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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3/86 3. Wahlperiode 5. Juni 2003 86. Sitzung Donnerstag, den 5. Juni 2003 Erfurt, Plenarsaal Regierungserklärung des 7481 Ministerpräsidenten Die Regierungserklärung wird durch Ministerpräsident Dr. Vogel abgegeben. Die Aussprache zu der Regierungserklärung wird durchgeführt. Im Anschluss überreicht Dr. Vogel der Landtagspräsidentin seine Rücktritts- erklärung als Ministerpräsident. Wahl eines neuen Minister- 7501 präsidenten dazu: Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3366 - Der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU in der Unterrichtung durch die Präsidentin des Landtags - Drucksache 3/3366 - wird in geheimer Wahl bei 83 abgegebenen gültigen Stimmen mit 47 Jastimmen, 34 Neinstimmen und 2 Stimmenthaltungen angenommen. Damit ist der Abgeordnete Dieter Althaus mit der gemäß Artikel 70 Abs. 3 LV i.V.m. § 47 GO erforderlichen Mehrheit der Mitglieder des Landtags zum Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen gewählt. Vereidigung des Minister- 7502 präsidenten Der Ministerpräsident leistet den gemäß Artikel 71 Abs. 1 und 2 LV vorge- schriebenen Eid. Rede des Ministerpräsidenten Zweites Gesetz zur Änderung 7504 der Verfassung des Freistaats Thüringen Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 3/2911 - dazu: Beschlussempfehlung des Justizausschusses - Drucksache 3/3250 - DRITTE BERATUNG Nach Aussprache wird der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Druck- sache 3/2911 - in DRITTER BERATUNG mit Mehrheit abgelehnt.

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3 3. Wahlperiode 5. Juni 2003 · Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7475 Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache

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Page 1: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3 3. Wahlperiode 5. Juni 2003 · Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7475 Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 3/86 3. Wahlperiode 5. Juni 2003

86. Sitzung

Donnerstag, den 5. Juni 2003

Erfurt, Plenarsaal

Regierungserklärung des 7481Ministerpräsidenten

Die Regierungserklärung wird durch Ministerpräsident Dr. Vogel abgegeben.

Die Aussprache zu der Regierungserklärung wird durchgeführt.

Im Anschluss überreicht Dr. Vogel der Landtagspräsidentin seine Rücktritts-erklärung als Ministerpräsident.

Wahl eines neuen Minister- 7501präsidentendazu: Unterrichtung durch die

Präsidentin des Landtags- Drucksache 3/3366 -

Der Wahlvorschlag der Fraktion der CDU in der Unterrichtung durch diePräsidentin des Landtags - Drucksache 3/3366 - wird in geheimer Wahl bei83 abgegebenen gültigen Stimmen mit 47 Jastimmen, 34 Neinstimmen und2 Stimmenthaltungen angenommen.

Damit ist der Abgeordnete Dieter Althaus mit der gemäß Artikel 70 Abs. 3 LVi.V.m. § 47 GO erforderlichen Mehrheit der Mitglieder des Landtags zumMinisterpräsidenten des Freistaats Thüringen gewählt.

Vereidigung des Minister- 7502präsidenten

Der Ministerpräsident leistet den gemäß Artikel 71 Abs. 1 und 2 LV vorge-schriebenen Eid.

Rede des Ministerpräsidenten

Zweites Gesetz zur Änderung 7504der Verfassung des FreistaatsThüringenGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 3/2911 -dazu: Beschlussempfehlung des

Justizausschusses- Drucksache 3/3250 -

DRITTE BERATUNG

Nach Aussprache wird der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Druck-sache 3/2911 - in DRITTER BERATUNG mit Mehrheit abgelehnt.

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7474 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Thüringer Bergbahngesetz 7507(ThürBBahnG)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3019 -dazu: Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik- Drucksache 3/3329 -

ZWEITE BERATUNG

Nach Berichterstattung und Aussprache wird die Beschlussempfehlung desAusschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik - Drucksache 3/3329 -einstimmig angenommen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 3/3019 - wird inZWEITER BERATUNG unter Berücksichtigung der Annahme der Beschluss-empfehlung - Drucksache 3/3329 - und in der Schlussabstimmung jeweilseinstimmig angenommen.

Erstes Gesetz zur Änderung des 7511Thüringer AufbaubankgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3185 -dazu: Beschlussempfehlung des

Haushalts- und Finanzaus-schusses- Drucksache 3/3328 -

ZWEITE BERATUNG

Nach Berichterstattung und ohne Aussprache wird der Gesetzentwurf derLandesregierung - Drucksache 3/3185 - in ZWEITER BERATUNG und inder Schlussabstimmung jeweils mit Mehrheit angenommen.

a) Gesetz zur umfassenden Verwirkli- 7511chung gesellschaftlicher Teilhabebehinderter Menschen im FreistaatThüringenGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 3/3249 -ZWEITE BERATUNG

b) Thüringer Gesetz zur Herstellung 7512gleichwertiger Lebensbedingungenfür Menschen mit BehinderungenGesetzentwurf der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3266 -ZWEITE BERATUNG

Nach gemeinsamer Aussprache wird die beantragte Überweisung des Ge-setzentwurfs der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3249 - und die bean-tragte Überweisung des Gesetzentwurfs der Fraktion der SPD - Druck-sache 3/3266 - an den Ausschuss für Soziales, Familie und Gesundheitjeweils mit Mehrheit abgelehnt.

Der Gesetzentwurf der Fraktion der PDS - Drucksache 3/3249 - wird inZWEITER BERATUNG in namentlicher Abstimmung bei 77 abgegebenenStimmen mit 17 Jastimmen, 58 Neinstimmen und 2 Enthaltungen (Anlage 1)sowie in der Schlussabstimmung mit Mehrheit abgelehnt.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7475

Der Gesetzentwurf der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3266 - wird inZWEITER BERATUNG in namentlicher Abstimmung bei 76 abgegebenenStimmen mit 31 Jastimmen, 43 Neinstimmen und 2 Enthaltungen (Anlage 2)und in der Schlussabstimmung jeweils mit Mehrheit abgelehnt.

Fragestunde 7521

a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lippmann (SPD) 7521 Geplantes Kunststoff-Zentrum in Ostthüringen - Drucksache 3/3314 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.

b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (SPD) 7522 Errichtung eines Fünf-Sterne-Hotels in Erfurt - Drucksache 3/3318 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Botz (SPD) 7522 Auswirkungen der Haushaltskürzungen auf die Ausgleichs- zulage in benachteiligten Gebieten - Drucksache 3/3339 -

wird von Staatssekretär Baldus beantwortet. Zusatzfrage.

d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Höhn (SPD) 7523 Rechtsaufsichtliche Bestätigung kommunaler Kofinan- zierungsanteile - Drucksache 3/3332 -

wird von Minister Trautvetter beantwortet.

e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dittes (PDS) 7524 Landesstraße im Jonastal (Ilm-Kreis) - Drucksache 3/3357 -

wird von Staatssekretär Richwien beantwortet. Zusatzfrage.

f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Gerstenberger (PDS) 7525 Durch die Staatsbauämter zu vergebende Planungsaufträge - Drucksache 3/3358 -

wird von Staatssekretär Illert beantwortet.

g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Ramelow (PDS) 7526 Einkommenssituation in Thüringen - Drucksache 3/3362 -

wird von Minister Trautvetter beantwortet. Zusatzfrage.

h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (SPD) 7527 Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Rahmen der Vorgänge um die TSI (Thüringer Straßenwar- tungs- und Instandhaltungsgesellschaft mbH) - Drucksache 3/3335 -

wird von Staatssekretär Koeppen beantwortet.

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7476 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Thüringer Gesetz zur Vereinheit- 7527lichung des DisziplinarrechtsGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3309 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landes-regierung - Drucksache 3/3309 - an den Justizausschuss überwiesen.

Thüringer Gesetz zur Auflösung 7530des Autobahnamtes und zur Än-derung straßen- und straßenver-kehrsrechtlicher VorschriftenGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3343 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landes-regierung - Drucksache 3/3343 - an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik überwiesen.

a) Durch Deregulierung und Ent- 7532bürokratisierung die Attraktivitätdes Standorts Thüringen stärkenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache 3/3159 -dazu: Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik- Drucksache 3/3330 -

b) Verbesserung der Qualität 7532des Wirtschaftsstandorts Thü-ringen durch Abschaffung vonVerwaltungshemmnissen undUmsetzung von Deregulierungs-maßnahmen auf Bundes- undLandesebeneAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3162 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Wirtschaft,Arbeit und Strukturpolitik- Drucksache 3/3331 -

Nach gemeinsamer Berichterstattung und gemeinsamer Aussprache wird dieBeschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpo-litik - Drucksache 3/3330 - mit Mehrheit angenommen.

Der Antrag der Fraktion der CDU - Drucksache 3/3159 - wird unter Berück-sichtigung der Annahme der Beschlussempfehlung - Drucksache 3/3330 - mitMehrheit angenommen.

Der Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3162 - wird mit Mehrheitabgelehnt.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7477

Arbeit des Ausschusses 7538der RegionenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache 3/3308 -

Nach Begründung durch den Einreicher erstatten Abgeordneter Schröterund Staatssekretär Kaiser den Sofortbericht der Mitglieder des Ausschus-ses der Regionen.

Auf Verlangen der Fraktion der PDS findet gemäß § 106 Abs. 1 GO eineAussprache über den Bericht statt.

Die Erfüllung des Berichtsersuchens zu dem Antrag der Fraktion der CDU- Drucksache 3/3308 - wird gemäß § 106 Abs. 2 GO festgestellt.

Radwegenetz in Thüringen 7548Antrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3336 -

Ohne Begründung durch den Antragsteller und nach Aussprache wird derAntrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3336 - mit Mehrheit abgelehnt.

Tourismuskonzeption 7554für ThüringenAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3341 -

Ohne Begründung durch den Antragsteller und nach Aussprache wird derAntrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3341 - mit Mehrheit abgelehnt.

Förderung der Job-Center 7561Antrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3342 -

Nach Begründung und Aussprache wird der Antrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3342 - mit Mehrheit abgelehnt.

Erstellung eines Benchmarking- 7566Berichts für ThüringenAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3345 -

Nach Begründung und Aussprache wird eine beantragte Überweisung desAntrags der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3345 - an den Innenaus-schuss mit Mehrheit abgelehnt.

Der Antrag der Fraktion der SPD - Drucksache 3/3345 - wird mit Mehrheitabgelehnt.

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7478 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Anwesenheit der Abgeordneten:

Fraktion der CDU:

Althaus, Arenhövel, Bergemann, Böck, Bonitz, Braasch, Carius,Emde, Fiedler, Prof. Dr. Goebel, Grob, Groß, Grüner, Heym,Jaschke, Kallenbach, Köckert, Kölbel, Dr. Kraushaar, Krauße,Kretschmer, von der Krone, Lehmann, Lieberknecht, Mohring,Panse, Dr. Pietzsch, Pöhler, Primas, Schröter, Schugens, Schuster,Schwäblein, Seela, Dr. Sklenar, Sonntag, Stauch, Tasch,Trautvetter, Dr. Vogel, Vopel, Wackernagel, Wehner, Wetzel,B. Wolf, Wunderlich, Dr. Zeh, Zitzmann

Fraktion der PDS:

Buse, Dittes, Dr. Fischer, Gerstenberger, Dr. Hahnemann,Dr. Kaschuba, Dr. Klaubert, Dr. Koch, Kummer, Nothnagel,Ramelow, Scheringer, Sedlacik, Sojka, Dr. Stangner, Thierbach,Dr. Wildauer, K. Wolf, Zimmer

Fraktion der SPD:

Bechthum, Becker, Dr. Botz, Doht, Döring, Ellenberger, Gentzel,Höhn, Dr. Klaus, Künast, Lippmann, Dr. Müller, Pelke, Dr. Pidde,Pohl, Schemmel, Dr. Schuchardt, Seidel

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

Ministerpräsident Dr. Vogel, Ministerpräsident Althaus, dieMinister Diezel, Dr. Gasser, Gnauck, Dr. Krapp, Dr. Pietzsch,Prof. Dr. Schipanski, Schuster, Dr. Sklenar, Trautvetter

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7479

Rednerliste:

Präsidentin Lieberknecht 7481, 7487, 7494, 7498, 7501, 7502, 7504, 7547, 7548, 7549, 7550, 7551, 7554,7555, 7556, 7557, 7561, 7562, 7563

Vizepräsidentin Ellenberger 7526, 7527, 7528, 7529, 7530, 7531, 7532, 7534, 7535, 7536, 7537, 7538, 7540,7545, 7546

Vizepräsidentin Dr. Klaubert 7501, 7502, 7504, 7506, 7507, 7508, 7509, 7510, 7511, 7514, 7515, 7516, 7517,7519, 7520, 7521, 7522, 7523, 7524, 7525, 7564, 7565, 7566, 7568, 7569, 7570,

7571, 7572Althaus (CDU) 7502Arenhövel (CDU) 7516Bechthum (SPD) 7515Bergemann (CDU) 7547Dr. Botz (SPD) 7522, 7523, 7546Buse (PDS) 7507, 7509, 7531, 7549, 7554Dittes (PDS) 7524, 7525, 7568Doht (SPD) 7508, 7550, 7556Fiedler (CDU) 7569Gentzel (SPD) 7494Gerstenberger (PDS) 7525, 7534, 7561Heym (CDU) 7532, 7552, 7555Höhn (SPD) 7523, 7566, 7569, 7571Kallenbach (CDU) 7531, 7548Dr. Koch (PDS) 7528Kretschmer (CDU) 7535, 7537Kummer (PDS) 7504, 7520, 7545Lehmann (CDU) 7511Lippmann (SPD) 7521, 7531, 7536Dr. Müller (SPD) 7522, 7527, 7561, 7563Nothnagel (PDS) 7512, 7514, 7515Pelke (SPD) 7519Dr. Pidde (SPD) 7521Dr. Pietzsch (CDU) 7514Ramelow (PDS) 7487, 7516, 7526, 7527Schemmel (SPD) 7506, 7528Schröter (CDU) 7538Sedlacik (PDS) 7545Seidel (SPD) 7501Stauch (CDU) 7481Vopel (CDU) 7562, 7563Wackernagel (CDU) 7509B. Wolf (CDU) 7506, 7529Dr. Zeh (CDU) 7498Zitzmann (CDU) 7501, 7517

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7480 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Althaus, Ministerpräsident 7502Baldus, Staatssekretär 7523Illert, Staatssekretär 7525Kaiser, Staatssekretär 7540, 7548Koeppen, Staatssekretär 7527Maaßen, Staatssekretär 7514, 7515Richwien, Staatssekretär 7510, 7521, 7522, 7525, 7530, 7532,

7557, 7564Trautvetter, Innenminister 7524, 7526, 7527, 7566, 7571Dr. Vogel, Ministerpräsident 7482

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7481

Die Sitzung wird um 9.02 Uhr von der Präsidentin desLandtags eröffnet.

Präsidentin Lieberknecht:

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten,Vertreter der Landesregierung und Gäste auf der Besu-chertribüne, insbesondere die Vertreter der Medien, ichdarf Sie alle sehr herzlich begrüßen und eröffne die 86. Ple-narsitzung des Thüringer Landtags am heutigen 5. Juni.Sie bemerken bereits die große Zahl von Gästen, aus be-sonderem Anlass allein über 70 akkreditierte Journalis-ten. Wir freuen uns über das hohe Maß an Aufmerksam-keit, und wenn wir entsprechend aufmerksam auch hierim Saal und auf der Tribüne in dieser Situation miteinanderumgehen, dann werden wir das alles gut bewältigen, denkeich. An meiner Seite haben die Schriftführer Frau Abge-ordnete Künast und Herr Abgeordneter Mohring Platz ge-nommen. Die Rednerliste wird Frau Abgeordnete Künastführen. Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt:Herr Abgeordneter Illing, dem wir von hier aus gute Ge-nesungswünsche mit auf den Weg geben nach einer schwe-ren Operation,

(Beifall bei der CDU)

und Frau Abgeordnete Nitzpon.

Einen Hinweis möchte ich noch geben. Der Thüringer Be-amtenbund hat heute zu einem parlamentarischen Abendeingeladen nach dem Ende der Plenarsitzung, etwa ge-gen 20.00 Uhr.

Ich möchte noch einige Hinweise zur Tagesordnung geben.Die Tagesordnung wird wie folgt ergänzt: Zum Punkt 2"Wahl eines neuen Ministerpräsidenten" wurde eine Un-terrichtung in der Drucksache 3/3366 verteilt. Im Ältes-tenrat haben wir vereinbart, dass wir nach diesem Tages-ordnungspunkt und der anschließend vorgesehenen Ver-eidigung eine Unterbrechung der Sitzung vorsehen, umauch dem individuellen Bedürfnis der guten Worte unddes Händeschüttelns Gelegenheit zu geben. Als Präsidentinist mir dafür auch an der passenden äußeren Form gele-gen. Ich habe deshalb zu einem kleinen Empfang drübenim neuen Gebäude gebeten.

Zurück zur Tagesordnung zu TOP 22 - Fragestunde: Eskommen folgende Mündliche Anfragen hinzu, nämlich dieDrucksachen 3/3358 und 3/3362.

Darüber hinaus hat die Landesregierung angekündigt, zudem Tagesordnungspunkt 18 b von der Möglichkeit einesSofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 der GeschäftsordnungGebrauch zu machen.

So weit die von mir zu gebenden Hinweise. Ich sehe aberMeldungen aus dem Plenum. Herr Stauch für die CDU-Fraktion.

Abgeordneter Stauch, CDU:

Frau Präsidentin, wir beantragen zusätzlich zur Aufnah-me in die Tagesordnung die "Nachwahl und ggf. Verei-digung eines stellvertretenden Mitglieds des Verfassungs-gerichtshofs". Wir bitten um Einordnung nach Tagesord-nungspunkt 5 und bitten, diesen Punkt morgen als drittenTagesordnungspunkt aufzurufen.

Des Weiteren beantragen wir zur Aufnahme in die Tages-ordnung das "Gesetz zur umfassenden Verwirklichung ge-sellschaftlicher Teilhabe behinderter Menschen im FreistaatThüringen", ein Gesetzentwurf der PDS in Drucksache3/3249 und einen Gesetzentwurf der SPD "Thüringer Ge-setz zur Herstellung gleichwertiger Lebensbedingungen fürMenschen mit Behinderungen" in Drucksache 3/3266.Das ist jeweils die zweite Beratung. Wir bitten um Einord-nung nach dem bisherigen Tagesordnungspunkt 9 und umgemeinsame Beratung dieser beiden Gesetzentwürfe.

Präsidentin Lieberknecht:

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht. Dann können wirdarüber abstimmen. Es ist jeweils die einfache Mehrheiterforderlich. Wer mit der Aufnahme der "Nachwahl undggf. Vereidigung eines stellvertretenden Mitglieds des Ver-fassungsgerichtshofs" einverstanden ist, den bitte ich umdas Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Einige Gegen-stimmen. Enthaltungen? Einige Enthaltungen. Dann ist dasmit Mehrheit so beschlossen und die Einordnung morgenals Tagesordnungspunkt 3. Dagegen sehe ich keinen Wi-derspruch, dann verfahren wir so.

Ich komme zur Abstimmung über die Aufnahme derDrucksachen 3/3249 und 3/3266 jeweils in zweiter Be-ratung. Wer damit einverstanden ist, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke. Gegenstimmen? Eine Reihe von Ge-genstimmen. Enthaltungen? 1 Enthaltung. Dann ist dasauch mit Mehrheit so beschlossen. Die Einordnung nachTagesordnungspunkt 9 entspricht unserem normalen Ab-lauf, wenn wir es wie soeben aufgenommen haben. Regtsich dagegen Widerspruch? Das ist nicht der Fall. Dannordnen wir diese Tagesordnungspunkte zur gemeinsamenBeratung so ein.

Nach diesen Formalien und der damit festgestellten Ta-gesordnung komme ich zum Aufruf des angekündigtenTagesordnungspunkts 1

Regierungserklärung desMinisterpräsidenten

Ich darf Sie, Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, bitten,dies zu tun.

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7482 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Dr. Vogel, Ministerpräsident:

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Da-men und Herren, Sorge tragen für Thüringen. Am 5. Fe-bruar 1992, um die Mittagszeit, gab der damalige Land-tagspräsident Dr. Gottfried Müller das Ergebnis der Wahlzum Ministerpräsidenten bekannt: Schuchardt - 27 Stim-men, Vogel - 50 Stimmen. Auf dem kurzen Weg durch denMittelgang, den es damals hier noch gab, von der hinters-ten Stuhlreihe wurde mir binnen Sekunden schlagartigbewusst, was mir da bevorstand. Fast wäre ich wiederumgekehrt. Ich bin das nicht, sondern bin, hier nach derVereidigung, zu einer ganz kurzen Erklärung an das Pultgetreten und habe gesagt, ich weiß, dass mir eine großeVerantwortung auferlegt ist, diese Verantwortung ist keinAnspruch, sondern diese Verantwortung wird ein Dienstsein. Heute - auf den Tag genau elf Jahre und vier Mo-nate später - verlasse ich diesen Platz. Ich werde am Endedieses Redebeitrags Frau Landtagspräsidentin mein Rück-trittsschreiben überreichen und mein Amt als Minister-präsident in die Hand des Landtags zurückgeben. MeinPlatz wird bis zum Ende der Legislaturperiode in den Rei-hen meiner Fraktion sein. Nach Artikel 75 Abs. 2 unse-rer Landesverfassung endet mit meinem Rücktritt auchdie Amtszeit aller Kabinettsmitglieder. Ich habe deswe-gen den Damen und Herren vorhin ihre Urkunde ausge-händigt und sie gebeten, die Geschäfte bis zum Amtsan-tritt der Nachfolger fortzuführen.

Meine Damen und Herren, ich möchte heute, wie ange-kündigt, eine knappe Bilanz ziehen und sagen, wie ichmir die Zukunft unseres Landes vorstelle. Das wird kurzund in wenigen Stichworten und anhand von Beispielengeschehen. Meine Arbeit zu beurteilen, steht mir nicht zu,das bleibt anderen vorbehalten. Ich habe versucht, demEid gerecht zu werden, den ich im Februar 1992 und dannerneut 1994 und 1999 geschworen habe. Ich bin gekom-men, weil ich gerufen wurde, ich wollte helfen; ich habeversucht, nach Kräften diesem Land zu dienen und meinePflicht zu tun. Wo mir das gelungen ist, bin ich dankbar,wo mir der Mut oder die Kraft oder die Einsicht fehlten,bitte ich um Entschuldigung. Ich war nie der Meinung,dass ich es besser wüsste. Ich wollte auf die Menschenzugehen und mithelfen, das Vertrauen in die eigene Kraftwieder herzustellen. 52 Kreisbereisungen, Hunderte vonBetriebsbesuchen, 600 Kilometer Fußweg durch das Landsollten unter anderem dazu beitragen.

Wenn wir heute in einem anderen Thüringen leben als vor13 Jahren, als das Land wieder entstand, dann ist das zu-allererst das Verdienst der Bürgerinnen und Bürger desFreistaats Thüringen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Sie haben mit ungeheurem Mut und großem Fleiß Handangelegt. Sie haben die Chance der wiedergewonnenenFreiheit genutzt und sich durch alle Widrigkeiten nichtentmutigen lassen. Sie haben viel erreicht, aber sie wol-

len auch, dass wir in Zukunft erreichen, was noch nichterreicht ist. Sie haben seit der friedlichen RevolutionGroßartiges geleistet und es verdient, dass wir heute kei-nen Vergleich zu scheuen brauchen und in vielen Berei-chen besser dastehen als andere. Nirgendwo in den jun-gen Ländern gibt es mehr ehrenamtlich engagierte Mit-bürger als bei uns in Thüringen. Und es ist erfreulicher-weise selbstverständlich geworden, über das eigene Landhinauszublicken. Das Land, die Kommunen, die Schulenund Hochschulen, die Kirchen, viele Vereine und Verbän-de unterhalten internationale Kontakte und Freundschaf-ten und pflegen den gegenseitigen Austausch. Ich grüßealle Partnerregionen, von Kleinpolen bis Kambodscha, derKontakt zu ihnen war mir ein Herzensanliegen und ichbitte Sie und ich bitte die neue Regierung, auf diesem Wegfortzufahren.

Es gab schwere Stunden, die bestanden werden mussten:Bischofferode 1993, der Anschlag auf die Erfurter Synago-ge am Gründonnerstag 2000 und vor allem der 26. April2002 - das Blutbad am Gutenberg-Gymnasium hier inErfurt. Ja, es gab schwere Stunden, aber es gab auch un-leugbare Erfolge: Die Verabschiedung der Landesverfas-sung und ihre Bestätigung durch die große Mehrheit derBevölkerung, die kommunale Gebietsreform, zügig undeffektiv oder die Entwicklung Jenas zu der Region inDeutschland, deren technologische Leistungsfähigkeitdie größten Fortschritte macht.

Unternehmen von Weltruf haben sich in Thüringenangesiedelt, General Motors, Fujitsu-Siemens, Daimler-Crysler, um drei Beispiele zu nennen. Wir können mitFug und Recht sagen, Thüringen ist wieder ein Automo-billand geworden.

Der Ausbau der Verkehrswege, rund 220 Autobahnkilo-meter sind neu gebaut oder ausgebaut worden. Etwa dieHälfte der Landstraßen und 80 Prozent der Bundesstra-ßen sind saniert. Wo beim Fernstraßenbau noch Lückenzu schließen sind, steht die Vollendung kurz bevor oderder Baubeginn ist absehbar.

Der Bau des größten Wasserkraftwerks in Deutschlandbei Goldisthal ist gelungen. Im Wismutgebiet sind buch-stäblich Berge versetzt worden und die Qualität von Luftund Wasser ist eine völlig andere. Im Februar 1992 konnteman vom Hochhaus hier nebenan noch nicht auf die Stadtschauen. Jetzt ist der Blick wieder klar.

Der Nationalpark Hainich, die Wiedergründung der Univer-sität Erfurt, die Gründung der Fachhochschule Nord-hausen und der Berufsakademie, die Errichtung von dreiMax-Planck-Instituten, die Ansiedlung des Bundesarbeits-gerichts und der Bundesanstalt für Wasserbau, der Kin-derkanal in Erfurt, die Neukonzeption der GedenkstätteBuchenwald, die Stiftung Ettersberg, unser Engagementfür die Zwangsausgesiedelten und für die Rehabilitie-rung von SED-Opfern, die Kulturstadt Weimar 1999, derNeubau des Goethe-Museums, die Sanierung und Erwei-

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terung der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, die Reno-vierung des neuen Museums, der Thüringentag, die über-durchschnittliche und überdurchschnittlich erfolgreicheFörderung des Breiten- und Spitzensports, der Bürgerbe-auftragte, vor ein paar Monaten die Errichtung der Stabs-stelle Verwaltungsvereinfachung, das Landeserziehungs-geld, das sind nur ein paar Beispiele, warum ich sage, esgab unleugbare Erfolge.

(Beifall bei der CDU)

Am schwierigsten war der Umbau der Wirtschaft. Er verliefin der Tat nicht ohne Schmerzen und Rückschläge. Aberauch hier ist Thüringen zu neuem Leben erwacht und einmodernes Land geworden. Nicht mehr volkseigene, über-dimensionierte und uneffektive Kombinate prägen die Wirt-schaftslandschaft, sondern eine vielfältige, mittelständischstrukturierte Unternehmensstruktur und das Handwerk.1990 war die Ausgangslage für uns in den neuen Ländernfür alle gleich. Heute haben wir uns in vielen Bereicheneinen beachtlichen Vorsprung erarbeitet. Wir haben dieniedrigste Arbeitslosenquote unter den jungen Ländern.Die verarbeitende Industrie weist im Gegensatz zum Bun-destrend einen hohen Zuwachs aus. Wir können davonausgehen, dass das produzierende Gewerbe weiter wächst.Unser Export entwickelt sich positiv. Die Zahl der Be-schäftigten im verarbeitenden Gewerbe wächst, währendsie bundesweit leider zurückgeht. Das Interesse namhaf-ter Investoren ist groß, größer als unsere finanziellen Mög-lichkeiten, alle Vorhaben zu fördern.

Die gute Nachricht, dass Brüssel unserem Förderkonzeptfür die Ansiedlung von Merck in Jena zustimmt und diegute Nachricht, dass für die Edscha-Gruppe, die bei Arn-stadt ein Investitionsvolumen von 275 Mio. �� ������ ��bis zu 1.100 Arbeitsplätze schaffen will, dass dafür dievertiefte Prüfung der Beihilfe eingeleitet worden ist. Dieseguten Nachrichten kamen an dem Tag, an dem MinisterSchuster mitgeteilt hat, so wie er mit mir gekommen ist,so werde er mit mir gehen. Das ist Zufall, aber es passtzum erfolgreichen Wirken dieses Wirtschaftsministers unddieses treuen Weggefährten.

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, die Strukturkrise der Bau-wirtschaft, die sich noch einmal beschleunigt hat und derunvermeidbare Personalabbau im öffentlichen Sektor wir-ken sich insgesamt stärker aus als die Zuwächse in derIndustrie und beeinflussen selbstverständlich die Gesamt-bilanz. Wir mussten Personal abbauen. Dass unsere Per-sonalausgaben trotzdem hoch sind, liegt daran, dass wirin Thüringen mehr Lehrer und mehr Polizisten als in an-deren Ländern haben. Und ich frage, sollen wir Lehrerentlassen? Nein, meine Damen und Herren, ich verteidigees, dass wir eine Einstellungsquote für junge Lehrer ha-ben und dafür sorgen, dass auch junge Lehrer im Landetätig werden können.

(Beifall bei der CDU)

Sollen wir Polizisten entlassen? Nein, ich halte es für rich-tig, mehr grün auf die Straßen zu bringen. Im Übrigen,meine Damen und Herren, darf man nicht Äpfel mit Bir-nen vergleichen. Anders als in anderen Ländern stehenbei uns die Hortnerinnen im Sold des Landes und des-wegen haben wir selbstverständlich mehr Personal auf derZahlliste des Landes als Länder, die nicht die Träger-schaft für die Hortnerinnen beim Land haben.

Wir haben Schulden gemacht, hohe Schulden - nicht diehöchsten, die sind in Sachsen-Anhalt und in Brandenburggemacht worden. Bei der Schuldenlast liegen wir insge-samt in Deutschland auf Platz 9 und, meine Damen undHerren, ich bekenne mich zu unseren Schulden, weil sieeine der Voraussetzungen dafür waren, dass unsere Ar-beitslosigkeit niedriger ist als die in allen jungen Län-dern. Ich bekenne mich dazu, weil sie eine der Voraus-setzungen dafür waren, dass wir eine Forschungsland-schaft in Thüringen entwickelt haben und auch eine Vor-aussetzung dafür, dass wir den Thüringer Weg einer be-tont familienfreundlichen Politik gegangen sind.

(Beifall bei der CDU)

Als die Luft eisenhaltig wurde, als die Konsequenzen ausden katastrophalen Einnahmeausfällen zu ziehen waren,haben wir Kurs gehalten. Wir sparen und gestalten und diePrioritäten gelten weiter: Jugend, Kernbereich von Wissen-schaft und Forschung, Kommunen, innere Sicherheit, Thea-terlandschaft. Ja, am Anfang war das Telefonieren schwie-riger als das Regieren. Heute ist das Finanzieren schwie-riger als das Bilanzieren, meine Damen und Herren.

Natürlich danke ich am heutigen Tag den Wählerinnenund Wählern auch dafür, dass sie mir im wachsenden MaßeVertrauen geschenkt haben. Und ich danke dem Land-tag. Die parlamentarische Demokratie hat sich bewährt.Aus allen Wahlen sind stabile Mehrheiten und stabile Re-gierungen hervorgegangen und die demokratischen Par-teien haben die Fähigkeit zur Zusammenarbeit immerwieder unter Beweis gestellt. Koalitionen waren nicht im-mer geliebt, aber sie haben dennoch erfolgreich gearbeitet.

(Beifall bei der CDU)

Deswegen danke ich allen Kolleginnen und Kollegen imLandtag dieser und der vorausgegangenen Legislaturpe-rioden und ich bekunde der Opposition gegenüber Respekt.Auch wenn mir die Wähler diese Rolle weder in Rhein-land-Pfalz noch in Thüringen je übertragen haben, ichweiß, Opposition hat es nicht leicht. Ich habe immer ver-sucht, die Möglichkeit nicht auszuschließen, dass der ande-re auch Recht haben könnte, meine Damen und Herren.

Ganz besonders danke ich den Kolleginnen und Kollegen,die meine Regierung getragen haben. Das ist ja auch keineleichte Aufgabe, wenn man zum Beispiel einen Haushalt

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verabschieden muss, der einem überhaupt nicht schmecktund der in der Tat eine Zumutung darstellt. Deswegendanke ich für die 1. Legislaturperiode der CDU- und FDP-Fraktion, den Fraktionsvorsitzenden Schwäblein undKniepert und den Mitgliedern des damaligen Kabinetts,insbesondere meinem ersten Stellvertreter, Herrn Kolle-gen Fickel.

Ich danke für die 2. Legislaturperiode den Fraktionen vonCDU und SPD, Herrn Schwäblein für die erste Zeit undinsbesondere Herrn Köckert und Herrn Lippmann undden Mitgliedern meines damaligen Kabinetts, insbeson-dere meinem damaligen Stellvertreter, Herrn KollegenSchuchardt.

Und ich danke in der 3. Legislaturperiode der CDU-Frak-tion und dem Vorsitzenden Dieter Althaus und in der Re-gierung meinem Stellvertreter Andreas Trautvetter. Auchabsolute Mehrheit will gelernt sein; ich hoffe, wir habensie inzwischen gelernt. Die Leistung des Kabinetts, dasich bis gestern geleitet habe, steht für mich außer Frage.Zeigen Sie mir ein deutsches Kabinett, das über langeJahre besser und erfolgreicher zusammengearbeitet hatund mehr erreicht hat. Ich bedanke mich bei jedem Ein-zelnen für gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit, zumTeil über mehr als 11 Jahre. Meine besonderen Wünschegelten den Kollegen, die dem neuen Kabinett nicht ange-hören werden.

Insgesamt, meine Damen und Herren, danke ich den 24Mitgliedern meiner drei Kabinette, die alle ihr Bestes zugeben bereit waren.

(Beifall bei der CDU)

Ich danke den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in derLandesregierung und den nachgeordneten Behörden. Ja,ich weiß, es ist üblich und auch nicht immer unberech-tigt, an der Verwaltung und an der Bürokratie Kritik zuüben und so zu tun, als befände sich die Mehrheit in denSpitzenämtern der B-Besoldung. Aber wer mit ihnen überein Jahrzehnt zusammengearbeitet hat, weiß, dass es be-rechtigt ist, sich bei den Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern herzlich zu bedanken, insbesondere bei denen inder Staatskanzlei, die es nicht immer leicht mit mir hat-ten. Ich habe viel verlangt, aber weil sie diesem Land die-nen wollten, haben sie Großartiges geleistet. Dass man-che mich gern ziehen sehen, um endlich einmal ausschla-fen zu können, wie ich in einer Zeitung gelesen habe,stimmt nicht. Herzlichen Dank meinen Mitarbeiterinnenund Mitarbeitern!

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich gehe jetzt, weil ich derÜberzeugung bin, jetzt können meine Freunde es selbst.Es ist eine Mannschaft herangewachsen, die es selber kann,und vier Fünftel der Wahlperiode sind vorüber. Die Zu-sage, die wir, und insbesondere ich, in der ersten Regie-

rungserklärung dieser 3. Legislaturperiode gegeben haben,ist nahezu vollständig eingelöst. Ich verweise unter an-derem auf die Zwischenbilanz, die ich im März 2002vorgelegt habe. Aber damit ist die Arbeit nicht getan, beiGott nicht. Es bleiben große Aufgaben; noch längst nichtalle Schäden der deutschen Teilung und alle Folgen dessozialistischen Systems sind beseitigt. Thüringen ist wie-der erstanden; es ist kein ostdeutsches Land mehr. Es hatzur eigenen Identität gefunden, auch wenn es noch nichtden ihm gebührenden Platz unter allen deutschen Län-dern einnimmt. Und dass das geschieht, bleibt das Ziel.Unser Dank an Bayern, Hessen und Rheinland-Pfalz, dieuns von der ersten Stunde an besonders beigestanden ha-ben, bleibt lebendig, aber der Dank gilt allen alten Län-dern, die, wenn auch nach harten Verhandlungen, die So-lidarpakte I und II mitgetragen haben.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Da die Scheinwerfer so ausgerichtet sind, dass wir gesehenwerden, aber wir die Tribüne nicht sehen können, weißich nicht, ob Herr Kollege Koch schon eingetroffen ist.Jedenfalls möchte ich ihm stellvertretend für alle Minis-terpräsidenten, die uns geholfen haben, gerade, weil erheute anwesend ist, besonders herzlich danken.

(Beifall bei der CDU)

Aus Nachbarn, unerreichbar im nichtsozialistischen Aus-land, sind in den letzten 13 Jahren Freunde und Partnergeworden - die Bayern, zumal die Franken, die Hessen, dieNiedersachsen. Unsere Initiative Mitteldeutschland ist er-freulicherweise allenthalben auf gute Resonanz gestoßen.Zusammenlegen der Länder - nein. Thüringen bleibt Thü-ringen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Aber, enge Zusammenarbeit nicht nur um Geld zu spa-ren, sondern auch um effektiver und attraktiver zu wer-den - ja, enge Zusammenarbeit zwischen den drei mittel-deutschen Ländern Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thü-ringen.

(Beifall bei der CDU; Abg. Bechthum,Abg. Höhn, SPD)

Meine Damen und Herren, was dem Land wirklich fehlt,sind Arbeitsplätze. 209.000 Arbeitslose im Mai dieses Jah-res - 16,7 Prozent, das ist unerträglich und das darf nicht sobleiben. Vor allem darf es nicht noch schlimmer werden.Es fehlt auch in Thüringen nicht an Arbeit, aber weil dieLohnzusatzkosten zu hoch sind, ist sie zu teuer. DenArbeitnehmern bleibt zu wenig und die Kosten für dieUnternehmen sind zu hoch. Wir Deutsche sind nicht kon-kurrenzfähig in Europa und wir nehmen hin, dass immermehr Schwarzarbeit geleistet wird - der beste Beleg da-für, es fehlt nicht an Arbeit. Dagegen muss jetzt endlichetwas geschehen, und zwar sofort. Wenn jetzt nichts ge-

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schieht, geschieht etwas, und zwar etwas Negatives, unddarum muss etwas geschehen.

(Beifall bei der CDU)

Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Krise, die Kriseder sozialen Sicherungssysteme, darf sich nicht zu einerumfassenden innenpolitischen Krise ausweiten. Deswe-gen muss die Stagnation überwunden werden und des-wegen darf die Stagnation nicht zur Rezession oder garzur Deflation führen. Ich selber orientiere mich am Leit-bild der sozialen Marktwirtschaft: weniger Staat, mehrEigenverantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Die Agenda 2010 kann ein Anfang werden, zumindest derAnfang vom Anfang. Durchgreifende Maßnahmen sindnotwendig und Thüringen sollte bereit sein, an ihnen nachKräften mitzuarbeiten. In den jungen Ländern allerdingsmuss mehr geschehen als in den alten. Ich hoffe, dassmein Sonderprogramm Ost nicht in Vergessenheit gerät,und zwar so lange nicht, bis es umgesetzt ist.

(Beifall bei der CDU)

Die Rahmenbedingungen für Investitionen dürfen sichnicht verschlechtern. Was Herr Kommissar Barnier sichzum Ziel gesetzt hat, eine Strukturförderung nach 2006,die sehr nahe am jetzigen Fördervolumen liegt, muss beiden alten Ländern und beim Bund durchgesetzt werdenund vor allem die europäischen Förderbedingungen dür-fen sich nicht verschlechtern. Was wir aus eigener Krafttun können, muss natürlich geschehen. Dazu gehört soviel Flexibilität wie möglich, im Tarifrecht und bei den För-derprogrammen. Dass unsere Erwerbstätigenquote über derErwerbstätigenquote von Hamburg und Schleswig-Hol-stein liegt, ist ein gutes Zeichen. Dass unser Lohnniveaunoch niedriger ist als anderswo ist ein zeitlich befristeterWettbewerbsvorteil, den wir, so lange er noch besteht, aus-nützen sollten. Aber auch der Ausbau der Verkehrsinfra-struktur ist notwendig. Halten Sie bitte am Ausbau derICE-Strecke und am Ausbau der Mitte-Deutschland-Ver-bindung fest,

(Beifall bei der CDU)

die Mitte-Deutschland-Verbindung nicht zuletzt im Hin-blick auf die BUGA 2007 in Gera.

(Beifall Abg. Kölbel, CDU)

Seit Monaten wird uns die Finanzierungsvereinbarung fürden ICE versprochen, es gibt sie immer noch nicht. Wirmüssen die Einlösung deswegen immer wieder fordern,die verbindlich gegebenen Versprechen anmahnen, jedeWoche aufs Neue.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen die Schwierigkeiten beim Thema Wasser/Ab-wasser in den Griff bekommen. Viele Zweckverbände ar-beiten ordentlich, aber es gibt auch schwarze Schafe, dieunvertretbar hohe Beiträge gefordert haben. Die Thürin-ger Wasser- und Abwasser GmbH ist gegründet, um die-ses Ärgernis zu beseitigen. Sie soll sich der Problem-fälle annehmen und wo nötig muss hart durchgegriffenwerden.

(Beifall bei der CDU; Abg. Bechthum,Abg. Gentzel, SPD)

Meine Damen und Herren, wir müssen Investitionen inBildung und Forschung Priorität einräumen. Ausgabenfür Bildung und Ausbildung sind Zukunftsinvestitionen.Was die Schule betrifft: Wir haben bei PISA gut abge-schnitten, aber ein guter Platz bei PISA reicht nicht, mei-ne Damen und Herren. Unsere Hochschulen belegen beiallen Rankings Spitzenpositionen, wir haben die meis-ten Patentanmeldungen unter den jungen Ländern, aberdas muss für die Zukunft so bleiben. Wir haben ein flä-chendeckendes Netz von Forschungs- und Kompetenzzent-ren, die Wissenschaft und Anwendung miteinander ver-zahnen und jungen Unternehmern den Start erleichtern.Hinzu kommen das Mediengründerzentrum in Erfurt, dasZentrum für intelligentes Bauen in Weimar, ein Anwen-dungszentrum für Kunststofftechnik in Ostthüringen, einZentrum für Mikro- und Nanotechnologie in Ilmenau undein Kompetenzzentrum für Strom- und Flächenmana-gement an der Fachhochschule Nordhausen. Für Erfurtund Weimar sind die konzeptionellen Vorabeiten so gutwie abgeschlossen.

Meine Damen und Herren, die Bevölkerung wird in Thü-ringen, wie im ganzen Bundesgebiet, in den nächsten Jah-ren stark abnehmen. Leider ist es aber in der Tat schwierig,in Deutschland eine wirkliche Debatte über die demogra-phische Entwicklung und die Folgen dieser Entwicklung zuführen. Die Abwanderung ist dabei nur ein Teil unsererSorgen und erfreulicherweise stehen inzwischen wach-sende Zuwanderungsquoten aus den anderen deutschenLändern zur Debatte. Entscheidend ist, meine Damen undHerren, dass jedes Jahr mehr Menschen sterben als geborenwerden. Drei Viertel des Bevölkerungsrückgangs in Thü-ringen ist darauf zurückzuführen. Bis 2020 müssen wir dieEntwicklung akzeptieren. Wir müssen akzeptieren, dass wirin diesem Jahr 2003 36.000 Schulabgänger haben, aber2010 nur noch 15.000. An dieser Zahl ist nichts mehr zuändern. Die Vorausberechnungen für 2050 dagegen binich nicht bereit zu akzeptieren. Ich glaube nicht, dass Thü-ringen 2050 nur noch 1,7 Mio. statt heute 2,4 Mio. Ein-wohner haben wird. Solche Vorhersagen haben in derVergangenheit nie gestimmt und sie werden auch dies-mal nicht stimmen.

(Beifall bei der CDU)

Erfreulicherweise, meine Damen und Herren, erlaubt sichdie Wirklichkeit, sich anders zu verhalten, als es statis-

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tisch über eine zu lange Zeit vorausberechnet wird, schondeswegen, weil man die Wirklichkeit beeinflussen kann,beispielsweise durch eine gute Familienpolitik. Eine guteFamilienpolitik wird für 2050 andere Zahlen ausweisen,als die, die in der Fortschreibung heute angegeben werden.

Meine Damen und Herren, Thüringen braucht den Ver-gleich mit den alten Ländern nicht zu scheuen.

(Beifall bei der CDU)

Eine große Mehrheit unserer Mitbürger stimmt dieserAussage zu. Dass sich ein starkes Landesbewusstsein ent-wickelt hat, ist alltägliche Erfahrung, aber sie lässt sichauch durch Umfrageergebnisse belegen. 46 Prozent derBevölkerung sehen sich zuerst als Thüringer, 28 Prozentzuerst als Deutsche und nur 15 Prozent als Ostdeutsche.Meine Damen und Herren, ein sehr gutes Ergebnis 13Jahre nach der Wiedervereinigung.

(Beifall bei der CDU)

Thüringen ist wieder selbstbewusst und weltoffen gewor-den. Die erste Regierungserklärung habe ich überschrie-ben "Thüringen - Deutschlands Mitte", meine 18. und letzteRegierungserklärung vor diesem Haus ergänze ich durchden Wunsch für die Zukunft "Thüringen - Deutschlandsstarke Mitte, eine zukunftsträchtige Region im geeintenEuropa".

Seit Jahrhunderten hat Thüringen von seiner zentralenLage profitiert. Menschen aus aller Welt haben sich hierniedergelassen und haben das Land geprägt und seit Jahr-hunderten sind Menschen aus Thüringen in andere Län-der gegangen und haben dort sichtbare Spuren hinter-lassen. Thüringens Zukunft liegt in der Mitte eines Euro-pas, das nicht mehr durch Erbfeindschaften geprägt ist.Die Erweiterung der Europäischen Union bringt sehr vielmehr Vor- als Nachteile. Von Polen, von dem ich hoffe,dass in wenigen Stunden eine Zustimmung zum Beitrittgegeben wird von den polnischen Wählern, vom Balti-kum und von anderen mittel- und osteuropäischen Län-dern gehen positive Signale für unsere Wirtschaft aus.Es wirkt sich als Vorteil aus, dass wir den wirtschaftlichenStrukturwandel dieser Länder nachvollziehen könnenund dass wir Hilfestellung leisten können, dass wir - miteinem Wort - eine natürliche Brückenfunktion haben.

Roman Herzog hat einmal gesagt: "Weimar sei Deutsch-land in nuce". Ich erlaube mir zu sagen, Thüringen istDeutschland in nuce. Thüringen, das Land, in dem sichKulturen begegnen und von dem immer wieder neue Im-pulse ausgehen, das Land der Kultur, nicht nur in seinenZentren übrigens, sondern auch in den Regionen desLandes. Aber Thüringen steht auch für die Janusköpfig-keit unserer Geschichte, für die Brüche unserer Geschichte,darum ist Dialogbereitschaft gefragt. Niemand wird jawohl den unmittelbaren Zusammenhang zwischen kul-tureller und wirtschaftlicher Entwicklung leugnen. Das

freiheitliche Selbstbewusstsein, das die Thüringerinnen undThüringer aus der bitteren Lehre der Geschichte gewon-nen haben, ist auch eine Voraussetzung für den weiterenwirtschaftlichen Aufbau. Ein Selbstbewusstsein, das denMenschen Zuversicht gibt, auch die noch vor uns liegendenSchwierigkeiten zu bewältigen. Die Liberalitas Thuringiaeist ein kostbares Gut, das es zu stärken und zu mehren gilt.

Meine Damen und Herren, ich gebe mich keiner Täu-schung hin und wir sollten uns alle keiner Täuschunghingeben, die kommenden Jahre werden nicht einfachersein. Sie werden allen Beteiligten viel abverlangen undsie werden nicht leichter werden als die Jahre, die hinteruns liegen. Aber ich bin aufgrund der Jahre, die hinteruns liegen, fest davon überzeugt, so wie wir die letztenJahre gemeistert haben, werden die Thüringerinnen undThüringer und werden Sie, meine Damen und Herren,auch die Zukunft meistern. "Alle große politische Aktionbesteht in dem Aussprechen dessen, was ist, und beginntdamit. Alle politische Kleingeisterei besteht in dem Ver-schweigen und Bemänteln dessen, was ist," sagt FerdinandLassalle. Wo er Recht hat, hat er Recht.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, meinen Freunden möchte ichzurufen: Stellt euch den Realitäten, sagt den Bürgern dieWahrheit, nüchtern und ungeschminkt. Vor den Wahlenund nicht danach.

(Beifall bei der CDU)

Parteien müssen den Mut haben, den Wählern etwas zu-zumuten. Parteien müssen die Zukunft zu ihrer Sache ma-chen und nicht nur die Gegenwart. Aber Zukunft ist nichtBesitzstandswahrung und Zukunft ist nicht Wohlstand aufPump. Manchmal habe ich den Eindruck, wir hätten Ge-genwartsparteien und wir bräuchten Zukunftsparteien. Ineiner gegenwartsorientierten Gesellschaft ist es freilichnicht einfach, die Zukunft zum Thema zu machen. Trotz-dem rufe ich meinen Freunden zu: Versucht es, wagt es,redet nicht nur über die Gegenwart, sondern redet überdie Zukunft. Frau Birthler, Marianne Birthler, hat auf demökumenischen Kirchentag gesagt: "Der Traum von der hei-len Welt ist gefährlich. Zum Leben in Freiheit und Würdegehört, auf Wirklichkeit zu setzen statt auf Ideologie, undauf Emanzipation statt auf Erlösung." Wer Politiker fürHeilsbringer hält, ist Schuld daran, dass Politiker nichterreichen, was ihre Aufgabe ist. Aufgabe der Politik istdie Kunst des Möglichen und nicht das Versprechen desUnmöglichen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, alles hat seine Zeit, so stehtes schon im Alten Testament. Für jedes Geschehen gibtes eine bestimmte Zeit, Zeit zum Niederreißen und zumAufbauen, Zeit zum Streiten und zum Frieden, Zeit zumPflanzen und zum Ernten. Für mich ist der Zeitpunkt

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7487

gekommen, mich als Ministerpräsident zu verabschieden.Ich bin dankbar für mehr als elf Jahre. Als ich kam, konnteich nur ahnen, worauf ich mich eingelassen habe. Heuteweiß ich es und heute bin ich voller Zuversicht für dieZukunft. Meine Damen und Herren, ich bin stolz aufThüringen.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident Dr. Vogel, für dieseRegierungserklärung und das eben überreichte Rücktritts-schreiben. Ich will dessen Inhalt dem hohen Haus nichtvorenthalten:

"Sehr geehrte Frau Präsidentin, hiermit erkläre ich unterBezugnahme auf Artikel 75 Abs. 1 Thüringer Verfassungund § 4 Thüringer Ministergesetz meinen Rücktritt vomAmt des Thüringer Ministerpräsidenten mit Wirkung vom5. Juni 2003. Ihnen und Ihren Vorgängern im Amt dan-ke ich für die gute und vertrauensvolle Zusammenarbeitüber viele Jahre hinweg. Mit freundlichen Grüßen IhrBernhard Vogel."

