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Thomas Nagel: Eine Abhandlung über Gleichheit und Parteilichkeit und andere Schriften zur politischen Philosophie Übersetzt von Michael Gebauer Kapitel 1: Vorrede - Das Grundproblem: Keine eingerichtete politische Institution ist genügend, das aber liegt nicht an der reellen Umsetzbarkeit, sondern daran, dass wir nach wie vor kein anerkennenswertes politisches Ideal besitzen, und dies aus Gründen, die zur Dimension der praktischen und der politischen Philosophie entscheidend hinzugehören. 1 - Die Frage ist: Wie sollen wir in einer Gemeinschaft miteinander Leben. 2 - Traditionell in der Philosophie ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Person und Gesellschaft, dem setzt Nagel die Frage entgegen: Das Problem des Verhältnisses des Individuums zu sich selbst. 3 - In jeder Person herrscht eine Polarität vor, die aus der Differenzierung zweier Perspektiven entsteht: 4 o 1. Die rein persönliche Perspektive o 2. Die unpersönliche Perspektive, die sich in jedem von uns herausbildet. Diese beansprucht dabei den Anspruch der Kollektivität – wäre er nicht vorhanden, könnte es nicht zu einer Ethik kommen. „Nur weil ein menschliches Subjekt nicht immer bloß den eigenen Blickwinkel einnimmt, kann es im Zuge 1 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 11. 2 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 16. 3 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12. 4 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12.

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Thomas Nagel: Eine Abhandlung über Gleichheit und Parteilichkeit und andere Schriften zur politischen PhilosophieÜbersetzt von Michael Gebauer

Kapitel 1: Vorrede- Das Grundproblem: Keine eingerichtete politische Institution ist genügend, das aber liegt

nicht an der reellen Umsetzbarkeit, sondern daran, dass wir nach wie vor kein anerkennenswertes politisches Ideal besitzen, und dies aus Gründen, die zur Dimension der praktischen und der politischen Philosophie entscheidend hinzugehören.1

- Die Frage ist: Wie sollen wir in einer Gemeinschaft miteinander Leben.2

- Traditionell in der Philosophie ist die Frage nach dem Verhältnis zwischen Person und Gesellschaft, dem setzt Nagel die Frage entgegen: Das Problem des Verhältnisses des Individuums zu sich selbst.3

- In jeder Person herrscht eine Polarität vor, die aus der Differenzierung zweier Perspektiven entsteht:4

o 1. Die rein persönliche Perspektive o 2. Die unpersönliche Perspektive, die sich in jedem von uns herausbildet. Diese

beansprucht dabei den Anspruch der Kollektivität – wäre er nicht vorhanden, könnte es nicht zu einer Ethik kommen.

„Nur weil ein menschliches Subjekt nicht immer bloß den eigenen Blickwinkel einnimmt, kann es im Zuge der persönlichen und der politischen Moral für die Ansprüche anderer überhaupt empfänglich werden.“5

o Jede Gesellschaftliche Institution ist von einer Ausgewogenheit des Kräftespiels im Ich abhängig.

o Soll eine Institution Legitimität beanspruchen können, „muss sie sich auf eine bestimmte Form vernünftiger Stimmigkeit der Komponenten des von Natur aus fundamental polarisierten Ichs solcher Persönlichkeiten entweder immer schon schützen oder aber eine solche Form der Integration herbeiführen.“6 Dieser sehr globale Dualismus ist also der Ausgangspunkt der Nagelschen Überlegungen.

1 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 11.2 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 16.3 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12.4 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12. 5 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12.6 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 12.

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- Der impersonale Standpunkt im Individuum erfordert ein machtvolles Verlangen nach uneingeschränkter Unparteilichkeit und Gleichheit, während die rein persönliche individualistische Sonderinteressen und Bindungen erzeugt, die dieser im Wege stehen.7

- Eine harmonische Synthese eines anerkennenswerten politischen Ideals mit annehmvaren Wertmaßstäben der Individualmoral ist nur sehr schwer zu erreichen. Uns scheint die Integration der beiden Wertmaßstäbe nicht auf befriedigende Weise gelingen zu können. Sie reagieren auf konträre Zwänge, die bewirken, dass sie auseinander fallen.8

- Nach wie vor gibt es keine Lösung, Institutionen zu konzipieren, die dem Faktum, dass alle Menschen gleich wichtig sind, wirklich gerecht werden und zum anderen an Individuen nicht mit unerträglichen Postulaten heranzutreten. Grund: Problem zwischen der richtigen Beziehung zwischen dem personalen und impersonalen Standpunkt ist noch nicht gelöst.9

o Dem Kommunismus ist eine vernichtende Niederlage zuteil geworden, aber das bedeutet nicht, dass der demokratische Kapitalismus der Weisheit letzter Schluss wäre, wenn es gilt, menschliche Sozialbeziehungen zu regeln.10

o Der Kommunismus verdankt sein Bestehen zum Teil dem eminent wichtigen Ideal der Gleichheit, gerade mit der Gleichheit haben die alten Demokratien des Westens sowie die neuen im Osten ein Problem.11

- Utopie bleibt in den theoretischen Überlegungen ein Grundproblem, sie sind 1. Motivational unzulänglich, und können zudem dazu antreiben, diese unmöglichen Lebensformen mit autoritären Mitteln verordnen zu wollen.12

o Insofern ist politische Theorie eine empirische Disziplin, deren hypothesen die Zukunft auch gefährden und deren Experimente äußerst kostspielig werden können.13

o Genauso wichtig ist es, den diametralen Widersacher der Utopie zu meiden: den starrköpfigen Realismus.14

- Der Witz: Unsere Fähigkeit, ethische Sachverhalte zu verstehen reicht entschieden weiter, als unsere Befähigung, die allgemeinen Grundsätze, die einem solchen verstehen zugrunde liegen, auch wirklich auszubuchstabieren. So können wir einschätzen, dass etwas unrecht ist, wenngleich wir in Unkenntnis darüber sind, was genau nun eigentlich das Recht wäre.

o Intuitives Ungenügen ist eine unverzichtbare Quelle politischer Theorie, denn es kann uns sagen, dass etwas verkehrt ist, selbst wenn wir nicht sagen können, wie dieser Defekt zu reparieren wäre.15

- Die große Schwierigkeit in theoretischen Entwürfen: Es sollte ihr Ziel sein, auf einer bestimmten Ebene letztlich der Einhelligkeit so nahe wie möglich zu kommen. Das mag verwundern, gehört doch das Fehlen von Einvernehmlichkeit gerade zum Wesen des Politischen, das aber später.16

7 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 13.8 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 13.9 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 14.10 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 15.11 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 15.12 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 16.13 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 16. Bsp. Hannah Ahrend: Man müsse für ein Omelett eine ganze Menge Eier zerschlagen, aber Nagel meint, man könne auch jede Menge Eier zerschlagen, ohne, dass ein Omelett daraus würde.14 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 16.15 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 17.16 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 18.

bhaupt, 16.08.12,
Gewagte These
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- Ideal der Legitimität heißt: jeder Bürger muss den Gebrauch staatlicher Macht billigen können, nicht bis in die letzten Einzelheiten, sondern kraft Zustimmung zu den Rechtsgrundsätzen, Institutionen und Verfahrensnormen.

Kapitel 2: Zwei Standpunkte- Ethische und politische Theorie bilden sich heraus, sobald wir uns auf den impersonalen

Standpunkt stellen und uns von daher auf das Datenmaterial konzentrieren, das uns die pers. Wünsche und Interessen, Bindungen etc. vorgeben, die für die Eigenperspektiven einer gewaltigen Masse sehr heterogener Individuen typisch sind.17

- Aber: „Wir vermögen gegen die Dinge in unserem Leben, die für uns selbst von vorrangiger Dringlichkeit sind, in impersonaler Einstellung einfach nicht indeífferent zu sein; und wenn wir nicht umhinkönnen, den allerwichtigsten von ihnen einen Wert an sich zuzubilligen, dann haben auch andere Grund, sie in Betracht zu ziehen.“ Das muss damit jedoch zugleich für alle Werte zählen, die in anderen Leben aufkommen.18

- Es existieren in der Welt eine immense Anzahl von Menschen, deren Zwecke und Partikularinteressen überdies ständig einander in die Quere geraten.19 Dem überpersönlichen Standpunkt stellt sich nun das Problem zu bestimmen, wie diese Komponenten derart vereinigt zur Geltung zu bringen und Konflikte zwischen ihnen aufzulösen sind, da[ss] eine kritische Wertung unter den Alternativen möglich wird, die verschiedenartige Individuen in so unterschiedliche und ihnen nicht gleichgültiger Weise angehen.20

- Nagel ist der Überzeugung, „dass sich die korrekte Form überpersönlicher Rücksichtnahme auf jeden einzelnen durch eine Unparteilichkeit unter den Individuen auszuzeichnen hötte, die gerade nicht nur in dem Sinne auf Gleichheit orientiert wäre, dass sie einen sozusagen bloß als gleichwertiges Argument einer kombinatorischen Funktion für gleich wichtig erachte.“ Vielmehr müsse es sich bei Anbeginn um eine konkrete Präferentialfunktion handeln, die zugunsten derjenigen geht, deren Los das schlechtere sei.21

o Die Linderung unerträglicher Not und Entbehrung ist bei der Abwägung, welche Auflösungen von Interessenkonflikten zustimmungsfähig sein könnten, immer von besonders grundsätzlicher Dringlichkeit. Dieser Schluss ist dank der Fähigkeit zur Abstraktion möglich.22

= überpersönliche Frage, was objektiv am wichtigsten sei.23

- Die Ausgangsdaten einer jeden Ethik – die persönlichen Zwecke, Interessen und Wünsche von Individuen, die auch von der impersonalen Perspektive erfasst und aufgenommen werden- , bleiben als die typischen Bestandteile der Perspektive jedes konkreten Menschen uneingeschränkt präsent. Diese schließen auch spez. Loyalitäten zu Gruppen, Überzeugungen oder affektiven Identifikationen ein. Sie bilden ein umfaängliches Ensemble von

17 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 21.18 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 21.19 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 22.20 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 22f.21 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 23.22 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 23f.23 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 25.

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Beweggründen – von Eigennutz bis Solidarität- bleiben, so unterschiedlich sie sind, immer an die Perspektiven gebunden – auch damit muss es die politische Theorie aufnehmen.24

- Dieser Konflikt – die Diskrepanz im Selbst - lässt sich so fassen: Jeder ist sich im Universum zunächst einmal das Wichtigste, der Mittelpunkt, der „gleichsam ein Gefüge konzentrischer Kreise der rapide abnehmenden Identifikation mit anderen bildet. Doch vom impersonalen Standpunkt, den er gleichermaßen einnehmen kann, gilt für jeden anderen dasselbe: Das Leben jedes der unzähligen Individuen ist genauso wenig gleichgültig wie sein eigenes (…)“.25

o Die Standpunkte sind schwierig zusammenzuführen, gerade für jene, die privilegiert sind, während andere unter Armut leben: ihre Anliegen sind vordringlicher. Politische Lehre muss mit diesem Nebeneinander leben und eine allgemeingültige Antwort geben.26

Ein Lösungsversuch: auf unterster Legitimationsebene jene Werte dominieren lassen, die auf die impersonale Ebene zurückgehen. So neigt der Utilitarismus dazu, die Individuen zu Werkzeugen des impersonalen Standpunktes zu machen, als würden wir den Anweisungen eines wohlmeinendenn unparteiischen Beobachters Folge leisten.

