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1 Theoretische Grundlagen 1.1 Defi nition – 2 1.2 Physiologische Lautbildung und -verwendung – 2 1.2.1 Lautbetrachtung unter phonetischen Kriterien – 2 1.2.2 Lautbetrachtung unter phonologischen Kriterien – 7 1.2.3 Spracherwerbstheorien zur phonetisch-phonologischen Entwicklung – 9 1.2.4 Physiologischer Lautspracherwerb – 11 1.3 Pathologische Lautbildung und -verwendung – 22 1.3.1 Phonetische Störungen – 23 1.3.2 P honologische Störungen – 24 1.3.3 D yspraktische Störungen – 26 1.4 Ätiologie von Dyslalien – 27 1.4.1 Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung von Sinnesreizen – 27 1.4.2 Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane – 29 1.4.3 Erbanlagen und Einflüsse des familiären Umfelds – 30 1.5 Einteilung der Dyslalien – 32 1.5.1 Phonetische und phonologische Störungen – 32 1.5.2 Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit – 32

Theoretische Grundlagen - bücher.de · Dyslalie bezeichnet die eingeschränkte Fähigkeit, Laute oder Lautgruppen einer Standardsprache altersgemäß zu erwerben oder anzuwenden

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    Theoretische Grundlagen

    1.1 Defi nition – 2

    1.2 Physiologische Lautbildung und -verwendung – 21.2.1 Lautbetrachtung unter phonetischen Kriterien – 2

    1.2.2 Lautbetrachtung unter phonologischen Kriterien – 7

    1.2.3 Spracherwerbstheorien zur phonetisch-phonologischen

    Entwicklung – 9

    1.2.4 Physiologischer Lautspracherwerb – 11

    1.3 Pathologische Lautbildung und -verwendung – 221.3.1 Phonetische Störungen – 23

    1.3.2 P honologische Störungen – 24

    1.3.3 D yspraktische Störungen – 26

    1.4 Ätiologie von Dyslalien – 271.4.1 Beeinträchtigungen der Aufnahme und Verarbeitung

    von Sinnesreizen – 27

    1.4.2 Bewegungsstörungen der Artikulationsorgane – 29

    1.4.3 Erbanlagen und Einfl üsse des familiären Umfelds – 30

    1.5 Einteilung der Dyslalien – 321.5.1 Phonetische und phonologische Störungen – 32

    1.5.2 Anzahl der fehlgebildeten Laute und Verständlichkeit – 32

  • 2 Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen

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    1.1 Defi nition

    Der Begriff Dyslalie wird nicht einheitlich ver-wendet. Im Folgenden wird diese Problematik skizziert und eine Definition vorgestellt, die den phonetischen und phonologischen Aspekt des Störungsbildes berücksichtigt.

    Das Wissen um die p hysiologischen Zusammenhän-ge, die die Artikulation betreĀ en, erleichtert das Ver-ständnis und Analysieren von auft retenden Dyslalien. Schon die Auseinandersetzung mit dem BegriĀ Dysla-lie macht die Komplexität dieses Störungsbildes deut-lich.

    Dyslalie k ommt aus dem G riechischen und s etzt sich zusammen aus der Vorsilbe »dys« und dem Wort »lalein«. Dys meint immer eine Ein schränkung einer Fähigkeit, während lalein mit sprechen übersetzt wer-den kann. Dyslalie steht somit im Sinne seiner eigent-lichen B edeutung f ür eine ein geschränkte S prech- /Artikulationsfähigkeit. D amit ist ur sprünglich gemeint, dass b estimmte Laute motorisch nicht rich-tig gebildet werden können. Im L aufe der Z eit wur-de der BegriĀ Dyslalie jedoch als OberbegriĀ für ver-schiedene Arten von artikulatorischen AuĀ älligkeiten verwendet. Gleichzei tig exist ieren vielfä ltige a ndere BegriĀ e (Stammeln, Aussprachestörung, phonetisch-phonologische S törung, Ar tikulationsstörung), die zwar je nac h Ansatz unterschiedlich defi niert, häufi g jedoch t rotzdem syno nym f ür das g leiche S törungs-bild verwendet werden (Stiller 1994).

    Grundsätzlich k önnen zwei Arten lautlicher Ein-schränkungen un terschieden w erden. S o ist es mög-lich, dass ein K ind b estimmte L aute a ufgrund v on artikulationsmotorischen Schwierigkeiten nicht r ich-tig bildet. Es kann also den Laut phonetisch nicht rea-lisieren (Lautbildungsstörung), das Sprechen ist beein-trächtigt. Ander e K inder k önnen L aute zwa r r ichtig bilden, setzen diese aber im Wort nicht korrekt ein. Sie haben Schwierigkeiten, die L aute gemäß den sp rach-systematischen phonologischen Regeln r ichtig anzu-wenden ( Lautverwendungsstörung). H ierbei ha ndelt es sich um s prachliche S chwierigkeiten, die a uch als phonologische Störungen bezeichnet werden.

    Obwohl die phonologischen Störungen mi tt ler-weile v on den D yslalien in ihr er ur sprünglichen Bedeutung a bgekoppelt w erden (B öhme 200 3), wird im Folgenden der B egriĀ Dyslalie als Oberbegriff f ür beide S törungsaspekte v erwendet. Nach Möglichkeit wird zwis chen Lautbildung (st ellvertretend f ür die sprechmotorische F ertigkeit) und Lautverwendung

    (stellvertretend f ür die r egelhaft e An wendung der Laute) unterschieden.

    ! BeachteDyslalie bezeichnet die eingeschränkte Fähigkeit, Laute oder Lautgruppen einer Standardsprache altersgemäß zu erwerben oder anzuwenden.

    Prinzipiell kommen beide beschriebenen Phänomene auch in der no rmalen S prachentwicklung v or. Erst wenn sie außerhalb der Altersnorm auft reten, spricht man von einer Dyslalie. Manchmal werden artikulato-rische Fehlleistungen, die normgerecht im Kindesalter auft reten, auch (nicht ganz korrekt) als physiologische Dyslalie bezeichnet.

    Zusammenfassung

    Bei Dyslalien können zwei Arten lautlicher Ein-schränkungen unterschieden werden:4 Phonetischer Aspekt: Die motorische Fertig-

    keit, einen Laut zu artikulieren, ist nicht gege-ben. Es handelt sich um eine Lautbildungs- und damit Sprechstörung.

    4 Phonologischer Aspekt: Die Fähigkeit, einen artikulatorisch richtig gebildeten Laut korrekt im Wort anzuwenden, ist eingeschränkt. Es handelt sich um eine Lautverwendungs- und damit Sprachstörung.

    1.2 Ph ysiologische Lautbildung und -verwendung

    Die Laute der deutschen Sprache werden unter phonetischen und phonologischen Gesichts-punkten beschrieben. Es wird dargestellt, wie sich die physiologische Lautentwicklung beim Kind vollzieht und welche Voraussetzungen dafür nötig sind.

    1.2.1 Lautbetr achtung unter phonetischen Kriterien

    Phonetische U ntersuchungen b eschäft igen sich mi t den p hysiologischen G egebenheiten b ei der Lautbil-dung. M an a nalysiert a nhand f olgender F ragestel-lungen:

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    4 Artikulatorische Phonetik: Wie werden die Laute artikulationsmotorisch gebildet?

    4 Akustische Phonetik: Welche physikalischen Eigenschaft en weisen sie auf?

    4 Auditive Phonetik: Wie funktioniert die Aufnah-me und Weiterleitung der lautlichen Reize?

    ! BeachteGegenstand ist immer der Einzellaut in seiner materi-ellen Beschaff enheit, das sog. Phon.

    Phone werden üblicherweise in eckigen Klammern [ ] notiert, dies b ezeichnet die k onkrete lautliche Äuße-rung. D a es im log opädisch-therapeutischen All tag immer um die Arb eit mi t r ealen kindlic hen Ä uße-rungen geht, wird im F olgenden hauptsächlich diese Schreibweise verwendet (7 Kap. 1.2.2).

    Natürlich tr eten einzelne L aute im no rmalen Gespräch nicht isoliert auf. Das Sprechen besteht viel-mehr aus einer kontinuierlichen Abfolge von Einzellau-ten, die sich in ihren Artikulationsbewegungen gegen-seitig beeinfl ussen. Man spricht von Koartikulation oder auch assimilatorischen Vorgängen. S omit wir d j edes Phon abhängig von seiner lautlichen Umgebung immer etwas anders ausgesprochen werden. Bei [z] in »Sonne« werden beispiel sweise die Lippen schon leicht gerundet sein, während sie bei »Sieb« eher breit gezogen sind. Eine schematische Einteilung gesprochener Sprache wie sie im Folgenden vorgestellt wird, ist also immer schwie-rig. De shalb gi bt jed e U nterteilung di e ta tsächliche Lautrealisation nur annähernd wieder.

    Bei der B etrachtung der v erschiedenen im D eut-schen existierenden Laute unterscheidet man zunächst Vokale und Konsonanten.

    Einteilung der VokaleDie Vokale sind v on F ehlbildungen w eniger hä ufi g betroĀ en als K onsonanten. I n der Th era pie jedoch spielen sie als K oartikulatoren eine nic ht zu un ter-schätzende Rolle.

    ! BeachteBei der physiologischen Bildung der im Deutschen verwendeten Vokale kann der Luftstrom ohne Hin-dernis den Mundraum passieren, der Nasen-Rachen-Raum wird durch das Velum weitgehend abgeschlos-sen.

    Vokale sind immer stimmhaft . Sie erhalten ihren cha-rakteristischen Klang durch die L age der Z unge und die S tellung v on L ippen und K iefer. Dies e K riterien sind in . Übersicht 1.1 dargestellt.

    VokalviereckDas in . Abb. 1.1 dargestelle Vokalviereck verdeutli-cht nochmals die oben genannten Para meter. So kön-nen die einzelnen V okale b ezüglich ihr es B ildungs-ortes und der Stellung der Zunge zugeordnet werden. Der Vollständigkeit halber sind auch die Diphthonge aufgeführt.

    Die Vokale sind phonetisch transkribiert. . Tabel-le 1.1 v erdeutlicht der en A ussprache. I m F olgenden werden die Vokale entsprechend der hier da rgestell-ten Transkription notiert. Auf eine zusätzliche Kenn-zeichnung der Vokal länge (außer bei [a:]/[a] und [ɛ:]/[ɛ]) wird verzichtet.

    Einteilung der KonsonantenIm Gegensatz zur Bildung der Vokale ist die Bildung der Konsonanten dadurch gekennzeichnet, dass bei ihrer Produktion eine Verengung oder ein Verschluss im Ansatzrohr den L uftstrom hemmt. Der Phonati-onsstrom m uss a usreichend krä ftig s ein, da mit er die g ebildete En ge p assieren o der den V erschluss sprengen ka nn. Eine p hysiologische Z werchfell-spannung ermöglicht die kontrollierte und dosierte Luftführung. Das Zwerchfell wird (nicht nur bei der Artikulation!) gezielt aktiviert (. Abb. 1.2).

    Für die exak te Realisation des L autmus ters wird außerdem eine p hysiologische o rale M uskelfunkti-

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

    . Übersicht 1.1. Hauptordnungskriterien für Vokale

    Rundungsgrad der Lippen4 gerundet wie in »rot«,4 ungerundet wie in »Katze«.

    Öffnungsgrad des Kiefers4 geschlossen wie in »schief«,4 offen wie in »Katze«,4 mehrere Zwischenwerte.

    Zungenhöhe4 hoch wie in »schief«,4 tief wie in »Schaf«,4 mehrere Zwischenwerte.

