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PUSCH – PRAKTISCHER UMWELTSCHUTZ
Thema UmweltKlimaschutz in der Ernährung
3/2
015
TEXTILRECYCLING ALS AKTUELLES UNTERRICHTSTHEMA IN SCHULENEine frühzeitige Sensibilisierung im Umgang mit der Umwelt wird immer wichtiger. Aus diesem Grund ist Umweltunterricht ein fester Bestandteil an Schulen. Welche wichtige Rolle ausgedien-te Bekleidung im weltweiten Ressourcenhaushalt spielt, zeigt das Unterrichtsdossier «Stoff-wechsel», welches PUSCH gemeinsam mit TEXAID erarbeitet hat.
Kleider und Schuhe werden bei uns in grossen Mengen angeboten. Meist zu einem Preis, der uns Bekleidung weniger nach der Notwendigkeit als vielmehr nach dem Gefallen und «Must-have»-Prinzip einkaufen lässt. Ebenso schnell trennen wir uns auch wieder von den Lieblingsstücken: Sie landen oft im TEXAID-Sack. Man weiss, die Altkleidersammelstelle ist gegenwärtig der beste Weg, den gebrauchte Bekleidung nehmen kann: Rund 65 Prozent davon werden weitergetragen, der Rest findet (bis auf fünf Prozent, die thermisch verwertet werden) als Recyclingmaterial neue Verwendung. So wird praktisch nichts verschwendet und es müssen für diese Materialien keine neuen Rohstoffe produziert werden. Bei TEXAID kommen jährlich über 140 Millionen Einzelstücke zusammen (über 35’000 Tonnen), davon erhalten also etwa 133 Millionen auf die eine oder andere Art ein neues Leben. Geht man davon aus, dass für die Produktion von einem Kilo Baumwolle 27’000 Liter Trinkwas-ser verbraucht werden, wird die Bedeutung des professionellen Textilrecyclings bewusst.
«Stoffwechsel» im UnterrichtFür die Mittel- und Oberstufenklassen hat PUSCH gemeinsam mit TEXAID ein modular aufgebautes Unterrichtsdossier erar-beitet. Auf spielerisch-lehrreiche Weise wird der Kreislauf der Textilien vermittelt und Produktion, Konsum sowie Recycling werden beleuchtet. Die Sensibilisierung für einen verantwortungsvollen Umgang mit unseren Kleidern – auch über den Zeitpunkt des Entsorgens hinaus – sollte deshalb so früh wie möglich stattfinden. Auch die transparente Information über den Weg den aussortierte Kleider gehen und warum sie verkauft werden, soll vermittelt werden, davon ist Marc Kuster, Pro-jekt-Mitentwickler bei TEXAID und selbst Vater von zwei Kindern, überzeugt.
Das Unterrichtsdossier finden Lehrer sowie interessierte Personen als kostenlosen Download unter www.pusch.ch/textildossier. TEXAID wurde 1978 als Charity-Private-Partnership von den Hilfswerken Schweizerisches Rotes Kreuz, Caritas Schweiz, Winterhilfe Schweiz, Solidar Suisse (vormals Schweizerisches Arbeiterhilfswerk), Kolping Schweiz und HEKS gemeinsam mit einem Unter-nehmer gegründet. Pro Jahr erfasst, sortiert und verwertet die TEXAID-Gruppe mit rund 1’000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern knapp 75’000 Tonnen gebrauchte Textilien. TEXAID verfügt über ein ISO-zertifiziertes Qualitätsmanagement und ist in der Schweiz mit dem Güte-siegel «CO2 Neutral» von Swiss Climate AG ausgezeichnet.
www.texaid.ch
Thema Umwelt 3/2015
Inhalt 3
Thema Umwelt 4/2015
Beleuchtung im Rampenlichterscheint Mitte Dezember 2015
Impressum
Ausgabe 3/2015, September 2015 Herausgeber Pusch – Praktischer Umweltschutz, Hottingerstr. 4, Postfach 211, 8024 Zürich, Tel. 044 267 44 11, [email protected], www.pusch.ch Redaktion Marianne Stünzi, Priska Messmer, Anja StettinSatz und Bild Peter Nadler, Fällanden Druck Galledia AG, Flawil, klimaneutral gedruckt auf Rebello-Recyclingpapier
Abonnement CHF 50.– pro Jahr, das Abo ist im Pusch-Mitgliederbeitrag inbegriffenEinzelpreis CHF 15.– Auflage 1800 Ex. Erscheint vierteljährlich Titelbild Shutterstock ISSN 2296-6315
Leserservice
Auf der Website von Pusch finden Sie weitere Informationen, nützliche Adressen, Publikationshinweise und Links zum Thema «Klimaschutz in der Ernährung»:
www.pusch.ch/themaumwelt
Dossier «Klimaschutz in der Ernährung»Klimakiller Ernährung?
von Priska Messmer 4
Die Ernährung in der Schweizer Klimapolitik
von Andrea Burkhardt 6
Die Kuh ist kein Klimakiller
von Anita Idel 8
Herausforderungen für die Landwirtschaft von Martin Rufer 10
Für eine klimafreundlichere Landwirtschaft
von Daniel Felder 12
Umweltauswirkungen besser beurteilen
von Matthias Meier 14
Auf dem Weg zur nachhaltigen Fleischproduktion
von Peter Hinder 16
Frische Ideen für ein energiebewusstes Leben
von Harald Kühl 18
Klimaschutz am Mittagstisch
von Urs Meier 20
Eine Stadt isst nachhaltig
von Anja Stettin 22
Pusch aktuellVon Pusch zu PUSCH 24
Pusch-Agenda 25
RubrikenStandpunkte 26
Umweltschutz in der Gemeinde 28
Umweltschutz im Recht 29
… und ausserdem 30
3/2015 Thema Umwelt
Klimakiller Ernährung?
Unsere Ernährung bringt Gletscher zum Schmelzen, die Landwirtschaft zum Schwitzen und die Tier- und Pflanzen-welt zum Schrumpfen. Es ist höchste Zeit, den Klimaschutz auch in der Ernährung ernst zu nehmen.
von Priska Messmer So stellt man sich den Klimawandel vor:
Unwetter werden heftiger, Hitzewellen
stärker und Dürren häufiger. Der Sommer
2015 führte mit seinen Wetter extremen
vor Augen, was Klimaforscher längst
prognostizieren.
Dass sich das Klima verändern wird, ist
eine Tatsache, mit der wir zu leben lernen
müssen. Nun geht es darum, die Ausmas-
se bewältigbar zu halten. Das ist nur durch
eine massive Reduktion der Treibhausgas-
emissionen möglich. Die Ziele sind dabei
ebenso klar wie ambitiös und die Haupt-
verursacher der Klimagase längst bekannt.
Trotzdem führt einer der wichtigsten Be-
reiche nach wie vor ein Schattendasein in
der Klimadiskussion: unser täglich (Schnit-
zel-)Brot.
Dynamik fehltDer Schattenplatz ist nicht angebracht.
Denn die Ernährung schlägt zu Buche bei
der Klimabilanz. Ganze 30 Prozent trägt sie
zu den Treibhausgasemissionen des priva-
ten Konsums bei – mehr als die Sektoren
Verkehr oder Wohnen. Während sich Bund
und Wirtschaft bei Gebäuden, Mobilität
und Industrie mit entsprechenden Instru-
menten, Massnahmen und CO2-Gesetzge-
bung auf Reduktionskurs befinden, hinkt
die Ernährung hinterher. Die geltende
Klimagesetzgebung definiert für die Land-
wirtschaft weder verbindliche Reduktions-
ziele noch Massnahmen. Angesichts der
hohen Relevanz ist das fatal.
Auch das Bundesamt für Landwirtschaft
sieht Handlungsbedarf und gibt deshalb in
4 LeitartikelDie Produktion unserer Nahrungsmittel ist
aufwendig und belastet das Klima – das gilt insbesondere für tierische Produkte.
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Thema Umwelt 3/2015
Leitartikel 5
der «Klimastrategie Landwirtschaft» eige-
ne Ziele vor. Bis Mitte Jahrhundert sollen
die Emissionen der Landwirtschaft durch
technische, betriebliche und organisato-
rische Massnahmen um ein Drittel gesenkt
werden.
Das Repertoire vorhandener Instrumente
und die Geschwindigkeit der Umsetzung
sind allerdings ernüchternd. Um das ehr-
geizige Ziel zu erreichen, braucht es mehr
Dynamik. Die Möglichkeiten sind da: im
Bereich des einzelnen Betriebs durch
klimaoptimierte Fütterung, Hofdüngerbe-
wirtschaftung oder Bodennutzung sowie
durch angepasste Anreizsysteme (siehe
Beitrag Seite 12). Letztere nehmen mit der
Agrarpolitik 2014–2017 deutlichere Züge
an, indem diese Direktzahlungen stärker
auf nachhaltige Produktion ausrichtet.
Über den Tellerrand schauen Die Optimierung bestehender Landwirt-
schaftssysteme ist eine wichtige Mass-
nahme hin zu mehr Klimaschutz in der
Ernährung. Doch die grosse Klimarelevanz
rechtfertigt auch, bestehende Ernährungs-
muster infrage zu stellen und Neues in
Betracht zu ziehen.
Das ist nicht immer einfach. Ernährung
ist ein emotionales Thema. Sie bildet nicht
nur unsere Lebensgrundlage, sondern sie
prägt auch Alltag, Kultur, Lebensstile und
Geselligkeit. Die Landwirtschaft bietet
darüber hinaus Einkommen für viele und
gehört zum Landschaftsbild und Heimat-
verständnis der Schweizerinnen und
Schweizer. Am liebsten möchten sich diese
aus dem eigenen Land versorgt wissen. Die
Produkte im Kühlschrank stammen dabei
idealerweise direkt vom Bauern um die
Ecke, wo die Kühe auf der Weide grasen
und die Hühner ihre Eier höchstpersönlich
bei der Migros abgeben. Dieses Idealbild
entspricht nicht der Realität.
Es geht um die WurstProblematisch ist insbesondere der grosse
Appetit der Schweizerinnen und Schweizer
auf Tierisches. Dieser lässt sich ohne Mas-
sentierhaltung nicht stillen. Die meisten
Rinder stehen nicht draussen und fres-
sen Gras, wie es ihrer Natur entsprechen
würde. Sie stehen im Stall und werden mit
Kraftfutter aus importierter Soja gefüttert.
Diese wurde mit Düngern produziert,
deren Herstellung das Klima belastet.
Schlimmstenfalls wurde sogar Regenwald
gerodet, um genügend Platz für den Anbau
zu schaffen.
Ist das Tier erst geschlachtet und zerteilt,
interessieren sich die meisten Konsumen-
ten nur für die besten Stücke – der Rest
muss entsorgt werden. Diese Lebensmittel-
verschwendung verschärft das Problem.
Es ist deshalb unumgänglich, Alternativen
zu prüfen. Diese können die ganze Bran-
che betreffen, wenn zum Beispiel Fleisch-
konzerne zu Proteinherstellern werden
und sich nach alternativen Eiweissquellen
umsehen. Das eröffnet auch neue Chancen
und Marktfelder. In Deutschland bieten
schon seit einiger Zeit grosse Fleisch-
warenhersteller vegetarische Alternativen
an – mit Erfolg: Die vegetarische Morta-
della läuft besser als das Original. Und
auch der Verzehr von Insekten ist bei uns
im Moment zwar noch Zukunftsmusik,
aber durchaus denkbar, wenn erst mal die
kulturell bedingten Hemmschwellen und
Tabus überwunden sind.
Eine klimafreundliche Ernährung ist aber
auch ohne exotische Insekten-, Tofu- oder
Seitan-Produkte möglich. Denkbar wäre
auch eine Rückkehr zu Ernährungsmus-
tern, wie sie unsere Grosseltern kannten:
Gegessen wird, was Saison hat, der Braten
bleibt dem Sonntag vorbehalten und auch
«Schnäuzli», «Leberli» und Zunge kom-
men auf den Tisch. Weggeworfen wird
nichts, das gilt auch für Kartoffeln, Brot
und Kopfsalat.
Produzieren, wo es sich eignetNehmen die Verbrauchsmengen an Fleisch
und Milchprodukten ab, kann auch die
Produktion wieder klimaschonend wer-
den. Die Schweiz mit ihren Alpweiden ist
an sich ideal geeignet für die Viehwirt-
schaft. Weiden die Kühe auf den Berg-
wiesen, setzen sie das Gras der nicht acker-
fähigen Böden in wertvolle Proteine um.
Die Flächen im Mittelland könnten so wie-
der für den Anbau von Gemüse, Kartoffeln
und Getreide für den menschlichen Ver-
zehr genutzt werden.
So könnten wir nicht nur die Nachfrage
vermehrt aus dem Inland decken, sondern
auch gesundheitlich profitieren: Die
Schweizerische Gesellschaft für Ernährung
empfiehlt, den Fleischkonsum auf maximal
zwei bis drei Portionen pro Woche zu
beschränken.
Solange allerdings die Nachfrage zu hoch
ist, um schweizweit die Weidehaltung bei
Rindern durchzusetzen, ist fraglich, ob Re-
gionalität in Bezug auf die Klimawirkung
immer sinnvoll ist. Der Futtermittelanbau
für die Herstellung von Schweizer Tierpro-
dukten beansprucht riesige Flächen, einen
Grossteil davon im Ausland. In Uruguay
zum Beispiel gehört Soja zu den wichtigs-
ten Exportprodukten. Das Land produziert
aber auch graslandbasiertes Rindfleisch in
hoher Qualität, der Einsatz von Hormonen
und Antibiotika ist von Gesetzes wegen
verboten. Wäre es nicht sinnvoller, an-
statt Kraftfutter direkt das in der Pampa
Uruguays auf der Weide und biologisch
produzierte Rindfleisch zu importieren?
Gemeinden kochen mitStädte, Gemeinden und Regionen fühlen
sich oft nicht zuständig für das Thema. Für
eine klimafreundliche Ernährung müssen
aber alle ihren Beitrag leisten. Die öffent-
liche Hand kann auch ihren Teil beitragen
und verschiedene Hebel betätigen. So kön-
nen Gemeinden ihre eigenen Landwirt-
schaftsbetriebe mit ökologischen Auflagen
verpachten, wie das in Winterthur seit 2007
üblich ist. Oder ihre Kantinen und Men-
sen klimaschonend führen, zum Beispiel
mit einem Partner wie der SV Schweiz,
der auch die Sensibilisierung der Kunden
übernimmt (siehe Beitrag Seite 20).
Und nicht zuletzt kann das Thema in Form
von Infokampagnen und Aktionen auf-
genommen werden, wie das zehn Städte
in der Dreiländerregion Deutschland-
Österreich-Schweiz mit dem Aktionstag
«2000-Watt-Menü» (siehe Beitrag Seite 18)
oder die Stadt Zürich mit «Zürich isst»,
einem ganzen Themenmonat rund um Er-
nährung, Umwelt und Genuss, umgesetzt
haben (siehe Beitrag Seite 22). Erst wenn
wir uns alle bemühen, klimafreundlichere
Ernährungs- und Produktionsmuster zu
etablieren, kann es gelingen die Klima-
bilanz der Ernährung zu reduzieren.
www.pusch.ch/themaumwelt
Priska Messmer Redaktorin, Pusch, Zürich [email protected], www.pusch.ch
Dossier «Klimaschutz in der Ernährung»
Die Beiträge des vorliegenden Dossiers basieren auf den Referaten der Tagung
«Klimaschutz in der Ernährung: wer, wie und wo?», die Pusch am 9. Juni 2015 mit
Unterstützung des Bundesamtes für Umwelt Bafu durchgeführt hat.
3/2015 Thema Umwelt
6 Dossier
Das Klima verändert sich. Wir müssen lernen, mit den neuen klimatischen Gegebenheiten umzugehen. Vor allem aber müssen wir dafür sorgen, dass die Veränderungen so gering wie möglich ausfallen. Das sind die Aufgaben der Schweizer Klimapolitik.
von Andrea Burkhardt
Klimapolitik ist Risikomanagement. Dieser
Gedanke ist auch in der Klimarahmenkon-
vention der Vereinten Nationen aus dem
Jahr 1992 verankert: Es geht darum, durch
eine Reduktion der Treibhausgase die Ge-
fahr einer gefährlichen Störung des Klima-
systems und nicht bewältigbare Risiken zu
vermeiden. Die Wissenschaft geht davon
aus, dass die kritische Schwelle bei zwei
Grad Erderwärmung liegt. Im Moment sind
wir aber aufgrund der globalen Emissions-
entwicklung auf einem Pfad, der Richtung
vier Grad geht, wenn nicht sogar höher.
Selbst bei Erreichen des Zwei-Grad-Ziels
wird die Menschheit gefordert sein, sich
an den Klimawandel anzupassen.
Bis zu 95 Prozent weniger CO2
Die Wissenschaft hat aufgezeigt, dass be-
reits zwei Drittel der CO2-Emissionen, die
in die Atmosphäre gelangen dürften, um
das Zwei-Grad-Ziel zu erreichen, von uns
freigesetzt wurden. Ein Grossteil des ver-
bleibenden Drittels ist bereits verbaut in
den bestehenden Infrastrukturen wie
Kraftwerken und Industrieanlagen. Der
Spielraum, der uns bleibt, ist relativ klein.
Deshalb dürfen die massiven Reduktions-
massnahmen nicht mehr weiter aufge-
schoben werden.
Industrieländer wie die Schweiz stehen
vor ambitiösen Reduktionszielen: 40 bis
70 Prozent sollen bis 2030 eingespart
Die Ernährung in der Schweizer Klimapolitik
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Trockenperioden werden die Schweiz prägen. Der Anbau trockenheitstoleranter Sorten und eine nachhaltige Bewässerung sind aber nur
ein Teil der zukünftigen Herausforderungen für die Landwirtschaft.