Nagel vertritt gegensätzlichen Standpunkt: unser persönlicher Standpunkt müsse auf direktem Wege in die Legitimation jedes ethischen/politischen Systems mit eingehen.27

o Weg von der Frage: „Was können wir (…) aus impersonaler Sicht als das Beste betrachten?“, hin zu: „Was können wir – wenn überhaupt – angesichts des Faktums, daß unsere Antriebe nicht allein in überpersönlichen Interessen bestehen, noch zusammenstimmend als das Gesollte begreifen, als etwas, das wir alle tun müssen?“28

- Statt auf „Unparteilichkeit“ als solcher zu beharren, die lediglich den inneren Konflikten nur Ängste/ objektive Zielvorgaben aufzwingen, aber nicht das Problem lösen kann, ist gefordert, ein allgemein gültiges Verfahren zur Auflösung des inneren Konfliktes zu finden.

o Diese Idee des Vernünfitgen geht auf das kantische Interesse zurück (k.Imperativ).29

- Politische Institution lassen sich zu wesentichem Teil als Reaktionen auf ethische Forderungen begreifen: die Forderung, einen Kontext zu schaffen, in dem es jeden von uns möglich sein wird, zu einer guten und integrierten Lebensform zu finden – dieses System korrigiert die Folgen unsere Handlungen und uns.30

o Das Besondere: Institutionen sind dann nicht nur mehr ethische Forderungen, sondern zugleich Zwang.31

- Das Ideal muss daher in einem gesellschaftlichen Institutionensystem bestehen, innerhalb dessen Menschen ein kollektives Leben führen könnten, das den Anforderungen des impersonalen Standpunktes Genüge leistete, während sie sich zugleich nur handlungsweisen

24 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 25f.25 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 26.26 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 26.27 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 26f.28 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 27.29 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S.29.30 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 30.31 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 30.

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abzuverlangen brauchten, die Individuen mit starken persönlichen Beweggründen wirklich mit Vernunft zugemutet werden können.32

o Auch diejenigen haben ansprüche auf persönliche Interessen, denen es nicht schlecht geht. Dennoch ist es noch nicht so weit: Noch immer wird nicht jedem der wahre Wert seines Lebens zugebilligt.33 Insgesamt sind wir weit weit weit von einer o.g. Ordnung entfernt.

Kapitel 3: Das Utopismusproblem: - „Einer politischen Theorie eignet in der Regel zum einen ein bestimmtes Ideal und zum

anderen kommt ihr eine persuasive Funktion zu.“34 - „Wie attraktiv es (…)auch immer sein mag, ein bestimmtes Ideal in Erwägung zu ziehen, es

wird utopisch, sobald es zu vernünftigen Entscheidungen fähige Subjekte nicht motiviert werden können, nach ihm zu leben.“35

o Auf der anderen Seite birgen die Zugeständnisse an Realität die gefahr, zu einer Entschuldigung für vorschnelles Aufgeben zu dienen; einen Habitus bildend, jederlei radikale Abweichung von eingespielten Schemata bereits für psychologisch unrealistisch zu halten.36

o Begründungsdilemma: objektive neigen zum Verabsolutieren des impersonalen, politische zum Gegenteiligen – letztere versuchen schließlich nicht nur zur Zustimmung einer Aussage, sondern zugleich zur praktischen Billigung und dem Eintreten für das Institutionensystem zu motivieren.37

- Die Gefahr des Utopismus verdankt ich der politischen Tendenz, beim Streben nach idealer moralischer Gleichheit zu viel Druck auf die persönlichen Antriebe des einzelnen auszuüben oder gar seine konkreten individualistischen Interessen im Zuge einer impersonalen Wandlung gesellschaftlicher Wesen insgesamt überschreiten zu wollen.

o Eine nichtutopistische Lösung verlangt immer einen angemessenen Ausgleich zwischen diesen Komponenten, wofür man sie aber erst einmal kennen und verstehen muß, wie sie aufeinander wirken.38

o Besonderer Aspekt nach gewaltloser Lösung wäre das Finden der Bedingungen der Möglichkeit dafür, dass sich zwischen den beiden Standpunkten eine einvernehmliche Teilung der Autoritäten herausbilden kann. Schließlich müssen beide Triebfedern nicht immer in Konkurrenz zueinander treten.39

- P.s.: unterschied zw. Ethischer und politischer Philosophie: Letztere thematisiert nicht ausschließlich bestimmte Formen freiwilligen Handelns.40

- Die Individualmoral mag dem Individuum zwar einen geringeren Schutz gegen Übergriffe bieten als gesellschaftliche Institutionen, doch werden politische Institutionen umgekehrt

32 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 31.33 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 32.34 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 34.35 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 35.36 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 35.37 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 37.38 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 38f.39 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 39.40 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 40.

bhaupt, 16.08.12,
Wie verhält sich der Punkt zu staatlichem handeln im internationalen System?
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infolge derselben macht, die dem einzelnen mehr Schutz gewährt, immer auch ein erhebliches Gefährdungspotential für das Individuum in die Welt setzen.41

o Nagel ist sich auch bewusst, dass Institutionen privilegierend wirken können, oder gar die Interessen der einen den anderen unterordnen. Seine Lösung: neben Unparteilichkeit, Gleichheit muss auch die persönliche Motivation zur Zustimmung zu einem Ideal bedacht werden.42

- Welches Verhältnis zwischen Motivation und Begründung ist in der ethischen und der politischen Theorie das Richtige?43

o Die Antwort kann nur dahin lauten, daß politische Theorie bereits bei der Konzeption und Anlage gesellschaftlicher Institutionen immer schon dem individuellen Verhalten, das sie ihren Menschen abverlangt, Rechnung zu tragen hat und der Natur der Motivation, auf die solches Verhalten ja zwangsläufig angewiesen ist, daß aber die werteabwägende Kritik derlei individualspezifischer Implikationen weder ein bloß politischer Vorgang ist, noch ein rein psychologischer. Sie ist vielmehr ein wesentlich ethisches Unternehmen: Es obliegt uns zu untersuchen, welche moralischen und anderen konkreten Gründe Personen für oder wider die nötigen Handlungsweisen haben können, und dabei jeweils auch die Beschaffenheit und Qualität eines vollständigen Lebens zu erwägen, die das Zusammenwirken derartiger Willensbestimmungen gründen würde.“44

Der Vorgang der Wertung verkompliziert sich durch die Tatsache, dass diese Motive nicht unabhängig von politischer und ethischer Theorie existieren.45

„Ethische Argumentation deckt Möglichkeiten moralischer Motivation auf, die ohne sie gar nicht zu verstehen gewesen wären, und politische Theorie entwickelt diese Möglichkeiten mit der Hilfe von Institutionen weiter, denen Menschen sich zum Teil gerade wegen ihrer moralischen Attraktivität anschließen können.“46

ABER: Die Antriebe eines Menschen sind komplex, und kein ethisches Argument wird bewirken können, dass er sich plätzlich in ein Wesen einer ganz anderen Art verwandelt.47

- Man kann sich das Utopismusproblem auch als Problem denken, die Bedingungen der Möglichkeit einer wohlgeordneten Gesellschaft zu Tage zu fördern.48

- Negativbeispiel der NichtBerücksichtigung von Motivation = real existierender Sozialismus: impersonaler Standpunkt als Handlungsmotiv gesetzt (klassenlose Gesellschaft) und damit den persönlichen Standpunkt außen vor gelassen, Folge: unmotivierte Bev., die sich eben nicht nur in diese Richtung erziehen lässt -> Schwarzmarkt, Zwang, Nepotismus.49

41 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 41.42 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 41.43 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 41. Hier rekurriert Nagel auch auf „humanpsychologische Tatsachen, dass ein naturwüchsiger Widerstand gegen Unparteilichkeit existiert“-< wo zu finden? 44 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 42.45 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 42.46 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 42.47 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 42.48 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 43.49 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 43f.

bhaupt, 16.08.12,
2 Punkte: Rekurriert er auf Anreizsysteme -> gerade hier im int. Kontext gegen ihnAndererseits meint er damit, dass psychologische Widerstände rechtmäßig neben politischen Begründungen stehen.
bhaupt, 16.08.12,
Umso wichtiger sind MR und damit verbunden auch ökonomische Regelungen, welchen den MR nicht widersprüchlich entgegen stehen.Wenn diese anerkannt sind, muss nicht für jede Gesellschaft neu diese Gefahr problematisiert und Wege ihrer Umgehung gefunden werden, d.h. zumindest nicht die Systematik gesucht werden, da es sie schon gibt und diese lediglich noch angepasst werden muss.
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Exkurs: Kommunismus-Beispiel auseinander genommen50

1. Aus unpersönlicher Sicht = Abschaffung hereditärer ökonomischer Ungleichheit ethisch überzeugend.

2. Die zur verwirklichung dieses Ideals notwendigen Institutionen und voluntativen Verhaltensstrukturen sind – zumindest in groben Zügen – denkbar. (spekulativ)

3. Empirik: Machtvolle/unausräumbare pers. Antriebe unter Vielzahl von Institutionen bringen Menschen immer wieder zum entgegen gesetzten Handeln.

4. Angesichts solcher Beweggründe bleibt für System nur Zensur, Freiheitsbeschneidung etc. 5. Könnten Menschen sich ändern, hätten sie sich ja eigentlich nicht für einen einzigen Zweck zu

zügeln, sondern nur ihre Habgier zu mindern. – diese Änderung ist aber nicht vorstellbar, jedenfalls nicht innerhalb weniger Generationen.

- Begründungen müssen in der politischen Theoprie jederzeit zweifach gerichtet sein:o An die Personen als Individuen , die den impersonalen Standpunkt einnehmeno An sie als solche, die im Innenbereich eines überpersönlich zustimmungsfähigen

Systems ihre je eigene Rolle zu spielen haben.51

Problem der Differenz zwischen legitimer Rücksichtnahme auf Eigenperspektiven und ethischer Schwammigkeit - …

- Zugleich muss eine zustimmungsfähige Lösung mehr sein als der Reflex persönlichen Widerstandes gegen die Zumutungen der Moral, sie muss obgleich sie subjektive Bestimmungsgründe des Willens anerkennt auf impersonaler Weise achtenswert sein.52

- Ein Staatssystem aber, dass annimmt, die Bürger würdem ihr Handeln einem vorbehaltlos unparteiischen Wohlwollen für andere Gesellschaftsangehörige abringen, muss scheitern.

Kapitel 4: Legitimität und Einigkeit - Die Aufgabe, Legitimitätsbedingungen zu ermitteln, wird traditionell verstanden als die Suche

nach der Begründung einer politischen Ordnung vor jedem einzelnenm der unter den von ihr geschaffenen Bedingungen zu leben hat. Ist die Rechtfertigung erfolgreich, wird keiner mehr über Gründe verfügen, aus denen er moralisch Klage führen könnte über die Art und Weise, in der seine Partikularinteressen und Eigenperspektive vom System berücksichtigt und gewichtet werden.53

o Es ist eine Suche nach Einhelligkeit im Sinne von Einigkeit nicht im Hinblick auf alles und jeden sondern in bezug auf die obersten Rahmenbedingungen politischer Herrschaft.54

50 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 45.51 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 47.52 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 48.53 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 51.54 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 51.Einhelligkeit im Sinne von: im selben Geiste, nicht einer formal-absoluten Bestimmung

bhaupt, 16.08.12,
Das setzt voraus, dass wir vollständiges Wissen hätten, wie genau die Gesell. Funktioniert, also alle soziologischen Erkenntnisse vorhanden wären und sich dies nicht in Diskursen vollziehen würde.
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- In Hobbscher Tradition versuchen viele, dies auf die personalen Antriebe und Werte zu reduzieren (z.B. Spieltheorie), die also von autonomen, parteiischen Entscheidungsträgern ausgehen, unter denen ein Gleichgewicht hergestellt werden müsse.55

o Diese Einseitigkeit weist Nagel zurück, schließlich habe die unpersönliche Sicht wichtigen Beitrag zur Motivation des einzelnen. Mit o.g. Ausrichtung ist es begründungsbedürftig, warum Legitimität überhaupt wichtig und Menschen Selbstzweck und nicht bloß Mittel sind.56