    Zungenhebung bezogen auf die horizontale Artikulationsstelle der Zunge4 vorne wie in »See« (Vorderzungenvokale),4 zentral wie in »Ball« (Mittelzungenvokale),4 hinten wie in »Huf« (Hinterzungenvokale).

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    on b enötigt. A uf eine det aillierte B eschreibung der am Artikulationsvorgang beteiligten Muskelgruppen wird hier nic ht näher ein gegangen (s. Fis cher-Voos-holz u. Spenthof 2002).

    Die Beschreibung der Konsonanten erfolgt in der Regel anhand folgender Kriterien:4 Artikulationsstelle (Ort der lautbildenden

    Hemmstelle),4 artikulierendes Organ (hemmstellenerzeugendes

    Organ),4 Artikulationsmodus (Art der Hemmstellenbil-

    dung),4 Überwindungsmodus (Art der Überwindung der

    Hemmstelle),4 S timmlosigkeit/Stimmhaft igkeit.

    Artikulationsstelle und a rtikulierendes Or gan b ilden dabei den Artikulationsort, Ar tikulationsmodus und Überwindungsmodus kennzeichnen die Artikulations-art.

    . Tabelle 1.2 erleichert das Verständnis der phone-tischen Transkription für die Konsonanten des Deut-schen. Aufgeführt werden gängige Phoneme mit ihren allophonischen Varianten (7 Kap. 1.2.2).

    . Abb. 1.1. a Vokalviereck, b Diphthonge. (Ergänzt nach einer Vorlage von Pompino-Marschall 1995, S 254, Abb. 111)

    . Tabelle 1.1. Aussprache deutscher Vokale

    [i] → Igel[ɪ] → bitte[e] → Tee[ɛ] → Bett[ɛ:] → zählen

    [y] → hüten[ʏ] → Hütte[ø] → schön[œ] → Hölle

    [u] → Schule[ʊ] → Butter[o] → Ofen[ɔ] → Schloss

    [a:] → Vase[a] → Fall[ə] → Glocke

    [aɪ] → frei [ɔɪ] → Eule [aʊ] → Haus

    . Abb. 1.2. Zwerchfellbeherrschung ist alles. (Aus Watterson 1995b; CALVIN AND HOBBES (©))

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    ArtikulationsartBei den K onsonanten unterscheidet man, ob die zu deren Bildung erzeugten Hemmstellen den Luft strom völlig unterbrechen oder nur behindern. Außerdem wird b erücksichtigt, in w elcher F orm der Pho na-tionsstrom das H indernis üb erwindet (z. B. d urch Reibung o der S prengung). Die K onsonanten lass en sich dadurch in v erschiedene Lautgruppen einteilen (. Übersicht 1.2). Die N asale nehmen eine g ewisse Sonderstellung innerhalb der K on sonanten ein. S ie sind die einzig e Konsonantengruppe, b ei deren Bil-dung die Luft nicht durch den Mund sondern durch die Nase entweicht.

    ! BeachteDie Einteilung nach der Artikulationsart orientiert sich daran, wie der Luftstrom an den gebildeten Hinder-nissen vorbeigleitet.

    . Tabelle 1.2. Aussprache deutscher Konsonanten

    [p] → Pass[b] → Biene

    [t] → Tasse[d] → Dieb

    [k] → Kamel[g] → Gast

    [m] → Mann [n] → Nase [ŋ] → Engel

    [f] → Fell[v] → Wald

    [s] → Wasser[z] → Sonne[ ∫ ] → Schal[ç] → stechen[j] → ja

    [x] → suchen[χ] → Dach[ʁ] → Ruhe (norddeutsch)[h] → Hammer

    [l] → Los

    [r] → raus(Zungen-spitzen-R)

    [ʀ] → raus(Rachen-R)

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

    . Übersicht 1.2. Artikulationsarten von Konsonanten*

    4 Plosive (Verschlusslaute, Explosivlaute) Ein vollständiger oraler Verschluss staut den Pho-

    nationsstrom, bevor die Luft plötzlich freigegeben

    wird (Sprengung des Hindernisses). Der Luftstrom

    entweicht durch den Mund. Man unterscheidet

    stimmhafte (Lenes) und stimmlose (Fortes) Plosive.

    Stimmlose Plosive: [p], [t], [k]

    Stimmhafte Plosive: [b], [d], [g]

    4 Nasale Wie bei den Plosiven erfolgt ein totaler oraler Ver-

    schluss, gleichzeitig ist das Velum jedoch gesenkt.

    Die Luft entweicht durch die Nase und erzeugt

    damit eine nasale Resonanz.

    [m], [n], [ŋ]4 Frikative (Reibelaute, Engelaute) Der Phonationsstrom durchstreicht geräuschhaft

    eine schmale Enge. Die Luft entweicht oral. Auch

    hier unterscheidet man stimmhafte und stimmlose

    Frikative (Lenes/Fortes).

    Stimmlose Frikative: [f], [s], [ ∫ ], [ç], [x], [χ], [h] Stimmhafte Frikative: [v], [z], [j], [ʁ]4 Lateral Die zentrale Zone des vorderen Mundraumes wird

    verschlossen. Bei gleichzeitiger Erzeugung einer

    Enge entweicht die Luft an den beiden Seiten der

    Zunge. Der Nasenraum ist abgeschlossen.

    [l]

    4 Vibranten (Schwingelaute) Der Phonationsstrom wird durch einen inter-

    mittierenden Verschluss unterbrochen. Die Luft

    entweicht durch den Mund.

    [r], [ʀ]4 Affrikaten (Verschluss-Engelaute) Dieser Doppellaut ist aus einem Plosiv und

    einem Frikativ benachbarter Artikulationsstel-

    len zusammengesetzt. Ein zunächst gebildeter

    Verschluss geht in eine Engebildung über. Die

    Luft wird kurzzeitig gestaut und entweicht dann

    geräuschhaft durch den Mund.

    [pf], [ts], [t ∫ ]

    * Der Einfachheit halber werden im restlichen Buch nur folgende Laute verwendet:

    – Statt der Unterscheidung zwischen [x] und [χ] wird, wie oft üblich, bei Hinterzungenvokalen ausschließ-lich das [x] notiert.

    – Der Frikativ [ʁ] und das [r] werden im Text nicht mehr explizit unterschieden. Beide Laute können regional bedingt an die Stelle des geschriebenen [ʀ] treten.

    – Die Schreibweise des Phonems [j] als Frikativ wird beibehalten, obwohl sie nicht ganz korrekt ist (ei-gentlich [ʝ]). Häufig wird sie in der Literatur jedoch so verwendet.

  • 6 Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen

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    Manchmal w erden die L aterale und V ibranten a uch unter dem Ausdruck Liquidae zusammengefasst.

    Nasale und Liquidae bilden die Gruppe der Sono-ranten (k langbildende L aute), Plosi ve, Frikative und AĀ rikaten werden als Obs tru enten (geräuschbildende Laute) bezeichnet.

    ArtikulationsortIm G egensatz zur K onsonanteneinteilung nac h Ar ti-kulationsart wird der Mundraum hier in v erschiedene Bereiche unterteilt, die einzelnen Konsonanten werden diesen Bereichen zugeordnet.

    ! BeachteDer Artikulationsort beschreibt, an welcher Stelle der Luftstrom die erzeugte Enge oder den Verschluss pas-siert und welches Artikulationsorgan das Hindernis verursacht.

    Zur Verdeutlichung der v erwendeten Termini veran-schaulicht . Abb. 1.3 die Ein teilung des M undraums und die U nterteilung der Z unge als wic htigstes Arti-kulationsorgan.

    Mit Hilfe dies er Unterteilung ist es mög lich, die Konsonanten des D eutschen nac h Artikulationsor-ten zu k lassifi zieren. . Übersicht 1.3 gib t dies e K las-sifi kation wieder. Die Orientierung hierfür erfolgt am »International Phonetic Alphabet« IPA (7 Kap. 7.6).

    Artikulationszonen. Im logopädischen All tag hat sich eine Ein teilung der K onsonanten in s og. Ar tikulati-

    . Abb. 1.3. Artikulationsbereiche und -organe des Mundraums

    . Übersicht 1.3. Artikulationsorte von Konsonanten

    4 Bilabiale Der Laut entsteht durch den Kontakt von

    Ober- und Unterlippe. [p], [b], [m]

    4 Labiodentale Bei der Lautbildung legt sich die Unterlippe

    an die oberen Schneidezähne an.

    [f], [v]

    4 Alveolare1 Die Zungenspitze artikuliert gegen den obe-

    ren Alveolardamm.

    [t], [d], [n], [l], [r], [s]/[z]2

    4 Postalveolare/Präpalatale Der vordere Teil der Zunge artikuliert ge

    gen den vorderen Teil des harten Gamens.

    [ ∫ ]4 Palatale Der mittlere Teil der Zunge artikuliert gegen

    den harten Gaumen.

    [ç], [j]

    4 Velare Der hintere Teil der Zunge artikuliert gegen

    den weichen3 Gaumen.

    [k], [g], [ŋ], [x]4 Uvulare Das Zäpfchen vibriert.

    [ʀ]4 Laryngeale/Pharyngeale/Glottale Die Bildung des Lautes erfolgt im

    Rachen-/Kehlkopfbereich.

    [h]

    1 In manchen Grammatiken werden das [t], [d], [n], [l] und [r] als Dentale bezeichnet

    2 Beim dorsalen [s]/[z] nähert sich die Zungen-mitte dem oberen Alveolardamm, während die Zungenspitze an den unteren Schneidezähnen liegt.

    3 Nicht immer kann man alle Laute exakt einem Artikulationsort zuordnen. Das [k] wird z. B. je nach Koartikulator eher palatal (z. B. bei [e] und [i]) oder eher velar (z. B. bei [a] und [u]) artikuliert. In der Regel wird es aber als Velar bezeichnet.

    onszonen b ewährt (. Übersicht 1.4). Die Z uordnung der Konsonanten erfolgt dabei nach praxisorientierten Kriterien (Stiller u.Tockuss 2001).

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    i TippLiteraturempfehlung4 Pompino-Marschall B (1995) Einführung in die

    Phonetik. Walter de Gruyter, Berlin New York4 Valaczkai L (1998) Atlas deutscher Sprachlaute.

    Instrumentalphonetische Untersuchung der Rea-lisierung deutscher Phoneme als Sprechlaute. Edition Praesens, Wien

    4 Gadler H (2006) Praktische Linguistik, 4. Aufl . Francke, Tübingen

    4 Grassegger H (2006) Phonetik Phonologie, 3. Aufl . Schulz Kirchner, Idstein

    Zusammenfassung

    4 Phonetische Kriterien für die Laut einteilung sind artikulatorischer, akustischer oder audi-tiver Art.

    4 Analysiert wird das Phon, der konkret geäu-ßerte Laut, das in eckigen Klammern [ ] notiert wird.

    4 Man unterscheidet Vokale und Konso-nanten, die Konsonanten lassen sich noch-mals nach Artikulationsart und -ort einteilen.

    4 Die einzelnen Laute werden in phonetischer Transkription festgehalten.

    1.2.2 Lautbetr achtung unter phonologischen Kriterien

    Die phonologische Sichtweise verdeutlicht die F unk-tion v on L auten im S prachsystem. L aute w erden bezüglich ihr er unterscheidenden Eigenschaften und Kombinationsmöglich keiten a nalysiert. D amit w er-den die Regeln der Lautverwendung ersichtlich (Jahn 2007).