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 7
werden – bis Mitte Jahrhundert gar 80
bis 95 Prozent. Die Schweiz plant, ihre
Treibhausgasemissionen in den nächsten
15 Jahren um 50 Prozent zu reduzieren.
Mindestens 30 Prozent sollen im Inland
eingespart werden. Allerdings muss die
Eidgenossenschaft aufgrund der Emis-
sionsstruktur auch Reduktionsmassnah-
men im Ausland umsetzen, um das ange-
strebte Ziel zu erreichen.
Zahlreiche Emissionsquellen summieren sichIn der Schweiz beträgt der Pro-Kopf-Aus-
stoss heute 6,5 Tonnen CO2-Äquivalente,
wenn sich die Erhebung auf die Treib-
hausgasemissionen innerhalb der Landes-
grenzen beschränkt. Dies ist der nahezu
CO2-freien Stromproduktion und dem
vergleichbar kleinen Industriesektor zu
verdanken. Werden auch die Emissionen
berücksichtigt, die in importierten Gütern
und Dienstleistungen enthalten sind, ver-
doppelt sich dieser Wert. Um ein klima-
verträgliches Niveau zu erreichen, dür-
fen allerdings pro Kopf jährlich nur noch
1 bis maximal 1,5 Tonnen CO2–Äquivalente
emittiert werden.
Heute entfallen je um die 30 Prozent der
Emissionen auf den Verkehr und den Ge-
bäudesektor, weitere 20 Prozent auf die
Industrie und 7 Prozent auf den Abfallsek-
tor. Die Landwirtschaft hat derzeit einen
Anteil von über 12 Prozent an den Schwei-
zer Treibhausgasemissionen. Das Klima-
problem liegt hier zum grossen Teil im
Methan der Kühe, das gegenüber Koh-
lendioxid 25-mal klimawirksamer ist. Ein
noch grösseres Erwärmungspotenzial hat
Lachgas, das in der Atmosphäre 298-mal
stärker wirkt. Es entsteht zu 80 Prozent
durch den Einsatz von Stickstoffdüngern
im Boden.
Ernährung ist mehr als LandwirtschaftEmissionen, die direkt mit der landwirt-
schaftlichen Produktion zusammenhän-
gen, machen aber nur die Hälfte aus. Um
die gesamte Treibhausgasbilanz der Er-
nährung zu ermitteln, müssen auch die
Emissionen berücksichtigt werden, die bei
der Herstellung von Produktionsmitteln
wie Düngern oder Landwirtschaftsmaschi-
nen, bei der Verarbeitung und Lagerung
von Lebensmitteln sowie beim Transport,
bei der Verteilung und im Handel entste-
hen. Insgesamt verursacht die Ernährung
30 Prozent der Schweizer Emissionen.
Nicht zu vergessen sind zudem die so-
genannten indirekten Emissionen durch
Änderungen der Landnutzung, wenn zum
Beispiel Wälder gerodet werden, um Acker-
und Weideland zu gewinnen. 37 Prozent
der Landmasse werden weltweit für die
Landwirtschaft genutzt und davon gehen
70 Prozent auf die Viehhaltung zurück –
für Weiden zum einen und für den Anbau
von Futtermitteln zum anderen.
Keine Verbote, aber AnreizeFür die Sektoren Gebäude, Verkehr und
Industrie gibt es bereits eine Palette
von Instrumenten, um die Treibhaus-
gasemissionen zu senken. Die geltende
Klimagesetzgebung legt allerdings für die
Landwirtschaft weder Absenkziele noch
konkrete Reduktionsmassnahmen fest.
Jedoch sieht die «Klimastrategie Land-
wirtschaft» des Bundesamtes für Land-
wirtschaft (BLW) vor, die Emissionen der
Landwirtschaft bis Mitte Jahrhundert um
ein Drittel zu senken (siehe Beitrag Sei-
te 12). Seit 1990 haben sich die Emissionen
aus der Landwirtschaft um 11 Prozent
verringert. Der Rückgang ist insbesondere
auf die Umstellung auf Direktzahlungen
zurückzuführen, welche eine naturnahe
Tierhaltung und Bodenbewirtschaftung
belohnen. Als direkte Folge haben sowohl
die Viehzahlen als auch der Düngereinsatz
abgenommen.
Die Landwirtschaft muss weiterhin zur
Reduktion der Treibhausgase beitragen,
wenn die Klimaziele erreicht werden sol-
len. Im Unterschied zu den Bereichen Mo-
bilität und Wohnen, die mittelfristig CO2-
frei werden müssen, wird die Ernährung in
einer klimaverträglichen Gesellschaft nach
wie vor Emissionen verursachen. Auch
wenn die Emissionen auf dem Weg zu
einer 1- bis 1,5-Tonnen-CO2-Gesellschaft
absolut sinken, wird der Beitrag der Ernäh-
rung zu den Gesamtemissionen in Zukunft
anteilsmässig grösser sein als heute.
Den Konsumenten aufklärenDie Reduktionsmassnahmen dürfen aber
nicht nur auf die landwirtschaftliche Pro-
duktion abzielen, sondern müssen auch auf
der Konsumentenseite ansetzen. Weil der
Konsum tierischer Produkte ein wichtiger
Treiber für die Treibhausgasemissionen ist,
sind auch die Ernährungsgewohnheiten zu
adressieren. In der Schweiz landet zudem
ein Drittel der Lebensmittel nicht auf dem
Teller, sondern geht als sogenannter «Food
Waste» verloren. Eine bessere Verwertung
und die Vermeidung von Nahrungsmittel-
abfällen haben daher oberste Priorität.
Der Aktionsplan «Grüne Wirtschaft» wie-
derum setzt sich für eine ressourcenscho-
nende Ernährung ein und strebt dazu eine
Verbesserung der ökologischen Markt-
transparenz an. Denn vielfach sind die
Umweltauswirkungen der Produkte bei
Herstellung, Vertrieb, Konsum und Entsor-
gung zu wenig bekannt, um in Konsum-
entscheide einfliessen zu können.
Wissen, was kommen wirdDie Landwirtschaft ist nicht nur Mitver-
ursacherin des Klimawandels, sie ist auch
selbst stark davon betroffen. Trockenperio-
den, Starkniederschläge, Erosionsprobleme
und die Ausbreitung von Schädlingen kön-
nen infolge des Klimawandels weltweit die
Ernteerträge schmälern und so eine höhere
Preisvolatilität von Grundnahrungsmitteln
mit sich bringen. Dies wiederum gefährdet
die Ernährungssicherheit und den sozialen
Frieden.
Ein verändertes Niederschlagsregime wird
die Schweizer Politik auch auf andere
Weise herausfordern. Bleibt im Winter we-
niger Schnee liegen, fehlt im Sommer das
Schmelzwasser. Wasser ist aber auch für
die Stromwirtschaft oder den Hochwasser-
schutz zentral. Dann gilt es abzuwägen, ob
die Bedürfnisse der Landwirtschaft nach
Bewässerung, der Stromwirtschaft nach
Abflussmengen oder des Hochwasser-
schutzes nach Rückhalteraum höher zu
gewichten sind.
Die gute Nachricht ist: Zwischen Massnah-
men zur Anpassung an den Klimawandel
und der Verminderung von Emissionen
gibt es Synergien. Eine konsequent stand-
ortgerechte Produktion führt zu einer
höheren Ressourceneffizienz und trägt
zeitgleich dazu bei, das Ertragsniveau zu
halten. Bodenschutzmassnahmen bewir-
ken, dass Kohlenstoff im Humus gespei-
chert bleibt, und haben zudem den Effekt,
dass die Böden weniger erosionsanfällig
sind und bei Hitze weniger rasch austrock-
nen. Die Früherkennung von Trockenheit
hilft, Boden und Wasser vorausschauend
und schonend zu nutzen. So können wir
gleichzeitig beide Herausforderungen des
Klimawandels angehen: nicht bewältigbare
Risiken vermeiden und unvermeidliche
Risiken bewältigen.
www.pusch.ch/themaumwelt
Andrea Burkhardt Leiterin Abteilung Klima, Bundesamt für Umwelt Bafu, Bern, [email protected], www.bafu.admin.ch
3/2015 Thema Umwelt
Methan ist ein stark klimawirksames Gas. Weil Kühe bei der Verdauung Methan produzieren, werden sie für die Erderwärmung mitverantwortlich gemacht. Ihr Beitrag zur Humusbildung und damit für die Klimaentlas-tung wird hingegen unterschlagen. Nicht die Kühe gefährden das Klima, sondern die industriellen Haltungs- und Fütterungsbedingungen.
von Anita Idel
Weil Amerikaner bereits seit Jahrzehnten
mit riesigen Monokulturen Höchsternten
von Getreide, Mais und Soja produzieren,
liegt es nahe zu glauben, sie wüssten, wie
es geht – ein Irrtum. Denn wer das behaup-
tet, ignoriert den Faktor Zeit und macht die
Rechnung ohne den Wirt: den Boden.
Produktion ist nur so lang möglich, wie der
Boden über Reserven verfügt – aber diese
schrumpfen. Wissenschaftlich belegt, aber
öffentlich wenig bekannt: In den letzten
100 Jahren gingen 25 bis 30 Prozent der
Bodenfruchtbarkeit Nordamerikas verlo-
ren. Wie in der Prärie und in der Pampa
bremsen auch auf den Schwarzerden der
Ukraine keine Hecken und Bäume die
Technik – ebenso wenig wie die men-
schengemachte Erosion, die die Frucht-
barkeit der Böden weltweit dramatisch
schrumpfen lässt. Laut der Ernährungs-
und Landwirtschaftsorganisation der Ver-
einten Nationen (FAO) und der Weltbank
(WB) wird die jährliche Erosion auf ukraini-
schen Äckern auf über 500 Millionen Ton-
nen geschätzt – rund 15 Tonnen pro Hek-
tar und Jahr. Angesichts der Bedrohung
natürlicher Ressourcen hat der Weltagrar-
rat im Weltagrarbericht 2004–2009 einen
besonderen Schwerpunkt auf die Vermei-
dung der durch Erosion und Verdichtung
bedingten Degradierung der Böden und
den Verlust der Bodenfruchtbarkeit gelegt.
Fruchtbare Äcker aus WeidelandOb in der Prärie in Nord- und der Pampa
in Südamerika oder in der Ukraine, Rumä-
nien und den deutschen Tieflandbuchten:
Wie entstand – bevor Menschen sesshaft
wurden – die gigantische Fruchtbarkeit der
Schwarzerdeböden dieser Regionen, die
wir heute «Kornkammern» oder «Bread-
baskets» nennen? Ihr gemeinsamer Ur-
sprung: Sie alle sind Steppenböden. Ihre
metertiefe Fruchtbarkeit verdanken sie
jahrtausendelanger nachhaltiger Bewei-
Die Kuh ist kein Klimakiller
Klimarelevant ist bei der Kuh nicht nur die Verdauung, sondern auch der Beitrag zur Humus
bildung und damit zur CO2Speicherung im Boden.
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k
8 Dossier
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 9
dung – zum Beispiel durch Auerochsen,
Wisente, Guanakos und Bisons. Aber je
länger die Weidetiere durch Verdrängung
oder Ausrottung aus dem Blickfeld ver-
schwunden sind, desto eher wird verges-
sen, dass Steppe immer bedeutet: Gras und
Weidetiere. Denn ohne Nutzung bleibt kein
Grasland dauerhaft erhalten. Ohne Bewei-
dung entsteht nach und nach Wald – oder
es wachsen nur Büsche, wenn es zu kalt
oder zu trocken ist.
Ursprünge in der letzten EiszeitGeschätzte 40 bis 60 Millionen Bisons leb-
ten einst in Nordamerika. Weil der Höhe-
punkt ihrer Ausrottung erst in den 70er-
und 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts
erfolgte, ist im kollektiven Gedächtnis der
Menschen in den Prärieregionen Nord-
amerikas immer noch verankert, dass die
heutigen fruchtbaren Äcker früher Weide-
land waren.
Auf rund 40 Millionen Weidetiere wird
die Zahl der Guanakos geschätzt, die als
Stammform der Lamas die Pampa Argen-
tiniens bis zur Ankunft der Spanier im
16. Jahrhundert besiedelten. Das ist heute
in der Bevölkerung Argentiniens aller-
dings kaum mehr bekannt. Denn die Gua-
nakos wurden aus der fruchtbaren Ebene
nach Westen in die Berge verdrängt oder
regional ausgerottet. So vergassen die
Menschen, dass sie einstmals die riesigen
Flächen beweideten.
Auch in Europa haben die Menschen ver-
gessen, dass Weidetiere nach der letzten
Eiszeit die Bildung fruchtbarer Schwarz-
erdeböden gefördert und Landschaften
wesentlich geprägt haben. Die Tierzeich-
nungen in der Höhle von Chauvet in Süd-
frankreich zählen mit 30 000 bis 40 000
Jahren zu den ältesten weltweit. Sie zeigen
überwiegend Grasfresser – auch Nashör-
ner, welche in Europa die letzte Eiszeit
nicht überlebten. Aber der Auerochse, das
Wildpferd und der Wisent – der europäi-
sche Bison – haben überlebt. So war der
Wisent einer der Mitbewohner unserer
Vorfahren. Sein enormes Beweidungsge-
biet reichte von Nordspanien über Mittel-
europa bis nach Zentralasien. Anfangs war
er weniger der Ausrottung als der Verdrän-
gung ausgesetzt, sodass sich die Herden
immer weiter in den Nordosten Europas
zurückzogen.
Auerochsen haben das grosse Verbrei-
tungsgebiet der Wisente noch weit über-
troffen: Sie besiedelten den Doppelkonti-
nent Eurasien von der westeuropäischen
Atlantikküste über Nordafrika bis an die
ostasiatische Pazifikküste. Zudem hatten
sich eigene Subpopulationen in Nordafri-
ka, der späteren Kornkammer der Römer,
sowie in Indien entwickelt. Aber auch in
der Bevölkerung auf dem Subkontinent
der heiligen Kühe ist die Erinnerung an die
grossflächige Beweidung durch Aueroch-
sen schon lang in Vergessenheit geraten.
Ebenso in Mitteleuropa und Nordafrika, wo
die grossen Herden bereits zur Römerzeit
verdrängt waren. Trotz seiner wichtigen
Rolle und gigantischen Verbreitung wurde
der Auerochse letztlich in ganz Eurasien
ausgerottet.
Der Humus von morgenWeidetiere sind Mittler zwischen den
unterschiedlichen Lebensräumen. Ihr po-
tenzieller Beitrag zur Bodenfruchtbarkeit
geht weit darüber hinaus, Kot und Urin zu
produzieren. Denn damit kann ja immer
nur weniger Biomasse zurückgegeben
werden, als zuvor gefressen wurde. Um
die weltweite Bedeutung des Graslandes
zu verstehen, reicht es nicht, nur das ober-
irdische Wachstum wahrzunehmen. Denn
dann führen Vergleiche von Grasland mit
Wald oder Ackerland fast zwingend zu fal-
schen Schlussfolgerungen.
Beweidung löst einen Wachstumsimpuls
aus. Der anschliessende Zuwachs an Bio-
masse – nicht nur das oberirdische Grün,
sondern auch die Wurzeln im Boden
– stammt wesentlich aus dem CO2 der
Luft. Aus den Wurzeln von heute entsteht
durch die Arbeit von Regenwürmern und
anderen (Mikro-)Organismen aus verrot-
tenden Pflanzenbestandteilen der Humus
von morgen. Da Humus sogar zu über
50 Prozent aus Kohlenstoff besteht, ent-
lastet jede zusätzliche Tonne Humus im
Boden die Atmosphäre um rund 1,8 Ton-
nen CO2 (0,55 Tonnen Kohlenstoff [C] plus
1,25 Tonnen Sauerstoff [O2]). Entsprechend
führt umgekehrt eine nicht nachhaltige
Bewirtschaftung des Bodens zwangsläufig
zu einer Belastung der Atmosphäre.
Brauchen wir noch Tiere in der Landwirtschaft?Obwohl Rinder Methan rülpsen, das 25-
mal so klimarelevant ist wie CO2, haben sie
somit über Jahrtausende das Klima nicht
be-, sondern entlastet. Die Koevolution
von Gras und Weidetieren hat die Bildung
der Basisressource Boden mit teilweise
meterdicken Humusschichten gefördert.
Hingegen entsteht bei der Anwendung
von synthetischem Stickstoffdünger auf
Äckern – etwa zur Produktion von energie-
und proteinreichem Kraftfutter – Lachgas.
Rund 300-mal so klimarelevant wie CO2,
bildet es den grössten Beitrag der Landwirt-
schaft zum Klimawandel. Entsprechend
dem Europäischen Stickstoffassessment
(ENA) entweichen pro 100 Tonnen Dünger
zwei bis fünf Tonnen Lachgas.
Derzeit werden 70 Prozent der in der
EU-Landwirtschaft verfütterten Proteine
importiert – überwiegend als Soja aus
Südamerika. Enkeltauglich, das heisst zu-
kunftsfähig, sind nur Agrarsysteme, die
den Faktor Zeit berücksichtigen und somit
die simple Erkenntnis, dass auf Dauer nur
eine Kreislaufwirtschaft die Erhaltung der
Ressourcen sichert. Deshalb verhindert
derzeit jeder nachhaltig vegan, vegetarisch
oder omnivor lebende Mensch, dass der
irrsinnig hohe Fleischkonsum den Plane-
ten Erde noch schneller ruiniert. Zudem
sind artgemäss gehaltene Rinder als gras-
fressende Wiederkäuer keine Nahrungs-
konkurrenten des Menschen. Weltweit sind
70 Prozent der landwirtschaftlichen Nutz-
fläche Grasland: eine Proteinressource von
grosser Bedeutung für die Welternährung.
www.pusch.ch/themaumwelt
Anita Idel Mediation & Projektmanage-ment Agrobiodiversität, Feldatal (D), [email protected], www.anita-idel.de
Die Zeichnungen an den Wänden der Chauvet Höhle in Südfrankreich verdeutlichen, wie prägend Weidetiere vor rund 40 000 Jahren für Mensch und Natur in Europa waren.