- Legitimität ist nicht einerlei mit Stabilität. Ein legitimes System kann durchaus instabil sein, da es von einigen der Parteien ungerechtfertigterweise untergraben wird und umgekehrt.57

- Könnte gezeigt werden, dass allen Individuen Gründe gegeben sind, die hinreichten, die maßgebende Ordnung auch aus freien Stücken anzunehmen, würde eine unfreiwillige Lage damit zwar nicht mit einem Mal in eine freiwillig akzeptierte verwandelt, doch wäre man diesem Ideal so nahe gekommen wie auf dem Feld des Politischen überhaupt nur möglich ist.58

o Suche nach Legitimität ist also das Interesse, die Vorzüge freiwilliger Mitwirkung auch im Rahmen eines Institutionensystems zu verwirklichen, das unausweichlich Zwangscharakter hat.59

- Nach Sanlon: richtige Prinzipien sind diejenigen, die von keinem aus Vernunftgründen abgelehnt werden können.60

o Legitimität sieht es also auf Quasi-Freiwilligkeit ab: Hinter dem äußeren Zwang, der in einem politischen System unvermeidlich ist, müssen für ein Individuum unabhängige Gründe wirksam sein, bereitswillig für die Erhaltung einer solchen Rechtsordnung einzutreten und ihren Ergebnissen Achtung zu erweisen.61

- Für jeden Menschen ist eine primäre Bindung an rein persönliche Interessen, Bestrebungen und Schuldigkeiten typisch, die in zweierlei Weise durch die einnahme des unpersönlichen Standpunkts in Schranken gehalten wird: zum einen durch seine Einsicht, in das gleiche objektive Gewicht dessen, was jedem anderen widerfährt; und zum anderen durch seine Anerkennung des besonderen Gewichts ihrer jeweiligen Eigenperspektive für eine jeder dieser personen und der Vernünftigkeit einer natürlichen Parteilichkeit.

- „Ein legitimes System ist nun ein solches, das die beiden universalen Pole der Unparteilichkeit und der auf Vernunftgründen beruhenden Parteilichkeit in einer Weise vermittelt, daß keinem mehr ein Grund gegeben ist, sich darüber zu belkagen, seinen Interessen werde kein ausreichendes Gewicht zuerkannt oder man trete mit übertriebenen Forderungen an ihn heran.62

o 2 Gründe für Ablehnung: 1. Person geht es im Verhältnis zu andern zu schlecht 2. Man mutet Einzelperson im Vergleich mit praktikablen Alternativen in zu

hohem Maße zu, die pers. Interessen und Verbundenheiten preiszugeben.63

55 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 52f.56 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 53.57 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 54. 58 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 55.59 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 55.60 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 55.61 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 56.62 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 58.63 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 58.

bhaupt, 16.08.12,
Wenn global als Problem anerkannt, dann: Ist der Fall Nicht der Fall – wird aber vorgeschobenErgänzend: ein ineffizientes Allokationssystem, das alle gleich schlecht behandelt, ist ebenfalls illegitim, wenn es praktikable Alternativen gibt.
bhaupt, 16.08.12,
Was übertrieben ist oder nicht vollzieht sich in Diskursen, das kann also kaum der Ausgangspunkt sein - > mal genauer drauf rum denken
bhaupt, 16.08.12,
Grundlage der Parteilichkeit – wie kann sie kritisiert werden?
bhaupt, 16.08.12,
Nehmen wir das mal global: Akzeptanz vs. Widerstand/Terrorismus/Krieg/Migration etc.-< und nicht nur Nationen, sondern auch Individuen oder like-minded-Gruppen
bhaupt, 16.08.12,
Legitimität vs. Gerechtigkeit als Begriffsdimensionen für globale Ebene?! Check
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o „Was aus Vernunftgründen abgelehnt werden kann bleibt eine durch und durch moralische Frage“ und wird eben kein politischer Machtpoker unter (Organisations-)Ressourceneinsatz64

- Es steht damit die Frage, „woher das Richtmaß vernünftiger, moralisch zulässiger Ablehnung stammen soll, die im Gegensatz zu jener Art von Ablehnung, die sich lediglich auf überlegene Druckmittel und unveränderten Eigennutz stützt, die wahre Probe auf die Legitimität eines Systems ausmacht.“65

- Um das zu schaffen, sind immer die zwei Standpunkte miteinander in Einklang zu bringen. o Für Integration des persönlichen Standpunkts in eine Ethik bedarf es einer Theorie

spezifisch relativer Gründe: Bleiben immer relativ, an deren Beziehungen gebunden.o Für impersonalen Standpunkt: neutrale Gründe, dessen Wert von jedem zu achten

ist, egal in welcher Beziehung es zu ihm selbst steht.66 - Es geht also um Grundsätze in Anbetracht sowohl neutraler als auch relativer Gründe.

Problem: allgemeine Prinzipien personenrelativer art beruhen auf andersartigem impersonalen Verständnis (warum????), zudem müssen wir uns in die personen einfühlen können, um die Zumutbarkeit einzuschätzen.

- Daher: Die Lösung muss einer Kantischen Verallgemeinungsfähigkeit genügen können.67

Kapitel 5: Kats Maximenprobe - Frage: Wie sollen wir herausfinden, ob wir von einer gegebenen Maxime wollen oder nicht

wollen können, das ihr Prinzip zur „Allgemeinheit eines Gesetzes“ erhoben werde?68 - Konstruiert als rein hypothetisches Gedankenspiel, unabhängig von der tatsächlichen

Verteilung der Wahrscheinlichkeitswerte.- Dafür muss man sich in die empathische Lage versetzen, die anderen Sichtweisen

einzunehmen, die spezifische Interessenlagen beinhalten, von vornherein laufen hier also verschiedene Interessenlagen der hypothetischen Möglichkeit zuwider. Warum aber bzw. unter welchen Umständen scheitert der Versuch, derartige Maximen zu bestimmen, damit nicht von vornherein aus?69

o „Entscheidend ist, dass wir einige Auflösungen solcher Interessenkonflikte angeblich wollen können und andere nicht, und dass angeblich jeder, sobald er alle möglichen Perspektiven berücksichtigt, zu ein und derselben Antwort gelangen kann.70

- Erkennen wir die Polarität im Subjekt an, so gehen aus der unpersönlichen Perspektive zweierlei allgemeine Urteile hervor, die sich auf keine unmittelbar einleuchtende Weise vereinigt zur Geltung bringen lasse:71

o 1. Das Leben eines jeden einzelnen Menschen ist gleich wichtig.o 2. Jeder Mensch hat sein eigenes Leben zu führen.

64 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 59.65 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 59.66 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 60.67 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 60f.68 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 62.69 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 64.70 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 65.71 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 66.

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- Wie umfangreich ist nun der Freiraum eines jeden? Dabei sind nicht nur die Dezisionen durch den Verweis auf vorliegende Motive zu rechtfertigen, vielmehr müssen bereits die Motive – Beweggründe und ihre Beziehungen untereinander – gebilligt und gerechtfertigt sein.72

- Unter dem Einfluss radikal ungleicher Verhandlungspositionen, die mit Verhandlungsmacht ausgetragene Vereinbarung unter vermeintlich vernünftigen Individuen ergeben, können nur solange als zustimmungsfähig erscheinen, wie man sie nicht aus einer erneuten Außenperspektive betrachtet.73

o Dann ergibt sich, dass manche eben nach wie vor nicht den Grund haben, an dieser institutionellen Regelung festzuhalten, als den, aufgrund ihrer bloßen Unterlegenheit dazu gezwungen zu sein.74

- Ziel ist aber: nach Prinzipien leben, die beliebige konkrete Menschen anerkennen können, teilweise- doch nicht ausschließlich – aufgrund ihrer unparteiischen Anteilnahme am Schicksal aller Individuen.75

- Erwägen wir auf impersonalen Weg, welche Lebensweise für mit einem Sinn für Unparteilichkeit begabte Wesenwie uns, deren Sonderziele zugleich immer auseinanderstreben, eine achtenswerte wäre, sollte die Antwort immer so ausfallen, dass ein jeder von uns erstens nach ihr leben und sie zweitens affirmativ als angemessene Äußerung beider Standpunkte billigen kann unter der Maßgabe, dass dies auch von allen anderen verlangt werden kann.76

o Es lässt sich jedoch, so viel wissen wir seit Kant, nur sehr schwer entscheiden, was einhellig annehmbar wäre.77

- Es gibt, so Nagel, keine allgemeinen Grundsätze, nach denen sich sowohl relative, persönliche Gründe als auch neutrale, unparteiische Gründe – sowie das Zusammenspiel beider – zu richten hätten, die aus schlechterdings allen Perspektiven im Lichte ihrer Folgen unter allen realistischen möglichen Bedingungen achtenswert wären.78

- Aus konsequentialistischer Sicht, die in der Ethik ausschließlich neutrale Gründe zulassen – oder anderen, die relativen Gründen den Vorrang geben, gehört, dass sie genau eine Antwort bindend als die richtige auszeichnen. Aber suchen wir nach Möglichkeiten, die Anforderungen aus beiden Richtungen zulassen, könnte sich herausstellen, dass die Spannung zu stark wird und es tatsächlich nicht gelingen kann, eine systematische Zusammenführung dieser Fakoren aufzufinden, die in widerspruchsfreier Weise ethisch anerkennenswerte Lösungen liefern würde.79

o Es lässt sich weder der universale Grundsatz, dass man unter mithin gravierender Preisgabe der eigenen Ziele zu helfen habe, noch der universale Grundsatz, dass man ihnen nicht in dem Maße beizustehen brauche, als rechtmäßig oder legitim behaupten.80

- Die Konflikte, die zugleich ablaufen sind folgende:

72 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 66.73 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 69.74 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 69.75 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 71.76 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 71.77 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 71.78 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 7279 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 72f.80 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 73f.

bhaupt, 19.08.12,
Ab wann ist also sinnvoll und gerechtfertigt, dass Individuen ihrer Nation gegenüber parteilich sind, und wie rekonstruiert Nagel diese Erscheinung?
Page 11: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

o Bei denen, denen es gut geht, kommt es zu einem Konflikt zwischen seinen persönlichen Zielen und der überpersönlichen Plausibilität all dessen, was insgesamt gesehen das Beste wäre.

o Hilfsbedürftige: Konflikt zwischen seinen Bedürfnissen und seiner eigenen Anerkennung des legitimen Interesses anderer, ihr eigenes Leben führen zu dürfen.81

o Ein verallgemeinerungsfähiger Grundsatz hätte beide Perspektiven immer vereinigt zur Geltung zu bringen.82

- Es scheint jedoch, als sei im Zwischenraum kaum möglich ein für alle gültiges Handlungsprinzip zu entdecken, dessen kollektive Folgen in ihrer Gesamtheit von allen kollektiv gebilligt werden könnte. Jeder allgemeine Grundsatz scheint ablehnbar unter einem „nicht großzügig genug“ und einem „zuviel verlangt“,83

o Die jeweils andere Partei hätte demnach das moralische Recht darauf, sich der getroffenen gesellschaftlichen Regelung zu widersetzen oder sich von ihr auszunehmen.84

- Die Energien der persönlichen Antriebe jedes konkreten Individuums üben gleichsam eine Zentrifugalkraft aus, die von impersonalen Werten stets nur bis zu einer gewissen Schmerzgrenze gebändigt werden kann.85

- Nagel weiß keine generelle Erklärung anzubieten, was es möglich oder unmöglich macht, Grundsätze aus allen Perspektiven zu wollen.86

- Obgleich die Probleme politischer Theorie ethischer Natur sind, hat ihre Lösung jederzeit politisch auszufallen – also von Individualebene des persönlichen Handelns auf kollektive Ebene zu heben. Politische Legitimität müsse zwar immer ethischen Bedingungen genügen: der Bedingung, dass keinem Menschen mehr Vernunftgründe gegeben sein dürfen, aus denen er die Ordnung billigerweise ablehnen kann, das lässt sich aber nur vermittels politischer Theorie interpretieren. „Wir haben unsere Aufmerksamkeit auf die Verhältnisse in der Welt zu richten, in der normale Menschen handeln und von der sie geprägt werden, und die Frage : >Wie sollen wir leben, gleichgültig unter welchen Bedingungen?<, vielmehr in die Frage zu überführen: > Unter welchen Bedingungen wird es überhaupt erst möglich, so zu leben, wie wir leben sollen?<.“8788 Es läuft also auf eine „moralische Arbeitsteilung“ hinaus, in der Institutionen den innerpersönlichen Konflikt aufzulösen imstande sind.