    PhonemeWährend sic h p honetische Untersuchungen mi t k on-kret wahr nehmbaren L auten, den Pho nen b eschäft i-gen, geht es n un um abstrakte Laut einheiten, die Pho-neme. Dazu wird analysiert, welche Laute bedeutungs-unterscheidend wirk en. Dies e bedeutungsunterschei-dende Funktion lässt sic h mit Hilfe von Minimalpaa-ren herausstellen. Ein Minimalpaar besteht aus einem Wortpaar, das n ur in einem k leinsten la utlichen E le-ment diĀ eriert (z. B. Saal – Schal). Durch dieses Element verändert sich jedoch die Bedeutung des Wortes grund-legend, die beiden Laute [z] und [ ∫ ] stehen in Opposi-tion zueinander. Laute, die eine dera rt bedeutungsun-terscheidende Funktion besitzen, werden als Phoneme bezeichnet. Pho neme w erden, im G egensatz zu Pho-nen, in / / notiert, auch hier bedient man sich der pho-netischen Transkription (7 Kap. 7.6).

    ! BeachteEin Phonem ist die kleinste bedeutungsunterschei-dende Einheit der Sprache.

    > Exkurs Es gibt Laute, die nicht als Phoneme bezeichnet

    werden, sondern allophonische Varianten eines bestimmten Phonems darstellen.

    So stehen die Laute [ç] und [x] nicht in Opposition zueinander, da [ç] prinzipiell nur nach Vorderzungen-vokalen, im Wort-und Silbenanlaut und nach Konso-nanten, [x] hingegen nur nach Hinterzungenvokalen gesprochen wird. Hier handelt es sich um Allophone des Phonems /x/.

    Auch [r] und [ʀ] gelten nicht als Phoneme, da sie nicht bedeutungsunterscheidend wirken. Es handelt sich um regionale Aussprachebesonderheiten, man spricht von den Allophonen vom Phonem /r/.

    Betrachtet man Phoneme genauer, erkennt man, dass sie aus verschiedenen distinktiven (unterscheidenden) Merkmalen bestehen.

    Distinktive MerkmaleDas Analysieren der einzelnen Pho neme ermöglicht, deren w esentliche ak ustische od er a rtikulatorische Merkmale zu erkennen. Diese Merkmale sind für die bedeutungsunterscheidende F unktion des Pho nems verantwortlich. S ie w erden meist in s og. M erkmals-matrizen dargestellt, wobei es auch hier keine einheit-liche Klassifi zierung gibt. Die Zusammenstellung der Merkmale wir d heu te in der Reg el a n die er forder-lichen Bedürfnisse angepasst.

    . Übersicht 1.5 v eranschaulicht wic htige distink-tive Merkmale für den logopädischen Alltag. Als Bei-

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

    . Übersicht1.4. Artikulationszonen von Konsonanten

    4 Vordere Artikulationszone: Bilabiale, Labiodentale.

    4 Mittlere Artikulationszone: Alveolare, Postalveolare.

    4 Hintere Artikulationszone: Palatale, Velare, Uvulare, Laryngeale.

  • 8 Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen

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    spiele werden Konsonanten gewählt (s. a uch . Über-sicht 1.2 und 1.3).

    Bei jedem Pho nem gilt, dass das je weilige Merk-mal en tweder v orhanden [+] o der nic ht v orhanden [– ] ist. S o lass en sic h einzelne Pho neme b ezüglich ihrer distinktiven Merkmale unterscheiden.

    > Beispiel Tasse und Tasche unterscheiden sich nur durch die

    Phoneme /s/ und / ∫ /. Die Merkmale der Phoneme las-sen sich wie folgt defi nieren:

    /s/: [+anterior], [+koronal], [–hoch], [+konsonantisch],

    [+dauernd], [+frikativ], [–nasal], [–lateral], [–stimmhaft], [–sonorant].

    / ∫ /: [–anterior], [+koronal], [+hoch], [+konsonantisch],

    [+dauernd], [+frikativ], [–nasal], [–lateral], [–stimmhaft], [–sonorant].

    Diese Phoneme unterscheiden sich also lediglich in den Merkmalen anterior (Artikulationsort) und hoch (Zungenhöhe).

    ProsodieDie phonologische Sichtweise beschäft igt sich nicht nur mit dem einzelnen Pho nem und s einen distinktiven Merkmalen. Vielmehr betrachtet sie auch, wie Phone-me zu Silben, Silben zu Wörtern und Wörter zu Sätzen verbunden w erden und w elche sp rachrhythmischen und prosodischen Besonderheiten diesen Kombinati-onen zu Grunde liegen.

    ! Beachte Sprachrhythmus bedeutet, dass sich betonte und unbetonte Elemente der Sprache regelmäßig abwechseln.

    Der Betonungswechsel kann s owohl innerha lb eines Wortes als auch wortübergreifend stattfi nden.

    PhonotaktikDie P honotaktik be schreibt di e Regeln, nach denen Phoneme zu Wörtern verbunden werden. Der Wortauf-bau b ezüglich Pho nemabfolge und Silbenstrukturen unterliegt da bei b estimmten G esetzmäßigkeiten. I m Deutschen trifft man zum Beispiel auf folgende Silben-strukturen:5 Konsonant-Vokal-Folgen (KV), zum Beispiel [da:],5 K onsonant-Vokal-Konsonant-Folgen (KVK),

    zum Beispiel [fɪ∫],5 KKVK-Folgen, zum Beispiel [blat].

    In den g ewählten B eispielen b ildet j ede Pho nemab-folge eine Silbe und g leichzeitig ein Wort. Aber auch bei Wörtern, die aus mehreren Silben bestehen, lassen sich b ei jeder einzelnen S ilbe b estimmte S trukturen erkennen:5 Der Silbenkern ( Nucleus) besteht in der Regel aus

    einem Vokal oder Diphthong.4 Vor dem Silbenkern können bis zu 3 Konso-

    nanten stehen, sie bilden den Silbenbeginn ( Onset). Eine Silbe kann auch mit Vokal begin-nen. In diesem Fall entsteht vor dem Vokal ein »Kehlkopft on« [?], der als Silbenbeginn zählt.

    4 Das Silbenende ( Coda) kann aus einer Konsonan-tenabfolge nach dem Silbenkern bestehen. In die-sem Fall handelt es sich um eine geschlossene Silbe. Endet die Silbe mit dem Silbenkern und damit ohne Konsonant, so spricht man von einer oĀ enen Silbe.

    Innerhalb einer Silbe lässt sich eine bestimmte »Klan-gabfolge« feststellen ( Sonorität): die Silbe beginnt mit Phonemen, die wenig Klang besitzen, der Klanganteil steigert sich bis zum Vokal oder Diphthong im Silben-kern und nimmt zum Silbenende wieder ab.

    . Übersicht 1.5. Distinktive Merkmale von Phonemen

    Artikulationsort und -organ4 anterior (vorne im Mundraum):

    Bilabiale, Labiodentale, Alveolare,

    4 koronal (Anhebung der Zungenspitze): Alveolare, Präpalatale,

    4 hoch (hohe/r Zungenmitte und -rücken): Präpalatale, Palatale, Velare.

    Artikulationsart4 konsonantisch: alle Konsonanten,4 dauernd (der Luftstrom wird nicht

    blockiert): Frikative, Laterale, Vibranten,

    4 frikativ,4 nasal,4 lateral.

    Stimmhaftigkeit

    Geräusch-oder klangbildend4 sonorant (klangbildend):

    Laterale, Vibranten, Nasale.

  • 19

    Die beschriebenen Gesetzmäßigkeiten spielen bei der Kombination von Silben zu Wörtern sowie deren Betonung ei ne w ichtige R olle. O bwohl es vers chie-dene Wortbetonungen gibt, fi ndet sich im Deutschen der Trochäus als typ isches Betonungsmuster (Penner et al. 2006, Fikkert et al. 1998).

    ! BeachteBeginnt eine rhythmische Abfolge innerhalb eines Wortes mit einer betonten Silbe, an die sich eine unbetonte Silbe anschließt, so spricht man von einem Trochäus.

    Es gibt viele Wörter, die ledig lich aus einem Trochä-us b estehen. H ierbei ha ndelt es sic h um Z weisilber ([ha:zə], [t asə], [ka nə]). Anal ysiert ma n M ehrsil-ber b ezüglich ihr er B etonung g enauer, s o lässt sic h auch hier hä ufi g d as t rochäische B etonungsmuster am W ortende erk ennen ([ba`na:n ə], [∫o ko`la:də], [lɔkɔmo`tivə].

    Weitere Wortstrukturen mit anderen Si lbenbeto-nungen sind (S unbetonte Silbe, `S betonte Silbe):

    S`S [pa`k et]`SSS [`∫m ɛtɐlɪŋ]SS`S [ ɛlɛ`fant]

    IntonationNicht nur innerhalb eines Wortes oder einer Silbe lässt sich Sprache unter rhythmischen Aspekten betrachten. Auch w ortübergreifend wir d die B etonung b edeut-sam, d urch sie lass en sic h sp rachliche Ä ußerungen akzentuieren und g liedern. Der Tonhöhenverlauf gilt dabei als wichtigstes prosodisches Element. Durch ihn kann der Hörer zum B eispiel Aussage- von Fragesät-zen un terscheiden. Aber a uch a ndere Komponenten wie D ynamik (L autstärkeänderungen), S prechtempo und Pausen ermöglichen das S etzen von Wort- oder Satzakzenten.

    i TippLiteraturempfehlung4 Grassegger H (2006) Phonetik Phonologie, 3. Aufl .

    Schulz Kirchner, Idstein4 Vater H (2002) Einführung in die Sprachwissen-

    schaft, 4. Aufl . Fink, München4 Gadler H (2006) Praktische Linguistik, 4. Aufl .

    Francke, Tübingen4 Willi U (2004) Phonetik und Phonologie. In: Linke

    A, Nussbaumer M, Portmann PR Studienbuch Lin-guistik. (Reihe Germanistische Linguistik) 5. Aufl . Niemeyer, Tübingen

    Zusammenfassung

    4 Die phonologische Lautbetrachtung ana-lysiert die Funktion von Lauten im Sprachsy-stem.

    4 Die Beschäftigung mit den distinktiven Merkmalen von Phonemen ermöglicht, deren bedeutungsunterscheidende Funkti-on zu erkennen.

    4 Im Gegensatz zum Phon handelt es sich beim Phonem um eine abstrakte sprachliche Einheit, die in Schrägstrichen / / notiert wird.

    4 Segmentübergreifend beschreibt die Pho-notaktik Kombinationsregeln, nach denen Phoneme zu Wörtern verbunden werden. Auch prosodische Merkmale kommen hier zum Tragen.

    1.2.3 Spracherwerbstheorien zur phonetisch-phonologischen Entwicklung

    Die beschriebenen phonetischen und phonologischen Aspekte der Artikulation werden nun im Hinblick auf den kindlichen Lauterwerb erweitert. Bei der Lautent-wicklung geht es einer seits um den Erwerb der Fähig-keit, die Laute motorisch richtig zu bilden. Z usätzlich muss das Kind aber auch lernen, wann es welche Lau-te einsetzen muss, damit das von ihm gewünschte Wort hörbar wird. Damit muss es sich auch ein Wissen über die sprachsystematische Anwendung der Laute aneignen ( phonologisches Regelsystem). So können kleine Kin-der manche Wörter mit komplexen Lautverbindungen bereits korrekt sprechen, in einem anderen Wort erset-zen sie jedoch dieselben Laute. Es kann auch vorkom-men, dass ein Kind ein Wort, das es schon einmal kor-rekt artikuliert hat, plötzlich wieder lautlich verändert. Nur wenn man beide Aspekte in der kind lichen Laut-entwicklung berücksichtigt, werden diese Phänomene verständlich.