Auch wenn wir vorher, Herr Dr. Vogel, diesen Ablauf ge-nau besprochen hatten, ist es doch ein bewegender Momentjetzt dieses Schreiben in der Hand zu halten. Ich will derAussprache der Fraktionsvorsitzenden nicht vorweggrei-fen, deswegen an dieser Stelle nur ein ganz kurzer Dankund Respekt auch von meiner Seite für Ihren Dienst für un-ser Land über diese elf Jahre. Als Präsidentin des Thürin-ger Landtags darf ich dabei ganz besonders Ihren ganzpersönlichen, wirklich beispielgebenden und immer wie-der beeindruckenden Einsatz gerade zur politischen Kultur,zur demokratischen Kultur in der noch jungen Demokratieunseres Landes hervorheben. Das ist für die Zukunfts-trächtigkeit und auch Stabilität unserer politischen Ord-nung gerade in schwierigen Zeiten nicht hoch genug zuwürdigen. Sie haben eben erneut in einer für Sie und, ichdenke, für uns alle sehr nahe gehenden Situation ein Bei-spiel dafür gegeben.

Ich möchte Ihnen als Präsidentin und auch im Namen deshohen Hauses ganz herzlich und ganz ausdrücklich schonan dieser Stelle Dank sagen.

(Beifall bei der CDU, SPD; Abg. Zimmer,PDS)

Gern hole ich jetzt als Präsidentin noch nach, was HerrMinisterpräsident Dr. Vogel bereits getan hat, nämlich denhessischen Kollegen vom Thüringer Ministerpräsidenten,Herrn Ministerpräsidenten Koch, auf der Besuchertribü-ne zu begrüßen. Herzlich willkommen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich darf damit jetzt die Aussprache eröffnen, und als Erstemdem Vorsitzenden der PDS-Fraktion, Herrn Bodo Rame-low, das Wort geben.

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrterHerr Ministerpräsident, die PDS-Fraktion hat sich erlaubtIhnen 21 rote Nelken zu überreichen. 21 Abgeordnetesind wir und auch wir wollen unseren Respekt zollen. Dierote Nelke ist das Zeichen der Arbeiterbewegung aus derZeit des Sozialistengesetzes. Es war die Blume, die amRevers getragen worden ist in einer Zeit, als es verbotenwar in Deutschland für andere Gedanken einzutreten. Des-wegen glauben wir, dass die rote Nelke geeignet ist, einwenig mehr Farbe, ein wenig mehr Rot in schwarze Ge-danken zu bringen.

(Heiterkeit bei der CDU, PDS)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minis-terpräsident, ein großer Thüringer musste mal in der PfalzBesuch machen. Sie - als Pfälzer kann ich gar nicht sa-gen, aber als Wahlpfälzer, und immer noch mit einemBein in der Pfalz fest verankert - wissen, worauf ich an-spiele. Martin Luther wurde nach Worms einbestellt undmit den Formulierungen möchte ich beginnen, denn ichdenke, die Opposition hat eine Rolle, die sie vom Wäh-ler übertragen bekommen hat, Dinge darzustellen, Din-ge zu werten, die nicht dem entsprechen, wie Sie oder dieMehrheitsfraktion es bewerten würden. Das ist die Rollevon Regierung und Opposition. Ich beginne also mit demHinweis auf Martin Luther, der im Reichstag zu Wormsgesagt hat: "Hier stehe ich und kann nicht anders." Auchmir als Oppositionsführer sei es gestattet zu sagen: Ichkann nicht anders als eine Bilanz zu ziehen, die sich nichtunbedingt mit dem deckt, was Sie in Ihrer Bilanz selbergezogen haben. Ich beginne mit einer Bewertung, die einanderer Adliger dieser Tage gemacht hat, das war der Po-litikprofessor Raban Graf von Westphalen, der die Art undWeise des Übergangs, wie Sie Ihr Amt angekündigt ha-ben zurückzugeben, mit dem Hinweis bewertet hat, dassdieser Vorgang gegen den Sinn des Artikels 48 der Thü-ringer Landesverfassung verstößt. Er fühle sich daran erin-nert, dass es kein Übergang nach Wahlmandat oder Wahl-aufforderung ist, sondern ein Übergang, der eher ein Rück-fall in den Feudalismus sei und mit der Beschäftigungund der Wiedereinführung der Pfründewirtschaft einher-geht. Ein Zitat von Politikprofessor Raban Graf von West-phalen, der große Kritik an der Art und Weise geübt undden Hinweis gegeben hat, dass eine Einlassung, die DieterAlthaus offenkundig in der Presse gemacht hat, nämlichdass der Termin des Übergangs und die Inszenierung aufdem CDU-Parteitag schon ein Jahr vorbesprochen war.Auch daran sieht Raban Graf von Westphalen einen scharfzu kritisierenden Vorgang, weil das mit Wahlauftrag nichtszu tun hat.

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Sehr geehrter Herr Ministerpräsident, Sie haben den Satzzitiert und geprägt, und der wurde in den letzten Tagenimmer wiederholt: "Zuerst kommt das Land, dann die Par-tei, dann die Person." Ihr langjähriger Kronprinz hat die-sen Satz immer wieder vorgetragen. Ich will schon sa-gen, die Art des Übergangs ist eigentlich eine Missach-tung Ihres selbst gewählten Credos, denn in diesem Fallkam zuerst die Partei. Sie haben auf dem Parteitag ange-kündigt, dass Sie das Wahlmandat, das Ihnen die Bürgerübertragen haben, innerhalb der CDU-Familie sozusagenvererben. Der Wähler kann sich dazu erst nächstes Jahräußern. Zwischenzeitlich sind wir alle Teil des Schauspiels,bei dem man das Gefühl hat, dass zurzeit das goldeneZeitalter von Thüringen beschrieben wird. Ich schließemich also der Bemerkung von Raban Graf von West-phalen an: Es hat den Anschein des Rückfalls in denFeudalismus bei Wiedereinführung der Kleinstaaterei.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Dr. Vogel, von einem Urgestein des Parlamentaris-mus ist der Satz geprägt worden "Gott schütze Rheinland-Pfalz". Von einem Nachahmungstäter, der wohl witzig seinwollte, stammte die Adaption "Gott schütze Thüringen".Jeder weiß, von wem diese Sätze sind und unter welchenUmständen sie gesagt wurden. Es war immer am Schlusseiner politischen Karriere, es war immer das Ende einerunfreiwilligen Beendigung. Ich frage mich, wenn ich dieSätze auf mich wirken lassen, und ich frage mich dasbis heute, wovor soll Gott eigentlich Rheinland-Pfalz undThüringen schützen?

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Vor derPDS!)

(Beifall bei der CDU)

Das zeigt mir das Staatsverständnis, das aus der Mittedes hohen Hauses gelebt wird.

(Beifall bei der PDS)

Man beruft sich auf Gott, beschwört Gott, um Gott zurHilfe anzurufen, dass der Wähler uns nicht wählt.

(Heiterkeit im Haus)

Sie trauen nicht dem Wähler, sondern Sie gehen in dieKirche beten, und hoffen dann im Gebet inständig, dassdie Wählerinnen und Wähler nicht merken, dass manchesder Bilanz gar nicht so golden ist und dass der Kaisermöglicherweise gar keine Kleider anhat. Aber da solltenSie dann wirklich nicht auf Gott vertrauen, denn gestat-ten Sie mir, es gibt nicht Ihren Gott, es gibt vielleicht imuniversellen Sinn einen Gott, und dann ist es auch meinGott. Und dann sage ich, mein Gott, vor was sollst duRheinland Pfalz und Thüringen schützen? Ich habe dieVermutung, vor der Wirtschaftspolitik und der Politik, HerrDr. Vogel, die Sie zu verantworten hatten, sollte Gott schüt-

zen, denn sonst hätte ich die Sätze nicht verstanden, wennder ehemalige CDU-Fraktionsvorsitzende von Thürin-gen bei seinem Abgang sagt "Gott schütze Thüringen".Denn er hat ja die Mehrheit der CDU nicht auf seiner Seitegehabt. 4.138 Tage, Herr Ministerpräsident, war Ihre Amts-zeit, auf den Tag genau 4.138 Tage, vom 5. Februar 1992,das war der Tag des Amtseides, bis zum heutigen Tag.

Ich darf Sie erinnern, Herr Dr. Vogel, am 5. Februar 1992standen vor diesem Landtag 3.000 demonstrierende Kon-sumbeschäftigte. Während Ihres Amtseides gab es eine De-monstration der noch 24.500 sozialversicherungspflichti-gen Arbeitnehmer in den Konsumgenossenschaften ausThüringen, die darauf hofften Hilfe zu bekommen, nichtFördergelder, nicht Subventionen, sondern Hilfe und da-rauf hofften ihren Arbeitsplatz zu erhalten, wenn sie ihreBetriebe umschulden können, weil sie das vermaledeiteProblem der volkseigenen Grundstücke, die unter denKaufhallen waren, nicht gelöst haben und nicht gelöst be-kommen haben. Die Repräsentanten dieser Demonstra-tion haben nicht einmal eine Audienz bekommen. Gleich-zeitig ist im Thüringer Einzelhandel die Notwendigkeiteines Raumordnungsgesetzes nicht erlassen worden, sowie es damals schon in Nordrhein-Westfalen bestandenhat und in anderen westlichen Bundesländern gang undgäbe war. Die Baunutzungsverordnung der BRD wurdedamit wirkungslos gemacht und wir haben die Einfüh-rung von Großsupermärkten in Thüringen, die sich wiefolgt kennzeichnet: Wir haben zu viel Quadratmeter Ver-kaufsfläche und zu wenig Kaufkraft der Bürger, so dassdie Konsumbeschäftigten arbeitslos geworden sind. Vonden einstmals 24.500 sind heute noch 300 Menschen beiKonsum in Lohn und Brot. Auch in den Einkaufszent-ren, die in Ihrer Amtszeit entstanden sind, stehen heutemittlerweile eine ganze Anzahl leer, die neuen Hallender neuen Marktwirtschaft, die weder sozial noch goldenist, sondern auch eine andere, eine dunkle Seite hat.

Meine Damen und Herren, Sie haben in Ihrer Regierungs-erklärung darauf hingewiesen, auch auf die Problematikder Veränderung in diesem Land. Ich möchte es wie folgtuntersetzen: 1991 waren noch 2,572 Mio. Menschen Thü-ringerinnen und Thüringer, im Jahre 2001, also zehn Jahrespäter, waren es 2,4 Mio. Wir haben in Ihrer Amtszeit161.000 Menschen in Thüringen weniger. Es sind ebennicht nur die Menschen, die gestorben sind, es sind auchdie Menschen, die keine Chance in diesem Land gese-hen haben. Es sind die jungen Leute, die gegangen sindund immer noch gehen. Es sind genau die fehlenden Zu-kunftschancen in der Mitte Deutschlands, die dazu füh-ren, dass wir die Abwanderung immer noch nicht gebro-chen haben und durch die Zuwanderung möglicherweisenur der Austausch von Eliten gefördert wird.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, beim Thema Arbeitsplätze, ichwerde darauf noch einmal zurückkommen, weil ich dasan Ihren eigenen Regierungserklärungen und nicht an den

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Forderungen der PDS messe und ich denke, an den Ta-ten sollte man Sie messen, an den Taten, die Ihren eige-nen Worten folgten. Da, Herr Dr. Vogel, nehme ich IhreRegierungserklärungen, die Sie im Verlauf der Jahre ab-geben haben. Noch im Jahr 1992 als Sie den Amtseidgeschworen haben, hatten wir 906.000 sozialversiche-rungspflichtige Arbeitnehmer in Thüringen, im Februar2003 sind es 743.000 Menschen, die in Lohn und Brotstehen. Das sind 163.000 Arbeitsplätze weniger im Ver-lauf Ihrer Amtszeit. Das sind umgerechnet geteilt durchdie Tage Ihrer Amtszeit täglich 40 Arbeitsplätze, die inThüringen verloren gegangen sind; täglich, einschließ-lich Samstag und Sonntag, einschließlich der wenigen Ta-ge, an denen Sie im Urlaub waren. Sie waren ja immeran Bord bis auf ganz wenige Tage, aber auch selbst inden Tagen sind täglich 40 Arbeitsplätze verloren gegan-gen. Es stimmt auch nicht, dass der Trendwechsel jetzteingetreten wäre, dass er in der letzen Zeit eingetreten wäre.Auch im letzten Amtsjahr 2002 sind 21.000 sozialversi-cherungspflichtige Arbeitsplätze in Thüringen verlorengegangen. Das, meine Damen und Herren, sind die echtenZahlen. Wenn Sie im Wahlkampf den Satz geprägt haben,top Thüringen, dann sage ich, das top Thüringen, von demSie gesprochen haben und von dem Sie immer die ande-re Seite nicht zeigen, ist das Thüringen der niedrigstenLöhne, ist das Thüringen der niedrigsten Kaufkraft undist das Thüringen mit der höchsten Pendlerzahl. Wennunsere Menschen nicht so flexibel wären und in die Alt-bundesländer täglich oder wöchentlich fahren würden, wä-re das Problem der Massenarbeitslosigkeit bei uns un-gleich höher.

Sie haben Recht, es gibt in Ihrer Amtszeit einen erfolgrei-chen Paradigmenwechsel, den wir nicht bestreiten wollenund nicht bestreiten werden, das sind die Industriearbeits-plätze. Wir haben mit 58 Industriearbeitsplätzen pro 1.000Einwohner den höchsten Besatz an Industriearbeitsplät-zen in ganz Ostdeutschland. Gemessen aber am Durch-schnitt der Bundesrepublik Deutschland sind das trotz-dem nur 69 Prozent, d.h., der lange Weg, der noch voruns liegt, ist unglaublich schwer und steinig. Wir sagenaber, gemessen an Ihrer eigenen Postulierung, die Sie inder Regierungserklärung am 26.02.1992 hier vom Pultverkündet haben, dass Sie sich es zu Eigen machen undals politischen Auftrag betrachten, dass die regionalen Un-terschiede in Thüringen, bezogen auf die Industriearbeits-plätze, nicht auseinander dividieren sollen. Heute mussich sagen, Herr Ministerpräsident, man hat das Gefühl,dass die Regionen, die mit "A" anfangen und die von denBürgern damals abgestimmt worden sind, dass sie in Thü-ringen integriert werden, Altenburg und Artern, von die-sem Prozess ausgeschlossen, abgehängt worden sind. Denn,meine Damen und Herren, wenn ich es messe an der Ver-teilung der Industriearbeitsplätze im Freistaat Thüringen,dann haben wir festzustellen, dass die ehemalige Industrie-stadt Gera, die einmal geprägt war von der Industrie, heutenur noch 24 Industriearbeitsplätze pro 1.000 Einwohnerhat, während das von Ihnen gerade so beschworene Boom-town Jena, was wirklich ein Zentrum in Forschung und

Entwicklung ist und wo ich hoffe, dass Merck tatsächlichbaut und es nicht nur wieder eine Ankündigung ist, wiees schon so oft auf dem Güterverkehrszentrum in Erfurt,wo etwas angekündigt worden ist, wo Tausende Arbeits-plätze schon entstanden wären, wenn sich die Ankündi-gungen alle bewahrheitet hätten. Aber auch in BoomtownJena haben wir nur 64 Industriearbeitsplätze und in demGrenzort Eisenach, und das gehört auch zur Wahrheit,offenkundig um den niedrigeren Lohn, von dem Sie ge-sprochen haben, ausnutzen zu können, gibt es immerhin138 Industriearbeitsplätze pro 1.000 Einwohner. Das istfür Eisenach ein gutes Zeichen, aber für Gera ein sehrschlechtes Zeichen. Gemessen also an Ihrer eigenen Regie-rungserklärung haben Sie den Ausgleich in Thüringen nichtgeschafft.

Um auf eine andere Regierungserklärung einzugehen,wo Sie Ankündigungen gemacht haben, denen außer derAnkündigung nichts gefolgt ist, am 7. Dezember 1994haben Sie hier im hohen Haus angekündigt, 100.000 zu-sätzliche Arbeitsplätze initiieren zu wollen und Sie habenangekündigt, dass die Arbeitslosenquote unter 10 Prozentgesenkt werden soll. Tatsache ist, 163.000 Arbeitsplätzesind in Thüringen bis heute verloren gegangen. Die sindweg. Tatsache ist, wir haben 40 Arbeitsplätze täglich, dieverloren gehen. Tatsache ist, auch im letzten Amtsjahr IhrerZeit sind 21.000 Arbeitsplätze verloren gegangen. Tat-sache ist, wir haben eine Arbeitslosenquote von 17,1 Pro-zent. Das heißt, top Thüringen hat eine dunkle Seite undich sage an dieser Stelle, der Kaiser hat keine Kleideran, auch keine neuen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Minis-terpräsident Dr. Vogel, symbolisch wollten wir Ihnenals PDS-Fraktion einige Geschenke zum Abschied über-geben. Symbolisch, Sie haben selber darauf verwiesen,symbolisch das bittere Salz von Bischofferode. Sie habenselber davon gesprochen. "Die kalte Fratze des Kapitalis-mus", das war der Satz, den Sie geprägt haben. Das ist einZitat von Bernhard Vogel, meine Damen und Herren. Auchwenn Sie sich vielleicht nicht daran erinnern können inder mittleren Sitzreihe und aufstöhnen. Ich danke Ihnenfür diesen Satz. Die Kalikumpel von Bischofferode wür-den aber mehr danken, wenn aktive Politik gegen die Bun-desregierung gemacht worden wäre und die Grube heutenoch produzieren würde, dann würde das Kali auf demWeltmarkt abgesetzt werden zu den Preisen, die heuteverdient werden, würde Bischofferode schwarze Zahlenschreiben und wir hätten einen florierenden Betrieb inThüringen mehr.

(Beifall bei der PDS)

Bei Ihrem letzten Wahlkampf, Herr Dr. Vogel, und dasnehme ich wirklich übel, gab es eine so genannte Vogel-fluglinie, es gab ein Unterstützungsprogramm aus Suhl,die sich Ihrem Wahlkampftross angeschlossen haben. Dashat den Namen Spatz und Sperber, Schwalbe - es sinddie Mopeds von Simson. Diese wurden auf Ihrer Wahl-

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kampftour gezeigt. Sie haben damals einer landeseige-nen Gesellschaft gehört, diese Firma, das ist verschleiertworden, alles ist später erst aufgeklärt worden. Das Er-gebnis aber, wenn die Mitarbeiterinnen und Mitarbeitervon Simson 1999 gewusst hätten, dass Sie für Ihren Wahl-kampf diese Mopeds fahren und anschließend in der Ver-antwortung Ihres Kabinetts gegen die Wand gefahren wer-den, dann hätten sie sich an der Wahlkampftour nicht be-teiligt. Ein Simson-Moped hätte ich Ihnen gern mit einemschwarzen Trauerflor überreicht.

Eine weitere Bemerkung, die ich mir überhaupt nicht er-sparen kann: Eine CD aus Albrechts hätten wir Ihnen gernmitgebracht. Denn dort ist uns ein ungenießbares Pilz-Gericht eingekocht worden, ein Pilz-Gericht, das in Mühl-hausen immer noch vor Gericht Schlagzeilen macht, aberein Pilz-Gericht, bei dem das einzigste Mal in Deutschlandeine Staatskanzlei durchsucht wurde von LKA und BKA,Beschlagnahmungen vorgenommen worden sind und dieAkten, die eigentlich in das Wirtschaftsministerium ge-hören, in der Staatskanzlei verschlossen lagen und bis heuteein Gezerre vor den Gerichten ist. Ein Arbeitsplatzsiche-rungsprogramm für Polizei, für Juristen, für Staatsanwälteund für Rechtsvertreter. Dort wird Geld hineingegeben, umoffenkundig keinen Ansehensverlust auf der noblen wei-ßen Weste der Landesreigerung zu hinterlassen. Roundabout 300 Mio. DM sind in Albrechts verschwunden, ver-schollen auf Nimmerwiedersehen. Die Steuergelder, HerrTrautvetter, Sie können sich die Augen zuhalten und dieHände über den Kopf schlagen. 300 Mio. DM ...

(Zwischenruf Trautvetter, Innenminister:Herr, schmeiß Hirn vom Himmel!)

Ja, Hirn hätte ich mir gewünscht in der Kontrolle durchdie Landesregierung. Sie, Herr Trautvetter, waren verant-wortlich in der Staatskanzlei für die Kungelrunde, dieTIP und TIF und all diese Machenschaften getrieben hat,die CD Albrechts gegen den Rat der Wirtschaftsprüfer ge-kauft hat und anschließend mit der Verschleuderung desSteuergelds einhergegangen ist. Da haben Sie sich einDenkmal gemacht.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, auch an das weiße Gold Thü-ringen soll an dieser Stelle erinnert werden - symbolischeine Vase von Graf Henneberg. Auch dort haben Sie,Herr Trautvetter, die Finger zutiefst drin gehabt. Wenndie Thüringer Aufbaubank am Schluss Rechtsanwälte be-schäftigen muss, um sich mit der Thüringer Industriebe-teiligung auseinander zu setzen, also die Gesellschaft, dievon Steuergeldern gegründet worden ist und uns immererzählt worden ist, die sei staatsfern, dann zeigt das denZustand, dass Landesgesellschaften nur noch mit Juristenmiteinander umgehen und unterm Strich in Größenord-nungen dabei die Opfer die Arbeitnehmer waren, die ihreArbeitsplätze verloren haben.

Wo wir bei unangenehmen Erinnerungen sind, sei er-wähnt, Ihre Regierung, Herr Dr. Vogel, Sie haben sichbedankt für drei Legislaturperioden. In diesen Legisla-turperioden waren Sie auch zuständig für die Personal-politik. Sie waren immer der Strahlemann, das hat michimmer sehr beeindruckt. Sie haben es immer geschafft,nach außen für das Gute der Landesregierung und dasWohl der Bürger zu stehen. Da waren Sie ein Marken-produkt von Thüringen, unter Marketinggesichtspunk-ten ein genialer Werbefeldzug, den Sie immer deutlichauch sehr persönlich repräsentiert haben. Für die Skandalewaren Sie nie zuständig. Da gibt es einen eklatanten Wi-derspruch, an den ich wenigstens dann personifiziert er-innern will. Da gab es einen Sozialminister Hans-Hen-ning Axthelm, der vergessen hat -

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Den ken-nen Sie auch noch?)

(Unruhe bei der CDU)

da war ich schon hier, Herr Althaus, da war ich schonhier, Sie werden es nicht glauben, ich bin auch seit 1990hier - seine Schmuddelhefte zu bezahlen und das Hunde-shampoo auch ohne zu bezahlen mitgenommen hat.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ich glaub',er war im falschen Film.)

Da gibt es den Innenminister Willibald Böck. Bei demwill ich nur an eine einzige Affäre erinnern, deren Kerb-holz ganz viele gibt, aber eine sei mir gestattet, die sogenannte Raststättenaffäre. Es gibt die erste Computeraf-färe, nicht die in der großen Koalition, die dann anschlie-ßend medial aufgeblasen worden ist. Es gibt die ersteComputeraffäre, die sich mit dem Finanzminister KlausZeh verbindet, und es gibt den Justizminister AndreasBirkmann, der in der Staatsaktion, als die Staatskanzleidurchsucht wurde, zu viel als Justizminister telefonierte- wenigstens einmal zu viel telefonierte.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Sie habenkeinen politischen Anstand.)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: MachenSie so weiter?)

Natürlich mache ich weiter, das ist die Aufgabe derOpposition.

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Das mussaber nicht sein.)

Die Opposition hat eine Bilanz zu ziehen.

(Beifall bei der PDS)

Gestatten Sie mir, dass ich auf das Zitat des Minister-präsidenten eingehe. Ferdinand Lassalle hat gesagt: Man

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soll sagen, was ist, und nicht, wie man glaubt, sich dieWelt zurechtmogeln zu können.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Da gibt es einen Andreas Birkmann, der zu viel telefo-niert und in juristische Abläufe eingegriffen hat, was sichfür einen Justizminister nicht gehört. Und es gibt einenInnenminister, der sich eine CD zu viel hat brennen las-sen. Ich hoffe ja, es war ein Rohling von Pilz, dann wärewenigstens Umsatz bei Pilz gesichert worden. Währendsich andere Menschen Musik auf CDs brennen lassen,war ein Innenminister so frei und hat sich vertraulicheUnterlagen auf CD brennen lassen, die anschließendverschollen sind - verschollen im Nebel -, also ChristianKöckert sei an dieser Stelle auch erwähnt. Kurz gesagt,Ihr Kabinett "Pleiten, Pech und Pannen", zusammenge-fasst von Spaßbädern zu bienenfleißigen Honorarsamm-lerinnen, von Kungelrunden in der Staatskanzlei zu Haus-durchsuchungen in selbiger mit LKA und BKA, mit allenFolgen, die bis heute nicht ausgestanden sind.

Sie selbst standen und stehen für gelebten Parlamenta-rismus. Das war gut und bleibt gut, aber ein zu souve-ränes Parlament, Herr Dr. Vogel, das ist nicht Ihr Ding.Sie haben ja eben gesagt, Opposition haben Sie nie ler-nen müssen. Opposition ist aber Bestandteil parlamenta-rischer Demokratie. Opposition braucht Mitbeteiligung,Opposition braucht nicht nur das Engagement der Oppo-sition selber, sondern auch parlamentarische Informatio-nen. Ich erinnere an dieser Stelle, Frau Präsidentin, an dieDrucksache 3/50 in dieser Legislatur, die unter dem Titel"Weiterentwicklung und Stärkung des Föderalismus" stand.Darin verbirgt sich der Appell aller deutschen Landtags-präsidenten, die Oppositionen ernsthaft in Kontrolle ein-zubeziehen. Diese ernsthafte Umsetzung der Drucksache3/50 sind Sie diesem Parlament schuldig geblieben. UndIhren Nachfolger, Herrn Althaus, erinnere ich schon da-ran und auf diesem Weg: Wir haben gemeinsam, HerrGentzel, Sie und ich, in Lübeck im Konvent das Lübe-cker Abschlussdokument beschlossen. Lassen Sie uns,wenn Sie in wenigen Minuten hier gewählt worden seinsollten, Sie daran erinnern, dass das, was Sie vorher alsFraktionsvorsitzender mit uns beschlossen haben, wiranschließend kommen, um mit Ihnen als Regierungs-chef, als Ministerpräsident über die Umsetzung des Lü-becker Konvents zu sprechen.

(Beifall bei der PDS)

Herr Dr. Vogel, mir persönlich haben Sie einmal insStammbuch geschrieben, ich solle doch nicht so laut undso frech und so viel im Internet über die Skandale desLandes öffentlich reden, das sei doch schlecht für das Land.Sie haben mir dann gesagt, ganz, ganz mit Vehemenz:Fragen Sie doch, Herr Abgeordneter, fragen Sie doch. Ichhabe anschließend hier im Landtag gefragt, ich habe denRat erfüllt, den Sie mir gegeben haben. Ich darf Ihnenheute an Ihrem letzten Amtstag in diesem Amt sagen: Ant-

worten habe ich nie bekommen. Als ich mich bei Ihnenbeschwert habe, dass ich keine Antworten bekomme, habeich auf diese Antwort nicht einmal eine Antwort bekom-men. Da sage ich, Herr Ministerpräsident - und das wur-de auch beim Verfassungsstreit vom Kollegen Schemmeldeutlich -: Fragen dürfen wir, die Antworten werden unsnur erteilt, wenn sie genehm sind und in das goldene Bildpassen.

Wenn ich beim Persönlichen bin: In Gera haben Sieüber mich folgenden Satz geschrieben bzw. dem CDU-Parteitag zur Kenntnis gegeben - Frau Präsidentin, ichzitiere: "Der andere ist in Thüringen nicht heimisch gewor-den - ein Mann von gestern, der seiner Jugendzeit als Klas-senkämpfer im Westen nachtrauert und dem die friedli-che Revolution einen Strich durch seine sozialistischeRechnung gemacht hat."

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Stauch, CDU: Besserkann man's nicht sagen.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Die mittlere Sitzreihe ist erfreut. Dazu nur zwei Erwide-rungen: Ich habe in Thüringen geheiratet und habe inThüringen eine Familie gegründet. Ich habe meinen ers-ten Wohnsitz nach Thüringen verlegt. Ich habe zwar nachder Lex Schuster hier kandidiert, aber anschließend füreine nächste Kandidatur mich entschieden, meine Wur-zeln in Thüringen endgültig einzuschlagen.

(Beifall bei der PDS)

Ich habe meine Verwurzelung vollzogen, sagen jeden-falls meine Frau und mein Kind. Es mag Ihnen ja nichtpassen, dass ich hier stehe, es mag ja sein, dass Sie gernwieder mit Ausweisung arbeiten möchten, aber ich ...

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Wieder,wieso wieder.)

Ausgrenzung ist auch eine Form von Ausweisung. HerrDr. Vogel, Ausgrenzung, für sich reklamieren Hiesigerzu sein und anderen absprechen Hiesiger zu sein, das istder Widerspruch. Herr Schwäblein sei erinnert, als Frak-tionsvorsitzender im Erfurter Stadtrat plädiert er geradedafür, dass die Aufbauhelfer, die, die hier alle gut be-zahlt sind, ihren ersten Wohnsitz endlich in Erfurt anmel-den sollen, weil ansonsten die Zweitwohnsitzsteuer ein-geführt werden muss. Bitte appellieren Sie doch mal anIhre eigenen Kolleginnen und Kollegen und Freunde, diealle hier gute Posten gefunden haben, gut dotierte Jobsin Thüringen eingenommen haben. Appellieren Sie dochmal daran, dass die ihren ersten Wohnsitz hier anmelden,dann können wir darüber reden, wer heimisch geworden

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ist und wer nicht.

(Beifall bei der PDS)

Eine zweite Bemerkung will ich in dem Zusammenhangmachen. Die friedliche Revolution hat mir keinen Strichdurch meine sozialistischen Hoffnungen gemacht, ganzim Gegenteil. Mit dieser friedlichen Revolution habe icherst angefangen, eine sozialistische Vision zu entwickeln,

(Heiterkeit bei der CDU)

weil mit dem Ende ...

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: Daswar die Aussage des Tages.)

Ich habe an die rote Nelke am Anfang meiner Rede er-innert. Es gab schon mal eine Zeit, in der man von So-zialismus nicht reden durfte. Das Ende des Staatssozia-lismus ist erst der Aufbruch, bei dem wir noch nicht wis-sen, ob Kapitalismus am Ende das Ende der Geschichteist. Die jetzige Form des Kapitalismus und der gelebteNeoliberalismus ist eine Form, die uns in diesem Landnicht weiterbringt, weil sie Opfer produziert und immermehr Menschen am Wegesrand liegen lässt.

(Unruhe bei der CDU)

Insoweit bleibe ich dabei: Sie leben Ihre Werte, wir kri-tisieren Sie nicht für Ihre Werte, ob katholisch, ob christ-lich-demokratisch, ob konservativ, aber als Christ, alsProtestant, als Mensch mit immer noch sozialistischerVision erlaube ich mir, dass wir einen anderen Werte-kanon auch repräsentieren. Und beide gehören in dieseGesellschaft, Ihre, aber auch unsere, weil erst alles zu-sammengenommen ein Ganzes gibt, dass es Alternati-ven auch zu bestimmter Politik gibt.

Meine Damen und Herren, ich möchte noch ein paarBemerkungen über das konservative Wertesystem ma-chen; das möchte ich mir erlauben über das Geschichts-bild. Herr Dr. Vogel, wir achten Ihre Lebensleistung undIhre Weltanschauung, aber oft genug haben Sie wissent-lich oder unbeabsichtigt Ansichten und Biographien ne-giert oder gar angetastet. Dazu will ich zwei Beispielesagen. Was wir sehr gut finden, ist, dass Sie im Kabinettdie Vorbereitung zum 60. Jahrestag Buchenwald schonvorbereitet und selbst angeschoben haben. Wir hoffen,dass Ihr Nachfolger dieses konsequent weiter umsetzt.Aber ich erlaube mir daran zu erinnern, dass Sie am 50.Jahrestag auf dem Appellplatz Buchenwald den Teil derSelbstbefreiung einfach weggelassen haben.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Es gabkeine Selbstbefreiung.)

Das war eine neben der Selbstbefreiung ...

(Unruhe bei der CDU)

Meine Damen und Herren, ich rede von den angetrete-nen Überlebenden, nicht von unserer Sicht auf die Din-ge. Die Angetretenen dort auf dem Appellplatz noch leben-den Buchenwaldhäftlinge haben eine andere Erinnerungals die, die Ihnen hier verordnet werden soll.

(Beifall bei der PDS)

Und wer sich als Überlebender an Selbstbefreiung erin-nert und sagt, wir haben unseren Teil dazu geleistet, demsollte man die Achtung und die Ehre nicht verweigern,auch wenn der Teil der Befreiung durch die amerikani-sche Armee der zentrale ist. Aber ohne das Engagementganz vieler Buchenwaldhäftlinge wäre auch der demokra-tische Aufbruch nach 1945 in diesem Teil nicht gelun-gen. Dazu haben Buchenwaldler sehr viele Opfer auchdanach bringen müssen.

Eine zweite Bemerkung: Während Sie zu Recht die Re-habilitation ...

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Spezial-lager 2.)

Herr Althaus, es gab einige Monate unter der amerika-nischen Zeit, in der hier sehr demokratisch antifaschis-tisch in Kommunen Aufbauarbeit gemacht worden ist.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Unter deramerikanischen Fahne.)

Es gibt eine zweite Bemerkung: Während Sie sich enga-gieren für die Rehabilitation der Opferbiographien derDDR, wo wir ausdrücklich Ja dazu sagen, gibt es etwasanderes, wo Sie sehr persönlich dagegen gekämpft undgestanden haben, das ist das Denkmal des unbekanntenWehrmachtsdeserteurs auf dem Petersberg. Auch da sageich, bis zum heutigen Tag sind die Deserteure der faschisti-schen Naziarmee nicht rehabilitiert worden. Auch dortsollte man die Achtung und die Ehre akzeptieren und auchdiesen Menschen die notwendige Würde zuteil werdenlassen.

(Beifall bei der PDS)

Eine letzte Betrachtung, die erwähnt sei. Das Frauenbildmöchte ich nur anreißen. Sie haben einmal den Satz ge-prägt: Wenn die Frauen in Thüringen nicht eine solcheErwerbsneigung hätten - und in Ihrer Rede heute steht esandeutungsweise wieder drin -, wäre die Arbeitslosigkeitso hoch wie in Rheinland-Pfalz. Warum, Herr Dr. Vogel,ist das die Erwerbsneigung der Frauen? Wieso ist das ge-schlechtsspezifisch? Wieso machen Sie das geschlechts-spezifisch fest? Welches Bild verbirgt sich eigentlich dage-gen? Haben Frauen ein geringeres Recht, Erwerbsarbeit

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nachzugehen?

Und eine zweite Bemerkung:

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: HerrRamelow, das ist wieder tendenziös.)

Bei der Frage der Bundespräsidentenkandidatur geht jader Satz um, dass die Konservativen nur dann eine Fraupräsentieren, wenn es keine Chance gibt. Also das böseWort der Zählkandidatin. Sie haben Gelegenheit, in we-nigen Wochen dafür zu sorgen, dass die BundesrepublikDeutschland auch eine Bundespräsidentin als ganz nor-mal gelebten Tatbestand haben kann.

(Beifall bei der PDS)

In einem Punkt unterscheiden wir uns ganz deutlich, dasist das Bild von der Bildung. Sie sind als Kultusministerschon in Rheinland-Pfalz, daher kenne ich Sie seit mei-nem 12. Lebensjahr, für eine Frühselektion. Sie sagen im-mer fördern und unterstützen, aber gleichzeitig setzen Sieauf die frühe Selektion, also das gegliederte Schulsystemdes 19. oder des frühen 20. Jahrhunderts war Ihr Credound bleibt Ihr Credo. Wir sagen, wir setzen dagegen ganzklar einen Bildungsbegriff, bei dem längeres gemeinsa-mes Lernen im Zentrum steht und bei dem zusammen ler-nen und zusammen leben im Sozialverband der notwen-dige Kitt ist, der junge Menschen auf dem Lebensweg indiese Gesellschaft begleitet. Wir haben da keine Hoffnungmehr bei Ihnen, dass sich im Gedankenbau etwas verän-dert. Wir hoffen aber, dass Herr Althaus einige neue Ak-zente setzt, wenn es darum geht, dass Bildung auch andersgelebt werden kann.

(Beifall bei der PDS)

Den Hinweis auf den Austausch von Eliten habe ich ge-macht. Wenn man in Thüringen eine soziologische Um-frage starten würde, eine Untersuchung unter den Spitzen-entscheidern, würde man wahrscheinlich feststellen, dassin den Posten, die das Land vergeben hat, in der Verwal-tung, bei der Justiz oder bei den öffentlich-rechtlichenStellen nicht nur ein Eldorado für vertraute Personen ent-standen ist oder nahe stehende Personen, nein, ich wagedie These, dass man folgende Kriterien am meisten wie-der finden wird: männlich, westdeutsch, konservativ. Soist eben auch in Ihrer Amtszeit das Land neu und wei-terentwickelt worden.

Trotzdem, auch wenn wir eine andere Sicht auf IhreAmtszeit haben, habe ich zwei persönliche Wünsche amSchluss Ihrer Amtszeit, quasi als Wünsche mit auf denWeg.

Erstens, Herr Dr. Vogel, ich wünsche Ihnen wirklich vonganzem Herzen einen wohlverdienten Ruhestand.

(Heiterkeit bei der CDU)

Luther war von Thüringen aus in Worms, Sie hätten esdann nicht mehr weit bis nach Speyer,

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU)

aber Speyer liegt daneben.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Das soll-ten Sie sich mal merken.)

Ich wusste nicht, dass Worms und Speyer heute nichtmehr in Rheinland-Pfalz liegen.

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Aber Siehaben gesagt, Worms liegt in der Pfalz.)

Das stimmt, aber in Rheinland-Pfalz. Verzeihen Sie, wennich jetzt daran erinnere, dass Rheinland-Pfalz das ganzeLand ist, deswegen ist Rheinland-Pfalz auch das jungeLand und wir das alte Land. Wir sind nämlich historischviel älter.

(Beifall bei der CDU)

Also einen wohlverdienten Ruhestand wünschen wir Ihnen.Nach so viel Engagement in und für Thüringen habenSie sich viel Zeit in Speyer redlich verdient. Da wartendie Weinstuben, da wartet das Feuerbachhaus, da wartetdie "Schweizer Amsel" und der "Alte Engel". Ich sage,Herr Dr. Vogel, einfach ins "Altpörtel". Genießen Sie dasAltstadtfest und mit Ihnen kommt noch eine andere Le-gende nach Speyer in den nächsten Tagen oder Wochen,das weiß ich nicht genau. Quasi eine Vogelfluglinie, diesich zurzeit nach Speyer aufmacht, nämlich die großeLegende der Concord. Die letzte fliegende Concord wird inSpeyer aufgestellt, quasi zwei Vögel fliegen nach Speyer.

Eines ganz persönlich: Nächstes Jahr, wenn die Wähle-rinnen und Wähler in Thüringen entschieden haben undwir als PDS unser Votum bekommen haben werden, soherum wie anders herum, eines verspreche ich, wennwir so zulegen, wie wir es hoffen,

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nach derRede heute nicht.)

das verspreche ich, weil es muss auch erlaubt sein,

(Unruhe bei der CDU)

die Person zu kritisieren für die Amtszeit, für die Re-chenschaft abzulegen ist und über die wir unseren Rechen-schaftbericht abzulegen hatten und nicht den Schatten,den er wirft durch die großen Scheinwerfer, die auf ein-mal eine Riesenperson zeigen. Wir haben es mit einemMenschen zu tun, Herr Dr. Vogel, als Mensch sagen wirdanke. Sollten wir es tatsächlich schaffen, ein erfolgrei-

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ches Ergebnis einzubringen, verspreche ich Ihnen einSommerfest in Speyer. Wir werden die Gruppe Blues &Blödel von Speyer engagieren, damit es ein schönes Festin Speyer gibt.

Meine Damen und Herren, ein weiterer Wunsch, den ichganz persönlich habe:

(Unruhe bei der CDU)

Nach über 50 Jahren Grundgesetz, nach fast 60 JahrenBundesrepublik Deutschland, nach fast 15 Jahren Gesamt-deutschland, meine sehr verehrten Damen und Herren,wünsche ich mir ganz persönlich eine Bundespräsiden-tin. Die Bundesrepublik Deutschland besteht nicht nuraus Männern und es wird Zeit, auch Frauen das höchsteStaatsamt im Land zu übertragen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: FrauZimmer.)

(Unruhe im Hause)

Sehr geehrter Herr Althaus, ich muss jetzt spekulieren.Ich vermute, Sie haben ein knappes Jahr Amtszeit vorsich. Gehen wir von dem 11. Juli 2004 als Wahltag aus -rein fiktiv - es ist ein Sonntag,

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Nicht mal dahaben Sie Recht.)

also der 13. Juni 2004. Eine knappe einjährige Amtszeithaben Sie vor sich. Wir, Herr Althaus, würden tief denHut vor Ihnen ziehen und Ihnen für Folgendes auch dieHand reichen, unser Engagement mit einbringen, wennes Ihnen gelingt, den Trend zu brechen, dass täglich 40Menschen ihre Arbeit verlieren und umdrehen, dass inder Amtszeit, die Ihnen noch zur Verfügung steht, 40 Men-schen zusätzlich in Lohn und Brot kommen. Das wäre allerMühe wert, darin würden wir Sie unterstützen, diesenWeg würden wir begleiten, und wenn Sie für längeresgemeinsames Lernen eintreten, so wie Sie es angekün-digt haben, für die Stärkung des Sozialstaats und für dieAktivierung des parlamentarischen Lebens, so wie wir esin Lübeck beschlossen haben. Meine sehr verehrten Damenund Herren, bei der Umsetzung der Drucksache 3/50 undfür die Umsetzung direkt demokratischer Elemente, wiewir es auch besprochen haben, auf diesem Weg wollenwir Sie begleiten. Dafür reichen wir die Hand. Wenn wiruns daran beteiligen können, dass endlich ein AufbruchOst entsteht und der Nachbau West hier beendet wird,dann sagen wir, für Kreativität und eine einzige nach-haltige innovative Zone Thüringen, das wäre ein Projekt,bei dem wir Sie in Ihrem Weg begleiten würden. Wenn Siedafür streiten, sagen wir ja. Für ein einfach nur "weiterso", sagen wir nein. Am Schluss ein Wort an den Eichs-felder von einem anderen, der ihn im Eichsfeld geprägthat, und Sie werden gleich sagen, das ist auch gar nichtim Eichsfeld. Thomas Müntzer hat gesagt ...

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion)

(Heiterkeit bei der CDU)

Das war nicht im Eichsfeld, das weiß ich. Die Frage ist,wo er den Satz gesagt hat. Ich dachte ...

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Müntzerwar nie im Eichsfeld.)

Er war nie im Eichsfeld, aber in Mühlhausen. Aber trotz-dem wäre Müntzer für Sie der Richtige, den ich Ihnen aufden Weg gebe, Herr Althaus: "Die Herren machen es sel-ber, dass ihnen der arme Mann zum Feind wird." SorgenSie dafür, dass der arme Mann in diesem Land das Gefühlhat, dass es einen Aufbruch gibt, der nach vorn geht, diebesten Jahre liegen vor uns. Eines darf ich Ihnen sagen, amWahltag kann der Wähler entscheiden und nicht die Mehr-heitsfraktion, wie sie hier sitzt, ob der Übergang gelingenwird. Wir sagen, wenn der Wähler wägt und prüft, was ab-gerechnet worden ist, dann wird der Übergang gelingen.Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Groß, CDU: Peinlich.)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt das Wort der Vorsitzende der SPD-Fraktion,Heiko Gentzel.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

(Unruhe im Hause)

Frau Präsidentin,

Präsidentin Lieberknecht:

Ich darf bitten, sich auf den neuen Redner zu konzent-rieren.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,sehr geehrter Herr Ministerpräsident, es hat in der letz-ten Zeit im Thüringer Landtag eine wahre Inflation vonRegierungserklärungen gegeben. Viele erscheinen mir auchim Nachhinein noch als vollkommen überflüssig, weileben auch folgenlos.

Die heutige Regierungserklärung des Ministerpräsidentenwar eine andere, war eine besondere. Seit dem CDU-Par-teitag vom 24. Mai dieses Jahres wissen wir, dass er heutesein Amt als Ministerpräsident niederlegen wird. So waralso von vornherein klar, dass wir heute so eine Art Bi-lanz Bernhard Vogel in elf Jahren vorgetragen bekom-men. Einige haben in den letzten Tagen in diesem Zusam-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7495

menhang vom Ende einer Epoche gesprochen. Mir, unsSozialdemokraten geht das viel zu weit. Viel sympathi-scher ist die eigene Einschätzung des Ministerpräsidenten -ich zitiere: "Ich wollte helfen und ich habe versucht zuhelfen. Ich habe versucht, meine Pflicht zu tun - nicht mehrund nicht weniger."

(Beifall bei der CDU, SPD)

Dieses, meine sehr verehrten Damen und Herren, ist dasselbstbewusste Understatement, wie es sich für einen Mi-nisterpräsidenten gehört. Ich habe mir einige Reden undAnkündigungen des Ministerpräsidenten der letzten elfJahre, insbesondere hier in diesem Haus, noch einmaldurchgelesen und ich komme zu folgendem Resümee: Mitihm - auch mit ihm - ist in Thüringen viel erreicht worden,

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

aber auch er war nicht frei von Irrtümern und Fehlern.Sie können jetzt weiterklatschen.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt keinen Grund, den scheidenden Ministerpräsidentenzu segnen oder gar heilig zu sprechen - Herr Althaus beiIhren Reden habe ich immer das Gefühl, wir stehen kurzdavor -, ich bin mir aber auf der anderen Seite wiederumsicher, Herr Ministerpräsident, Sie wollen dieses gar nicht.

Meine Damen und Herren, als Ministerpräsident Bern-hard Vogel vor elf Jahren nach Thüringen kam, hatte erim sprichwörtlichen Rucksack, den man immer so mitbringtvor allem eines: einen riesigen Erfahrungsschatz. Dies ge-paart mit Routine, Erfahrung und Fleiß war bitter nötig.Nicht nur durch eine Clownerie seines Vorgängers Josef���� ����������������������������������������������stand der Thüringer CDU war erbärmlich.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mich so an all die Kandidaten erinnere, diedamals gehandelt worden sind,

(Zwischenruf aus der SPD-Fraktion)

(Heiterkeit bei der CDU)

sage ich für Thüringen und für die CDU: Es hätte vielschlimmer kommen können.

(Beifall bei der SPD)

So ist es nicht verwunderlich, eher nachlesenswert, dassder Ministerpräsident Bernhard Vogel in seiner erstenRegierungserklärung im Thüringer Landtag Aufgaben undForderungen formuliert hat, von denen heute noch vieleunterschrieben werden können. Auffällig bleibt bei alldiesen Dingen sein damaliger Großmut mit der Bundes-

regierung. Dieser endete übrigens abrupt 1998. Hatte erdamals noch Verständnis für viele Unzulänglichkeiten aufBundesebene, sprach er öfter davon, man sollte nicht soviel diskutieren, sondern man sollte eben anpacken, aberseit 1999, Herr Ministerpräsident, geht Ihnen nichts mehrrichtig schnell und gut genug - so ändern sich halt dieZeiten.

(Zwischenruf Abg. Wehner, CDU: Ja, leider.)

Es ist, Herr Ministerpräsident, im Wesentlichen Ihr Ver-dienst, in der 1. Legislaturperiode grundhaft Ordnung indie Landesregierung gebracht zu haben. So wurden Abläufedeutlicher nachvollziehbar. Wichtig war auch, dass Sie demdamaligen F.D.P.-Wirtschaftsminister an einer Stelle deut-lich widersprochen haben, nämlich, dass wir industrielleKerne in Thüringen nicht brauchen. Wir brauchten sie undwir brauchen sie sehr wohl. Der Schaden, den die falscheWirtschaftspolitik des damaligen WirtschaftsministersBohn angerichtet hat, ist wohl auch heute noch kaum zu be-ziffern. Nicht unerwähnt, wenn allerdings auch reine An-gelegenheit des Parlaments, soll die Verabschiedung derLandesverfassung sein. Nach meiner Auffassung gehörtsie nach wie vor zu den mondernsten in Deutschland.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Auch wenn Sie, Herr Ministerpräsident, weil Sie damalsnicht Abgeordneter waren, nicht direkt an dieser Verab-schiedung oder an dem Entwurf zur Landesverfassungbeteiligt waren, gehe ich mal davon aus, dass im Hinter-grund Ihre ordnenden Hände gearbeitet haben - Ihre Frak-tion hatte es auch damals nötig.

(Beifall bei der PDS, SPD)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Nichtunverschämt werden!)

(Heiterkeit bei der CDU)

Herr Schwäblein, warum lachen eigentlich immer alle,wenn Sie reden?

Meine Damen und Herren, Bischofferode, das war derBeginn des Verlusts der Kali-Industrie für Thüringenund bleibt der dunkle, bitter dunkle Fleck der 1. Legisla-turperiode.