Kapitel 6: Moralische Arbeitsteilung - Ziel ist es, die unparteiischen Postulate der überpersönlichen Perspektive mittels

gesellschaftlicher Institutionen zu externalisieren, sie würden gewissermaßen die Spaltung des Selbst, d.h. die Integration, entsprechend übernehmen zu können. Dabei muss jedoch

81 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 74.82 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 74.83 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 74.84 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 75.85 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 75.86 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 75.87 Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 77.88 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 76f.

bhaupt, 19.08.12,
Bezogen auf internationale Ebene, was wären die Folgen, die dann problematisch bei einer Entscheidung für impersonale Werte wären: Widersetzung durch Arbeitsweigerung, wie er es beim Sozialismus zeichnet sicher nicht, aber folgende Möglichkeiten ergeben sich: Widerstand, der der Regierung ihre Mehrheiten nimmt Mangelnde Umsetzung der Grundsätze im jeweiligen Land, damit verbunden die Aufweichung und das Scheitern der Abkommen Bildung alternativer Märkte, Schwarzmärkte, Umgehungsstrategien Stetige Opposition und Versuch der Revision dieser Regelungen Im Ernstfall: bewaffnete Konflikte
Page 12: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

eine interne Ausdifferenzierung erreicht werden, die sich der natürlichen Komplexität des Selbst bedient und nicht den Versuch unternimmt, einen neuen Menschentyp hervorzubringen, in denen die Polarität beseitigt würde.89

- Indessen ist die Nennung von Anforderungen, denen eine angemessene Lösung zu genügen hätte, nicht selbst schon die Lösung. Weder ist eine solche bis heute gefunden worden, noch wäre sie auch nur in Sicht.90

Exkurs in den Bereich nichtutopischer pol. Philosophie, die sich mit dem Verhältnis persönlicher und kollektiver Vernunft auseinandersetzen.

Thomas Hobbes: - Nach ihm erhalten sich Systeme allein schon durch das subjektive Eigeninteresse der

Individuen an ihrer Sicherheit. Das bringt einen jeden dazu 1. In einer stabilen politischen Ordnung leben zu wollen und 2. – ist es mittels der richtigen Zwangsmechanismen dazu gekommen – sich dann auch so zu verhalten, dass dessen Stabilität erhalten bleibt. Insofern kommt es der Motivation nach zu keiner Teilung der persönlichen und unpersönlichen Perspektive, einziges Motiv hier ist Sicherheit.91

Jeremy Bentham: - Der Mensch würde von einem Streben nach eigener Lust und der Meidung von Unlust

bewegt.92

- Bentham als Utilitaris versteht das Problem der Gestaltung von Institutionen so, als gelte es in erster Linie, ein System von Anreizen zu schaffen, die selbst hedonistische egoisten zu einem Handeln bringen könnten, das seiner allgemeinen tendenz nach eine kollektive Maximierung der gemeinschaftlichen Wohlfahrt nach sich zöge – und zwar ohne, dass sie vom psl. Interesse am Gemeinwohl motiviert sein müssten.93

- Bruch zwischen der persönlichen Perspektive des im institutionellem Kontext wirkenden Subjekts einerseits und der wesentlich utilitaristischen Perspektive andererseits, von der her die Planung dieses Kontexts bestimmt wird.94

o Beispiel: Heimleiter: Würde nicht von sich aus für die besten Bedingungen eintreten, das Überleben der Armen wäre dem Leiter weniger wert als seine eigene Lebensqualität. Daher muss die Institution selbst die Anreize schaffen, z.B. über das Absenken der Sterblichkeitsrate Belohnungen in Aussicht zu stellen.95

David Humes- Lehre von den künstlichen Tugenden = erste deutliche Analyse der Motivationsteilung, die die

fundamentalen Konventionen erst möglich machen, auf denen soziale Stabilität beruht: Vertrag, Versprechen, Eigentum, den bürgerlichen Staat selbst.

89 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 78f.90 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 79.91 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 80.92 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 80.93 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 81.94 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 81.95 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 81f.

Page 13: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

- Menschen sind eben weder rein altruistisch noch rein egoistisch, daher ist es notwendig gewesen, ein solches Einvernehmen zwischen Menschen zu erzeugen.96

- Innerhalb dieses stabilen Rahmens können wir unsere Absichten mit der nötigen Sicherheit verfolgen, doch getragen wird das Festhalten an diesen Konventionen ist nur zum Teil getragen vom Bewusstein des subjektiven Interesses an Sicherheit, sondern von sog. Künstlichen Tugenden – die Hobbes´ persönlichen Motiven eine unpersönlichere Ebene hinzufügen, ohne aber so absolut wie vollständiges unparteiisches Wohlwollen zu sein – die bewirken, dass gewisse Verhaltensregeln generell befolgt werden, auch wenn unsere Sicherheit nicht unmittelbar in Gefahr ist.97

o Nicht die persönlichen Akte im einzelnen, sondern unsere Teilhabe an Konventionen einer ganzen Gemeinschaft.98

Rousseau: - Hier steht nicht so sehr das konventionelle Moment wie bei Hume im Vordergrund, sondern

begreift unser soziales Dasein in auffälliger Weise als die Ausbildung eines besonderen Aspekts des Selbst – die Teilhabe jedes einzelnen an einem >Gemeinwillen< -, der allerdings nicht die ganze Persönlichkeit ausmacht und es der Privatperson auch weiterhin gestattet, in ungehinderter Selbstentfaltung Ziele sich zu eigen zu machen, die dem gemeinschaftlichen gut – als der Materie dieses eigenen Willens – nicht zuwiderlaufen.99

- Trotz des Einrichtens des Sozialstaates sind die enormen Ungleichheiten des Reichtums und der Macht, die nach wie vor erzeugt werden, unvereinbar mit einer wirklich angemessenen Reaktion auf jene unparteiische Einstellung, in der sich der überpersönliche Standpunkt ursprünglich manifestiert. Liberale Gesellschaften mögen besser sein als die Konkurrenz, aber noch lange nicht gut genug, sie sind nicht mehr als ein organisatorisches, arbeitsfähiges Provisorium.100

- Frage: Ist eine Konzeption eines Systems möglich, das konsequenter das Ideal der Gleichheit zuträglich ist, und dabei den Anforderungen der Unparteilichkeit besser genügen könnte, als es der Liberalismus je erfüllen könnte.101

o Liberalismus, wenn er auf Egalitarität ausgerichtet ist, birgt immer schon die Quelle für Instabilität in sich.

- Moralische Arbeitsteilung zwischen gesellschaftlichen Institutionen du Individuen kann nur funktionstüchtig sein, wenn ihr auch die nötige Differenziertheit des Individuums entspricht, die auf die Ausbildung einer integrierten Lebensform hinausläuft, welche es ihm erlaubt, seine persönlichen Zwecke zu verfolgen und sich dabei gleichzeitig für die unparteiischen Institutionen einzusetzen, in die solche Bestrebungen eingebettet sind und von denen sie bedingt werden. 102

- Der Schutz der Individualität um ihrer selbst willen macht eine ebenso dringliche Adäquatheitsbedingung politischer Theorie aus wie es die Gleichheit ist.103

96 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 82.97 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 82f.98 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 83.99 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 83.100 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 84f.101 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 85.102 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 86.103 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 87.

bhaupt, 19.08.12,
Dieses wäre auch das Rohstoffprivileg
Page 14: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

- Altruismus wäre zu abstrakt, um sinnvolles Handlungsmotiv zu sein, die meisten produktiven Tätigkeiten hingegen haben die pünktliche Konzentration auf weitaus konkretere Aufgaben und Anstrengungen zur Voraussetzung.104

- Die Wirkung von Institutionen ist: indem gezielte Formen gesellschaftlicher Praxis in Kraft gesetzt werden, die eine Umgestaltung des Bewusstseins nach sich ziehen, das sie von sich haben, und es für sie natürlich werden lassen.105

- Die Denkfigur einer moralischen Arbeitsteilung zwischen Individuen und Institutionen gibt uns keine Lösung an die Hand, sondern gibt uns nur zu erkennen, welche Form eine Lösung anzunehmen hätte: Eine brauchbare Ordnung muss ein System miteinander verschränkter Rollen einrichten, die auf realistische Weise in die Motivationsstrukturen des konkreten Individuums eingreifen können (darunter Wähler, Steuerzahler, Wirtschaftssubjelt etc.). Die Identität jeder konkreten person wurd immer mehr als nur eine dieser Teilidentitäten einbegreifen und darüber hinaus: Familie Religion etc. als weitere.106

- Herausforderung der Institutionen: Ideal der auf Gleichheit wirkenden Unparteilichkeit dienen, ohne an die Individuen mit dem Postulat heranzutreten, sich einen übertriebenen und unerträglichen Grad der Unparteilichkeit abzuringen.107

o Liberalistische Gesellschaften waren in dem Maße erfolgreich, wie es den liberalen Institutionen und Konventionen gelungen ist, sich als komfortabel für die Psyche des einzelnen und als gewohnheitsbildend zu erweisen.108

Kapitel 7: Egalitarismus - Inwieweit ist es eigentlich wünschenswert oder möglich, das Gleichheitsprinzip dereinst auch

auf das Gebiet sozialer und ökonomischer Beziehungen unter den Individuen zu übertragen.109

- Es ist das Interesse an Unparteilichkeit, das uns Grund gibt, mehr Gleichheit zu wollen.110

- Unparteilichkeit ist per se und auch in ihren Implikationen; selbst wenn sie das nicht wären, würde sie es infolge des abnehmenden Grenznutzens dann im zuge ihrer distributiven Konsequenzen.111 Wem also würden zusätzliche 2000 Euro mehr nutzen? Nicht Reichen, sondern Bedürftigen.

- Wenn entschieden werden soll, welchen Individuen geholfen werden muss, stellt sich die Frage, wie ihre disparaten und einander widerstreitenden Ansprüche unter einen Hut zu bringen sind. Eine Rücksicht auf das Beste schlechterdings aller liefert hier keine Antwort.112

- Eine der Dringlichkeit entsprechende Abstufung unserer Sorge um alle wird wird der richtig verstandenen Unparteilichkeit inhärent sein.113

104 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 87f.105 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 88.106 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 88f.107 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 89.108 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 89.109 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 91.110 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 92.111 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 93f.112 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 95.113 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 95.