    Die exist ierenden t heoretischen Erk lärungsan-sätze zum L auterwerb b erücksichtigen und g ewich-ten dies e zw ei A spekte in un terschiedlich st arkem Maße. Die einzelnen Th eorien orientieren sich da bei an un terschiedlichen F aktoren (z. B. ler ntheoretisch oder k ognitiv a usgerichtet). D amit w erden die v er-schiedenen Sich tweisen der Erk lärungsansätze deu t-lich (Romonath 1991).

    Heute g eht ma n da von a us, dass der Lauterwerb linguistisch-kognitiv geprägt ist und nach bestimmten

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

  • 10 Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen

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    strukturellen Gesetzmäßigkeiten abläuft. D amit st eht der Er werb des p honologischen Wissens im Vorder-grund. Vertreter kog nitivistischer und in teraktionis-tischer Erk lärungsansätze heb en die B edeutung des Spracherwerbs als ak tiven L ernprozess her vor und weisen auf den Einfl uss individueller Fähigkeiten des Kindes hin. So werden auch die motorisch-artikulato-rischen Möglichkeiten in der Entwicklung mitberück-sichtigt.

    ! BeachteBisher gibt es keine Lauterwerbstheorie, die allen Komponenten der phonetisch-phonologischen Ent-wicklung vollständig gerecht wird und diese hinrei-chend erklärt.

    > Exkurs Jakobson als einer der ersten Vertreter universa-

    listischer Ansätze hat 1969 eine umfassende Theo-rie über den kindlichen Lauterwerb aufgestellt. Sie ist heute zwar zum Teil widerlegt, dient aber trotzdem immer noch als Grundlage für Forschungen in diesem Bereich. Jakobson geht dabei von folgenden Grund-gedanken aus:4 Im Anschluss an die als vorsprachlich bezeich-

    nete Lallperiode erwirbt das Kind die Laute stu-fenartig, wobei die einzelnen Stufen gesetzmä-ßig und weltweit allgemeingültig aufeinander auf-bauen (»Schichtenbau des Sprachlautsystems«, Jakobson 1969, S 59).

    4 Der Aufbau der Stufen unterliegt allgemeinen »Fundierungsgesetzen«: Jeder neu zu erler-nende Laut erfordert als Grundlage den Erwerb der Laute aus der darunter liegenden Entwick-lungsstufe.

    4 Die Stufenfolge des Phonemsystems richtet sich nach dem »Grundsatz des maximalen Kon-trastes und schreitet vom Einfachen und Unge-gliederten zum Abgestuften und Diff erenzierten« (Jakobson 1969, S 93). Damit geht es nicht um die Aneignung einzelner Laute, sondern um den Erwerb von lautlichen Oppositionen, die spä-ter als distinktive Merkmale bedeutsam werden (7 Kap. 1.2.2).

    4 Zunächst werden die in allen Sprachen zu fi n-denden Oppositionen erworben (minimaler Konsonantismus/Vokalismus), später werden die sprachspezifi schen Oppositionen erlernt.

    4 Als erstes wird die Opposition konsonantisch – vokalisch ([p]–[a]) erlernt.

    4 Bei den Vokalen erfolgt zunächst die Untertei-lung in breit–eng ([a]–[i]), später treten Zwischen-laute auf.

    4 Innerhalb der Konsonanten erfolgt die Unter-scheidung in nasal–oral ([m]–[p]), später in bilabi-al–alveolar ([m]–[n]).

    4 Bei den Konsonanten gilt weiterhin, dass Plosive vor Frikativen sowie vordere Konsonanten (Bilabi-ale, Labiodentale und Alveolare) vor hinteren Kon-sonanten erworben werden. Außerdem setzt der Erwerb der Aff rikaten den entsprechenden Frikativ voraus.

    Kritisch an Jakobsons Thesen ist, dass nicht alle beo-bachteten Kinder die Laute genau in dieser Abfol-ge erlernen und dass keine Unterscheidung hinsich-lich der Lautposition im Wort getroff en wurde. Außer-dem hat Jakobson keine Aussagen über die Entwick-lung von Mehrfachkonsonanzen gemacht. Trotzdem haben sich viele seiner Annahmen bestätigt und sind vor allem für den Bereich der phonologischen Ent-wicklung relevant (7 Kap. 1.2.4).

    . Übersicht 1.6 st ellt a bschließend die G esetzmäßig-keiten im kindlic hen Spracherwerb dar, die heu te als relativ gesichert gelten.

    . Übersicht1.6. Regeln in der Sprachentwicklung

    4 Für den Erwerb der einzelnen Lautgruppen gilt folgende Reihenfolge: Vokale → Plosive → Nasale → Frikative → Affrikaten.

    4 Kinder erlernen zuerst Laute, die vorne im Mundraum gebildet werden, es folgen hin-

    tere Laute (»von vorne nach hinten«).

    4 Einzelkonsonanten werden vor Mehrfach-konsonanzen beherrscht.

    4 Die Kinder erwerben zunächst die unter-schiedlichen Artikulationsarten, bevor sie

    sich die Artikulationsorte der Konsonanten

    aneignen.

    4 Es gilt die Annahme, dass Frikative zuerst wortfinal, Plosive zuerst wortinitial vom Kind

    gelernt werden.

  • 111

    Zusammenfassung

    4 Z ur phonetisch-phonologischen Entwick-lung existieren unterschiedliche Spracher-werbstheorien, wobei keine dieser Theorien den Lauterwerb hinreichend erklärt.

    4 Als relativ gesichert gilt heute, dass der Laut-erwerb nach bestimmten strukturellen Gesetzmäßigkeiten abläuft und den Erwerb des sprachsystematischen phonologischen Regelwissens beinhaltet.

    4 Jakobson hat diesbezüglich erstewesentliche Erkenntnisse geliefert, indem er vom Erwerb lautlicher Oppositionen aus-geht. Das Kind lernt so die ersten distinktiven Merkmale von Phonemen.

    1.2.4 Ph ysiologischer Lautspracherwerb

    Im F olgenden wir d die kindlic he L autentwicklung konkretisiert. Dies e b einhaltet exp ressive F ähig-keiten des K indes wie a uch die En twicklung r ezep-tiver und k ognitiv-klassifi katorischer Leistungen. Bei der Sprachproduktion werden phonetisch-artikulato-rische und p honologisch-sprachsystematische Fähig-keiten beschrieben. Auch wenn die genannten Teilbe-reiche getrennt aufgeführt werden, hängen sie na tür-lich eng zusammen und bedingen sich gegenseitig.

    SprachverarbeitungVerschiedene Sprachverarbeitungsmodelle skizzier en die B eziehungen zwischen rezeptiven und exp ressiven sprachlichen Leistungen und der en mentale Organisa-tionsstrukturen. Für die kindlic he Lautsprachentwick-lung sind jene Modelle relevant, die sich speziell auf den Phonologieerwerb s owie die V erarbeitung p honolo-gischer Merkmale konzentrieren (Jahn 200 7, Fox 200 7, Romonath 1991). Die folgenden Erläuterungen beziehen sich deshalb auf Verarbeitungsmodelle, die Vorgänge bei der Worterkennung sowie der Wortproduktion veran-schaulichen. Problematisch b ei den meisten M odellen ist, dass sie vom erwachsenen Sprecher ausgehen.

    ! BeachteOb die bekannten sprachlichen Organisationsstruk-turen auch beim Kind bestehen, ist nicht eindeutig geklärt. Auch über die Entwicklung der phonetisch-phonologischen Repräsentation existieren keine gesi-cherten Angaben.

    Die einzelnen M odelle a rbeiten mi t un terschied-lichen B ezeichnungen der einzelnen S prachverarbei-tungskomponenten und -eb enen. Im Folgenden wer-den Z usammenhänge da rgestellt, die una bhängig vom Modell gelten. Die B eschreibung orientiert sich an L eistungen, die K indern im V orschulalter mög-lich sind . D as L esen und S chreiben wird deshalb a n dieser Stelle nicht b erücksichtigt. Man unterscheidet grob zwischen Speichervorgängen und I n- und Ou t-put-Prozessen.

    Speicherprozesse. Auf dieser Ebene werden Informa-tionen über Sprache nach unterschiedlichen Kriterien gespeichert. Es handelt sich um eine inner e kognitive Repräsentation des sp rachlichen W issens (v orstell-bar wie v erschiedene k leine L exika). Die inhal tliche Bedeutung eines W ortes (s emantische Rep räsentati-on/semantisches L exikon) wird getrennt von forma-len K riterien (p honologische Repräsentation/phono-logisches Lexikon) abgespeichert. Das phonologische Lexikon enthält Informationen zur Silbenstruktur, zur Betonung und zum Lautbestand eines Wortes. Bei In- und Outputprozessen wird auf die I nformationen in den einzelnen Lexika zugegriĀ en.

    Input-Prozesse. Die a uditiven Stimuli, die v om Hörer aufgenommen w erden, m üssen a nalysiert w erden. Diese Analyse erfolgt in unterschiedlichen Ebenen. In der Regel geht es darum, sprachliche von nicht-sprach-lichen Reizen zu unterscheiden, Laute zu diskriminie-ren und k leinere Einhei ten in W örtern zu erk ennen (z.B. Silben, Anlaute, Reime). Diese vom Hörer wahr-genommenen phonologischen Merkmale sind in v er-schiedenen Input-Lexika enthalten.

    Output-Prozesse. Um ein g ewünschtes Wort zu a rti-kulieren, m üssen die I nformationen a us den einzel-nen Lexika abgerufen und verknüpft werden. Im pho-nologischen Bereich stehen hierfür spezielle Output-Lexika zur Verfügung, die einzelne f ormale Elemente für die Sprachproduktion bereit halten. Das kognitive Wissen wir d in einen k onkreten mo torischen Pla n umgesetzt, der schließlich die motorische Ausführung ermöglicht.

    Die einzelnen Eb enen und L exika sind vielfäl-tig und netza rtig mi teinander v erknüpft . Zusätzlich gibt es Einheiten und Verbindungswege, die während des S prechvorgangs die S peicherung der g eplanten Lautabfolgen er möglichen und die S prachverarbei-tung durch Rückkopplungsmechanismen absichern.

    Je nac h Ar t der Sprachproduktionsleistung (z.B . Nachsprechen, B enennen, b ekanntes/unbekanntes Wortmaterial) ergeben sich unterschiedliche und viel-

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

  • 12 Kapitel 1 · Theoretische Grundlagen

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    fältige M öglichkeiten der S prachverarbeitung. Z wei Verarbeitungswege (. Abb. 1.4) sollen an dieser Stelle kurz skizziert werden, da sie das Verständnis für spezi-elle therapeutische Methoden erleichtern (7 Kap. 4.6 u. Kap. 6.2.3). Im wesentlichen unterscheiden sich die bei-den Sprachverarbeitungsvarianten dadurch, dass ein-mal das semantische Lexikon aktiviert wird, das ande-re Mal nicht.

    Variante 1: Aktivierung des semantischen Lexikons. Die-se Ro ute wir d immer da nn v erfolgt, w enn das K ind BegriĀ e b enennen s oll, die ihm b ereits inhal tlich bekannt sind oder die ihm z.B. visuell vorliegen. Dem aus dem s emantischen L exikon a bgerufenen W ort werden en tsprechende I nformationen a us dem p ho-nologischen Lexikon zugeordnet.

    Variante 2: Keine Aktivierung des semantischen Lexi-kons. Wenn neue o der un bekannte B egriĀ e nachge-sprochen werden sollen, mit denen das Kind inhaltlich nichts assoziieren kann, wird ein phonologisch orien-tierter Verarbeitungsweg gewählt. Dabei wird (so weit möglich) a uf I nformationen in den p honologischen Lexika zugegriĀ en.

    Prinzipiell spielt das Wissen um phonologische Infor-mationen eine b edeutende Ro lle im k orrekten Wor-tabruf und in der korrekten Artikulation.