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3/2015 Thema Umwelt
10 Dossier
Die Schweizer Landwirtschaft muss einen wesentlichen Beitrag zur Minderung der Umweltauswirkungen der Nahrungsmittel-produktion leisten. Doch sie bewegt sich in einem Spannungsfeld von verschiedensten Forderungen.
von Martin Rufer
Die künftige Welternährung ist in aller
Munde. Wie sollen im Jahr 2050 neun bis
zehn Milliarden Menschen nachhaltig er-
nährt werden? Es ist bereits eine Heraus-
forderung, nur schon acht Milliarden Men-
schen zu ernähren. Der Klimawandel, die
Ressourcenknappheit und die Änderung
der Konsummuster in Schwellenländern
werden die Welternährung in Zukunft
noch weiter erschweren. Die Landwirt-
schaft ist weltweit gefordert, die Nahrungs-
mittelproduktion unter all diesen Bedin-
gungen sicherzustellen.
Auch die Schweizer Landwirtschaft möch-
te ihren Beitrag zu einer klimafreund-
lichen Ernährung leisten. Sie ist bestrebt,
die Bedürfnisse der Konsumentinnen und
Konsumenten mit möglichst nachhaltig
produzierten Lebensmitteln zu befriedi-
gen. Die Bedürfnisse und Ansprüche aus
Politik und Gesellschaft an die Schweizer
Landwirtschaft sind vielfältig und teilweise
auch widersprüchlich. Es gilt, Ökonomie,
Ökologie und soziale Aspekte zusammen
mit dem Tierwohl unter einen Hut zu brin-
gen. Dies kann nicht immer gelingen.
Spannungsfeld TierwohlBesonders zwischen Ökologie und Tier-
wohl gibt es mehrere Zielkonflikte. Einer-
seits ist es der Landwirtschaft gelungen,
durch verschiedene Massnahmen die Am-
moniakemissionen zu verringern. Diese
Errungenschaften werden aber durch die
zunehmende Verbreitung von tierfreund-
lichen Stallsystemen fast gänzlich wieder
ausradiert. Die Ausscheidungen der Tiere
bleiben dort längere Zeit auf grosser Fläche
verteilt liegen, wodurch mehr Ammoniak
in die Luft entweicht, verfrachtet wird und
so in empfindliche Ökosysteme gelangen
kann, wo eine Düngung unerwünscht ist.
Nicht zuletzt ist die Emission von Ammo-
niak ein Verlust von wertvollem Stickstoff
für die Pflanzenernährung, welcher durch
mineralische Stickstoffdünger er setzt wer-
den muss. Deren Herstellung ist energie-
intensiv und verursacht die Emission gros-
ser Mengen Treibhausgase.
Die gute Nachricht ist: Mit ausgeklügel-
ten baulichen Massnahmen, einem guten
Weidemanagement und einer hohen Rei-
nigungsfrequenz können die Ammoniak-
emissionen bis zu einem gewissen Grad
reduziert werden. Trotzdem besteht hier
ein Trade-off: Man muss sich zwischen
Ethik, Tierwohl und Umweltanliegen
entscheiden. Ökobilanzen bringen diese
Widersprüche teilweise zum Ausdruck. Sie
zeigen zum Beispiel, dass tierfreundliche
Haltungssysteme und extensive Produk-
tionsmethoden punkto Umweltbelastun-
gen bei gewissen Indikatoren schlechter
abschneiden als intensivere Systeme: Sie
werfen weniger Ertrag pro Fläche, Zeitein-
heit oder Inputgrösse ab.
Weitere Zielkonflikte bestehen zwischen
dem Tierwohl und der Ökonomie. Er-
sichtlich wird dies beispielsweise an der
Stagnation der Labelanteile im Fleisch-
bereich. Offenbar lassen sich nur sehr
schwer weitere Konsumentinnen und
Konsumenten davon überzeugen, für be-
sonders tierfreundlich produziertes Fleisch
mehr Geld auszugeben. Diese Zielkonflikte
zeigen, dass die Landwirtschaft in einem
komplexen System mit vielen verschiede-
nen Ansprüchen arbeiten muss. Klima-
schutz ist dabei ein Anspruch unter vielen
anderen.
Die Treibhausgasemissionen sinkenDie Hände deswegen zu verwerfen oder
in den Schoss zu legen, wäre aber falsch.
Die Landwirtschaft ist sowohl Mitver-
ursacherin als auch direkt Betroffene des
Klimawandels. Die Quellen von Treibhaus-
gasemissionen in der Landwirtschaft sind
weitgehend bekannt und das Problem
wurde auch bereits angegangen. So sind
die Treibhausgasemissionen aus der Land-
wirtschaft laut Bundesamt für Umwelt
(Bafu) zwischen 1990 und 2011 um 8,2 Pro-
zent gesunken. Im Vergleich zu allen an-
dern Branchen, wo die Emissionen nur um
insgesamt 2,7 Prozent sanken, schneidet
die Landwirtschaft überdurchschnittlich
Herausforderungen für die Landwirtschaft
Die konsumbedingte Gesamtumweltbelastung
Umweltbelastungspunkte (UBP) helfen bei der Berechnung der Ökobilanz unseres Konsums. Die Entwicklung von 1996 bis 2011 zeigt, dass der Konsum die Umwelt im Inland immer weniger belastet. Durch eine Verlagerung ins Ausland bleibt die Gesamtumweltbelastung aber annähernd konstant.
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inländischer Anteil der konsumbedingten Belastung
ausländischer Anteil der konsumbedingten Belastung
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Thema Umwelt 3/2015
Dossier 11
gut ab. Die Nahrungsmittelproduktion
wurde gleichzeitig um 14 Prozent gestei-
gert. Somit entsteht eine Reduktion der
Treibhausgase pro Nahrungsmittelkalorie
von 20 Prozent!
Leider ist es nicht so, dass die Treibhaus-
gasemissionen aus der Ernährung des-
wegen sinken würden. Im Gegenteil: Die
Agrarforschung Schweiz berichtet, dass
die Emissionen im gleichen Zeitraum um
15 Prozent gestiegen sind. Nur der Anteil
der Emissionen aus der Landwirtschaft
sinkt. Die Emissionen aus der Ernährung
fallen vermehrt im Ausland an. Über die
Importe von Nahrungsmitteln werden ak-
tuell fast zwei Drittel der Umweltbelastung
aus der Ernährung der Schweizer Bevölke-
rung im Ausland verursacht. Es sind somit
eindeutig auch die Konsumentinnen und
Konsumenten gefordert, mit gesundem
Menschenverstand Kaufentscheidungen
zu treffen, sodass frische, nachhaltige, sai-
sonale und lokale Produkte gefördert wer-
den und schliesslich das Klima geschont
wird. Denn eine Auslagerung der Umwelt-
belastungen ins Ausland ist nicht im Sinne
des Nachhaltigkeitsgedankens und kann
daher keine Option sein.
Schon heute an morgen denkenFalls das Ziel einer globalen Erwärmung bis
2050 von maximal zwei bis drei Grad er-
reicht wird, wird die Landwirtschaft in der
Schweiz vermutlich von einer längeren
Vegetationszeit profitieren können. Damit
verbunden sind allenfalls höhere Erträge
– vorausgesetzt, es sind genügend Was-
ser und Nährstoffe verfügbar. Sollten die
Temperaturen aber stärker steigen, wird
vermehrt mit eingeschleppten und einge-
wanderten Unkräutern und Schädlingen,
Wasser- und Hitzestress, Bodenerosion
und Extremereignissen zu rechnen sein,
welche alle die Erträge empfindlich redu-
zieren könnten. Die Ernährungssicherheit
wäre dadurch gefährdet.
Umso wichtiger ist es, dass sich die Land-
wirtschaft bereits jetzt Gedanken über An-
passungs- und Minderungsmassnahmen
macht. Mit der Züchtung von schädlings-,
hitze- und trockenheitstoleranten Nutz-
pflanzen und -tieren sollen beispielsweise
die Auswirkungen des Klimawandels auf
die Nahrungsmittelproduktion gemildert
werden.
Klimaschutz ganz ohne VerzichtAber auch zur Bremsung des Klimawan-
dels gibt es verschiedene Bestrebungen.
Die Verringerung von Food Waste ist dem
Schweizer Bauernverband ein grosses An-
liegen. Es darf nicht sein, dass ein Drittel
dessen, wofür sich Schweizer Bauern-
familien täglich einsetzen, einfach weg-
geworfen wird. Auf den Klimaschutz
bezogen bedeutet weniger Lebensmittel-
verschwendung auch ganz einfach weni-
ger Emissionen bei gleichzeitig null Ver-
zicht. Damit Schlachttiere besser verwertet
werden – insbesondere für die Human-
ernährung – hat die Branche das Projekt
«Nose to Tail» lanciert. So sollen nicht nur
die beliebten Filetstücke gegessen werden,
sondern möglichst alle Teile des Tieres. Der
Bevölkerung sollen bisher weniger beliebte
oder auch weniger bekannte Fleischstücke
schmackhaft gemacht werden.
Im Bereich der erneuerbaren Energien
und der Ressourceneffizienz ist der Verein
AgroCleanTech tätig, um auf landwirt-
schaftlichen Betrieben die entsprechenden
Potenziale besser zu nutzen. Bis Anfang
2016 soll ein Energie- und Klimacheck
erarbeitet sein, der für jeden Betrieb den
aktuellen Stand punkto Klimabelastung
und Ressourceneffizienz aufzeigen und
mögliche Verbesserungsvorschläge ma-
chen wird: Wärmerückgewinnung aus der
Milchkühlung, Erzeugung erneuerbarer
Energien oder eine optimierte Fütterung
sind nur einige Beispiele.
Insgesamt hat die Landwirtschaft schon
einiges erreicht und viele Projekte sind
momentan am Laufen. Mehr ist aber mög-
lich und die Landwirtschaft kann und will
im Zusammenspiel mit den Konsumentin-
nen und Konsumenten einen wichtigen
Beitrag zum Klimaschutz leisten.
www.pusch.ch/themaumwelt
Martin Rufer Leiter Produktion, Märkte und Ökologie, Schweizer Bauernverband SBV, Brugg, [email protected], www.sbv-usp.ch
Laufställe erlauben zwar im Sinne des Tierwohls die Bewegungsfreiheit der Tiere, aufgrund der grossflächigen Verteilung der Ausscheidungen wird aber vermehrt umweltbelastendes Ammoniak freigesetzt.
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3/2015 Thema Umwelt
12 Dossier
Ohne Landwirtschaft keine Nahrungsmittel. Doch auf die Schweizer Landwirtschaft entfallen derzeit über 12 Prozent der im Inland emittierten Treibhausgase. Angesichts der Erderwärmung muss unsere Landwirtschaft klimafreundlicher werden.
von Daniel Felder
Landwirtschaftliche Produktion ist die
Grundlage unserer Nahrung. Ohne sie
blieben unsere Teller leer. Doch die Land-
wirtschaft ist eine bedeutende Verursa-
cherin von Treibhausgasemissionen. Auf-
schluss über deren Ausmasse liefert das
nationale Treibhausgasinventar, welches
die jähr lichen Treibhausgasemissionen
als Zeit reihe – zurückreichend bis 1990
– ausweist.
Die Berechnungen erfolgen nach interna-
tionalen Vorgaben mithilfe der Rahmen-
methoden des Weltklimarats und ergeben
für die Schweizer Landwirtschaft 2013
ein Total von 5,9 Millionen Tonnen CO2-
Äquivalenten. Dieses Total setzt sich zu-
Für eine klimafreundlichere Landwirtschaft
sammen aus den Methanemissionen aus
der Verdauung der Nutztiere, den Lach-
gasemissionen aus den landwirtschaft-
lich genutzten und gedüngten Böden
sowie der Freisetzung beider Gase bei der
Hofdüngerlagerung.
Weitere Emissionen stehen in engem Zu-
sammenhang mit der landwirtschaftlichen
Produktion, werden aber an anderer Stelle
im Treibhausgasinventar aufgeführt. Dazu
gehören die CO2-Emissionen aus der Ver-
brennung von fossilen Treib- und Brenn-
stoffen in landwirtschaftlichen Maschinen
und Gebäuden sowie die CO2-Quellen und
-Senken in landwirtschaftlichen Böden.
Bei der im Ausland stattfindenden Her-
stellung von Düngern und Futtermitteln
entstehen ebenfalls Emissionen, die im
Inventar nicht mit berücksichtigt werden.
Insgesamt kommen bei einer umfassende-
ren Betrachtung so zum Total von 5,9 Mil-
lionen Tonnen noch rund 1,8 Millionen
Tonnen CO2-Äquivalente hinzu.
Die Entwicklung geht in die richtige RichtungAls Beitrag der Schweizer Landwirtschaft
zum Klimaschutz wurde in der «Klimastra-
tegie Landwirtschaft» des Bundesamtes für
Landwirtschaft (BLW) das Ziel festgelegt,
die Treibhausgasemissionen der Land-
wirtschaft durch technische, betriebliche
Die grasbasierte Kombination von Milch und Fleischproduktion ist mit der richtigen Rinderrasse klimaschonend, ökonomisch und damit zukunftsfähig.
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Thema Umwelt 3/2015
Dossier 13
und organisatorische Massnahmen bis
2050 gegenüber 1990 um mindestens ein
Drittel zu reduzieren. Die mit der landwirt-
schaftlichen Inlandproduktion in Zusam-
menhang stehenden Emissionen lagen
2013 bei nahe 12,5 Prozent unter dem Wert
von 1990 – das angestrebte Absenkziel
von minus 12,8 Prozent wurde damit nur
knapp verfehlt. Eine Stagnation zu Beginn
des Jahrtausends führte dazu, dass sich die
Landwirtschaft seit 2008 leicht oberhalb
des Zielpfades bewegt. Immerhin konn-
ten aber in den letzten Jahren wieder Ver-
besserungen erzielt werden. Doch weitere
Reduktionen sind nötig. Es wird erwartet,
dass mit der Agrarpolitik 2014–2017 die
Emissionen wieder auf Zielkurs gebracht
werden können. Die eingeführten Ände-
rungen bei den Direktzahlungen sehen
eine bessere Ausrichtung der Beiträge mit
dem Ziel einer nachhaltigen Produktion
gemäss Artikel 104 der Bundesverfassung
und eine Umlagerung der tierbezogenen
Beiträge auf die Fläche vor.
Optimierungspotenzial ist vorhandenDas Agrarumweltmonitoring des BLW
zeigt auf, dass es bei den Treibhausgasen
ein relativ grosses Reduktionspotenzial
durch betriebliche Optimierungen gibt.
Die Auswertung der Treibhausgasinten-
sität auf rund 200 Betrieben zeigt für fast
alle Betriebstypen eine erhebliche Spann-
weite. So produziert der effizienteste Ver-
kehrsmilchbetrieb 4-mal mehr verdauliche
Energie pro Kilogramm CO2-Äquivalent als
der ineffizienteste.
Zum einen dürfte die unterschiedliche
Effizienz auf technische, betriebliche und
organisatorische Unterschiede in der Be-
triebsführung zurückzuführen sein. Hier
kann durch effizienzsteigernde Mass-
nahmen eine Reduktion der Emissionen
erreicht werden. Zum anderen gehen die
Unterschiede aber auch auf unterschied-
liche Rahmenbedingungen wie Boden und
Klima oder unterschiedliche Tiergattungen
und Kulturen zurück. Das Reduktions-
potenzial liegt hier in einer standortange-
passten Produktion von emissionsarmen
landwirtschaftlichen Produkten. Kurz
gesagt: Kultur- oder Nutztierarten soll-
ten passend zum Standort und den dort
vorherrschenden Bedingungen gewählt
werden.
Vorzeigebetrieb LehenhofDer Biobetrieb Lehenhof bei Rothrist AG
könnte wegweisend sein für die zukünfti-
ge Schweizer Milchwirtschaft. Auf kiesigen
und für den Ackerbau wenig geeigneten
36 Hektaren leben 45 bis 60 Milchkühe
und gleich viele Jungtiere der Rasse Swiss
Fleckvieh. Die milchbetonte Zweinut-
zungsrasse emittiert zwar mehr Methan
pro Kilogramm Milch als Hochleistungs-
rassen, jedoch liefert sie zusätzlich gute
Fleischerträge und hat mit 10 bis 12 Jah-
ren im Vergleich zu 5 Jahren eine höhere
Lebenserwartung. Swiss-Fleckvieh-Milch-
kühe müssen dadurch erst deutlich später
durch zweieinhalbjährige Tiere ersetzt
werden, die vorher ohne Milch zu produ-
zieren Methan emittierten. Fliessen Milch-
und Fleischproduktion gemeinsam in die
Rechnung, so emittieren Zweinutzungs-
rassen pro Nahrungskalorie nicht mehr
Methan als Hochleistungstiere.
Die Tiere vom Lehenhof stehen im Sommer
Tag und Nacht auf der Weide, im Winter
fressen sie Heu und Grassilage. Die Emis-
sionen für Mähmaschine, Futtertransport
und Gülleausfuhr entfallen grösstenteils.
So zahlt sich die grasbasierte Produktion
für den Lehenhof auch ökonomisch aus.