(Beifall bei der SPD)

Die Landesregierung vermochte es nicht, dieses zu ver-hindern, zu groß und zu stark war das Bündnis gegenden Fortbestand der Thüringer Kali-Industrie.

Meine Damen und Herren, die 2. Legislaturperiode wardie Legislaturperiode der großen Koalition. Vieles, HerrMinisterpräsident, haben Sie und wir in der Regierung,in den Fraktionen gemeinsam angepackt und zu einem

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guten Ende gebracht. Ich erinnere gern daran, dass in denZeiten, in denen wir gemeinsam regierten, die Investi-tionsquote im Haushalt regelmäßig deutlich über 20 Pro-zent lag und, ich füge hinzu, das alles ohne Buchungs-tricks. Wir waren uns auch sehr schnell einig, Bundes-mittel insgesamt zu komplementieren und somit alle mög-lichen Fördermittel vom Bund abzurufen; das war nichtin allen neuen Bundesländern so. Wir haben gemeinsamOrdnung in die Aufbaubank gebracht und begonnen, dieLandesgesellschaften zu ordnen und haben trotz diesesEngagements für die Thüringer Wirtschaft und für denMittelstand den zweiten Arbeitsmarkt nicht vergessen.

(Beifall bei der SPD)

Die Jugendpauschale - damals insbesondere von der CDUnoch mit Fragezeichen versehen - hat sich bewährt. DieKreisgebiets- und die Gemeindegebietsreform waren einriesiger Kraftakt. Alle wissen, wir hätten längst nachbes-sern müssen. Dies bleibt eine große Aufgabe für die Zu-kunft. Im Bereich Wissenschaft und Forschung legten wirmit viel Kontinuität und mit vielen Haushaltsmitteln dieSaatkartoffeln, die wir Thüringer später einmal ernten wol-len. Gern erinnere ich an die solide Neustrukturierung inder Thüringer Theater- und Orchesterlandschaft. Die ge-gebene Fünfjahresgarantie wurde selbstverständlich ein-gehalten. Die Zeit von 1994 bis 1999 bezeichne ich alsdie erfolgreichsten Jahre in Thüringen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der SPD)

In der großen Koalition haben wir mit großem Respektvoreinander gearbeitet. Nicht immer war eitel Sonnen-schein, aber der Wille, gemeinsam erfolgreich zu sein,half manche Krise zu überwinden.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Daswar doch wieder nicht ehrlich.)

Herr Kretschmer, wenn Sie Richter wären über Ehrlich-keit oder nicht, dann ist Deutschland verloren.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, sehr geehrterHerr Dr. Bernhard Vogel, 1999 führten Sie die CDU zueinem überragenden Wahlsieg und es ist unstrittig, dassSie ein zentraler Faktor dieses CDU-Wahlsiegs waren.Nach der Kabinettsbildung und der ersten Regierungs-bildung wurde es aber ruhig, zu ruhig. Statt, wie verspro-chen, mit absoluter Mehrheit kraftvoll zu regieren - Skan-dale, Skandälchen, Stillstand. Im Wissenschaftsbereichein Hochschulpakt für die Zukunft, aber weniger Geld fürdie Forschungseinrichtungen. Im Bildungsbereich die stän-dige Erklärung, dass bei PISA andere schlechter warenals wir. Die Skandale um die Minister Köckert und Birk-mann und statt einer durchschlagenden Verwaltungsre-form Verschiebung von Personal von der einen Einrich-tung in die andere. Und nicht zuletzt in finanziell schweren

und unsicheren Zeiten - ich behaupte immer noch, widerbesseres Wissen - ein Doppelhaushalt, der bei seiner Ab-stimmung schon Makulatur war.

(Beifall bei der SPD)

Einmal, Herr Ministerpräsident, sind Sie im besten Sinnedes Wortes der Landesvater gewesen. In den schlimmenStunden um das Massaker am Gutenberg-Gymnasiumhaben Sie den Menschen Halt gegeben und immer dierichtigen Worte gefunden. Sie haben dafür gesorgt, dassunbürokratisch geholfen wurde. Dafür ist Ihnen ganzbesonders Dank zu sagen.

(Beifall im Hause)

Meine Damen und Herren, die Bilanz der 3. Legislatur-periode ist bisher dünn, sehr dünn, und so drängt sichdie Schlussfolgerung auf, Sie, Herr Ministerpräsident,haben Ihren Zenit überschritten. Ein Führungswechsel inThüringen ist nötiger denn je. Ob dieser Führungswech-sel auch der richtige ist, diese Frage wird die Zukunft be-antworten.

Meine Damen und Herren, ich habe anfangs von Irrtü-mern und Fehlern des Ministerpräsidenten gesprochen.Ich will jetzt aber nicht, wie vielleicht der eine oder an-dere befürchtet, die ganzen Skandale der letzten 11 Jahreabarbeiten - nein. In Ihrem Rucksack voller Erfahrungen,Herr Ministerpräsident, haben Sie auch Falsches aus demWesten mit in das Thüringer Parlament gebracht.

(Beifall bei der SPD)

Zu erwähnen ist da an erster Stelle, dass das generelleAblehnen von Oppositionsgedanken schon zur politi-schen Kultur geworden ist.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Wider besseres Wissen wurde den Anträgen der Oppo-sition sogar der Weg in die Ausschüsse verwehrt, nurum den Gedanken nicht zuzulassen, dass es den einenoder anderen Punkt gibt, in dem die Opposition auch malschneller, auch einmal besser gedacht hat.

Zweitens - ich habe es schon erwähnt -, Ihr Umgang mitder Bundesregierung ist im Wesentlichen immer partei-politisch geprägt gewesen.

(Beifall bei der SPD)

Jede Menge Verständnis für die Regierung Kohl, selbstbei offensichtlichen Fehlern wie beispielsweise dem Prinzip"Rückgabe vor Entschädigung", Verständnis und die Auf-forderung, so etwas nicht zu diskutieren. Prinzipielles Un-verständnis für die Regierung Schröder, und wenn mansich mal anschaut, wie sich die einzelnen Reformvor-schläge in den letzten Wochen und Monaten angenähert

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7497

haben, fragt man sich, wo das eigentlich herkommt.

Und als letzten Vorwurf, aber auch als schwersten anIhre Seite, das bewusste und ständige Verleumden derSPD. Auch auf Ihrem letzten Landesparteitag konntenSie es sich nicht verkneifen, der SPD vorzuwerfen, sieredet dieses Land schlecht. Um es zum hundertsten Malehier in diesem Thüringer Landtag zu sagen, und in derHoffnung, dass Sie es endlich auch so zur Kenntnis neh-men: Kritik an der Thüringer Landesregierung ist nichtidentisch mit der Kritik am Freistaat Thüringen.

(Beifall bei der SPD)

Sie, meine Damen und Herren von der CDU, Sie sindnicht Thüringen.

(Beifall bei der PDS, SPD)

An Hunderten von Stellen und auch immer wieder inder Opposition hat die SPD betont, dass der FreistaatThüringen in den letzten Jahren ein gutes Stück voran-gekommen ist. Und trotzdem werden wir weiterhin überdie Fehler der Regierung ...

(Zwischenruf Abg. Seela, CDU: Ich denkeStillstand; Stillstand haben Sie vorhingesagt.)

Warum greifen Sie denn immer bei dem Begriff "Feh-ler" ein? Warum gehen Sie denn da immer gleich so sta-tisch hoch?

Aber trotzdem werden wir weiterhin über die Fehler derRegierung reden. Und dieses Reden über die Fehler derRegierung ist nicht identisch mit einer Kritik an der Ent-wicklung des Freistaats insgesamt, zumal wir Sozialde-mokraten eben nicht vergessen, dass wir fünf sehr er-folgreiche Jahre dieses Land mitgestaltet haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren in diesem ho-hen Haus, machen wir unter all das, was ich jetzt gesagthabe, mal einen Strich, wägen das Gute mit dem wenigerGuten ab - was bleibt als Resümee? Trotz aller Abstriche,die letzten 11 Jahre haben Thüringen vorangebracht, eingroßes Stück vorangebracht.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Daran, Herr Ministerpräsident, haben auch Sie einen großenAnteil. Dafür ist Ihnen zu danken.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Sie haben routiniert, mit unendlichem Fleiß und IhremErfahrungsschatz Ihren Anteil an dieser so erfolgreichenEntwicklung.

Meine Damen und Herren, gern hätte ich jetzt auch ge-sagt, bei Ihnen, Herr Dr. Vogel, war ein Wort auch im-mer ein Wort. Über lange Zeit habe ich dieses aus denguten Erfahrungen der großen Koalition auch getan. AberSie selbst haben Lassalle zitiert, wir sollen sagen was ist,also, wir sollen bei der Wahrheit bleiben. Ihr Abgangzum jetzigen Zeitpunkt, die Machtübergabe auf einemsilbernen Tablett an den jetzigen FraktionsvorsitzendenDieter Althaus ist das Ergebnis eines Wortbruchs.

(Beifall bei der SPD)

Sie haben in dieser Legislaturperiode - und teilweise un-gefragt - immer betont, dass Sie bis zum Ende der Le-gislaturperiode Ministerpräsident bleiben werden. Natür-lich ist es wahr, dass Sie vier Fünftel dieser Legislaturpe-riode abgeleistet haben, aber Ihr Versprechen galt auffünf Fünftel, auf eine volle Legislaturperiode. Und so wer-den Sie, Herr Abgeordneter Dieter Althaus, heute Minis-terpräsident aufgrund eines Wortbruchs.

(Beifall bei der SPD)

In dem Zusammenhang erinnere ich Sie nicht gern, aberich erinnere Sie an die Überschrift Ihres Wahlprogrammsund Ihre Aussagen zur Wahl 1999. Das trug die Über-schrift "Die Zusage". Über Ihre politische Zukunft, HerrMinisterpräsident, gibt es mindestens genauso viele Spe-kulationen wie über die Zusammensetzung des KabinettsAlthaus. Auch daran möchte ich mich nicht beteiligen.

Ich wünsche Ihnen aber für Ihr weiteres Leben außer-halb der Politik, also dem Politpensionär, wenn Sie esdenn werden, Gesundheit, Glück und ein ganzes Stück-chen Ruhe, die Sie sich in den letzten Jahren wohl mehrverdient haben als viele andere. Vielleicht nutzen Siediese Zeit ja für die eine oder andere Wanderung auchwieder in den Pfälzer Wäldern, vielleicht gemeinsam mitIhrem Bruder. Vielleicht unterliegen Sie auch der Verlo-ckung, ein Buch über Ihren politischen Werdegang unddann natürlich auch über die Thüringer Zeit zu schreiben.Ich verspreche Ihnen, ich würde es gern kaufen, zumal

(Heiterkeit im Hause)

ich die Hoffnung habe, dass es da auch ein Kapitel überdie Landesförderung der Pilzansiedlung in Thüringen gibt.Allzu gern hätte ich dieses Geheimnis noch gelüftet ge-sehen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke Ih-nen, dass Sie mir zugehört haben. Herr MinisterpräsidentDr. Bernhard Vogel, wir danken Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

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Präsidentin Lieberknecht:

Das Wort hat jetzt der stellvertretende Vorsitzende derCDU-Fraktion, Klaus Zeh.

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Sehr verehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnenund Kollegen, vor allem aber sehr geehrter Herr Minis-terpräsident Dr. Vogel, ich möchte jetzt nicht gleich aufdas eingehen, was hier von der Opposition gesagt wordenist, denn mir geht es heute um die Person und um denMenschen Bernhard Vogel.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Erlauben Sie mir, am heutigen Tag Ihr viel zitiertes Motto"Erst das Land, dann die Partei, dann die Personen" aus-nahmsweise einmal umzukehren. Erst die Person Bern-hard Vogel und dann das Land, obwohl das mittlerweilekaum noch ein Unterschied ist, denn Ihre Person, HerrMinisterpräsident, und das Land Thüringen sind mittler-weile untrennbar miteinander verbunden.

(Beifall bei der CDU)

Wer heute an Bernhard Vogel denkt, denkt unwillkürlichan Thüringen und wer heute von Thüringen spricht, kenntBernhard Vogel. Bei der Betrachtung Ihrer Regierungs-zeit haben Sie in Ihrer Rede vor allem den Thüringerin-nen und Thüringern für ihre Leistungen gedankt. Es ist -und ich möchte das noch einmal zitieren - "zuallererstdas Verdienst der Bürgerinnen und Bürger, die mit un-geheurem Mut und großem Fleiß Hand angelegt haben,die Chance der wiedergewonnenen Freiheit genutzt habenund sich durch alle Widrigkeiten nicht haben entmutigenlassen."

(Beifall bei der CDU)

Ja, Herr Ministerpräsident, Sie haben Recht. Die Bürge-rinnen und Bürger dieses Landes haben Großartiges ge-leistet. Darauf können wir Stolz sein. Aber es bedarf im-mer auch Frauen und Männer, die die Rahmenbedingun-gen dafür setzen. Es bedarf Frauen und Männer, die Zielehaben, die Mut machen und dabei auch mutige, manch-mal sogar unpopuläre Entscheidungen treffen.

Thüringen verfügt heute über beste Standortfaktoren. Sie,sehr geehrter Herr Ministerpräsident, haben also nichtnur schlechthin Weichen für Thüringen gestellt, Sie ha-ben auch die richtigen Weichen gestellt und damit eingutes Fundament für die Zukunft gelegt. Thüringen istauf einem guten Weg und bei allen Schwierigkeiten, dienoch vor uns liegen, können wir sagen: Thüringen hat gutePerspektiven für die Zukunft.

(Beifall bei der CDU; Abg. Bechthum, SPD)

Deshalb ist es mir ein Bedürfnis, Ihnen vor allem ande-ren, was noch zu sagen ist, im Namen der CDU-Fraktionerst einmal danke zu sagen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin sicher, dass ich dies auch im Namen der meistenThüringerinnen und Thüringer sagen kann: Danke für IhrKommen, danke für Ihren Einsatz, danke für Ihren Dienstan unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Danken möchte ich auch für Ihre heutige Rede. Sie hatmir, und, ich glaube, auch meinen Kollegen, viel Zuver-sicht gegeben. Sie hat gezeigt, dass es wichtig ist, trotzoder gerade wegen der Schwierigkeiten, die wir noch zubewältigen haben, Visionen zu haben. Das Land brauchtFrauen und Männer, die Visionen haben und diese dannauch mit Tatkraft in die Realität umsetzen.

Meine Damen und Herren, der Volksmund sagt: "Wenndu wissen willst, was man über dich denkt, dann musstdu dem Volke aufs Maul schauen." Nun, ich habe mir dieLesermeinungen aus den Zeitungen der letzten Tage an-geschaut, um zu sehen, was die Menschen im Land überBernhard Vogel denken. Ich erlaube mir, daraus zu zitieren.Das erste Zitat: "Vogel geht leider zu früh. Herr Vogel hatsehr viel für Thüringen getan. Das Land hat mit ihm wiederan Wert und Anerkennung gewonnen.", so ein Leser.

(Beifall bei der CDU)

Vogel geht leider zu früh - eine solche Äußerung ist wohldas Beste, was man sich wünschen kann. Ja, der Leserhat auch gesagt, das Land hat mit ihm wieder an Wertund Anerkennung gewonnen. Bernhard Vogel hat Thü-ringen über die Landes- und Bundesgrenzen hinweg in-ternationale Anerkennung und wieder einen hervorragen-den Namen gegeben. Dies ist gut für uns und wir kön-nen auch ein wenig Stolz darauf sein. Der Name Thürin-gen ist nicht nur in den Partnerregionen Essex, Picardieund Kleinpolen bekannt. Man kann das wohl ganz allge-mein feststellen. Erst gestern hat Kenji Okada, der Ge-sandte aus der Botschaft von Japan mit Selbstverständ-lichkeit mir gegenüber festgestellt: Wir in Japan kennenBernhard Vogel aus Thüringen. Bernhard Vogel ist wohlder beste Botschafter Thüringens in Europa und der Welt.

(Beifall bei der CDU)

Ein zweiter Leser schreibt: "So hat Vogel auch viel fürThüringen bewegt und als Ministerpräsident würde ichversuchen, seinen Weg weiterzumachen." Ein weitererschreibt: "Ich denke, wir brauchen heute mehr dieser Cha-rakterleute, die auch mal entscheiden und diese Diskutie-rerei in der Politik verkürzen. Ich wünsche mir, dass seinNachfolger hier anknüpfen kann." Nun, diese Äußerungengehen an beide, den Amtsträger und den Nachfolger.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7499

Sehen Sie, meine Damen und Herren von der Opposition,und Herr Ramelow, die Leute draußen sehen das ganzanders als Sie.

(Beifall bei der CDU)

Herr Ramelow, ich weiß, dass Sie die Thüringer Verfas-sung ablehnen, aber etwas besser kennen sollten Sie sieschon. In Thüringen wird der Ministerpräsident vom Land-tag, vom Parlament gewählt. Deshalb ist es natürlich ver-fassungskonform, wenn der Ministerpräsident dieses Amtauch wieder an den Landtag zurückgibt.

(Beifall bei der CDU)

Im Übrigen: Ihre Rede fand ich unwürdig, Ihnen fehlt esan Anstand.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl.)

(Beifall bei der CDU)

Ihr Politikstil und der Politikstil der PDS heißt: schlecht-machen, niedermachen, kaputtreden. Ich sage mit vollerÜberzeugung, Herr Ramelow: Gott bewahre Thüringenvor diesem Politikstil.

(Beifall bei der CDU)

Die Thüringerinnen und Thüringer wollen Kontinuität indiesem Land. Sie wollen, dass fortgesetzt wird, was Bern-hard Vogel begonnen hat. Ich denke, da sind sie bei DieterAlthaus und der CDU Thüringen an der richtigen Adresse.

(Beifall bei der CDU)

Dieter Althaus wird natürlich auch neue Akzente setzen,aber wichtig ist auch die Motivation, aus der er handelt.Ich darf Dieter Althaus zitieren: "Wir sind nicht selbstver-liebt in Macht, wer so denkt, denkt am Ende nur an sich.Wir wollen das Land gestalten, damit das Land weitervorankommt." So gestern Dieter Althaus in der Fraktion.

Dr. Vogel hat dies vorgemacht, Dieter Althaus wird ihmfolgen. Er wird seinen eigenen Stil, sein eigenes Schritt-maß finden und Thüringen erfolgreich prägen. Wie sagteder Leser weiter, ich zitiere noch einmal: "Wir brauchenLeute, die auch mal entscheiden und diese Diskutierereiin der Politik verkürzen." Ja natürlich, auch der Stil machtdie Musik. Dies gilt in der Politik allemal. Bernhard Vogelz.B. kann entscheiden, aber er fällt Entscheidungen erst,wenn sie reif sind. Manchmal sind sie gleich reif, vielöfter aber braucht es zunächst den politischen Dialog. DassDr. Vogel ein Meister des politischen Dialogs ist, habenwir häufig alle erfahren. Ich glaube, man kann mit Fugund Recht behaupten, als Dr. Vogel 1992 nach Thüringenkam, erhielt die demokratische Kultur in diesem Landeeine neue Qualität. Er hat ein zielsicheres Gespür für dieEmpfindungen der Menschen und weiß mit ihnen sensi-

bel umzugehen. Der evangelische Landesbischof ChristophKähler drückte dies in einem MDR-Interview so aus: "Inschwierigsten Situationen, wie nach dem 11. Septemberoder nach dem Amoklauf am Gutenberg-Gymnasium, warin seinen Reden auch immer sein Herz zu spüren. Er hataufgenommen, was in der Bevölkerung gefühlt wurde,aber noch nicht ausgedrückt und geschrieben war." Ichdanke Herrn Kähler für diesen Satz.

(Beifall bei der CDU)

Wer die Arbeit von Bernhard Vogel bewertet, darf sienicht vergleichen mit der eines Gärtners, der im FrühlingRadieschen sät, um sie im Frühsommer zu ernten. Die Ar-beit Bernhard Vogels ist vergleichbar mit der eines Förs-ters, der Bäume pflanzt, damit ein Wald daraus wird.Wälder wachsen Jahr für Jahr

(Beifall bei der CDU)

und noch nach Generationen wird man die Leistungenzu würdigen wissen. Herr Ministerpräsident, genau dasist Ihr Markenzeichen: Nachhaltigkeit, im Grunde ein sehrkonservativer Begriff, nach dem Sie, Herr Ministerprä-sident, Ihre Politik eindrucksvoll ausgerichtet haben. Dieswird Ihnen auch vom katholischen Bischof Wanke attes-tiert. Bei der Männerwallfahrt stellte er am 29.05. fest -ich zitiere: "Eben diesen Eindruck politischer Kurzatmig-keit hatte ich bei unserem jetzt scheidenden ThüringerMinisterpräsidenten Bernhard Vogel nicht. Ihm ging esglaubhaft um das ganze Land, um das Wohl aller Men-schen hier im Freistaat."

(Beifall bei der CDU)

Sicherlich, wenn in 20 bis 30 Jahren einmal Dissertatio-nen über diese Zeit des Anfangs der ersten 12 ½ Jahre inThüringen geschrieben werden, dann wird es wohl auchNeunmalkluge geben, die genau wissen, was alles hätteanders gemacht werden müssen.

Zum Beispiel in der Frage Bischofferode, Herr Gentzel,wird man vielleicht auch vermerken, dass der damals ver-antwortliche Manager bei der Treuhand, Klaus Schucht,als Wirtschaftsminister der SPD-Regierung in Sachsen-An-halt angehörte, zumindest nachher wurde.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Gentzel, SPD: Wir kön-nen auch gern über die Gewerkschaftsrollereden.)

Aber, Herr Gentzel, die meisten der Dissertationen - da-von bin ich felsenfest überzeugt - werden zu der glei-chen Schlussfolgerung kommen, wie Sie, Dieter Althaus,so treffend formuliert haben, ich darf zitieren: "BernhardVogel ist ein Glücksfall für Thüringen".

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(Beifall bei der CDU)

Dass dies selbst aus bayerischer Perspektive nicht andersgesehen wird, hat Edmund Stoiber an Ihrem 70. Geburtstagverkündet. "Und, was dich auszeichnet,", sagte er, "nichtnur die Glaubwürdigkeit und ein Politiker zu sein, der denföderalen Gedanken Zeit seines Lebens hochgehalten hat,du trägst ja im Grunde genommen als Brückenbauer dasHammbacher Schloss und die Wartburg in deinem Her-zen. Du verbindest Alt und Jung, ich sage nicht Neu, duverbindest alte und junge Länder und bist damit ein Brü-ckenbauer in Deutschland."

(Beifall bei der CDU)

Herr Ministerpräsident Koch - Sie sind heute unter uns,seien Sie auch meinerseits herzlich gegrüßt -, ich denke,in Hessen wird man das sicherlich nicht anders sehen.

(Beifall bei der CDU)

Jede Auflistung der Erfolge und Verdienste von BernhardVogel für Thüringen, die ich heute und hier machen würde,wäre lückenhaft und unvollständig, nur schlaglichtartigwill ich einiges herausgreifen.

Unter Führung von Bernhard Vogel hat Thüringen denStrukturwandel in der Wirtschaft im Wesentlichen abge-schlossen und steht bei den wichtigsten Wirtschafts- undArbeitsmarktdaten an der Spitze der jungen Länder.

(Beifall bei der CDU)

Aktuelle Investitionsentscheidungen von Daimler-Chrysler,von Merck und Edschda bestätigen die Attraktivität Thü-ringens als Wirtschaftsstandort. Die Arbeitslosigkeit ist diegeringste der jungen Länder. Sie ist noch zu hoch undfür uns natürlich eine bleibende Aufgabe, aber gerade da-bei müssen wir leider immer wieder feststellen: Fehlerin der Wirtschaftspolitik der Bundesregierung können wirauf Landesebene nicht ausgleichen.

(Beifall bei der CDU)

Umso mehr bemühen wir uns zum Beispiel um Investi-tions- und Technologieförderung sowie um den Ausbauder Infrastruktur bei den Verkehrswegen, für die Forschungund die Kommunen. Am ICE und an der Mitte-Deutsch-land-Verbindung werden wir festhalten, Herr Minister-präsident, dessen können Sie gewiss sein.

Ein guter Beleg für die Nachhaltigkeit der Politik Bern-hard Vogels sind auch die Spuren, die er im Bildungsbe-reich in Thüringen hinterlassen hat. Meine Damen undHerren, wer Bildungspolitik macht, muss die Generatio-nen im Blick haben. Gerade die Verantwortung für kom-mende Generationen ist der Lebensnerv für richtige Bil-dungspolitik. Die Neugründung der Universität Erfurt warnicht nur schlechthin die letzte deutsche Universitätsgrün-

dung des 20. Jahrhunderts, mit ihrem Reformansatz ermög-licht sie auch auf geisteswissenschaftlichem Gebiet neue,moderne Studiengänge. Mit der Integration der Theolo-gischen Fakultät in die Universität Erfurt erst kürzlichist der Schlussstein eines Wegs gesetzt, den Bernhard Vogelmit Durchsetzungsvermögen, aber auch Überzeugungs-kraft und Argumentationsstärke beschritten hat. Ich habemich für Sie gefreut, Herr Dr. Vogel, dass das in IhrerAmtszeit noch möglich geworden ist. Ein guter Lohn fürsolide Arbeit.

(Beifall bei der CDU)

Damit gehören evangelische Theologie in Jena und ka-tholische Theologie in Erfurt zum festen Bestandteil un-serer Hochschullandschaft. Ein weiterer Beleg ist die Neu-gründung der Fachhochschule in Nordhausen. Lassen Siemich das ganz persönlich anfügen: Ich freue mich natür-lich verständlicherweise darüber besonders, zumal sie derRegion Impulse zu geben vermag. Auch die Gründungder Berufsakademie ist eine Erfolgsstory geworden. Ichkann mich noch genau an das Hin und Her erinnern, dasFür und Wider der Lobbyisten; all dies wäre ohne dieBeharrlichkeit und Zähigkeit von Bernhard Vogel nichtzustande gekommen.

(Beifall bei der CDU)

Vieles andere könnte ich noch aufzählen, die Familien-politik, das Programm für mehr Sicherheit in Thüringen,insbesondere Ihr Einsatz zur Stärkung der Demokratieund gegen Extremismus und Gewalt in unserem Land.

(Beifall bei der CDU)

Der Ausbau der sozialen Einrichtungen, die Verbesse-rung der Umweltqualität, Ihr Einsatz für die Landwirt-schaft, all dieses verbinden wir mit Bernhard Vogel undseinen Kabinetten, die aus den unterschiedlichsten Koa-litionen bestanden. Als CDU-Fraktion haben wir Ihre Po-litik nach besten Kräften unterstützt. Dies war nicht im-mer leicht, da auch schwierige politische Entscheidungendurchgesetzt werden mussten, aber wir haben uns einge-bracht, wir haben diskutiert, entschieden, und dann zusam-mengestanden. Auch für diese Zusammenarbeit möchteich Ihnen im Namen unserer Fraktion danken.

(Beifall bei der CDU)

Abschließend noch einmal zur Person von Bernhard Vogel.Gestatten Sie mir einen Vergleich. Es wird allenthalbenüber das Verhältnis von Bernhard Vogel zu Frauen spe-kuliert.

(Heiterkeit im Hause)

Ich möchte mit einem Zitat von Anton Tschechow ant-worten: "Am liebsten erinnern sich die Frauen an die Män-ner, mit denen sie gemeinsam lachen konnten."

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7501

(Heiterkeit im Hause)

Wer Sie kennt, Herr Ministerpräsident, der weiß, dass Sieso richtig lachen können. Es ist die Fröhlichkeit, die ausIhrem Herzen kommt. Sie haben uns gezeigt, dass Poli-tik bei aller Ernsthaftigkeit nicht nur eine todernste An-gelegenheit ist. Politik muss auch noch den Menschenerkennbar werden lassen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Althaus, CDU: Wie gehtdas jetzt mit den Frauen zu Ende?)

Sie haben in einer für mich sehr eindrucksvollen Art mitdem Satz des kleinen Prinzen von Saint Exupéry Ihre Ver-bundenheit mit Thüringen zum Ausdruck gebracht: "Dubist zeitlebens verantwortlich für das, was du dir vertrautgemacht hast." In Speyer haben Sie dies aus Anlass derVerleihung der Ehrenbürgerwürde der Stadt am 21. Sep-tember 2002 staatstragender gesagt, auch das möchte ichzitieren: "Ich muss nicht betonen, wie gern ich - nicht zu-letzt aus Dankbarkeit für das Geschenk der Deutschen Ein-heit - ein Thüringer geworden bin." Herr Ministerpräsident,Sie haben auch gesagt, Sie sind stolz auf Thüringen. Ichmöchte Ihnen antworten: Wir sind stolz, einen solchenPolitiker und Menschen in unseren Reihen zu haben.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wohl ver-dienter Ehrenbürger in Tröbnitz!)

Vielen Dank für alles, was Sie uns gegeben haben. GehenSie bitte den Weg mit uns weiter. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich kanndamit die Aussprache schließen.

Ich komme jetzt zum Tagesordnungspunkt 2

Wahl eines neuen Minister-präsidentendazu: Unterrichtung durch die

Präsidentin des Landtags- Drucksache 3/3366 -

Gemäß Artikel 70 Abs. 3 unserer Landesverfassung in Ver-bindung mit § 47 unserer Geschäftsordnung wird derMinisterpräsident vom Landtag mit der Mehrheit seinerMitglieder ohne Aussprache in geheimer Abstimmung ge-wählt.

Zum Wahlverfahren: Erhält im ersten Wahlgang niemanddiese Mehrheit, so findet ein neuer Wahlgang statt, bei

dem ebenfalls die absolute Mehrheit erforderlich ist.Kommt die Wahl im zweiten Wahlgang nicht zustande,so ist gewählt, wer in einem weiteren Wahlgang die meis-ten Stimmen erhält. Dazu liegt Ihnen nun eine Unter-richtung in der Drucksache 3/3366 vor. Der Wahlvor-schlag der CDU-Fraktion - vorgeschlagen ist der Abge-ordnetenkollege Dieter Althaus -, entsprechend ist auchder Stimmzettel aufgebaut. Es steht da AbgeordneterDieter Althaus Ja/Nein/Enthaltung, so dass jeder sein Vo-tum in geheimer Wahl durch Ankreuzen des entspre-chenden Kreises abgeben kann. Damit bitte ich jetzt dieWahlhelfer Frau Bechthum, Herrn Braasch und FrauSojka ihr Amt als Wahlhelfer zu übernehmen und dieKollegin Zitzmann an meiner Seite bitte ich um denNamensaufruf. Wir treten jetzt in die Wahlhandlung ein.Bitte, Frau Zitzmann.

Abgeordnete Zitzmann, CDU:

Althaus, Dieter; Arenhövel, Johanna; Bechthum, Rose-marie; Becker, Dagmar; Seidel, Harald; Bergemann,Gustav; Böck, Willibald; Bonitz, Peter; Dr. Botz, Gerhard;Braasch, Detlev; Buse, Werner; Carius, Christian; Dittes,Steffen; Doht, Sabine; Döhring, Hans-Jürgen; Ellenberger,Irene; Emde, Volker; Fiedler, Wolfgang; Dr. Fischer,Ursula; Gentzel, Heiko; Gerstenberger, Michael;Prof. Dr. Jens Goebel; Grob, Manfred; Groß, Evelin;Grüner, Günter; Dr. Hahnemann, Roland; Heym, Michael;Höhn, Uwe; Huster, Mike; Illing, Konrad;

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dürfte ich die Journalisten bitten, den Weg zur Wahl-urne wenigstens frei zu halten.

Abgeordnete Zitzmann, CDU:

Jaschke, Siegfried; Kallenbach, Jörg; Dr. Kaschuba, Karin;Dr. Klaubert, Birgit; Dr. Klaus, Christine; Dr. Koch, Jo-achim; Köckert, Christian; Kölbel, Eckehard; Dr. Kraus-haar, Ingrid; Krauße, Horst; Kretschmer, Thomas; vonder Krone, Klaus; Kummer, Tilo; Künast, Dagmar;

Abgeordneter Seidel, SPD:

Lehmann, Annette; Lieberknecht, Christine; Lippmann,Frieder; Mohring, Mike; Dr. Müller, Alfred; Nitzpon,Cornelia; Nothnagel, Maik; Panse, Michael; Pelke, Birgit;Dr. Pidde, Werner; Dr. Pietzsch, Frank-Michael; Pohl,Günter; Pöhler, Volker; Primas, Egon; Ramelow, Bodo;Schemmel, Volker; Scheringer, Konrad; Schröter, Fritz;Dr. Schuchardt, Gerd; Schugens, Gottfried; Schuster,Franz; Schwäblein, Jörg; Sedlacik, Heidrun; Seela, Reyk;Dr. Sklenar, Volker; Sojka, Michaele; Sonntag, Andreas;Dr. Stangner, Isolde; Stauch, Harald; Tasch, Christina;Thierbach, Tamara; Trautvetter, Andreas; Dr. Vogel,Bernhard; Vopel, Bärbel; Wackernagel, Elisabeth; Wehner,Wolfgang; Wetzel, Siegfried; Dr. Wildauer, Heide; Wolf,Bernd; Wolf, Katja; Wunderlich, Gert; Dr. Zeh, Klaus;

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7502 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Zimmer, Gabriele; Zitzmann, Christine.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es dürften alle ihre Stimmen abgegeben haben. Ich schließeden Wahlgang und bitte darum, dass die Stimmen aus-gezählt werden.

Präsidentin Lieberknecht:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, ich bitte die Plätze ein-zunehmen und die interessierten und arbeitenden Jour-nalisten bitte ich uns trotzdem die Aufmerksamkeit zuermöglichen, denn ich gebe jetzt das Wahlergebnis be-kannt:

Der Thüringer Landtag hat bekanntlich 88 Mitglieder,abgegebene Stimmzettel 83, ungültige Stimmzettel 0,gültige Stimmzettel also 83. Von den abgegebenen gül-tigen Stimmzetteln entfielen auf den Abgeordneten DieterAlthaus 47 Jastimmen, 34 Neinstimmen, 2 Enthaltungen.

Damit ist der Abgeordnete Dieter Althaus gemäß Arti-kel 70 Abs. 3 unserer Landesverfassung in Verbindungmit § 47 unserer Geschäftsordnung mit der Mehrheit derMitglieder des Landtags zum Ministerpräsidenten des Frei-staats Thüringen gewählt. Herzlichen Glückwunsch, HerrAlthaus!

(Beifall bei der CDU, SPD)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, es wird jeder noch per-sönlich die Gelegenheit haben zu gratulieren.

Ich frage Herrn Althaus zunächst: Nehmen Sie die Wahlan, Herr Althaus?

Abgeordneter Althaus, CDU:

Frau Präsidentin, ich nehme die Wahl an.

(Beifall im Hause)

Präsidentin Lieberknecht:

Gut, wir haben die Annahme der Wahl gehört. Wir kom-men somit zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Vereidigung des Minister-präsidenten

Ich bitte den soeben neu gewählten MinisterpräsidentenDieter Althaus zu mir zum Mikrophon zu kommen.

Herr Ministerpräsident, ich lese Ihnen die in der Verfas-sung des Freistaats Thüringen vorgeschriebene Eidesfor-mel vor. Sie können diese Eidesformel anschließend be-kräftigen mit den Worten: "So wahr mir Gott helfe". Ichbitte Sie nun diese Formel nachzusprechen: "Ich schwöre,"

Althaus, Ministerpräsident:

"Ich schwöre,"

Präsidentin Lieberknecht:

"dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen,"

Althaus, Ministerpräsident:

"dass ich meine Kraft dem Wohle des Volkes widmen,"

Präsidentin Lieberknecht:

"Verfassung und Gesetze wahren,"

Althaus, Ministerpräsident:

"Verfassung und Gesetze wahren,"

Präsidentin Lieberknecht:

"meine Pflichten gewissenhaft erfüllen,"

Althaus, Ministerpräsident:

"meine Pflichten gewissenhaft erfüllen,"

Präsidentin Lieberknecht:

"und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde."

Althaus, Ministerpräsident:

"und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde, so wahrmit Gott helfe."

Präsidentin Lieberknecht:

Wir haben den Eid gehört. Noch einmal herzlichen Glück-wunsch, alles Gute!

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich möchte jetzt Herrn Ministerpräsidenten Dieter Althausdie Möglichkeit geben, kurz einige Worte an uns, an dashohe Haus zu richten. Ich bitte die Journalisten die ver-einbarten Regeln wieder einzuhalten.

Althaus, Ministerpräsident:

Sie haben so viele Bilder von mir, das füllt Archive. Undich kann Ihnen versprechen, auch jetzt werden die Bildernicht schöner, Sie sollten also die bisherigen nehmen.

Meine sehr verehrte liebe Präsidentin, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren, ich möchte aus ganzem Her-zen Ihnen, den Mitgliedern meiner Fraktion, aber auchdem ganzen hohen Haus danken, dass Sie mir das Ver-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7503

trauen geschenkt und damit hohe Erwartungen an michund meine Amtsführung verbunden haben. Sie haben eben,als ich den Eid gesprochen habe, gehört, was meine Auf-gabe ist. Ich will mich dieser Aufgabe mit ganzer Kraft,aber ich hoffe auch mit Ihrer Unterstützung, widmen. Ichbitte Sie als frei gewählte Abgeordnete in diesem hohenHaus und damit über Sie alle Bürgerinnen und Bürgerdieses Landes: Kommen Sie auch mit Vertrauen auf michzu und unterstützen Sie mich bei meiner, bei unsererArbeit für Thüringen.

Heute ist nicht die Zeit für ausführliche Erklärungen,morgen früh werde ich mein Kabinett benennen. Es wirdhier im hohen Haus vereidigt und im nächsten Monatwerde ich meine Regierungserklärung halten. Aber Siegestatten mir sicher kurz eine für mich wesentliche Leit-idee für meine und, ich denke, für unsere Arbeit zu be-nennen. Bei allen Meinungsverschiedenheiten, die sindauch heute deutlich geworden, beim Streit über die politi-schen Entscheidungen, ob in Detailfragen oder auch ganzgrundsätzlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, dieVerfassung unseres Freistaats Thüringen, im Besonderender erste Teil, gibt Staatsziele, Grundrechte und Grund-prinzipien unserer Ordnung vor. Ich werde, und ich bitteSie ebenfalls, mich genau danach richten. Unsere Verfas-sung muss unsere Orientierung bleiben, damit Freiheitund Demokratie in diesem schönen Freistaat auch in Zu-kunft gesichert bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Natürlich, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebeKolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, an einem solchenTag geht mir im Besonderen die Zeit von 1989/90 durchden Kopf. Die Freude, dass die Mauer weg ist und dasswir in Frieden die Wiedervereinigung unseres Vaterlan-des gestalten dürfen, ist immer noch meine Hauptmotiva-tion für meine Arbeit und, ich denke, das sollte für unsalle auch in Zukunft so bleiben. Es war ein Sieg der Frei-heit. Es war aber auch ein Sieg der Demokratie. Freiheitund Demokratie sind nicht automatisch gesichert, sondernFeinde von Freiheit und Demokratie sind immer auch ge-rade in freiheitlichen Bedingungen unter uns. Ich glaube,es ist unsere Verantwortung, als frei gewählte Abgeordnete,dieser Verfassung verpflichtet, dafür zu sorgen, dass niewieder Ideen über Menschen herrschen, sondern dass wirdie Menschenwürde jedes Einzelnen so ernst nehmen, dasssie Ausgangspunkt und Zielpunkt unserer Politik sein muss.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Diese Erfahrung lehrt uns unsere Geschichte. Bei allemStreit dürfen wir, denke ich, diese Erfahrung, die die Ge-schichte lehrt, nicht vergessen, wir Deutsche im Beson-deren. Aber wir haben auch in jüngster Geschichte er-fahren, wie Freiheit des Einzelnen gefährdet ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, natürlich hatdieses Land viele Probleme. Ich habe viele Aufgaben vor

mir. Wir haben Verantwortung wahrzunehmen. Das Stich-wort Arbeitslosigkeit gibt ein ganzes Spektrum an Auf-gaben auf. Jeder weiß, dass der Einsatz Arbeitslosigkeitzu bekämpfen jeder Mühe wert ist, aber auch der Einsatzfür die Benachteiligten in unserem Land, für Behinderte,die, die ihre Chancen nicht genauso nutzen können. Glei-chermaßen, auch das will ich deutlich sagen, muss unserund mein Einsatz der Leistungskraft, dem Wachstum un-serer Gesellschaft dienen. Wie sonst soll dieses Land, die-se Gesellschaft, jeder Einzelne die Kraft zur Solidaritäthaben, wenn nicht über Leistungskraft, über Wachstumund damit über die Chance, auch helfen zu können, woman helfen muss.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist unzwei-felhaft und bei allem Streit auch deutlich und anderesehen das häufig etwas klarer als wir selbst, Thüringenist auf einem hervorragenden Weg in den letzten 13 Jah-ren vorangeschritten und wir stehen ausgezeichnet da.Das minimiert nicht, dass wir viele Aufgaben haben. Aberes macht doch deutlich - und ich finde, das muss auch imMittelpunkt der politische Debatte im Alltag sein -, dassdie harte Arbeit der Bürgerinnen und Bürger im Freistaat,aber auch die engagierte Arbeit unzähliger Kommunal-politiker und auch die ertragreiche Arbeit der Landespo-litiker erfolgreich waren in diesem Land und für die Men-schen in diesem Land. Deshalb liegt es mir am Herzen,gleich als Allererstes denen zu danken, die besondersVerantwortung wahrgenommen haben. Da nenne ich zuallererst die Ministerpräsidenten dieses Freistaats Josef���� � ��� ��������� �������������� ���������stel-lungen, die sich gelohnt haben.

(Beifall bei der CDU)

Politiker sollen durch Weisheit, durch das, was sie tun,aber auch durch das, wie sie es tun, ausstrahlen. Politi-ker sollen eine Vision haben, aber sie sollen auch in derRealität bezogen die Wege gehen. All diese Erwartungshal-tungen haben die Menschen zu Recht. Das setzt voraus,dass sie menschlich und politisch Erfahrungen mitbringenund dass sie diese menschlichen und politischen Erfah-rungen auch in ihr Amt einbeziehen; auch das werde ichgern tun. Ich danke auch allen Kabinettsmitgliedern, sehrbewusst allen, die seit 1990 in einer besonderen Verant-wortung hier im Freistaat ihre Arbeit ausgeführt haben.Ich danke auch allen Abgeordneten dieses hohen Hauses,auch aus den vorherigen Legislaturperioden und ich sagesehr bewusst denen von Oppositions- und Regierungs-fraktionen, weil dadurch die Demokratie lebendig undweil dadurch die Demokratie akzeptabel und zukunftsfä-hig gestaltet werden kann. Thüringen ist ein schönes Land,ein traditionsreiches Land, aber auch ein sehr modernesLand. Wer unseren Freistaat von außen betrachtet, be-kommt diese Prädikate auch immer wieder gesagt. Damitsind wir ein Freistaat mit guter Zukunft, wenn wir esschaffen aus unseren Potenzialen die Kraft zu schöpfen,die Entwicklung auch weiter zu gestalten. Wir sind, meinesehr verehrten Damen und Herren, weder jung noch alt.

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7504 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Wir sind schlicht Thüringen, wir sind auch nicht Ost oderWest. Es wäre schön, wenn wir nach 13 Jahren Wieder-vereinigung unseres Vaterlandes dahin kommen würden,wo die Normalität uns eigentlich sieht, wir sind Thü-ringer. Es gibt Hessen, es gibt Bayern, es gibt Sachsenund wir alle zusammen sind Deutsche und Europäer.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, was uns trägt,scheint nicht immer offensichtlich zu sein. Aber es istdas, was wirklich spürbar ist, was erlebbar ist in unserenGemeinden, in unseren Städten, das ist vor allen Dingenunsere Kultur. Die Kultur, die sich im Personalen aus-prägt, aber auch in unserer Lebensgeschichte, in unsererKulturgeschichte. Diese Kultur bezieht sehr bewusst mitein die wechselvolle, zum Teil auch dramatisch wechsel-volle Geschichte. Diese Kultur zu erhalten, das Positiveweiterzuentwickeln, aus der Geschichte zu lernen, dasist die Hauptaufgabe eines Landes. Deswegen haben wirden Kulturföderalismus, deswegen haben wir Länder, dieden Bund gebildet haben, weil diese Aufgabe eine Auf-gabe ist, die man nur vor Ort in einem Land umfassendgestalten kann. Dass die Thüringer Kultur vielfältig ist,wissen Sie alle. Jeder kann dazu etwas beitragen.

Aber Thüringen ist auch ein Land mit Verantwortung.Verantwortung, die sich sehr persönlich ausprägt und die,wenn wir sie wirklich leben und ernst meinen, auch dieKraft zur Solidarität gibt. Thüringen ist, wenn wir die Kul-tur und die Verantwortung in den Mittelpunkt rücken,ebenfalls dann ein Land der Werte. Allzu oft wird überWerte philosophiert, es werden Tagungen abgehalten undes wird diskutiert, welche Werte gültig sind, welche Wertemöglicherweise keine Gültigkeit mehr haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Werte mussman leben und nur gelebte Werte haben wirklich Bestandund eine Zukunft. Deshalb werde ich persönlich in derAmtsführung die Werte, die für Thüringen aus der Ver-fassung, aber auch für mich ganz persönlich wichtig sind,leben und ich hoffe, dass sie erfahrbar werden. Nein, esist wirklich viel zu tun, keine Frage. Die Arbeit wird nichtauf sich warten lassen. Aber ich bin auch stolz auf dasErreichte, auch stolz darauf, dass ich mit Ihnen allen hel-fen durfte, dass wir so weit gekommen sind. So ein Stolzverleiht nicht falsches Selbstbewusstsein, sondern dieserStolz motiviert zum Handeln. Das Handeln von uns, vonmir, soll sich ausrichten an der Zukunft. Wir müssen fürFamilien attraktiv bleiben und noch attraktiver werden.Wir müssen uns für Kinder einsetzen, für Jugendliche.Damit ist Zukunft gestaltbar und wir müssen darauf ach-ten, dass soziale und wirtschaftliche Stabilität nicht durchein Gegeneinander organisiert werden soll, sondern dassSoziales und Wirtschaftliches sich in einer sozialen Markt-wirtschaft, auf die ich mich ausdrücklich beziehe und zuder ich mich ausdrücklich bekenne, bedingen. Die Zukunftin Freiheit und Solidarität wird nicht im Widerspruch zwi-schen Sozialem und Wirtschaftlichem gestaltbar sein, son-

dern nur wenn wir es schaffen, das auch freiheitlich für-einander nutzbar zu machen. Deshalb ist Partnerschaftangesagt, das muss die Leitlinie der Politik sein.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich danke meinerFraktion für die besondere Unterstützung, jetzt, aber auchin den vergangenen Jahren. Ich bitte die Opposition umkritische, aber auch faire Begleitung. Ich danke meinerFamilie und hoffe auch in Zukunft auf liebende Nach-sicht. Sie können davon ausgehen, dass ich meinen Auf-trag prägnant, und so wie es die Eidesformel ausdrückt,ausführen will. Ich bitte um Ihre Unterstützung.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Vielen Dank, Herr Ministerpräsident. Liebe Kollegin-nen und Kollegen, ich unterbreche jetzt wie angekündigtdie Sitzung und lade zum Empfang. Wir sehen uns hierwieder um 12:40 Uhr.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 7

Zweites Gesetz zur Änderungder Verfassung des FreistaatsThüringenGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 3/2911 -dazu: Beschlussempfehlung des

Justizausschusses- Drucksache 3/3250 -

DRITTE BERATUNG

Die Berichterstattung entfällt, da sie bereits in der letztenPlenarsitzung erfolgte. Ich eröffne die Aussprache undrufe als ersten Redner Abgeordneten Kummer, PDS-Frak-tion, auf.

Abgeordneter Kummer, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wir habenjetzt den ersten Tagesordnungspunkt nach der Neuwahl desMinisterpräsidenten und der Raum ist leider noch sehr spär-lich gefüllt. Ich hoffe, das liegt nicht am mangelnden In-teresse.

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: Was,Herr Kummer, hier bin ich.)

Frau Wackernagel, ich sehe Sie natürlich. Ich hatte aberdarauf gehofft, dass der Ministerpräsident im Raum ist,weil ich ihm für seine Amtszeit wünschte, dass sie ge-prägt sein soll von hohem demokratischen Anspruch, vonÖffentlichkeit und Transparenz der Entscheidungen derneuen Regierung.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7505

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: DieWünsche kann man trotzdem noch ...)

Ich wünsche mir das ja auch trotzdem, Herr Kretschmer.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Siehaben aber wünschte gesagt.)

Weil ich die Hoffnung nicht aufgeben will, gibt unsereFraktion Ihnen mit dem jetzigen Tagesordnungspunkt, alsomit unserem Gesetzesantrag die Chance, diesen hohen An-sprüchen auch bei der Festlegung der Diäten gerecht zuwerden.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, stim-men Sie unserem Gesetz einfach zu.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Ja,kommt noch.)

Die Argumente wurden in den vorangegangenen zweiLesungen bereits ausgetauscht. Wir legten dar, dass dieHöhe der Abgeordnetenbezüge Ergebnis einer öffentli-chen Meinungsbildung und nicht eines zweifelhaften Auto-matismus sein soll. Die SPD wollte nicht so weit gehenund war nur für eine einmalige Diätenerhöhung wegender miserablen Situation des Landeshaushalts. Neben die-sen beiden Vorschlägen zu unseren Diäten waren aber nocheine ganze Reihe weiterer Vorschläge in der Beratungzum Gesetzentwurf zu vernehmen. Es gab z.B. den Vor-schlag von Herrn Gentzel, ein Halbtagsparlament einzu-richten, den die PDS-Fraktion deutlich ablehnt, weil da-mit keine Bürgernähe gewährleistet werden kann und weilauch eine ausreichende Regierungskontrolle auf diese Artund Weise unserer Meinung nach nicht möglich ist.