    ! BeachteUm ein Wort fehlerfrei zu artikulieren, muss (unab-hängig von der Wortbedeutung) der Zugriff auf die phonologischen Merkmale dieses Wortes gelingen.

    Sprachverarbeitung im LupenblickIm F olgenden s oll die S prachverarbeitung näher »unter die L upe« g enommen w erden. D abei gil t es, aus der V ielzahl exist ierender Modelle grundlegende Übereinstimmungen herauszufi ltern. Alle Sprachver-arbeitungsmodelle sind hypothetische Konstrukte und lassen deshalb Raum für vielfältige Überlegungen und Fragestellungen. U m hilf reiche G edanken f ür Dia-gnostik- und Th erapieplanung aufzeigen zu k önnen, wird an dieser Stelle auf zwei ausgewählte Sprachver-arbeitungsmodelle B ezug g enommen. In Anlehnung an das Sprechverarbeitungsmodell von Stackhouse u. Wells (1997) sowie dem Sprachproduktionsmodell von Hewlett (1990) stellt . Abb. 1.5 Zusammenhänge zwi-schen Teilprozessen der Sprachverarbeitung dar. Jedes Kästchen r epräsentiert einen b estimmten V erarbei-tungsmodus, die Pfeile symbolisieren unterschiedliche Verarbeitungswege. Um die Vorgänge leicht verständ-lich zu vermitteln, wird darauf verzichtet, Prozesse in ihrer g esamten K omplexität da rzustellen. V ielmehr soll durch die Vereinfachung im Sinne einer »Sprach-verarbeitung light« ein grundlegendes Verständnis für einzelne S prachverarbeitungsleistungen g eschaĀ en werden. Aus diesen didaktischen Gründen wird eine verkürzte Darstellung bewusst in Kauf genommen.

    i TippIm Bereich neurologischer Störungsbilder wird bei Überlegungen zur Sprachverarbeitung häufi g das Logogen-Modell genutzt (Kotten 1997). Die Sprach-verarbeitungsmodelle, die derzeit in der Therapie von kindlichen Aussprachestörungen als Bezugsmodel-le herangezogen werden, lassen sich gut mit diesem Modell vergleichen.

    Variante 1

    Semantisches Lexikon

    Phonologische Informationen

    Input Output

    Variante 2

    Input OutputPhonologische Informationen

    . Abb. 1.4. Zwei Varianten der Sprachverarbeitung

  • 113

    Vom Hören zum VerstehenEin Kind hört ein Wort. Bis dieser auditive Reiz vom Kind verstanden werden kann, wird er zunäc hst auf unterschiedlichen Eb enen b earbeitet. Z unächst s oll anhand der Abbildung diese Inputverarbeitung näher erläutert werden.

    Phonologisches Erkennen. A uditiv wahr genommene sprachliche Reize werden auf dieser Ebene in kleinere Einheiten zerlegt, es er folgt eine auditive Analyse. J e nach S prachentwicklungsstand des K indes er folgt die Segmentierung in Silben oder auch einzelne Pho-neme. D urch das S egmentieren kann an dies er S tel-le entschieden werden, ob der sp rachliche Input zur eigenen Muttersprache gehört und demen tsprechend weiter verarbeitet wird. Sprachliche Reize, die k einer bekannten Sprache anzugehören scheinen, werden an dieser Stelle von der Weiterverabeitung abgekoppelt.

    Eingangsspeicher. In diesem phonologischen Inputle-xikon sind I nformationen über die Wortform gespei-chert. Das Wissen beinhaltet all die r elevanten Wort-strukturen, die nötig sind, um ein Zielwort von ande-ren Wörtern zu unterscheiden. Das bedeutet, dass das Lexikon nicht die k omplette L autabfolge der W örter enthält, sondern z.B. nur Informationen über wesent-liche Einheiten der Silbe wie Si lbenkern oder Silben-beginn. Auch prosodische Merkmale wie die Wortbe-tonung sind hier abgespeichert.

    ! BeachteBei Aufgaben, die vom Kind verlangen, sich rezeptiv mit der Struktur von Wörtern zu beschäftigen, wird auf das Wissen dieser phonologisch-lexikalischen Repräsentation zugegriff en. Auch das Identifi zieren eines auditiv angebotenen Wortes gelingt nur mithil-fe dieses Speichers.

    Bedeutungsspeicher. Um ein W ort inhal tlich zu v er-stehen, müssen zu diesem Wort semantische Informa-tionen abgespeichert s ein, auf die im V erarbeitungs-prozess zugegriĀ en werden kann. Auch dieses seman-tische Wissen muss sich beim Kind erst entwickeln und diĀ erenziert sich im Laufe der Zeit immer weiter aus.

    Aussprechen eines WortesWenn das Kind nun ein Wort produzieren will, müs-sen Output-Prozesse in Ga ng g esetzt w erden, die im Folgenden verdeutlicht werden sollen.

    Ausgangsspeicher. In diesem phonologischen Output-lexikon sind Merkmale eines Wortes abgespeichert, die speziell für die Wortproduktion genutzt werden. Das phonetisch-phonologische Programm liefert Informa-tionen üb er a rtikulatorische B esonderheiten wie die Bewegungen d er Ar tikulationsorgane o der d ie S tel-lung v on z.B . L ippen o der Z unge. D amit ha ndelt es sich bei dem hier abgespeicherten Wissen um eine Art motorisches Programm.

    1.2 · Physiologische Lautbildung und -verwendung

    BedeutungsspeicherSemantische

    Informationen

    MotorischerProgrammierer

    EingangsspeicherPhonologischeInformationen

    AusgangsspeicherMotorischesProgramm

    PhonologischesErkennen

    Input Output

    MotorischesPlanen

    . Abb. 1.5. Sprachverarbeitung »light«

  • 5

    5.1 Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung – 845.1.1 Aufbau der Beziehung zum Kind – 84

    5.1.2 Ganzheitlicher Ansatz – 85

    5.1.3 T herapieprinzipien – 87

    5.2 Aufbau der Dyslalietherapie – 885.2.1 R ahmenbedingungen – 88

    5.2.2 Wahl des Therapieansatzes – 88

    5.2.3 Arbeit mit den Therapiebausteinen – 91

    5.2.4 Wahl der Übungsform – 92

    5.3 Dyslalie in speziellen Kontexten – 935.3.1 Therapie bei Kindern mit komplexen Störungsbildern – 93

    5.3.2 Therapie bei Erwachsenen – 94

    5.4 In terdisziplinäre Zusammenarbeit – 965.4.1 Untersuchungen durch den Facharzt – 96

    5.4.2 Zusammenarbeit mit anderen Berufsgruppen – 96

    Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

  • 84 Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

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    5.1 Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung

    Die Planung des Therapieaufbaus und Gedanken zur methodischen Umsetzung der gewählten Ziele stehen am Beginn jedes Therapieprozesses. Um eine Therapie möglichst effektiv durchführen zu können, berück-sichtigt die Therapeutin unabhängig vom zu behan-delnden Störungsbild grundsätzliche Leitlinien. Sie werden im Folgenden dargestellt und gelten auch für die Dyslaliebehandlung.

    Wodurch ist eine K ommunikationssituation no rma-lerweise gekennzeichnet? Ganz wesentlich ist zunächst der Wunsch eines o der b eider G esprächspartner(s), sich auszutauschen und die B ereitschaĀ , dem Gegen-über eig ene G edanken mi tzuteilen. Dies es B edürf-nis führt in der Reg el zu einem G espräch. Die S pra-che ist da bei un ser ha uptsächliches K ommunikati-onsmedium. Ein Gespräch wird meist dann als berei-chernd erlebt, wenn es f reiwillig entstehen kann und durch gegenseitiges Interesse geprägt ist. D er Einsatz von Sprache bekommt einen S inn, es wir d k lar, dass man durch Sprache etwas bewirken kann.

    Diese g rundlegenden K ommunikationsprin-zipien b ilden den A usganspunkt f ür die t herapeu-tischen Interventionen. Es gilt, in der Th era pie Kom-munikation und Sprache unabhängig vom Störungs-schwerpunkt in teressant und b ereichernd f ür das Kind a nzubieten. D as K ind s oll Lust am Sprechen und der Sprache entwickeln können. Die Th era peu-tin gestaltet die Th erapie so, dass das Kind zum Spre-chen motiviert wird. Nur so kann sie erreichen, dass das Kind bereit ist, neue Sprech- oder Sprachmuster auszuprobieren.

    ! Beachte Die Motivierung des Kindes ist der Motor für eine

    erfolgreiche zielgerichtete Behandlung und somit wichtigstes Therapieprinzip (7 Kap. 6.1.1).

    Um die Motivation des Kindes kontinuierlich gewähr-leisten zu können, berücksichtigt die Th era peutin die individuellen kindlic hen B edürfnisse. D abei ha ben sich bestimmte methodische Vorgehensweisen in der Praxis bewährt.

    5.1.1 Aufbau der Beziehung zum Kind

    Die Th erapeutin wird in der Behandlung eine wich-tige Bezugsperson für das Kind. Zu ihr kommt es mit seinen phonetisch-phonologischen Schwierigkeiten. Regelmäßig w ird es zwar von i hr mit neuen Aufga-ben g efordert, er fährt ab er g leichzeitig a uch k onti-nuierliche H ilfe. D urch d ie Th erapeutin er hält d as Kind die Möglichkeit, seine Lautfehlbildungen oder Lautverwendungsfehler a bzubauen u nd s eine kom-munikativen Fä higkeiten zu verbessern. Damit sich das Kind auf die Führung der Th e rapeutin einlassen kann, i st e in vertrauensvoller Kontakt grundlegende Voraussetzung u nd d ie B asis f ür d ie Th e rapie. Das Kind soll sich als Person angenommen fühlen, um sich auch in schwierigen Situationen öff nen zu kön-nen.

    Die G estaltung e iner we rtschätzenden, von gegenseitiger Achtung geprägten Atmosphäre in der Th erapie ist deshalb ein wichtiges Ziel. Dazu gehört auch, sprachfördernde Verhaltensweisen zu berück-sichtigen ( Wendlandt 2 006, D annenbauer 2 002, Wyatt 1 973). H ierzu ve rdeutlichen . Übersicht 5.1 und 5.2 wichtige Richtlinien. Die Th er apeutin signa-lisiert d em K ind, d ass sie e s a ls g leichberechtigten Partner mit seinen Gefühlen und Bedürfnissen ernst nimmt. Trotzdem führt und leitet sie mit der nötigen Sensibilität. U m d em K ind b estimmte V erhaltens-weisen zu ermöglichen, dient sie i mmer als Vorbild. Dieses therapeutische AuĀ reten ermöglicht ein kon-tinuierliches entspanntes Arbeiten.

    . Übersicht 5.1. Aufbau einer vertrauensvollen Beziehung

    4 Die Therapeutin akzeptiert das Kind als selbst-ständige Person mit eigenen Gedanken, Bedürf-

    nissen und Stärken.

    4 Das Kind erfährt, dass es eigene Ideen äußern darf. Die Therapeutin berücksichtigt diese in an-

    gemessener Weise.

    4 Die Therapeutin beachtet die Gefühle des Kindes und geht entsprechend mit ihnen um.

    4 Auftretende Schwierigkeiten (auch im wechsel-seitigen Kontakt) werden mit dem Kind gemein-

    sam geklärt, die Therapeutin versucht dabei, sich

    in die Lage des Kindes zu versetzen.

    4 Die Therapeutin macht ihr Vorgehen transparent für das Kind. Sie ist in ihrem Auftreten echt, kon-

    sequent und für das Kind durchschaubar.