Lehenhof-Kühe produzieren zwar weniger
Milch als Hochleistungstiere, doch die
finanziellen Einbussen werden durch Ein-
sparungen bei Arbeits- und Futterkosten
mehr als kompensiert.
Landwirtschaft im UmbruchProjekte zur Identifizierung und Reduktion
von Treibhausgasemissionen in der Land-
wirtschaft gibt es einige. So ist zum Beispiel
die Bauernvereinigung IP-Suisse daran,
ein massnahmenbasiertes «Punktesystem
Klimaschutz» für Landwirtschaftsbetriebe
zu erarbeiten und anzuwenden – in Ergän-
zung zu den bestehenden Anforderungen
im Bereich Biodiversität. Und der Verein
«AgroCO2ncept Flaachtal» möchte mittels
Treibhausgasbilanzierungen und gezielten
Beratungen die Optimierungspotenziale
der einzelnen Betriebe ausschöpfen.
Mit dem Bundesprogramm «Nachhaltige
Ressourcennutzung» bietet die Agrarpoli-
tik ein attraktives Instrument, um Innova-
tionen für eine nachhaltigere Nutzung der
natürlichen Lebensgrundlagen und einen
effizienteren Einsatz von Produktions-
mitteln zu testen. Daneben können auch
über die «Förderung von Qualität und
Nachhaltigkeit in der Land- und Ernäh-
rungswirtschaft» und «Landwirtschaftliche
Planungen» Projekte unterstützt werden,
welche den Aspekt des Klimaschutzes
einbeziehen beziehungsweise zum Klima-
schutz beitragen.
Zusätzlich ist auch die Wissenschaft gefor-
dert, weitere Massnahmen zur Reduktion
der Treibhausgasemissionen zu identi-
fizieren, indem bestehende Praktiken und
Innovationen bezüglich ihrer Wirkung
beurteilt und Optimierungsmöglichkei-
ten aufgezeigt werden. Dies geschieht
beispielsweise unter dem «Forschungs-
schwerpunkt Klima» von Agroscope.
Die Erkenntnisse aus all diesen Aktivitä-
ten dienen dazu, den Klimaschutz in der
Landwirtschaft voranzubringen und die in
der Klimastrategie gesteckten Ziele zu er-
reichen. Aufgrund der vielseitigen komple-
xen Zusammenhänge ist es wichtig, stets
das ganze System im Blick zu behalten
und unter Berücksichtigung aller relevan-
ten Aspekte ganzheitliche Lösungen zu
suchen.
www.pusch.ch/themaumwelt
Daniel Felder Agrarumweltsysteme und Nährstoffe, Bundesamt für Landwirtschaft BLW, Bern, [email protected] www.blw.admin.ch
Treibhausgasintensität Schweizer Landwirtschaftsbetriebe
AckerbauAndereMutterkuh und Rindvieh
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Die Treibhausgasemissionen der rund 200 im Rahmen des Agrarumweltmonitoring untersuchten Schweizer Landwirtschaftsbetriebe variieren stark. Grund dafür ist nicht nur die Art des erzeugten Produkts, sondern beispielweise auch eine nicht standortoptimierte Produktionsweise.
3/2015 Thema Umwelt
14 Dossier
Rund 40 Prozent der Landfläche der Erde
werden landwirtschaftlich genutzt – und
das immer häufiger mit Fokus auf höchst-
mögliche Erträge. Die grosse Flächenaus-
dehnung und die intensive Landnutzung
hinterlassen Spuren, die weit über das
Klima hinaus Konsequenzen für die Um-
welt haben.
So verschmutzt die konventionelle Land-
wirtschaft mit ihrem hohen Einsatz von
Pestiziden und Düngern Grund- und Ober-
flächenwasser. Die Flächenausdehnung
und Intensivierung der Landwirtschaft
treiben auch den Artenschwund weiter
voran und beeinträchtigen zunehmend die
Funktionalität von Ökosystemen. Ökosys-
temdienstleistungen wie die Bestäubung
durch Insekten oder die natürliche Schäd-
lingskontrolle werden nicht mehr oder nur
ungenügend erbracht. Die konventionelle
Bodenbewirtschaftung führt über Ver-
dichtung, Erosion, Verlust an organischer
Bodensubstanz und Versalzung zu Boden-
degradation und damit zum Verlust an
Produktivität.
Landwirtschaftliche Produktionssysteme,
die sorgfältiger mit der Umwelt umgehen
und dennoch genügend Nahrung produ-
zieren, sind dringend gefragt. Um heraus-
zufinden, welche Produktionssysteme
Klima- und Ökobilanzen sind wichtige Aspekte in der Umwelt-beurteilung landwirtschaftlicher Produkte und Prozesse. Obwohl im Zusammenhang mit Landwirtschaft wichtig, werden Biodiversität und Bodenqualität darin aber bislang nicht standardmässig bewertet.
von Matthias Meier
Umweltauswirkungen besser beurteilen
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Die Intensität der Landnutzung und die Landschaftsstruktur beeinflussen die Arten vielfalt. Deshalb sollten sie in Ökobilanzen landwirtschaftlicher Produkte einfliessen.
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 15
nachhaltig sind, braucht es aber entspre-
chende Bewertungsinstrumente, die einen
Vergleich ermöglichen.
Klimabilanz allein reicht nichtNicht selten liegt der Fokus bei der Bewer-
tung landwirtschaftlicher Produkte oder
Produktionsprozesse auf der Klimabilanz.
In Diskussionen um die Umweltverträg-
lichkeit wird so manchmal das Klima-
erwärmungspotenzial mit der gesamten
Umweltwirkung gleichgesetzt. Da der An-
teil der Landwirtschaft an den vom Men-
schen verursachten Klimagasemissionen
zwischen 30 und 35 Prozent beträgt, liefert
die Klimabilanz Informationen zu einem
wichtigen Umweltaspekt der landwirt-
schaftlichen Produktion.
Aber eine Klimabilanz allein reicht für die
Beurteilung der Umweltauswirkungen
nicht aus. Zwischen Klimaschutz und
anderen Nachhaltigkeitsaspekten können
Zielkonflikte bestehen, die bei alleiniger
Betrachtung der Klimabilanz nicht trans-
parent werden. Im schlimmsten Fall führt
der alleinige Fokus auf die Klimabilanz zu
falschen Schlussfolgerungen.
Im Gegensatz zu Klimabilanzen bewerten
Ökobilanzen nicht nur die Auswirkung
auf das Klima, sondern auch eine breite
Palette von Auswirkungen auf Umwelt
und Gesundheit wie die Nährstoffanrei-
cherung und Versauerung der Böden, die
Human- und Ökotoxizität, den Abbau der
Ozonschicht und die Bildung von Som-
mersmog. Zudem weisen sie den Energie-
und Ressourcenverbrauch über den Pro-
duktionsprozess aus. Die Auswirkung auf
die Umwelt kann so entlang des gesamten
Lebenszyklus quantifiziert werden. Somit
wird eine umfassende Umweltbewertung
möglich.
Ökobilanzen fokussieren jeweils auf eine
sogenannte funktionelle Einheit. Das ist
jene produktspezifische Grösse, für die die
Umweltauswirkung berechnet wird – bei-
spielsweise ein Kilogramm Brot. Diese pro-
duktbezogene Betrachtung macht den Ver-
gleich von Produktionssystemen möglich.
Da landwirtschaftliche Produktion meist in
einem offenen System mit vielschichtigen
Wechselwirkungen zur Umwelt stattfindet,
ist ihre Bewertung in der Regel anspruchs-
voller als jene industrieller Produkte.
Umfassendere Beurteilung schwierigDoch auch Ökobilanzen zeichnen nicht
immer ein umfassendes Bild. Gerade die
beiden wichtigsten Effektgrössen der
Landwirtschaft – Biodiversität und Boden-
qualität – sind in den Bewertungen noch
nicht standardmässig abgedeckt.
Das hat allerdings gute Gründe: Leider gibt
es keine Messgrössen, die diese beiden
Aspekte direkt und als Ganzes erfassen. Es
lassen sich jeweils nur Teilaspekte und die-
se nur indirekt über geeignete Indikatoren
abbilden. Die Wechselwirkungen zwischen
Landwirtschaft, Biodiversität und Boden-
qualität sind vielschichtig und komplex.
Bevor die Wirkung bewertet wird, gilt es,
die abzudeckenden Schutzziele festzu-
legen. Diese definieren, welche Biodiver-
sitätsaspekte und welche Aspekte der
Bodenqualität betrachtet werden. Um den
Einfluss unterschiedlicher Produktions-
systeme auf die Biodiversität und Boden-
qualität in Ökobilanzen zu differenzieren,
müssen die verwendeten Methoden auch
die Umweltwirkung unterschiedlicher Pro-
duktionsintensitäten abbilden können.
Neue Modelle erforderlichBei der Biodiversität stellt sich des Weiteren
die Frage, auf welcher Skalenebene einzel-
ne Biodiversitätsaspekte bewertet werden
sollen. Stehen der langfristige Erhalt der
Artenvielfalt im Kulturland und damit auch
die Ökosystemfunktionalität als Schutzziel
im Vordergrund, muss man die Wirkung
auf die Vielfalt bestimmter Artengruppen
auf Landschaftsebene betrachten.
Die Population einer Artengruppe wird
sich nur langfristig halten können, wenn
sie in einem ausreichend grossen Gebiet
über qualitativ hochwertige und gut ver-
netzte Lebensräume verfügt. Da die Vielfalt
einzelner Artengruppen nicht nur von der
Landnutzungsintensität, sondern auch von
der Landschaftsstruktur beeinflusst wird,
müssen entsprechende Modelle für die
Bewertung der Biodiversität sowohl Para-
meter für die Landnutzungsintensität als
auch die Landschaftsstruktur integrieren.
Das Forschungsinstitut für biologischen
Landbau (Fibl) entwickelt Modelle, die
dieser Komplexität Rechnung tragen, die
zugrunde liegenden Ursache-Wirkungs-
Beziehungen von empirischen Biodiver-
sitätsdaten ableiten und global verfügbare
Raumdaten integrieren.
Es braucht noch mehrUm Fragen zur ökologischen Nachhal-
tigkeit mittels Ökobilanzen hinreichend
schlüssig beantworten zu können, sind
neben der Integration von Biodiversität
und Bodenqualität auch auf anderen Ebe-
nen methodische Weiterentwicklungen
notwendig. Zum einen müssen Modelle
zur Berechnung von Emissionen soweit
angepasst werden, dass sie eine Unter-
scheidung verschiedener landwirtschaft-
licher Produktionsweisen erleichtern. Zum
anderen favorisiert heute die alleinige
produktbezogene Betrachtung tendenziell
intensive Produktionsweisen. Obwohl die-
se hohe Umweltbelastungen während des
Produktionsprozesses verursachen, kann
sich bei einer produktbezogenen Betrach-
tung die Umweltbelastung pro Produktein-
heit – beispielsweise pro Liter Milch – stark
«verdünnen», da der Ertrag auf gleicher
Fläche höher ist als bei extensiver Produk-
tionsweise und die Belastung auf den Er-
trag verteilt wird. Umweltbelastungen auf
der Produktionsfläche, die die Tragfähig-
keit von Ökosystemen lokal überschreiten,
sind in der produktbezogenen Betrachtung
aber nicht mehr sichtbar.
Nachhaltige Landwirtschaft gezielt fördernÜber die Integration der Biodiversität und
Bodenqualität in Ökobilanzen kommen
zwei lokale Umweltwirkungskategorien in
die Bewertung, für die sich Grenzen eines
nachhaltigen Umgangs mit natürlichen
Ressourcen einfacher ziehen lassen als
zum Beispiel für Klimagasemissionen.
Gelingt in der methodischen Weiterent-
wicklung eine Kombination der produkt-
bezogenen Umweltbewertung mit der Be-
wertung des Beanspruchungsgrads lokaler
Umweltressourcen, wird die Bedeutung
der Ökobilanz als Umweltbewertungsins-
trument für landwirtschaftliche Produkte
zweifelsohne weiter zunehmen. Und nicht
zuletzt kann dieser neue Ansatz der Be-
wertung dazu dienen, nachhaltige Land-
wirtschaft in Zukunft besser beurteilen und
auch gezielter fördern zu können.
www.pusch.ch/themaumwelt
Matthias Meier Projektleiter, Forschungsinstitut für biologischen Landbau Fibl, Frick, [email protected], www.fibl.org
3/2015 Thema Umwelt
16 Dossier
Die Micarna-Gruppe gehört zu den führen-
den Fleischproduzenten der Schweiz. Als
Industrieunternehmen der Migros-Gruppe
ist sie in der Schweiz stark verankert und
aktiv an der Gestaltung der Fleischbranche
beteiligt.
Allerdings schlägt gerade dieser Branche
in der Öffentlichkeit aus verschiedenen
Gründen viel Kritik entgegen. Unter an-
derem sind Vorwürfe hinsichtlich Klima-
belastung, Ressourcenverschwendung und
ungenügendem Tierschutz in den Medien
präsent.
Vor diesem Hintergrund ist es für die
Micarna-Gruppe wichtig, in einen per-
manenten Dialog mit der Öffentlichkeit
zu treten, die kritischen Anliegen aufzu-
nehmen, im Rahmen eines umfassenden
Ansatzes Lösungen zu bieten und darü-
ber transparent zu berichten. Die Micar-
na-Gruppe will damit ihre Verantwortung
gegenüber all ihren Anspruchsgruppen
wahrnehmen: ihren Mitarbeitenden, dem
Eigner (der Migros-Gruppe), den Konsu-
mentinnen und Konsumenten, den Stand-
ortgemeinden und -kantonen, der Bevöl-
kerung, der Umwelt sowie den Tieren.
Nachhaltigkeit bedeutet für die Micarna-
Gruppe, dass ökologische, soziale und
wirtschaftliche Aspekte im unternehmeri-
schen Alltag gleichberechtigt berücksich-
tigt werden.
In diesem Sinne hat das Unternehmen eine
Nachhaltigkeitsstrategie entwickelt und
zentral in der Unternehmenspolitik ver-
ankert. Im Rahmen dieser Nachhaltigkeits-
strategie übernimmt die Micarna-Gruppe
Verantwortung entlang der gesamten Wert-
schöpfungskette:
> Anbau und Beschaffung: Sowohl der
Anbau der Futtermittel als auch die Tier-
haltung haben grosse Auswirkungen auf
Klima und Umwelt.
> Produktion und Handel: In den Micarna-
Verarbeitungsbetrieben können Emissio-
Auf dem Weg zur nachhaltigen FleischproduktionDie Micarna-Gruppe arbeitet nach den strikten Vorgaben einer Nachhaltigkeitsstrategie. Ziel aus Sicht des Klimaschutzes ist es, Kreisläufe zu schliessen und die Treibhausgasemissionen um zehn Prozent zu senken.
von Peter Hinder
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Die intensive Zusammenarbeit der beteiligten Betriebe, eine auf die Genetik der Tiere abgestimmte Futterzusammensetzung und kurze Transportwege verbessern die Ökobilanz der Schweinemast.
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 17
Peter Hinder Leiter Marketing und Kom- munikation, Micarna SA, Courtepin, [email protected], www.micarna.ch
nen direkt beeinflusst und Senkungsmass-
nahmen gezielt vorgenommen werden.
> Konsum und Recycling: Das Schlies-
sen der Kreisläufe ermöglicht die effiziente
Nutzung der Ressourcen.
Ökobilanz verbessernVerschiedene Publikationen konnten in
der Vergangenheit aufzeigen, dass die Um-
weltwirkung von Fleischprodukten mass-
geblich von den Emissionen auf Stufe der
landwirtschaftlichen Produktion abhängig
ist. Die Fütterung der Tiere spielt dabei eine
wichtige Rolle, da sie sowohl die Mast dauer
als auch die Ressourceneffizienz massge-
bend beeinflusst. Nachgelagerte Prozesse
wie Schlachtung und Verarbeitung spielen
eine untergeordnete Rolle.
Weiter haben gesellschaftliche Trends
einen grossen Einfluss auf die Umweltwir-
kung des Fleischkonsums. Konsumtrends
beeinflussen insbesondere die Wirtschaft-
lichkeit und Nutzung weniger beliebter
Fleischstücke. Durch die fehlende Nachfra-
ge werden grosse Mengen an Fleisch nicht
mehr konsumiert und gehen in die Nutz-
produkteverwertung (siehe Abbildung).
Daraus folgt, dass die Klimabelastung pro
konsumiertes Kilogramm Fleisch steigt.
Die Micarna-Gruppe unterstützt daher
Verbesserungsprozesse und Massnahmen,
welche die Ökobilanz ihrer Produkte über
die gesamte Wertschöpfungskette positiv
beeinflussen.
Die Mastprogramme Optigal und RupromiÜber alle Gattungen gesehen, sind die Um-
weltwirkungen der tierischen Produktion
massgeblich von der Wahl des Produk-
tionssystems, der Effizienz dieses Systems
sowie der Zusammensetzung der Fütte-
rung abhängig. Diese drei Faktoren haben
einen direkten Einfluss auf die Ressour-
ceneffizienz und die transportgebundenen
Emissionen.
Als Beispiel ressourceneffizienter, nach-
haltiger und umweltfreundlicher Tierhal-
tungssysteme unterstützt die Micarna-
Gruppe die Mastprogramme Optigal und
Rupromi:
> Optigal ist ein vertikal integriertes Pro-
duktionssystem von Pouletfleisch mit
eigener Brüterei und Verarbeitung. Durch
Optimierung der Transportlogistik sowie
effizienter Wärmerückgewinnung in den
Masthallen werden in der Optigal-Produk-
tion grosse Mengen an fossilen Brennstof-
fen eingespart. Die Fütterung der Tiere ist
genau an deren Genotyp angepasst, was
für die Mastbetrieben einen geringeren
Futteraufwand pro Kilogramm Zuwachs
bedeutet und die futtergebundenen Emis-
sionen senkt. Der ausschliessliche Einsatz
von europäischer Soja führt zu kürzeren
Transportwegen und damit zu Einsparun-
gen an fossilen Energieträgern.