Von Herrn Schwäblein, den ich im Moment leider auchnicht im Saal sehe, erfuhren wir, dass er meint, sein Geldwert zu sein. Viele Thüringer fragten sich nach dieser Aus-sage, ob sie wirklich so wenig Geld wert wären, wie siebekommen. Ich denke, das ist ein ernstes Problem. Dannverbreitete Kollege Schwäblein noch die Erkenntnis, diePDS wolle mit einfacher Bundestagsmehrheit Entschei-dungen des Bundesverfassungsgerichts aufheben lassen.Da frage ich mich natürlich schon, wo er diese Erkennt-nis hernimmt. Unser Bundestagsantrag, den er sicherlichmeinte, forderte, dass für verfassungswidrig erklärte Ge-setze 120 Tage nach dieser Erklärung des Gerichts auto-matisch außer Kraft treten sollten. Wir nehmen Verfas-sungsgerichte ernst, sonst würden wir sie auch nicht soziemlich oft anrufen.

Als weiterer CDU-Redner trat in der zweiten Lesung HerrWunderlich auf. Auch ihn vermisse ich im Moment. Erwar sehr unwissend in Bezug auf das Spendenverhaltender PDS-Abgeordneten. Seiner Bitte, darüber zu berichten,möchte ich hier nachkommen. Die Abgeordneten der Frak-tion der PDS verpflichteten sich zu Beginn dieser Legis-latur, die in den fünf Jahren anfallenden Diätenerhöhun-

gen zu spenden. Meist tun sie das über den Verein "Al-ternative 54", der laut seiner Satzung Projekte gemein-nütziger Vereine mit Thüringenbezug fördert. Der Ver-ein ist als gemeinnützig anerkannt und wir müssen auchjedes Jahr unsere Abrechnung gegenüber dem Finanzamtvorlegen, so dass das auch kontrolliert wird. Einige Ab-geordnete unserer Fraktion spenden aber auch an andereVereine, z.B. zur Kofinanzierung von Arbeitsplätzen imBereich des zweiten Arbeitsmarkts. Das lässt die Satzungder "Alternative 54" nicht zu, da die Gelder sonst bei derVielzahl von Anträgen, die es an uns gibt, nicht ausrei-chen würden.

Meine Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ihr könntdoch die Spenden erhöhen.)

als Vorsitzender des Vereins "Alternative 54" möchte ichhier einiges zur Arbeit dieses Vereins sagen. Seit Mai 1995erfolgten Zuwendungen an Vereine, Verbände, Kirchen-gemeinden und in begründeten Einzelfällen auch an Bür-gerinnen und Bürger. Wir bewilligen ca. 100 Anträge imJahr und ich möchte für jedes Jahr ein Beispiel mal hiernennen. Symbolisch für die Zielsetzung des Vereins isteigentlich die erste Zuwendung. Im Rahmen der Opera-tion Andruscha wurden 1.000 DM in einen Hilfsfonds ent-richtet, um einem neunjährigen Jungen im KaliningraderGebiet eine lebenserhaltende Herzoperation zu finanzie-ren. 1996 bezuschussten wir z.B. eine Klassenfahrt für dieKörperbehindertenschule Erfurt mit 300 DM. 1997 erhieltdas DRK Hildburghausen 400 DM für die Anschaffungvon Möbeln für ein Obdachlosenzentrum. 1998 wurdendie Mühlhäuser Werkstätten für Behinderte mit 800 DMbedacht, die als Zuschuss für die Errichtung von Werk-stätten für seelisch Behinderte eingesetzt wurden. 1999 er-hielt der Gehörlosensportverband Thüringen einen Zu-schuss von 600 DM für die Ausrichtung der 21. DeutschenGehörlosenleichtathletik-Hallenmeisterschaft. Einer Familieaus Altengottern mit zwei schwerstgeschädigten Kindernwurde im Jahr 2000 in akuter Notsituation ebenfalls eineZuwendung in Höhe von 1.000 DM überreicht.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Sollenwir jetzt jeder unsere Spendenlisten vorle-gen?)

Im Jahr 2001 erhielt die Junge Gemeinde Stadt MitteJena 1.000 DM für ihr Projekt "Offenes Internetcafe".

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Las-sen Sie es Herrn Wunderlich schriftlichzukommen, das reicht.)

Im Jahr 2002 bekam z.B. eine kinderreiche Familie ausHöngeda mit zehn Kindern einen Zuschuss für die Er-richtung eines Bades.

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7506 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: KönnenSie nicht mal zum Thema kommen?)

Ein Kollege aus Ihrer Fraktion bat darum und ich kom-me dem gern nach.

Meine Damen und Herren, ich denke, das hat schon sehrdeutlich etwas mit der Debatte zu tun, ob jemand seinGeld wert ist und ob ehrenamtliche Aktivitäten z.B. indiesem Land eine entsprechende Anerkennung benötigen.

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Das reichtaber nicht, was Sie da erzählen.)

Die Bereitstellung der Mittel aus der "Alternative 54"wird unabhängig von einer politischen Nähe zur PDS ge-währleistet. Das hat bisher noch nie eine Rolle gespielt.Es ist auch anderen Abgeordneten, als denen der PDS-Fraktion möglich, in diesem Verein Mitglied zu werden,um hier entsprechend unterstützend zu wirken. Wir ha-ben insgesamt bis zum 31. Mai 2003 321.000 �����ge-reicht.

Meine Damen und Herren von der CDU-Fraktion, ehren-amtliche Arbeit ist auch ihr Geld wert. Auch aus diesemGrund möchte ich Sie bitten, die automatische Diäten-anpassung aufzuheben und gerade in der gegenwärtigenHaushaltssituation ein Stück weit zu verzichten, damit wirz.B. mit den dadurch eingesparten Mitteln den Anspruchdes Ehrenamts auf Unterstützung schaffen können. Darumbitte ich Sie, meine Damen und Herren. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat sich Abgeordneter Wolf zuWort gemeldet.

Abgeordneter B. Wolf, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordne-ten, wir behandeln heute in dritter Beratung die Druck-sache 3/2911, parallel dazu die Beschlussempfehlung desJustizausschusses in der Drucksache 3/3250. Es geht umden Gesetzentwurf der PDS-Fraktion zur Änderung derVerfassung. Inhalt dieses Gesetzentwurfs ist die Abschaf-fung der Thüringer Indexregelung, das heißt die Strei-chung des Artikels 54 Abs. 2 der Thüringer Landesver-fassung. Es gab und gibt unterschiedliche Verfahren zurFestlegung der Höhe der Bezüge der Abgeordneten. Auchder Thüringer Landtag hat es mit unterschiedlichen Kom-missionen probiert, die Höhe der Diäten beraten zu las-sen, aber beschließen musste es letztendlich dann dochimmer der Landtag. Aber alle Kommissionen sind im-mer nur ein Behelf, um die Höhe der Bezüge der Abge-ordneten festzulegen. Auch die Indexregelung ist mit Si-cherheit nicht der Weisheit letzter Schluss. Aber die Thü-ringer Indexregelung ist die beste mir bekannte Lösung

dieser Festlegung der Höhe der Bezüge der Landtagsab-geordneten. Die Thüringer Landtagsabgeordneten bindensich durch diese Regelung an das Wohl und Wehe derThüringer Bevölkerung. So, wie die Einkommensentwick-lung sich in Thüringen entwickelt, genauso entwickeln sichauch die Bezüge der Landtagsabgeordneten. Meine Damenund Herren, aus diesem Grunde kann ich Ihnen nur emp-fehlen, der Beschlussempfehlung des Justizausschusseszu folgen und zur Ablehnung des Gesetzentwurfs damitdie Empfehlung aussprechen. Herr Kummer, noch eineszur Klarstellung, weil doch der eine oder andere von derschreibenden Zunft vorhin zugehört hat. Wir beschlie-ßen heute keine Diätenerhöhung. Ich will das nur nocheinmal so deutlich sagen, weil ich die Schlagzeile mor-gen schon wieder sehe, dass die Thüringer Abgeordne-ten heute eine Diätenerhöhung beschlossen hätten. IhrAntrag geht dahin, den Artikel 54 Abs. 2 aus der Ver-fassung zu streichen. Es geht im Moment nicht um eineDiätenerhöhung. Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Schemmelzu Wort gemeldet.

Abgeordneter Schemmel, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,sehr geehrte Herren Staatssekretäre, die Sie heute aus-nahmsweise einmal in Ihrer vollen Schönheit zu bestau-nen sind und sich nicht hinter dem Rücken Ihrer Minis-terinnen oder Minister verbergen müssen,

(Beifall im Hause)

ich freue mich, Sie so in dieser Art und Weise hier zusehen.

(Zwischenruf Richwien, Staatssekretär: Ichhoffe, wir gefallen.)

Wenn es um Diäten geht, meine Damen und Herren, alsoum die Aufwandsentschädigung und Grundentschädigung,findet dieses meist öffentliches Interesse. So auch, wenndies im Bundestag geschieht, so, wenn dies in den Land-tagen geschieht und so auch, wenn dies bei den Aufwands-entschädigungen der ehrenamtlichen Mitglieder von Stadt-parlamenten, Kreisparlamenten, Gemeinderäten geschieht.Wobei ich das Letzte, hier muss ich einmal eine Lanze bre-chen für die Kollegen, die diese Arbeit ehrenamtlich ma-chen in den Ebenen Kreis und Stadt, über diese Aufwands-entschädigung sich dort zu monieren, ist eigentlich ange-sichts der Arbeit, die die Leute dort vor Ort ehrenamt-lich leisten, wirklich manchmal regelrecht lächerlich.

(Beifall im Hause)

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7507

Bei diesen Diskussionen fällt dann immer wieder der Be-griff "Selbstbedienungsmentalität" - ein schlimmer Begriff,der uns auch natürlich hin und wieder etwas trifft. Es müss-te natürlich der Wunsch der Parlamentarier sein, aber auchder Bürger im Land draußen, die die Parlamentarier ge-wählt haben, dass es diese Selbstbedienungsmentalitäteigentlich gar nicht geben kann. Suchen wir doch ein-mal gemeinsam nach einer Lösung, dass es nicht zu die-ser Selbstbedienungsmentalität kommt. Da würde mir ers-tens einfallen, die Parlamentarier legen nicht mehr durchAbstimmung die Höhe ihrer eigenen Aufwandsentschä-digung und Grundentschädigung fest. Das ist doch prima.

Zweitens: Eine vom Parlament völlig unabhängige Stellebestimmt erforderliche Anpassungen. Ich sage ja theore-tisch Anpassung, weil es Erhöhungen sind, aber theore-tisch auch Erniedrigungen sein könnten. Also eine vomParlament unabhängige Stelle bestimmt das. Da fiele mirz.B. das Landesamt für Statistik ein.

Drittens: Die Anpassung wird an objektive Kriterien gekop-pelt. Jeder vernünftige Mensch im Land draußen sagt, diemachen es nicht mehr selbst. Es macht eine vom Parla-ment unabhängige Stelle. Es wird an objektive Kriteriengekoppelt. Jeder wird sagen, das ist okay so. Nichts anderesist diese Lösung, die wir in Thüringen haben und nichtsanderes ist das, was die PDS mit ihrem Antrag aus der Ver-fassung herausfegen will. Deswegen, meine Damen undHerren, sind wir von der SPD-Fraktion natürlich weiterhina) auf dem Boden der Verfassung und b) für diese ver-nünftige Regelung, die jedem einsichtig ist. Deshalb solles so bleiben, wie es ist. Basta.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Mir liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor. Ichschließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstimmungüber den Gesetzentwurf der Fraktion der PDS in derDrucksache 3/2911 nach Dritter Beratung. Wer diesemzustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke schön.Die Gegenstimmen bitte. Danke schön. Gibt es Stimm-enthaltungen? Das ist nicht der Fall. Mit einer großen An-zahl von Gegenstimmen ist der Gesetzentwurf abgelehnt.Ich schließe den Tagesordnungspunkt 7 und komme zumAufruf des Tagesordnungspunkts 8

Thüringer Bergbahngesetz(ThürBBahnG)Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3019 -dazu: Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik- Drucksache 3/3329 -

ZWEITE BERATUNG

Als Berichterstatter ist der Abgeordnete Buse benannt.Wir kommen in zweiter Beratung zur Berichterstattung.Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Buse, PDS:

Sehr verehrte Frau Präsidentin, werte Damen und Her-ren, der Thüringer Landtag hat in seiner 78. Sitzung am30. Januar 2003 den Gesetzentwurf der Landesregierungzum Thüringer Bergbahngesetz in erster Lesung behan-delt. Den Gesetzentwurf begründete bekanntlich der Mi-nister für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur. Zur wei-teren Beratung wurde auf Antrag der SPD-Fraktion derGesetzentwurf an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik überwiesen. Der Ausschuss hat in sei-ner 34. Sitzung am 9. April 2003 die Durchführung einerschriftlichen Anhörung beschlossen und den TÜV Thürin-gen e.V., die DEKRA Automobil GmbH, den Landes-verband Thüringen des Bundes für Umwelt und Natur-schutz Deutschland, den Verband für Seilbahnen, Schlepp-lifte und Wintertourismus in Thüringen e.V. und den Ge-meinde- und Städtebund Thüringen um eine schriftlicheStellungnahme gebeten. Dieser Bitte sind alle fünf Insti-tutionen nachgekommen. In ihren Zuschriften wurden Hin-weise, Anregungen und Bedenken zu den §§ 2 - Begriffs-bestimmungen, 3 - allgemeine Anforderungen, 4 - Bau-und Betriebsgenehmigungen, 5 - Genehmigungsverfah-ren, 6 - Änderungsanzeige, 7 - Genehmigung der techni-schen Planung, 8 - Betriebseröffnung, 13 - Betriebslei-tung, 15 - Mitteilungspflicht, 18 - zuständige Behörde und22 - zu Rechtsverordnungen sowie auch zu den §§ 23bis 25 geäußert. In seiner 36. Sitzung am 15. Mai 2003hat der Ausschuss die Möglichkeit genutzt, sich mit derLandesregierung zum Grundanliegen des Gesetzentwurfszu verständigen, die Ergebnisse der schriftlichen Anhö-rung sowie weitere Vorschläge der Ausschussmitgliederzu beraten. So hat der Ausschuss festgestellt, dass einThüringer Gesetz über Bergbahnen die Einbeziehungeben der Bergbahnen, der Seil- und zahnstangengeführ-ten Bahnen sichert und damit im Sinne der Vermeidungzweier Gesetze zu begrüßen ist. Ausdrücklich hat der Aus-schuss dafür plädiert, nicht ortsfeste Schlepplifte von derRegelung des Gesetzes auszunehmen, weil im Sinne deszuständigen Personenverkehrs keine Aufsichtspflicht beimLand liegt. Als notwendig hat es der Ausschuss erachtet,dass eine klare Zuständigkeit für den Erlass technischerRegeln als technische Bestimmungen sowie für die ein-deutige Ausfüllung des unbestimmten Begriffs von we-sentlichen Änderungen in der Form erfolgt, dass diesewesentlichen Änderungen solche Änderungen sind, diedie Betriebssicherheit berühren. Deshalb unterbreitet derAusschuss zu diesen beiden Problemen die in der Be-schlussempfehlung aufgenommenen Änderungsvorschlä-ge unter den Punkten 1 und 2. Hinsichtlich der Hinweisezur Umweltverträglichkeitsprüfung verweist der Ausschussnach Beratung auf die bestehende Ausregelung im ent-sprechenden Fachgesetz, die eine weitere Einbeziehungin das Bergbahngesetz überflüssig macht. Zu den gege-benen Hinweisen zum Genehmigungs- und Anzeigever-

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fahren kam der Ausschuss zu der Feststellung, dass ge-mäß der EU-Richtlinie unter Hinweis auf den § 1 des vor-liegenden Gesetzentwurfs ein Bericht über die Sicher-heitsanalyse eingeschlossen ist und der Bezug auf Teileoder Baugruppen gleicher Bauart für die Ausnahmerege-lung zur Änderungsanzeige eindeutig ist und keiner Er-gänzung bedarf. Im Zusammenhang mit der unterschied-lichen Klassifizierung der Betriebsleitung und in Anerken-nung entsprechender Hinweise der Anzuhörenden hat derAusschuss das Votum bestätigt, keine Unterscheidungzwischen der Betriebsleitung bei Bergbahnen und beiSchleppaufzügen zu machen. Deshalb ist in der Beschluss-empfehlung in Punkt 3 eine entsprechende Kürzung des§ 13 vorgenommen worden. Eine Festlegung von Zeit-abständen zur Mitteilungspflicht der Unternehmer vonBergbahnen gemäß § 15 lehnt der Ausschuss als Über-regulierung ab, insbesondere mit dem Hinweis auf diegeregelte Möglichkeit zur Anforderung von Betriebsbe-richten. Der Ausschuss folgte dem Vorschlag, in § 20Abs. 3 "Widerruf der Genehmigung" den in unseren Hö-henlagen denkbaren Schneemangel zu berücksichtigenund damit einen Tatbestand einzuführen, der nicht zurAufhebung der Genehmigung nach 2-jähriger Unterbre-chung des Betriebes führen soll. Deshalb sollen in die-sen Absatz für Versagungsgründe Witterungsumständeunschädlich sein. Ein entsprechender Vorschlag liegt Ih-nen dazu vor.

Zu § 22 "Rechtsverordnung" vertrat der Ausschuss dieAuffassung, dass im Sinne der Deregulierung anstelleder mit dem Wort "erlässt" zwingenden Darstellung eineden Notwendigkeiten angepasste Möglichkeit als Kann-Regelung vorzusehen ist. Zu den nach § 24 möglichenEinschränkungen von Grundrechten entsprechend vor-liegenden Hinweisen wurde ausdrücklich in der Aus-schussberatung auf die Schutzwirkung des Grundgeset-zes und bei notwendigen Abweichungen auf die dafürbestehenden gesetzlichen Regelungen oder richterlichenAnordnungen hingewiesen. Insofern hat der Ausschusskeine Notwendigkeit zur Veränderung des § 24 des Ge-setzentwurfs gesehen.

Zu § 25 "Übergangsbestimmungen", den der Ausschussauf der Grundlage vorliegender Hinweise der Anzuhören-den beriet, schloss sich der Ausschuss der von der Lan-desregierung vorgetragenen Bestandsschutzerklärung un-ter Beachtung der Tatsache an, dass in Thüringen bishernoch kein Bergbahngesetz besteht und die Seilbahnvor-schriften erstmals im Jahr 2004 wirksam werden. Im Sinneder Ausschussberatung liegt Ihnen in der Drucksache3/3329 die Beschlussempfehlung des Ausschusses fürWirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik vor. Der Ausschussbittet um Zustimmung.

Abschließend möchte ich namens des Ausschusses denBeteiligten für ihre schriftlichen Hinweise und Anregungensowie die Diskussionen im Ausschuss danken. Ich dankeIhnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Dohtzu Wort gemeldet.

Abgeordnete Doht, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, der Ausschussfür Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik hat sich in sei-ner letzten Sitzung mit dem Thüringer Bergbahngesetzbeschäftigt und im nächsten Tagesordnungspunkt mit An-trägen zu Deregulierung und Entbürokratisierung in Thü-ringen. So weit zu Theorie und Praxis. An den Regulie-rungsvorschlägen zum Bergbahngesetz bestand im Aus-schuss doch auch einiger Zweifel, was auch ein Grundmit dafür war, dass diese schriftliche Anhörung zustandekam, aber ich muss sagen, auch die Anhörung hat letztend-lich hinsichtlich Deregulierung und Entbürokratisierungkeine wahren Anregungen ergeben. Fakt ist, dass es eineEU-Richtlinie gibt, die uns dazu zwingt, dieses Gesetz inKraft treten zu lassen, da bislang noch die alten DDR-Bestimmungen gelten und diese 2004 außer Kraft treten.Da neben den technischen Bestimmungen und den Re-gelungen zur Planung und Genehmigung neuer Anlagenauch ein Großteil der Paragraphen die Sicherheit von Seil-bahnen und Schleppliften tangiert, ist es sicherlich auchrichtig, dieses Gesetz zu beschließen. Es gab im Ausschuss,wie bereits von Herrn Buse gesagt, eine intensive Bera-tung. Die SPD-Fraktion hatte drei Änderungsanträge ein-gebracht, zum einen wollten wir in § 13, der die Betreibervon Seilbahnen und Schleppliften verpflichtet, einen Be-triebsleiter einzustellen, die gemeinnützigen Vereine, dieBetreiber von Schleppliften sind und deren Lifte und An-lagen nur zur Beförderung der eigenen Mitglieder dienen,von dieser Auflage ausnehmen. Hierzu gab es seitens derLandesregierung den Verweis auf den Absatz 5, dass die-ser dann zur Anwendung kommt. Dort heißt es, dass dieAufsichtsbehörde bei einfachen Verhältnissen Ausnahmenzulassen kann, d.h., dass zwar Vereine einen Ansprech-partner benennen müssen, aber nicht unbedingt verpflich-tet sind, einen bezahlten Betriebsleiter einzusetzen. Darauf-hin haben wir unseren Antrag zurückgezogen, wir werdenallerdings, wenn dieses Gesetz in der Praxis zur Anwen-dung kommt, uns schon vor Ort bei den entsprechendenVereinen informieren, ob die Zusage auch so eingehaltenwird, denn, ich glaube, es ist keinem Verein aufzuerlegen,jetzt noch einen bezahlten Betriebswart oder Betriebslei-ter einzustellen, sie haben so mit der Lösung ihrer eige-nen Probleme schon genug zu tun.

§ 20 - auch bereits in der Berichterstattung genanntworden - betrifft den Widerruf der Betriebsgenehmigung,die erfolgen soll oder kann, wenn eine Bahn zwei Jahrenicht in Betrieb genommen wurde. Nun ist es durchausvorstellbar, dass bei den Witterungsbedingungen in Thü-ringen auch eine Bahn mal zwei Jahre keinen Schnee er-lebt und wir möchten nicht, dass dann erst ein riesen-

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großer Prüfaufwand in Gang gesetzt wird, sich ein Stabvon Mitarbeitern im Landesverwaltungsamt darum küm-mert, warum denn diese Bahn nun nicht betrieben wurdeund vielleicht ein intensiver Schriftwechsel geführt wird.Deswegen von uns der Vorschlag, hier "außer aus Witte-rungsgründen" einzufügen, d.h., wenn zwei Jahre keinSchnee gelegen hat, dann muss ein Betreiber nicht erstbegründen, warum er denn nun nicht vom Himmel ge-fallen ist. Und das, denke ich, ist auch ein Vorschlag zurDeregulierung.

Des Weiteren ist an uns eine Anregung vom TÜV heran-getragen worden, die Vorschriften für die Kreuzung vonSeilbahnen und Schleppliften mit Straßen-, Wegen- undVersorgungsleitungen zu regeln, was bislang nicht imDetail geregelt ist. Wir haben auch dieses Anliegen anden Ausschuss herangetragen und seitens der Landesre-gierung wurde hier zugesagt, in einer der bereits anste-henden 11 Rechtsverordnungen, dies zu regeln. Insofernhaben wir darauf verzichtet, noch auf einer 12. Rechts-verordnung zu bestehen. Uns kommt es darauf an, dassdieses Problem geregelt wird, denn dies ist auch ein si-cherheitstechnisches Problem.

Abschließend kann ich für meine Fraktion sagen, dasswir dem Gesetz in der vorliegenden Fassung mit den Än-derungen, die der Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit undStrukturpolitik beschlossen hat, zustimmen werden.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Wacker-nagel zu Wort gemeldet.

Abgeordnete Wackernagel, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, einen Gipfelin Thüringen mit Schneeschuhen oder Tourenski zu er-reichen, davon träumen ja einige von uns - ich auch. Hügelum Hügel in Thüringen zu erreichen, um die touristi-schen Leiteinrichtungen, die dafür erforderlich sind, näm-lich die Seilbahnen und die Schlepplifte, das ist undenk-bar, wenn wir das nicht hätten.

Das Thüringer Bergbahngesetz soll uns nun eine durch-gängige EU-konforme Rechtsgrundlage für die Einrich-tung und das Betreiben von Seilbahnen und Liftanlagenschaffen. Die Notwendigkeiten und Regelungsbedürfnissesind bei der Einbringung bereits durch Kollegen Buse er-läutert worden und ich möchte auch darauf im Einzelnennicht mehr eingehen. Auch die schriftliche Anhörung vonBetroffenen hat ihren Niederschlag in der Ihnen vorlie-genden Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt-schaft, Arbeit und Strukturpolitik als Vorlage gedient undSie können darin nachlesen.

Meine Damen und Herren, ich möchte Ihre Aufmerk-samkeit jedoch noch mal auf den Aspekt der Sicherheitlenken, und zwar ist es wirklich wichtig, dass die Sicher-heitsbelange im Zusammenhang mit den technischen An-lagen zu sehen sind. Immer wieder auftretende Unglücks-fälle bei Seilbahnen zeigen, dass Sicherheitsstandards unddie Einhaltung technischer Bestimmungen bei der Per-sonenbeförderung ein hohes Gut sind. Allein aus diesemGrund ist die zügige Verabschiedung des Thüringer Berg-bahngesetzes und die damit einheitliche Regelung für Ge-nehmigung, Bau und Betrieb notwendig. Der bisherigeWildwuchs an Übergangs- und Ausnahmeregelungen, dif-fusen Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten, teilweiseauf Basis von veralteten DDR-Richtlinien, führte immerzu einem Sicherheitsrisiko für Nutzer und Betreiber un-serer Skilifte in Thüringen. Bei der Gefährdung vonMenschen darf es aber keinen rechtsfreien Raum geben.Deshalb, meine Damen und Herren, ist allen Beteiligtenzu danken, dass es in Thüringen bisher zu keinen nennens-werten Unfällen gekommen ist und letztlich die Weiter-entwicklung unseres Wintertourismus auch von einemsicheren Skilift abhängt. Mitunter wurde das Bergbahn-gesetz als ein Beispiel für Überregulierung und als einunnötiges Gesetzeswerk bezeichnet, was ich nicht so sehe,denn man kann klar sagen, dass dieses Gesetz aus der Sichtdes Gefährdungspotenzials für Personen Sinn macht unddass wir den Grundgedanken der EU-Richtlinie, auch wenndiese insbesondere auf die - darauf möchte ich noch malhinweisen - traditionellen Hochgebirgsländer gezielt ist,für uns sehr wichtig ist, denn am Ende macht ein Sicher-heitsmangel an der Zugspitzschwebebahn oder am Schlepp-lift in Lauscha für die Betroffenen keinen Unterschied.Die Deregulierung, dort wo es Sinn macht und wo Bür-ger und Investoren entlastet werden, dann finde ich dastoll mit dem Gesetz. Bei den Regelungslücken, wenn esum die Sicherheit technischer Anlagen geht für den Men-schen, müssen wir schon ein bisschen aufpassen. Geradeweil wir über Sicherheit von Menschen nachdenken undmir das ein Anliegen ist, bitte ich um Zustimmung zu die-sem Gesetz.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Buse zuWort gemeldet.

Abgeordneter Buse, PDS:

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,gestatten Sie einige Bemerkungen aus Sicht der Frak-tion der PDS.

Der heute zur Abstimmung vorliegende Gesetzentwurf be-rücksichtigt bekanntlich die entwicklungsbedingte Fort-schreibung von Vorschriften im Bereich der Bergbahnen,die unter anderem noch aus dem Jahr 1971 stammen so-wie - das wurde hier eben auch noch mal angesprochen

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- die notwendige Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie. Diesem Anliegen dient, darin wurden wir auchdurch die zuständigen Fachexperten bestärkt, der heutedem Landtag zur Beschlussfassung vorliegende Gesetz-entwurf. Einer Zustimmung durch die Fraktion der PDSsteht meines Erachtens nichts im Wege.

Gestatten Sie mir aber trotzdem, auf drei Aspekte kurzeinzugehen, weil ich glaube, wir betrachten diesen Ge-setzentwurf nicht allein aus dem notwendigen Regelungs-bedarf.

Eine erste Überlegung: Diese Gesetzgebung, mag sie nunauch nicht zu den bedeutendsten für das Leben in Thü-ringen, insbesondere für die wirtschaftliche Entwicklung inThüringen gehören, fand ja nun mal in einer Situationstatt, in der Entbürokratisierung, Deregulierung auf derTagesordnung stehen. Frau Doht machte in der Nen-nung der unmittelbaren Ausschussberatungsabfolge vonTagesordnungspunkten darauf aufmerksam. Auch in die-sem Plenum werden wir uns mit weiteren Anträgen zudieser Frage beschäftigen. Und ich stimme Frau Wacker-nagel zu: Das Gesetz schafft keine Überregulierung. Mög-liche Befürchtungen an dieses Gesetz treffen nicht zu.Die Abgeordneten, jedenfalls für den Ausschuss möchteich das sagen, waren bemüht, auch einzelne Fragen in demGesetz nicht überzuregulieren. Auch wenn es im vorlie-genden Fall nicht besonders gravierend war, beschlei-chen mich jedenfalls zunehmend Befürchtungen, dass Ent-bürokratisierung und Deregulierung auch als plakativesGegenargument gegenüber Vorschlägen und Anträgen derOpposition zunehmend Verwendung finden, und davormöchte ich uns gemeinsam warnen.

Zum anderen, zweitens, habe ich die Hoffnung, dass dasGesetz mit dazu beiträgt, unter Berücksichtigung des Na-turschutzes zur Attraktivität des Tourismus, insbesonderedes Wintertourismus, beizutragen. Auch wenn es nach Be-schlussfassung dieses Gesetzes sicherlich keinen Run aufBau- und Betriebsgenehmigungen geben wird, so glaubeich, dass künftig die Umweltauswirkungen durch den Be-trieb von Bergbahnen stärker zu beachten sind. Bekanntlichlegt das UVP-Gesetz Normierungen für den Bau von Berg-bahnen fest, deren unmittelbarer Zusammenhang mit demUmweltschutz sich nicht sofort oder wenn überhaupt er-schließt. So ist z.B. ein Planfeststellungsverfahren durchzu-führen, wenn eine Unverträglichkeitsprüfung durchzufüh-ren ist, die bekanntlich an Seillängen und damit wenigeran maßgebenden Kriterien für Umweltbelastungen wiez.B. Personenbeförderungskapazität gebunden ist. Die Stel-lung des Ausschusses dazu habe ich vorhin schon darge-legt. Ich würde dafür plädieren, dass das weiter in unsererArbeit beobachtet werden muss. Und schließlich, ich sagtees bereits, betrachte ich das Gesetz auch als einen - wennauch kleinen - Baustein dafür, dass die Attraktivität desWintertourismus im Land, in dem der Winterleistungssportmit seinen nationalen und internationalen Erfolgen einenguten Klang hat, weiter erhöht wird. Dazu wird aber nichtdas Gesetz schlechthin, sondern seine Umsetzung und

unbürokratische Anwendung, zu der, wenn es so beschlos-sen wird, wie es heute vorliegt, der Gesetzgeber ja auchbewusst einen gewissen Spielraum gegeben hat, beitragen.Das wünsche ich uns gemeinsam. Ich bedanke mich fürIhre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär Richwienzu Wort gemeldet.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damenund Herren Abgeordneten! Vielen Dank, Herr Abgeordne-ter Schemmel, für die Blumen in Richtung Staatssekre-täre. Wo Sie Recht haben, haben Sie natürlich Recht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Schuchardt, SPD: Daswar bei ihm noch in eigener Sache.)

(Heiterkeit im Hause)

Das wollte ich zum Schluss noch erwähnen, Herr Abge-ordneter Schuchardt.

Aber nun zum vorliegenden Antrag: Frau Präsidentin,meine Damen und Herren, der vorliegende Entwurf derLandesregierung zum Thüringer Bergbahngesetz soll imFreistaat die Rechtsgrundlage für das Betreiben, den Neu-bau sowie die Durchführung von technischen Änderun-gen von Seilbahnen und zahnstangengeführten Schienen-bahnen für den Personenverkehr schaffen. Gegenwärtiggilt für die Bergbahnen im Freistaat noch eine Rechts-form der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republikals Landesrecht gemäß Artikel 9 Abs. 1 Satz 1 des Eini-gungsvertrags. Diese Vorschrift aus dem Jahr 1971 re-gelt lediglich die technischen Grundsätze für Seilbah-nen. Angesichts der fortschreitenden technischen Entwick-lung und der Harmonisierung des europäischen Rechtslässt sich diese Regelung nicht mehr in vollem Umfanganwenden. Ferner fehlen eindeutige Anordnungen zurtechnischen Prüfung und Überwachung sowie zur staat-lichen Aufsicht. Diesem Regelungsbedarf wird das zuerlassende Thüringer Bergbahngesetz unter Beachtungder Deregulierung, Frau Doht, hinreichend gerecht. Zu-gleich wird damit die Richtlinie des Europäischen Parla-ments und des Rates über Seilbahnen für den Personen-verkehr in staatliches Recht umgesetzt. Durch die Um-setzung der EU-Richtlinie in nationales Recht wird erst-mals eine europaweite einheitliche Standardisierung beiSicherheitsbauteilen zum Schutz der zu beförderndenPersonen geschaffen und somit eine Vereinheitlichungim europäischen Warenverkehr erreicht.

Meine Damen und Herren, zu den Ausschussberatungenmöchte ich nichts mehr sagen, ich glaube, darüber ist hinrei-

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chend berichtet worden. Lassen Sie mich aber abschließendfeststellen, dass mit dieser Gesetzesvorlage die Vorausset-zung für einen attraktiven und sicheren Bergbahnbetrieb- darauf hat Frau Wackernagel schon hingewiesen - nichtzuletzt zum Vorteil des Thüringer Tourismus geschaffenwird. Ich bitte auch um Ihre Zustimmung. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich schließe die Aussprache. Wir kommen zur Abstim-mung über die Beschlussempfehlung des Ausschussesfür Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik in der Druck-sache 3/3329. Wer dem zustimmt, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen? Dasist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nichtder Fall. Damit ist die Beschlussempfehlung einstimmigangenommen worden.

Wir kommen zur Abstimmung über den Gesetzentwurfder Landesregierung in der Drucksache 3/3019 nachzweiter Beratung unter Berücksichtigung der Annahmeder eben abgestimmten Beschlussempfehlung. Wer demGesetzentwurf zustimmt, den bitte ich um das Hand-zeichen. Danke schön. Gibt es hier Gegenstimmen? Dasist nicht der Fall. Stimmenthaltungen? Das ist auch nichtder Fall. Der Gesetzentwurf ist einstimmig angenom-men. Ich bitte, das in der Schlussabstimmung zu bekun-den. Wer dem Gesetz zustimmt, den bitte ich, sich vonden Plätzen zu erheben. Danke schön. Möchte jetzt je-mand dagegen stimmen oder sich der Stimme enthalten?Das ist nicht der Fall.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt 8 und komme zumAufruf des Tagesordnungspunkts 9

Erstes Gesetz zur Änderung desThüringer AufbaubankgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3185 -dazu: Beschlussempfehlung des

Haushalts- und Finanzaus-schusses- Drucksache 3/3328 -

ZWEITE BERATUNG

Als Berichterstatterin ist Frau Abgeordnete Lehmannbenannt worden und ich bitte um die Berichterstattung.

Abgeordnete Lehmann, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, durch Be-schluss des Landtags vom 3. April 2003 wurde der Gesetz-entwurf der Landesregierung zur Änderung des ThüringerAufbaubankgesetzes zur weiteren Beratung an den Haus-halts- und Finanzausschuss überwiesen. Diese Beratungfand in der 50. Sitzung unseres Ausschusses am 16. Maidieses Jahres statt. Zu Beginn der Beratung wurden die

Notwendigkeit sowie die Eckpunkte des Gesetzentwurfsvon Frau Ministerin Diezel umfassend dargelegt. DiesesÄnderungsgesetz macht sich aufgrund der Vorgaben derEuropäischen Kommission zu Fragen der Vermeidung un-berechtigter Wettbewerbsvorteile erforderlich. In § 2 desIhnen vorliegenden Gesetzentwurfs findet sich nunmehreine umfassende Aufzählung aller Förderbereiche, auchsolcher, denen sich die Thüringer Aufbaubank in Zukunftannehmen könnte. Nach den Darlegungen der Frau Minis-terin im Ausschuss schloss sich eine kurze Diskussion an,deren Schwerpunkte die Aufgabenübertragung an die Thü-ringer Aufbaubank, die Möglichkeit der Auflegung eigen-ständiger Förderprogramme und die Einbeziehung bzw.Kontrollmöglichkeiten des Landtags und dessen Ausschüs-se bei diesen Fragen waren. Diese aufgeworfenen Fra-gen wurden seitens des Thüringer Finanzministeriumsausführlich beantwortet.

Sehr geehrte Damen und Herren, der Haushalts- und Fi-nanzausschuss empfiehlt dem Landtag im Ergebnis sei-ner Beratung mehrheitlich und ohne Gegenstimmen dieAnnahme des Antrags der Landesregierung in der Druck-sache 3/3185. Die Beschlussempfehlung unseres Ausschus-ses liegt Ihnen dazu in der Drucksache 3/3328 vor. Ichdanke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Wenn ich das recht überblicke, gibt es keine Redemeldun-gen zu diesem Tagesordnungspunkt. Dann kann ich gleichnach der Berichterstattung zur Abstimmung kommen.

Wir stimmen ab über den Gesetzentwurf der Landesre-gierung in Drucksache 3/3185 in zweiter Beratung. Werdem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. Dankeschön. Das ist eine Mehrheit. Die Gegenstimmen bitte.Die gibt es nicht. Stimmenthaltungen? Es gibt eine ganzeReihe von Stimmenthaltungen. Ich bitte in der Schluss-abstimmung zu bekunden, wer dem Gesetzentwurf zu-stimmt, der möge sich von den Plätzen erheben. Dankeschön. Das ist eine Mehrheit. Ich frage jetzt nach den Ge-genstimmen. Würden Sie sich an der Seite mal entschei-den, ob Sie da sind oder nicht? Die Gegenstimmen bitte?Die gibt es nicht. Die Stimmenthaltungen nun. Dankeschön. Damit ist der Gesetzentwurf angenommen und ichschließe den Tagesordnungspunkt 9.

Ich komme nun zum Aufruf des neuen Tagesordnungs-punkts 9 a und b

a) Gesetz zur umfassenden Verwirkli-chung gesellschaftlicher Teilhabebehinderter Menschen im FreistaatThüringenGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 3/3249 -ZWEITE BERATUNG

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und

b) Thüringer Gesetz zur Herstellunggleichwertiger Lebensbedingungenfür Menschen mit BehinderungenGesetzentwurf der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3266 -ZWEITE BERATUNG

Wir werden beide zweite Beratungen in gemeinsamerAussprache durchführen. Als erster Redner hat sich zuWort gemeldet Herr Abgeordneter Nothnagel, PDS-Frak-tion.

Abgeordneter Nothnagel, PDS:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, ohne Zustimmung der einbringenden Fraktionen,die bekanntlich beantragt hatten, die zweite Beratungder beiden Gesetzentwürfe im Juli-Plenum durchzufüh-ren, hat die Mehrheitsfraktion bei der Feststellung derheutigen Tagesordnung diese zweite Lesung beantragt,und zwar ohne inhaltliche Beratung.

Die beiden Gesetzentwürfe sollen scheinbar so schnellwie möglich beerdigt werden. Dies wird den Menschenmit Behinderung im Freistaat gerade im EuropäischenJahr der Menschen mit Behinderung in tiefer Erinne-rung bleiben als segensreicher Fehlschritt für mehr Teil-habe für Menschen mit Behinderung. Aber, wie gesagt,diese heutige Beratung findet fast ohne Ausschussbera-tung statt. Die PDS-Fraktion hatte einen Selbstbefassungs-antrag für die letzte Sitzung des Ausschusses für Sozia-les, Familie und Gesundheit gestellt, um zumindest dieominösen in der ersten Sitzung von Herrn MinisterDr. Pietzsch genannten 500 Mio. �������� ���������!

(Beifall bei der PDS)

Als in der ersten Lesung der damalige SozialministerPietzsch diese 500 Mio. �� ��� ��� ��� � ��������� �����mein Kollege Werner Buse ganz spontan gesagt: "Diese500 Mio. ��"������ �#��������� ���������������!$�%��glaube, seine spontane Reaktion war genau die richtige.

(Beifall bei der PDS)

In der Sitzung des Ausschusses für Soziales, Familie undGesundheit konnten der Minister und seine Mitarbeiter unsdiese 500 Mio. �� �"��� ��������������� ����� ���� "��� ���meine, nicht gerade sehr fachkompetent.

(Zwischenruf Dr. Pietzsch, Minister für Sozi-ales, Familie und Gesundheit: Das ist eindeu-tig gewesen.)

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Das warhervorragend vorbereitet.)

Ich komme noch dazu, Frau Vopel, bleiben Sie dochganz ruhig. Das, was uns dort geboten wurde, zeigt mirsehr deutlich, dass Sie unseren Gesetzentwurf nicht ein-mal richtig gelesen haben. Ansonsten hätten Sie mit soeinem Schmarren nicht zusammengerechnet und dieseSumme hier so felsenfest als ein Totschlagargument ge-gen unseren Gesetzentwurf eingesetzt.

(Beifall bei der PDS)

Dass diese 500 Mio. ���������������������"��������%����jetzt im Folgenden, und Ihnen auch Frau Vopel, bewei-sen. Ich fange an mit dem Thema "Mobilitätsgeld, Mobili-tätspauschale." Von Seiten des Ministeriums wurden hier329 Mio. ������������&�����������������!� %�����������ist falsch. Der gewählte Ansatz von über 182.000 poten-ziellen Anspruchsberechtigten ist nicht korrekt, denn dieMobilitätspauschale kann nur dann gewährt werden, wennjemand die Einzelabrechnung nach §§ 4 und 5 nicht gel-tend machen will. Das heißt aber auch, der jeweils behin-derte Mensch muss nachweisen, dass er in diesem Monatwegen der Unterstützung der Behinderung Fahrten zurBehandlung oder zu Beratungsstellen unternommen hatund diese nicht durch andere gesetzliche Vorschriften,wie z.B. dem SGB V oder SGB IX, abgedeckt sind. DiePauschale soll also kein genereller Zuschuss sein, son-dern lediglich an die Stelle der Einzelberechtigung imkonkreten Fall treten. In diesem Zusammenhang ist auchzu berücksichtigen, dass zum einen die konkreten Ansprü-che im Einzelfall den Betroffenen nur unter sehr bestimm-ten Voraussetzungen zustehen, so dass zum Beispiel derAnspruch nach § 4 Abs. 1 nur dann, wenn sie wegen Artund Schwere der Behinderung den ÖPNV, den öffentli-chen Personennahverkehr, nicht nutzen können. Das be-trifft nur wenige, besonders schwer benachteiligte und be-einträchtigte Menschen. Selbst der Anspruch auf Auskunftund Beratung ist eingeschränkt für Fälle der Unterstüt-zung zur Bewältigung der Behinderung.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, im Übrigen darfnicht übersehen werden, dass auch im Steuerrecht Mobi-lität ohne Murren und größere Diskussionen in erhebli-chen Größenordnungen öffentlich subventioniert wird.

Ein weiteres Thema ist das Thema "Assistenz und dasAssistenzgeld". Hier wurden 135 Mio. ��'� �#������riumerrechnet, ein systematischer Fehler. Der Anspruch aufAssistenzgeld setzt neben einer Schwerbehinderung von80 Prozent noch einen erhöhten, wegen Art und Schwereder Behinderung über den üblichen Bedarf hinausgehen-den Assistenzbedarf voraus. Diese besonderen Anspruchs-kriterien treffen nur auf einen Bruchteil der Behindertenzu, die einen Grad der Behinderung von 80 oder mehr ha-ben. Denn zum einen benötigen nicht alle, die einen Gradder Behinderung von 80 oder mehr haben, Assistenz, zumanderen müssen bei Assistenz selbst höhere Anforderun-gen erfüllt sein. Es ist also systematisch falsch, als Aus-gangszahl für die Anspruchsberechtigten von Assistenz-geld die Zahl aller Schwerbehinderten mit einem Grad

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7513

der Behinderung von 80 oder mehr anzusetzen. Im Übrigenhaben nur diejenigen Schwerbehinderten einen Anspruchauf Assistenz, die diese Leistung zur Sicherung einerselbstbestimmten Lebensführung benötigen. Wie gesagtkönnen viele der Schwerbehinderten ihr Leben auch ohnedie Assistenzleistung selbstbestimmt führen.

Meine Damen und Herren, dass die finanziellen Bedenkennur vorgeschoben sind, ist doch offensichtlich. WennSie es wirklich ehrlich gemeint hätten mit der Gleich-stellung von Menschen mit Behinderungen im FreistaatThüringen, dann hätten Sie den Gesetzentwurf der PDSmit seinen Artikeln, insbesondere mit dem Artikel 2, denNachteilsausgleichen, ernster genommen. Das wolltenSie aber nicht, weil die Mehrheit im Haus der Meinungwar und ist, dass es dieser parlamentarischen Initiativenicht bedurfte, da wir hier im Haus sowie im Ausschussfür Soziales, Familie und Gesundheit schon sehr inten-siv über diese Thematik gesprochen haben und hätten. Ja,meine sehr verehrten Damen und Herren von der CDU-Mehrheit im Haus und von der Landesregierung, gere-det wurde über dieses Thema hier im Haus wirklich viel,aber getan hat sich diesbezüglich noch nichts. Die Be-troffenen im Land ...

(Zwischenruf Abg. Arenhövel, CDU)

Frau Arenhövel, was hat sich hinsichtlich Gleichstel-lung getan? Dann sagen Sie es, ich spüre davon nichts.

Die Betroffenen im Land sind es langsam Leid, dass nurdarüber geredet wird und sich Politiker in Sonntagsre-den profilieren, aber in keinster Weise bereit sind, dieLebensverhältnisse behinderter Menschen zu verbessern,indem sie sich für Bürgerrechte und Menschenrechtestark machen und diese letztendlich auch durch Gesetzeumgesetzt werden.

(Beifall bei der PDS)

Wenn Sie nur ein bisschen daran interessiert wären, einLandesgleichstellungsgesetz mit zu erarbeiten, dann hät-ten Sie nicht die Überweisung an die Ausschüsse ver-weigert. Aber damit haben Sie versucht, mit einem Fe-derstrich diese Debatte abzubügeln, um möglichst schnellwieder zu einer Tagesordnung zu kommen, um von die-sem Thema abzulenken. Meine sehr verehrten Damen undHerren, wenn Sie wirklich Interesse gehabt hätten, dannhätten Sie mit uns in den Ausschüssen um die bestenLösungen für die betroffenen Menschen hier im Land dis-kutieren und streiten können. Und wenn Sie Ihr Kosten-argument wirklich ernst genommen hätten, dann hättenSie doch mit uns über den Artikel 2, die Nachteilsausglei-che, reden können. Dann hätten wir doch gemeinsam Lö-sungen finden können, wie zum Beispiel das In-Kraft-Tre-ten eines Landesgleichstellungsgesetzes, in dem zeitlichgeregelt wird, wann und in welcher Form die Nachteils-ausgleiche nachgeschoben werden. Die Zeit dafür wäre janoch, wenn Sie heute unserer erneuten Bitte nachkom-

men würden, die Gesetzentwürfe an die Ausschüsse zuüberweisen, damit wir gemeinsam daran arbeiten können.In diesem Sinne hoffe ich, dass Sie im Juni gereifter sindund sich Ihre heutige Entscheidung nochmals gut über-legen.

Behinderte Menschen in Thüringen haben mir in Vorbe-reitung auf die heutige zweite Lesung folgende Hinweiseund Argumente noch einmal mit auf den Weg gegeben.Ich möchte Sie Ihnen noch einmal ganz kurz benennen.

Wenn es in Thüringen ein Landesgleichstellungsgesetzgeben würde, vorausgesetzt die Inhalte stimmen, dannwäre erstens die Kommunikation mit Landesbehördenfür Gehörlose durch die Anerkennung der Gebärdenspra-che möglich und hätte Bindungswirkung für alle Landes-verwaltungen.

Zweitens wären öffentliche Gebäude wie Behörden undVerwaltungen, Kultur- und Freizeiteinrichtungen, Bil-dungseinrichtungen, aber auch Gaststätten, Arztpraxenusw. für alle mobilitätsbehinderten Menschen zugäng-lich und auch nutzbar.

Drittens gäbe es mit einem Landesgleichstellungs- bzw.Behindertenbeauftragten einen Ansprechpartner für allebehinderten Bürgerinnen und Bürger. Dieser muss einendirekten Draht zur Landesregierung haben, um die Be-lange behinderter Menschen auch wirkungsvoll zu vertre-ten und umzusetzen. Diesem Anliegen kann ein Bürger-beauftragter nicht gerecht werden.

Viertens wäre eine gleichberechtigte Nutzung des Öf-fentlichen Personennahverkehrs möglich, was sehr wichtigfür das ländlich strukturierte Thüringen ist.

Fünftens hätten behinderte Kinder und Erwachsene bes-sere Bildungsmöglichkeiten und wären unabhängiger vonSonderprogrammen und Fördermitteln.

Die Behindertenverbände gehen nicht davon aus, dasssich die Bedingungen für behinderte Menschen von heuteauf morgen verbessern, aber Gesetze, die in der Zukunftwirksam werden, müssen bereits heute entsprechende Rich-tungen weisen und Festlegungen beinhalten. Ein Lan-desgleichstellungsgesetz ohne Leistungsgesetz ist ähn-lich dem Behindertengleichstellungsgesetz, also kosten-neutral. Somit, meine sehr verehrten Damen und Herrenvon der Landesregierung und von der CDU-Mehrheit,wird Ihr Kostenargument und die wirklich abenteuerli-che und lächerliche Zahl von 500 Mio. ���� ������ geführt.

Ich frage Sie heute, sehr geehrter Herr MinisterDr. Pietzsch: Sind Sie immer noch der Meinung, dass diePDS-Fraktion mit ihrem Gesetzentwurf Utopia aufge-baut hat oder sind Sie es nicht, der mit seiner Phantasie-zahl versucht hat, ein Totschlagargument zu geben, umdiese Utopiatheorie von Ihnen zu untermauern? Das, was

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Sie sich während der ersten Lesung bei beiden Gesetz-entwürfen erlaubt haben, zeigt uns sehr deutlich, wie Siemit Ihrer Mehrheit umgehen und dies in eine Politik derArroganz der Macht umsetzen. Dass Sie, meine Damenund Herren der Landesregierung, aber auch von der CDU-Mehrheit im hohen Hause, nichts vom Europäischen Jahrder Menschen mit Behinderung verstanden haben, dasnämlich unter dem Motto läuft: "Nichts über uns - ohneuns", ignorieren Sie und deutlicher, wie Sie sich zur erstenLesung verhalten haben, konnten Sie das auch nicht zeigen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch wennheute die Mehrheit des Hauses die feierliche Beerdigungbeschließt, kann ich Ihnen - und dies auch im Namen derThüringer Behindertenverbände - Folgendes mit auf denWeg geben:

1. Die PDS-Fraktion wird in den verbleibenden Monatendieser Legislaturperiode Einzelanträge zum Thema "Gleich-stellung von Menschen mit Behinderung" in den parla-mentarischen Gang geben.