  • 585

    Zusammenfassung

    4 Oberstes Prinzip jeder Therapie ist die kon-tinuierliche Motivationsförderung des Kin-des. Therapie soll Spaß machen!

    4 Damit das Kind ein vertrauensvolles Ver-hältnis zur Therapeutin aufbauen kann, prä-sentiert sich diese entsprechend wertschät-zend und kommunikationsfördernd. Sie akzeptiert das Kind als Person mit eigenen Bedürfnissen.

    5.1.2 Ganzheitlicher Ansatz

    Der ga nzheitliche An satz ist zunehmend gä ngiger Grundgedanke einer Th erapie. Dabei werden die ver-schiedenen S chwierigkeiten des P atienten nich t is o-liert, s ondern im R ahmen der G esamtpersönlichkeit betrachtet (Th iel 2000). Dur ch dieses Vorgehen wird dem K ind er möglicht, s einen F ähigkeiten en tspre-chend mit seiner Umwelt zu interagieren.

    Die ICF (s. A bschn. »Die I CF in der S prachthe-rapie«) stellt diesen Aspekt der »Teilhabe am Leben« bewusst als Th erapieziel in den Vordergrund.

    ! Beachte Im Vordergrund steht die Person, nicht das einzelne

    Symptom! Für die Therapie bedeutet das: Schwierig-

    keiten werden unter Berücksichtigung der jeweiligen persönlichen Bedürfnisse angegangen.

    So o rientiert sic h die S pielgestaltung a n Neigungen und Vorlieben des Kindes, das Interesse des Kindes soll durch die a ngebotenen S equenzen g eweckt w erden (7 Kap. 6.1.1).

    Spezielle Üb ungseinheiten zur F örderung ein-zelner T eilleistungsbereiche w erden k ommunikativ gestaltet o der zumindest in eine si tuative H andlung eingebettet. Erfahrungsgemäß lassen sich Kinder dann begeistern und fesseln, wenn sie hinter ihrem Tun und Anstrengungen einen Sinn sehen. So ist beispielsweise die Festigung eines Lautes auf Silbenebene sicher inte-ressanter, wenn das Kind mit den gesprochenen Zau-bersprüchen etwas bewirken kann, als wenn diese nur in Form von Vor- und Nachsprechen erfolgt.

    Die Th erapeutin b erücksichtigt b ei ihr em An ge-bot w eiterhin das W issen um sensorische I ntegrati-onsleistungen und der en B edeutung f ür den L ern-erfolg (A yres 200 2). Ein multimodales Arbeiten, b ei dem das K ind verschiedene Sinneseindrücke mit ein-ander verbinden kann, erleichtert vielen K indern die Aufnahme und V erarbeitung a ngebotener S timu-li, auch im B ereich der Aussprache. Vor allem B ewe-gungen und der gezielte Aufb au von Körper spannung lassen sic h b ei der Th erapie phonetischer S törungen ideal für die Lautanbahnung nutzen. Das Prinzip der bewegungsunterstützten L autanbahnung b asiert a uf entsprechenden Üb erlegungen (7 Kap. 4.2). B ei K in-dern, die v on einem m ultimodalen An gebot nic ht profi tieren k önnen, k onzentriert sich die Th era peu-tin a uf einzelne T eilleistungen (7 Kap. 5.3.1, A bschn. »Dyslalietherapie bei behinderten Kindern«).

    Desweiteren fördert ein alltagsnahes und am Kind orientiertes Angebot dessen Sprechfreude, auch bezüg-lich der Üb ernahme neu erler nter la utlicher S truk-turen.

    ! Beachte Bei der Dyslalietherapie stehen phonetisch-phonolo-

    gische Fähigkeiten im Vordergrund. Andere Therapie-bausteine werden unterstützend oder ergänzend in den Ablauf integriert.

    . Übersicht 5.2. Sprachförderndes Verhalten

    4 Aktives Zuhören (inhaltliches Eingehen auf kind-liche Äußerungen).

    4 Ausreden lassen.4 Pausen im eigenen Sprechen.4 Blickkontakt.4 Angemessenes Sprachangebot, Orientierung am

    Sprachstand des Kindes.

    4 Verbalisieren der wahrgenommenen kindlichen Gefühle.

    4 Corrective feedback (korrigierende Rückmel-dung):

    Die fehlerhafte kindliche Äußerung wird mit kor-

    rektem Ziellaut/mit korrekter Zielstruktur wieder-

    holt (7 Kap. 6.5.1).

    5.1 · Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung

  • 86 Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

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    Zusammenfassung

    4 Bei der Planung und Gestaltung der Therapie orientiert sich die Therapeutin vorrangig am Kind, weniger am Symp tom.

    4 Ein ganzheitliches Vorgehen ermöglicht dem Kind, seine Schwierigkeiten individuell und alltagsbezogen bewältigen zu können.

    Die ICF in der SprachtherapieDie Einf ührung des K lassifi kationsmodells ICF im Jahr 2001 regt zu einer neuen B etrachtungsweise von Krankheit innerhalb des Gesundheitswesens an (DIM-DI 2005, Schliehe 2006).

    ICF ist die Abkürzung für International Classifi ca-tion of Functioning, Disability and Health der WHO 2001 (Internationale K lassifi kation der Funktionsfä-higkeit, B ehinderung und G esundheit). Dies e Ein-teilung er setzt das al te I CIDH (I nternational Classi-fi cation of Impairments, Disabilities and Handicaps). Das st ärker d efi zitorientierte I CIDH wir d a bgelöst von einem bio-psycho-sozialen Klassifi kationsmodell von Gesundheit und Krankheit, das die verschiedenen Komponenten von der F unktionsfähigkeit (function-ing) des Menschen stärker als bisher berücksichtigt.

    Bereiche der ICFDie Komponenten des ICF-Modells sind in zwei gro-be Bereiche zu trennen. Zum einen wird die Funktions-fähigkeit des Menschen eingeschätzt (also seine mehr oder weniger vorhandene Leistungsfähigkeit) mit den Teilbereichen Körperfunktion, Körperstruktur, Ak ti-vität und Teilhabe. Zum anderen betrachtet man die Kontextfaktoren (das sind F aktoren a us den L eben-sumständen des P atienten). Die K ontextfaktoren unterteilen sich wie derum in U mweltfaktoren s owie personale Faktoren.

    Durch diese komponentenbezogene Betrachtungs-weise k önnen nega tive F aktoren wie z. B. G esund-heitsprobleme und neutrale und/oder förderliche Fak-toren wie Ress ourcen o der gün stige R ahmenbedin-gungen in ihr er Wirkung auf den M enschen berück-sichtigt werden.

    Zur besseren Verständlichkeit sind die G rundbe-reiche in . Übersicht 5.3 schematisch dargestellt.

    Zu j edem der G rundbereiche ka nn nach der Durchführung der Diag nostik eine A ussage f ormu-liert w erden. F ür den er sten B ereich er geben sic h medizinisch-therapeutische (K örperstruktur und -funktion) und parallel patientenspezifi sch orientierte Th erapieziele (Aktivität und Teilhabe). Weiterhin wer-

    den, wo immer möglich, Aspekte des zweiten Bereichs einbezogen.

    > BeispielPhonetisch-phonologischer BereichKörperstruktur: Gutes peripheres Hörvermögen.Körperfunktion: Auditive Wahrnehmungs- und Ver-arbeitungsstörung, muskuläres Ungleichgewicht im orofazialen Bereich.Aktivität: Handeln im Spiel ist altersentsprechend möglich.Teilhabe: Kommunikation mit der Umwelt ist stark eingeschränkt.Umweltfaktoren: Eltern und Kindergarten unterstüt-zen das Kind in jeder Hinsicht.Personbezogene Faktoren: Das Kind ist hoch moti-viert, seine Kommunikation zu verbessern.

    Ziele der ICFDie I CF v erfolgt v erschiedene Z ielsetzungen, z.B . eine g emeinsame S prache zwis chen K rankenkassen, Ärzten, Rentenversicherungen, WissenschaĀ lern und natürlich den Heilberufen, aber auch eine einheitliche Kodierungsmöglichkeiten v on K rankheit (was zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch ZukunĀ smusik ist, da die »Core-Sets«, die Bereiche der Klassifi kation, noch nicht endgültig festgelegt sind). Für die log opädische Th erapie lässt sich – ebenso wie für jede andere medi-zinisch-therapeutische Maßnahme – das K lassifi kati-onsmodell als Grundlage, z. B. für Diagnoseformulie-rung, den Th era pieaufb au oder auch für die B ehand-lungsberichte gut nutzen. Die verschiedenen Kompo-nenten des Modells sind zuerst einmal neutrale »Sicht-fenster«, die von Seiten der Logopädin mit den Stärken und Schwächen in der G esundheit dieses einen P ati-

    . Übersicht 5.3. Grundbereiche des ICF-Modells

    1. Bereich: Funktionsfähigkeit und Behinderung4 Teilbereich Körperstruktur und Körperfunktion

    (»Körperstruktur« bezieht sich auf den organisch-anatomischen Zustand, »Körperfunktion« auf physiologische Prozesse.),

    4 Teilbereich Aktivität und Teilhabe (Partizipation).2. Ber eich: Kontextfaktoren4 Teilbereich Umweltfaktoren,4 Teilbereich individuelle, personbezogene Fak-

    toren(Diese sind nicht in der ICF klassifiziert.).

  • 587

    enten g efüllt w erden k önnen. Auf dies e Weise ka nn sich eine a ndere B etrachtung ergeben, z. B. eine , die ein sehr förderndes Umfeld eines Kindes mit Ausspra-chestörung oder eine gute Motivation von Eltern und Kind in besonderer Weise würdigt. Somit hat das Kind mit D yslalie nic ht in er ster L inie eine S törung, s on-dern ist vielmehr ein Kind, das neben seiner Ausspra-chestörung viele Stärken mitbringt.

    ! BeachteDas ICF-Modell klassifi ziert nicht den Menschen, sondern die verschiedenen Komponenten seiner Gesundheit und Funktionsfähigkeit in Hinsicht auf positive, neutrale oder hemmende Aspekte.

    Zusammenfassung

    Das ICF-Klassifi kationsmodell erlaubt mit seinen unterschiedlichen Komponenten eine Betrach-tung der Gesundheit eines Patienten, die die Bereiche Körper, Aktivität und Teilhabe am Leben in Wechselwirkung mit Kontextfaktoren einbezieht.

    5.1.3 Therapieprinzipien

    Zu den G rundregeln einer mo tivationsfördernden und eff ektiven D yslalietherapie g ehört, auch aus der Th erapie a nderer S törungsbilder b ekannte Th era pie-prinzipien zu berücksichtigen.

    Zunächst er möglicht die Th erapeutin dem K ind, seine p honetisch-phonologischen S chwierigkeiten Schritt für Schritt zu b earbeiten. S ie wähl t Üb ungen gezielt a us und st eigert den S chwierigkeitsgrad suk-zessiv.

    Damit das Kind genügend Zeit hat, neue lautliche Strukturen zu verinnerlichen und zu verarbeiten, bie-tet die Th era peutin kontinuierliche Wiederholungsse-quenzen a n. W iederholungen b estimmter Üb ungen dürfen da bei das K ind nich t er müden, eine sp iele-rische o der met hodische V eränderung s chafft neue Anreize!

    Durch die Art des Übungsangebots ermöglicht die Th erapeutin dem Kind immer wie der neue Erfolgser-lebnisse. Dabei kann es sic h um no ch so k leine Ver-änderungen handeln. Dem Kind soll bewusst werden, dass es in der L age ist, s eine Schwierigkeiten zu mei-stern.

    Jeder Fortschritt und jedes B emühen des K indes werden von der Th erapeutin durch echtes und deu t-

    liches Lob v erstärkt. D as K ind erhäl t s o die B estäti-gung, etwas B esonderes geleistet zu ha ben und wir d für weitere Schritte motiviert.

