eindeutig dafür

oder dagegen ausfallen, sondern kann auch berechtigterweise neutral oder eher dafür

oder eher dagegen sein bzw. Einschränkungen enthalten.)

Ethische Maßstäbe zu Zukunft und Fortschritt von Seiten des Christentums

Und Gott sah alles an, was er geschaffen hatte, und sah: Es war alles sehr gut. So

entstanden Himmel und Erde mit allem, was lebt. (Gen 1,31; 2,1)

> Die Welt ist Gottes geliebte Schöpfung.

Dann sprach Gott: »Nun wollen wir Menschen machen, ein Abbild von uns, das uns

ähnlich ist! So schuf Gott die Menschen nach seinem Bild, als Gottes Ebenbild schuf

er sie. (Gen 1,26f.)

> Jeder Mensch ist ein Geschöpf Gottes und wird von Gott gewollt und geliebt.

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Jesus hörte es und er antwortete ihnen: »Nicht die Gesunden brauchen den Arzt,

sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, solche Menschen in Gottes neue Welt

einzuladen, bei denen alles in Ordnung ist, sondern solche, die Gott den Rücken

gekehrt haben.« (Markusevangelium 2,17)

> Jesus fordert, dass Christinnen und Christen sich besonders um Menschen

kümmern, die Schwierigkeiten haben.

Dann wird der König [gemeint ist Gott] antworten: ›Ich versichere euch: Was ihr für

einen meiner geringsten Brüder oder für eine meiner geringsten Schwestern [gemeint

sind Kranke, Arme, Schwache, Menschen in Not] getan habt, das habt ihr für mich

getan.‹ (Matthäusevangelium 25,40)

> Gott ist armen, kranken oder notleidenden Menschen besonders nah und will,

dass andere Menschen sich um sie kümmern und ihnen helfen. Jeder Mensch

hat eine persönliche Verantwortung vor Gott.

»Sammelt keine Schätze hier auf der Erde! Denn ihr müsst damit rechnen, dass

Motten und Rost sie zerfressen oder Einbrecher sie stehlen. Sammelt lieber Schätze

bei Gott. Denn euer Herz wird immer dort sein, wo ihr eure Schätze habt.«

(Matthäusevangelium 6,21)

> Christinnen und Christen sollte es nicht um Reichtum hier gehen, sondern

darum, das richtige vor Gott zu tun.

"Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit dem

Fortbestand echten menschlichen Lebens auf Erden; oder negativ ausgedrückt:

Handle so, daß die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die

künftige Möglichkeit solchen Lebens." (Philosoph Hans Jonas)

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Kontroverse: Schwangerschaftsabbruch

Darf man in Deutschland abtreiben?

"Wer eine Schwangerschaft abbricht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe

bestraft."

So steht es in Paragraf 218 des Strafgesetzbuchs. Abtreibung ist somit verboten. Eine Frau, die

ihre Schwangerschaft abbricht, macht sich strafbar.

Es gibt allerdings Ausnahmen, die in Paragraf 218a festgehalten werden. In den folgenden Fällen

bleibt ein Schwangerschaftsabbruch straflos:

• Beratungsregelung: Die Betroffene hat sich mindestens drei Tage vor dem Abbruch in

einer staatlich anerkannten Stelle beraten lassen und weist dies der Ärztin oder dem Arzt

schriftlich nach. Die Abtreibung muss vor der 13. Schwangerschaftswoche durchgeführt

werden.

• Kriminologische Indikation: Die Schwangerschaft kam durch eine Vergewaltigung

zustande.

• Medizinische Indikation: Auch wenn eine Ärztin oder ein Arzt bescheinigen, dass das

Leben oder die Gesundheit der Schwangeren bedroht sind, verzichtet der Staat auf Strafe. In

diesem Fall kann eine Schwangerschaft bis zur 22. Schwangerschaftswoche abgebrochen

werden.

Was passiert in der Schwangerschaftskonfliktberatung?

In der Beratung können Frauen über die Gründe ihres Abbruchwunsches sprechen, müssen es

aber nicht. Sie sollen vor allem informiert werden: über die Rechtsgrundlage, staatliche und

andere Sozialleistungen und Unterstützungen wie Eltern-, Kinder- oder Wohngeld. Sie erfahren

auch Details über den medizinischen Vorgang einer Abtreibung und die Kosten, die möglicherweise

auf sie zukommen.

Wichtig zu wissen: Zwischen der Beratung und dem medizinischem Eingriff muss es einen

zeitlichen Abstand von mindestens 72 Stunden (drei Tage) geben, in denen die Frau über ihre

Entscheidung nachdenken kann.

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Argumente

Im Widerstreit stehen in Diskussionen um einen Abbruch oft religiöse oder ethische Argumente

gegen das Selbstbestimmungsrecht der Frau.

Pro-Argumente für die Abtreibung

• Selbstständige Entscheidung: Frauen sollten über ihren Körper, der sich durch eine

Schwangerschaft stark verändert, selber entscheiden können. Sie sollen nicht zu einer

ungewollten Schwangerschaft gezwungen werden. ("Mein Körper gehört mir")

• Gesundheitsrisiko: Einige Schwangerschaften verlaufen nicht wie geplant. Für die

Schwangere kann das Lebensgefahr bedeuten. Das Recht auf Leben eines ungeborenen

Kindes überwiegt nicht dem Recht auf Leben der Mutter.

• Abdriften in die Illegalität: Sind Abtreibungen verboten, werden diese vielfach

unprofessionell und illegal vorgenommen, was hohe Gesundheitsrisiken für die Schwangere

birgt.

• Behinderung: Kinder mit schwersten Behinderungen, die sowohl das Leben der Eltern als

auch des Kindes stark beeinträchtigen, können frühzeitig abgetrieben werden.

Contra-Argumente gegen die Abtreibung

• Lebensrecht: Auch ein ungeborenes Kind, das noch im Entwicklungsstadium ist, hat ein

volles Lebensrecht.

• Religiöse Motive: Gott ist der Schöpfer allen Lebens. Der Mensch darf kein Leben – auch

kein werdendes Leben – beenden. Denn jedes Lebewesen wird von Gott gewollt und geliebt.

• Optionen nach der Geburt: Ungewollte Kinder können zur Adoption freigegeben werden

und müssen nicht abgetrieben werden.

• Selektion (also die Auswahl darüber, welches Lebewesen zB wegen einer Behinderung)

nicht leben soll, steht dem Menschen nicht zu. Es kann außerdem zu gesellschaftlichem

Druck auf Eltern führen, keine Kinder mit Behinderung zu bekommen.