2. Außerparlamentarisch wird die PDS alle Aktivitätenvon Vereinen und Verbänden, insbesondere die des außer-parlamentarischen Bündnisses unterstützen, die ein Lan-desgleichstellungsgesetz für Thüringen fordern.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Nothnagel, gestatten Sie eine Anfra-ge, ich nehme an durch den amtierenden Minister oderdurch den Abgeordneten Dr. Pietzsch?

Abgeordneter Dr. Pietzsch, CDU:

Durch den Abgeordneten selbstverständlich.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Durch den Abgeordneten Dr. Pietzsch. Gestatten Sie die-se Anfrage?

Abgeordneter Nothnagel, PDS:

Ich gestatte.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Bitte schön.

Abgeordneter Dr. Pietzsch, CDU:

Herr Nothnagel, wenn ich recht gehört habe, haben Siegesagt, die Forderungen, die Sie jetzt aufstellen, fordernSie im Namen der Behindertenverbände und dann sagenSie als Erstes, was die PDS-Fraktion machen will. Ichhätte jetzt gern von Ihnen gewusst, im Namen welcherBehindertenverbände Sie diese Forderungen aufstellen?

(Beifall bei der CDU)

Abgeordneter Nothnagel, PDS:

Gut, Herr Abgeordneter Dr. Pietzsch, ich habe gesagt,auch im Namen der Thüringer Behindertenverbände,und das lässt doch alles offen. Ich habe das außerparla-mentarische Bündnis benannt und in diesem Bündnishaben sich diese Verbände organisiert.

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU:Eierei.)

Das ist keine Eierei, Herr Bergemann. Ich unterstütze dieForderungen des außerparlamentarischen Bündnisses unddas unterstützen wir auch als PDS-Fraktion. So viel zuIhrer Frage.

(Beifall bei der PDS)

Den Thüringer Behindertenverbänden möchte ich vondieser Stelle aus nochmals ausdrücklich danken für ihrjahrelanges Engagement, auch mit unserer Fraktion, undmöchte sie gleichzeitig ermuntern, nicht müde zu wer-den bei der Realisierung unseres Traums eines Landes-gleichstellungsgesetzes für Thüringen, nicht nachzulas-sen und weiterhin dafür zu kämpfen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär Maaßenzu Wort gemeldet.

Maaßen, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,nach diesem Beitrag des Herrn Abgeordneten Nothnageldrängt es mich, für die Landesregierung hier das Wortzu ergreifen. Herr Abgeordneter Nothnagel, Sie haben mitIhrem Beitrag die Regeln des Hauses verletzt. Ich möchtedas einmal ganz deutlich sagen. Sie haben nämlich hier be-hauptet, und diese Behauptung weise ich zurück und ichbitte das Haus auch, das insgesamt zurückzuweisen, dassdas Ministerium und die Mitarbeiter des Ministeriums undder Minister selber in einer Ausschuss-Sitzung nicht anstän-dig und ordentlich Rede und Antwort gestanden hätten undsich mit den Fragen nicht auseinander gesetzt hätten. Mirist es leider verwehrt, Herr Abgeordneter Nothnagel, ausdem Ausschuss-Protokoll zu zitieren und Einzelheiten be-kannt zu geben, aber ganz pauschal muss ich diesen Vor-wurf zurückweisen. Die Beamten und der Minister

(Beifall bei der CDU)

sind wohl vorbereitet in diese Sitzung gegangen. Sie ha-ben das ganze Zahlenwerk dargestellt, sie haben die Zahl,die Herr Minister Dr. Pietzsch in der letzten Plenarsitzung

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genannt hat, im Einzelnen untersetzt, sie haben Rede undAntwort gestanden zu allen Einzelheiten und deswegenweise ich diesen Vorwurf einfach zurück. Ihr Minister unddie Mitarbeiter haben das gemacht, obwohl dieser Ge-setzentwurf nicht im Ausschuss auf der Tagesordnungstand. Aufgrund eines Selbstbefassungsantrags hat dieRegierung zu Einzelheiten Stellung genommen und aufBefragen die einzelnen Zahlen erläutert. Wenn Sie das alsunseriös betrachten, dann muss ich Ihnen erwidern, nachdem, was ich jetzt gehört habe und was das Parlament inder letzten Sitzung erfahren konnte, darf ich sagen, dannbetrachte ich den Gesetzentwurf der PDS-Fraktion als un-seriös, insofern als hier nicht klar gestellt worden ist, wassich für jeden Gesetzentwurf gehört, dass nämlich auchdie Auswirkungen und die Kosten im Einzelnen und mi-nutiös genau dargestellt und erläutert werden.

(Beifall bei der CDU)

Das fehlt diesem Gesetzentwurf, und deswegen sage ich,nicht das Auftreten der Landesregierung, sondern das,was hier geschehen ist, das Auftreten der PDS-Fraktionund der Antrag der PDS-Fraktion, der ist als solcher un-seriös. Im Übrigen kommt es mir nicht zu, mich über dasParlament hinwegzusetzen, das die Befassung im Aus-schuss mehrheitlich abgelehnt hat. Aber so viel darf ichdoch wohl sagen, dass es die Landesregierung immer alsihre Aufgabe ansieht, die Abgeordneten zu unterstützenund ihnen auf Fragen Rede und Antwort zu stehen undzu Auskünften im Ausschuss bereit zu sein. Das hat siegetan in sehr seriöser Weise. Und ich darf für meine Mitar-beiter auch noch einmal in Anspruch nehmen, das hat sehrviel Vorbereitung und Mühe gekostet, um das in dieserWeise so seriös zu tun. Deswegen bitte ich, den Vorwurfzurückzunehmen, dass hier nicht seriös von Seiten der Re-gierung gearbeitet worden ist. So viel von meiner Seite.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD hat sich Frau Abgeordnete Bechthum zu Wortgemeldet. Einen kleinen Moment bitte, Frau AbgeordneteBechthum. Herr Abgeordneter Nothnagel, ich hatte dasnicht gesehen. Sie haben eine Anfrage an den Herrn Staats-sekretär. Herr Staatssekretär, gestatten Sie das? Der HerrStaatssekretär gestattet das. Frau Abgeordnete Bechthum,wenn Sie mal noch einen kleinen Moment warten würden.

Abgeordneter Nothnagel, PDS:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Maaßen, ich habe hiernoch einmal mein Skript hervorgezogen und ich zitierejetzt einfach noch einmal die drei Zeilen: "In der Sitzungdes Ausschusses für Soziales, Familie und Gesundheitkonnten der Minister und seine Mitarbeiter uns diese500 Mio. ���"���������������������������"������� �����nicht sehr fachkompetent." Danach habe ich mich in mei-ner folgenden Rede auf Mobilitätsgeld und auf Assistenz-

geld bezogen. Haben Sie das so wahrgenommen oder sowie Sie es jetzt eben kundgegeben haben? Dann ist ein-fach falsch, was Sie hier vom Rednerpult gesagt haben.

Maaßen, Staatssekretär:

Ich weise, Herr Abgeordneter Nothnagel, den Vorwurfder mangelnden Fachkompetenz zurück, und zwar mitaller Entschiedenheit.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Nun Frau Abgeordnete Bechthum, bitte.

Abgeordnete Bechthum, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, aufgrund derVerweigerungshaltung der CDU im Plenum am 8. Maigibt es keine neuen inhaltlichen Dinge. Mit Verbitterungmuss ich feststellen, selbst das Ergebnis des Berichtser-suchens im Ausschuss für Soziales, Familie und Gesund-heit wollte die Mehrheitsfraktion in diesem Haus nichtabwarten, besser überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen.

Meine Damen und Herren, mit der zu erwartenden Ent-scheidung heute, die Ablehnung des Gesetzentwurfs derSPD zur Gleichstellung behinderter Menschen, stellt dieCDU-Fraktion zumindest Teile und Arbeitsergebnisse derEnquetekommission 3/1 "Wahrung der Würde des mensch-lichen Lebens in Grenzsituationen" in Frage. Als Ergeb-nis der Arbeit der Kommission wird im Abschlussbe-richt mit den Stimmen der CDU-Mitglieder und ihrerExperten, hier insbesondere Prof. Dr. Isensee, der so ge-nannte Verfassungspapst, die Forderung nach einem dieBundesgesetze, "Sozialgesetzbuch IX" und "Bundesgleich-stellungsgesetz für Menschen mit Behinderung", ergän-zenden Landesgesetz stehen.

Meine Damen und Herren von der CDU und sehr geehrteFrau Vorsitzende der Enquetekommission, wie wollenSie erklären, dass Sie in der Kommission Empfehlungenmit großartigen Forderungen zur Integration und Teilha-be von Menschen mit Behinderung einbringen und imLandtag nicht einmal bereit waren oder bereit sind, überdie gesetzgeberische Umsetzung zu diskutieren?

Ich muss schon sagen, das grenzt an Scheinheiligkeitund ist heuchlerisch.

Meine Damen und Herren, für uns in der SPD steht fest,die Menschen mit Behinderung in unserem Land brau-chen die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, sie brau-chen für die Teilhabe ein Landesgesetz, um ihre berech-tigten Interessen wahrnehmen zu können. Ich betone esnoch einmal: Keiner hier hat das Recht, eine Gruppe vonMenschen im Freistaat Thüringen bewusst vom gesell-schaftlichen Leben auszugrenzen.

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(Beifall bei der SPD)

Unser Gesetzentwurf ist realistisch und trägt auch derHaushaltssituation unseres Landes Rechnung. Das An-gebot der SPD, Herr Minister Pietzsch hat es auch ange-boten, über Fragen der Umsetzung der doch unzweifel-haft berechtigten Forderungen der Menschen mit Behin-derungen im Gesetzentwurf zu sprechen, steht auch wei-terhin. Man muss aber eben nicht nur Sonntagsredenhalten, sondern auch den Willen zur Gestaltung haben.Vielleicht tut sich jetzt mit dem neuen Ministerpräsiden-ten in dieser Richtung etwas Realistisches. Vermutlichmeinen Sie von der CDU, dass die Menschen mit Be-hinderung Ihr Abstimmverhalten im Trubel des heutigenTages nicht bemerken und bis zur Wahl 2004 vergessenwerden. Ich kann Ihnen versichern, die SPD, aber be-stimmt nicht nur diese allein, sondern auch die Behin-dertenverbände und ganz besonders das außerparlamen-tarische Bündnis für Behinderte, werden dafür sorgen,dass wir hier in diesem Landtag so lange darüber redenwerden, bis es ein entsprechendes Landesgesetz auch imFreistaat geben wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat sich Frau Abgeordnete Aren-hövel zu Wort gemeldet.

Abgeordnete Arenhövel, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, für die CDU-Landtagsfraktion gibt es keinen Zwei-fel darüber, dass ein Gleichstellungs- und Integrations-gesetz hier im Landtag grundsätzlich eingebracht wer-den soll. Allerdings müssen wir feststellen, dass ange-sichts einer wahrhaft dramatischen Haushaltslage, einerHaushaltslage, wie wir sie noch nie in diesem Landtagerlebt haben, es überhaupt nicht möglich ist neue Gesetzezu machen, die Geld kosten, sondern wir müssen dieseWünsche, die berechtigt sind und die wir achten, im Mo-ment zurückstellen. Wir lehnen ein solches Gesetzesvorha-ben nicht generell ab, sondern es ist ja auch zugesichertworden von allen Beteiligten, dass wir die Lage in denBundesländern, in denen solche Gesetze auf den Weggebracht werden, beobachten werden und dass wir unse-rerseits bereit sind, ein solches Gesetz einzubringen, so-bald es die Haushaltslage zulässt, meine sehr verehrtenDamen und Herren.

Herr Abgeordneter Nothnagel, Ihre Argumentation findeich nun auch langsam etwas schwierig und auch heuch-lerisch, weil es wichtig ist, dass man mit behindertenMenschen spricht, dass man sie einbezieht, aber ich wehremich ganz massiv dagegen, dass man behinderte Men-schen politisch instrumentalisiert und sie für seine Zwe-cke missbraucht.

(Beifall bei der CDU)

Das ist in meinen Augen keine gute Art und Weise. DieCDU-Fraktion hat hier mehrfach betont, dass sie Ach-tung hat vor der Personenwürde der Behinderten. HerrNothnagel, das muss ich hier auch noch mal sagen, auchwenn diese Argumente schon ausgetauscht worden sind:Das, was sich hier für Behinderte im Freistaat getan hatseit der Wende, seit 1990, kann sich wahrhaft mehr als se-hen lassen, und wir müssen uns hier Ihre Vorwürfe über-haupt nicht anhören.

(Beifall bei der CDU)

Sie hatten, sicherlich auch aus Ihrem eigenen Interesseheraus, einen Antrag nach § 74 Abs. 2 der Geschäftsord-nung im Ausschuss gestellt, mit der Bitte verbunden, dassdie Landesregierung die Kosten untersetzt; das hat die Lan-desregierung getan. Dieser Antrag ist im Ausschuss fürabgearbeitet erklärt worden, und es sollte wohl lediglichnoch eine Information an Sie weitergereicht werden, aberder Antrag war im Wesentlichen besprochen und auchfür erledigt erklärt, und deshalb stand der zweiten Bera-tung dieser beiden Gesetze heute nichts mehr im Wege.Ich bin auch der Meinung, es ist ehrlicher, wenn wir denLeuten sagen, was geht und was nicht geht, meine Da-men und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Der PDS-Gesetzentwurf ist abzulehnen, weil er eine Füllevon Dingen enthält, die für ein Land überhaupt nichtleistbar sind. Er beachtet eigentlich nicht, dass auch bun-desgesetzliche Rahmenbedingungen dafür erforderlich sind,die auch aus unserer Sicht geändert werden müssen. DerSPD-Fraktion hatte ich schon in der ersten Beratung Ach-tung dafür gezollt, dass sie sich auf das Machbare be-schränkt hat und dass sie hier wirklich auch Dinge ein-gebracht hat, die wir auch für diskussionswürdig und fürumsetzbar halten, aber nicht zu diesem Zeitpunkt. In diesemSinne möchte ich das hohe Haus bitten die beiden Ge-setzentwürfe momentan abzulehnen, aber an den Din-gen dranzubleiben und zum gegebenen Zeitpunkt hiereinen Gesetzentwurf zu beraten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt noch eine Redemeldung von Herrn Abgeordne-ten Ramelow, PDS-Fraktion.

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Herr Abgeordneter Pietzsch, ausdrücklich möchte ich Ihnenzustimmen, dass weder der Abgeordnete Nothnagel nochdie PDS als Fraktion oder Partei für die Behindertenver-bände spricht, sprechen sollte, deswegen bin ich jetztvorgegangen, um das klarzustellen, auch im Namen von

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meinem Kollegen Nothnagel, dass wir nicht das Sprach-rohr der Behindertenverbände sind

(Zwischenruf Abg. Wackernagel, CDU: ...mehr?)

Ja möchten Sie jetzt die Antwort nicht akzeptieren, dassich als Fraktionsvorsitzender dazu Stellung beziehe? DerAbgeordnete Pietzsch hat eine Frage gestellt, und im Na-men der PDS-Fraktion möchte ich ihm eine Antwort ge-ben, und da können Sie doch hier vorn nicht rumtoben.

(Beifall bei der CDU)

Was ist denn das für ein parlamentarischer Umgang, meineDamen und Herren? Das entlarvt sich wieder mal ein biss-chen selber. Also, Sie haben völlig Recht, Herr Abgeord-neter Pietzsch ...

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU)

Wissen Sie, diese mittlere Sitzreihe macht es einem hiervorn manchmal sehr schwer, weil ich nur das Gefühl ha-be, Sie wollen die Oppositionsredner einfach stören, undes geht Ihnen gar nicht darum, dass wir parlamentarischetwas abarbeiten, sondern es geht um Selbstbeweihräu-cherung, so mein Eindruck, Herr Abgeordneter.

(Zwischenruf Abg. Schemmel, SPD: Manch-mal denke ich auch, es geht um Selbstbefrie-digung.)

Am heutigen Tag ist wirklich der Parlamentarismus inThüringen auf den Nullpunkt gekommen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ja, das stimmt, Sie merken es gar nicht. Sie merken garnicht, dass Sie wirklich den Feudalismus leben, dass Siehier Hof halten, dass Sie das Parlament als Ganzes garnicht mehr wahrnehmen wollen, und darauf wollte ichjetzt eingehen. Herr Abgeordneter Pietzsch, es ist zutref-fend, dass weder die PDS noch Herr Nothnagel für Be-hindertenverbände redet. Die Behindertenverbände redenfür sich selber, das ist gut so, und das wird auch in Zu-kunft so sein. Der Abgeordnete Nothnagel hört nur auf-merksam dort zu.

Frau Arenhövel, das will ich Ihnen auch sagen, einem Be-hinderten, der hier im Parlament seine politische Arbeitmacht, Heuchelei vorzuwerfen, wenn er von Ausgrenzungredet, das nenne ich auch Heuchelei,

(Beifall bei der PDS)

und damit haben Sie bewiesen, dass Sie politisch Behin-derte für eigene Zwecke benutzen wollen.

Herr Staatssekretär Maaßen, auch das will ich anmer-ken, es steht Ihnen als Vertreter der Regierung nicht zufestzustellen, ob die Regeln des hohen Hauses hier ver-letzt sind. Das steht dem hohen Haus nur selber zu. DieRegierung hat auf bestimmte Fragen im Ausschuss zuantworten, und mein Kollege Nothnagel hat das, wie esbeantwortet worden ist, in Zweifel gezogen. Das ist dochsein gutes Recht, deswegen vertritt er aus oppositionellerSicht die Wählerinnen und Wähler, die ihn hier in dasHaus entsandt haben. Und da darf ich Ihnen sagen, meineDamen und Herren, dass Sie beiden Gesetzen, und dasnenne ich eigentlich die Verletzung des parlamentarischenUmgangs, nicht mal den Weg in die Ausschüsse gestattethaben, dass Sie schon bei der Abstimmung verhindert ha-ben, dass in den zuständigen Ausschüssen die Zahlen, diehier gerade benannt worden sind, auf Basis der beidenGesetzentwürfe wenigstens parlamentarisch qualifizierterörtert werden. Das nenne ich den eigentlichen Skan-dal, und das nenne ich im Umgang mit der Frage vonBehinderten eigentlich den Tiefpunkt des Parlamentaris-mus, indem die Mehrheit überhaupt beschließt, was die Op-position tun soll oder was sie nicht tun soll, und Sie zen-sieren von vornherein. Im Übrigen kann ich da nur sagen,Sie haben im Europäischen Jahr der Behinderten demGedanken der Integration einen Bärendienst erwiesen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt noch eine Redemeldung von Frau AbgeordnetenZitzmann, CDU-Fraktion, und eine von Frau Abgeord-neten Pelke, SPD-Fraktion, wird mir jetzt signalisiert. Ichgehe davon aus, dass Sie damit einverstanden sind, dasswir die Fragestunde nach Beendigung dieses Tagesord-nungspunkts beginnen.

Abgeordnete Zitzmann, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren Abgeordneten, ich habe ein bisschen Lam-penfieber, das sage ich gleich vorweg, was dieses Themabetrifft und was ich jetzt persönlich dazu sage. Nach derletzten Plenarsitzung im Mai und nach dem gesprochenenWort von Herrn Abgeordneten Nothnagel habe ich mirviele, viele Tage überlegt, was ich heute sagen werde. Ichhabe mich zu Wort gemeldet, weil ich denke, dass zu sei-nen Ausführungen aus der letzten Plenarsitzung und zuden heutigen unbedingt etwas gesagt werden muss, näm-lich von mir. Ich ärgere mich, vielleicht wie viele hier indiesem Saal auch, über die Berichterstattung, die wir nachder letzten Plenarsitzung lesen konnten, aber grundsätz-lich auch über die Berichterstattung, die dieses Thema be-trifft, ein sehr sensibles Thema, was Menschen betrifft,die mit Behinderung leben müssen, ihre Angehörigen zäh-len dazu, ihre Freunde, ihre Bekannten. Ich hoffe, dass einesTages diese Plenarprotokolle von der heutigen und von derletzten Sitzung auch gelesen werden. Wo auch andereKolleginnen und Kollegen zu dem Thema gesprochen ha-

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ben, die in einer sachlichen Art und Weise entsprechendder Thematik darauf hinweisen, wie es denn in unseremLand aussieht. Es macht mir Mut und ich glaube, dassich jetzt eine Behauptung aufstellen kann und etwas sa-gen kann, das für alle gilt, nämlich, dass hier in diesemPlenarsaal niemand sitzt, egal zu welcher Fraktion er ge-hört, der ein Thüringer Gesetz zur Gleichstellung behin-derter Menschen nicht will. Dennoch trennen sich unse-re Auffassungen

(Beifall bei der CDU)

dahin gehend, dass die Mitglieder der CDU-Fraktion - undich gehöre dazu, ich kann mich nicht ausnehmen - ineiner Verantwortung stehen für die Menschen, die hier indiesem Land leben. Die Verantwortung hängt zusammenmit den Einnahmen, mit den Ausgaben, und es wäre fatal,in einer Situation, wo Thüringen ein Einnahmeproblemhat, kein Ausgabeproblem, ein halbherziges Gesetz aufden Weg zu bringen. Die Quantität, die Qualität werdennicht stimmen. Es wird Kritik geben von der Opposi-tion, zu Recht von den Verbänden, weil wir dem einennicht weit genug gehen, dem anderen passt dies nicht.So ist eine Situation unter die Menschen zu bringen, woim Endeffekt keiner von uns eigentlich mit einem Erfolgherausgehen würde. Die Gemeinde Jutenbach in meinemLandkreis Sonneberg hat einen Verein, der schon zweiBücher herausgebracht hat - es ist ein kleiner Verein,der ein Grenzmuseum betreut - und diese Bücher trageneinen Titel. Dieser Titel heißt "Wider das Vergessen" undgenau diesen Titel werde ich anwenden, wenn es um dasThema "Verwirklichung gesellschaftlicher Teilhabe behin-derter Menschen im Freistaat Thüringen" geht, wie Sie esals Abgeordnete der PDS-Fraktion beim Einbringen die-ses Gesetzes genannt haben. Ich weiß, dass viele an dieDDR-Vergangenheit nicht mehr erinnert werden möch-ten. Andere lassen sie dafür wieder hochleben. Aber daskann jeder halten, wie er will. Ich sage das nur, weil dasam Anfang Ihrer Rede eine Rolle gespielt hat. Aber einStück meines Lebens, das ich fast 20 Jahre mit Men-schen verbracht habe, die mit Behinderungen leben muss-ten und es mir, weiß Gott, auch darum geht, das Vergan-gene immer in Erinnerung zu halten, immer wach zuhalten, damit wir es nicht vergessen, und wenn wir dannvon Menschenrechten, von Bürgerrechten sprechen, wieSie, Herr Abgeordneter Nothnagel, dann werde ich das,solange ich lebe, in diesem Bereich ganz besonders tun.Aus dieser bitteren Erfahrung und aus eigenem Erlebenheraus muss ich mich zu dem, was hier in Thüringen seit13 Jahren für Menschen mit Behinderung getan wird,äußern, und zwar im positiven Sinne. Jetzt, Herr Frak-tionsvorsitzender Ramelow, bekommen Sie ein Danke-schön. Ihre Einbringungsrede hat das aufgezeigt, und wermit offenen Augen durch dieses Land geht, der sieht,was in diesem Gebiet vonstatten gegangen ist. 1990 wares, als diese Menschen sich wieder auf die Straße getrauthaben. Ja hat das denn jeder von uns vergessen?

(Beifall bei der CDU; Abg. Pohl, SPD)

Ich sage Ihnen, Dankbarkeit zeigen diese Menschen, siezeigen sie durch ganz kleine Gesten, die kriegen wirmanchmal gar nicht mit. Die Angehörigen zeigen es. Esleuchten die Augen, wenn man mit diesen Menschen spa-zieren geht, wenn sie in öffentliche Einrichtungen kön-nen, sicherlich manchmal mit Hindernissen, aber dafürhaben wir die Novellierung der Bauordnung. Ich bin ge-spannt drauf, wie sich das umsetzen wird. Ich darf abso-lut nicht vergessen, dass Angehörige, Freunde, Bekannte,die Betroffenen selbst seit Jahren - und ich weiß wovonich rede, ich habe den Behindertenverband mit gegrün-det in Sonneberg - dankbar sind. Es wäre doch eigentlichein großes Fragezeichen, wenn eine Zufriedenheit einge-kehrt wäre. Selbstverständlich haben wir in bestimmtenBereichen noch nachzuholen. Ich lebe und arbeite viel mitdiesen Menschen, aber ich weiß, dass hier im Saal vielegenau das Gleiche tun, nämlich den Bezug herzustellen,

(Beifall Abg. Wackernagel, CDU)

sich diesen Menschen auch anzubieten in der Hilfe, inder Unterstützung. Dazu gehört nicht nur eine intensiveKontaktpflege, sondern ich setze es auch fast jeden Tagum. Aber ich schaffe mir natürlich auch keine Freunde,wenn ich zu meinen Freunden im Behindertenverbandund auch in anderen Verbänden, in der Diakonie, allendie sich mit dem Thema befassen und Personen auchbetreuen und schützen, immer klar ausspreche, was gehtund was nicht geht. Ich sage auch immer, das geht ausdem Grund nicht, da müssen wir ein bisschen warten,das dauert noch ein paar Jahre, vielleicht 10, 20 Jahre,ich weiß es nicht. Aber es dauert. Es liegt im wahrstenSinne des Wortes an den finanziellen Grundlagen. Gottsei Dank, wenn ich in der Sache mit diesen Personen dis-kutiere, hat mich noch niemand kritisiert, so nach demMotto, die Zitzmann sitzt in der CDU-Fraktion und diehaben die Gesetze der PDS abgelehnt, die haben die derSPD abgelehnt. Ja, da setze ich mich mit ihnen auseinanderund dann sage ich, versteht doch mal die Situation. KeinGesetz bringt doch etwas, wenn ich es nicht mit einer fi-nanziellen Grundlage untersetzen kann, mit einer Aus-stattung, die dazugehört, also mit allem was dazugehört.Es tut dann auch gut zu wissen, dass sie mit mir an einemStrang ziehen, weil sie genau wissen, wenn ich was sage,dann setze ich es um. Die Interessen der behinderten Bür-gerinnen und Bürger im Freistaat, das maße ich mir mal anzu sagen, sind unser aller Sache und wir tun es auch. Ichtue ständig wie Sie etwas für die Gleichstellung behin-derter Menschen und da trifft Ihr Vorwurf - ja, man müssteeigentlich sagen, warum zieh ich mir denn die Jacke an? -Ihr Vorwurf trifft aber so, weil es flächendeckend nichtstimmt. Wir tun etwas. Das ist wirklich auch sichtbar.Wenn ich daran denke, was Sie gesagt haben, dass manuns auf die Sprünge helfen muss, also mir muss niemandauf die Sprünge helfen. Wir vergessen, und das ist einwichtiger Punkt, hin und wieder zu verkünden, was Po-sitives in diesem Bereich geschehen ist. Ich sagte ja amAnfang "Wider das Vergessen" und dazu gehört natürlichauch die Entwicklung bis heute. Jeder von uns sollte diese

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7519

positive Entwicklung sein Eigen nennen und eigentlichauch so massiv vortragen. Alles, was für die Menschenmit Behinderung getan werden muss, stelle ich auch per-sönlich immer unter eine ganz bestimmte Sichtweise: Istes machbar? Ist es umsetzbar? Passt die Finanzierung?Wer macht es? Ich muss ja auch Personen wissen. Und esgehört natürlich auch Mut dazu, den behinderten Men-schen zu sagen - aber ich habe es ja schon ausgeführt -,warum Bestimmtes nicht geht.

Sie haben in Ihrer letzten Rede, Herr Abgeordneter Noth-nagel, die Vergabe von Lottomitteln angesprochen. Nunkönnte ich mal etwas zynisch werden und sagen, ich gehemal davon aus, Sie haben mich nicht gemeint, aber ichdenke, Sie haben alle hier angesprochen und ich möchteetwas dazu sagen. Ich bin nämlich sehr, sehr froh, dasses diese Überschüsse der Staatslotterie gibt und dass dieAntragstellung bei den Ministerien erfolgt und die Aus-gabe der Lottomittel über die Ministerien ins Land gestreutwird. Denn sonst - und ich bin seit 1994 in diesem Land-tag - hätten mein Behindertenverband, der Arbeitersamari-terbund, die Arbeiterwohlfahrt, die Volksolidarität, derBlinden- und Sehbehindertenverband, der Gehörlosen- undSchwerhörigenverband, die Evangelische Kirchgemeinde,die Lebenshilfe nicht diese Ausstattung, die sie heute ha-ben, nicht diese Behindertenfahrzeuge, die sie heute ihrEigen nennen. Alles waren Möglichkeiten, die wir selbst-verständlich genutzt haben und die ich auch weiterhinnutzen werde, dazu werde ich jeden Verband ermutigenund ermuntern. Ich wehre mich auch dagegen, von we-gen Gutdünken oder Lobbyismus. Wenn Sie so etwas erle-ben, wenn Sie so etwas kennen, sprechen Sie es offenan. Ross und Reiter nennen und dann sprechen wir darü-ber. Aber dieses Pauschale, ich bin zu Hause gefragt wor-den, als ich es erzählt habe, ja, was soll denn das, Ihr tuteuch doch überhaupt keinen Gefallen. Ihr spielt euch dochgegeneinander aus, das bringt doch nichts. Wissen Sie,seit 1994 arbeite ich ohne Ansehen der Person und egalmit welchem Parteibuch jemand zu mir ins Büro kommt.Ich helfe jedem, wenn ich kann. Oder ich zeige zumindestWege auf oder öffne Türen und mache auch Termine, wennes denn notwendig ist. Ich scheue mich eigentlich vorniemandem, weil ich denke, es dient der Sache.

Jetzt möchte ich auch etwas zu meiner Fraktion sagen.Ich verstehe es halt nicht, aber vielleicht ist das Politik,die CDU-Fraktion hat sich und nimmt sich der Proble-me behinderter Menschen an - nicht, dass wir das stän-dig erzählen, sondern es ist einfach Tatsache - seit 1990.Aber was ich auch bemerke, jeder dreht es sich in derDarstellung so, wie er es braucht. Das ist fatal, aber ichkann da einfach nicht mitgehen. Wir wehren uns auchgegen diese Unterstellung, dass wir die Behindertenthe-matik missachten. Das ist nicht wahr.

Nur für mich ein paar ganz wichtige Sätze noch, was diesenBehindertenbeauftragten betrifft. Ich bin der Meinung,dass hier im Thüringer Landtag 88 Behindertenbeauftragtesitzen.

(Beifall bei der CDU)

Ich bin eine davon. Ich weiß auch, dass alle anderen die-ses tun, denn sie sind für Menschen tätig und sie werdenauch tätig bleiben. Für mich ist diese Thematik immer,egal ob im Plenarsaal oder im Ausschuss, dem ich zwarnicht angehöre, aber ich arbeite in meiner Fraktion imArbeitskreis zu diesem Thema bestimmte Dinge zu, ichbin auch in der Enquetekommission, ich denke, es ist ein-fach an der Zeit, auch einmal aufzuzeigen und das stän-dig zu tun, wie gut es eigentlich geworden ist nach derWende. Ich wünsche mir auf keinen Fall einen Rück-gang in diesen Bereich. Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Frau Abgeordnete Pelke. Bitte schön.

Abgeordnete Pelke, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, sehr geehrteFrau Zitzmann, sehr geehrte Frau Arenhövel, ich will andiesem Punkt auch Frau Dr. Kraushaar benennen. KeinMensch zweifelt daran, dass Sie es ernst nehmen mit derBehindertenpolitik. Liebe Frau Zitzmann, kein Menschzweifelt an, dass Sie sich engagieren und sich den Proble-men der Menschen ungeachtet der parteilichen Zugehö-rigkeit widmen. Das tun wir alle in diesem Haus, davongehe ich aus,

(Beifall bei der PDS, SPD)

jeder in seinen Wahlkreissitzungen und jeder in seinenWahlkreis- und Abgeordnetensprechstunden. Aber wenndas alles so ist ... Bitte?

(Zwischenruf Abg. Wunderlich, CDU: DieCDU hat alle Wahlkreise gewonnen.)

Ach ja? Sind Sie sicher, dass Sie hier alles für sich allein inAnspruch nehmen können? Es gibt 88 Abgeordnete unddie tun ihre Tätigkeit im Wahlkreis. Nun versuchen Sienicht, alles zu vereinnahmen. Jetzt ist es aber gut. Schlussmit lustig, mein Guter.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Es geht hier um die Frage der Gleichstellung von Men-schen mit Behinderungen. Es geht darum, dass es zweiGesetzentwürfe gibt in diesem Landtag, die es nicht ein-mal wert waren, von Ihrer Seite diskutiert zu werden.Darum geht es, meine Damen und Herren von der CDU.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dass Behinderte für sich selbst reden, ist eine Selbstver-ständlichkeit, und das tun die Damen und Herren auch

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mit Vehemenz und in aller Deutlichkeit. Glauben Sienicht, dass wir sie erst auffordern müssen zu Demonstra-tionen oder zu Äußerungen. Das tun sie von selbst.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Dann geht es nur darum, die Forderungen und Wünschevon Behinderten aufzunehmen und daran haben sich zweiFraktionen gehalten und haben dieses in einen Gesetz-entwurf gekleidet. Der eine Gesetzentwurf hat ein sehrumfassendes Volumen, was relativ unrealistisch ist, dasin Richtung der Kollegen der PDS. Inhalte will ich nichtbewerten, sondern über die Frage dessen, was finanzierbarist. Aber dann, liebe Kollegin Arenhövel, wenn Sie sagen,dass Sie unseren Gesetzentwurf mit Respekt ansehen unddass Sie ihn auch für finanziell zumindest realisierbarerhalten im Gegensatz zu dem anderen Gesetzentwurf, dannverstehe ich überhaupt nicht, wieso sich die Mehrheits-fraktion weigert, gemeinsam im Ausschuss darüber nachzu-denken, wie und wo bekommen wir 300.000 ���������paar Euro mehr zusammen, um Gleichstellung für Men-schen mit Behinderungen tatsächlich umsetzen zu kön-nen. Das erklären Sie mir doch einmal.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Ich habe Ihnen an dieser Stelle schon gesagt, an welchenHaushaltsstellen wir einsparen können. Es gab auch ananderer Stelle bei der Haushaltsdiskussion durchaus An-sätze, wo man darauf zurückgreifen kann, um zu sagen,jawohl wir können dieses im ersten Ansatz finanzieren.Ich frage mich, warum Rheinland-Pfalz ein solches Ge-setz eingebracht und beschlossen hat, wobei tatsächlichnicht exakt realisierbar war, wie viel finanzielle Unter-setzung dieses ausmacht. Aber ich bin wirklich der Mei-nung, dass wir 300.000 ������())!)))���������"�����������noch aufrunden, zumindest was unseren Gesetzentwurf an-geht - hätten auf die Reihe bekommen können. Dass mansich diesem Dialog nicht stellt, halte ich für den falschenWeg. Ich sage Ihnen das auch ganz deutlich in Erinnerungan die Diskussion, die wir gestern hatten bei der Liga,wo Abgeordneter Pietzsch, wenn ich das jetzt so sagendarf, und auch Sie da waren, und Sie beide immer deutlichgemacht haben, wir wollen den Dialog, wir wollen mit-einander über viele Dinge reden. Ja, und an diesem Punkthaben wir nicht miteinander geredet. Sie sind auch nichtauf das Anliegen der Behindertenverbände eingegangen.

(Beifall bei der SPD)

Man hätte durchaus über andere Zeithorizonte und überFinanzierungsmöglichkeiten reden können. Sie haben sichdiesem verweigert. Ich sage Ihnen abschließend ganzdeutlich - und da bin ich mir auch nicht ganz sicher, wieich nun das werten soll, was Frau Zitzmann gesagt hat -,es geht darum, für Behinderte einzutreten. Sie haben ge-sagt, es gibt hier 88 Behindertenbeauftragte. Völlig kor-rekt. Es gibt hier 88 Jugendbeauftragte, es gibt Beauf-tragte für den Arbeitsmarkt, es gibt Beauftragte für die

Seniorenpolitik, für die Frauenpolitik - ich möchte jetztnicht alles auflisten. Wenn Sie der Meinung sind, dasswir das alles ableisten können in der Detailliertheit, wiees notwendig ist, dann gibt sich jeder sicherlich redlichMühe, aber ich glaube nicht, dass es zu viel verlangt ist,wenn es andere Beauftragte hier in diesem Land gibt,auch über einen Behindertenbeauftragten nachzudenken.Nicht mehr und nicht weniger haben wir von Ihnen ver-langt. Sie haben nicht einmal mit uns darüber diskutiert.

Die allerletzte Frage an die Kollegen der CDU-Fraktion:Sie sagen, jetzt können wir dieses nicht tun. Dann wer-den Sie endlich so konkret und sagen, wann wollen Siees denn tun. Wenn Sie jetzt nicht in der Lage sind,300.000 �����������������������"�����*������������� anderen Zeitpunkt auch nicht sein, weil es hier schließ-lich und endlich darum geht, Prioritäten zu setzen undmöglicherweise an anderer Stelle etwas wegzunehmen.Dazu sind Sie jetzt nicht bereit. Ich glaube auch nicht,dass Sie zu einem anderen Zeitpunkt dazu bereit sind.Dieses, denke ich, sollte man in der Öffentlichkeit auchentsprechend darstellen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Mir liegen jetzt keine weiteren Redeanmeldungen mehrvor. Es ist beantragt worden eine Ausschussüberweisungbeider Gesetzentwürfe erneut an den Ausschuss für Sozia-les, Familie und Gesundheit. Wer diesem zustimmt, denbitte ich nach folgenden Regeln jetzt die Hand zu heben.Zuerst Abstimmung über das Gesetz unter a) in Druck-sache 3/3249, das ist der Antrag der PDS-Fraktion. Werdieses an den Ausschuss für Soziales, Familie und Ge-sundheit überweisen möchte, den bitte ich jetzt um dasHandzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte.Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hierStimmenthaltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung.

Dann kommen wir zu dem Teil b), Gesetzentwurf derFraktion der SPD in der Drucksache 3/3266. Wer diesennoch einmal an den Ausschuss überweisen möchte, denbitte ich jetzt um das Handzeichen. Danke schön. DieGegenstimmen bitte. Das ist das gleiche Bild wie vorher,eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimm-enthaltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. Damit ist dieAusschussüberweisung und damit gewissermaßen der An-trag auf eine dritte Beratung abgelehnt.

Wir stimmen ab über die Gesetzentwürfe nach zweiterBeratung. Wer den Antrag der Fraktion der PDS in Druck-sache 3/3249 ... Herr Abgeordneter Kummer?

Abgeordneter Kummer, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt namentliche Abstimmung.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7521

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Wer dem Gesetzentwurf der Fraktion der PDS in derDrucksache 3/3249 nach zweiter Beratung zustimmenmöchte, der dokumentiert das bitte durch die Abgabe derentsprechenden Stimmkarte.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Und wernicht zustimmt, der muss auch seine Stimm-karte abgeben.)

Richtig. Wer nicht zustimmen oder sich enthalten möchte,tut das natürlich auch mit der entsprechenden Stimmkarte.

Ich nehme an, es hatte jeder die Gelegenheit, seineStimmkarte abzugeben. Ich bitte um das Auszählen derStimmkarten.

Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmungzum Gesetzentwurf der Fraktion der PDS vor.

Es wurden 78 Stimmen abgegeben; mit Ja haben 17 ge-stimmt, mit Nein haben 59 gestimmt, es gab 2 Stimment-haltungen. Damit ist der Gesetzentwurf abgelehnt (nament-liche Abstimmung siehe Anlage 1).

Wir kommen nun zur Abstimmung über den Gesetzent-wurf der Fraktion der SPD in der Drucksache 3/3266.Herr Abgeordneter Pidde, Sie möchten sicher namentli-che Abstimmung beantragen?

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

So ist es, Frau Präsidentin.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dann werden wir auch über diesen Gesetzentwurf na-mentlich abstimmen.

Ich nehme an, es hatte jeder die Gelegenheit, seine Stimm-karte abzugeben. Ich bitte um das Auszählen.

Mir liegt das Ergebnis der namentlichen Abstimmungzum Gesetzentwurf der Fraktion der SPD vor.

Es gab 76 Stimmen; mit Ja haben 31 gestimmt, es waren43 Neinstimmen und es gab 2 Stimmenthaltungen. Da-mit ist auch dieser Gesetzentwurf abgelehnt (namentli-che Abstimmung siehe Anlage 2).

Ich komme nun - etwas verspätet - zum Aufruf des Tages-ordnungspunkts 22

Fragestunde

Als Erstes die Anfrage des Abgeordneten Lippmann inder Drucksache 3/3314.

Abgeordneter Lippmann, SPD:

Geplantes Kunststoff-Zentrum in Ostthüringen

Der Ostthüringer Zeitung vom 12. Mai 2003 war zu ent-nehmen, dass der Thüringer Wirtschaftsminister auf einerVeranstaltung der CDU versprochen hat, in Ostthüringenein Kunststoff-, Applikations-, Kompetenz- und Weiter-bildungszentrum errichten zu wollen.

Ich frage die Landesregierung:

Die Landesregierung kann das überhaupt nicht hören,die kann das gar nicht hören, wenn Sie nicht still sind.

1. Wann soll dieses Kunststoff-Zentrum entstehen undwelche Kosten werden damit verbunden sein?

2. Aus welchen Haushaltstiteln soll dieses Zentrum fi-nanziert werden?

3. Welche Gespräche wurden bislang diesbezüglich mitOstthüringer Kommunen geführt und mit welchem Er-gebnis?

Sehr verehrter Herr Staatssekretär, ich füge eine vierte,Ihnen nicht vorher genannte Frage hinzu, die ich aberohnehin hinterher gestellt hätte.

4. Wo soll dieses Kunststoffzentrum entstehen?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Herr StaatssekretärRichwien.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank, Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordnete,ich beantworte die Mündliche Anfrage des AbgeordnetenLippmann für die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Das Applikationszentrum Präzisions-Kunst-stofftechnik Thüringen ist eine der vier von der ThüringerLandesregierung in der Technologiekonzeption Thürin-gen 2002 als prioritär eingestuften Infrastrukturmaßnah-men. Nach dem heutigen Stand soll mit der Realisierungnoch in diesem Jahr begonnen werden. Die Fertigstel-lung ist für das Jahr 2004 geplant. Die Kosten belaufensich nach derzeitigem Stand auf maximal 25 Mio. �!

Zu Frage 2: Die haushaltsmäßige Einordnung dieses Infra-strukturprojekts findet sich im Einzelplan 07, Kapitel 14,Titelgruppe 75 - Infrastrukturprojekte im Bereich Tech-nologie - im Titel 89 375 - Zuschüsse für Investitionen anSonstige. Die dort ausgewiesenen Ansätze können durchGA- und EFRE-Mittel verstärkt werden. Das als Ergän-zung noch dazu, weil in dem Titel die Summe nicht aus-reichen würde.

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Zu Frage 3: Sowohl Herr Minister Schuster als auchMitarbeiter des TMWAI und Vertreter der STIFT habenmit Repräsentanten verschiedener Kommunen in Ostthü-ringen zum Teil mehrfach gesprochen. Darüber hinaus hatdie STIFT als Maßnahmeträger auf der Grundlage vonVor-Ort-Besuchen und einem schriftlich zu beantwor-tenden Fragekatalog eine Standortanalyse von drei Ortenvorgenommen. Diese Analyse wird zurzeit ausgewertet.Eine Standortentscheidung - und somit beantworte ichauch gleichzeitig mit diesem Satz Ihre 4. Frage - soll inder nächsten Kuratoriumssitzung der STIFT erfolgen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt offensichtlich keine weiteren Nachfragen, so rufeich als Nächstes die Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller,SPD-Fraktion, in der Drucksache 3/3318 auf.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Errichtung eines Fünf-Sterne-Hotels in Erfurt

In der Stadt Erfurt gibt es zurzeit zwei Interessenten fürden Bau und Betrieb eines Fünf-Sterne-Hotels. Beide Ho-tel-Konzeptionen gehen von einer Integration der einzi-gen für Thüringen geplanten Spielbank in das jeweiligeHotel aus, wobei einer der Investoren behauptet, bereitseinen Vertrag mit der Landesregierung bezüglich der In-tegration der Spielbank in sein Hotel zu haben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist die Landesregierung oder ein Unternehmen mit mehr-heitlicher Beteiligung des Freistaats Thüringen bereitseine vertragliche Bindung im Hinblick auf die Integra-tion der geplanten Thüringer Spielbank in ein bestimm-tes Hotel eingegangen?

2. Wenn ja, auf welcher rechtlichen Grundlage wurdediese vertragliche Bindung eingegangen?

3. Welche Entscheidungskriterien werden zur Standort-entscheidung für die Spielbank durch die Landesregie-rung herangezogen?

4. Wurden durch die Landesregierung bzw. die Förder-mittel bearbeitenden Stellen bereits schriftliche Förder-zusagen bzw. Fördermittelbescheide für eines der ge-nannten Hotel-Projekte erteilt?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Richwien.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine sehr geehrten Damenund Herren, ich beantworte die Mündliche Anfrage desAbgeordneten Dr. Müller für die Thüringer Landesre-

gierung wie folgt:

Zu Frage 1: Ja, die Erste Thüringer Spielbankgesell-schaft mbH & Co. KG, deren Komplementärin die ErsteThüringer Spielbank-Verwaltungsgesellschaft mbH undeinziger Kommanditist der Freistaat ist, hat mit der FirmaTransaktio GmbH & Co. KG einen Mietvertrag über ge-werbliche Räume abgeschlossen.

Zu Frage 2: Nach § 1 der Satzung der Ersten ThüringerSpielbankgesellschaft mbH & Co. KG vom 08.12.1994ist der Betrieb einer öffentlichen Spielbank Gegenstanddes Unternehmens. Im Rahmen dieser Geschäftstätigkeit istdas Unternehmen berechtigt, privatrechtliche Verträge ab-zuschließen, u.a. natürlich auch Mietverträge.

Zu Frage 3: Der Entscheidung über den Standort derSpielbank liegt u.a. ein Gutachten zugrunde, in dem derStandort Erfurt unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten alseinziger tragfähiger Standort für eine Spielbank in Thü-ringen bewertet wurde.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine weitere Nachfrage.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Habe ich das jetzt richtig verstanden? Es gibt diese Zu-sage an den Herrn Baumhöcker und sind weitere För-dermittel für dieses Projekt "Am Brühl" vorgesehen, fürdas ja inzwischen Baurecht besteht?

Richwien, Staatssekretär:

Das kann ich Ihnen nicht bestätigen, Herr Dr. Müller.Wir sind in der Prüfung.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich rufe als Nächstes die Anfrage des Abgeordneten Höhn,SPD-Fraktion, in der Drucksachen 3/3332 auf. Trägt diejemand vor?

Dann rufe ich als Nächstes die des AbgeordnetenDr. Botz, SPD-Fraktion, in der Drucksachen 3/3339 auf.

Abgeordneter Dr. Botz, SPD:

Auswirkungen der Haushaltskürzungen auf die Ausgleichs-zulage in benachteiligten Gebieten

Bereits im Doppelhaushalt 2003/2004 fehlen erheblicheMittel für die Kofinanzierung der Gemeinschaftsaufga-be zur Verbesserung der Agrarstruktur und des Küsten-schutzes (GA). Dadurch kommt es bereits nach den Zahlendes bestehenden Doppelhaushalts zu einem Rückgangder Mittel von zirka 20 Millionen Euro. Der Hauptanteilentfällt dabei auf die Ausgleichszulage für benachteiligte

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7523

Gebiete, die um 50 Prozent gekürzt wurde. Zurzeit wer-den im Rahmen des Nachtragshaushalts weitere Einspa-rungen diskutiert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Einsparmöglichkeiten sieht die Landesregie-rung überhaupt noch im Einzelplan 09?

2. Kann die Landesregierung ausschließen, dass weitereKofinanzierungsmittel für die GA betroffen sein könnten?

3. Hält die Landesregierung im Fall einer weiteren Redu-zierung der GA-Mittel erneute Einsparungen im Bereichder Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten für mög-lich?

4. Wie bewertet die Landesregierung das Risiko der Frei-setzung von Arbeitskräften in Landwirtschaftsbetriebenin den betroffenen Regionen durch derart akute ein-schneidende Reduzierungen auf der Einnahmenseite?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Baldus.

Baldus, Staatssekretär:

Verehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abge-ordneten, die Mündliche Anfrage des Herrn Abgeord-neten Dr. Botz beantworte ich für die Landesregierungwie folgt - ich beantworte die Fragen 1 bis 4 im Block:

Das Ergebnis der Steuerschätzung im Mai 2003 und an-dere ungünstige Einflüsse im Haushaltsvollzug erfordernmöglicherweise die Aufstellung eines Nachtragshaushalts2003. Die in diesem Zusammenhang zu treffenden Ent-scheidungen können auch jene Sachverhalte, die Gegen-stand Ihrer Mündlichen Anfrage sind, berühren. Da esderzeit aber noch keine abschließenden Entscheidungenfür den möglichen Nachtragshaushalt 2003 gibt, ist zudiesem Zeitpunkt auch keine verbindliche Beantwortungder gestellten Fragen möglich.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Botz, Sie möchten nachfragen?