    Bei Schwierigkeiten bietet die Th era peutin gezielte Hilfestellungen an. Diese werden mit den wachsenden Fähigkeiten des Kindes langsam wieder abgebaut. Das Kind darf dabei nie das Gefühl bekommen, vor einem unlösbaren P roblem zu s tehen. D ementsprechend werden Ü bungen a uch e rst d ann ge steigert, we nn das Kind das bisherige Teilziel sicher beherrscht.

    . Übersicht 5.4 fasst die da rgestellten M aßnah-men nochmals zusammen. Konkrete Anregungen zur Umsetzung fi nden sich in 7 Kap. 6 bei den j eweiligen Th era piebausteinen.

    Zusammenfassung

    Folgende grundlegende Therapieprinzipien ermöglichen dem Kind, gesetzte Ziele zu errei-chen und gleichzeitig Selbstbestätigung zu erlangen:4 k leinschrittiges Vorgehen,4 r egelmäßige Wiederholungen,4 gezielt e Hilfestellungen,4 ausr eichendes Lob.

    . Übersicht 5.4. Allgemeine Therapierichtlinien

    4 Kleinschrittiges Vorgehen: Eins nach dem Anderen angehen.

    4 Häufige Wiederholungen: Denn: Übung mit Spaß macht Meister.

    4 Schaffen von Erfolgserlebnissen: Das Kind merkt: »Ich kann es.«

    4 Echtes Lob: Die Therapeutin stellt die Leistung des Kindes

    heraus.

    4 Gezielte Hilfen: Das Kind erfährt Unterstützung.

    5.1 · Allgemeine Leitlinien zur Therapiegestaltung

  • 88 Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

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    5.2 Aufbau der Dyslalietherapie

    Allgemeine therapeutische Leitlinien wurden bereits im vorherigen Kapitel beschrieben. Im Folgenden geht es nun ganz speziell um die Gestaltung einer Dyslalietherapie. Vor allem Gedanken zur Wahl des Therapieansatzes stehen dabei im Vordergrund. Es werden die Einsatzmöglichkeiten der einzelnen Thera-piebausteine (7 Kap. 6) dargestellt.

    Nachdem sich die Th erapeutin aufgrund der Diagnos-tikergebnisse dafür entschieden hat, mit der B ehand-lung der phonetisch-phonologischen Schwierigkeiten zu b eginnen ( 7 Kap. 3.3.2), p lant und g ewichtet sie einzelne F einziele. S ie wähl t da bei b esonders r ele-vante Ziele als Th erapieeinstieg. Diese erste Th era pie-planung dien t zunäc hst als Or ientierungshilfe, m uss allerdings im weiteren Th erapieverlauf immer wieder neu überdacht werden.

    ! Beachte Die Therapeutin ist gefordert, Ziele und Inhalte der

    Therapie prozess- und patientenorientiert zu verän-dern. Die Bereitschaft zur kontinuierlichen Selbstre-fl exion und fl exiblen Therapiegestaltung ist Grund-voraussetzung und gewährleistet eine eff ektive Behandlung.

    5.2.1 Rahmenbedingungen

    Organisatorische Üb erlegungen zur Th era piege-staltung werden zu B eginn der B ehandlung mit den Eltern abgesprochen und betreff en vor allem die Fre-quenz der Therapieeinheiten. Es wir d f estgelegt, wie viele Th erapiestunden das Kind pro Woche erhält und wie la nge ein e Th erapieeinheit da uert (in der Reg el 45 Minuten).

    Je nac h S törungsschwerpunkt und -s chweregrad variiert a uch die Dauer der Gesamtbehandlung. Vor allem bei universellen Dyslalien bzw. komplexen pho-nologischen S törungen ka nn sic h die Th era pie über einen längeren Zeitraum erstrecken.

    In der Praxis hat es sich als günstig erwiesen, inten-sive Arbeitsphasen mit Therapiepausen zu k ombinie-ren. In der Regel festigt sich das während der Th era pie neu er worbene Ar tikulationsmuster o der p honolo-gische Wissen in sinnvoll gesetzten Behandlungspau-sen. Auch ein neu g ewähltes Th erapieziel (z. B. neu-er Laut/phonologischer Prozess oder anderer sprach-licher B ereich) ka nn die S tabilisierung des b isher Erlernten unterstützen. Neue lautsprachliche Muster

    können s o a utomatisiert w erden, o hne das K ind zu überfordern.

    i TippEltern akzeptieren Behandlungspausen eher, wenn man sie rechtzeitig ankündigt und von Festigungs-phasen für das Kind spricht. Durch diese Formulie-rung wird die therapeutische Zielsetzung transpa-renter.

    Zusammenfassung

    4 Je nach Störungsschwerpunkt variieren die Rahmenbedingungen einer Dyslaliethera-pie (Therapiebeginn und -frequenz, Gesamt-dauer).

    4 Die in intensiven Therapiephasen erarbei-teten Lautstrukturen festigen sich oft in sinn-voll gesetzten Therapiepausen.

    5.2.2 Wahl des Therapieansatzes

    Sehr h äufi g k ommen K inder mi t k omplexeren Aus-sprachestörungen in die logopädische Praxis. Die Th e-rapeutin st ellt f est, dass das K ind im p honetischen und im p honologischen Bereich Schwierigkeiten hat. Für den Th erapieeinstieg muss sie also entscheiden, in welchem Bereich sie mit dem Kind zunächst schwer-punktmäßig arbeiten möchte. Sie berücksichtigt dabei folgende Grundüberlegungen:4 Auftretenshäufi gkeit der lautlichen Fehlleistungen:

    – Dominieren phonetische oder phonologische Schwierigkeiten?

    – Wodurch ist die Verständlichkeit des Kindes am meisten beeinträchtigt?

    – Welche Laute sind leicht stimulierbar?– Was stört das Kind oder die Eltern am mei-

    sten?4 Alter und Persönlichkeit des Kindes:

    – W elche phonetisch-phonologischen Auff äl-ligkeiten liegen außerhalb der Altersnorm?

    – F ür welche Th era pieform erscheint das Kind aufgrund seines Alters und seiner Gesamt-persönlichkeit am empfänglichsten?

    – In welchem Bereich sind schnelle Fortschritte und somit eventuell nötige Erfolgserlebnisse für das Kind zu erwarten?

    4 Schwierigkeiten in anderen Teilleistungsbereichen:– Hat das Kind zusätzlich Probleme in anderen

    (Teilleistungs-)Bereichen?

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    – Welche sind eher für die phonetische, welche für die phonologische Störung relevant?

    – Welche dieser Schwierigkeiten dominieren oder scheinen das Kind besonders zu beein-trächtigen?

    4 Therapeutischer Auftrag:– Welche Wünsche haben die Eltern, wie lautet

    deren AuĀ rag an die Th era pie?

    Unter B erücksichtigung a ller b isher g enannten Aspekte w ählt d ie Th e rapeutin den phonetischen oder phonologischen Bereich al s Th er apieeinstieg aus. Da nach en tscheidet s ie k onkret über F einziele und me thodisches V orgehen. A ufb au u nd I nhalte der Th erapie u nterscheiden si ch bei p honetischen und phonologischen Störungen grundlegend. Wäh-rend e s i m sprachlichen Teil bei p honetischen S tö-rungen um Lautanbahnung und Lautfestigung geht (7 Kap. 6.6), handelt es sich bei phonologischen Stö-rungen um eine Umstrukturierung des Sprachlautsys-tems ( 7 Kap. 6.7). En tsprechend dem sp rachlichen Störungsschwerpunkt werden weitere Teilleistungsbe-reiche ausgewählt (7 Kap. 5.2.3 und 7 Kap. 6.1–6.4).

    . Tabelle 5.1 gibt einen s chematischen Überblick über Ziele und Inhalte der Th era pie bei phonetischen/phonologischen Störungen (s. Flossmann et al. 2006).

    Häufi g st ellt sic h währ end der Th era pie heraus, dass b estimmte zunäc hst zur ückgestellte S chwierig-keiten das g eplante Vorgehen er schweren. Ein K ind mit einer p honologischen S törung ha t b eispiels-weise b ei der M inimalpaararbeit gr oße S chwierig-keiten, einzelne Laute im Wort motorisch zu realisie-ren. In diesen Fällen verändert die Th era peutin fl exi-bel den geplanten Th erapieverlauf und wechselt unter Umständen s ogar den Th erapiebereich. S o k önnen Übungen zur L autanbahnung und zur o rofazialen Sensomotorik im beschriebenen Fall auf die dann fol-gende Minimalpaararbeit vorbereiten und dem K ind

    die Rückkehr zur phonologisch ausgerichteten Th era-pie erleichtern.

    ! Beachte Bei Kindern mit Störungen im phonetischen wie

    auch im phonologischen Bereich muss ein zunächst gewählter Schwerpunkt eventuell gewechselt und das therapeutische Vorgehen verändert werden. Damit ergibt sich eine Therapie, die Elemente des Ansatzes bei phonetischen mit denen bei phonolo-gischen Störungen kombiniert.

    Besondere GegebenheitenJe nach vorliegender Aussprachesymptomatik, bestim-men zus ätzliche Üb erlegungen das t herapeutische Vorgehen.

    Zahnwechsel. B ei Vorschulkindern muss der e ventu-ell anstehende Zahnwechsel in die Üb erlegungen zur Wahl d es Th erapieansatzes ein bezogen w erden. B ei Lauten, zu der en B ildung ein g eschlossener F ront-zahnbereich besonders wichtig ist (z. B . beim [s]/[z]) sollte eine Lautanbahnung während des Zahnwechsels wohl überlegt werden (. Abb.5.1).Vor allem w enn die L autfehlbildung bisher interden-tal war, kann die Arbeit am Laut für das Kind zusätz-lich erschwert sein, da der natürliche Widerstand der Frontzähne nicht oder nur eingeschränkt vorhanden ist. In diesem Fall ist es sinnvoll, zunächst andere Th e-rapiebausteine vorzuziehen oder die Th erapie erst zu einem späteren Zeitpunkt zu beginnen.

    Phonologische Störung als reine Verzögerung. Bei die-ser Art der phonologischen Störung (Fox 2007) zeigen sich beim Kind ausschließlich physiologische phono-logische Prozesse (7 Kap. 1.5.1). Handelt es sich dabei um eine Verzögerung von ca. 3–6 M onaten, so kann über einen Z eitraum v on ca. 6 M onaten b eobachtet

    . Abb. 5.1. Zahnwechsel! (Aus Watterson 1995a; CALVIN AND HOBBES (©).)