> Das Mastprogramm Rupromi dient in
der Schweiz als Paradebeispiel für Res-
sourceneffizienz in der Schweinemast.
Die intensive Zusammenarbeit von Besa-
mungs-, Warte-, Abferkel- und Mastbetrie-
ben erlaubt eine genaue Anpassung der
Futterzusammensetzung auf die Genetik
der Masttiere. Das Management auf der
Stufe Mast ermöglicht es, die Schlachtaus-
beute zu steigern und die Fütterungseffi-
zienz zu verbessern. Zudem ermöglichen
die kurzen Transportwege zwischen den
Betrieben und der Futtermühle eine Opti-
mierung der Logistik, was wiederum mit
grossen Einsparungen an fossiler Energie
verbunden ist.
In Zusammenarbeit mit verschiedenen
Forschungsanstalten werden für die Pro-
gramme Optigal und Rupromi Ökobilanz-
studien erstellt. Diese ermöglichen eine
Messung der Umweltwirkungen und damit
gezielte Verbesserungsmassnahmen.
Vollverwertung und geschlossene KreisläufeDie Verarbeitung und der Verkauf weniger
beliebter Fleischstücke sowie die optimale
Verwertung der Nutzprodukte sind wichti-
ge Aspekte der Nachhaltigkeitsstrategie der
Micarna-Gruppe. Im Rahmen des Projektes
«Nose to Tail» wird versucht, den Appetit
der Konsumenten auf weniger beliebte
Fleischstücke anzuregen und somit einen
Beitrag zur Vollverwertung der Schlacht-
körper zu leisten.
Ein weiterer Ansatz ist beispielsweise der
technologische Fortschritt. So hat die
Micarna-Gruppe seit Kurzem eine voll-
automatische Anlage in Betrieb, welche es
ermöglicht, die weniger beliebten Poulet-
schenkel zu entbeinen und so das Fleisch
ohne Knochen zu verkaufen.
Ein Teil der Nutzprodukte, die sich weder
in der Pharma- und Kosmetikindustrie
noch in der Tierfutterproduktion verwer-
ten lassen, werden zur Produktion von
Biodiesel eingesetzt. Mit dem Einsatz von
Biodiesel für die Transportfahrzeuge der
Micarna schliesst sich der Kreislauf, was
jährlich 120 000 Liter Diesel und 315 Ton-
nen CO2 einspart.
Zudem sind die Verarbeitungsbetriebe der
Micarna-Gruppe mit hoch effizienten Wär-
merückgewinnungssystemen ausgerüstet.
Diese Systeme ermög lichen es, die Wärme-
energie aus der Abluft zurückzugewinnen
und damit frische Luft zu erwärmen, was
den Bedarf an fossilen Energieträgern er-
heblich senkt.
Investition in die ZukunftDie Micarna-Gruppe arbeitet aktiv daran,
die Klimabilanz von Fleisch zu verbessern.
Sie ist sich ihrer Rolle und Verantwortung
bewusst und agiert als Verbindungsglied
zwischen Produktion und Konsum, um
die Umweltbilanz von Fleisch entlang der
gesamten Wertschöpfungskette zu opti-
mieren. Durch den Verkauf der Produkte
unterstützt das Unternehmen innovative
und nachhaltige Projekte in Zusammen-
arbeit mit den Produzenten in den jeweili-
gen Verarbeitungsbetrieben sowie bei den
Kunden und Konsumenten.
Der Weg zu einer nachhaltigen und um-
weltfreundlichen Fleischproduktion ist
mit erheblichen Kosten verbunden. Für
die Micarna-Gruppe ist dies eine Investi-
tion in die Zukunft und für die zukünftigen
Generationen.
www.pusch.ch/themaumwelt
Verwertungspyramide für Nutzprodukte
Zie
l
Lebensmittel
Tierfutter
Vergärung
Kompostierung
Verbrennung
Sto�iche Verwertung
Rund ein Drittel des Schlachtkörpers eines Schweins bleibt als sogenannte Nutzprodukte zurück. Ziel ist, diesen Anteil zu senken und die verbleibenden Nutzprodukte auf möglichst hoher Stufe zu verwerten.
Mic
arn
a 2
015
3/2015 Thema Umwelt
Wir verbrauchen zu viel Energie. Mit «Wir leben 2000 Watt» haben darum zehn Städte in der Dreiländerregion Deutschland-Österreich-Schweiz auf eine einfache Idee aufmerksam gemacht: Gut leben geht auch mit weniger Energie.
von Harald Kühl
Wie viel Energie darf jeder Mensch durch-
schnittlich verbrauchen, damit wir die
Klimaerwärmung begrenzen und knappe
Ressourcen verantwortungsvoll nutzen?
Wissenschafterinnen und Wissenschafter
der Eidgenössischen Technischen Hoch-
schule ETH Zürich haben sich die Mühe
gemacht und das ganz genau ausgerech-
net: 2000 Watt. Aha! Aber was heisst das
konkret? Watt ist die physikalische Einheit
für Leistung, für den Energieverbrauch pro
Zeiteinheit. Das menschliche Herz zum
Beispiel erbringt eine Dauerleistung von
1 bis 2 Watt. Bei schwerer Arbeit erbringt
unser Körper eine Leistung von 200 Watt.
Ein Radrennfahrer kommt während einer
strammen Bergetappe auf 400 Watt. Und
wenn Tablets, Fernseher und Waschma-
schinen laufen, erbringen sie ständig Leis-
tung. Staubsauger kommen beim Teppich-
saugen zum Beispiel auf 1000 Watt.
Und wie weit kommt man mit 2000 Watt?
Nicht sehr weit: mit dem Auto gerade
65 Kilometer. Damit wäre das Tagespen-
sum an Energie schon verbraucht. Ins Büro
ginge es dann ohne Schuhe. Die Wohnung
wäre kalt, wenn man nach Hause kommt.
Und zum Abendessen? Nur Luft und Liebe.
Doch zum Glück geht gut leben eben auch
mit etwas weniger Energie – wenn man es
richtig angeht.
Unser Appetit auf Energie ist zu hochLängere Arbeitswege, grössere Wohnun-
gen, exotische Zutaten und trendige Pro-
dukte: In allem, was wir tun, essen oder
konsumieren, steckt Energie. Und so leben
wir heute in Deutschland, Österreich und
der Schweiz in einer 6500-Watt-Gesell-
schaft und verbrauchen mehr als das Drei-
fache dessen, was uns eigentlich zusteht.
Dreimal mehr als unsere Umwelt, unser
Frische Ideen für ein energiebewusstes Leben
Energiesparen beginnt auf dem Teller. Das «2000WattMenü» beweist: Mit der richtigen
MenüGestaltung muss auch in der 2000WattGesellschaft niemand auf Genuss verzichten.
18 Dossier
wir
leb
en
20
00
wat
t.c
om
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 19
Klima und unsere Kinder vertragen kön-
nen. Auf «Staubsaugerisch»: Für Essen,
Konsum, Wohnen und Mobilität verbraucht
jeder von uns rund um die Uhr so viel wie
sechs Staubsauger im Dauerbetrieb. In
einer klima- und generationengerechten
2000-Watt-Gesellschaft müssen wir mit
deutlich weniger auskommen.
Wie soll das denn bitte funktionieren?
Indem wir erneuerbare Energiequellen er-
schliessen und uns unabhängiger machen
von atomaren und fossilen Brennstoffen.
Indem wir Rohstoffe und Energie schlauer
und besser nutzen, zum Beispiel durch
sparsame Automobile, energieeffiziente
Kühlschränke und umweltfreundliche
Produktionsprozesse. Und indem jeder
von uns im Alltag auf einen ressourcen-
schonenden Lebensstil achtet.
2012 haben sich die Städte Arbon, Feld-
kirch, Gossau SG, Konstanz, Radolfzell,
Schaffhausen, Singen, St. Gallen, Überlin-
gen und Winterthur zusammengetan. Mit
einer durch «Interreg IV A» geförderten
Öffentlichkeitskampagne haben sie 2013
und 2014 ihre Einwohnerinnen und Ein-
wohner über die 2000-Watt-Gesellschaft
informiert und dafür sensibilisiert, dass
wir in allen Lebensbereichen mit weni-
ger Energie auskommen können: bei der
Ernährung, beim Konsum, beim Wohnen
und bei der Mobilität.
Gut leben mit weniger EnergieDie Kampagne «Wir leben 2000 Watt», die
massgeblich von der Kommunikations-
agentur «Die Regionauten» konzipiert und
umgesetzt wurde, schafft leichte, spiele-
rische und für jede Zielgruppe passende
Zugänge. Die Kampagne spricht die brei-
te Bevölkerung an, insbesondere Kinder
als Klimabotschafter und Verbraucherin-
nen von morgen. Die Kampagne setzt auf
Angebote statt Verbote und betont den
Nutzen – für den Geldbeutel, das eigene
Wohlbefinden und das Klima. Und die
Kampagne ist effizient umsetzbar, indem
sie gelungene Projekte der Städte aufgreift,
Ressourcen bündelt und Partner einbindet,
die für eine grosse kommunikative Hebel-
wirkung sorgen.
Eine Informationsbroschüre und die Web-
site www.wirleben2000watt.com bilden
die Basis der Kampagne. Hier finden neu-
gierige Kinder, kritische Konsumenten,
preissensible Energiesparfüchse und um-
weltbewusste Geniesserinnen Doku-Clips,
Tipps und Hintergrundinformationen.
Die Broschüre wurde in einer Auflage von
130 000 Stück breit gestreut und in mehre-
ren Städten an alle Haushalte verteilt. Eine
Werbekampagne erreichte mit 1000 Plaka-
ten, Gross- und Sonderflächen sowie An-
zeigenschaltungen weit über eine Million
Menschen. Ein eigens für die Kampagne
entwickeltes Puppentheaterstück weckte
bei 60 Aufführungen in Kindergärten und
Schulen die Neugier von rund 3000 Kin-
dern. Mit einem Ausmalplakat konnten die
Erzieherinnen und Erzieher das Thema
nachbearbeiten – und die Kinder konnten
die Anregungen mit nach Hause nehmen.
Der Aktionstag «2000-Watt-Menü»Am ersten Aktionstag «2000-Watt-Menü»
2014 beteiligten sich aus dem Stand
50 Gastronomiebetriebe, Grossküchen
und Kantinen. Aus frischen, saisonalen
und regionalen Zutaten haben die Kö-
chinnen und Köche dabei schmackhafte,
energiesparende und umweltschonende
Menüs zubereitet. Cornelius Hanssmann,
Geschäftsführer der Kantine Konstanz, ist
vom Konzept überzeugt: «Wir zeigen unse-
ren Gästen, dass sich bei der Ernährung
Energie sparen lässt, ohne auf Genuss zu
verzichten.» Luise Leyer, Studentin an der
Universität Konstanz, isst generell wenig
Fleisch: «Ich will damit den Tieren und
meiner Gesundheit etwas Gutes tun. Dass
ich dabei auch Energie spare, war mir aber
noch nicht bewusst.» Plakate, Menükarten,
Bierdeckel und Servietten machten auf die
Aktion aufmerksam – und sie machten
13 000 Gästen entspannt und unaufdring-
lich Appetit auf einen energiesparenden
Lebensstil.
An der Aktionswoche im Juni 2015 be-
teiligten sich erneut 33 Betriebe, darunter
die Mensen der regionalen Hochschulen.
Wieder konnten mehrere Tausend Gäste
erreicht werden. Die Städte denken für
2016 über eine Fortführung oder eine
dauerhafte Zusammenarbeit mit einzelnen
Gastronomiebetrieben nach.
Doch die hohe Aufmerksamkeit hat ihren
Preis: Rund drei Monate Vorlaufzeit, präzi-
se Planung und ein stringentes Projektma-
nagement sind die Grundvoraussetzungen.
Zudem ist zunächst viel Überzeugungs-
arbeit bei den Gastronominnen und Gas-
tronomen notwendig. Ein Anschreiben
vom Oberbürgermeister oder Stadtam-
mann kann Ohren öffnen. Ohne persön-
liche Gespräche und Telefonate macht
aber kein Gastronom mit. Und Erfolg ruft
Kritiker auf den Plan. So zum Beispiel in
Schaffhausen, wo Gegner argwöhnten,
man wolle den Menschen den Speiseplan
vorschreiben. «Mitnichten», findet Urs Ca-
paul, Projektkoordinator der Kampagne in
Schaffhausen, und sieht in guten Argu-
menten das beste Rezept gegen reflexarti-
ge Kritik: «Es geht darum, die Vorteile für
den Einzelnen zu betonen!» Chäschnöpf-
li? Eglifilet? Pfannkuchen mit Erdbeeren
und Schlagrahm? Oder doch ein deftiges
Schnitzel? Was auch immer das Lieblings-
essen ist: Wer beim Einkaufen, Aufbe-
wahren und Kochen auf ein paar einfache
Dinge achtet, kommt mit deutlich weniger
Energie auf den vollen Geschmack.
Ein weiteres Ergebnis der Aktionstage:
Verstetigung. In Radolfzell entwickelt eine
kleine Gruppe engagierter Gastronomin-
nen und Gastronomen zusammen mit
der Stadtverwaltung neue Massnahmen.
Markus Zipf vom Umweltamt betont: «Die
Betriebe benötigen hier ganz konkrete
Unterstützung, zum Beispiel Bezugsquel-
len für Produkte, Kalkulationshilfen, Infos
zur Öko-Zertifizierung und vieles mehr.
Die Frage der Qualitätssicherung spielt
eine enorm wichtige Rolle.» Geplant sind
unter anderem der Besuch einer Slow-
Food-Messe in Stuttgart und ein dauerhaf-
tes 2000-Watt-Menü auf den Speisekarten
der Radolfzeller Betriebe.
Das Interreg-Projekt ist zunächst abge-
schlossen. Die Städte wollen aber auch
künftig eng zusammenarbeiten und auf
den gemeinsamen Erfahrungen und Mass-
nahmen aufbauen. So wird Energiesparen
auch künftig Tischgespräch bleiben.
www.pusch.ch/themaumwelt
Harald Kühl, Geschäftsführer «Die Regio- nauten», Konstanz (D), [email protected], www.die-regionauten.de
Ausgezeichnete Kampagne
Im Oktober 2014 hat der Verein Klima-Bündnis Europa die besten kommunalen
Klimaprojekte in Europa mit dem «Climate Star» prämiert, darunter Projekte aus
Budapest, Den Haag und Essen. «Wir leben 2000 Watt» erhielt die renommierte
Auszeichnung in der Kategorie «Kommunale Netzwerke». Entscheidende Kri terien:
Nachhaltigkeit, Multipli katoreffekt, Medienwirksamkeit, Innovationskraft und die
Einbindung der Bevölkerung.
www.klimabuendnis.org, www.wirleben2000watt.com
3/2015 Thema Umwelt
20 Dossier
Es ist Donnerstag, Punkt zwölf Uhr. Im Pri-
marschulhaus Zwingert in Buchs ZH läutet
die Glocke den Morgen aus. Die meisten
der Kinder eilen heimwärts. Etwa zwanzig
bleiben im Haus. Genauer: Sie bleiben im
Schülerclub. Dort steht Daniela Steinmann
seit einer Stunde in der Küche und bereitet
den Zmittag vor, während ihre Kollegin im
Essraum die Schülerinnen und Schüler be-
treut. Viermal die Woche serviert das Team
ein Mittagessen, nur vor dem schulfreien
Mittwochnachmittag bleibt der Tisch un-
gedeckt.
Zuerst heisst es: Hände waschen. Erst dann
schöpfen sich die Kinder Salat – sofern sie
denn welchen wollen. Einige essen auch
rohe Gemüsestängeli oder Fruchtschnitze,
die auf den Tischen bereitliegen. Es bleibt
jedenfalls viel Appetit auf die Hauptmahl-
zeit. Heute gibt es feine Nudeln an Poulet-
Bolognese und Reibkäse.
Dank Sous-vide schonend gegartKochen muss Daniela Steinmann nicht. Sie
muss auch keine Zutatenlisten schreiben.
Und niemand muss für den Zmittag ein-
kaufen gehen. Wenn sie die Auswahl der
Menüs im Webshop gemacht hat, wird von
SV Schweiz alles fixfertig geliefert – für
kleine Mittagstische wie in Buchs einmal
pro Woche. Die einzelnen Menükompo-
nenten werden zuvor im Sous-vide-Ver-
fahren bei Niedertemperatur schonend
gegart und dabei gleichzeitig pasteurisiert.
Daniela Steinmann braucht die Kochbeutel
nur noch im Steamer aufzuwärmen und
auf Platten oder in Schüsseln zu verteilen.
Damit beschränkt sich der Abwasch auf
das Servier- und Tischgedeck.
«Meals for Kids» von SV Schweiz zeigt, wie sich das Klima am Mittagstisch schonen lässt. Und dank engagierter Betreuung werden auch die Kleinsten an das Thema Umweltschutz auf dem Teller herangeführt.
von Urs Meier
Klimaschutz am Mittagstisch
Richtig zubereitet schmeckt auch den Kleinsten ein klimafreundliches Menü.
SV
Gro
up
Thema Umwelt 3/2015
Dossier 21
Diese Form des Garens und Aufwärmens
ist nicht nur äusserst praktisch und zeit-
sparend. Sous-vide bedeutet auch, dass
Vitamine und Vitalstoffe erhalten bleiben.