Abgeordneter Dr. Botz, SPD:

Also, Herr Staatssekretär, ein gewisses Verständnis da-für, dass Sie hier gern im Block antworten, habe ich ja.Aber bezüglich meiner Frage 4 - wie Sie das Risiko be-werten, falls so etwas eintritt, möchte ich Sie doch bitten,hier für die Landesregierung eine kurze Stellungnahmeabzugeben.

Baldus, Staatssekretär:

Dieses ist natürlich schwierig, wenn man die Auswir-kungen einer nicht definierten Entscheidung darstellensoll. Trotzdem kann ich das schon noch etwas vertiefen.Im Bericht über die Entwicklung der Landwirtschaft fürdas Wirtschaftsjahr 2001/02, den der Herr Minister in derletzten Woche vorgestellt hat, ist der Zusammenhang zwi-schen der Ausgleichszulage und der Einkommenssituationbezogen auf den Hektar bewirtschafteter Fläche bzw. auchbezogen auf die beschäftigte Arbeitskraft in diesem Zu-sammenhang deutlich dargestellt. Insofern kann man eineRelation zwischen Ausgleichszulage und Einkommenssi-tuation sicherlich ableiten je nachdem, wie hoch die Aus-gleichszulage zurückgefahren werden müsste. Ich mussaber ausdrücklich an dieser Stelle ausführen, dass es dererklärte Wille des zuständigen Ressortministers ist, die Aus-gleichszulage nicht unter das heutige Niveau zurückzu-fahren.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen.

Nun rufe ich die Anfrage des Abgeordneten Höhn, SPD-Fraktion, in der Drucksache 3/3332 noch einmal auf.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Danke, Frau Präsidentin.

Rechtsaufsichtliche Bestätigung kommunaler Kofinan-zierungsanteile

Die meisten Förderrichtlinien des Freistaats Thüringenverlangen bei einer kommunalen Antragstellung einerechtsaufsichtliche Bestätigung der Kofinanzierungsan-teile. Auch geringfügige Eigenanteile müssen dabei rechts-aufsichtlich bestätigt werden. Die Einholung der rechts-aufsichtlichen Bestätigung ist mit einem erheblichen Ver-waltungsaufwand verbunden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Hält es die Landesregierung für angemessen, dass selbstbei Kleinstbeträgen, die durch die jeweilige Kommuneals Eigenanteil zur Kofinanzierung von Fördermitteln er-bracht werden müssen, eine rechtsaufsichtliche Würdigungeingefordert wird, und wenn ja, warum?

2. Wäre es im Sinne von Verwaltungsvereinfachung undin Anerkenntnis der kommunalen Selbstverwaltung nichtdenkbar und wünschenswert, im Rahmen von Landesförde-rungen zu erbringende Eigenanteile unter einem bestimm-ten festzulegenden Betrag (beispielsweise 2.500 Euro) vonder Bestätigungspflicht durch die Kommunalaufsicht zubefreien?

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3. Wie könnte eine generelle kommunalaufsichtliche Be-stätigungsfreiheit für geringfügige Eigenanteile geregeltwerden, ohne alle Förderrichtlinien ändern zu müssen, dieeine Bestätigung undifferenziert verlangen?

4. Plant die Landesregierung eine Regelung, wie unterFrage 3 genannt, wenn nein, warum nicht?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Innenminister Traut-vetter.

Trautvetter, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, für die Landesregierungbeantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Ja. Die Notwendigkeit einer rechtsaufsicht-lichen Prüfung zu der Frage, inwieweit Gemeinden in derLage sind, von ihnen zu tragende Eigenanteile im Rah-men von Fördermaßnahmen zu tragen, ergibt sich ausdem bundesweit geltenden förderrechtlichen Grundsatz,dass Fördermittel nur dann vergeben werden dürfen, wenndie Gesamtfinanzierung der geförderten Projekte gesichertist. Die entsprechende Regelung ist in § 44 Landeshaus-haltsordnung Nr. 1.2, dort steht: Eine Anfinanzierung vonVorhaben, deren Gesamtfinanzierung nicht gesichert ist,ist unzulässig. Eine identische Regelung befindet sich inder Bundeshaushaltsordnung. Der mit dieser Prüfung ver-bundende Verwaltungsaufwand ist vertretbar, da die Kom-munalaufsichtsbehörden anhand der ihnen vorliegendenHaushaltsdaten der Gemeinden prüfen, inwieweit not-wendige Eigenanteile im Haushalt der Gemeinde berück-sichtigt sind.

Zu Frage 2: Ein Verzicht auf die Prüfung durch dieKommunalaufsicht bei Unterschreiten von bestimmtenGrenzbeträgen z.B. von 2.500 ���"��� ������+��������lungvorgeschlagen, ist aus mehreren Gründen nicht sinnvoll.Dies ergibt sich zunächst aus der sehr differenzierten kom-munalen Struktur in Thüringen mit nach wie vor sehrvielen VG-angehörigen kleinen und Kleinstgemeinden,die jeweils einen eigenen Haushalt führen auf der einenSeite und Großstädten auf der anderen Seite. Ein einheit-licher Grenzbetrag hätte naturgemäß höchst unterschied-liche Bedeutung für die jeweiligen Haushalte. So magein Betrag in Höhe von 2.500 ���������,�������������Großstadt eine zu vernachlässigende Größenordnung dar-stellen, für den Haushalt einer Kleinstgemeinde jedocherhebliche Bedeutung haben. Vergessen werden darf auchnicht, dass gerade bei kleinen und Kleinstgemeinden,aber auch bei größeren Gemeinden durch eine Vielzahlvon geförderten Maßnahmen die Summe der im Einzel-fall relativ geringen Einzelanteile durchaus schnell einefür den Haushalt bedeutsame Größenordnung erreichenkann. Es ist daher wichtig, dass die Kommunalaufsicht dieEinzelbeträge im Zusammenhang mit dem Gesamthaus-halt bewertet. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass

die Frage, welche Beträge für einen Haushalt von Bedeu-tung sind, in erheblichem Umfang von der Haushaltssitua-tion der jeweiligen Gemeinde abhängt. So kann ein relativgeringer Betrag für eine große Gemeinde mit angespannterHaushaltssituation schwieriger zu finanzieren sein als füreine kleine Gemeinde mit einem gesunden Haushalt.

Ich weise noch zusätzlich darauf hin, dass wir die Prü-fungen wahrscheinlich erweitern müssen, da wir bei In-vestitionen in die Prüfung immer die Folgekosten ein-beziehen werden, denn viele Investitionen, wo die Eigenan-teile zwar gesichert sind, stellen sich dann in den Folge-kosten und der Betreibung der entsprechenden Einrichtungals für die Gemeinden nicht mehr finanzierbar heraus.

Zu Frage 3: Ich verweise hierzu auf meine Antwort zuFrage 2.

Und zu Frage 4: Die Landesregierung beabsichtigt nicht,diese Regelung zu ändern, auch dies ist in der Antwortzu Frage 2 begründet.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen.

Ich rufe als Nächstes die Anfrage des Abgeordneten Dittes,PDS-Fraktion, in der Drucksache 3/3357 auf.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Im Rahmen geplanter Übertragungen von Landesstraßenauf Landkreise ist auch die Straße im Jonastal (Ilm-Kreis)von einer möglichen Übertragung betroffen. Nach Infor-mationen ist der wirtschaftliche Aufwand für einen dannnotwendigen Ausbau der Straße unverhältnismäßig hoch,außerdem liegen ausweislich der Beantwortung der KleinenAnfrage 437 in Drucksache 3/1834 durch die Landesre-gierung erhebliche naturschutzfachliche Gründe gegeneinen Ausbau vor. Aus diesem Grund wird die Verlegungder Straße bzw. deren vollständiger Rückbau geprüft.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche unterschiedlichen Varianten sind derzeit in derPrüfung (Ausbau, Rückbau, Neubau der Trasse außer-halb des Jonastales), und wie werden diese ökologisch,wirtschaftlich und infrastrukturell durch die Landesre-gierung bewertet?

2. Wie ist der gegenwärtige Stand der Prüfungen dervorliegenden Varianten?

3. Welche Stellungnahmen liegen von den betroffenenGemeinden zu den unterschiedlichen Varianten vor?

4. Wann ist mit einer Entscheidung zum Ausbau, Rück-bau bzw. zur Neutrassierung zu rechnen?

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7525

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Richwien.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich beantworte die Münd-liche Anfrage des Abgeordneten Dittes für die Landes-regierung wie folgt:

Zu Ihrer 1. Frage: Es stehen sechs Varianten zur Diskus-sion, die sich unter anderem durch einen abschnittswei-sen Neubau zwischen Espenfeld und Gossel und denteilweisen Ausbau des Jonastals unterscheiden.

Zu Ihrer 2. Frage: Die Prüfung ist zum heutigen Zeit-punkt noch nicht abgeschlossen.

Zu Ihrer 3. Frage: Die Gemeinden haben sich weit ge-hend für einen Neubau zwischen Espenfeld und Gosselausgesprochen.

Zu Ihrer 4. Frage: Zur Ermittlung der Vorzugslösung istnach Auffassung des TMWAI ein Raumordnungsver-fahren, in dem auch die FFH-Verträglichkeit bewertetwerden muss, erforderlich. Die abschließende Entschei-dung liegt erst mit der landesplanerischen Beurteilungnach Abschluss des Verfahrens vor. Und da ergänze ichnoch, Herr Abgeordneter Dittes: Das heißt, wir müsstenerst das Raumordnungsverfahren abschließen, um danneine klare Aussage treffen zu können.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine Nachfrage.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Herr Richwien, ich unterstelle jetzt mal positiv für Sie,dass Sie die Frage 1 deshalb nicht beantwortet haben, umZeit zu sparen und vielleicht auch den entsprechendenUmfang hier nicht darstellen wollen. Würden Sie mir dieschriftliche Beantwortung der Frage 1 zusichern, denn dieFrage, nach welchen Varianten und nach der Bewertungdieser Varianten kann nicht dadurch beantwortet wer-den, dass man die Anzahl benennt und feststellt, dass siesich voneinander unterscheiden.

Richwien, Staatssekretär:

Herr Abgeordneter Dittes, ich bin gehalten, Mündliche An-fragen kurz und prägnant zu beantworten. Ich sage Ihnenaber zu, dass ich die Frage bzw. die Antwort noch etwasuntermauern möchte und werde sie Ihnen dann zuleiten.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Weitere Nachfragen gibt es nicht.

Ich rufe als Nächste die Anfrage des AbgeordnetenGerstenberger, PDS-Fraktion, in der Drucksache 3/3358auf.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Durch die Staatsbauämter zu vergebende Planungsaufträge

Im Auftrag der Landesregierung werden die Staatsbauämterbauvorbereitend, baubegleitend und -ausführend wirksam.

Dazu werden in der Regel fachlich geeignete externe Pla-nungs- und Überwachungskapazitäten eingesetzt.

Ich frage die Landesregierung:

1. In welchem Umfang wurden in den Jahren 2000 und2001 Planungs- sowie Bauleitungs- und Überwachungs-aufgaben (getrennt nach den Staatsbauämtern) für Maß-nahmen notwendig und welcher Anteil wurde davon durchdie Staatsbauämter selbst durchgeführt?

2. In welcher Höhe wurden in den Jahren 2000 und 2001Planungs- sowie Bauleitungs- und Überwachungsaufga-ben (getrennt nach den Staatsbauämtern) an entsprechende,in Thüringen ansässige Büros vergeben?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Staatssekretär Illert.

Illert, Staatssekretär:

Frau Landtagspräsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren Abgeordneten, namens der Landesregierungbeantworte ich die Mündliche Anfrage des AbgeordnetenGerstenberger wie folgt:

Zunächst gestatten Sie mir bitte eine Vorbemerkung: Dieumfangreichen Leistungen, die die Bauverwaltung nebenden beauftragten Architekten und Ingenieuren bei der Er-ledigung von Bauaufgaben des Landes und des Bundes zuerbringen hat, umfassen im Wesentlichen folgende Be-reiche: baufachliche Leistungen nach dem Leistungsbildder HOAI sind vorrangig solche der Planung und Bau-überwachung. Im Bereich der Planung und Bauüberwa-chung erfolgt weit gehend eine Vergabe an freiberuflichtätige Architekten, Ingenieure und Sonderfachleute; hin-gegen werden die Planungsphasen eins, zwei und neun -dies sind im Wesentlichen Grundlagen-, Entwicklungs-und Bestandsdokumentation - von den Staatsbauämternselbst erbracht. Diese Leistungen entsprechen etwa 11 bis20 Prozent der vollen HOAI-Leistungen. Vor allem aberleisten die Staatsbauämter Baumanagementaufgaben mitProjektleitung und Projektsteuerung in Wahrnehmungder Bauherrenfunktion für den Freistaat selbst. Darunterfallen die Auftragsverteilung, die Leistungsabnahme, dieVergütung der Auftragnehmer, die Verfolgung von An-sprüchen sowie die Beratung der Nutzer. Weiterhin wer-

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den auch Amtshilfen für die Ressorts geleistet, etwa beider Betreuung von Baumaßnahmen, die aus Zuwendun-gen oder Investitionshilfen des Landes oder des Bundesfinanziert werden oder der Wertermittlung von Grund-stücken.

Nun zu den Fragen 1 und 2: In der Vergabestatistik derStaatlichen Hochbauverwaltung Thüringens werden Archi-tekten- und Ingenieurverträge einheitlich erfasst; eine Tren-nung nach Planungs-, Überwachungs- und Bauleitungs-aufgaben wird nicht vorgenommen. Es können nur dievon den Bauämtern vergebenen Leistungen summarischbenannt werden. Im Jahr 2000 wurden von den Staats-bauämtern aus dem Bereich der baufachlichen Leistun-gen nach dem Leistungsbild der HOAI Aufträge mit einemGesamtwert von 49,9 Mio. DM an Architekten und Inge-nieure vergeben. Der Anteil der an Thüringer Büros ver-gebenen Leistungen betrug insgesamt 42,7 Mio. DM, dassind 85,6 Prozent. Es verteilt sich auf die drei Staats-bauämter wie folgt: Staatsbauamt Erfurt 23,3 Mio. DM,Staatsbauamt Gera 12,2 Mio. DM, Staatsbauamt Suhl7,2 Mio. DM. Im Jahr 2001 betrug der Gesamtwert dervergebenen Aufträge 44,6 Mio. DM. Davon entfielen aufThüringer Büros 39,3 Mio. DM, gleich 89,5 Prozent, diesich wie folgt auf die Staatsbauämter verteilen: Staats-bauamt Erfurt 15,9 Mio. DM, Staatsbauamt Gera 18,5 Mio.DM, Staatsbauamt Suhl 4,9 Mio. DM.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine Nachfragen. Vielen Dank.

Wir kommen zur nächsten Frage des AbgeordnetenRamelow in Drucksache 3/3362. Bitte schön, Herr Ab-geordneter.

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Einkommenssituation in Thüringen

Obwohl Thüringen zu den Bundesländern mit den nied-rigsten durchschnittlichen Löhnen und Gehältern zählt,wird in der öffentlichen Debatte eine Ausweitung des"Niedriglohnsektors" gefordert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Beschäftigte in Thüringen erzielen Löhne vonweniger als 66 Prozent des Einkommensdurchschnitts desFreistaats, die die EU-Kommission unter Rückgriff aufdie Europäische Sozialcharta als Schwelle für "gerechte"bzw. "angemessene" Löhne ansieht (Zahlen bitte nachVollzeit- und Teilzeitbeschäftigten getrennt sowie ge-schlechtsspezifisch angeben)?

2. Wie viele Vollzeitbeschäftigte in Thüringen erzielenLöhne von weniger als 60 Prozent des Einkommens-durchschnitts des Freistaats, den der Armuts- und Reich-tumsbericht der Bundesregierung als Armutsschwelle an-

nimmt (Zahlen bitte nach Vollzeit- und Teilzeitbeschäf-tigten getrennt sowie geschlechtsspezifisch angeben)?

3. Wie viele Vollzeitbeschäftigte in Thüringen erzielenLöhne von weniger als 50 Prozent des Einkommens-durchschnitts des Freistaats, der in der internationalenForschung als Armutsschwelle gilt (Zahlen bitte nachVollzeit- und Teilzeitbeschäftigten getrennt sowie ge-schlechtsspezifisch angeben)?

4. Wie viele sozialversicherungspflichtig Beschäftigte inThüringen erhalten ergänzende Sozialhilfe (Zahlen bittenach Vollzeit- und Teilzeitbeschäftigten getrennt sowiegeschlechtsspezifisch angeben)?

Danke.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Minister Trautvetter, bitte schön.

Trautvetter, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, namens der Landesregie-rung beantworte ich die Mündliche Anfrage wie folgt:

Die Fragen 1 bis 3 im Zusammenhang: Die amtliche Sta-tistik führt Lohnuntersuchungen im Rahmen der Gehalts-und Lohnstrukturerhebung nur in größeren Abständendurch. Die Daten aus der letzten Strukturuntersuchung1995 liegen jedoch so weit zurück, dass eine aktuelle Dar-stellung der Einkommenssituation im Freistaat im Sinneder Fragestellung nicht gegeben werden kann. Anhalts-punkte zur aktuellen Einkommenssituation der Beschäf-tigten in Thüringen liefert der jährlich durchgeführte Mi-krozensus, der Stichproben von 1 Prozent der Einwohnerumfasst. Die Datenerhebung und Analyse erfolgt nicht inden in der Fragestellung angegebenen Grenzwerten. Des-wegen ist eine Darstellung und eine Analyse der Ergeb-nisse im Sinne der Fragestellung nicht im Rahmen einerBeantwortung einer Mündlichen Anfrage möglich. Ichverweise deshalb auf die Veröffentlichung der amtlichenStatistik.

Zu Frage 4: Am 31.12.2001 gab es nach dem Statisti-schen Bericht "Sozialhilfe in Thüringen" 1.694 erwerbs-tätige Personen, die laufende Hilfe zum Lebensunterhalterhalten haben. Davon waren 1.173 Personen vollzeitbe-schäftigt - 580 Männer, 593 Frauen - und 521 Personenteilzeitbeschäftigt - 151 Männer und 370 Frauen. Demstatistischen Bericht kann jedoch nicht entnommen wer-den, wie viele dieser Personen in sozialversicherungspflich-tigen Beschäftigungsverhältnissen standen.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine Nachfrage. Bitte schön, Herr AbgeordneterRamelow.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7527

Abgeordneter Ramelow, PDS:

Herr Minister Trautvetter, hat die Landesregierung Kennt-nis, wann gegebenenfalls die amtliche Statistik, von derSie eingangs geredet haben, aktualisiert wird?

Trautvetter, Innenminister:

Wir haben im letzten Jahr eine Strukturerhebung durch-geführt, die notwendig ist, damit ich wieder eine Analy-se machen kann und wir schätzen ein, dass eine aktuelleLohnstrukturerhebung in Thüringen bis Ende dieses Jah-res vorliegt.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, Herr Minister.

Wir kommen zur letzten Anfrage für heute, Drucksache3/3335. Bitte, Herr Abgeordneter Müller.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Einstellung der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen imRahmen der Vorgänge um die TSI (Thüringer Straßen-wartungs- und Instandhaltungsgesellschaft mbH)

Ich darf vorausschicken, dass sich die Amtsbezeichnun-gen der Mitglieder der Landesregierung natürlich auf dengestrigen Tag beziehen.

Seitens der Thüringer Staatsanwaltschaft wurden paral-lel zum Untersuchungsausschuss zur TSI GmbH Ermitt-lungen durchgeführt. Zu den jeweils aktuellen Sachstän-den hat die Staatsanwaltschaft bisher keine öffentlicheStellungnahme abgegeben. Mittlerweile wurde bekannt,dass im Rahmen eines Treffens zwischen dem Thürin-ger Ministerpräsidenten, dem Thüringer Minister für Wirt-schaft, Arbeit und Infrastruktur sowie dem Thüringer Jus-tizminister die staatsanwaltschaftlichen Untersuchungenim Rahmen der Vorgänge um die TSI eingestellt werdensollen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Trifft es zu, dass es ein Treffen zwischen dem Minis-terpräsidenten, seinem Wirtschaftsminister und seinemJustizminister gegeben hat, bei dem der derzeitige Sach-stand der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen bespro-chen wurde?

2. Ist es richtig, dass dieses Gespräch mit dem Ziel ge-führt wurde, die staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen imRahmen der Vorgänge um die TSI niederzuschlagen?

3. Ist es richtig, dass es bereits eine Anweisung des Thü-ringer Justizministers an die zuständige Thüringer Staatsan-waltschaft gegeben hat mit der Aufforderung, die Unter-suchungen im Rahmen der Vorgänge um die TSI ein-

zustellen?

4. Trifft es zu, dass die Thüringer Landesregierung Ein-fluss auf die Thüringer Justiz nimmt, da die ThüringerStaatsanwaltschaft auch wegen Versäumnissen der Auf-sichtspflicht bei der TSI gegen zuständige Stellen desLandes ermittelt?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Staatssekretär Koeppen, bitte schön.

Koeppen, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, für die Landesregierung beantworte ich die Anfragevon Dr. Müller wie folgt:

Zu Frage 1: nein.

Zu Frage 2: nein.

Zu Frage 3: nein.

Zu Frage 4: nein.

Anymore fares, please?

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt auch ganz offensichtlich keine Nachfragen. Dankeschön. Wir schließen damit die Fragestunde und ich rufeden Tagesordnungspunkt 10 auf

Thüringer Gesetz zur Vereinheit-lichung des DisziplinarrechtsGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3309 -ERSTE BERATUNG

Wer wird den Gesetzentwurf einbringen? Vielleicht garkeiner? Sie machen es, bitte schön, Herr Staatssekretär.

Koeppen, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Landes-regierung legt Ihnen heute den Entwurf eines ThüringerGesetzes zur Vereinheitlichung des Disziplinarrechts zurBeratung und Beschlussfassung vor. Mit diesem Gesetzsollen das Thüringer Richtergesetz und das Gesetz überden Thüringer Rechnungshof an das geänderte deutscheRichtergesetz angepasst werden und an das ThüringerDisziplinargesetz, versteht sich. Ziel des Gesetzes ist es,für den gesamten Bereich des Thüringer Disziplinarrechtseine einheitliche Terminologie und Systematik zu schaf-fen. Die bisherige Rechtslage bleibt nahezu unverändert.Das Thüringer Disziplinargesetz trat am 28. Juni 2002in Kraft und ersetzt die bis dahin in Thüringen anzu-wendenden Disziplinarordnungen des Bundes und des

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Landes Niedersachsen. Es regelt das Disziplinarverfah-ren gegen Thüringer Beamte und findet auf Richter undStaatsanwälte sowie Mitglieder des Rechnungshofs, dierichterliche Unabhängigkeit genießen, entsprechende An-wendung. Das Thüringer Richtergesetz und das Gesetzüber den Thüringer Rechnungshof enthalten für die letzt-genannten Berufsgruppen ergänzende Vorschriften, dieauf deren besondere rechtliche Stellung folgen.

Das deutsche Richtergesetz wurde geändert. Seine Ter-minologie wurde an das Bundesdisziplinargesetz ange-glichen, das zum gleichen Zeitpunkt in Kraft getretenist. Die Thüringer Gesetze haben die neuen Begriffe zuübernehmen, da das deutsche Richtergesetz Vorschrif-ten enthält, die auf Richter im Landesdienst unmittelbaranzuwenden sind. Die mit dem vorliegenden ThüringerGesetz zur Vereinheitlichung des Disziplinarrechts vor-geschlagenen Änderungen des Thüringer Richtergeset-zes und des Gesetzes über den Thüringer Rechnungshofresultieren in erster Linie aus dem Wegfall des förmli-chen Disziplinarverfahrens. Die Vorschriften, die den Be-griff verwenden oder auf ihm aufbauen, sollen an das nungeltende Verfahrensrecht angeglichen werden. Von denim Thüringer Disziplinargesetz enthaltenen Bestimmun-gen für Beamte wird dabei nur abgewichen, soweit dieunterschiedlichen Dienstverhältnisse dies erfordern.

Des Weiteren wird in § 60 des Thüringer Richtergeset-zes nun ausdrücklich festgehalten, dass in Disziplinar-verfahren gegen Richter nur ein Richter auf Lebenszeitzum Ermittlungsführer bestellt werden darf; im Verfah-ren gegen Staatsanwälte auch ein auf Lebenszeit ernannterStaatsanwalt. Entsprechende Regelungen wurden für diePersonen eingeführt, die bei der Entlassung eines Rich-ters auf Probe oder der zwangsweisen Versetzung einesRichters in den Ruhestand die Ermittlungen zu führenhaben.

In den §§ 66 und 75 sind sprachliche Änderungen bzw.Anpassungen vorgenommen worden. Die einzige wirk-liche Änderung betrifft den § 62 des Thüringer Richter-gesetzes. Diese Vorschrift erlaubt, dass ein Richter nachEinleitung eines förmlichen Disziplinarverfahrens auchgegen seinen Willen an ein anderes Gericht abgeordnetwerden kann. Mit dem Wegfall des förmlichen Diszipli-narverfahrens fällt auch die Grundlage für Abordnungeneines Richters gegen seinen Willen weg. Die Abordnungeines Richters ohne dessen Zustimmung ist damit aus-schließlich in § 37 Abs. 3 des Deutschen Richtergeset-zes geregelt.

Meine Damen und Herren, das Thüringer Richtergesetzschafft einen gerechten Ausgleich zwischen dem Interes-se des Dienstherrn und einer wirksamen Dienstaufsichtund der verfassungsrechtlich gesicherten richterlichenUnabhängigkeit. Das vorliegende Gesetz nimmt eine ge-setzestechnisch erforderliche Anpassung vor und trägt da-für Sorge, dass die bewährten disziplinarrechtlichen Re-gelungen im Thüringer Richtergesetz und im Gesetz über

den Thüringer Rechnungshof in sprachlich einwandfreierund präzisierter Form Anwendung finden. Ich bitte Sie, die-sem Gesetz zuzustimmen. Ich danke Ihnen für Ihre Geduld.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Wir kommen zur Aussprache und ich rufe als erstenAbgeordneten Herrn Abgeordneten Schemmel ans Red-nerpult. Bitte schön, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Schemmel, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, meine HerrenStaatssekretäre, die Anpassung disziplinarrechtlicher Vor-schriften des Thüringer Richtergesetzes ist notwendig.Deshalb wird das Gesetz von uns auch im Grundsatzgetragen werden. Allerdings erscheint die Eins-zu-eins-Übernahme beamtenrechtlicher Regelungen ins Richter-gesetz zum Teil problematisch. Ich will angesichts derSpezifik der Probleme jetzt nicht auf einige Stellen hin-weisen. Ich möchte bloß sagen, dass wir sicherlich imAusschuss zu überprüfen haben, ob nicht an dieser oderjener Stelle, wie gesagt durch die Eins-zu-eins-Über-tragung von beamtenrechtlichen Vorschriften, die richterli-che Unabhängigkeit tangiert werden könnte. Das muss,denke ich, bei diesem Gesetz noch abgeprüft werden undich denke, dass wir bei der Ausschussberatung - wir solltenbeantragen, es an den Justizausschuss zu überweisen -vielleicht eine Anhörung durchführen sollten, damit wirden Richtervertretern die Möglichkeit geben, sich zu die-sem Gesetz zu äußern, um dann wirklich auch für uns ab-gesichert zu haben, dass die richterliche Unabhängigkeitdurch dieses Gesetz - was ich eigentlich voraussetze - aberin keinster Weise tangiert wird. Deswegen bitte ich umÜberweisung an den Justizausschuss und kündige an, dasswir dort eine Anhörung beantragen werden. Danke.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Koch, bitte schön. Sie haben alsNächster das Wort.

Abgeordneter Dr. Koch, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordne-ten, die landesdisziplinarrechtlichen Vorschriften außer-halb des Thüringer Disziplinargesetzes sind mit Letzte-rem nicht kompatibel, weil sie sich in diesem Punkt nochauf die alte Disziplinarordnung beziehen. Also, bei derNotwendigkeit einer Änderung besteht sicherlich Über-einstimmung zwischen Regierung und Opposition. Wirkönnen dem Regierungsentwurf aber nicht folgen, wennes um die Frage geht, wie die Anpassung zu erfolgen hat.Der Regierungsentwurf wählt eine denkbar einfache Lö-sung, das bedeutet aber nicht, dass die einfache Lösungdie unproblematische ist, sondern genau in diesem Punktist es eine problematische. Dieser Regierungsentwurf be-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7529

schränkt sich im Wesentlichen auf eine sprachliche An-passung der disziplinarrechtlichen Vorschriften beim Lan-desrechnungshof, den Richtern und Staatsanwälten. Dasführt beim Disziplinarrecht der Richter und Staatsan-wälte zu einer Änderung, die mit Blick auf das Gebot derrichterlichen Unabhängigkeit derart erheblich ist, dass ichbereits an dieser Stelle, also in der ersten Lesung, meineBedenken äußern muss. Beim Disziplinarrecht der Rich-ter und Staatsanwälte ist sowohl im Bund als auch in denLändern die zentrale Bestimmung ein Verweis auf dasDisziplinarrecht bei den Beamten. Im Thüringer Richter-gesetz ist das der § 16. Danach gelten in Disziplinarsa-chen gegen Richter und Staatsanwälte die Bestimmungendes Disziplinarrechts der Beamten entsprechend. Durch diemit dem vorliegenden Gesetzentwurf beabsichtigte Anpas-sung an das Thüringer Disziplinargesetz vom 21. Juni 2002hat dies folgende einschneidende Konsequenzen, meineDamen und Herren: Bekanntlich war Voraussetzung nachdem alten Disziplinarrecht für den Erlass einer Diszipli-narverfügung oder die Einreichung einer Anschuldigungs-schrift beim Disziplinargericht die Durchführung einesförmlichen Disziplinarverfahrens. Nach der Bundesdis-ziplinarordnung und den Disziplinarordnungen der Län-der befand die Einleitungsbehörde, also der Dienstherr,über die Einleitung eines förmlichen Disziplinarverfah-rens. Abweichend hiervon bestand bei den Richtern undStaatsanwälten die Besonderheit, dass das Dienstgerichtauf Antrag des Justizministers über die Einleitung desförmlichen Disziplinarverfahrens entschied. Entsprechendentschied das Dienstgericht auch über die Einstellung desförmlichen Disziplinarverfahrens. Der Grund für dieseabweichende Regelung bestand darin, die Richter vor un-gerechtfertigten Eingriffen der Exekutive in ihrer durchrichterliche Unabhängigkeit gekennzeichnete Rechtsstel-lung zu schützen. Dieses durch die Gewaltenteilung be-gründete und in der Weimarer Republik praktizierte Dis-ziplinarrecht bei den Richtern und Staatsanwälten wurdebereits einmal, nämlich im Jahr 1937, abgeschafft. Nachder NS-Diktatur wurde mit Blick auf die richterliche Un-abhängigkeit die Notwendigkeit gesehen, die Zuständig-keit des Disziplinargerichts bei der Einleitung des förm-lichen Disziplinarverfahrens erneut einzuführen. Mit derReform des Bundesdisziplinarrechts, die der ThüringerGesetzgeber im Wesentlichen mit dem Thüringer Diszi-plinargesetz übernommen hat, entfällt nunmehr für dieBeamten das förmliche Disziplinarverfahren. Würde dervorliegende Gesetzentwurf unverändert in Kraft treten, soentfiele auch für die Richter und Staatsanwälte in Thü-ringen das förmliche Disziplinarverfahren. Damit entfie-le gleichzeitig auch der Schutz vor Eingriffen des Justiz-ministeriums in die Rechtsstellung der Richter, der mitPrüfung durch das Disziplinargericht, ob ein förmlichesDisziplinarverfahren einzuleiten ist, gewährleistet war.Im Übrigen ist auch die Entscheidung des Disziplinar-gerichts über die Einstellung disziplinarrechtlicher Er-mittlungen nicht ohne Belang. Nicht nur, weil häufig einInteresse des betroffenen Richters oder Staatsanwalts aneiner Selbstreinigung besteht, wenn ihm zu Unrecht einDienstvergehen angelastet wird. Es ist mitunter auch im

Interesse des Ansehens der Justiz geboten, dass diszi-plinarrechtliche Ermittlungen fortgeführt werden, um denVerdacht für das Vorliegen eines Dienstvergehens aus-zuräumen.

Meine Damen und Herren, erwähnen möchte ich nochden weisungsabhängigen Ermittlungsführer, der mit derbeabsichtigten Anpassung an das Disziplinarrecht derBeamten den bisherigen unabhängigen und weisungsfreienUntersuchungsführer ersetzen würde. Auch diese Ände-rung scheint mir mit Blick auf die richterliche Unab-hängigkeit bedenklich und deren Revision bedenkenswertzu sein. Aus meiner Sicht spricht mit Blick auf die Ge-waltenteilung einiges dafür, abweichend von der Rechts-lage bei den Beamten, bei Richtern und Staatsanwältendas förmliche Disziplinarverfahren mit Zuständigkeit desDienstgerichts für dessen Einleitung und Einstellung imRichtergesetz zu regeln bzw. beizubehalten.

Meine Damen und Herren, der vorliegende Gesetzent-wurf ist offenkundig nicht so harmlos, wie es auf denersten Blick erscheint. Es besteht Diskussionsbedarf. EineAnhörung der betroffenen Richter und Staatsanwälte imJustizausschuss halte ich für unverzichtbar. Ich beantra-ge daher auch namens meiner Fraktion die Überweisungan den Justizausschuss. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Wolf, bitte schön.

Abgeordneter B. Wolf, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten,auch ich werde - das gleich vorweg - nachher die Über-weisung an den Justizausschuss beantragen, so dass wiruns da fraktionsübergreifend sicherlich einig sind.

Es gab in der Vergangenheit zwei Gesetzgebungsakte, diesich sowohl auf das Thüringer Richtergesetz als auchauf das Thüringer Rechnungshofgesetz auswirken. So istmit Wirkung vom 01.01.2002 nach dem entsprechendenBeschluss des Deutschen Bundestags das Deutsche Richter-gesetz geändert worden und wir alle haben das Thürin-ger Disziplinargesetz beschlossen, das dann zum 28.06.in Kraft getreten ist. Beides wirkt sich auf das ThüringerRichtergesetz und auf das Thüringer Rechnungshofgesetzaus. Diese beiden Gesetze stimmen nun nicht mehr mitdem geltenden Recht überein.

Vieles, was zu dem Gesetzentwurf als Änderungsvorschlä-ge oder Änderungsanträge vorgelegt wird, sind redaktionel-le Änderungen, aber einiges geht auch darüber hinaus. Soin Nummer 4 § 60 betreffend: Hier findet das am 28.06.durch uns verabschiedete Thüringer Disziplinarrecht sei-nen Eingang in die Gesetze. Berücksichtigt wird dabeiauch die besondere Stellung von Richtern und Staatsanwäl-

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7530 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

ten. Ob das ausreichend ist, wird dann sicherlich die Bera-tung im Ausschuss noch zeigen. In Nummer 5 in § 61wird aus dem verwendeten Begriff "Kürzung der Dienst-bezüge" als Disziplinarmaßnahme eine "Gehaltskürzung"im Text. Der Ausdruck "Versetzung" wird für die For-mulierung "Versetzung in ein Amt derselben Laufbahnmit geringeren Endgrundgehalt" eingeführt. Oder in derNummer 7 - vorhin ist schon mehrfach vorgetragen wor-den, dass das förmliche Disziplinarverfahren nicht mehrexistiert, es ist weggefallen aufgrund der gesetzlichen Än-derungen und damit ist auch keine Einleitungsbehördemehr für dieses Verfahren notwendig. Dies führt dann auchzu den entsprechenden Änderungen in § 63.

Wer sich den Gesetzestext genau durchsieht, wird fest-stellen, dass das Disziplinarrecht des öffentlichen Diensteseben kein Strafrecht für die in der Verwaltung Tätigenoder Richter oder Mitglieder des Rechnungshofs ist, son-dern es ist jetzt eigentlich mehr Verwaltungsrecht und auchdaraus resultieren viele der Änderungen, die vorgesehensind. Wer sich den Gesetzestext zur Hand nimmt, wirdfeststellen, dass in der Begründung sowohl in Teil A alsauch in Teil B sehr ausführlich die einzelnen Änderun-gen des Gesetzentwurfs begründet werden, da kann ichmir das jetzt hier an dieser Stelle ersparen. Wen es inte-ressiert - und das sind sicherlich nicht so sehr viele, wennich mir den Raum hier ansehe -, der kann sich das allesnoch mal genau durchlesen. Aber ich möchte nicht ver-gessen die Überweisung an den Justizausschuss zu be-antragen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Mir liegen zu diesem Tagesordnungspunkt nun keineweiteren Wortmeldungen mehr vor und wir kommenzur Abstimmung über die von allen drei Fraktionen be-antragte Ausschussüberweisung. Wer der Überweisung derDrucksache 3/3309 an den Justizausschuss zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. Das ist einmütig, vielenDank. Dann schließen wir den Tagesordnungspunkt 10 ab.

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 11 auf

Thüringer Gesetz zur Auflösungdes Autobahnamtes und zur Än-derung straßen- und straßenver-kehrsrechtlicher VorschriftenGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 3/3343 -ERSTE BERATUNG

und Herr Staatssekretär Richwien wird den Gesetzent-wurf einbringen. Bitte schön, Herr Staatssekretär.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Da-men und Herren Abgeordneten, der vorliegende Gesetz-entwurf dient der Eingliederung des Autobahnamts indas Landesamt für Straßenbau. Durch den Neubau undAusbau der Bundesautobahnen in Thüringen erweitert sichdas Autobahnnetz von derzeit ca. 300 Kilometer auf künftigüber 500 Kilometer. In diesem Zusammenhang bestehtdie Notwendigkeit, die Autobahnverwaltung auch per-sonell angemessen auszustatten. Der verstärkte und zeit-lich befristete Einsatz der Deutsche Einheit Fernstraßen-planungs- und Bau GmbH, kurz gesagt die DEGES, fürAus- und Neubauaufgaben entlastet die Autobahnverwal-tung zwar von Vorbereitungs- und Bauaufgaben, die dau-ernden hoheitlichen Verwaltungs- und Unterhaltungsauf-gaben, die mit der Fertigstellung der neuen Autobahnenweiter zunehmen werden, müssen aber von der Autobahn-verwaltung wahrgenommen werden. Durch die Nutzungvorhandener Synergien und die verstärkte Hilfe der DEGESsoll die Voraussetzung dafür geschaffen werden, dass diekünftigen Aufgaben pflichtgemäß erfüllt werden können.Bei der Zusammenführung des Landesamts für Straßen-bau und dem Autobahnamt steht daher die Freisetzungvon Kapazitäten zur Übernahme der neuen Aufgaben imVordergrund. Die Eingliederung des Autobahnamts in dasLandesamt für Straßenbau führt zu einer weiteren Straf-fung der Straßenbaubehörden, die mit der Bildung dervier Straßenbauämter eingeleitet wurde. Die Sonderstel-lung der Autobahnen im Straßennetz, ihre besondere ver-kehrs- und landespolitische Bedeutung rechtfertigen es,die Autobahnbehörde in die Mittelbehörde einzugliedern.Mit der Eingliederung wird der Autobahnbau künftig demfür Verkehr zuständigen Minister ohne Zwischenschal-tung einer weiteren Behörde direkt unterstellt. Zur Um-setzung dieses Vorhabens ist es erforderlich, das Auto-bahnamt aufzulösen und das Thüringer Straßengesetz so-wie die Verordnung über die Zuständigkeiten entspre-chend zu ändern. Durch den Gesetzentwurf soll darüberhinaus dem Landesamt für Straßenbau die Zuständigkeitder Verkehrsbehörde für Autobahnen übertragen werden,die derzeit beim Ministerium liegt. Die Verkehrsbehördetrifft beispielsweise alle verkehrsbehördlichen Anordnun-gen, also Maßnahmen zur Regelung und Lenkung des Ver-kehrs durch Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungenund ist verantwortlich für die Durchführung von Ver-kehrsschauen.

Es handelt sich insoweit um reine Verwaltungsaufga-ben, die von der Mittelbehörde wahrgenommen werdenkönnen. Gleichzeitig wird eine Bündelung der Zustän-digkeit für die Bundesautobahnen bei einer Behörde er-reicht. Die Wahrnehmung von Vollzugsaufgaben durchdas Landesamt für Straßenbau soll darüber hinaus dazubeitragen, der Mittelbehörde erworbene Erfahrungen imStraßenbau sowie der Unterhaltung und Verwaltung desAnlagevermögens zu erhalten. Daneben wird durch denGesetzentwurf im Thüringer Straßengesetz eine Verord-nungsermächtigung eingeführt, um die Zuständigkeit des

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7531

Ministeriums entsprechend der künftigen Entwicklungsachgerecht und schnell anpassen zu können. Schließ-lich werden Behördenbezeichnungen im Straßengesetzaktualisiert. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Wir kommen zur Aussprache. Ich bitte als ersten Red-ner Herrn Abgeordneten Lippmann ans Rednerpult.

Abgeordneter Lippmann, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, machen wir es kurz und schmerzlos. Wie der HerrStaatssekretär gesagt hat, verlängert sich unser Auto-bahnnetz, das ist klar. Es wird ein Aufgabenmehrbedarfentstehen. Das Ziel ist nicht nur eine Straffung der Be-hörden, sondern auch eine Bündelung vorzunehmen, dieeine effizientere Bearbeitung der anstehenden Aufgabenermöglichen soll. Da ich immer ein Freund von geord-neten Abläufen bin, sage ich erstens, die Bündelung hältdie SPD-Fraktion für gerechtfertigt; zweitens, ein Perso-nalmehrbedarf darf nicht entstehen. Ich glaube, das istbei Ihnen auch angeklungen, wir hätten es sogar lieber,wenn ein Personalminderbedarf entstünde, aber da wageich keine Aussage zu machen. Drittens, wenn diese Um-strukturierung dieses Ziel erreicht, ohne dass die Quali-tät der Arbeit des Autobahnamts leidet, das ja dann eineAbteilung im Landesstraßenbau ist, dann ist das gut undrichtig so. Die Einzelheiten sollten wir im Ausschuss fürWirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik klären. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD; Abg. Vopel, CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Kallenbach, bitte schön.

Abgeordneter Kallenbach, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,laut Grundgesetz Artikel 90 Abs. 1 ist der Bund Eigen-tümer und Baulastträger für die Bundesfernstraßen unddamit auch für die Bundesautobahnen. Das Bundesver-kehrsministerium ist die oberste Straßenbaubehörde fürdie Bundesfernstraßen, aber die Länder sind im Rahmender Auftragsverwaltung zuständig für die Vorbereitungund Durchführung von Investitionen auf diesen Straßenund eben auch für die Unterhaltung und Verwaltung dieserStraßen. Wie sie das organisieren und wie sie das struk-turieren, das ist der Länderhoheit überlassen. Wir hatten,bevor das Autobahnbauprogramm begann, 250 KilometerAutobahnen in Thüringen, im Moment sind es, der Staats-sekretär hat es gesagt, 299 Kilometer und in wenigen Jahrenin der Endausbaustufe werden es 527 Kilometer Autobahnin Thüringen sein. Das ist, glaube ich, die größte Steigerungvon allen Bundesländern, die überhaupt zu verzeichnen

sein wird.

(Beifall bei der CDU)

Dazu braucht man eine effiziente Verwaltungsstrukturund die wird damit erreicht. Die Aufgaben fallen alsonicht weg, sie werden zwar weniger bezüglich des Bausund des Ausbaus, aber bezüglich der Verwaltung werdensie natürlich nicht weniger, sondern werden mehr. Dazubraucht man eine straffe Organisation und mit der Inte-gration des Autobahnamts in das Landesamt für Straßen-bau ergeben sich Synergieeffekte. Kollege Lippmann, eswerden also letztlich Stellen eingespart, oder besser ge-sagt, es ergeben sich Synergien, weil man bestimmte Berei-che dann nicht mehr zweimal vorhalten muss. Das ist derBereich, wo letztlich Kosten gesenkt werden. Daraufkommt es an.

Ich möchte an der Stelle auch einmal sagen, die ganzeStraßenbauverwaltung in Thüringen hat in den letztenJahren erheblich Kosten eingespart. Durch die Privatisie-rung der TSI, also der Unterhaltungsarbeiten, und durchdie Reduzierung auf vier Straßenbauämter sind also er-heblich Kosten eingespart und damit das Landessäckel ent-lastet worden. Ich denke, das ist ein sinnvolles Gesetzes-vorhaben. Ich beantrage namens meiner Fraktion dieÜberweisung an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Buse, bitte schön, Sie haben das Wort.

Abgeordneter Buse, PDS:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrte Damen und Herren,uns liegt ja bekanntlich ein Gesetzentwurf zur ersten Be-ratung vor, der, wenn ich es einmal kurz sagen darf, nebenden inhaltlichen Aufgaben die Zusammenlegung zweierBehörden zum Inhalt hat. Herr Staatssekretär Richwienhat dazu seitens der Landesregierung auch noch einmaldie Begründung hier gegeben. Es wurden ja schon in derbisherigen Diskussion Effekte, Zielrichtungen dargelegt.Die Eingliederung des Autobahnamts in das Landesamtfür Straßenbau wird - davon sind auch wir überzeugt - eineweitere Straffung der Straßenbehörden nach sich ziehenund vorhandene Synergien nutzen. Da stimme ich Ihnenja auch zu, Herr Kallenbach. Somit ist es durchaus einSchritt in Richtung Straffung von Verwaltungstätigkeit,und bei diesem Schritt zeigt sich auch, dass mit der Bün-delung von Behörden eine Aufgabenbewertung vorge-nommen wird. Ich glaube, dies ist auch bedeutsam hin-sichtlich einer möglichen Neuordnung künftiger Zustän-digkeiten von Aufgaben auf diesem Gebiet. Die bisheri-ge Beratung des Entwurfs in unserer Fraktion und Ge-spräche mit Betroffenen haben bisher bei mir keine Zweifeldaran aufkommen lassen, dass die künftigen Aufgaben

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durch die Zusammenlegung der beiden Ämter nicht pflicht-gemäß wahrgenommen werden. Wir sehen auch, dassdie Zusammenführung der Kapazität der beiden Behör-den die Realisierung weiterer Aufgaben im gleichen Per-sonalbestand möglich machen wird. Das wird übrigensauch von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Be-hörden bestätigt, deren Mitwirkung am vorliegenden Ge-setzentwurf, wenn meine Informationen stimmen, vor-bildlich gestaltet wurde. Somit hat für meine Begriffe die-ser Gesetzentwurf bereits jetzt schon eine zustimmungs-fähige Qualität, aber wir werden uns natürlich der bean-tragten Diskussion im Wirtschaftsausschuss nicht ver-weigern. Unabhängig davon bin ich der Auffassung, dassmöglicherweise, wie ich eingangs bereits darlegte, dieweitere Beratung dieses Gesetzentwurfs oder aber auchweiterer zu erwartender straßen- und straßenverkehrs-rechtlicher Vorschriften und Verordnungen künftig nochstärker unter dem Aspekt der Funktional- und Verwal-tungsreform zu führen sind. Stichworte seien hier nurgenannt: Umwidmung, Straßenbaulastveränderung etc. Indiesem Sinne würden wir dann der Diskussion des Ge-setzes im Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Struktur-politik entgegensehen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Weitere Wortmeldungen gibt es nicht. Ich schließe dieAussprache und wir kommen zur Abstimmung über dieAusschussüberweisung. Wer der Überweisung der Druck-sache 3/3343 an den Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit undStrukturpolitik zustimmen will, den bitte ich um das Hand-zeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Diese Über-weisung ist einstimmig erfolgt. Ich schließe den Tages-ordnungspunkt 11.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 12 in seinen Teilen

a) Durch Deregulierung und Ent-bürokratisierung die Attraktivitätdes Standorts Thüringen stärkenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache 3/3159 -dazu: Beschlussempfehlung des Aus-

schusses für Wirtschaft, Arbeitund Strukturpolitik- Drucksache 3/3330 -

b) Verbesserung der Qualitätdes Wirtschaftsstandorts Thü-ringen durch Abschaffung vonVerwaltungshemmnissen undUmsetzung von Deregulierungs-maßnahmen auf Bundes- undLandesebeneAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3162 -

dazu: Beschlussempfehlung desAusschusses für Wirtschaft,Arbeit und Strukturpolitik- Drucksache 3/3331 -

Berichterstatter ist Herr Abgeordneter Heym. Ich bitteSie, Herr Abgeordneter Heym, die Berichterstattungenvorzunehmen.

Abgeordneter Heym, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich möchteIhnen die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirt-schaft, Arbeit und Strukturpolitik zu den Anträgen "DurchDeregulierung und Entbürokratisierung die Attraktivitätdes Standorts Thüringen stärken", das ist der Antrag derFraktion der CDU in Drucksache 3/3159, und "Verbes-serung der Qualität des Wirtschaftsstandorts Thüringendurch Abschaffung von Verwaltungshemmnissen und Um-setzung von Deregulierungsmaßnahmen auf Bundes- undLandesebene", das war der Antrag der Fraktion der SPDin Drucksache 3/3162, geben. Mit Beschluss des Thürin-ger Landtags vom 7. März 2003 ist nach gemeinsamerAussprache der Antrag der Fraktion der CDU mit denNummern 1, 2, 4 und 5, der Antrag der Fraktion der SPD anden Ausschuss für Wirtschaft, Arbeit und Strukturpoli-tik überwiesen worden, nachdem die Landesregierung zuPunkt 3 des CDU-Antrags einen Sofortbericht gegebenhatte. In seiner 36. Sitzung am 15. Mai hat der Ausschussfür Wirtschaft, Arbeit und Strukturpolitik beide Anträge ge-meinsam beraten. Der Ausschuss empfiehlt in der Ihnenvorliegenden Drucksache 3/3330 die Annahme des Antragsder Fraktion der CDU mit Änderungen und in Drucksache3/3331 die Ablehnung des Antrags der Fraktion der SPD.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

So, wir beginnen die Aussprache mit Ihnen, Herr Staats-sekretär Richwien. Bitte schön.

Richwien, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren, in der Sitzung des Ausschusses für Wirt-schaft, Arbeit und Strukturpolitik am 15. Mai im Jahr 2003wurde die Beschlussempfehlung für die heutige Plenar-sitzung abgestimmt, die Landesregierung zu bitten, imIV. Quartal 2003 im Landtag zum Themenkomplex De-regulierung zu berichten. Unabhängig davon möchte dieLandesregierung in Ergänzung zu den Ausführungen imPlenum am 7. März 2003 heute über den aktuellen Standinformieren.