    5.2 · Aufbau der Dyslalietherapie

  • 90 Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

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    . Tabelle 5.1. Therapeutisches Vorgehen bei phonetischen und phonologischen Störungen

    Dyslalie

    Phonetische Störung= Sprechstörung

    Phonologische Störung= Sprachstörung

    Ziel

    Korrekte motorische Lautrealisation Korrekter Lauteinsatz im Wort

    Grundlagenarbeit

    Förderung der orofazialen Sensomotorik– Herstellen eines orofazialen Muskelgleichgewichts– Verbesserung der oralen taktil-kinästhetischen Wahrnehmung

    Förderung der auditiven Wahrnehmung– Förderung der auditiven Diskrimination von Ziel- zu Ersatzlaut (einschließlich auditiver Identifi kation und Positionsbestimmung im Wort)– evtl. hinführend Förderung nonverbaler auditiver Wahrnehmungsleistungen

    Förderung der auditiven Wahrnehmung– Förderung der auditiven Phonemdiskrimination und -klassifi kation– Förderung der phonologischen Bewusstheit (im weiteren und engeren Sinne)– evtl. hinführend Förderung nonverbaler auditiver Wahrnehmungsleistungen

    Lautarbeit

    Arbeit am Einzellaut– Lautanbahnung– Stabilisierung auf Silben-, Wort-, Satz- und Halbspontansprachebene– Transfer in die Spontansprache

    Arbeit mit Lautgruppen– Verdeutlichen von Lautmerkmalen und -strukturen (rezeptiv und expressiv)– Umstrukturierung des phonologischen Systems

    ParallelBerücksichtigen anderer beeinträchtigter Therapiebereiche (s. Diagnostikergebnisse)

    Dyspraktische Auff älligkeiten. B ei K indern, die eine verbale Entwicklungsdyspraxie haben oder bei denen im Verlauf der Th erapie dyspraktische Symptome auf-fallen, m uss das t herapeutische V orgehen en tspre-chend a ngepasst w erden. F ür dies e K inder b ietet es sich an, zusätzliche Hilfen wie SchriĀ zeichen, Gebär-den oder rhythmisch-melodische Aspekte in die Th e-rapie zu integrieren. Auch das Arbeiten über Assoziati-onen erleichtert diesen Kindern die korrekte Lautpro-duktion (7 Kap. 1.3.3 , 7 Kap. 4.5 , S chulte-Mäter 1996, Birner-Janusch 2003, Lauer u. Birner-Janusch 2007).

    werden, ob das Kind die Prozesse von selbst überwin-det. Erst danach ist eine Th era pie angezeigt.

    Phonologische Störung in Form einer inkonsequenten Störung. Dies e Diag nose t rifft F ox na ch k lar vorge -gebenen Ric htlinien. Die K inder fallen d urch st ark inkonsequente L autverwendungsfehler a uf und s ol-len deshalb nach einem speziellen Th era pieprogramm behandelt w erden ( Inkonsequenz-Th era pie, Fox 2007). Dabei werden mit dem K ind Einzellaute erar-beitet und a nschließend zu L autreihen zus ammen-gefügt. N ach und nac h w erden da nn Wörter g ezielt geübt. Diese Wörter sollen aus Lautabfolgen bestehen, die das K ind realisieren kann. Es wir d viel üb er das Nachsprechen g earbeitet. Eine Th era piestudie über dieses Vorgehen liegt derzeit noch nicht vor.

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    Zusammenfassung

    4 Bei Kindern, die phonetische und phonolo-gische Störungen haben, wählt die Thera-peutin zunächst gezielt einen Bereich aus. Sie entscheidet jedoch im Therapieverlauf patientenbezogen über das weitere Vorge-hen. Eventuell kombiniert sie Elemente des phonetisch orientierten Vorgehens mit sol-chen des phonologisch ausgerichteten The-rapieansatzes.

    4 W eitere Teilleistungsbereiche werden ent-sprechend dem sprachlichen Störungs-schwerpunkt ausgewählt.

    5.2.3 Arbeit mit den Therapiebausteinen

    Das indiv iduelle B ehandlungskonzept einer D yslalie-therapie setzt sich a us mehreren einzelnen Th era piee-lementen zusammen, die störungsspezifi sch ausgewählt werden. Diese Elemente bilden die Th era piebausteine, die in . Übersicht 5.5 dargestellt sind. Je nach Art und Ausprägungsgrad der S törung w erden a lle o der n ur einige Bausteine im Verlauf der Th era pie eingesetzt.

    Ein s chematisches Vorgehen, das sic h un geach-tet der Diagnostikergebnisse und des Störungsschwer-punktes (phonetisch oder phonologisch, . Tabelle 5.1) für alle K inder mi t A ussprachestörungen a nwenden lässt, ist nic ht möglich. Dementsprechend gilt es, die in 7 Kap. 6 beschriebenen Th era piebausteine nicht als zwingende V orgabe in der a ufgeführten Reihenf ol-ge zu verstehen. Vielmehr sind sie un ter praxisorien-tierten Gesichtspunkten in dieser Form aufgelistet.

    Die einzelnen Bausteine lassen sich grob drei Th emen-bereichen zuordnen:1. Grundlegende Teilleistungen:

    – A ufb a u der Th era piefähigkeit,– H örtraining,– Grob- und Feinmotorik,– o rofaziale Sensomotorik.

    2. Elternarbeit.3. Phonetisch-phonologischer Bereich:

    – Lautanbahnung und Lautfestigung bei pho-netischen Störungen,

    – Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei phonologischen Störungen.

    Die grundlegenden Teilleistungen (7 Kap. 6.1–6.4) wer-den je nach sprachlichem Störungsschwerpunkt (pho-netisch/phonologisch) a usgewählt und un terstüt-zen die sp ezielle Arb eit an der A ussprache (. Tabel-le 5.1). W ährend einzelne E lemente zum zen tralen Th erapieinhalt werden, treten andere eher in den Hin-tergrund. In der Regel bildet zu B eginn der D yslalie-therapie die Arbeit im Bereich grundlegender Teilleis-tungen den Schwerpunkt, später konzentriert sich die Förderung a uf die sp ezifi schen sprachlichen Fähig-keiten.

    Die Elternarbeit (7 Kap. 6.5) erfolgt kontinuierlich und therapiebegleitend, unabhängig von der Ar t der sprachlichen Störung.

    Im dr itten Th emenbereich wir d s chließlich das konkrete Vorgehen bei phonetischen und phonolo-gischen Störungen be schrieben ( 7 Kap. 6.6 und 6.7). Hier fi nden sich viele S piel ideen zur L autanbahnung und -festigung bzw. der Arbeit an den phonologischen Prozessen.

    ! Beachte Die Darstellung der Lautanbahnungsmethoden

    berücksichtigt besonders die bewegungsunter-stützte Lautanbahnung.

    Prinzipiell fl ießen b ei d er A rbeit an L autproduktion und -v erwendung E lemente a us den v erschiedenen bekannten Th erapiekonzepten mi t ein ( 7 Kap. 4). Dabei k ombiniert die Th erapeutin in der Reg el ein-zelne Bereiche der unterschiedlichen Konzepte mitei-nander. Dadurch kann sie die sp eziellen Vorteile ein-zelner Methoden gezielt nutzen und dies e patienten- und p rozess orientiert ein setzen. J ede Th era peutin kann so ihren eigenen Th era piestil fi nden und weiter-entwickeln.

    . Übersicht 5.5. Bausteine der Dyslalietherapie

    4 Aufbau der Therapiefähigkeit (7 Kap. 6.1).4 Hörtraining (7 Kap. 6.2).4 Grob- und Feinmotorik (7 Kap. 6.3).4 Orofaziale Sensomotorik (7 Kap. 6.4).4 Elternarbeit (7 Kap. 6.5).4 Lautanbahnung und Lautfestigung bei phone-

    tischen Störungen (7 Kap. 6.6).4 Umstrukturierung des Sprachlautsystems bei

    phonologischen Störungen (7 Kap. 6.7).

    5.2 · Aufbau der Dyslalietherapie

  • 92 Kapitel 5 · Einleitende Überlegungen zum therapeutischen Vorgehen

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    Zusammenfassung

    4 Die Therapiebausteine einer Dyslalietherapie lassen sich in grundlegende Teilleistungen, die Elternarbeit und die Arbeit im phone-tisch-phonologischen Bereich unterteilen.

    4 Die einzelnen Bausteine werden patienten- und prozessorientiert ausgewählt und ggf. verändert.

    4 Bausteine im Bereich grundlegender Teilleis-tungen werden entsprechend der Arbeit am sprachlichen Störungsschwerpunkt (phonetische oder phonologische Störung) verwendet, die Elternarbeit erfolgt thera-piebegleitend.

    5.2.4 W ahl der Übungsform

    Für jeden einzelnen Th erapiebaustein innerhalb der phonetisch-phonologischen Arb eit g ibt es eine V iel-falt an Möglichkeiten, dem Kind die Lerninhalte anzu-bieten. Es ist ein direkteres oder indirekteres Vorgehen möglich, oder eines, das vom Kind mehr oder weniger Sprachproduktion verlangt.

    Siegmüller u . K auschke (2006) ha ben f ür ihr en patholinguistischen Ansatz fünf verschiedene Formen beschrieben und teilweise weiterentwickelt, wobei sie die H erangehensweisen als M ethoden b ezeichnen. Um nicht zu verwirren, wird hier der Begriff Übungs-formen g ewählt, da d er B egriff »M ethode« v on v er-schiedenen Autoren unterschiedlich verwendet wird.

    Im Folgenden werden die verschiedenen Formen der Erarbeitung von Th erapieinhalten in Bezug auf die Th erapie phonetisch-phonologischer Störungen skiz-ziert, genauere Ausführungen und viele B eispiele fi n-den sich am angegebenen Ort.

    Es kann unterschieden werden in:4 I nputspezifi zierung,4 M odellierung,4 Ü bungen,4 K ontrastierung und4 M etasprache.

    Inputspezifi zierung bedeutet, dass die Th era peutin ihre sprachlichen Äußerungen in einer ga nz b estimmten Weise a ufb ereitet und p räsentiert, s odass das K ind anhand dieser Äußerungen Wissen über das phonolo-gische System dazu gewinnen kann. Das Kind ist nur Hörer, es m uss keine expressiven L eistungen erbrin-gen.

    Mit Modellierung sind t herapeutische I nterven-tionen gemeint, die die Ä ußerungen des K indes auf-greifen und v erändert wiedergeben. Modelliert wird, nachdem das K ind etwas g esagt hat. In sprachthera-peutischen Veröff entlichungen wird mit Modellierung zumeist da s C orrective Feedback verbunden, e s gi bt jedoch auch andere Formen, z. B. die Al ternativfrage oder die »reine Wiederholung« im Sinne einer Bestä-tigung (Siegmüller u. Kauschke 2006).

    Die Übung ist eine Form, die allen sprachtherapeu-tisch Arbeitenden wohl vertraut ist. In Übungen wird gezielt und direkt an der Wahrnehmung oder Produk-tion der gewünschten Strukturen gearbeitet. Übungen sind stark gelenkte Anforderungen an die Leistungen des Kindes.

    Unter Kontrastierung versteh t man , d ass S truk-turen einander zum Vergleich gegenübergestellt wer-den. Das Kind kann durch die vergleichende Betrach-tung ler nen, dass n ur eine F orm r ichtig is t (z. B. b ei Minimalpaaren o der a uch Phas e 1 b ei P.O.P.T.) und diese Erk enntnis in s einem p honologischen S ystem verankern.

    Das metasprachliche Arbeiten lei tet das K ind a n, über Sprache nachzudenken, z. B. indem bei der Mini-malpaartherapie M issverständnisse v erbalisiert w er-den, die d urch eine B edeutungsänderung en tstehen. Das Kind kann diese Auseinandersetzung zur »Über-windung der S tagnation« (S iegmüller u . K auschke 2006, S 44) im phonologischen System nutzen.

    Für die verschiedenen phonetisch-phonologischen Th erapieansätze sind in der Reg el ganz unterschied-liche Übungsformen sinnvoll, wobei kein Ansatz aus-schließlich v on einer Üb ungsform b estimmt wir d. Auch in tegriert nic ht jedes Th era pieverfahren alle Übungsformen. Es ist immer die »sinn-v olle« A us-wahl a us der V ielfalt, die dem K ind den o ptimalen Lernerfolg ermöglicht.

    Zusammenfassung

    4 In jedem Therapieansatz gibt es verschie-dene Möglichkeiten der Inhaltsvermittlung.

    4 Die Übungsformen Inputspezifi zierung, Modellierung, Übung, Kontrastierung und Metasprache eignen sich in unterschied-licher Weise für die verschiedenen Arten und Phasen der phonetisch-phonologischen The-rapie.