Fleisch und Fisch werden zart und saftig
und das Gemüse behält seine appetit-
anregenden Farben. Auch die typischen
Geschmacksnoten bleiben erhalten. Selbst
das schonende Aufwärmen im Steamer
kann der Qualität nichts anhaben. Am Ende
braucht alles weniger Fett und Salz, kein
Glutamat und keine Konservierungsstoffe.
Vielfältige Menüauswahl kommt an«Meals for Kids» versorgt die belieferten
Schulen mit saisongerechten Fleisch-,
Fisch- und Vegi-Menüs und bietet diverse
Zusatzangebote wie Rohkostgemüse und
Früchte, Salate mit diversen Saucen, Sup-
pen und Desserts. Natürlich kennt Daniela
Steinmann ihre kleine Kundschaft und
weiss, was gut und was weniger gut an-
kommt. Sie achtet aber auch darauf, dass
die Kinder immer wieder einmal Neues
probieren: Falafel zum Beispiel oder Cous-
cous, das auch die Schüler in Buchs gern
haben.
Kontrolliert und zertifiziertFür nachhaltige Qualität, Hygiene und
Sicherheit braucht es System und regel-
mässige Kontrollen. SV Schweiz lässt sich
deshalb breit zertifizieren: in Qualitäts-
management, Umweltschutz sowie Arbeits-
sicherheits- und Gesundheitsschutz-Ma-
nagement. Im Bereich Klimaschutz arbeitet
SV Schweiz eng mit dem WWF Schweiz zu-
sammen. Und für die Ausgewogenheit der
Urs Meier Leiter Geschäftsbereich Meal Services, SV (Schweiz) AG, Dübendorf, [email protected], www.mealsforkids.ch
Mahlzeiten besteht eine Partnerschaft mit
dem Label «Fourchette verte». Dieses Qua-
litäts- und Gesundheitslabel bevorzugt das
ideale Gleichgewicht von Gemüse, Eiweiss,
Stärke, Fett und Salz in den Menüs.
Informativ und hilfreich sind die detail-
lierten Deklarationen auf den Kochbeuteln.
Sie geben praktisch über alles Auskunft:
Produktbezeichnung, Herkunft von Fleisch
und Fisch, Zutaten, Transport- und Lager-
temperatur, Haltbarkeitsdatum, Allergene,
Nährwerte, Kalorien – und sogar eine An-
leitung zum Aufwärmen.
Das Budget wird entlastetVor über fünf Jahren hat man sich in
Buchs gegen das Selberkochen und für
die Zusammenarbeit mit dem Schweizer
Caterer entschieden. Dabei profitieren
alle – Kinder, Eltern, Betreuerinnen, auch
Lehrerinnen und Lehrer bis hin zur Ge-
meinde – und natürlich auch die Umwelt
(siehe Kasten).
Zudem macht sich ein weiteres Argument
bezahlt: Denn trotz Qualität und Komfort
des Caterings wird das Schulbudget in
der Vollkostenrechnung entlastet, je nach
Ausgangslage um 10 bis 30 Prozent. Das
ist auch in Buchs so. Dort haben die Kinder
inzwischen abgeräumt, Tische und Zähne
geputzt und sich ins Spielzimmer oder
nach draussen verzogen. Und schon bald
ist Freitag, zwölf Uhr, und die Glocke ruft
zum Mittagessen in den Schülerclub.
www.pusch.ch/themaumwelt
«Nur so viel schöpfen, wie man essen mag»
Im Gespräch mit Daniela Steinmann, Leiterin des Schülerclubs
der Primarschule Zwingert in Buchs ZH, über das kindergerechte
Vermitteln von Klimaschutz.
Wie erklären Sie Kindern die Beziehung zwischen Essen und
Klimaschutz?
Das machen wir möglichst erlebbar. So stand im März auf einem
Wunschzettel: «Ich wünsche mir Erdbeeren.» Ich erklärte den
Kindern, dass die Erdbeeren anfangs Frühling aus dem entfern-
ten Spanien kämen. Und dass Transporte von weit weg die Luft
zusätzlich verschmutzen. Als dann Ende Mai Schweizer Erd-
beeren zu kaufen waren, haben wir den Wunsch natürlich gern
erfüllt.
Setzen Sie auch Informationsmaterial ein?
Ja. Wir haben von SV Schweiz das Plakat mit dem Eisbären Igor erhalten. Dort steht
Igor auf einer kleinen Eisscholle, die ihm unter den Tatzen wegschmilzt. Für die
Kinder ist das emotional. So kann ich Beispiele wie das der Erdbeeren anschaulich
ver tiefen. Die älteren Schüler verstehen das gut. Und die jüngeren hören gespannt zu.
Wie motivieren Sie die Schüler, beim Essen auf den Klimaschutz zu achten?
Zum Beispiel lernen die Kinder, nur so viel zu schöpfen, wie sie auch wirklich essen
mögen. Wir erklären, wie viel Essen sonst weggeworfen wird. Und wie auch das die
Umwelt belastet. Wer zu viel schöpft, muss deshalb aufessen. Aus dieser Erfahrung
lernen die Kinder.
Wie «Meals for Kids» die Umwelt schont
Effizienter Energieeinsatz
Die Menüs werden in einer zentralen, effizient ausgelasteten Küche statt an vielen
kleinen Standorten gekocht. Dabei kommen moderne Geräte zum Einsatz, welche
mit 100 Prozent erneuerbarer Energie aus Wasserkraft betrieben werden.
Kaum Food Waste
Optimierte Produktionsabläufe sorgen für wenig Abfall. Alle Rüstabfälle werden
vollumfänglich zu Biogas verwertet. Da die Kunden die Bestellmengen der Menü-
komponenten selbst bestimmen, gibt es in den Schulen kaum Food Waste.
Weniger belastende Transporte
Die Menüs werden ein- bis zweimal pro Woche von Fahrzeugen ausgeliefert, die
dank sorgfältiger Routenplanung pro Tour bis zu 25 Standorte beliefern. Ein Fünftel
der Fahrzeuge verfügt bereits über die höchste Abgasnorm Euro 6, alle übrigen
Fahrzeuge sind mit Euro-5-Norm unterwegs.
Saisonale, regionale und zertifizierte Produkte
Fleisch und Eier stammen aus der Schweiz, Fisch ist MSC- oder ASC-zertifiziert.
Gemüse und Früchte sind saisongerecht und bevorzugt aus Schweizer Produktion,
Reis und Bananen stammen aus Fair Trade. Wenn möglich werden Bio-Produkte
eingesetzt. Auf Produkte, die per Flugzeug transportiert wurden, wird vollständig
verzichtet.
3/2015 Thema Umwelt
22 Dossier
Die Stadt Zürich hat sich den Klimaschutz
auf die Fahne geschrieben. So entschieden
es die Stimmbürgerinnen und Stimm-
bürger, als sie mit grosser Mehrheit am
30. November 2008 für die Verankerung
der nachhaltigen Entwicklung und der
2000-Watt-Gesellschaft in der Gemeinde-
ordnung stimmten. Um dem Volksauf-
trag gerecht zu werden, fördert die Stadt
erneuerbare Energien und die effiziente
Nutzung von Energie. Zudem hat sie sich
eine Reduktion der Treibhausgasemissio-
nen und des Energieverbrauchs zum Ziel
gesetzt.
Zürich strebt im Rahmen der 2000-Watt-
Gesellschaft das Ziel an, bis 2050 den CO2-
Ausstoss pro Person von heute 5,2 auf
1 Tonne pro Jahr zu reduzieren. Die Ernäh-
rung spielt dabei eine zentrale Rolle: Auf
sie entfallen knapp ein Drittel der Umwelt-
belastung und 18 Prozent der konsumbe-
dingten CO2-Emissionen. Ein nachhaltiges
Beschaffungsleitbild, Ernährungsrichtlinien
für Schulen und Horte, CO2-reduzierte
oder vegetarische Menüangebote in den
städtischen Cafeterias, Alters- und Pflege-
zentren sowie Aktivitäten zur Reduktion
von Food Waste sollen dabei helfen, den
ökologischen Fussabdruck der Ernährung
in der Stadtverwaltung Zürich zu ver-
ringern. Mit dem Erlebnismonat «Zürich
isst» – einem Projekt der Stiftung Mercator
Schweiz und der Stadt Zürich – wollte die
Stadt darüber hinaus zeigen, wie jede und
jeder durch eine nachhaltige Ernährung
einen Beitrag für eine gesunde Umwelt
leisten kann.
Von der Idee zur UmsetzungWoher kommt unser Essen? Wie wird es
hergestellt? Was bedeutet das für Mensch
und Umwelt? Aus verschiedenen Blick-
winkeln suchte «Zürich isst» im Septem-
ber 2015 Antworten auf diese Fragen. Der
Erlebnismonat lebte vom Engagement
der 100 beteiligten Partnerorganisationen.
Mit unterschiedlichsten Veranstaltungen
boten sie der Bevölkerung vielfältige Mög-
lichkeiten, sich kritisch mit Fragen einer
nachhaltigen Ernährung auseinanderzu-
setzen. «Es gibt in Zürich viele engagierte
Organisationen, die sich mit Fragen der
Ernährung und Nachhaltigkeit befassen»,
erklärt Nadine Felix, Geschäftsführerin der
Stiftung Mercator Schweiz. «Ihnen wollten
wir mit dem Erlebnismonat eine Bühne
bieten.»
Die Planung für «Zürich isst» begann im
Herbst 2014, als das für die konzeptionelle
und kommunikative Planung beauftragte
Koordinationsbüro seine Arbeit aufnahm.
Ein Grossteil der beteiligten NGO, Kultur-
und Jugendorganisationen, Restaurants,
Lebensmittelproduzenten und Vertreter
aus Forschung und Gewerbe wurde direkt
angeschrieben und über den Erlebnis-
monat informiert. Andere kamen aus eige-
ner Initiative auf die Organisatoren zu, als
das Projekt bekannt wurde. Stadt interne
Dienststellen wurden ermutigt, ihren Ein-
satz für die nachhaltige Ernährung im
Rahmen von «Zürich isst» der Öffentlich-
keit zu präsentieren.
Sonja Gehrig vom Umwelt- und Gesund-
heitsschutz Zürich und Co-Gesamtprojekt-
leiterin von «Zürich isst» war sehr positiv
überrascht über das grosse Echo seitens
der Partnerorganisationen, sich am Erleb-
nismonat zu beteiligen: «Dass wir dem Pu-
blikum und den Schulen so ein vielseitiges
Programm mit über 200 Veranstaltungen
servieren konnten, freut uns sehr. Das zeigt
auch, dass die nachhaltige Ernährung ein
wichtiges Thema für Fachorganisationen
und auch für die Bevölkerung ist.»
Genussvoller VorgeschmackDank eines Online-Fotowettbewerbs war
«Zürich isst» bereits ab Mitte April 2015
Tischgespräch. Die Zürcherinnen und
Zürcher wurden aufgerufen, Bilder ihrer
Lieblingsgerichte samt Rezept oder kurzer
Geschichte auf der Website www.zuerich-
isst.ch oder in den sozialen Medien (Face-
book, Twitter und Instagram) hochzuladen
und zu teilen. Mitmachen lohnte sich, denn
neben den Hauptgewinnen lockten bereits
in den Monaten Mai, Juni und Juli kleine
Preise. Für die Hauptgewinne war eine
Jury zuständig. Diese bewertete Kulinarik,
Innovation und Nachhaltigkeit. Ob Diens-
tagsforelle, vegane Burger mit Fenchel-
salat, Resteverwertung oder karamellisierte
Im September drehte sich in Zürich alles um Fragen der nachhaltigen Ernährung. Mit «Zürich isst» blickte die Bevölkerung über den Teller-rand hinaus und lernte genussvolle Möglichkeiten kennen, die eigene Ernährung umweltfreundlicher zu gestalten.
von Anja Stettin
Eine Stadt isst nachhaltig
«Zürich isst» – ein Puzzleteil im grossen Ganzen
Die Stadt Zürich setzt sich auch über den Aktionsmonat hinaus für nachhaltige
Ernährung ein:
> Beschaffung: hohe wirtschaftliche, ökologische und soziale Anforderungen; min-
destens 7 % Bio-Produkte; Bevorzugung von Label-Produkten (Fair Trade, MSC etc.).
> Städtische Kantinen: klimafreundliches «Menu Plus», das weniger als die Hälfte der
Treibhausgasemissionen vergleichbarer Menüs verursacht; täglich wählbares Vegi-
Menü und ein bis zwei Vegi-Tage pro Woche in Alters- und Pflegezentren; Reduktion
von Food Waste beispielsweise dank Resterezepten.
> Wasser: Förderung des Konsums von Züriwasser.
> Urban Gardening und Grün Stadt Zürich: Förderung von Schulgärten; «essbare
Terrasse»; Erlaubnis zur Zwischennutzung von Brachen als Gemeinschaftsgärten;
Pflanzung von Obstbäumen; diverse Veranstaltungen.
> Ideensammlung für den Unterricht: Materialienliste mit Spielen und Filmen zum
Thema Ernährung und Umwelt.
> Energiestation: interaktive Ausstellung «Welcher Energie-Typ sind Sie?» mit der
persönlichen Energieetikette.
Thema Umwelt 3/2015
Anja Stettin Redaktion Thema Umwelt, Pusch, Zürich, [email protected], www.pusch.ch
Aprikosen-Tarte mit rosa Pfeffer: Mehrere
Hundert Einsendungen machten die Ent-
scheidung nicht leicht, die Vorfreude auf
den Erlebnismonat dafür umso grösser.
Eine Stadt dreht sich ums EssenEin Street Food Festival lockte mit köst-
lichen Speisen aus aller Welt, Getränken
in Mehrwegbechern und einer Wasserbar
mit Züriwasser. Das Stadt-Tomaten-Fest
bot Degustationen von über 80 verschie-
denen Tomatensorten und eine Saatgut-
tauschbörse – bereits das erste September-
wochenende hielt, was der Erlebnismonat
versprach: Spass, Genuss und viele Infor-
mationen zur nachhaltigen Ernährung.
Und so ging es den ganzen Monat weiter:
Biovision zeigte ihre Ausstellung «Clever»
zum nachhaltigen Einkaufen, Grün Stadt
Zürich gab in der Ausstellung «Aufgetischt.
Von hängenden Gärten und Pilzgaragen»
Einblicke ins urbane Gärtnern, der Ver-
ein Foodwaste.ch kochte für Passanten ein
Festessen aus überschüssigen Lebensmit-
teln. Lesungen, Filmvorführungen, Koch-
Battles, Führungen durch Schulgärten,
Fahrten im Slow-Food-Tram und Speed-
Datings mit Fachpersonen machten die
Thematik ebenso erlebbar wie die speziel-
len «Zürich isst»-Menüs in Restaurants,
Mensen und Kantinen. Die Gäste konn-
ten konkrete Anregungen mitnehmen, wie
sie ihren Konsum ohne Verzicht umwelt-
freundlicher gestalten können.
Mit dem Ende des Erlebnismonats fällt die
ökologische und gesunde Ernährung nicht
vom Tisch. In der Stadt Zürich steht das
Thema schon lang auf der Agenda – und
es wird dort auch bleiben (siehe Kasten).
Was hat’s gebracht?Ob man mit dem Erlebnismonat das Ziel
erreicht hat, die Bevölkerung genussvoll
über nachhaltige Ernährung zu informie-
ren und für ihre Handlungsmöglichkeiten
zu sensibilisieren, soll eine Evaluation
des Forschungsbereichs Nachhaltigkeits-
kommunikation der Zürcher Hochschule
für angewandte Wissenschaften (ZHAW)
zeigen. Dazu befragt man unter anderem
Jugendliche stichprobenartig. Die ZHAW
möchte herausfinden, ob sie dank der be-
suchten Veranstaltungen nicht nur wis-
sen, was nachhaltige Ernährung heisst,
sondern ob sie auch entsprechend han-
deln. Die Evaluation ist voraussichtlich im
Februar 2016 abgeschlossen. Feststeht: Fra-
gen einer gesunden und umweltfreund-
lichen Ernährung bewegen immer mehr
Menschen. Die Stadt Zürich hat die Chance
genutzt, Diskussionen anzuregen.
www.pusch.ch/themaumwelt
Achtzig Tomatensorten degustieren, Saatgut tauschen oder einfach die grosse Vielfalt bewundern konnte man am StadtTomatenFest von Pro Spezie Rara, der Stadt Zürich und Grün Stadt Zürich.
Pro
Sp
ezi
eR
ara
Dossier 23
3/2015 Thema Umwelt
Von Pusch zu PUSCHEin neues Logo, ein frisches Layout, eine auf mobile Geräte optimierte Website: Pusch zeigt sich zum 15-Jahr-Jubiläum im neuen Gewand. Ihren Werten bleibt die Stiftung aber treu.
von Conny Vogel
Pusch online
Nehmen Sie sich ein paar Minuten
Zeit und besuchen Sie die neue Web-
site von Pusch. Was Sie sehen, ist
ein Werk, das mit Pusch lebt, das char-
mante Seiten, aber auch Ecken und
Kanten hat. Ein Werk, das sich adrett,
aber auch mal ungeschminkt zeigt
und die Angebote näher zu den drän-
genden Umweltthemen bringt. Dank
dem neuen Responsive Design, das
sich automatisch den unterschiedli-
chen Geräten und Bildschirmgrössen
anpasst, sind sämtliche Informationen
auch bequem unterwegs per Smart-
phone oder Tablet abrufbar. Klicken
Sie rein – wir freuen uns!
www.pusch.ch
In den 15 Jahren seit ihrer Gründung
hat die Stiftung Pusch viel bewegt. Über
500 000 Schülerinnen und Schüler hat sie
in Umweltthemen unterrichtet, 10 000 Er-
wachsene in Kursen und an Tagungen
weitergebildet und mehrere 100 000 Per-
sonen mit Ausstellungen und Kampagnen
erreicht.