Page 15: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

- Der Utilitarismus nimmt nicht nur, wie Rawls meint, die Verschiedenheit der Menschen nicht ernst, darüber hinaus bringt er, wie Nagel meint, auch noch falsche Ergebnisse hervor: Er zeigt nicht auf, wie zwischen den widerstreitenden Interessen und Ansprüchen entschieden werden könne, die eben nicht allgemein oder generell so oder so zueinander stehen (verstärken vs. aufheben). Dennoch werden sie im Utilitarismus einfach voneinander verrechnet.114

- „Reine Unparteilichkeit ist somit >an ihr selbst egalitär< in eben dem Sinne, daß sie die schlechter Gestellten von den besser Gestellten bevorzugt unterstützt. Nicht ist sie egalitär in dem Sinne, daß sie etwa denjenigen, die es besser haben, Vorteile mißgönnt, die minder Begünstigte nichts kosten, denn unparteiische Rücksicht ist universell.“115

o Hierbei ist die ökonomische Ungleichheit nur ein Kapitel unter anderen. - Nagel präferiert eine Variante, die die schlechter Gestellten prinzipiell vor den besser

gestellten zu fördern versucht, a) weil sie intuitiv richtig zu sein scheint, denn es muss um die zu erwartende Qualität ihres vollständigen Lebens gehen b)weil diese Form der Egalität von der besten Interpretation der Unparteilichkeit untermauert wird.116

- Als schlecht erscheint dabei nicht, dass Menschen überhaupt ungleich profitieren oder in ungleichem Maße unter Nachteilen leiden, sondern dass sie ungleich unter den Nachteilen zu leiden haben (resp. Von Vergünstigungen profitieren), für die sie nichts können. Erst unter dieser Bedingung muss den Interessen der schlechter gestellten wirklich Priorität gegeben werden.117

- Potentielle Probleme:o Radikale Meinungsverschiedenheiten, wann genau eine Person verantwortlich ist für

etwas, das ihr widerfährt – Debatten über Willensfreiheit, nötiges Wissen und Möglichkeiten.118

o Schwierigkeit, Widerspruchsfreiheit zu erlangen: Wenn A Vorteil erlangt, für den er etwas kann, daher besser Lage als B hat,

der hierfür nichts kann = intuitiv zulässig Wenn A Vorteil über B, der B schadet, für die B nichts kann, würde man Bs

Ansprüchen Vorrang geben – problematischerweise, denn nicht immer kann der Anspruch so erhalten werden: z.B. Marktwirtschaft119

- Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass Individuen von einem Konglomerat persönlicher und unparteiischer Einstellungen motiviert werden, in dem die Unparteilichkeit konstant die Oberhand behalten würde.120

o Einzige Lösung: System schaffen, das unparteiischer ist und gezielter auf Gleichheit wirkt, als sie selbst.121

- Zwei unterschiedliche Teile:o 1. Frage: Wie kann der Grund dazu gelegt werden, dass komplexe Individuen für ein

unparteiisches System als ein solches Ganzes eintreten?

114 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 96f.115 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 99.116 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 100-102.117 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 102.118 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 103.119 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 103f.120 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 105.121 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 105.

bhaupt, 19.08.12,
Für globale Ebene nutzen! -< und herausfinden: Woran macht Nagel fest, dass das nicht Gerechtigkeitsrelevant ist.
Page 16: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

o 2. Frage: Was kann sie motivieren, die ihnen vom System zugewiesenen Rollen auch aktiv zu übernehmen?

Kapitel 8: Konvergenzprobleme:- Die Frage des Kapitels ist, ob es von konkreten Menschen (angesichts ihrer Polarität)

erwartet werden könnte, ob sie für ein solches System eintreten würden, dessen Struktur einer konsequenten Egalitätsbedingung genügt.122

- Sowohl die Einwände der Schwächeren, als auch jene der Privilegierten – schließlich tragen sie das System und von ihrem Einwilligen hängt die Machbarkeit von Alternativen ab -, sind es also, auf die wir antworten müssen.123

- 2 verschiedene common Optionen würden Wohlhabendere ablehnen können, die auf Egalitarismus beruhen:

- A) utilitaristische Konzeption – in Konflikten entscheidet utilitaristische Maßgabe P.s.: der Witz des Utilitarismus: Nicht zwangsläufig zugunsten der Ärmeren,

sondern vllt. auch der Reicheren 124 Ist das symmetrisch? Widerspricht eher der dem psychologischen Faktum. Es würde eine sehr weitgehende Forderung bedeuten, den eerheblichen Vorteil anderer (d.h. Vergünstigungen, die wesentlich erheblicher wären als die, in deren Genuss er selber käme) als hinreichenden Grund dafür anerkennen soll, während seines ganzen Lebens noch geringere Chancen in Kauf zu nehmen. Heißt: zugunsten anderer ok, zugunsten erheblicher Vorteile des anderen: nicht ok.125

o Das Differenzprinzip ist zwar Grundlage für Nagel, aber es kann nicht uneingeschränkt bei schlechterdings allen vorstellbaren Umständen gelten: in bestimmten, drastisch unverhältnismäßigen fällen kann es auch für minder Bedürftige durchaus vernünftig werden, sich zu widersetzen.126

Egalitäre Unparteilichkeit ist sinnvoller als Utilitarismus: sowohl theoretisch plausibler als auch praktischer Umsetzung wegen.127

- B) garantiertes Minimum (Voraussetzungen für Sicherheit, Selbstachtung und Befriedigung basaler materielle Bedürfnisse gegeben.128

o Hätte ebenso als überzogen zu gelten aus Sicht der Bessergestellten, denn Minimum geht von Grundvoraussetzungen einer erträglichen Existenz aus – nicht von Glück oder Wohlergehen. Damit wäre i.O. ein System abzulehnen, dass mehr als die Vorteile gewährt als durch das Minimum nötig. Schlechtergestellte könnten nicht mit Verweis auf Egalität mehr verlangen. Das behauptet Nagel zwar gleich wieder als unrichtig … aber egal129

122 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 107.123 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 108.124 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 111f.125 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 113.126 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 113.127 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 114.128 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 109f.129 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 114f.

Page 17: Thomas Nagel_Gleichheit Und Parteilichkeit

- Weder also Minimalvariante noch Egalitäre könnten so Probe auf Einhelligkeit bestehen.130 - Nagel hingegen scheint die Minimalvariante nicht im geringsten ausreichend, da sie nur

basale Grundbedürfnisse befriedigt.131 Würden sich die reicheren wirklich in die Lage der unteren Schichten versetzen, würden sie deren legitime Empörung verstehen und nicht plausibel machen, dass mehr Abgaben ihrerseits unvernünftig wäre.132

- Dennoch besteht ein Problem, das nicht unterschätzt werden darf: Stets wollen Individuen von ihrer Gesellschaft zum einen (und prioritär) für sich und darüber hinaus etwas für alle. Appellierte die Konzeption einer solchen Ordnung in zu ausschließlichem Maße an ihre – egalitäre ider utilitaristische – Unparteilichkeit, wird sie einen Großteil des Spektrums der Beweggründe des gemeinen Mannes immer unberücksichtigt lassen.133

- Anders als bei der Frage: Muss ich psl. dafür sorgen, meinem Nachbarn zu einer Waschmaschine zu verhelfen, ist die Frage in einem Institutionensystem anders zu beantworten, gerade da diese Beziehungen bzw. Staaten von der Zwangsmacht einer Institution abhängen. Wir können ebenso etwas für die Dinge, die seine Institutionen hätten verhindern können, wie für die Dinge, die sie faktisch bewirken, denn wir sind kollektiv für die Institutionen zu Rechenschaft zu ziehen, die schließlich ohne unsere Unterstützung gar nicht erst von Bestand sein könnten.134

Kapitel 9: Strukturprobleme- Naheliegende These: persönliche Perspektive in die Bestimmung gehen würden, was von

Personen im Inneren verlangt werden darf, wenn sie Privatentscheidungen treffen; impersonaler Standpunkt/ Unparteilichkeit für prinzipielle Anerkennungswürdigkeit der gesellschaftlichen Grundstruktur.135

o Psl. Standpunkt also für die Frage nach der individuellen Qualität des Lebensim Rahmen der gesetzten Bedingungen, ließe sich dem persönlichen Standpunkt jeder Person Rechnung getragen, so könnte es möglich werden, weitergehende Ansprüche zu neutralisieren.136

o Im Idealfall würde moralische Arbeitsteilung die Verwirklichung der überwiegenden Masse neutraler Werte gesellschaftlichen Institutionen überantworten, die uns dann weitreichende Freiheit ermöglichen würden, im Kontext unseres persönlichen Lebens relative zu verfolgen.137

- Was wir im Grunde benötigen, ist demnach ein Institutionensystem, das die erforderliche Ausdifferenzierung ihrer Beweggründe evozieren würde, die es dann einem jeden erst möglich machen könnte, in seinem öffentlichen Leben konsequent egalitär und im Privatleben nach wie vor parteiisch zu wirken.138

130 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 115f.131 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 116f.132 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 117.133 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 117.134 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 119.135 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 121.136 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 121.137 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 122.138 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 122f.

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Wie bei Ebene national vs. Global ?
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o Dies bleibt aber Wunschdenken, wir können uns solche Institutionen noch nicht vorstellen139

- Auf rechtlicher Seite zwei Optionen, Egalität im ökologisch-sozialen Bereich zu forcieren. In beiden Fällen hätte die Rechtsordnung mit der Wirtschaft in einer Weise zu interagieren, dass die Vielfalt und Wirtschaftlichkeit der Produktions- und Distributionsbedingungen nicht zerstört und den Individuen noch genügend Freiraum gelassen würde, ihr Privatleben führen zu können:140

o 1. In Verfassung verankern, würde Grundfigur der moralischen Teilung am meisten verkörpern, aber sie stützt sich auf eine wahrscheinlich unbrauchbare Analogie, nämlich von einer politisch-rechtlichen Verfassung auf eine ökonomisch soziale. Erstere lässt sich gut realisieren, zweiteres nicht vorstellbar.

Gesundheitsdienstleistungen etc. für reichere Staaten ohne weiteres möglich, aber auch ein soziales Minimum wirkte immer noch nicht als egalitäres System.

Für rechtliche, politische Egalität kann Einschränkung der Zugriffsmöglichkeiten der Mehrheit (Minderheitengesetze etc.) beträchtliches geleistet. Der Schutz der Gleichheit gegen die herkömmliche politische Einflussnahme in bestimmten, begrenzten aber fundamentalen Bereichen ist vereinbar mit den Diskrepanzen im Hinblick auf die erfolgreiche Umsetzung konkurrierender Ziele mit den Mitteln demokratischer Politik in anderen Bereichen.141

Aber: Diese Institutionen verdanken ihrem Erfolg gerade der Tatsache, dass ihre Ziele so begrenzt sind, denn sie halten die Verwirklichung persönlicher Grenzen nur so weit in Grenzen, als sich jeder seiner Sicherheit erfreuen kann.142

o Aber: ökonomisch-soziale Faktoren lassen sich nie und nimmer dem Einfluss wirtschaftspolitischer Kompromissbildung und ökonomischer Beweggründe entziehen. Diese Art von Entscheidungen sind so beschaffen, dass sie erstens permanent getroffenw erden müssen und zweitens von Individuen, die –als Wähler oder Wirtschaftsakteure – in ihre Entscheidungen immer starke persönliche Motivationskomponenten einfließen lassen. Dieses Motivationsamalgam müsste sich erst einmal wandeln, diese müssten dann so funktionieren, dass sie mit ungeschmälertem Produktionszuwachs kompatibel wären.143

o Zusätzliches Problem: Was, wenn die Armen nicht mehr die Mehrheit hätte? Insgesamt wäre wohl dramatische Veränderung der Menschen nötig, mehr als gefordert werden könnte, weltweit betrachtet sogar noch schwieriger.144

- Optimistische Sichtweise: historisch-optimistisch: Viele der Ziele, die früher utopisch gewesen wären, gehören inzwischen zum Allgemeinbestand (Abschaffen der Sklaverei, Gleichstellung etc.). Dabei zeigt sich allerdings durchaus, dass konkrete Menschen sich erst

139 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 123.140 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 123.141 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 123-125.142 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 126.143 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 127.144 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 127f.