Im Rahmen der Organisation des Verwaltungsmoderni-sierungsprozesses wurde der Beirat "Moderne Verwal-tung" eingerichtet. Er besteht aus Repräsentanten der Wirt-schafts- und Interessenverbände sowie der Gewerkschaf-

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ten und unterstützt durch seine Beiträge und die Diskus-sion der ihm vorgelegten Projekte die Landesregierungbei der Erarbeitung von Vorhaben der Verwaltungsre-form. Durch den Beirat wird zugleich die zuständige In-formation der Interessenverbände und der Wirtschaft überdie Entwicklung des Verwaltungsreformprozesses im Frei-staat Thüringen gewährleistet und dessen Mitgliedern dieMöglichkeit eingeräumt, eigene Vorschläge zur Verwal-tungsreform im Freistaat Thüringen einzubringen.

Nachdem der Beirat bereits 2002 zu einer grundlegen-den Sitzung einberufen wurde, hat unter Vorsitz des In-nenministers am 25.03.2003 die letzte Beiratssitzung statt-gefunden. Die unabhängige Stabsstelle Verwaltungsver-einfachung/Entbürokratisierung hat ihre Arbeit fortge-setzt. Sie ist mit vier Juristen aus unterschiedlichen Res-sorts besetzt. Als Leiter hat Herr Dr. Vogel den ehema-ligen Präsidenten der VG Gera, Herrn Detlef Böttger,bestellt. Wissenschaftlich begleitet wird die Stabsstellevon Prof. Dr. Böhret von der Deutschen Hochschule fürVerwaltungswissenschaften in Speyer. Wir haben die Bun-desratsiniativen zum Verkehrswegeplanungs- und -be-schleunigungsgesetz zur Beschränkung der Verbandsklageauf den Weg gebracht, meine Damen und Herren. DerBundesrat hat unseren Vorschlägen bereits zugestimmt.Jetzt liegt es am Deutschen Bundestag konstruktive Re-formvorhaben auch zu erkennen.

Das Thüringer Innenministerium hat dem Landtag den Ent-wurf der modernisierten Thüringer Bauordnung zugelei-tet. Sie wird das Bauen preisgünstiger machen und die Ver-fahren beschleunigen. Die Tageszeitungen berichteten be-reits über die Genehmigungsfiktion im vereinfachten Ver-fahren. Die Thüringer Landesregierung hat unter Feder-führung des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft, Ar-beit und Infrastruktur Forderungen und Vorschläge vonVerbänden und Unternehmen zur Deregulierung zusam-mengetragen. Der hierbei entstandene umfangreiche Ka-talog wird nun von den Ressorts bis zur Jahresmitte be-wertet. Eine Reihe der erhobenen Forderungen wurde be-reits aufgegriffen. Beim Thüringer Wirtschaftsministeriumwurde eine Anlaufstelle zum Abbau bürokratischer Hemm-nisse eingerichtet. Aufgabe dieser Stelle ist es, Anregun-gen und Forderungen der Wirtschaft zu sammeln und andie zuständigen Stellen weiterzuleiten. Sie soll zugleichKommunikationspartner für die Wirtschaft zu Fragen derDeregulierung sein. Damit wurde einer Forderung derWirtschaft Rechnung getragen, einen konkreten Ansprech-partner in einem Ministerium für die Frage der Deregu-lierung auf dem Gebiet des Wirtschaftsrechts zu haben.Das erste Gespräch mit Kammern und Verbänden hier-zu hat am 22. Mai 2003 stattgefunden. Die Landesregie-rung hat Arbeitshilfen zur Gesetzesfolgen- und Kosten-folgenabschätzung erarbeitet. Diese wurden bereits zumTeil den Ressorts als Arbeitsgrundlage zur Verfügung ge-stellt. Sie sollen bei der Erprobung der Gesetzesfolgen-abschätzung anhand eines noch auszuwählenden Rege-lungsvorhabens mit großer Wirkungsbreite erste Anwen-dung finden. Zukünftig sind alle Gesetzentwürfe, Rechts-

verordnungen und Verwaltungsvorschriften in der Regelzeitlich zu befristen, das heißt fünf Jahre. Nur ausnahms-weise sollen sie unbefristet gelten. Zur Verbesserung desVerfahrens bei der Erarbeitung von Gesetzen und Ver-ordnungen wurde der bestehende Prüffragenkatalog fürThüringer Rechtsvorschriften mit dem Ziel überarbeitet,Gesetzesfolgen stärker bei der Konzeption und der Be-gründung von Vorschriften abzuwägen. Über diese, spe-ziell auf die Belange der Wirtschaft abzielenden Maßnah-men hat der Thüringer Innenminister den WettbewerbNormcheck ins Leben gerufen und am 19. Mai 2003 of-fiziell vorgestellt. Dabei sind alle Normadressaten, alsoBürger, Kommunen und Wirtschaftsunternehmen des Frei-staats Thüringen aufgerufen überzogene, überflüssige oderwidersprüchliche Vorschriften, durch die sie sich in un-berechtigter Weise eingeschränkt sehen, zu melden. Fürdie besten Einsendungen werden Geld- und Sachpreise,meine sehr geehrten Damen und Herren, vergeben. DerWettbewerb wurde im Rahmen der Sitzung des Beiratsmoderne Verwaltung am 25. März vom Innenminister denzu beteiligenden Interessenvertretungen vorgestellt. Am19. Mai 2003 wurde der Ausschreibungstext des Wett-bewerbs im Thüringer Staatsanzeiger veröffentlicht. DiePreisverleihung ist für das IV. Quartal 2003 vorgesehen.

Meine Damen und Herren, es stellt sich die Frage: Wiesehen weitere, speziell auf die Wirtschaft zugeschnitteneSchritte aus? Wir haben die Vorschläge und Anregungenvon Unternehmen und Verbänden, die uns bislang vor-lagen, gebündelt. Die Ressorts werden diese Themen be-werten. Ich will hier nur einige nennen. So wird der täg-liche Verwaltungsaufwand, wie er mit Statistiken und mitdem Umgang mit Behörden entsteht, kritisiert. Das Grosder Anregungen bezieht sich jedoch auf das Bundesrecht.Breiten Raum nimmt die Diskussion um das Arbeitsrechtein, meine Damen und Herren. Generell wird Flexibili-sierung, insbesondere auf der Betriebsebene, verlangt. DasSteuerrecht soll vereinfacht werden, es ist nicht nur dervordergründige Wunsch nach weniger Steuern, es ist ins-besondere der Wunsch nach Besteuerungsverfahren, wel-che für die Wirtschaft weniger belastend sind. Gefordertwird in Sonderheit die Abschaffung der Ökosteuer unddes Dosenpfandes.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zu diesem The-ma Folgendes zusammenfassen: Deregulierung und Ent-bürokratisierung sind eine ständige Aufgabe und ein Pro-zess. Diese Aufgabe jetzt anzugehen, tut besonders Not.Sie ist aber nicht nur mit einem einzigen großen und schnel-len Schnitt zu bewältigen. Deregulierung und Entbüro-kratisierung ist ein Prozess, der viele kleine Schritte er-fordert, bis hin zum Umdenken bei allen Handelndenund Betroffenen. Wichtig ist hierbei, dass wir die Schritteerkennen, die wir gehen müssen und es von besondererBedeutung ist, dass wir sie sehr schnell gehen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

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Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Gerstenberger, bitte schön, Sie habendas Wort.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die Ver-waltung hat sich perfektioniert und sie hat sich auch ein-gerichtet und das Verwaltungshandeln wird durch recht-liche Vorschriften und eine immer engere Handhabungdes Ermessensspielraums bestimmt. Ergebnis des Gan-zen ist, wie es auch im Text der beiden Anträge deutlichwird, dass der Wirtschaftsstandort Thüringen einer drin-genden Stärkung durch Deregulierung und Entbürokra-tisierung bedarf. Nun können wir trefflich streiten, obeine Entbürokratisierungskommission bei der Staatskanz-lei den Status quo minus bei den Regelungen erreicht unddamit den Standort Thüringen stärkt, oder ob eine langeüberfällige Verwaltungsreform, wie vom Staatssekretärja auch mehr oder weniger versteckt im Satz angedeutet,den Durchbruch bringen wird.

Meine Damen und Herren, was uns als PDS-Fraktionallerdings an beiden Anträgen stört, ist ihre Anonymitätbei den Zielen in den Beschlusspunkten 1 bis 4 des CDU-Antrags sowie 1 bis 8 im SPD-Antrag. Wollen wir eineDeregulierung um ihrer selbst willen? Wollen wir Zah-lenspiele, etwa so, dass von über 2.000 Verordnungenund Vorschriften mehr als 10 Prozent ab 01.01.2004 nichtmehr gültig sind? Ich meine, wir brauchen auch Deregu-lierung und Abbau von Verwaltungshemmnissen, um dieSituation im Wirtschaftswachstum zu verbessern, die Ar-beitslosigkeit zu bekämpfen, Wirkung gegen Insolvenz-entwicklungen zu entfalten und insgesamt ein unterneh-merfreundlicheres Klima zu schaffen. Das war ja auch,wenn ich daran erinnern darf, der Ausgangspunkt der Ini-tiative der IHK und ihres Dachverbands. Nicht Aktionschlechthin also, sondern ergebnisorientiertes Handeln.

Uns geht es um eine Verbesserung der Dienstleistungs-funktion des Staates. Dazu ist Verkürzung und Verein-fachung von Genehmigungsverfahren, Antrags-, Bewil-ligungs- und Zulassungsverfahren notwendig, um Erhö-hung der Transparenz staatlicher Verwaltungsakte undum unternehmerfreundlichen Zugang zu Leistungen öf-fentlicher Einrichtungen zu erreichen. Uns geht es um denAbbau bürokratischer Belastungen für Bürgerinnen undBürger, Unternehmen und Handwerker. Nicht der Weg,meine Damen und Herren, Prüfung und Sortierung vonVorschriften und Regelungen, sondern das Ziel, Verein-fachung von Regelungen und Verbesserung in ihrer Hand-habung sind für uns das Maß dieser Maßnahmen.

(Beifall bei der PDS)

Insofern, meine Damen und Herren, ist es schon sehr be-dauerlich, dass die Mehrheit der Abgeordneten sich fürso klug hält, dass eine Anhörung zu diesem Komplex mit

der Zielstellung der Schwerpunktsetzung für die Abschaf-fung der die wirtschaftliche Entwicklung hemmenden Re-gelungen abgelehnt wurde. Wer sind wir denn eigentlich?Wer von uns ist in seiner täglichen Arbeit im Ringen umseine Existenz im gleichen Maße wie die Unternehmer,Handwerker und Gewerbetreibenden nicht schon mit denüberbordeten bürokratischen Regelungen konfrontiert wor-den? Ich sage Ihnen, die eine derartige Anhörung abge-lehnt haben, haben sich in einen Elfenbeinturm zurück-gezogen und betreiben Elfenbeinturmpolitik. Sie fühlensich allwissend und haben die Verbindung zu denenverloren, die täglich mit

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Siewaren nicht mal da und reden dummesZeug!)

der Bürokratie und ihren Regelungen zu ringen haben.Zu diesen bürokratischen Regelungen gehört es auch nachIhrem Verständnis, dass man immer da sein muss, um zuerfahren und zu wissen was in den Ausschüssen beredetwurde. Sie können davon ausgehen, Herr Kretschmer,dass meine Beziehung zu den Abgeordneten des Wirt-schaftsausschusses so gut funktioniert, dass ich zumin-dest über die Diskussionen die von Ihrer Seite geführtwurden, ausreichend und umfassend in diesem Zusam-menhang informiert wurde.

(Zwischenruf Abg. Vopel, CDU: Aberanscheinend falsch!)

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Siehaben ein Berichtswesen wie früher in derDDR!)

Nein wir haben kein Berichtswesen, wir haben eine ver-nünftige Umgangsform, weil es uns um die Sache gehtund nicht um die Anwesenheitsnachweise. Wenn wir,meine Damen und Herren, den Wirtschaftsstandort Thü-ringen wirklich stärken wollen, hätten wir das externeWissen um die Hemmnisse der direkt Betroffenen im Aus-schuss in einer Anhörung aufgreifen können.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU)

Herr Kretschmer, Sie werden lästig.

Meine Damen und Herren, es ist doch so, dass nach Endedes ersten Jahrzehnts der Vereinigung der Aufholprozessnicht nur an Dynamik verloren hat, sondern sich der Ab-stand zwischen Ost und West vergrößert. Es hat sich dochals Irrglaube erwiesen, dass erfolgreiche Standorte dieStandorte mit Niedriglohnniveau sind. Und es hat sichbewiesen, dass wachsende wirtschaftliche Entwicklungimmer das Ergebnis politisch gestalteter, gesellschaftlichgewollter, innovativer Bündnisse war. Die Gesellschaft,die Bürgerinnen und Bürger, Unternehmer, Handwerker

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7535

und Gewerbetreibende wollen Veränderungen. Es ist alsoan uns, die politischen Voraussetzungen für eine Allianzfür Arbeitsplätze, Ansiedlungen und Aufträge zu schmie-den. Es ist also an uns, nicht nur Initiativen der Landes-regierung zu begrüßen, sondern das Ziel zu formulieren,dass die Deregulierungsmaßnahmen zu erfüllen habenund auf modernes Verwaltungshandeln, das die wirtschaft-liche Entwicklung unterstützt, zu orientieren. Dabei geht esdarum, Antragsteller wo nur möglich von Genehmigungs-und Nachweispflichten zu entlasten, Gründungsdynamikund wirtschaftliche Stabilisierung zu erreichen. Eine ver-besserte Koordinierung zwischen Wirtschafts-, Arbeits-markt, Technologie, Wissenschafts- und Forschungpoli-tik zu erreichen, auch bei den Förderprogrammen und denzu schaffenden Rahmenbedingungen. Und es geht um Ent-lastung der Unternehmen und Selbstständigen, aber auchder Bürgerinnen und Bürger von Gebühren und Beiträgen.

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Wen-den Sie sich nach Berlin und sagen Sie esdenen.)

Nur mit solchen Zielen, nicht nur durch bloße Überprü-fung der Außerkraftsetzung von Regelungen stärken wirden Standort Thüringen, machen wir Thüringen zu einemInnovationsprojekt Ost. Nicht Deregulierungs- oder Son-derwirtschaftszonen a la Gilo, sondern eine Innovations-zone Thüringen ist notwendig und erforderlich.

Meine Damen und Herren, beide hier zur Diskussionstehenden Anträge sowie die Beschlussempfehlung sindder Anfangspunkt notwendiger Maßnahmen, der nun schonzum zweiten Mal gegebene Bericht der Landesregierungnur eine Zwischenetappe. Mit der vom Ausschuss vor-geschlagenen Ergänzung zur Berichterstattung über Er-gebnisse der Überprüfung wird uns die Möglichkeit ge-geben zu bewerten, wie die von mir genannten inhaltli-chen Zielstellungen damit erfüllbar waren bzw. erfüllbarwerden zu prüfen, ob zielorientierte Erarbeitung von De-regulierungsvorschlägen erfolgte. Hoffen wir es im Inte-resse der Arbeit Suchenden und des Freistaats Thürin-gen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Kretschmer, Sie haben das Wort. Bitteschön.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Gersten-berger, Sie müssen mich auch weiter ertragen, selbst wennIhnen das lästig ist.

(Zwischenruf Abg. Gerstenberger, PDS: Ja,ja, aber nicht mit Ihren permanenten Zwi-schenrufen.)

Ja, ja, gut.

Ich war mir in der Landtagssitzung am 7. März 2003schon nicht ganz schlüssig, warum wir beide Anträge anden Ausschuss haben überweisen müssen. Beim Antragder CDU-Fraktion waren die Punkte 1, 2, 4 und 5 relativklar eine Beschlusslage, wo wir Erwartungen sowohl andie Landesregierung als auch an die entsprechenden Gre-mien richteten. Die Frage der Berichterstattung, das habenwir heute erlebt von Herrn Staatssekretär Richwien, isteine andauernde und das ist auch vernünftig so, dass manuns auf dem Laufenden hält, was auf diesem Gebiet pas-siert. Den Antrag der SPD-Fraktion habe ich damals schon- ja ich will nicht übertreiben - doch aber als Aktionis-mus bezeichnet, mehr oder weniger Rohrkrepierer, in demeinzelne Punkte aus irgendwelchen Versatzstücken heraus-genommen worden sind, und ihn damals auch schon hät-ten ablehnen können.

Nun ist er an den Ausschuss überwiesen worden. Ich habedie Vermutung, und die Vermutung ist durch die Artund Weise, wie diese Anhörung dann beschlossen wer-den sollte, bestärkt worden, dass man einerseits ablen-ken wollte von der Bauchlandung von Herrn Clementmit seiner Sonderwirtschaftszone - darüber redet manim Augenblick nicht mehr -

(Beifall bei der CDU)

und zum Zweiten noch ablenken will vom wirtschafts-politischen Chaos der Bundesregierung, indem man ver-sucht, das, was so unterschwellig an Regulierungs- undBürokratieabbauvorschlägen da ist, die in der Zuständig-keit nicht geordnet sind, Bund, Land, Kommune, alles soan die Landesregierung abzudrücken und zu sagen, dassind diejenigen, die daran schuld sind, dass es mit derWirtschaft nicht weitergeht. Meine Damen und Herren, daswar meine Sorge. Und meine Sorge ist im Grunde genom-men auch durch den Ablauf der Wirtschaftsausschuss-Sitzungen bestätigt worden, denn, wie gesagt, ich wusstenicht so recht, was wir im Wirtschaftsausschuss mit denAnträgen machen sollen. Bei aller Verbundenheit gegen-über dem Kollegen Lippmann, das, was dann vorgetragenwird von der SPD-Fraktion, wir wollten eine Anhörung ma-chen, hatte meines Erachtens auch nur das Ziel zu verzö-gern. Ich will das auch noch einmal ganz deutlich sagen,Herr Gerstenberger, weil Sie möglicherweise nur bruch-stückenhaft den Bericht davon erzählt haben. Herr Lipp-mann stellte den Antrag, zu beiden Anträgen eine Anhö-rung zu machen, und zwar mit den Vertretern der IHKund des Thüringer Handwerkstages. Das war zunächst ersteinmal der Antrag. Als wir nun nachfragten, was solldenn nun eigentlich der Beratungsgegenstand sein, dannweitete man sich auf und meinte, wir meinen speziell inPunkt 2 die Vorschläge aus Wirtschaft, Gewerkschaft, Ver-tretern an die Landesregierung, dazu wollen wir eine An-hörung machen. Also, meine Damen und Herren, die zweiFälle mussten wir ja nun betrachten. Zu diesen Anträgen,wie sie jetzt vorliegen, eine Anhörung zu machen, ist der-

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art sinnlos und erregt den Widerstand auch der Verbände,weil Papiere liegen säckeweise da, was zu verändern ist.Ich habe das mit meinem Zwischenruf, Herr KollegeGerstenberger, deutlich machen wollen. Die Wirtschaft istzum zweiten Mal nach Berlin gefahren, weil das ja eigent-lich das Resultat derer ist, die die Reformen verhindern.Sie können das heute in der "Thüringer Allgemeinen" sehrlebhaft nachlesen, wie das Ergebnis ausgegangen ist. Nichtsmit Reform, Reparatur statt Reform. Es passiert nichts, sodass sich der IHK-Präsident, Herr Chrestensen, förmlichaufregt. Bei den Handwerkern müsste man sagen, wenndas so weitergeht, sind die eher abgeschafft, ehe wir dieAnhörung durchführen, meine Damen und Herren. Ichglaube, die Anhörung zu diesen beiden Anträgen hättedie Leute nur noch mehr erregt.

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Glauben Sie?)

Nun war aber die zweite Frage, die will ich hier deutlichsagen, dass Herr Lippmann sagt, ja, nun wir wollten, oderdie SPD, ich muss die Form wahren, dass sie sagen, nein,nein wir wollen mal hören, welche Vorschläge denn dasind. Da muss ich Ihnen sagen, die Kammern haben schonvor langer Zeit ihr Papier auf dem Tisch gehabt "SchlankerStaat für starke Wirtschaft". Das Internet quillt über vonSeiten Bürokratieabbau und Folgendem. Sie haben vomStaatssekretär Roland Richiwen gehört, wie sowohl jetztdie Stabsstelle als auch die so genannte - neudeutsch -Clearingstelle arbeitet, wo genau diese Vorschläge der Ver-bände, Gewerkschaften und Kammern gesammelt werden.Insofern hat sich unser Antrag qualifiziert, dass wir sa-gen, wir wollen in dem Bericht über Deregulierung undEndbürokratisierung nicht nur über die Ergebnisse derStabsstelle unterrichtet werden, sondern eben auch dieErgebnisse dieser Clearingstelle der Landesregierung, alsobeim Wirtschaftsministerium hineinzunehmen. Daraufhin- also neue Kehrtwendung - die SPD-Fraktion konkretisiertden Antrag. Wir wollen jetzt eine Anhörung machen, jetztnoch mit den Gewerkschaften. Die sind jetzt dazugekom-men, weil ich darauf hingewiesen habe. Unser Antragging ja weiter. Wir waren ja schon mit den Gewerkschaf-ten im Boot. Also neue Anhörung IHK, Handwerkskammerund Gewerkschaften zu - muss ich selbst schauen - also wieder Anhörungsgegenstand nur die Anträge. Wie gesagt,liebe Kolleginnen und Kollegen, wir müssen auch maldarüber nachdenken, dass wir zwar für diese Arbeit, diewir hier verrichten, bezahlt werden, manche meinen viel-leicht zu gut bezahlt werden. Diese Leute, die wir anhören,machen das neben ihrer Arbeit. Ich stelle fest, eine In-flation von Anhörungen und dass ich bei den Anzuhö-renden die Frage schon sehr deutlich sehe: Was wolltIhr immer wieder dasselbe von uns hören? Ich ziehe aus-drücklich diesen Bereich heran. Ich will mich nicht zuAnhörungen von anderen Ausschüssen äußern, das stehtmir nicht zu. Aber hier in dieser Frage sind, wie gesagt,säckeweise die Vorschläge auf dem Tisch. Ganz im Ge-genteil, die werden sehr unruhig, dass nichts passiert. DieSituation verschlimmert sich. Jetzt sind nicht Anhörun-gen gefragt, sondern Taten sind gefragt. Und deshalb ha-

ben wir diese Sache abgelehnt. Herr Gerstenberger, ichhätte es vielleicht nicht gesagt, das ist so ein bisschen eineReferenz gegenüber dem Herrn Kollegen Ramelow. Aberdie Chance, wenigstens mit Trick siebzehn B eine schrift-liche Anhörung zu machen, die hat die Opposition nunselber versimmst. Herr Ramelow ist vor der Zeit gegan-gen. Es fehlt Ihnen genau die eine Stimme.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, wenn Sie hier schon parla-mentarische Arbeit besonders hervorheben und auch dieBerichterstattung in Ihrer Fraktion, dann hätten Sie dasauch wenigsten abfragen müssen. Das ist die Sache, diedem Ding noch die Krone aufgesetzt hat. Weil es inhalt-lich nichts Neues gab, bitte ich zu verzeihen, dass ich auchein wenig aus dem Gang der Ausschussberatung vorge-tragen habe. Diese jedoch eher politische Wertung ist demBerichterstatter verwehrt geblieben. Deshalb habe ich eshier getan, meine Damen und Herren. Für meine Frak-tion ist klar, der Antrag der CDU-Fraktion in den ur-sprünglichen Punkten 1, 2, 4 und 5 und nun erweitert umdie Berichterstattung im IV. Quartal Stabsstelle und Clea-ringstelle sollte heute hier angenommen werden. Die Po-sition zum SPD-Antrag, die versucht haben, in der Aus-schuss-Sitzung mit einer Aktualisierung hinsichtlich desLandesentwicklungsplans noch zu retten, was zu rettenist, bleibt auch weiterhin unverändert, den Antrag derSPD-Fraktion abzulehnen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Lippmann, Sie haben das Wort, bitte.

Abgeordneter Lippmann, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,ich will meine wenigen Worte dort beginnen, wo derHerr Staatssekretär aufgehört hat. Er hat nämlich gesagt,Deregulierung und Entbürokratisierung ist ein Prozess,der ad hoc nicht von heute auf morgen zu bewerkstel-ligen ist, sondern den man beachten muss und den manzu entwickeln hat. Recht hat er, das ist richtig so.

Herr Kretschmer, es war vielleicht eine etwas einseitigeBewertung der Wirtschaftsausschuss-Sitzung. Ich habezur ersten Lesung zu beiden Anträgen in einer Beratung,die ich für ausdrücklich fachlich und sachlich hielt - am07.03. war sie wohl -, relativ ausführlich gesprochen undauch Beispiele genannt. Ich habe in diesen Bemerkun-gen die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, erstens, dassdie Inhalte beider Anträge vorurteilsfrei in den Ausschüs-sen beraten werden mögen. Zweitens hatte ich gesagt, die-sen Prozess nicht ausschließlich - und das ist der wesentli-che Punkt, Kollege Kretschmer - zu einer Angelegenheitder Exekutive werden zu lassen, sondern auch die Legis-lative langfristig einzubinden und den Gesamtblock aller

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7537

Möglichkeiten, die hier genannt worden sind, schriftlichvorgelegt und mündlich vorgetragen, im Wirtschaftsaus-schuss mit denen zu beraten, die sich in den letzten Mo-naten schon dazu sachlich und fachlich geäußert hatten.Ich nenne da vorrangig die Industrie- und Handelskam-mern, den Dachverband. Diese Vorstellungen der SPD-Fraktion wurden leider nicht von der Mehrheitsfraktiondieses Landtags getragen. Wir hatten das befürchtet. HerrKollege Kretschmer, Sie hatten ja auch zur ersten Lesungschon Ihre Bemühungen erkennen lassen, nach Möglich-keit die Anträge sofort abzustimmen, das heißt unserenabzulehnen. Was Sie dann bewogen hat, der Überwei-sung an die Ausschüsse zuzustimmen -

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Das istdie Achtung vor der Meinung meiner Frak-tion.)

nein, nein, das war etwas ganz anderes, KollegeKretschmer, das sage ich mal lieber nicht hier, das sagenwir unter vier Augen. Sie wollen die Legislative in die-sen doch recht komplizierten Prozess nicht einbinden.Sie halten es für überflüssig, beispielsweise die IHK dazuzu hören. Kollege Kretschmer, eines will ich Ihnen sagen,Sie haben gesagt, die Industrie- und Handelskammern wol-len es gar nicht, ich habe nach einem Gespräch mit derIndustrie- und Handelskammer

(Zwischenruf Abg. Kretschmer, CDU: Hierist ein Brief von Herrn Grusser.)

in Erfurt, mit Herrn Chrestensen, den Wunsch geäußert be-kommen, eine Anhörung in diesem Landtag durchzufüh-ren, weil es eben nicht nur um bundespolitische Dingegeht, sondern auch um Dinge, die im Land geändert wer-den können. Das war auch der Sinn unseres Antrags. Dasist bedauerlich, zumal auch der Ministerpräsident in sei-nen Bemerkungen anlässlich der Beratung - er hatte dasWort ergriffen - ausdrücklich gesagt hat, dass dies auch dieLegislative zu machen und langfristig zu beachten habe.Das werden Sie nicht abstreiten können. Da wir nun bes-tenfalls nach dem, was wir im Wirtschaftsausschuss be-raten und beschlossen haben, gelegentlich Berichte derLandesregierung dazu vorgesetzt bekommen, den erstenumfänglichen, das hat auch der Staatssekretär heute be-stätigt, im IV. Quartal dieses Jahres, ist es eigentlich über-flüssig, heute noch auf bestimmte Einzelheiten von De-regulierungsmaßnahmen einzugehen, weil sie für die Katzsind. Es bleibt leeres Gerede, weil nicht erwünscht, meinesehr verehrten Damen und Herren. Das hatten wir unseigentlich angesichts der Thematik ein wenig anders vor-gestellt.

Für die abnorm hohe Regelungsdichte in Deutschlandallein die derzeitige Bundesregierung verantwortlich zumachen, ist natürlich Quatsch. Dass es Quatsch ist, daswissen Sie auch. Dieses Chaos hat viele Väter aus jederpolitischen Partei. Nun müssen es aber auch alle ändern,das heißt verbessern. Nur wird dies im föderal verfassten

System der Bundesrepublik Deutschland nicht so ohneweiteres möglich sein. Das werden Sie mir wohl zuge-stehen. Was augenblicks - und hier verlasse ich das Feldder beiden Anträge - die Frage aufwirft, ob dieses föde-rale System, das ja ein Erfolgsmodell über viele Jahr-zehnte gewesen ist, noch den Anforderungen der Zukunftgerecht werden kann. Aber das ist eine ganz andere Fra-ge und heute auch nicht das Thema. Das Thema heutemüssen wir heute zum Abschluss bringen. Ihr Antrag,Kolleginnen und Kollegen von der CDU, fordert im Grundegenommen die Landesregierung dazu auf, Deregulierungund Entbürokratisierung nicht aus dem Auge zu verlieren.Das ist ein wenig dürftig. Dieser Antrag lässt das Parla-ment außen vor, obwohl dieses - und die Enquetekom-mission, meine sehr verehrten Damen und Herren, hat jabewiesen, dass das möglich ist - sehr wohl in der Lage ist,dazu eigene Vorschläge und Anregungen zu geben undzu machen. Dies, meine sehr verehrten Damen und Herren,ist eine vertane Chance. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Bitte schön, HerrAbgeordneter Kretschmer.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Frau Präsidentin, nur eine Klarstellung. Ich verwahre michim Namen meiner Fraktion gegen den unterschwelligenVorwurf, Herr Kollege Lippmann, wir wollten mit derAblehnung Ihrer Anträge oder möglicherweise mit derAblehnung der Überweisung an den Ausschuss am Par-lament vorbei oder nur bei der Landesregierung die Sa-che liegen lassen. Ich will es noch mal deutlich sagen:Die Anhörung, die Sie wollten, hat vielleicht einen ehersymbolischen Wert. Aber Sie haben in Ihrer Korrespon-denz, ich nehme an, die PDS hat in ihrer Korrespondenzdie Vorschläge der Kammern, ich habe Ihnen extra dieAktivitäten der Wirtschaftsverbände in Richtung der Bun-destagsfraktion geschildert. Nachdem sie im Januar undjetzt wieder da waren, sind die so krachsauer, dass sie vonBerlin zurückkommen müssen und sagen, wir haben malmiteinander geredet. Dafür ist eine Anhörung im Augen-blick total das falsche Instrumentarium. Wir hätten einenganzen Vormittag die Leute hierher bemüht und sie hättenalles das, was auf dem Papier gestanden hat, uns noch malvorgetragen. Was wäre denn im Endeffekt dabei heraus-gekommen, Herr Kollege Lippmann? Auch wir hätten wie-der sagen müssen, die Clearingstelle muss erst mal aus-einanderfitzen, was geht auf den Bund, was geht auf uns,was geht meinetwegen auf die Kommunen. Das ist dochz.B. Punkt 4 oder Punkt 5 unseres Antrags, der sagt, wirbitten auch das Innenministerium, genau diese Fragen zuklären. Ich weise noch mal im Namen meiner Fraktiondiesen Vorwurf zurück, wir hätten hier versucht, mit derDirektabstimmung im Plenum am 7. März, weil sich vonder Sachlage her nichts geändert hat, eine Sache parlamen-

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tarisch zu Ende zu bringen, ohne die entsprechenden Gre-mien zu bemühen.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Gibt es weitere Wünsche zu reden? Das ist jetzt wohl nichtmehr der Fall. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den CDU-Antrag inDrucksache 3/3159. Wir stimmen zunächst über die Be-schlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Ar-beit und Strukturpolitik in Drucksache 3/3330 ab. Werder Beschlussempfehlung zustimmen will, den bitte ichum das Handzeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltun-gen? Bei einer Anzahl von Stimmenthaltungen ist dieserBeschlussempfehlung mit Mehrheit zugestimmt worden.

Jetzt stimmen wir unter Berücksichtigung dieser Be-schlussempfehlung über den CDU-Antrag direkt ab. Werdem Antrag zustimmen will, den bitte ich um das Hand-zeichen. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Bei einergrößeren Anzahl von Enthaltungen ist diesem Antrag mitMehrheit zugestimmt worden.

Jetzt kommen wir zum SPD-Antrag in Drucksache 3/3162.Wir stimmen über diesen Antrag direkt ab, weil die Be-schlussempfehlung Ablehnung empfiehlt. Wer diesem An-trag zustimmen will, den bitte ich um das Handzeichen.Gegenstimmen? Dieser Antrag ist mit Mehrheit abge-lehnt.

Damit beende ich den Tagesordnungspunkt 12 und rufeauf den Tagesordnungspunkt 13

Arbeit des Ausschussesder RegionenAntrag der Fraktion der CDU- Drucksache 3/3308 -

Begründung war nicht erbeten, sondern Sie geben denBericht. Bitte schön, Herr Abgeordneter Schröter.

Abgeordneter Schröter, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,vielleicht doch noch ein paar begründende Worte zumAntrag. Wie bereits in der schriftlichen Begründung ge-nannt, verfügt der Thüringer Landtag infolge der inner-deutschen Regelungen dieses bekannten Rotationsverfah-rens über 24 Mandate im Ausschuss der Regionen Euro-pas. Erstmals ist in dieser Legislaturperiode ein direkterEinfluss auf die europäischen Entscheidungsprozesse fürden Landtag möglich geworden. In der 1. und 2. Legisla-turperiode des Ausschusses der Regionen war diese Mög-lichkeit seitens des Freistaats Thüringen auf ein Mitgliedbegrenzt. Bei der Konstellation, der Minister war Mit-glied des Ausschusses und sein Stellvertreter war derStaatssekretär, war der Landtag nur indirekt über seineKontrollaufgabe gegenüber der Landesregierung betei-

ligt. Diese indirekte Einflussnahme - Berichtspflicht unddamit Kontrolle - wurde schon immer über die Bericht-erstattung der Landesregierung im Ausschuss des Land-tags durch den Landtag wahrgenommen. Diese Praxis wirdauch heute noch so geübt, wobei die beiden Mitgliederdes AdR dann berichten.

Warum also nun diese Berichterstattung über das übli-che Maß hinaus? Der Landtag hat durch Wahl aus seinerMitte einen Vertreter in dieses Gremium direkt entsandtund hat somit nach Meinung meiner Fraktion auch einenAnspruch auf eine direkte Berichterstattung über die Ar-beit und deren Ergebnisse.

(Beifall bei der CDU)

Mehr als ein Jahr Mitgliedschaft im Ausschuss der Re-gionen Europas, das ist eine einzigartige Situation. EineRegion im Herzen Europas bezieht Position und resü-miert und versucht Zukunft mitzugestalten.

Ein kurzer Blick zurück: Die ehemalige DDR wurde perEinigungsvertrag nach Artikel 23 des Grundgesetzes Mit-glied der Europäischen Union - ein Sonderfall in Europa,für uns ein Glücksfall. Heute betrachten wir quasi alsWesteuropäer die Osterweiterung. Welche Veränderungin dieser kurzen Zeit!

Doch lassen Sie mich zu Beginn einmal unsere Rechts-stellung näher beleuchten. Gemeint ist natürlich im Zu-sammenhang dieser Berichterstattung die Stellung im Aus-schuss der Regionen Europas. Wie wir in die Lage ge-kommen sind, habe ich gerade gesagt. Welche innerdeut-schen Regelungen es gibt, ist bereits ausgesprochen. Bleibtmir nur noch, die Bedingungen zu nennen, unter denenman ein solches Mandat erwerben kann.

Erstens: Zunächst muss man ein Mandat bereits inneha-ben, welches durch Wahl auf politischer Ebene liegt.

Zweitens endet dieses Mandat vor Ablauf der AdR-Le-gislaturperiode, so endet auch das Mandat mit einer Über-gangszeit.

Drittens: Das Mitglied im AdR hat kein imperatives Man-dat, ich betone dies besonders, da im Zusammenhang mitder Arbeitsweise des AdR sonst eine nicht zu bewälti-gende Situation entstünde. Ich komme später noch ein-mal darauf zurück.

Viertens: Man muss die Situation insgesamt bewerten.

Der Ausschuss der Regionen besteht aus 222 Mitglie-dern, die aus noch 15 Mitgliedstaaten entsandt werden.Er hat - genau wie dieser Landtag - Fraktionen; die größtensind die EVP-Fraktion, die Fraktion der EuropäischenVolksparteien und die ESP-Fraktion, die Fraktion derEuropäischen Sozialdemokratischen Parteien, zu denenu.a. die SPD auch gehört. Weitere Fraktionen existieren,

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müssen aber wohl in diesem Zusammenhang nicht ge-nannt werden. Außerdem gibt es die deutsche Delega-tion, die genauso, wie es in anderen Staaten üblich ist,versucht, gesamtstaatliche Interessen wahrzunehmen. WennSie also betrachten, welche Gremien es hier in diesemBereich gibt, so können Sie sich sicher vorstellen, dass dieArbeit im AdR auch etwa einer Landtagstätigkeit gleich-kommt, besonders auch unter der Betrachtung der Tatsa-che, dass es ebenso Fachkommissionen gibt, wie hier imLandtag Ausschüsse. Der Ausschuss der Regionen hatsechs solcher Fachkommissionen, in denen die Mitglie-der arbeiten. Jedes deutsche Mitglied ist auch Mitgliedin zwei Fachkommissionen. Das heißt ganz speziell fürThüringen, Herr Minister Gnauck ist/war Mitglied in derFachkommission für Außenbeziehungen und in der Fach-kommission für konstitutionelle Fragen und Regieren inEuropa. Ich selbst bin Mitglied in den Fachkommissio-nen Bildung und Erziehung und Wirtschaft und Sozia-les. Zum zeitlichen Aufwand sei nach diesem ersten Jahrgesagt, 6-mal im Jahr Plenarsitzungen mit je 2 Tagen. 5-mal waren das Fachkommissionssitzungen beider Fach-kommissionen. Ich will mich nicht über die Belastungenbeschweren. Ich möchte nur sagen, dass man dies nichtnebenbei erledigen kann.

(Beifall bei der CDU)

Nun zur Arbeitsorganisation: Der Ausschuss der Regio-nen hat gegenüber der EU-Kommission - genauso wieauch andere Gremien - lediglich eine beratende Funktion.Dies könnte sich ggf. in den Erörterungen des Konventsvielleicht verändern. Die Kommission entscheidet aller-dings darüber, welche Gremien sie zu ihren Dokumen-ten um Stellungnahme bittet. Außer der Geschäftsord-nungsfestlegung wird in der Regel vorgegeben, bis wannman eine Stellungnahme zu einem Kommissionsdokumenthaben möchte. Daraus ergeben sich andere als im Land-tag vorliegende Abläufe. Während es im Landtag eine eige-ne Entscheidung des Parlaments ist, wann und wie eineaus der Regierung vorgelegte Angelegenheit behandeltwird, ist im AdR in der Regel folgendes Verfahren zu ver-zeichnen: Überweisung, also quasi die Bitte um Stellung-nahme durch die Kommission, erste Lesung in der Fach-kommission bei vorheriger Festlegung des Berichter-statters im Präsidium des AdR, danach zweite Lesung inder Fachkommission und Verabschiedung der Stellung-nahme. Danach wird diese Stellungnahme im Plenum be-handelt. Nebenbei, wenn in einer Fachkommission eineStellungnahme einstimmig angenommen wird, wird dannim Plenum zu dieser Stellungnahme nicht mehr disku-tiert. Das ist eine Geschäftsordnungsfestlegung, über diewir vielleicht im Landtag auch nachdenken könnten.

Während der Plenarsitzung werden auch noch eine Viel-zahl von Änderungsanträgen behandelt, die jedoch erstkurz vor Sitzungsbeginn vorliegen. Hier sei noch einmalauf dieses freie Mandat verwiesen. Ohne diese Möglich-keit wäre eine gerechtfertigte Arbeit nicht möglich, wasnicht heißt, dass man zu vielen Themen natürlich auch

rückfragt und Sachverhalte aufklärt.

An dieser Stelle möchte ich mich ganz besonders bei denfür die Arbeit im Ausschuss der Regionen zuständigenMitarbeitern in der Thüringer Landesvertretung, besondersFrau Holeschovsky, ausdrücklich und persönlich bedan-ken für ihr Engagement.

(Beifall bei der CDU)

Es ist gut zu wissen, dass es jemanden gibt, der zunächstdie Frage stellt, was für den Freistaat Thüringen gut istund dann erst überlegt, ob er dafür zuständig ist.

(Beifall bei der CDU)

Ohne diese Dependance Thüringens in Brüssel, die De-pendance der Staatskanzlei, wäre eine koordinierende Ar-beit innerhalb der Landesregierung zum AdR praktischzu allen Themen nicht möglich. Außerdem ist immer zubeachten, da wir auch gesamtdeutsche Interessen zu ver-treten haben, dass Standpunkte des Bundesrates bekanntsein müssen. Eine für den Freistaat qualitativ gute Arbeitwäre sonst wohl kaum möglich.

Zum Inhalt der Arbeit des vergangenen Jahres: EinigeThemenschwerpunkte seien genannt. Zusammenarbeit imerweiterten Europa, Einwanderungspolitik, die Halbzeit-bewertung der Agrarpolitik, die Binnenmarktstrategie bis2006, um nur hier einiges zu nennen. Zu bemerken ist andieser Stelle, dass den Mitgliedern des Ausschusses fürBundes- und Europaangelegenheiten des Thüringer Land-tags die Arbeitsschwerpunkte des Jahres schriftlich über-geben wurden. Vielleicht weiß der eine oder andere außer-halb dieses Gremiums in den Fraktionen darüber Bescheid,wenn man darüber gesprochen hat.

Lassen Sie mich allerdings noch eine Angelegenheit be-sonders erwähnen und etwas näher ausführen, die be-sondere Bedeutung für uns hat. Es geht um die Struktur-fondsförderung durch die EU. Wie jeder weiß, sind diejungen Bundesländer insgesamt Ziel-1-Fördergebiet beider EU-Kommission. Die laufende Förderperiode geht2005 zu Ende. Während des Förderzeitraums kommen vor-aussichtlich, so die Referenten das in etwa auch bestäti-gen in den Ländern, noch 10 Mitglieder durch die Oster-weiterung hinzu. Die Ziel-1-Förderung hat zum Krite-rium, dass das Bruttoinlandsprodukt der Regionen, hierin Deutschland der Bundesländer, noch unter 75 Prozentdes Bruttoinlandsprodukts der EU der 15 liegt. Beim Ein-tritt von 10 neuen Mitgliedern mit einem sehr niedrigenBruttoinlandsprodukt tritt aber ein statistischer Effektein, der den Durchschnitt des Bruttoinlandsprodukts derEU deutlich absinken lässt und u.a. auch Thüringen inder misslichen Lage sein könnte, dass es knapp in derNähe der 75 Prozent liegt. Hier gibt es eine Thüringer Ini-tiative, alle betreffenden Regionen zusammenzuführen undeine angemessene Übergangsregelung zu finden, die auchfür alle anderen Betroffenen notwendig ist. Am 30.04.

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dieses Jahres wurde von den 12 Regionen ein Positions-papier verabschiedet, welches der Kommission überge-ben wurde. Dazu gab es ja heute Morgen auch in derRegierungserklärung von Dr. Vogel einige Bemerkungen.Die Reaktion des zuständigen Kommissars Barnier waröffentlich zu erkennen, er hat die Regelungsnotwendig-keit anerkannt und sie für einen langen Zeitraum als er-forderlich angesehen.

Nun jedoch noch einige Bemerkungen zur Osterweite-rung: Wie in allen europäischen Gremien so ist auch imAdR der Zeitpunkt gekommen, Veränderungen vorzuneh-men. Mit der Unterzeichnung der Beitrittserklärung der10 neuen Mitgliedstaaten wurde vom AdR-Präsidium fest-gelegt, dass nunmehr Letztere in Anlehnung an die Ge-pflogenheiten im Konvent auch vor der endgültigen ver-fassungsmäßigen Entscheidung der jeweiligen Staatendie benannten Mitglieder bereits jetzt zu den Sitzungenentsenden und diese teilnehmen können. Außer der Tat-sache, dass sich die Anzahl der Sprachen erhöht, in diezu verdolmetschen ist, gibt es neuen Raumbedarf undandere Notwendigkeiten. Ich glaube, besonders allerdingsdie neuen Probleme werden es sein, mit denen wir unszu befassen haben, die werden, meiner Meinung nach,zum Mittelpunkt haben den Bereich Landwirtschaft undden Bereich Grenzregionen. In diesem Bereich wird be-sonders die zukünftige Arbeit liegen.

Nebenbei bemerkt, die bisher nicht in Angriff genommeneinnere Reform der EU wird jetzt wohl kommen müssen,denn das derzeitige Recht jedes Mitgliedstaats, mindes-tens einen Kommissar zu stellen, hätte dann zur Folge,dass die Kommission auf 25 Mitglieder anwachsen wür-de. Der AdR würde eine Größe von bisher 222 dann 350Mitgliedern haben. Das ist schon bereits so im Vertragvon Nizza festgelegt. Man muss sehen, welche Regionenvon ähnlichen Problemen wie wir in Thüringen betrof-fen sind und muss versuchen, mit ihnen gemeinsam Lö-sungsansätze zu finden. Dass dies möglich ist, hat dieseInitiative zum statistischen Effekt bewiesen.

Aber noch etwas anderes ist für die zukünftige Arbeitvon besonderer Bedeutung. Man muss die Vertreter ausden Regionen kennen und auch selbst bekannt sein. Dassetzt voraus, dass man die Sitzungen wahrnimmt, die Ple-nen besucht, die Fachkommissionen besucht, seine Mei-nung dort darlegt und die Gedanken austauscht. Meistwird dies noch außerhalb der Sitzungen fortgesetzt, dennam Rande der Tagungen sind noch andere Veranstaltun-gen, die man besuchen kann.

Und noch eine andere Angelegenheit sei hier genannt,weil sie von besonderer Bedeutung ist: das Berichterstat-tersystem im AdR. Wie auch im Landtag werden vonden Fachkommissionen Berichterstatter für bestimmteVorlagen bestimmt. Anders als im Landtag hat dieserBerichterstatter im Plenum seinen Platz im Präsidiumund wird bei jedem in der Plenarsitzung zu dieser Stel-lungnahme vorliegenden Änderungsantrag um seine Mei-

nung gefragt. Er hat ein persönlich großes Gewicht beider Meinungsfindung. In Kenntnis dieser Tatsache hatsich Thüringen bereits um eine Berichterstattung bemüht,hat allerdings bedauerlicherweise keinen Zuschlag erhal-ten. Allerdings wollen wir für die Zukunft bei für denFreistaat wichtigen Themen auch diesen Versuch wiederunternehmen.

(Beifall bei der CDU)

Damit komme ich zum Schluss. Wägt man ab, ob es einensofortigen messbaren Erfolg im Vergleich zum betriebe-nen Aufwand gibt, so muss man sagen, nach einem Jahrist dies noch nicht vollständig zu erzielen. Unstrittig aberist in jedem Fall, dass man bei langfristiger und stetigerArbeit einiges bewegen kann. Gegenseitige Kenntnis vonPersonen und Problemen sind von besonderer Bedeu-tung auf europäischer Ebene - mehr als in unseren zuwei-len preußischen Denkstrukturen. Man kann nur allen, diemit europäischen Dimensionen in ihrer eigenen fachli-chen Arbeit zu tun haben, empfehlen, die europäischenInstitutionen zu besuchen, Gespräche zu führen und Hin-tergründe zu vermitteln. Das Thüringenbüro in Brüsselsollte dabei mehr in Anspruch genommen werden, dieseDienstleistungseinrichtung steht uns ja zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, das Haus Europa bekommteinen Erweiterungsbau. Machen wir etwas daraus, damites dann auch nach unseren Vorstellungen eine Heimstattsein kann. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Staatssekretär Kaiser, bitte schön.

Kaiser, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren Abgeordneten,namens der Landesregierung darf ich zum vorliegendenBerichtsersuchen unmittelbar den Bericht der Landesre-gierung erstatten. Die Landesregierung ist außerordent-lich dankbar dafür, dass erneut das Thema "Europa" hierauf der Tagesordnung des Landtags steht, in diesem Falleaufgrund eines Antrags der CDU-Landtagsfraktion, derauf die Arbeit und die Gewichtung des AdR, seine Mög-lichkeiten und Perspektiven abzielt. Ich darf vorweg auchgleich sagen, ich bin sehr dankbar, dass der Landtag 2001diese Regelung treffen konnte, dass es nunmehr drei Ver-treter im Ausschuss der Regionen gibt. Nicht nur, dassman auf unterschiedlichen Ebenen und mit vereinter Kraftdann für Thüringen Einfluss nehmen kann, in gewisserWeise auch werben kann, sondern auch, weil hier einezusätzliche Sicht der Dinge aus der Mitte des Parla-ments heraus eingebracht werden kann. Ich bin in Son-derheit Herrn Abgeordneten Schröter und Herrn Abge-ordneten Bergemann außerordentlich für diese geleisteteArbeit dankbar. Es zeigt sich auch heute, dass ich einen

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Teil dessen, was ich sagen könnte oder möglicherweiseauch sagen wollte, nicht zu sagen brauche, weil HerrSchröter es bereits angesprochen hat.