Möglich war dies dank dem grossen
Engagement von Stiftungsrat und Mit-
arbeitenden, von Mitgliedern, Partnern und
Unterstützern. Die Umweltaufgaben, das
Umfeld, die Sprache, die Bildwelten, aber
auch Pusch selber haben sich in dieser Zeit
verändert. Pusch ist grösser geworden, er-
reicht ein stetig wachsendes Zielpublikum
und vernetzt sich schweizweit mit immer
mehr Partnern.
Dialog mit den Bezugsgruppen stärkenMit Respekt vor der Vergangenheit und
ungebremstem Elan will Pusch den Um-
weltschutz in der Schweiz zusammen mit
Gleichgesinnten, engagierten Schulen,
Gemeinden und Unternehmen vorwärts
bringen.
Die Stiftung tritt künftig mit ihren Bezugs-
gruppen noch stärker in einen Dialog,
bezieht sie aktiv ein, entwickelt Ange-
bote gemeinsam mit ihnen weiter und
bildet lösungsorientierte Kooperationen.
Pusch will einen Beitrag zur Vernetzung
der Akteure leisten und ihre Funktion als
wichtige Anlaufstelle in Umweltfragen für
Gemeinden, Schulen und Unternehmen
stärken. Die Positionierung von Pusch als
lösungsorientierte, kompetente Umwelt-
organisation soll sich im neuen Auftritt
widerspiegeln.
Ein Label für QualitätPusch ist neu PUSCH. Das neue Logo soll
im Sinne eines Labels auch für die Qualität
der Arbeit von Pusch stehen. Die Reduk-
tion des Logos auf ein Minimum sym-
bolisiert fokussiertes Wirken, es steht für
Klarheit und Beständigkeit. Pusch leistet
Überzeugungsarbeit und fordert auf, im
eigenen Wirkungskreis umweltfreundlich
zu handeln.
PUSCH bleibt Pusch, weil die Stiftung bei
den Zielgruppen schon heute gut bekannt
und bei Schulen und Gemeinden fest ver-
ankert ist. Und weil Pusch ihren Werten
und Grundsätzen – praktisch, angewandt
und lösungsorientiert für mehr umwelt-
freundliches Handeln – auch über die
nächsten 15 Jahre hinaus verbunden bleibt.
Conny Vogel Leiterin Marketing, Pusch, Zürich, [email protected], www.pusch.ch
Thema Umwelt 3/2015
Pusch aktuell 25
Pusch-Agenda
Gemeindekurs
3. und 4. November 2015 (eintägig), Adligenswil LU
Praktische und naturnahe Gewässerpflege im Winter
Die moderne Gewässerpflege umfasst den
ganzen Lebensraum des Gewässers. Sie
fördert die Artenvielfalt, schafft Erlebnis-
räume und stärkt den Hochwasserschutz.
Der Kurs zeigt an konkreten Beispielen, wie
kleine und mittlere Fliessgewässer im Win-
terhalbjahr naturnah, effizient und fachge-
recht gepflegt werden können. Im Vorder-
grund stehen das Vermitteln geeigneter
Arbeitstechniken und praktische Übungen
rund um die Ufergehölz- und die Gewäs-
serlaufpflege im Winter.
www.pusch.ch/agenda
Gemeindekurs
10. November 2015, Zürich, und
17. November 2015, Luzern (eintägig)
Mobilität effizient organisiert
Die Zunahme des motorisierten Personen-
verkehrs in der Schweiz erhöht den Ener-
gieverbrauch und den CO2-Ausstoss und
führt zu einer zunehmenden Überlastung
der Verkehrsinfrastrukturen mit volkwirt-
schaftlich negativen Auswirkungen. Men-
schen wollen Ruhe am Wohnort, jedoch
schnell am Arbeitsort sein und bequem
zum Einkaufen gelangen.
In diesem Spannungsfeld zeigt der Kurs
auf, wie ein ressourcenschonendes, wirt-
schaftliches und sozialverträgliches Mobi-
litätsmanagement die Nachfrage steuern
kann, um das Verkehrsaufkommen zu
reduzieren und die Fahrzeugauslastung
zu erhöhen. Mit entsprechender Organisa-
tion, Sensibilisierung und Anreizen können
Gemeinden einfach und kostengünstig
viel erreichen und einen wichtigen Beitrag
zur Erfüllung der gesetzlichen Klimaziele
des Bundes leisten.
www.pusch.ch/agenda
Gemeindekurs
20. und 21. Oktober 2015 (eintägig), Grenchen SO
Praktische und naturnahe Gehölzpflege im Winter
Der Winter ist die optimale Jahreszeit,
um die Gehölze auf die kommende Ve-
getationsperiode vorzubereiten. Der Kurs
zeigt, wie sich der Unterhaltsaufwand op-
timieren und der ökologische Wert von
Gehölzgruppen fördern lässt. Im Zentrum
stehen Arbeitstechniken wie die selektive
Pflege und der selektive Schnitt, der Ein-
satz des geeigneten Werkzeugs sowie
die ökologische Aufwertung zur Förde-
rung der standorttypischen Tier- und
Pflanzengesellschaften.
www.pusch.ch/agenda
Pu
sch
Gemeindekurs
22. Oktober 2015, Rheinfelden AG
Heizen und Kühlen mit Abwärme aus Produktions- prozessenMit einem Wärmeverbund können stand-
ortgebundene Energiequellen und Ver-
braucher intelligent miteinander vernetzt
werden. Der Kurs zeigt am Beispiel der
Brauerei Feldschlösschen in Rheinfelden
AG, wie sich wertvolle Abwärme aus den
Brauereiprozessen wirtschaftlich nutzen
lässt, um mehr als 200 Liegenschaften mit
Wärme zu versorgen.
www.pusch.ch/agenda
Fo
toli
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Gemeindekurs
19. November 2015, Bolligen BE
Einkauf von Büromaterial und -mobiliar nach ökologischen KriterienJede Gemeinde kauft Mobiliar und Büro-
material ein. Mit der Wahl der Produkte
nimmt sie Einfluss auf den Energie- und
Ressourcenverbrauch. So verbraucht Re-
cyclingpapier im Vergleich zu Primär-
faserpapier bei der Produktion lediglich
ein Drittel Wasser und knapp die Hälfte an
Energie.
Der Kurs zeigt auf, welche ökologischen
Aspekte bei der Beschaffung von Büro-
material wichtig sind, und liefert Informa-
tionen zu Labels. Er gibt Einblick in gute
Praxisbeispiele und vermittelt praktische
Tipps für den Alltag in Behörde und Ver-
waltung. Den Abschluss bildet ein Rund-
gang durch die Lagerhallen der Iba AG.
www.pusch.ch/agenda
Fo
toli
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3/2015 Thema Umwelt
26 Standpunkte
Glyphosat – Freund oder Feind? Ende März stufte die Weltgesundheitsorganisation WHO das Unkraut-vernichtungsmittel Glyphosat als «wahrscheinlich krebserregend» ein. Der Bericht sorgt für kontroverse Diskussionen. Ist ein Verbot des Herbizids angezeigt oder reicht die Beweislage dafür nicht aus?
Josianne Walpen, Leiterin Ernährung und Landwirtschaft, Stiftung für Konsumentenschutz (SKS), [email protected], www.konsumentenschutz.ch
Ein florierendes Geschäft
von Josianne Walpen
Im kleinen Garten vor dem Haus oder auf
den grossflächigen Äckern des Bauern:
Glyphosat ist seit 1975 das Unkrautver-
tilgungsmittel schlechthin. Monsanto be-
warb sein glyphosathaltiges Roundup-Gel
für Hobbygärtner im Frühjahr sogar im
Schweizer Fernsehen. Ein harmloses Mit-
telchen, das man ohne Bedenken vor sei-
ner Haustür ausbringen kann, könnte man
meinen. Dem ist nicht so. Die Internatio-
nale Agentur für Krebsforschung (IARC)
der Weltgesundheitsorganisation (WHO)
stuft Glyphosat als «möglicherweise krebs-
erregend» ein.
Man muss sich im Klaren sein: Monsanto
beackert auch das Feld der Privatanwender
intensiv. Der Unkrautvertilger ist seit Jahr-
zehnten ein florierendes Geschäft. Schät-
zungsweise 300 Tonnen Glyphosat werden
in der Schweiz jährlich ausgebracht, welt-
weit geht man von rund einer Million Ton-
nen aus. Der jährliche globale Umsatz be-
trägt rund 5,5 Milliarden Dollar, Tendenz
steigend. Glyphosat ist und bleibt ein gros-
ses Geschäft, das von der Agroindustrie
entsprechend verteidigt wird. Dies muss
man sich angesichts der laufenden Diskus-
sion, ob Glyphosat gesundheitsgefährdend
sei oder nicht, vor Augen halten.
Erste Händler steigen ausAuf ihren Teil dieses Geschäftes verzich-
ten Migros und Coop: Sie sind im Früh-
jahr dem Aufruf der Stiftung für Konsu-
mentenschutz (SKS) gefolgt und haben
glyphosathaltige Produkte aus ihren Re-
galen entfernt. Landi, Jumbo und Horn-
bach hingegen halten daran fest, Roundup,
Combat und wie die insgesamt 120 in der
Schweiz zugelassenen Produkte heissen,
an die Privatgärtnerinnen und -gärtner zu
verkaufen.
Für die privaten Anwender besteht kein
wirtschaftlicher Druck, risikoreiche Pflan-
zenschutzmittel einzusetzen. Da reichen
Alternativen wie Unkraut von Hand zu
jäten und thermische Methoden (Ab-
flammgerät oder Wasserkocher). Mit einem
Verbot wären fehlende Informationen,
mangelhafte Anwendung und lückenhafte,
wenig bekannte gesetzliche Vorschriften
– Glyphosat darf zum Beispiel auf Wegen
und Plätzen nicht angewendet werden –
kein Thema mehr.
Für eine ökologischere LandwirtschaftDie Diskussion um ein Verbot muss auch
für die gesamte Landwirtschaft geführt
werden. Hier werden wesentlich relevan-
tere Mengen des Herbizids eingesetzt. Es
ist klar, dass ein Verzicht auf das Total-
herbizid für die Landwirtschaft eine grosse
Herausforderung darstellen würde. Ein
Verbot von Glyphosat würde jedoch die
Erforschung von Alternativen ankurbeln.
Wie eine Produktion ohne Glyphosat
funktioniert, zeigen die knapp 6000 Bio-
Betriebe in der Schweiz schon heute jeden
Tag. Die Frage stellt sich, ob wir weiterhin
eine Landwirtschaft wollen, welche den
einfacheren Weg geht, aber Risiken für
Mensch und Umwelt in Kauf nimmt, oder
ob es sich nicht längerfristig lohnt, auf eine
ökologischere Landwirtschaft zu setzen.
Glyphosat ist das meisteingesetzte Spritz mittel der Welt.
Thema Umwelt 3/2015
Standpunkte 27
Peter Bormann, Bundesamt für Landwirtschaft BLW,
Fachbereich Nachhaltiger Pflanzenschutz, Bern,
[email protected], www.blw.admin.ch
Verbot ist derzeit unbegründet
von Peter Bormann
Glyphosat gehört in der Schweiz wie
auch im Ausland zu den am häufigsten
eingesetzten Pflanzenschutzmitteln. Als
wirkungsvolles Herbizid wird es in der
Landwirtschaft vielseitig eingesetzt, unter
anderem zur Bekämpfung von problema-
tischen Unkräutern in Brachen oder im
Obst- und Weinbau. Es ermöglicht aber
auch die Ansaat von Kulturen ohne vor-
heriges Pflügen. Dies ist besonders boden-
schonend und fördert Bodenfruchtbarkeit
und Biodiversität. Gewisse im Ausland
noch praktizierte Anwendungen, beispiels-
weise kurz vor der Getreideernte zur Opti-
mierung des Reifezeitpunktes (Sikkation)
und zur Vermeidung von Feuchteschäden,
sind in der Schweiz nicht zugelassen.
Ausserhalb der Landwirtschaft wird Gly-
phosat zur Pflege von öffentlichen und
privaten Gärten verwendet. Zusätzlich
erhöht das Herbizid die Sicherheit des
Bahnverkehrs, indem es unerwünschten
Pflanzenbewuchs auf Gleisen und somit
eine Destabilisierung des Schotterbetts
verhindert.
Verbot hätte weitreichende FolgenEin Verbot von Glyphosat würde in vielen
der genannten Bereiche zu einschneiden-
den Lücken mit entsprechenden Konse-
quenzen führen, da im Moment keine ver-
gleichbar wirksame Alternative erhältlich
ist. Eine Kombination verschiedener ande-
rer zugelassener Herbizide könnte Glypho-
sat nur teilweise ersetzen und es ist davon
auszugehen, dass die total ausgebrachte
Menge an Herbiziden zunehmen würde.
Ein Verbot von Glyphosat würde aber auch
zu einer starken Rückkehr der mechani-
schen Unkrautbekämpfung mit dem Pflug
führen. Dies würde den Anstrengungen
zur Förderung der schonenden Boden-
bearbeitung entgegenlaufen.
Die manuelle Unkrautbekämpfung dürfte
aus K ostengründen kaum eine Alter-
native sein. Im Privatbereich, der eine
verminderte Wirksamkeit eher in Kauf
nehmen kann, bieten sich Pelargon- oder
Essigsäure, aber auch das Jäten von Hand
als Alternative zu Glyphosat an.
Risiken durch korrekten Einsatz reduzierenPflanzenschutzmittel sind primär für den
Einsatz in der produzierenden Landwirt-
schaft bestimmt, das heisst für den Schutz
von Erträgen, die der Ernährungssicher-
heit dienen. Sie dürfen nur durch entspre-
chend ausgebildete Personen ausgebracht
werden.
Für Produkte, die im Hausgarten und
Hobbybereich von nicht geschulten Pri-
vatpersonen angewendet werden, gelten
verschärfte Sicherheitsanforderungen. So
dürfen giftige und sehr giftige Pflanzen-
schutzmittel nicht an Privatpersonen ab-
gegeben werden. Und selbst Profis dürfen
solche Produkte nicht in öffentlich zu-
gänglichen Anlagen wie Pärken oder auf
Spielplätzen anwenden.
Es ist vorgesehen, im Rahmen des
«Aktionsplans zur Risikoreduktion und
nachhaltigen Anwendung von Pflanzen-
schutzmitteln» weitere ausschliessende
Kriterien für den Hobbybereich zu defi-
nieren. Dazu gehören beispielsweise eine
einfache Dosierbarkeit, die Beschränkung
auf Produkte, die keine oder nur geringe
Schutz massnahmen bei der Anwendung
erfordern, sowie der Ausschluss von Pro-
dukten, die Nützlingen wie Bienen scha-
den könnten.
Von Seiten der Behörden wird einiges ge-
tan, um unbeabsichtigte Folgen eines Her-
bizideinsatzes zu verhindern. Ein Verbot
von Glyphosat wäre ein folgenschwerer
Entscheid und nur dann gerechtfertigt,
wenn eine wissenschaftsbasierte Analyse
neuer Studien unter Anwendung identisch
strenger Kriterien, wie sie für die Zulassung
aller Pflanzenschutzmittel gelten, zum
Schluss käme, dass Glyphosat zu unan-
nehmbaren Nebenwirkungen für Mensch,
Tier oder Umwelt führt. □
Für die Stiftung für Konsumentenschutz,
Greenpeace und die Ärztinnen und Ärzte
für Umweltschutz ist die Antwort eindeu-
tig: Die Organisationen haben die Petition
«Glyphosat verbieten – jetzt!» lanciert, wel-
che von vielen weiteren Organisationen
unterstützt wird. □
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3/2015 Thema Umwelt
28 Umweltschutz in der Gemeinde
Amlikon-Bissegg macht vorwärts mit der KunststoffsammlungSeit 2013 sammelt die Thurgauer Gemeinde Amlikon-Bissegg mit einem Sammelsack gemischte Kunststoffe aus Haushalten. Etwa 70 Prozent davon können aktuell für die Herstellung neuer Produkte verwendet werden. Das Pilotprojekt bringt neben ökologischen auch wirtschaftliche Vorteile.
von Simon Zeller
Wir Schweizer rühmen uns gerne als
Recycling-Weltmeister. Doch in Sachen
Kunststoff sind wir weit davon entfernt:
Nur etwa 11 Prozent aller Kunststoffabfälle
werden heute rezykliert, der Grossteil
landet direkt in der Kehrichtverbrennung.
Die Gemeinde Amlikon-Bissegg hat sich
für einen ökologischeren Weg entschieden
und nach einer erfolgreichen Pilotphase
2014 die Kunststoffsammlung definitiv
eingeführt.
Ökologisch und günstigEs funktioniert wie die Kehrichtsamm-
lung: In speziellen Gebührensäcken wer-
den sämtliche Haushaltskunststoffe sowie
Getränkekartons gemischt gesammelt und
jede zweite Woche abgeholt. Ein 60-Liter-
Kunststoffsammelsack ist mit 2 Franken
etwa 30 Prozent günstiger als der in der
Region verwendete 35-Liter-Kehrichtsack.