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Wachstum, Wachstum …
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einmal an die jeweils vorangegangene Stufe gewöhnen müssen, bevor sie nach und nach wahrnehmen können, dass weitere Fortschritte möglich sind.145

o Wiederum würde das einen dramatischen Motivationswandel verlangen, da jedoch in der momentanen Ordnung davon ausgegangen werden muss, dass die tragende Rolle vom Eigennutz motiviert wird, der nur in gewissen Grenzen in Schranken gehalten werden kann/soll -> schwierig.146

o Das ökonomische Leben lässt sich nicht ohne verhängnisvolle Folgen von privaten Entscheidungen und persönlichen Beweggründen lösen, umgekehrt scheint die Art und Weise, wie solche Motive in der Wirtschaft wirksam sind, Sachzwänge zu erzeugen, die jedes Streben nach der Realisierung eines umfassenderen egalitären Ideals mit Notwendigkeit frustrieren müssen – albekanntes Problem: Motivationsanreize.147

o Gerade der Nutzen der Privatwirtschaft groß: Produktivität, Innovation, Vielfalt, Zuwachsraten. Anreiz: Profit und Angst vor Bankrott. Auch aus unparteiischer Sicht wäre es fragwürdig, ob Alternative wünschenswert wäre (bezahlbar, aber mangelhaft). Wenn also durchschnittliche Qualität eines jeden Bürgers geringer ausfällt – wer könnte sagen, es sein eine bessere Alternative? Überwindung würde schließlich so was wie sozialistische Konkurrenzwirtschaft/simulierten Kapitalismus erfordern148

Proble Zentralbehörde ist auch: Politik müsste arge Zurückhaltung üben, nicht die Resultate zu diktieren.149

- Man könnte intuitiv sagen, dass sich die Menschen in vielen Fällen also falsch verhalten, doch fällt es uns weniger leicht zu sagen, wie sie sich denn verhalten müssten.

- Wie gezeigt ist die Analogie zur Operationsweise des polit. Systems in seinen v.a. negativen Rechten nicht geeignet, sie zielen darauf ab, jedem dasselbe zuzubilligen. Nur bei Rationierungen aufgrund extremen Mangels, im Normalfall untauglich, wenn Nachfrage Erhöhung der Produktion nach sich ziehen kann.150

- „Es ist mir eine offene Frage, ob ein alternatives System überhaupt realistisch vorstellbar wäre, in dem die Ziele des wirtschaftlichen Lebens zum großen Teil dieselben blieben, wöhrend die Anreize, die zur effizientesten Umsetzung eben dieser Ziele führen würden, keine ökonomischen mehr wären.151 [Pogge: in Systematik umprogrammieren]

- Idee läge zwar nahe, materiellen Gewinn durch irgend eine Art ideellen ersetzen zu wollen, doch = utopisch [und funktioniert nicht, da einschränkend]

145 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 128.146 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 129.147 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 129.148 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 130.149 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 131.150 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 133.151 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 133.

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Reines Abarbeiten am Sozialismus
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Kapitel 10: Gleichheit und Motivation- Gleichheit mithilfe von Institutionen zu verwirklichen funktioniere nur, wenn sie bereits in

ihrer Anlage eine Äußerung dessen sei, was eine hinreichende Anzahl an Individuen fühlt.152

- Aber auch: Gesetzliche Abschaffung von offener Diskriminierung – vom Staat vollzogen, durchgesetzt und gegen Übergriffe geschützt, hatte alsbald profunde psychische Auswirkungen, die der gesetzgeberischen Maßnahme im Gegenzug wiederum Stabilität verliehen haben.153

- Im ökonomischen Bereich machen sich die Nutznießer jedoch zumeist vor, Anspruch auf das Glück zu haben – auch auf Talent, gesellschaftlicher oder ausbildungsbedingter Möglichkeiten. Es wäre hier eine veränderte Moral nötig, die als Bildungsprozess erst entstehen kann und selbst dann den persönlichen Standpunkt keinesfalls aus den Augen verlieren kann.154

o Dafür hätten sich versch. Vorstellungen zu verabschieden:o Ursprung sozialer Ungerechtigkeit sei immer nur Ausbeutung – wer für Egalitarität

eintreten will, muss eben einsehen, dass die Zuteilung von Vergünstigungen eben nicht von Produktionsleistungen abhängen darf. Arbeitswertlehre = nicht gültig, denn der Wert z.B. eines Produktes ist keine Funktion des Arbeitsquantums, sondern anders: Wert der Arbeitsleistung ist eine Funktion seinerseits zur Herstellung des Produktes und andererseits zum Wert des Produktes selbst.155

o 2. Zu verabschieden: es gäbe einen fundamentalen Unterschied zwischen dem was der Staat zulässt und dem, was er tut. Oft werden einige Aspekte des Wirtschaftssystems als naturgegeben angenommen, müsse also nicht gerechtfertigt werden, Staat könne nur dann etwas dafür, wenn er eingreife (Libertäre)156

Nagel aber meint: Auch eine Nicht-Entscheidung ist eine Entscheidung, sobald Alternativen zur Verfügung stehen. Unterlassene Einmischung ist daher ebenso rechtfertigungsbedürftig. Eine Gesellschaft als solche hat alle Vorteilsverteilungssysteme als prima facie gleichermaßen wählbar zu behandeln.157

- Explizit gegen John Locke, der ja meint staatliche Herrschaft sei jederzeit ein Eingriff in naturwüchsige, moralische Beziehungen unter den Individuen.158

- Die Ursachen der Ungleichheit – 3 Ursachen der ökonomisch-sozialen Ungleichheit, die je eigene Probleme sozialer Gerechtigkeit aufwerfen und einen vierten Typus, der unproblematischer erscheint:159

o 1. Kategorie: vorsätzliche Diskriminierung o 2. Kategorie: Klassenlage: heriditäre Vergünstigungen (Besitz von Ressourcen und

verfügbare Möglichkeiten, Konkurrenz durch Bildung zu bestehen). Vielfach unterschiedliche Schichtenzugehörigkeit. Mit Hilfe positiver Chancengleichheit kann zumindest ein Teil hier geleistet werden, die Ungleichheit zu vermeiden.

o 3. Begabungsverteilung: Naturbedingte Befähigungen, Rawls: „Lotterie der Natur“ mit dem Vorschlag, ihnen über die Gegenmaßnahme des Differenzprinzips zu begegnen.160

o 4.: Einsatz/ persönliche Bemühung

152 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 136.153 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 137.154 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 138f.155 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 140.156 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 141.157 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 141ff.158 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 144.159 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 144f.160 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 144f.

bhaupt, 21.08.12,
Widerspreche ich, aber: zeigt, dass Pogges Vorschläge mit Widerstand zu rechnen hätten.
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- Rawls hierzu: System der natürlichen Freiheit vs. Diskriminierung, 2. liberale Gleichheit (mit Chancengleichheit) vs. Klassensystem und Diskriminierung; demokratische Gleichheit (durch Differenzprinzip), dass allen drei Ursachen entgegen wirkt.161

- Die vier Faktoren wirken unterschiedlich mit- und aufeinander, zuweilen auch kausal oder begünstigend. Aber: alle vier Faktoren verursachen Ungleichheiten nur aufgrund der Operationsweise eines vorstrukturierten gesellschaftlichen Systems, das verschiedenartige Stellungen oder Rollen bereithält und die mit ihnen verbundenen unterschiedlichen Chancen, Vergünstigungen oder Nachteile.162

- Die vier Ursachen bilden eine Staffelung, wenngleich alle auf das Bewusstsein wirken, haben sie nicht alle ihren Ursprung dort.163

o Absichtliche Diskriminierung wird als Zwang zur Gänze außerhalb des Opfers erzeugt.o Klassenlage: gesellschaftlicher Faktor, aber (zunächst) durch das Medium der Familie

auf das Individuum übertragen.o Begabung – interne Eigenschaft, auch wenn seine Entfaltung natürlich

(Fähigkeiten/Qualifikationen) von äußeren Umständen mit abhängt.164

o Einsatz als innerster Faktor, der einzige, bei dem davon ausgegangen werden kann, in den Bereich der persönlichen Verantwortung zu fallen.165

- Gradmesser der Gleichbehandlung beinhaltet eine Aversion gegen Unfairness systematischer Ungleichheiten.166

o Unfairness ist erfüllt, wenn Vergünstigungen für einige von den gesellschaftlichen Mechanismen mitverursacht werden, und so für eine ungleiche Behandlung der gesellschaftlichen Mitglieder führen. Einige Formen von Unfairness schätzt Nagel sogar so stark ein, dass sie auch dann unfair sind, wenn sie Rawls´ Differenzprinzip genügen.167

- Nach dem Verantwortungskriterium sieht es so aus, als könne nur der vierte Faktor, Einsatz, als legitime Ursache für Ungleichheiten gerechtfertigt sein. Bei allen anderen neigt man zu einer unterschiedlichen ethischen Gewichtung- davon 3 Kategorien:

o 1) Ursachen, für die andere [intendierter-weise] verantwortlich sind 2) Ursachen, für die niemand ganz bestimmt zur Rechenschaft gezogen werden kann, sondern allenfalls das System, 3) Ursachen, für die das Individuum verantwortlich ist-

o Welche davon ist anstößig? Entweder die ersten beiden, oder nur die erste? Hier hilft die Auftrennung personal, impersonal. 1)=Diskriminierung = unstrittig. 2) = Klassenlage: Hier einerseits System, andererseit haengt es auch von dem besonderen persönlichen Interessen ab, dass Menschen an ihren nächsten (Kindern) nehmen.168

Tabu nepotistischer Praktiken = Errungenschaft (negative Chancengleichheit), eine gänzliche Abschaffung wird jedoch solange nicht existieren, wie Familien Kinder haben, denen sie eine gute Ausgangslage vermitteln wollen – u.v.a. solange Klassen existieren.169 Und in Grenzen ist das auch nicht inakzeptabel.

Staatliche Förderung, im sinne positiver Chancengleichheit, versucht die Wirkungen einzugrenzen. Zudem wäre denkbar und wichtig: Begrenzung der heriditären Vorteile (zunächst Einstellungswandel der Öffentlichkeit hierzu).170

161 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 146.162 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 146.163 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 149ff.164 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 150.165 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 150.166 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 151.167 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 153.168 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 154f.169 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 154-159.170 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 158f.

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- Befähigung wird als recht private ES des Individuums aufgenommen, verknüpft sich ja nicht zuletzt mit der Identität selbst, doch die wirtschaftlichen Gratifikationen sind (im Ggs. Zu Bewunderung, Applaus etc.) hiervon zu trennen – hier einen Weg zu finden wäre wünschenswert, über institutionellen Weg aber undenkbar, denn es würde Wettbewerb abschaffen; Maßnahmen zur Unterbindung des Einflusses von Diskriminierung und Klassenlage erweitern den Wettbewerb. Und die Gesellschaft profitiert vom Ausschöpfen der Fähigkeiten des Individuums.171

o Jeder Versuch, begabungsbedingte Ungleichheiten in Schranken zu halten, ohne den Arbeitsmarkt abzuschaffen, muss den indirekten Weg einer progressiven und redistributiven Besteuerung gehen.172

o Zudem ist es nicht wünschenswert, beim ursächlichen Einfluss des Faktors der Begabung in eine legitime und illegitime Vorteilsverursachung zu unterscheiden. Es kann also um nicht mehr gehen, als die Größenordnung der krassen Ungleichheit in den Lebenschancen zu reduzieren.173

- Der Besondere Witz_ hier geraten Beweggründe des persönlichen Nutzens und der überparteilen Egalitarismus in Konflikt: Ich müsste, als Begabter und Verdienender, danach streben, meine persönlichen Ziele möglichst gewinnbringend zu nutzen, obwohl ich von egalitärer Seite eine stärkere Beschränkung fordern müsste.174

o Vorteile als legitim zu verfolgen, als illegitim in der Gesamtheit.175

o Unser Egalitärer Sinn für Fairness muss eben jene Ungleichheiten als bedauerlich erscheinen lassen, aus denen wir als privater Wirtschaftsakteur unseren nutzen ziehen wollen sollen. Bsp.: Dreisternekoch. Anders gesagt: Maximalen Gewinn aus einer Quelle ziehen, die sie von vornherein für ethisch fragwürdig finden.176

- Zwei Probleme stellen sich im Grunde:o A) Anreize: Solange private Beweggründe die wirtschafltichen Dezisionen des

einzelnen regieren, solange werden die Ungleichheiten, die das Differenzprinzip tolerieren uss, auch von fundamental antiegalitären Faktoren bestimmt sein.177

o B) ethisch kohärente Gesamtposition? Unfair vs. Anspruch aus System herauszuholen, was ich kann. Beide Moralen wirken nach unterschiedlichen Anforderungen.178

- Dritte Gruppe: Abwägen zwischen: Freizeit vs. Prdouktion

Kapitel 11: Optionen - Das generelle Problem: Es gibt eine persönliche Dimension des Lebens, in der egalitäre

Unparteilichkeit nichts zu suchen hat, die jedoch in Interaktion mit gesellschaftlichen Dimensionen Formen von Ungleichheit verursacht, die ernste Fragen der sozialen Gerechtigkeit aufwerfen.179

- Zwei Raktionsweisen:o A) nicht rechtfertigungsbedürftig, da Ursachen 2 und 3 i.O. - ist eben so o B) Sobald Ungleichheiten dadurch zustande kommen, dass natürliche unterschiede

mit Institutionen der Gesellschaft zusammenwirken, sind die Resultate zwangläufig

171 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 159f.172 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 161.173 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 167.174 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 162f.175 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 162.176 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 163.177 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 164.178 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 164f.179 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 169.