Diese Einnahmen decken die Kosten der
Entsorgungslogistik. Die Sortierung und
Verwertung der zurückgewonnen Roh-
stoffe übernimmt die InnoRecycling AG in
Eschlikon. Mangels Sortieranlagen müssen
die Kunststoffe allerdings noch im grenz-
nahen Ausland sortiert werden. Eine Öko-
bilanz von Carbotech, welche den Trans-
port- und Sortieraufwand miteinbezieht,
bestätigt jedoch zweifelsfrei den Vorteil
des Kunststoffrecyclings: Werden Kunst-
stoffe gemischt gesammelt und 50 Pro-
zent des Sammelgutes rezykliert, reduziert
sich die gesamte Umweltbelastung um fast
die Hälfte im Vergleich zur Entsorgung
in einer durchschnittlichen Schweizer
Kehrichtverbrennungsanlage.
Genug Abfall für alleDas Kunststoffrecycling stösst nicht überall
auf Gegenliebe. Die Betreiber einiger Keh-
richtverbrennungsanlagen befürchten den
Verlust von Brennmaterial und sehen die
Energieproduktion in Gefahr. Sie stehen
zudem in Konkurrenz zu Zementwerken,
die ebenfalls Kunststoffabfälle als Brenn-
stoff nutzen und so Kohle ersetzen. Es be-
steht allerdings kaum Grund zur Sorge: Die
absolute Abfallmenge steigt und jährlich
werden über 100 000 Tonnen Kunststoffe
und 500 000 Tonnen Altholz exportiert.
Mangel an Brennstoffen besteht folglich
nicht. Zudem wird es wohl Jahre dauern,
bis sich ein neues Kunststoffsammel system
etabliert hat. Die Marktteilnehmer haben
deshalb genug Zeit, sich anzupassen.
Gemeinsam Recycling-Weltmeister werdenSeit Kurzem sammeln auch Detailhändler
Flaschen aus Kunststoff. Weil die Abgabe
kostenlos ist und keine vorgezogene Recy-
clinggebühr erhoben wird, lohnt sich diese
Sammlung finanziell kaum. Aber die Öko-
bilanzen zeigen, dass auch dieses Sammel-
system ökologisch sinnvoll ist. Um mög-
lichst viel Kunststoff zu sammeln, sollte die
selektive Kunststoffsammlung des Detail-
handels durch eine von der Gemeinde
organisierte, gemischte Sammlung ergänzt
werden.
Die in Amlikon-Bissegg gefundene Lösung
ist kundenfreundlich, verursachergerecht
und aus Sicht der Gemeinde kostenneutral.
Das findet auch Beat Buchmann, Vize-
Gemeindepräsident von Amlikon-Bissegg:
«Mit der Kunststoffsammlung erfüllen wir
ein echtes Bedürfnis der Bevölkerung und
entlasten sogar unsere Abfallrechnung.» Es
ist gut möglich, dass sich dieses Sammel-
system in den nächsten Jahren durch-
setzen wird. Tatsächlich beginnen zurzeit
immer mehr Gemeinden mit der Kunst-
stoffsammlung. Aus Umweltsicht wäre es
natürlich erfreulich, wenn sich die Schweiz
dank des Pioniergeistes dieser Gemeinden
dereinst tatsächlich als Recycling-Welt-
meister rühmen könnte.
Simon Zeller Projektleiter, Pusch, Zürich, [email protected], www.pusch.ch
Enormes Reduktionspotenzial
Amlikon-Bissegg sammelt inzwischen
jährlich 7,2 Kilogramm Kunststoffe pro
Einwohner. Hochgerechnet auf die
Schweiz könnten somit 57 600 Tonnen
Haushaltkunststoffe wiederverwertet
werden. Die dadurch mögliche Reduk-
tion der Umweltbelastung entspräche
den CO2-Emissionen einer Stadt wie
Zug mit 30 000 Einwohnern. Potenziell
könnte die Schweiz aber bis zu 30 Kilo-
gramm Kunststoffe pro Person und
Jahr separat sammeln. Das entspräche
den CO2-Emissionen einer Grossstadt
wie Bern.
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Thema Umwelt 3/2015
Umweltschutz im Recht 29
Keine Laubbläser im NaturschutzgebietLaubbläser sorgen immer wieder für hitzige Debatten. Anfang des Jahres wies das Verwaltungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde eines Landwirtes gegen das Verbot der Anwendung von Laubbläsern in Naturschutzgebieten ab und beurteilte dieses als nicht willkürlich.
von Chueky Dhidugong Asch
Chueky Dhidugong Asch Vereinigung für Umweltrecht VUR, Winterthur, [email protected], www.vur-ade.ch
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Die 2014 neu erlassene «Verordnung über
Bewirtschaftungsbeiträge für Naturschutz-
leistungen» des Kantons Zürich regelt
unter anderem die Ausrichtung staatli-
cher Beiträge für die Bewirtschaftung von
Naturschutzobjekten und ökologischen
Ausgleichsflächen. Das Amt für Land-
wirtschaft und Natur des Kantons Zürich
legt im Einvernehmen mit dem Bund jene
botanischen Qualitätskriterien fest, wel-
che Biodiversitätsförderflächen aufweisen
müssen, um entsprechende Qualitätsbei-
träge zu erhalten.
Bundesrechtlich vorgesehen als Voraus-
setzungen sind zum Beispiel Restriktionen
und Verbote hinsichtlich des Einsatzes von
Dünger, Pflanzenschutzmitteln oder land-
wirtschaftlichen Maschinen und Geräten.
In diesem Zusammenhang bestimmt die
Verordnung, dass für die Bewirtschaftung
von Naturschutzgebieten keine Laub- und
Heubläser verwendet werden dürfen. Da-
gegen legte ein Landwirt beim Zürcher
Verwaltungsgericht Beschwerde ein.
Es gilt das VorsorgeprinzipDas Verwaltungsgericht entschied im Fe-
bruar 2015, es sei nicht zu beanstanden,
dass die kantonale Verordnung als zusätz-
liche Beitragsvoraussetzung das Verbot
eines potenziell umweltschädigenden
Arbeitsgerätes vorsieht. Gemäss Vorsorge-
prinzip seien Einwirkungen, die für die
Umwelt «schädlich oder lästig werden
könnten», frühzeitig zu begrenzen. Poten-
ziellen Schädigungen der Umwelt soll in
erster Linie präventiv und selbst dann be-
gegnet werden, wenn die Notwendigkeit
oder Wirksamkeit einer Massnahme nicht
strikt nachgewiesen ist. Eine neue Bearbei-
tungstechnik bei der Bewirtschaftung von
Biodiversitätsförderflächen erst zu verbie-
ten, wenn deren negative Auswirkung auf
die natürliche Umwelt oder den Menschen
nachgewiesen ist, würde dem Vorsorge-
prinzip widersprechen.
Begründetes VerbotEin präventives Verbot müsse sich aber
auf ernsthafte sachliche Gründe stützen.
So prüfte das Verwaltungsgericht, ob
plausible Gründe für das Laubbläserverbot
vorliegen. Die angefochtene Bestimmung
will verhindern, dass Laubbläser vorschnell
zugelassen werden ohne gesicherte Kennt-
nisse über deren Auswirkungen auf Bio-
diversitätsförderflächen beziehungsweise
auf die dort zu schützende Biodiversität.
Aufschluss darüber soll beispielsweise eine
Studie geben, die derzeit die Auswirkung
der Ernte mit Rechen gegenüber derjeni-
gen mit Laubbläser vergleicht.
Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass
keine namhaften Unterschiede betref-
fend der bearbeiteten Bodenoberflächen
bestehen, was auch hinsichtlich der Ver-
breitung der Samen und der Vegetation
auf den Wiesen gilt. Jedoch könnte der
Einfluss des Laubbläsereinsatzes allen-
falls erst nach langer Zeit sichtbar werden.
Abschliessende Ergebnisse und Analysen
stehen allerdings noch aus. Bis anhin
liegen aber plausible Gründe für die um-
strittene Beitragsvoraussetzung vor. Das
Gericht hielt folglich fest, dass das in der
neuen «Verordnung über Bewirtschaf-
tungsbeiträge für Naturschutzleistungen»
statuierte Laubbläserverbot nicht willkür-
lich ist.
Auch Gesetze sind im WandelDas Verwaltungsgericht erinnert in diesem
Zusammenhang daran, dass die Frage, ob
für eine gesetzliche Anordnung ernsthafte
sachliche Gründe vorliegen, zu verschie-
denen Zeiten unterschiedlich beantwortet
werden kann. Insbesondere das Prinzip der
Verhältnismässigkeit gebiete es, dass eine
gesetzliche Massnahme hinsichtlich ihrer
Wirksamkeit und ihres Erfolgs von Zeit zu
Zeit kontrolliert und bei Vorliegen besse-
rer Erkenntnisse gegebenenfalls angepasst
oder aufgehoben werde. Das Fortbestehen
des Laubbläserverbots hängt somit von
neuen Studienergebnissen ab.
Wer im Kanton Zürich Naturschutzflächen mit einem Laubbläser bewirtschaftet, erhält für diese auch weiterhin keine Förderbeiträge
3/2015 Thema Umwelt
… und ausserdem Fachtagung
5. November 2015, Wädenswil
Grünflächenmanagement
Die diesjährige Fachtagung der Zürcher
Hochschule für Angewandte Wissenschaft
(ZHAW) zum Thema Grünflächenmanage-
ment «Insourcing/Outsourcing» zeigt an-
hand aktueller Projekte auf, welche Überle-
gungen wichtig sind und welche positiven
und negativen Erfahrungen mit den ver-
schiedenen Organisationsformen gemacht
werden, ob eigenständig ausgeführt oder
durch externe Firmen abgewickelt. Zusätz-
lich dient die Tagung dem Austausch zwi-
schen Fachleuten.
www.zhaw.ch
Studie
Klimaschutz in der LandwirtschaftIn Auftrag von IP-Suisse hat Agroscope, das
Kompetenzzentrum des Bundes für land-
wirtschaftliche Forschung, in einer neuen
Studie das Potenzial von zwanzig Mass-
nahmen zur Reduktion von Treibhausgas-
emissionen aus der Landwirtschaft auf-
gezeigt. Auch eventuelle Synergien oder
Zielkonflikte mit anderen Umweltwirkun-
gen wurden analysiert. Neun der Massnah-
men wurden zusätzlich hinsichtlich ihrer
Wirtschaftlichkeit untersucht. Die zwan-
zig Massnahmen bilden die Grundlage für
das «Punktesystem Klimaschutz», mit dem
künftig IP-Suisse-Landwirte ihre Treib-
hausgaseffizienz ohne Beeinträchtigung
ihrer landwirtschaftlichen Produktion er-
höhen sollen.
www.agroscope.admin.ch
Messe
26.29. November 2015, Bern
Bau+Energie 2015
An der 14. Schweizer Messe Bau+Energie
zeigen 400 Aussteller den aktuellen Stand
der Bauwirtschaft und informieren, wohin
sich das nachhaltige und energieeffiziente
Bauen entwickelt. Die drei Sonderthemen
der Messe – LED, Kälte/Klima und Indus-
triebau – werden in einzelnen Messeberei-
chen präsentiert.
Zusätzlich beleuchten Expertinnen und
Experten aus Politik, Forschung und Wirt-
schaft in rund 40 Kongressveranstaltun-
gen aktuelle Themen wie «Siedlungs- und
Arealentwicklung mit Energieeffizienz und
erneuerbaren Energien», «Zukunftgerech-
tes Bauen» und «Heizen mit Holz».
www.bau-energie.ch
Neuauflage
Biodiversitätspolitik in der SchweizGestützt auf neue Grundlagen aus Kan-
tonen, Gemeinden und Gesellschaft be-
schreibt die 2. Auflage der Dokumentation
«Biodiversitätspolitik in der Schweiz» die
Anforderungen an die Schweizer Biodi-
versitätspolitik und vergleicht sie mit den
Nachbarländern. Die Publikation von dia-
log:umwelt und den Büros Ecopolitics und
Gruner enthält Hintergrundinformationen,
zahlreiche Zahlen und Fakten und bietet
wichtige Grundlagen für politische und
gesellschaftliche Diskussionen zur Verab-
schiedung und Umsetzung des Aktions-
plans zur Biodiversitätsstrategie.
www.dialogumwelt.ch
Naturschutzpreis
Elisabeth und Oscar Beugger-Preis«Förderung der Naturvielfalt im Siedlungs-
raum» – so lautet das Thema des Elisabeth
und Oscar Beugger-Preises 2016. Im Auf-
trag der Elisabeth und Oscar Beugger-Stif-
tung sucht Pro Natura dafür herausragende
Projekte in Planung oder Ausführung mit
einer positiven Wirkung auf Natur und
Landschaft. Bewerben können sich private
und öffentlich-rechtliche Institutionen bis
zum 4. November 2015.
www.pronatura.ch/beugger-preis
Grü
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Studie
Konsum und BelastbarkeitsgrenzenDie vom Bundesamt für Umwelt (Bafu)
in Auftrag gegebene Studie «Schweizer
Konsum und Belastbarkeitsgrenzen des
Planeten» untersuchte neue Indikatoren
für die Belastbarkeitsgrenzen (Planetary
bounderies) in den Bereichen Klima-
wan del, Versauerung der Ozeane, Verluste
von Stickstoff und Phosphor, Landnutzung
und Verlust an Biodiversität. Ebenfalls
überprüften die Forscher Möglichkeiten,
die planetarischen Belastbarkeitsgrenzen
auf die Schweiz zu übertragen und so
nationale Indikatoren zu erhalten. Die
resultierenden nationalen Schwellenwerte
sind ein Hinweis auf das auf lange Sicht
naturverträgliche Mass der Auswirkungen
des Schweizer Konsums. Diese Schwellen-
werte sind aber nicht als politische Ziele
zu verstehen, sondern sollen vielmehr zu
den wissenschaftlichen Erkenntnissen bei-
tragen, die für die Festlegung politischer
Ziele und Massnahmen benötigt werden.
Die komplette Studie kann auf Englisch
herunter geladen werden. Es stehen aber
auch Zusammenfassungen auf Deutsch,
Französisch und Englisch zur Verfügung.
pb.grid.unep.ch
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30 … und ausserdem
Thema Umwelt 3/2015
Praxiskurs
1. November 2015, Dübendorf
Psychologische Massnahmen zur Verhaltensänderung im UmweltbereichWer in der Bevölkerung oder seiner Or-
ganisation das Umweltbewusstsein ver-
bessern möchte, muss wissen, welche um-
weltpsychologischen Massnahmen sich
für die spezifische Situation eignen. Dieses
Wissen vermittelt der Praxiskurs «Psycho-
logische Massnahmen zur Verhaltens-
änderung im Umweltbereich» der Eawag.
Beispiele durchgeführter Kampagnen und
der Entwurf einer Kampagne durch die
Teilnehmenden vertiefen die Thematik
praktisch.
www.eawag.ch
Wahlen 2015
Umweltrating
Wie umweltfreundlich sind die zur Wahl
stehenden Kandidaten und Parteien? Die
Umweltallianz, ein loser Zusammenschluss
von Greenpeace, Pro Natura, VCS und
WWF, hat Schweizer Politikerinnen und
Politiker dazu aufgerufen, einen Frage-
bogen auszufüllen, um ihre Meinung zu
umweltpolitischen Themen zu erfassen.
Die veröffentlichten Ergebnisse helfen um-
weltbewussten Wählerinnen und Wählern
bei der Entscheidung, wem sie am 18. Ok-
tober ihre Stimme geben.
www.umweltrating.ch
Broschüre
Blumenwiesen anlegen und pflegenIn den letzten sechs Jahrzehnten sind
90 Prozent der artenreichen Wiesen und
Weiden verschwunden. Zahlreiche Arten
haben ihren Lebensraum verloren. Rich-
tig angelegt und gepflegt eignen sich Gär-
ten und Grünflächen im Siedlungsgebiet
hervorragend als Ersatzflächen für natur-
nahe Wiesen. Pro Natura möchte mit der
Broschüre «Blumenwiesen anlegen und
pflegen» dazu beitragen, dass die Zahl der
artenreichen Blumenwiesen wieder steigt.
www.pronatura.ch/blumenwiesen
SV (Schweiz) AGMeals for KidsWallisellenstrasse 57CH-8600 Dübendorf
Tel +41 43 814 13 [email protected]
Kontakt
Gesunde Ernährung ist für Kinder sehr wichtig. Das heisst für uns: frische, abwechslungsreiche und gesunde Menus kommen auf den Tisch. Aus hochwertigen Produkten. Saisonal. Und schonend zubereitet. Qualität mit Geschmack für Ihren Mittagstisch — so macht Kinderverpflegung allen Spass.
Haben wir Ihnen Appetit auf mehr gemacht? Setzen Sie zusammen mit uns auf klimafreundliche Ernährung und ein umweltschonendes Konzept. In Zusammenarbeit mit unserem Partner WWF Schweiz legen wir das Augenmerk auf vier Umweltfelder: Angebot, Beschaffung, Betrieb und Logistik.
Bestimmungshilfe
Bestimmungshilfe asiatische LaubholzbockkäferAsiatische Laubholzbockkäfer und Citrus-
bockkäfer bedrohen Schweizer Baum-
bestände. Um die Identifikation der mel-
depflichtigen Quarantäneorganismen zu
erleichtern, haben die Bundesämter für
Umwelt (Bafu) und Landwirtschaft (BLW)
zusammen mit der Eidgenössischen For-
schungsanstalt für Wald, Landschaft und
Schnee (WLS) eine Bestimmungshilfe ver-
öffentlicht. Diese thematisiert Merkmale
der eingeschleppten Schädlinge, Befalls-
symptome und ähnliche Arten, bei denen
Verwechslungsgefahr besteht.
www.bafu.admin.ch
Dav
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zeig
e… und ausserdem 31
Fleisch-Genuss mit gutem Gewissen
IMMER EIN GUTES STÜCK BESSER
FÜR MENSCH, TIER UND UMWELT.