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ethisch rechtfertigungsbedürftig, und zwar nach Maßgabe der für die jeweiligen Institutionen maßgebenden Gerechtigkeitsstandards. -> Rawls Position im Ggs. Zu Locke. Für letzteren dominiert persönlicher Einsatz, für Rawls das System.180

- Die Möglichkeiten für einen Wandel der Öffentlichkeit sind begrenzt, (psl. Beweggründe bleiben wirksam, Befähigung lässt sich nicht verteilen, Effizienz- und Wettbewerbsausrichtung der Wirtschaft, Substitution psl. Beweggründe dürfte nicht funktionieren)181 – Wohlwollen reicht nicht aus.

- Kartellverbot/Monopolverbot = erklärbar aus impersonalen interesse an der Aufrechterhaltung grundlegender Rahmenbedingungen, die in (nur) diesem Fall mit persönlichen profitorientierten Beweggründen koexistieren können.182

- Garantie eines gesetzlichen Minimums wäre etwas anderes als egalitäre Politik.183

- Zwei optionen:184 o A) hoffnungen runterschrauben, partielle Annäherunhen suchen o B) radikale Umgestaltung

- In Pkt. A: könnte so aussehen: vorhandenes, schlechtes Gewissen ausnutzen, um hohes soziales Minimum mit gesunden, moralisch anständigen Lebensbedingungen für jedermann einführen, inkl. Fairer Chancengleichheit. Es wäre nicht dazu notwendig, Aversionen gegen Ungleichheiten oberhalb dieser Grenze zu hegen, finanziert durch höhere Einkommen, Einstellungswandel findet statt, müsste sich aber nicht gegen Ungleichheit per se richten. Es würde dadurch jedoch auch kein schlechtes Gewissen oberhalb dieses Minimums entstehen, Öffentlichkeit würde sich aber zumindest voll und ganz auf Bekämpfung der Armut stürzen185.

- Option B, für die, die mehr Egalität wollen: Einstellungswandel hin dazu, dass ein Sich-Besser-Stellen missbilligt würde: privatleben etc. würden natürlich weiterhi existieren sowie private Beweggründe, aber man würde sich nicht mehr auf Kosten der anderen vorwärts bewegen. Keine Epidemie der Entsagung aber, sodern nach wie vor matiereller Komfort, aber unter der Maßgabe, dass ihn sich alle leisten können.186

- Der Wunsch, mehr zu erhalten, aber nicht mehr als die anderen, scheint ungeeignet für produktive Kräfte zu sorgen. Andere Anreize sind zwar durchaus möglich („Beifall von oben“ für Arbeiter etc., aber wie soll das verwirklicht und sinnvoll für jeden gemacht werden [schließlich schon nach Aristoteles out: es wäre eben kein freies System, sondern vorgegeben).Es müsste dann also aufgetrennt und abgekapselt werden: Informationsfunktion des Marktes und Profitmaximierung einerseits sowie Motiv des persönlichen Gewinns andererseits, letzteres umprogrammiert werden, um andere Motive an seine Stelle treten zu lassen.187

- Ergo: nicht möglich.

Kapitel 12: Ungleichheit: - In diesem Kapitel geht es ihm darum zu begründen, warum Kunstförderung sinnvoll ist und

eben nicht immer egalitär erfolgen kann: o Es gibt einen Unterschied zwischen einem Wert an sich der Dinge, und dem Wert,

den Dinge für die Menschen haben.

180 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 169f.181 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 170f..182 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 173.183 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 173.184 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 174.185 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 174-176.186 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 177.187 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 178-180.

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o Die Dinge, die Wert an sich haben (Kunst, Forschung) etc. sind auch dann intrinsisch wertvoll, wenn nur eine Minderheit (intellektuellen) Zugang hat. Rawls lehnt zwar eine finanzielle Förderung für den „Perfektionismus“ (auch Uni/Oper) um seiner selbst willen ab, wenn sie nicht auf gesellschaftliche Ziele hinwirken, die Gerechtigkeit fördern. Dennoch bleiben für Nagel die Förderungen legitim, selbst wenn Fehler gemacht werden, nicht aber, weil das kreative Naturen eben verdienen oder ihres die höheren Freuden wären, sondern weil diese Leute wirksam dafür sorgen, dass solche großen Kunstwerke überhaupt entstehen können. Bedingung ist nur, dass die Entwicklung und Ausgestaltung der Fähigkeiten keine Sache ist, die ungerecht verteilt ist; hier also muss Staat für positive Chancengleichheit sorgen.188

Kapitel 13: Rechte - Unterscheidung zwischen exklusiven und nicht-exklusiven Rechten: exklusive Rechte = jene,

die es anderen verwheren, ihren Genuss unmittelbar zu behindern; nichtexklusiv: das Recht auf eine Sache, hier können zwei Menschen im Prinzip das Recht auf dieselbe Sache besitzen.189

- Hobbes glaubt, dass es zu solchen exklusiven Rechten nur kommen lann, indem die in eine bürgerliche Verfassung tretenden Individuen auf ein weites Feld nichtexklusiver Rechte verzichten.190

- Locke sieht exklusive Rechte, bes. auf Freizügigkeit und Aneignung, als in der Natur bereits vor aller Vergemeinschaftung vorausliegend.191

- Nagel beruft sich gleichwohl mit Hume darauf, dass nichts stärker in der Natur von Menschen begründet liegt, als dass sie Konventionen ausbilden und stabil halten, indem sie sich in Rechtsnormen niederschlagen. „Die Anerkennung von Rechten ist somit zwar immer eine Form moralischer und sozialer Praxis, doch dessen unbeschadet reagiert diese Praxis stets auf ein tief im Menschen verwurzeltes natürliches Bedürfnis.“192

- Bei der Festlegung der Rechtsnormen müssen immer derern Auswirkungen im Gesamten eingerechnet werden, icht bloß für eine Einzelhandlung. Das schließt nicht nur Nutzenmaximierung sondern auch und vor allem Schutz der Persönlichkeit ein.193

- Dabei kommt dem Schutz, d.h. Abwehrrechten vor der staatlichen Zwangsgewalt sebst gleiche Wichtigkeit zu wie der staatlichen Durchsetzung von Rechten gegen eine mögliche Behinderung des Privatindividuums durch andere.194

- Die genaue Form von Eigentumsrechten, Verträgen oder Erbschaftsregelungen etwa sollte sowohl im Hinblick auf den Gesichtspunkt persönlicher Freiheit festgelegt werden, als auch ganz entscheidend davon abhöngen, welche ökonomischen Auswirkungen diesen Rechte auf längere Sicht hätten, was die Produktionsverhältnisse und was die Güterzuweisung anlangt.195

188 189 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 194f.190 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 195.191 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S.195. 192 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 195.193 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 196.194 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 197.195 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 197.

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- Rechte, die uns gegen Eingriffe in unsere Privatsphäre schützen, müssen dabei aber weitaus mehr auf die Qualität jeden Lebens Rücksicht nehmen. Die Legitimität solcher Schutzleistungen ist wesentlich an die nichtkumulative und auf Einigkeit orientierte Form der Legitimitätsauffassung gebunden. Eine Gesellschaft muss jedem konkreten Menschen erträglich sein und zwar aus einer prinzipiell heterogenen Perspektive.196

- Nichtkumulativ ist wichtig, denn: das ist dem Zugriffsrecht utilitaristischer Annahmen per se entzogen, und gewährt jedem denselben Anteil. Hingegen sind kumulativ z.B. ökonomische Möglichkeiten. Kontrovers ist seit jeher die genaue Demarkationslinie zwischen dem Kumulativen und dem Nichtkumulativen. Unser Widerstand gegen libertäre Auffassungen, die zu stark zur Gewichtung kumulativer Werte neigen, gründet sich auf die Bedingungen der Möglichkeit politischer Legitimität.197

- Einhellige Anerkennungswürdigkeit der Grundstruktur einer Gesellschaft kann nur gesucht werden, indem von Anfang an als Faktum anerkannt wird, dass es Einstimmigkeit im Hinblick auf Werte und Ziele nicht gibt – entgegen aller geschlossenen Systeme!198

- Bestimmte Rechte dürfen nicht einmal dann verletzt werden, wenn sich durch die Verletzung Rechtsverletzungen größeren Ausmaßes verhindern lassen (z.B. Töten etc.) Grund ist, dass die Rechte dann nicht mehr als grundlegende Rechte dauerhafte und unzweifelhafte Existenz beanspruchen können – es würde einer subtilen Verschlechterung des moralischen Status von jedermann gleichkommen.199

- Wichtigste Message: MR eminent wichtig, nicht bloß rhetorische Übung.200

Kapitel 15: Grenzen: Der Globus - Eine der Konsequenzen aus vorher gesagtem: Legitime Herrschaft wird nicht immer möglich

sein; insbesondere dann, wenn in einer Sozietät allzu radikale Gegensätze fundamentaler Interessen oder Werte existieren; sodass es sich als unmögllich erweist, hinreichende gemeinsame unparteiische Motive und Individuen auffinden zu können.

o Wohl mag es dann möglich sein, an ihr psl. Eigeninteresse zur Kriegsvermeidung zu apellieren, doch jede dieser Parteien könnte den Kompromiss „vernünftigerweise“ ablehnen, sobald sie in der Lage sind, den Konflikt unmittelbar für sich zu entscheiden, in der Zwischenzweit könne als zweitbeste Mglkt. Ein modus vivendi hingenommen werden.201

o Eine mögliche Ursache für diese Konstellation = Kollision von Wertesystemen. Besonders gravieren ist das, wenn die kollidierenden Werte oder Überzeugungen unmittelbare Implikationen für die Grundbedingungen einer gerechten politischen Ordnung haben. Um unter solchen Umständen friedlich miteinander leben zu können, benötigen die Menschen ein höherstufiges ethisches oder praktisches Ideal.202

196 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 197f.197 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 198-200.198 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 202.199 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 197.200 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 212.201 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 235.202 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 235f.

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- Die Weltöffentlichkeit im Ganzen schließt tatsächlich so viele kulturelle und nationale Gemeinschaften mit radikalen Divergenzen ein, sodass sich keine in unserem Sinne legitime politische Ordnung mehr konzipieren ließe, unter der diese alle zu leben vermöchten kein einheitliches vernünfitges Zwangssystem, dessen Grundstruktur für alle anerkennenswert wäre. Daher legitime Weltregierung nicht möglich203

- Zweiter Grund, warum Weltregierung nicht möglich ist: hängt mit der Natur des Konflikts zwischen universalen Bedürfnissen zusammen, d.h. die großen Grenzen zwischen arm und reich. Das kann sich zwar auch innerhalb eines Staates stellen, aber bes. auf globalem Niveau allgegenwärtig. Wer zu den Armen gehört müsse sich als“ das Opfer geradezu unfaßlichen Pechs sehen“204

- Es wäre auf kürzere Sicht keine Alternative sichtbar, deren Ablehnung für jeden unvernünftig wäre – sofern wir eine plausible Mischung persönlicher und unpersönlicher Motive zugrunde legen.205

- Wieder sieht Nagel nur zwei Möglichkeiten: Entweder allmähliche Änderung oder revolutionärer Prozess, hätte aber das ein oder andere Resultat vernünftigerweise anerkannt zu werden? Nein, denn in einem solchen Zustand derart extremer Armmut können sich jederzeit die Armen weigern, einen bloß allmählichen Wandel hinzunehmen, die Reichen hingegen sich gegen „revolutionären“ Umsturz weigern. Keine der beiden Parteien wäre hierin unvernünftig.

- Es ist nicht per se verkehrt, auch eklatante Verzichte anzunehmen, z.B. Sklaverei; allerdings sieht Nagel das Problem hier woanders verortet: Voraussetzung, dass der Reichtum des Wesens in erster Linie auf seine technologische Überlegenheit zurückzuführen ist und nicht etwa, dass er diese Völker ausbeutet oder ihre Ressourcen plündert, wenn also die Unterentwicklung dieser Länder nicht primär gezielter Zwangsgewalt von seiten des Westens geschuldet ist.

- Wenn seine Annahme stimmt, dann könnten die reichen nicht unvernünftigerweise die Opfer verweigern, da es sehr beträchtlich wäre.206

- Jede der Parteien dürfte sich in solchen Fällen nach drei unterschiedlichen Gründen richten, und zwar a) egalitärer Unparteilichkeit, b) persönlicher Interessen und Schuldigkeiten und c) Rücksichtnahme darauf, was anderen mit Vernunft zugemutet werden kann.207

- Insbesondere vermögen die armen anzuerkennen, dass es nicht unvernünftig von den reichen ist, sich angesichts ihrer Interesenkonstellation gegen den vin ihnen verlangten Verzicht zu wehren, sobald Maß an Zugeständnissen überschritten wird, same to the poor a la: zu wenig, gerade unter dem Druck der Dringlichkeit ihrer Bedürfnisse.208

o „Widerstand gegen ein vernünftiges Ziel kann seinerseits vernünftig sein.“ Und unter bestimmten Umständen kann auch herrschende Gleichheit illegitim sein209

- Steht keine Lösung zur Verfügung, die von niemandem billigerweise abgelehnt werden könnte, kann keinem der Konfliktparteien ein strick daraus gedreht werden, dass er einen für ihn akzeptable und die Opposition inakzeptable Lösung durchzusetzen versucht.210

203 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 237.204 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 237.205 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 238.206 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 239.207 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 239.208 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 239.209 Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 240.210 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 241.

bhaupt, 22.08.12,
Darf sowohl mit Pogge als auch Jeffrey D. Sachs bezweifelt werden
bhaupt, 22.08.12,
Dürfte das der Fall sein, 2. Ist technologische Überlegenheit des Westens ein seltsames Ding: unter fairen Bedingungen kann man das nicht abschotten, sondern es fände automatisch Technologieftransfer statt. Die Frage ist daher: Warum befinden sich die EL auf einem Status, wo das schlichtweg nicht stattfindet – wohl weil sie, wie auch Jeffrey Sachs vermutet, erst einmal auf die erste Stufe der Entwicklungsleiter klettern müssen.
bhaupt, 22.08.12,
Umso wichtiger ist das Beseitigen der Ursachen, wirft aber die Frage auf, worauf Pogges Entwurf letztlich hinauslaeuft: War es das dann schon? Wie kann man hier dann im nationalen Kontext stärkere Gerechtigkeitsanforderungen anmelden?
bhaupt, 22.08.12,
Und wie Nagel selbst sagt: auch eine nicht-Entscheidung ist eine Entscheidung
bhaupt, 22.08.12,
Kein Weltstaat: OK. Aber dennoch sind die Institutionen da. Dennoch, was problematisch werden könnte: Pogges Vorschlag im Hinblick auf die Saudis
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- „Dass der Status quo überhaupt der Status quo ist, bedeutet für gewöhnlich, daß die Üarteien, die durch ihn begünstigt werden, über die Macht verfügen, ihn auch durchzusetzen; doch sobald andere Parteien unter derlei Bedingungen die Macht erlangen, den Status quo abzuschaffen, kann ihnen kein Vorwurf gemacht werden, wenn sie diese Macht auch gebrauchen.“211

- Es gibt weitreichende Zugeständnisse, die von Reichen nicht vernünftigerweise abgelehnt werden könnten, und umgekehrt Forderungen… aber: in unserer Welt ist o.g. Konstellation vorhanden.212

- Die aktuelle Hilfe der Reichen ist, so Nagel: nicht ausreichend, auch der Betrag, den man für wirksame Hilfeleistungen aufzubringen hätte, sei lächerlich gering. Als zwischenzeitliches egalitäres Provisorium gebührt daher einer minimal anständigen internationalen Hilfe ebenso unsere einhellige Unterstützung wie oben dem nationalen Ziel, ein erträgliches gesellschaftliches Existenzminimum zu gewährleisten.213

o Und doch gilt, daß die Art und Weise, in der wohlhabendere Länder auch nach der zu verlangenden deutlichen Steigerung der internationalen Großzügigkeit noch ihre nationalen wirtschaftlichen Interessen schützen müssten, schlicht als unmittelbare Äußerung der berechtigten und natürlichen persönlichen Motivation ihrer eigenen Bürger zu begreifen wäre.214

- Welt ist guter Kandidat, um zu zeigen, das Weltrepublik nicht ginge. Keine Voraussetzungen für vernünftige Einhelligkeit im Hinblick auf soziale Kooperationen und die nötigen Mechanismen zur Auflösung von Werte- und Interessenkonflikten.215

- Zudem würde eine legitime Weltrepublik, wenn sie möglich wäre, bereits nicht mehr nötig [hier stehen aber auch in einer solchen Constellatio nationale Interessen entgegen! – aber es wäre nicht das Ziel WR, sondern das Ziel = Zustand, in dem es möglich wäre] .

o Die Eingrenzung und Minderung der Werte- und Interessengegensätze, die vonnöten wären, um es für alle auf dem Globus richtig werden zu lassen, die Autorität einer einheitlichen Regierung anzuerkennen, würde es unterschiedlichen nationen immer schon ermöglichen, auch unter Bedingungen eines Systems multilateraler Abkommen und lockerer, kooperativer Institutionen, hinter denen kein Gewaltmonopol stände, in Eintracht zusammen zu leben.216

- Die Gemeinschaft der Nationen ist nun zwar nicht gerade ein Hobbesscher Naturzustand, doch können in ihr Recht und Ordnung, soweit sie dergleichen kennt, nicht im entferntesten auf eigentliche moralische Legitimität Anspruch machen, da sie dort in nicht mehr bestehen als in einem Kräftegleichgewicht, das sich unter Parteien einpendelt, die einander in grundlegender Hinsicht nach wie vor zu sehr widersprechen, um es zu vernünftiger Einhelligkeit bringen zu können.217

- Insofern haben wir uns mit weniger zufrieden zu geben und können nur hoffen, dass es denn wachse.

- Das aufkommen von Legitimität ist bereits ib den Grenzen eines einzelnen Staates immer schon ein langwieriger Prizess gewesen, der für gewöhnlich mit der Etablierung souveräner

211 Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S.241.212 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 241.213 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 242.214 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 242.215 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 243.216 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 243.217 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 243.

bhaupt, 22.08.12,
Doch MR, denn wenngleich sie inzwischen vielfach angezweifelt werden: sie sind unterschrieben, also muss darauf gedrängt werden. Und die Freiheitsbewegungen machen deutlich, dass es sich eben nicht nur um westliche Exporte handelt, sondern um individuelle Rechte eines jeden Menschen. Wenn nicht das, dann kann sich die Welt auf nichts einigen.Insofern: vllt. nicht domstic justice, aber immerhin faire Grundregeln
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Macht anhob, die sich herzlich wenig um Legitimität in unserem Begriffsverständnis gekümmert hat. In vielen Staaten hat der Prozess noch kaum begonnen, Eine gewisse internationale Souveränität würde sich allmählich als Folge, statt als Voraussetzung, eines gemeinschaftlichen Bewusstseins von politischem Recht und Unrecht herausbilden.218

- Eine globale Rechtsordnung muss sich damit zufrieden geben, jenen Werten Ausdruck zu verleihen und nur mehr jene Interessen zu schützen, die von den meisten real existierenden Staaten auch wirklich geteilt werden. Langfristig sollte in die internationale Entwicklung Kraft gelegt werden, die auf breiter Basis Anerkennung der MR zur Folge haben.219

- Bis dahin: in legalistischer und gewaltloser Weise Druck ausüben.220 - Wichtigkeit der Vergemeinscahftung/ Staaten/ Nationen:

o Individuen identifizieren sich zumeist grundlegend mit solchen Gemeinschafrten, ihre persönliche Selbsverwirklichung würde zu einem wichtigen Tel frustriert, könnten sie sich an der politischen Entfaltung und Selbstbestimmung der besonderen Population von Menschen nicht mehr beteiligen, in der ihre Identität verwurzelt ist. Nationen beziehen ihre Einheit aus einer politischen und wirtschaftlichen Kultur.221

Damit verbunden dürfte es schwierig werden, die eigene ethnische Identität der allgemeinen Rücksichtnahme auf die Menschen im allgemeinen hintanzustellen (als motivationaler Faktor).222

Hier wieder, Grund gegen Weltrepublik: Wichtigkeit der Solidarität, sobald es darum geht, politische Systeme arbeitsfähig und in Gang zu halten. Solidarität verlangt schließlich, dass man sich identifiziert mit Menschen, für die man sie empfindet. Damit ist sie, als negative Seite, die immer vorhanden ist: stets auch exklusiv. Als positive Seite = Treue für Institutionen, Eintreten für kollektive Anstrengungen.223

- Insgesamt: es ist vernünftig, Legitimität in erster Linie auf Ebene des Nationalstaates anzustreben oder – wo nötig – auf kleinerer politischer Ebene. Das kollektive Streben nach Wohlstand und Gerechtigkeit für sich selber, das die Bürger besonderer Nationen an den Tag legen, wird sich auch weiterhin unter einem ethischen Damoklesschwert vollziehen. Dabei bilden einige Nationen Inseln relativer Anständigkeit inmitten eines Ozeans voller brutaler Tyrannei und bitterster armut, sodass strenge Einwanderungskontrolle zwangsläufig unabdingbare Voraussetzung für die Erhaltung der hohen Lebensqualität ist.224

218 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 244.219 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 245. 220 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 245.221 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 246.222 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 246.223 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 247.224 Vgl. Nagel: Gleichheit und Parteilichkeit, S. 248.

bhaupt, 22.08.12,
Problem für Pogge. Menschen müssen das mittragen, aber: derzeit tragen sie das System ja auch mit: Lässt sich vernünftig erklären, dennoch tut Teuerung den Menschen weh und könnte zu Ablehnung führen.Also muss tatsächlich ein Einstellungswandel stattfinden, wie er im Buch Pogge and his critics angedeutet wird.!!!!!
bhaupt, 22.08.12,
Wenar: wäre auch bei Ressourcen möglich
bhaupt, 22.08.12,
Falsche Herangehensweise: Staaten vs. Personen. Zudem ist auch dies bereits eine Auswahl von Alternativen!
bhaupt, 22.08.12,
,ag sein, aber rohstoffe sind eben nicht nur arm und reich, sondern auch reich vs. Reich und geboren vs. ungeboren