Der Ausschuss der Regionen, die Vertretung der regio-nalen und lokalen Gebietskörperschaften der Europäi-schen Union geht auf eine Idee der Ministerpräsidentender deutschen Länder zurück. Die ursprüngliche Absichtwar, der erheblichen und immer stärker zunehmendenErweiterung der Brüsseler Kompetenzen eine kraftvolleregionale Interessenvertretung auf europäischer Ebeneentgegenzustellen. Der Ausschuss, den die Ministerprä-sidenten damals im Sinn hatten, unterscheidet sich aller-dings vom heutigen Ausschuss der Regionen ganz erheb-lich. Die Ministerpräsidenten hatten ein Regionalorganmit echten Mitentscheidungsfunktionen im Auge, das zueiner dritten Kammer ausgebaut werden und quasi eineneuropäischen Bundesrat darstellen sollte. Doch diese Vor-stellungen waren politisch in Europa nicht durchsetzbar;die Interessen waren zu unterschiedlich, auch die Struk-turen in Europa. Aus einem Regionalorgan mit tatsäch-lichen Mitentscheidungsrechten wurde ein Ausschuss derregionalen und lokalen Gebietskörperschaften mit bera-tenden Befugnissen, wie sie Herr Abgeordneter Schröterdargestellt hat. Und schon dies zu erreichen, diese Mit-beratungsmöglicheit, diese Einflussnahme war nicht selbst-verständlich. Dass der AdR überhaupt Bestandteil desMaastrichter Vertrags wurde, war ein bedeutsamer Erfolgder deutschen Verhandlungsführung. Seit der Konstitu-ierung des AdR am 9. März 1994 - erstes Thüringer Mit-glied war die heutige Landtagspräsidentin Christine Lieber-knecht - seit damals haben wir unsere eigenen Erfahrun-gen mit dem Ausschuss der Regionen sammeln können.Und diese praktischen Erfahrungen lehren uns, dass dieOrientierung am Bundesratsmodell in der Tat an den Ar-beitsmöglichkeiten und in den Arbeitsergebnissen an derSache vorbeigeht. Gleichwohl, auch wenn wir diese Mög-lichkeiten nicht haben, die sich im Bundesrat für uns alsLand zeigen, plädiere ich sehr nachdrücklich dafür, diezwar reduzierten, aber dennoch vorhandenen Möglichkei-ten von Mitwirkung, von Beratung und letztlich auf Um-wegen doch Mitentscheidung im AdR offensiv und inten-siv zu nutzen. Mit Ausnahme der föderal verfassten Mit-gliedstaaten Deutschland, Österreich und Belgien gibt esin der heutigen Europäischen Union keine ausgeprägte fö-derale Tradition. Das spiegelt sich auch in der Strukturund Zusammensetzung des AdR wider, auch in den Mög-lichkeiten, die der Ausschuss zweifellos hat, die mangleichwohl aber nüchtern gewichten muss. Auch wenn imletzten Jahrzehnt bedeutende Fortschritte bei der Föde-ralisierung einiger EU-Mitglieder zu verzeichnen sind - ichnenne in diesem Zusammenhang beispielhaft nur Groß-britannien, das bekannt ist für seine zentralistische Tra-dition und seine ausgeprägte Abneigung gegen föderaleTendenzen -, selbst dort haben sich mit Schottland undWales zwei echte Regionen mit eigenständigen Kompe-tenzen etabliert, aber das sind erst wenige im Konzert dereuropäischen Staaten. Dies bedeutet auch, dass unsereMöglichkeiten, Partner zu finden, wenn es um föderale In-

teressen geht, immer noch sehr stark eingeschränkt sind.Was wir zu Recht gelegentlich als europäische Vielfalt lo-ben, die Unterschiedlichkeit in Kultur und Sprache, dieUnterschiedlichkeit, die bunt und vielfältig und interes-sant macht, Europa auch Kraft geben kann, hat auch sei-ne Kehrseite. Und die 222 im Ausschuss der Regionen ver-tretenen Politiker der regionalen und lokalen Ebene spie-geln deutlich die strukturelle und kulturelle Heterogenitätder Europäischen Union wider. Es gibt eben Länder undRegionen, es gibt Departements und Gebiete und dem-nächst, so hoffen wir, eben auch Woiwodschaften, auf diewir uns freuen, wenn heute die Abstimmung so läuft,wie wir uns das, denke ich, in der Mitte Europas allesamtwünschen, dass es auch in Polen ein deutliches Ja zumBeitritt zur EU gibt. Denn gelegentlich hört man den et-was törichten Satz: Polen möchte doch bitte nach Euro-pa zurückkehren. Das ist natürlich Unsinn. Polen ist euro-päisch, wie es auch Tschechien ist und wie es auch an-dere europäische Staaten im Osten sind. Es geht ledig-lich darum, dass auch jetzt diese Staaten in die Euro-päische Union kommen, dass sie das bekommen - HerrSchröter, Sie haben es angedeutet -, was wir hier so et-wa als Morgengabe beim Beitritt bekommen haben, alsdie Länder nach Artikel 23 Grundgesetz beigetreten sind.Manche haben es gar nicht so richtig gemerkt, dass wirüber Nacht zur EU gekommen sind. Das wird jetzt vonden anderen Ländern endlich bald erstritten sein und da-rauf sollten wir uns freuen.

(Beifall bei der CDU)

Vielfalt ist wunderbar, aber Vielfalt bedeutet natürlichauch, es gibt Regionen mit Gesetzgebungskompetenzen,es gibt solche mit begrenzten Kompetenzen und es gibt dieVertreter der lokalen Gebietskörperschaften sui generis,die fast die Hälfte der AdR-Mitglieder stellen. Aus dieserheterogenen Zusammensetzung ergeben sich fast zwangs-läufig unterschiedliche Vorstellungen darüber, wie Sach-verhalte zu bewerten und welche Lösungen anzustrebensind, Unterschiedlichkeiten schließlich auch der Interes-sen aufgrund verschiedener und unterschiedlicher Gepflo-genheiten und Gegebenheiten.

Herr Schröter hat erfreulicherweise hier ein wenig dar-gestellt, wie sich das im AdR abspielt und in den Aus-schüssen und ich kann wirklich nur bestätigen, das ist einhartes Brot, dass und wie man sich dort die Verbündetenzusammensuchen muss. Zum Glück gibt es das dort, üb-rigens auch ein Vorteil dieser Einrichtung. Man hat ge-legentlich den Eindruck, dort kann man argumentierenund das Argumentieren führt auch noch zu einem positi-ven Ergebnis. All das ist schön, aber gleichwohl, es istsehr, sehr schwierig und letztlich auch kompliziert undes kostet viel Zeit und Kraft, sich erst einmal bekannt zumachen und sich Gehör zu verschaffen, um dann auchwirklich zur Mitwirkung eingeladen und befähigt zu sein.

Der AdR hat in der Tat einen eigenen Arbeitsstil entwickeltmit einem hohen Maß an Diskussionsfreude und einer

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sehr dominierenden Rolle der Berichterstatter. Denn inder Regel folgt das Plenum bei den Abstimmungen denEmpfehlungen des Berichterstatters, nicht nur gelegent-lich erst nach längeren Debatten, die zu recht minimalenVeränderungen von Vorlagen führen, was gleichwohldann dem einen oder anderen Vertreter die Zustimmungermöglicht. Dieser Arbeitsstil ist insbesondere für unsDeutsche gewöhnungsbedürftig, wie auch die Gepflogen-heit, dass bestimmte Probleme in Vier-Augen- oder auchGruppengesprächen am Rande der Sitzung geklärt wer-den, wobei das Letztere, das muss ich allerdings als re-gelmäßiger Teilnehmer an Sitzungen des Bundesratessagen, inzwischen auch beim Bundesrat immer mehr zurGewohnheit wird, dass dort das eine oder andere doch nochin kleinen Gesprächen am Rande der Sitzung geklärtund abgeklärt werden kann. Das hat bedauerlicherweise,und das spricht etwas für sich, in Berlin dann inzwi-schen den Namen "kleine Kungelrunde" bekommen. Abergut, ich halte es dennoch für eine gute Möglichkeit, dassman Partner für seine Initiativen, für seine Ideen suchtund sie letztlich auf diese Art und Weise auch findet.

(Beifall bei der CDU)

Aus Sicht der Landesregierung, meine Damen und HerrenAbgeordneten, ist der Ausschuss der Regionen ein be-deutsames, flankierendes Instrument unserer europapo-litischen Mitwirkung. Durch die im schon genannten Ar-tikel 23 Grundgesetz, der allerdings heute eine andere Be-deutung hat, verbrieften Mitwirkungsrechte in EU-Ange-legenheiten ist die Landesregierung in die Entscheidungs-prozesse via Bundesrat direkt eingebunden. Sie wirkt ander Festlegung der Positionen der Bundesregierung, ins-besondere in den Fällen der "maßgeblichen Berücksich-tigung", direkt mit. Aber auch diese Form der direktenMitwirkung über den Rat der Europäischen Union - ichsage das, um jetzt nicht so stark negativ zum AdR abzu-grenzen - schützt uns nicht immer vor Abstimmungsnie-derlagen oder davor, dass wir unsere Interessen nicht ge-nügend unterbringen können. Im Ausschuss der Regio-nen können wir solche Niederlagen - ich sage es etwasspitz - live erleben, im Rat erfahren wir davon in derRegel erst im Nachgang.

Der Ausschuss der Regionen ist aus Sicht der Landesre-gierung ein bedeutsames flankierendes Instrument, undnicht nur, um an der Meinungsbildung in Fragen der eu-ropäischen Politik mitzuwirken, sondern auch, um sichein eigenes Bild von diesem Prozess zu machen.

Ich darf es an einem Beispiel deutlich machen: Die Dis-kussion um die Daseinsvorsorge ist aus Sicht der Landes-regierung von zentraler politischer Bedeutung. Als derAdR im Herbst 2001 gegen deutsche Stimmen eine Stel-lungnahme zur Daseinsvorsorge verabschiedete, hat sichgezeigt, dass hier zwei grundverschiedene Philosophienzur Daseinsvorsorge aufeinander gestoßen sind. Wiede-rum europäische Vielfalt, die wir begrüßen, mit der wiraber umgehen und die wir zu unserem Vorteil nutzen müs-

sen. Unsere deutsche Philosophie und Position sieht so aus:Sowohl Definition als auch Ausgestaltung von Dienst-leistungen der Daseinsvorsorge durch die EU sahen undsehen wir als unzulässige Eingriffe in das Subsidiaritäts-prinzip an. Andere, insbesondere französische Vertreter,meinten hingegen, eine vertragliche Verankerung solcherRegelungen sei eine Garantie für eine eigenständige Aus-gestaltung dieser Leistungen. Die Gründe für eine sol-che Sichtweise zu kennen, muss nicht heißen, die Mei-nung zu teilen. Es schadet aber nicht, sich frühzeitig da-rauf einzustellen. Warum sage ich das? Das Thema "Da-seinsvorsorge" wird uns nicht nur im Ausschuss der Re-gionen weiter beschäftigen, nachdem kürzlich die Euro-päische Kommission ihr Grünbuch zu den Leistungender Daseinsvorsorge vorgelegt hat. Auch für die Debatteim Rat werden wir uns erneut zum Thema "Daseinsvor-sorge" zu positionieren haben. Und ich warne ein wenigdavor, dass wir unter Subsidiarität preisen und gut fin-den, dass nämlich das, was die kleine Einheit machenkann von der kleinen Einheit gemacht werden soll unddas, was von der großen besser gemacht wird, von der gro-ßen gemacht werden soll. Das ist in Europa keineswegseinheitliche Sichtweise. Es geht aus meiner Sicht bei die-sen Fragen um nicht mehr und um nicht weniger als umein Stück Demokratie und bürgernahe Demokratie, dassdie Dinge, die beim Bürger erledigt werden können oderbürgernah erledigt werden können, dort auch möglichsterledigt werden sollten. Wir müssen bei dem Verfolgendieser Ziele offensiv vorgehen, auch um europäische Al-lianzen zu bilden. Wir brauchen Partner, wenn wir unse-re Ziele erreichen wollen.

(Beifall bei der CDU)

Nicht zuletzt deswegen ist es so bedeutsam, dass wiruns auch in den europäischen Zuwachsländern, in denLändern, die jetzt dazukommen, frühzeitig engagieren.Und auch deswegen ist unsere Partnerschaft mit Klein-polen, mit der Woiwodschaft Krakau, der früheren, sowichtig, dass wir dort bekannt sind, dass wir dort An-sprechpartner haben und sie für unsere Ziele gewinnenkönnen, um letztlich Ziele, die im Sinne Europas undeines föderalen Europas wichtig sind, zu erreichen. Ichdarf ein kleines Beispiel nennen. Herr Schröter hat es an-gedeutet, ein sehr positives Beispiel ist unsere Initiativezu den Regionen mit statistischem Effekt. Diese Regio-nen sind wie Thüringen Ziel-1-Gebiete der EU-Struktur-förderung. Sie laufen wie wir Gefahr, ihren Förderstatusnach 2006 aufgrund des so genannten statistischen Ef-fekts durch die EU-Erweiterung zu verlieren. Davon sinddann 21 Mio. Menschen in der Europäischen Union be-troffen, die Hälfte davon in den jungen Ländern.

Es gibt also in anderen Mitgliedstaaten Regionen, die dasgleiche Interesse haben und diese haben wir angespro-chen, haben Partner gesucht und Partner gefunden. Esist uns gelungen, neben den jungen Ländern auch die an-deren betroffenen europäischen Regionen mit ins Bootzu holen und so konnten wir aus einer deutschen Forde-

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rung nach Fortbestand des Ziel-1-Status nach 2006 eineeuropäische Forderung machen mit vielen Mitstreitern.Dies hat die Europäische Kommission nicht unbeeindrucktgelassen und der für die Regionalpolitik zuständige Kom-missar Michel Barnier hat bereits Entgegenkommen sig-nalisiert und er hat angekündigt, es soll eine Ziel-1a-Förde-rung geben, die weitestgehend der bisherigen Ziel-1-Förde-rung entspricht.

(Beifall bei der CDU)

Ich halte das in der Tat für einen großartigen Erfolg undich möchte allen danken, die auf welchen Ebenen und inwelchen Gremien dabei mitgewirkt und dazu beigetra-gen haben.

Ein weiterer positiver Nebeneffekt der Mitwirkung imAusschuss der Regionen sind die politischen Gesprächeam Rande der Fachkommissionssitzungen bzw. Plenar-tagungen in Brüssel. Dies gilt zum einen für die Kontakt-pflege und Zusammenarbeit mit und zu unseren Partner-regionen wie die Picardie und Essex, die ebenfalls imAdR vertreten sind, und es gilt natürlich - wie ich be-reits gesagt habe - künftig hoffentlich und, ich sage, sicherauch für die Woiwodschaft Kleinpolen.

Was ich gesagt habe, gilt aber auch für die politischen Ge-spräche mit Vertretern der in Brüssel ansässigen Institu-tionen, insbesondere der Europäischen Kommission. Soist mit EU-Kommissar Michel Barnier ein ausführlicherGedankenaustausch über unsere Vorstellungen zur zu-künftigen Ausrichtung der EU-Strukturpolitik in Ganggekommen und es ist hoch erfreulich, dass Barnier eineEinladung des Thüringer Ministerpräsidenten nach Thü-ringen angenommen hat. Er hat zugesagt, dass er im Ok-tober in den Freistaat kommen wird.

Ich halte das für außerordentlich wichtig, denn es ist nö-tig, dass die EU-Kommissare, denen man eine gewisse Dis-tanz nachsagt, zu dem, was vor Ort, auch hier bei uns inden jungen Ländern oder in den Regionen stattfindet,dass sie wirklich sehen und erfahren was ist. Dass sie aufder einen Seite sehen, was bereits geschehen ist, dass siesehen, welche Fortschritte wir gemacht haben und wasangerichtet wird, wenn beispielsweise bestimmte Förder-maßnahmen nicht mehr kommen, dass wir nicht mehr inder Lage sind, das, was gut auf den Weg gebracht wor-den ist, auch zu einem positiven Ende zu führen. HerrBarnier ist herzlich willkommen wie auch alle anderenEU-Kommissare - wie immer sie heißen -, sie können gernhierher kommen, können sich anschauen, was hier Gutesgelungen ist, aber auch, dass wir weiterhin die Unterstüt-zung der Europäischen Union brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Weitere Gespräche, die in Gang gesetzt wurden, betrafenThemen wie beispielsweise die EU-Beihilfepolitik, dievon großer Bedeutung für die künftige Regionalpolitik

des Freistaats ist, ebenso die schon so genannte Daseins-vorsorge, ferner institutionelle Fragen im Rahmen desEuropäischen Konvents und selbstverständlich die schonmehrfach ins Gespräch gebrachte Erweiterung.

Lassen Sie mich bitte noch einige Aussagen zu den Ent-wicklungsperspektiven des Ausschusses der Regionenmachen. Der AdR ist die jüngste Institution der Europä-ischen Union, das sollten wir uns bitte immer ins Ge-dächtnis rufen. Das ist keine alteingesessene, alterprob-te, bereits in bestimmten Bahnen laufende Einrichtung -nein, es ist die jüngste Institution der Europäischen Union,mal gerade so eben zehn Jahre auf den Weg gebracht.Sie muss trotz aller in der letzten Legislatur erreichtenFortschritte den Platz im EU-Institutionengefüge erst nochso richtig finden. Dies bedeutet aber auch, dass wir unsintensiv einschalten, dass wir intensiv daran mitwirken,dass wir durch unsere Präsenz, durch unsere Positionie-rung zeigen, wie wichtig und bedeutsam wir den AdRempfinden. Wir sind jetzt in der 3. Legislaturperiode, die1. Legislatur von 1994 bis 1998 war sehr stark von ad-ministrativ organisatorischen Problemen belastet und ge-prägt. Das ist selbstverständlich, wenn eine solche Ein-richtung neu aufgebaut wird.

Mit der administrativen Trennung von Wirtschafts- undSozialausschuss ist ein wichtiger Schritt in die richtigeRichtung getan. Der AdR muss nun weit stärker, als dasin der Vergangenheit der Fall war, sein politisches Po-tenzial und seinen politischen Charakter stärken und her-vorheben. Dies kann er auch selbstbewusst tun, schließ-lich ist er als einzige EU-Institution die Vertretung gewähl-ter Regional- und Kommunalpolitiker. Alle anderen Institu-tionen auf der europäischen Ebene können dies so nichtfür sich in Anspruch nehmen. Der Nizza-Vertrag schreibtdies als so genannte Zulassungsvoraussetzung erstmals inArtikel 263 EGV fest, übrigens eine alte Forderung derdeutschen Länder und auch des AdR.

Wie lässt sich nun das politische Potenzial des AdR weiterstärken? Seinem Anspruch, als Wächter der Subsidaritätaufzutreten, könnte der AdR meines Erachtens noch bes-ser gerecht werden. Aber dazu - wie gesagt - brauchenwir Verbündete, denn nicht überall spielt die Region inunserem Sinne die Rolle, wie dies eben sein sollte, gleich-wohl müssen wir uns darum bemühen und kümmern. Wirhaben daher eine Reihe politisch richtungsweisender AdR-Stellungnahmen zu grundlegenden Themen der Europäi-schen Union erarbeitet, die zum Teil aus der Feder deut-scher Berichterstatter stammen, etwa die AdR-Stellung-nahme Appell für eine neue Subsidaritätskultur, die mitgroßer Mehrheit vom Plenum verabschiedet worden ist.

Mit anderen Worten, über grundlegende Fragen der künfti-gen europäischen Strukturprinzipien besteht weit gehendEinigkeit, der Teufel steckt aber wie so häufig im Detail.In fachpolitischen Stellungnahmen werden eben doch ge-legentlich Forderungen nach EU-Regelungen erhoben,die aus unserer Sicht mit dem Subsidaritätsprinzip schwer-

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lich zu vereinbaren sind, wie etwa, ein Beispiel, neueEU-Agenturen zur Überwachung bestimmten Sektorengefordert werden. Solche Überlegungen müssen auf un-seren Widerstand stoßen, denn das hat nichts mit Sub-sidarität zu tun und hat letztlich aus unserer Sicht auchnichts damit zu tun, dass die Dinge, die auf der kleinenEbene geregelt werden sollten, dort auch geregelt wer-den, sondern dass die EU sich hier Zuständigkeiten anLand ziehen will, die sie besser nicht hätte.

Aus unserer Sicht sollte sich der AdR stärker auf dieBereiche konzentrieren, in denen er mit seinen Stellung-nahmen den europäischen Gesetzgebungsprozess beein-flussen kann. Das heißt beispielsweise, dass der Ausschussinsbesondere auf die regionalen und kommunalen Fol-gewirkungen europäischer Rechtsetzungsvorhaben ab-stellt einschließlich der finanziellen Konsequenzen. Dieswürde es dem Ausschuss der Regionen sicherlich erleich-tern, auch vom Europäischen Parlament als gleichberech-tigter Partner akzeptiert zu werden.

Das Europäische Parlament hat dem AdR seinen politi-schen Anspruch, Vertreter der Bürger sein zu wollen, ge-legentlich übel genommen, weil man dort selbst die In-ständigkeit reklamiert, was man Parlamentariern natür-lich nicht unbedingt verübeln darf. Ich glaube aber, dasssich inzwischen hier auf der Ebene von EU-Parlamentund AdR eine gesunde Zusammenarbeit anbahnt. Erst-mals hat das Europäische Parlament, das mag ein Bei-spiel dafür sein, in diesem Jahr von der Möglichkeit Ge-brauch gemacht, vor Verabschiedung einer Stellungnah-me den AdR anzuhören, nämlich beim Napolitanoberichtzur künftigen Rolle der Regionen in der EuropäischenUnion.

Die Zusammenarbeit mit der Europäischen Kommissionwar dagegen von Anfang an intensiv und ist mittlerwei-le durch eine Kooperationsvereinbarung institutionalisiertworden. In der laufenden Legislatur halten wir es nun fürwichtig, dass sich der AdR weiter konsolidiert und sei-nen Auftrag, Wächter des Subsidiaritätsprinzips im ge-nannten Sinne zu sein, stärker wahrnimmt.

Eine Reihe von Akzeptanzproblemen würden sich aus mei-ner Sicht dann von selbst erledigen. Wir treten also füreine behutsame Weiterentwicklung des AdR ein und diealte Forderung nach Verleihung eines eigenständigen Kla-gerechts und des Organstatus sollte in der nächsten Re-gierungskonferenz endlich Realität werden.

Die Landesregierung hat den Vertreter der deutschen Län-der im Konvent, Herrn Ministerpräsidenten Erwin Teufel,gebeten entsprechende Anträge in den Konvent einzubrin-gen. Dies entspricht übrigens dem Auftrag des Thürin-ger Landtags in seinem Beschluss zum Europäischen Kon-vent im November letzten Jahres, für den die Landesre-gierung außerordentlich dankbar ist. Außerdem sollte eineigenständiges Klagerecht der Regionen zustande kom-men, der Regionen, die über Gesetzgebungsbefugnisse

verfügen. Das wäre Voraussetzung. Es kann nicht für Re-gionen gelten, die keinerlei Gesetzgebungsbefugnisse ha-ben. Es ist nicht einsehbar, weshalb Regionen, die sichin ihren Rechten durch EU-Regelungen beeinträchtigtsehen, keine Möglichkeit haben sollen, dies vom Euro-päischen Gerichtshof überprüfen zu lassen. Ist dies näm-lich nicht möglich, so führt dies faktisch zu einer Schlech-terstellung beispielsweise gegenüber Unternehmen, denendiese Klagemöglichkeit offen steht.

Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist: die Forderung nacheiner stärkeren Vertretung im AdR, insbesondere im Zu-ge der EU-Erweiterung. Sie hat bisher leider kaum Re-sonanz gefunden. Auch darauf hat dieser Landtag bereitshingewiesen und hier ist die Landesregierung ebenso dank-bar für eindeutige Positionierung und das heißt Unter-stützung in einer so wichtigen Frage. Deutschland wirdnach der Erweiterung auf 25 Mitgliedstaaten nach der-zeitigem Stand weiterhin nur über 24 AdR-Sitze verfügen.Dies entspricht nicht der Bevölkerungsstärke Deutschlands.Nachdrücklich unterstützen wir daher die Forderung desThüringer Landtags, die Zusammensetzung des AdR an-zupassen. Die deutschen Konventsmitglieder haben die-ses Anliegen inzwischen im Konvent eingebracht und for-dern, sich bei der künftigen Sitzverteilung im Ausschussder Regionen am Europäischen Parlament zu orientie-ren. So ist für den AdR eine Aufstockung der Sitze vongegenwärtig 222 auf 350 vorgesehen. Dies entspräche dannder Hälfte der für das Europäische Parlament vorgese-henen Höchstsitzzahl von 700. Der eigentliche Charmedieses Vorschlags liegt aber darin, dass der Verteiler-schlüssel des Europäischen Parlaments angewandt wer-den soll und dies bedeutet, dass das relative Gewicht derdeutschen Delegation im AdR erheblich gestärkt würde.Wir hätten als deutsche Mitglieder Anspruch auf mehr Sitzeund ich glaube, das wäre ganz im Sinne auch der Stär-kung des Föderalismus, der schließlich unser Exportarti-kel in Deutschland ist und den wir in Europa einbringenmüssen. Es gilt unverändert der Satz von Lübbe, der ge-sagt hat: Europa wird föderal sein oder es wird nichtwirklich sein.

Wir halten es, meine Damen und Herren Abgeordneten,weiterhin für eine wichtige Aufgabe, den organisatorisch-personellen Unterbau des AdR zu stärken. Auf diesemGebiet konnte die deutsche Delegation im AdR in denvergangenen Legislaturen bereits bedeutende Verbesse-rungen erreichen. So konnten unter deutschem Vorsitz inder eigens eingerichteten GeschäftsordnungskommissionVerfahren verankert werden, die die Arbeitsfähigkeit desAdR effektiver gestalten. Ich nenne hier nur die Rege-lung für die Abfassung von Stellungnahmen, die Stärkungder Filterfunktion der Fachkommissionen, die Möglich-keit, vereinfachte Verfahren im Plenum anzuwenden so-wie ein Rückverweisungsrecht in die Fachkommission,wenn beispielsweise im Plenum mehr als 20 Änderungsan-träge vorliegen. Von diesen Möglichkeiten könnte aller-dings meines Erachtens und nach persönlichen Erfahrungennoch stärker als bisher Gebrauch gemacht werden.

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Jetzt kommt ein ganz schwieriges Problem, das wir abernur sehr schwer lösen können. Im Vergleich zu anderenNationalitäten sind deutsche Beamte in der AdR-Ver-waltung deutlich unterrepräsentiert. Das ist jetzt keinenationale Eitelkeit, so dass ich sage, es ist schade, dassnicht mehr Deutsch gesprochen wird, okay, das ist auchschade, aber, es hat in der Tat Probleme für unsere Ar-beit. Wenn die Zahl solcher Mitarbeiter und Ansprech-partner in der AdR-Verwaltung relativ klein ist, so hatdas unmittelbare Konsequenzen für die Arbeit der deut-schen Mitglieder, zumal Vorlagen in deutscher Sprachemeist erst sehr spät zur Verfügung stehen. Aufgrund derEU-Personalauswahlverfahren ist bedauerlicherweise nichtdamit zu rechnen, dass sich an dieser Situation so baldetwas grundlegend ändern wird. Allerdings - man soll dieHoffnung ja nie aufgeben - haben wir vielleicht eineChance, wenn im Februar 2004 erneut ein Deutscher dieAdR-Präsidentschaft übernimmt und vielleicht ergibt sichtatsächlich die Möglichkeit, auf diesem Gebiet kurzfris-tig ein wenig etwas zu erreichen. Die deutschen Minis-terpräsidenten haben sich im vergangenen Jahr eingehendmit der Wahrnehmung von Länderinteressen im Ausschussder Regionen befasst. Wir dürfen froh darüber sein, weildies nicht zu allen Zeiten so war, dass die deutschen Mi-nisterpräsidenten sich speziell um dieses Gremium, spe-ziell auch um den AdR in so besonderer Weise geküm-mert haben. Dabei ging es vor allem darum, wie sich dasgemeinsame Auftreten der deutschen Länder verbessernund mehr Gemeinsamkeit erreichen lässt. Die deutscheAdR-Delegation hat daraufhin eine Reihe organisatori-scher Maßnahmen in Angriff genommen, die zu einer bes-seren Abstimmung zwischen den deutschen Mitgliedernführen sollen. Die Landesregierung begrüßt dies außer-ordentlich und sieht darin einen Anfang, mehr durch bes-sere Koordinierung und Abstimmung zu erreichen.

Ich komme zum Fazit: Die Erwartungen der deutschenLänder an den AdR waren sehr hoch, vielleicht, gewisssogar, waren sie zu hoch. Dass der AdR kein Europäi-scher Bundesrat ist oder wird, sollte indessen nicht zurpolitischen Skepsis oder gar zum politischen Rückzugverleiten, es wäre ein Kardinalfehler. Gottlob denkt inWahrheit daran auch niemand. Für die Landesregierungbleibt der Ausschuss der Regionen ein wichtiges Instru-ment, um Thüringer Interessen unmittelbar in den euro-päischen Entscheidungsprozess einbringen zu können. Ichmöchte daher immer wieder ermuntern, auch bestimmteProbleme, die uns wichtig zu sein scheinen, hier im Par-lament zu diskutieren, wenn sie für den europäischen Ho-rizont von Belang sind und den Versuch zu unterneh-men, hier im Parlament einmütige Beschlussfassungenherbeizuführen, dass wir mit umso größerer Kraft undMöglichkeit dann im AdR tätig werden können.

Der Ausschuss der Regionen wird auch in absehbarerZeit im Übrigen die einzige europäische Institution derregionalen und kommunalen Ebene bleiben. Wir tun da-her, meine Damen und Herren, gut daran, uns dort weiter-hin durch Präsenz und politisches Engagement bemerkbar

zu machen. Thüringen ist das Land in der Mitte Deutsch-lands und in der Mitte Europas. Es steht ihm besondersgut zu Gesicht, in Europa Präsenz zu zeigen und sich mitdem, was es hat, einzubringen. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Ich frage die Fraktionen: Wird Aussprache gewünscht?

Abgeordneter Kummer, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt die Aussprache.

Vizepräsidentin Ellenberger:

Gut. Dann gibt es die Aussprache und ich bitte als ersteRednerin Frau Abgeordnete Sedlacik an das Rednerpult.Bitte schön.

Abgeordnete Sedlacik, PDS:

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Staatssekretär Kaiser,werter Abgeordneter Herr Schröter, vielen Dank für Ihreinteressanten und ausführlichen Berichte. Ich kann es nurbegrüßen, wenn die CDU-Fraktion mit ihrem Antrag be-kundet, künftig den Thüringer Landtag stärker in dieArbeit des Ausschusses der Regionen einbinden zu wol-len. Allein wenn ich mir die überschwänglichen Ankün-digungen ins Gedächtnis zurückrufe, die vor und zu Be-ginn des Europäischen Konvents geäußert wurden unddiese mit den konkreten Ergebnissen der Konventsarbeitvergleiche, so stimmt mich jedoch der angekündigte Be-deutungszuwachs des Ausschusses der Regionen im All-tag des Thüringer Landtags etwas skeptisch. Wer in die-sen Tagen die Internetseiten des Europäischen Konventsin der Hoffnung besucht, einen großartigen Verfassungs-entwurf vorzufinden, wird enttäuscht sein. Der Entwurf istkein großes Dokument, sondern vielmehr ein sehr um-fangreicher Text und für den Laien weniger verständ-lich. Der ursprünglich geäußerte Anspruch, dass der Ver-trag so klar und verständlich sein müsse, dass ihn jederSchüler in der Oberstufe eines Gymnasiums verstehenkann, ist leider nicht Wirklichkeit geworden. So steht daserste Opfer dieses Konvents schon fest, nämlich die Klar-heit, die Verständlichkeit und für uns alle die gewollte Bür-gernähe der zukünftigen Verfassung sehe ich hier in Ge-fahr. Der somit förmlich mit der Flut der Artikel und Ab-sätze erschlagene Besucher der Internetseite wird sichvielleicht später nur mal erinnern an den Streit in der Prä-ambel mit dem Thukydides-Zitat, welches lautet: "Unse-re Verfassung nennt sich Demokratie, weil die Macht nichtin den Händen einer Minderheit, sondern in der des Vol-kes liegt". Das Zitat bleibt vielleicht in Erinnerung, undder Streit, dass der Gottesbezug nun nicht in die Präambelkommt, wird eventuell noch den Papst ärgern und nochviel mehr den CSU-Landesgruppenchef Glos.

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Aber bei dem Ausschuss der Regionen hat es doch vieleAnkündigungen gegeben, keine Spur ist nunmehr in demEntwurf zu finden. So hieß es, der Ausschuss der Regio-nen solle künftig noch eine größere, noch stärkere Rollein der Union spielen. Er sollte die Möglichkeit des Zugangszum Europäischen Gerichtshof erhalten, also das Klage-recht. Oder der Ausschuss sollte auch sogar aufschieben-de Vetorechte im Bereich mit eindeutig regionalem Be-zug verliehen bekommen. Kein Wort davon im gegenwär-tigen Entwurf des Konvents. Auch wenn voraussichtlichdie Regierungskonferenz die Stellung des Ausschusses derRegionen nicht stärken wird, ist der Ausschuss der Re-gionen nicht nur dafür wichtig und unentbehrlich, umdie regionale Sichtweise in den Rechtsetzungsprozess derEuropäischen Union einzubringen, vielmehr könnte derAusschuss der Regionen auch eine Rolle spielen, euro-papolitische Themen dem Bürger näher zu bringen. Diessetzt, auch auf Thüringen bezogen, doch voraus, dass dieThemen in den Fachkommissionen und im Plenum desAdR eine Rolle spielen und auch stärker in der Arbeitunserer Fachausschüsse des Thüringer Landtags Berück-sichtigung finden.

(Beifall bei der PDS)

Derzeit ist es doch Praxis, dass die Mitglieder des Aus-schusses für Bundes- und Europaangelegenheiten ledig-lich sehr sumarisch über die Beratungen im Plenum desAdR informiert werden. Dies halte ich für völlig unge-nügend. Über die anstehenden Beratungsgegenstände inden Fachkommissionen gibt es außer dem vom Präsidiumdes AdR beschlossenen Arbeitsprogramm keinerlei Infor-mationen. Die Mitglieder des Ausschusses für Bundes- undEuropaangelegenheiten erhalten durch die Staatskanzleilediglich die Tagesordnung der Plenarsitzungen des AdR.Bis zu der auf die Verteilung folgenden Ausschuss-Sitzungkann dann das Plenum des AdR bereits getagt haben, sodass die Ausschussmitglieder nur noch darüber informiertwerden, was eben bereits alles beschlossen wurde. Ich stellemir die zukünftige Arbeit zwischen den beiden ThüringerMitgliedern im AdR und dem Landtag so vor, dass dieFachausschüsse des Landtags rechtzeitig über die in denFachkommissionen des AdR anstehenden Beratungsge-genstände informiert werden. Denn nur so, sehr geehrterHerr Staatssekretär, können wir das, was auch Sie geradeforderten, verwirklichen, dass wir uns intensiver einbrin-gen und den politischen Charakter des AdR stärken kön-nen. Nur so können europapolitische Themen künftig imLandtag und damit auch in der Öffentlichkeit die Rollespielen, die Europa zusteht. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Ellenberger:

Herr Abgeordneter Botz, Sie haben das Wort, bitte schön.

Abgeordneter Dr. Botz, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,ich begrüße im Namen meiner Fraktion den Tätigkeits-bericht unserer AdR-Mitglieder, Herrn Schröter und denVertreter der Staatskanzlei. Dafür hätte es allerdings auchAnlass gegeben, wenn wir in dieser Legislatur nicht inder glücklichen Lage wären, zwei AdR-Mitglieder zu ha-ben. Das nur als kleine Nebenbemerkung. Das heißt, auchwenn die andere Zeit wieder eintritt, so dass wir nur einenAdR-Vertreter als Thüringer haben, wäre es sicher hilf-reich, ab und zu - ich weiß nicht ob jährlich, das kann mansicher später entscheiden - einen solchen Bericht zu erhal-ten, denn ich glaube, er erfüllt doch mehrere Funktionen.Wir als Mitglieder des Ausschusses für Bundes- und Euro-paangelegenheiten haben - das möchte ich hier ganz klarzum Ausdruck bringen, ich weiß nicht, ob ich da meineVorrednerin falsch verstanden habe - regelmäßig die Ge-legenheit und wir haben sie auch genutzt, Frau Sedlacik,

(Beifall bei der CDU)

Berichte zu bekommen, nicht nur, wenn wir eine Fragegestellt haben, sondern - das möchte ich hier bei allenReibereien, die sicher auch hinter uns liegen, ganz klarsagen - in Richtung des nun ehemaligen Ministers fürBundes- und Europaangelegenheiten und Chefs der Staats-kanzlei, Herrn Gnauck. Es war schon ein wesentlicherTeil der Tagesordnung bisher, ich hoffe, dass das dannauch in Zukunft so bleibt, unseres Ausschusses, dass wirBerichte aus dem AdR bekommen haben von unserenMitgliedern.

Meine Damen und Herren, einer der entscheidenden Grün-de der Schaffung des AdR, das will ich hier nur nocheinmal kurz in Erinnerung rufen, war ja, das ist auch ge-sagt worden, mit dem Maastrichter Vertrag der Versuch,die direkte Einflussnahme kommunaler und regionalerGebietskörperschaften auf Entscheidungsabläufe der EU-Institutionen zu stärken. Der Maastrichter Vertrag, 1991beschlossen, hat dann dazu geführt, leider dauern die Dingemanchmal, dass es im März 1994 die erste Sitzung desAdR gegeben hat. Das ist auch schon wieder fast ein Jahr-zehnt her. Ich glaube, bei allen kritischen Bemerkungen,die zum Teil die Vorredner hier schon angeführt haben,dass es, obwohl nicht alle ursprünglichen Wunschvor-stellungen, gerade auch der deutschen Seite, Herr Görg-meyer, Sie haben das hier noch mal angesprochen ...

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion:Kaiser.)

Ich bitte ausdrücklich um Entschuldigung, Herr Kaiser.Ich hoffe, Sie nehmen mir das nicht übel. EntschuldigenSie, Herr Kaiser. Was Sie hier in diesem Kontext schonangesprochen haben, auch wenn sozusagen die Wunsch-vorstellungen der deutschen Seite hier nicht hunderpro-zentig umgesetzt werden konnten, hat der AdR mehrerepositive Nebeneffekte gebracht und die sind zum Teil

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angeklungen, ich will sie nur noch einmal klar unter-setzen. Neben dem, was institutionell gelungen ist, wenndie Mehrheiten im AdR für Stellungnahmen da sind, dasist ja eine zwingende Voraussetzung, dann werden sie andie wichtigen anderen EU-Institutionen weitergebeben.

Meine Damen und Herren, hier an der Stelle wirklich nurnoch einmal von meiner Seite aus meiner ehemaligenTätigkeit kurz die Bestätigung - und das ist nun schoneinige Jahre her -, das ist nicht schlechter geworden, dasist besser geworden. Im Europaparlament nimmt man so-wohl diesen auch kaum bekannten Ausschuss WSA, derja auch nur beratende Funktion hat, aber eben in zuneh-mendem Maße auch die Stellungnahmen des AdR sehr,sehr ernst. Es gibt wirklich schon eine sehr hohe Anzahlvon Europaabgeordneten, die nur, wenn sie ganz schwerwiegende Gründe sehen, ganz einfach und locker über einesolche Stellungnahme in wichtigen Punkten hinweggehen.Das darf man hier auch einmal sagen und insofern auchdiese Arbeit des AdR auch praktisch würdigen und un-tersetzen. Ich möchte in aller Kürze, weil ich auch hier zuden Berichten nicht allzu lange sprechen möchte, nocheinige Anregungen geben. Herr Schröter hat schon daraufhingewiesen, dass es Bemühungen gab, einmal in Rich-tung eines Berichts zu kommen. Ich möchte Sie bestär-ken, diese Versuche weiter zu unternehmen - vielleichtauch einmal die Anregung, es gibt ja auch das Instrumentder Initiativberichte -, da hier ja schon die Vorarbeiten,Herr Kaiser hat es dargestellt, auf den Weg gebracht wur-den hinsichtlich des Problems des statistischen Effekts.Dann wäre es ja denkbar, zu versuchen, solange wir sostark im AdR vertreten sind als Thüringer und eben mitallen anderen deutschen Vertretern, sicher auch interna-tional, es sind ja viele andere Regionen schon mit im Boot,doch einen Initiativbericht in die Richtung vielleicht aufden Weg zu bringen. Wenn dazu dann Beratungen undAnhörungen eventuell auch hier vor Ort in Thüringen ein-mal stattfinden könnten, wäre das sicher ein nützlicherBeitrag, um die Tätigkeit des AdR auch den Bürgern undKommunalpolitikern vor Ort noch etwas plastischer dar-stellen zu können. Ich möchte auch folgende Anregung ge-ben: Meine Damen und Herren, die Berichterstattung hierim Parlament ist wertvoll und nützlich, aber man könnte dasauch noch ergänzen, weil ich, Sie wissen das aus unserenDebatten bevor wir hier zur Wahl geschritten sind, dassich mit meiner Fraktion großen Wert darauf lege, dass esim AdR eben nicht nur in erster Linie um regionale Ver-tretung geht, sondern, ich zitiere mal, um "maßgeblicheAkteure der lokalen und regionalen Gebietskörperschaf-ten", Sie haben das auch richtig erwähnt. Da wäre es dochdurchaus auch hilfreich, z.B. dem Thüringischen Gemein-de- und Städtebund laufend, auch perspektivisch regel-mäßig einen solchen Bericht vorzulegen und sicher dannwechselseitig auch in der Diskussion die Anregung direktvon unseren Bürgermeistern und Landräten aufzugrei-fen und auch in den AdR einzubringen. Ich denke, darü-ber könnte man durchaus nachdenken.

Einen Effekt möchte ich abschließend noch bestätigenoder ergänzend anfügen und auch darin untersetzen, wasHerr Kaiser hier angedeutet hatte. Es gibt einen Neben-effekt, den wir seit 1994 mit dem AdR in Brüssel haben.Der besteht schlicht und einfach darin, dass wesentlichmehr Bürgermeister und auch lokale Volksvertreter ausder gesamten Europäischen Union, und in wenigen Mo-naten ja aus einem Europa, das fast 500 Mio. Einwohnerhat, umfassen wird, direkte Möglichkeit haben, nicht nurmit den wichtigsten Personen, also Kommissaren, son-dern auch mit Generaldirektoren und untergeordneten Be-amten in der Kommission direkt ins Gespräch zu kom-men, auch persönlich kennen zu lernen, sie einzuladen,vor Ort zu holen. Meine Damen und Herren, wir wissendas ja selber alle als Volksvertreter, das ist unbezahlbar,diesen Effekt wird man über die nächsten Jahre dann si-cher auch stärker verspüren. Insofern kann ich nur sagen,der AdR ist auf einem guten Weg, auch wenn die Vor-stellungen des Klagerechts, auf die auch Frau Sedlacikjetzt noch mal eingegangen ist, nicht so kommen sollten,auch dann gibt es diese positiven Nebeneffekte.

Ich möchte aber zum Abschluss noch mal zum Aus-druck bringen, dass ich mit meiner Fraktion es nach wievor für absolut angemessen halten würde, dass der AdRals Ganzes, so wie er ja auch mehrheitlich Stellungnah-men verabschieden kann, als Körperschaft ein Klagerechtselbstverständlich im vollen Bewusstsein und in Verant-wortung gegenüber der Interessenlage unserer Bürger inder EU erhalten sollte. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Herr Abgeordneter Bergemann, CDU-Fraktion.

Abgeordneter Bergemann, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,nur einige wenige Anmerkungen. Herr Botz, ich dankeIhnen schon dafür, dass Sie klargestellt haben wie dasim Ausschuss üblich ist, dass die Landesregierung stän-dig über den AdR berichtet und wir natürlich auch dieChance haben und sie genutzt haben in den letzten Jah-ren, Berichte über die Arbeit des AdR zu bekommen. FrauKollegin Sedlacik, der Kollege Schröter hatte das deut-lich gemacht, aber es geht nicht vom Ablauf, dass mandort ständig rückfragen kann, dafür gibt es das freie Man-dat. Das hat er, glaube ich, in seinen Ausführungen ganzdeutlich dargelegt. Das müssten Sie dann auch bitte zurKenntnis nehmen.

Die zweite Bemerkung: Wir haben ja heute auch nichtüber den Konvent geredet, Ihre Eingangsrede - fast eineViertelstunde - hat sich mit dem Konvent beschäftigt.Das war heute eine ganz klare Berichterstattung wie esder Abgeordnete Schröter vor einem Jahr hier im Ple-num gesagt hat, Herr Kollege Botz, auch für Sie, er wird

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jährlich dazu berichten. Und das haben wir heute getan,das hat er damals angekündigt, das finde ich auch sehrin Ordnung, damit sind wir als Parlament angebunden.

Was die Frage des Gottesbezugs im Verfassungsvertraganbelangt, da werden Sie es mir sicher nachsehen, dassmeine Fraktion sehr traurig wäre, wenn es nicht so wird.Aber ich bin guter Hoffnung, weil die Charta übernommenwird, und damit ist ja der Gottesbezug schon hergestellt.Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Herr Staatssekretär Kaiser.

Kaiser, Staatssekretär:

Ich darf hier, Frau Präsidentin, nur zwei, drei Sätze nochhinzufügen und mich dafür bedanken, dass unterm Strichdoch hier sehr, sehr viel Gemeinsamkeit sichtbar gewor-den ist, die mir bei diesem Thema besonders notwendigzu sein scheint, auch im Sinne des Satzes "Einigkeit machtstark", wenn man bestimmte Ziele erreichen möchte.

Offenheit: Frau Sedlacik, es ist gerade gesagt worden,wir sind in der Tat offen und wir liefern, wo immer esgewünscht wird, Berichte und Informationen en détailund en masse. Und Sie wissen auch, jeder kann sich mit derLandesvertretung in Brüssel in Verbindung setzen, wobeiich hier noch nachzuholen habe, verehrter Herr Schröter,dass ein Dank an diese Vertretung gegangen ist, und sieleistet in der Tat eine sehr gute Arbeit.

Herr Botz, wenn Sie einen vorzüglichen Mitarbeiter vonmir erwähnen, dann schmeichelt das mir auch und esstört mich dann überhaupt nicht, wenn dieser Name anStelle des meinigen gefallen ist.

(Beifall Abg. Wetzel, CDU)

Frau Sedlacik, noch einen Satz: Sie haben verstanden, dassich natürlich auch Skepsis transportieren wollte, ohnedurch den Transport von allzu viel Skepsis Hoffnung zunehmen. Denn natürlich, wo wären wir, wenn wir keineHoffnung hätten, wir können sogar guter Hoffnung seinin diesen Fragen. Wir werden, da bin ich ganz sicher,beim AdR in der Tat auf dem guten Weg sein, den auchder Abgeordnete Botz eben gerade genannt hat.

Es ist wichtig und gut, dass Herr Schröter schon gesagthat, dass hier erneut berichtet werden wird im kommen-den Jahr, und es ist richtig, dass selbstverständlich dieLandesregierung sich solchen Berichtsersuchen nicht ver-weigern wird. Es ist wichtig, dass die Information fließtund es ist wichtig, dass wir wissen, um was es geht, umsoleichter lässt es sich gemeinsam für gute Ziele streiten.

Auch noch einen Satz zum Konvent. Es ist wohl wahr,Herr Bergemann, ich kann das nur voll unterstützen, esging ja nicht um den Konvent, wobei auch ich ihn zwei-,dreimal erwähnt habe, weil ich Wünsche geäußert habe,was ich gern vom Konvent verwirklicht sehen würde.Ich habe meine Sorge, inwieweit dies tatsächlich alles,was wir aus der Sicht von den Regionen, aus der Sichtinsbesondere auch von Deutschland, insbesondere auchaus der Sicht von Thüringen, was wir dort gern realisierthätten und was sicherlich nicht alles realisiert wird. Aberder Entwurf, wie er vorliegt oder wie man ihn zum Teilim Internet sehen kann, ist mit Gewissheit nicht das End-ergebnis, und ich darf darauf hinweisen, ohne dies jetztals "Drohung" missdeuten zu lassen, selbstverständlichmüssen diese Dinge allesamt noch durch bestimmte Gre-mien hindurch und beispielsweise auch durch den Bun-desrat hindurch, und ich bin sicher, dass der Bundesratallergrößten Wert darauf legt, dass in Sonderheit die Prinzi-pien von Föderalismus und von Subsidiarität Berück-sichtigung finden. Wir haben nicht die Absicht, dies beider Abstimmung an der Kasse zu hinterlassen und nicht da-rauf zu bestehen, dass das, was unser Gepräge macht, wasunsere Bedeutsamkeit macht, was auch unsere Kraft machtbei diesem Verfassungsvertrag, unter die Räder gerät.

Nochmals besten Dank für die Möglichkeit hier eineuropapolitisches Thema zu besprechen, auch ein Dan-keschön für die Diskussion und wir sollten uns alsbaldbei passender Gelegenheit erneut mit dieser Thematikbeschäftigen.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Damit kannich die Aussprache schließen und kann noch feststellen,dass das Berichtsersuchen gemäß § 106 Abs. 2 unsererGeschäftsordnung erfüllt ist, sofern es dagegen keinenWiderspruch gibt. Widerspruch sehe ich nicht, dann istdas so.

Damit schließe ich den Tagesordnungspunkt 13 und kom-me nun zum Tagesordnungspunkt 14

Radwegenetz in ThüringenAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3336 -

Eine Begründung war nicht gewünscht von Seiten desEinreichers, wurde mir vermittelt. Das ist so, ja? Gut,dann kommen wir unmittelbar zur Aussprache, und ichgebe als Erstem das Wort Herrn Abgeordneten Kallen-bach, CDU-Fraktion.

Abgeordneter Kallenbach, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,Radwegenetz in Thüringen, ein Antrag der Fraktion der

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7549

SPD, es liegt mir sehr am Herzen, aber es ist ein über-schaubares Thema, das muss man schon auch hier fest-halten, und es ist nach allem, was ich weiß, auch nicht einThema, was politisch sonderlich umstritten ist, Gott seiDank, kann man sagen. Wo stehen wir? Wir können heutefeststellen, dass insgesamt der Ausbau des Radwegenetzesin Thüringen auf einem guten Weg ist, dass wir aber nochlängst nicht da sind, wo wir hinkommen wollen. Also, esgibt nach wir vor auch einen großen Nachholbedarf.

Woraus ergibt sich nun die Notwendigkeit des Baus vonRadwegen? Da gibt es verschiedene Kriterien, das mussman an der Stelle deutlich hervorheben, auch wenn dasaus dem Antrag nicht hervorgeht. Ich nenne als Erstes be-züglich der Notwendigkeit die Verkehrssicherheit. WennSie nämlich eine stark belastete Straße haben, insbeson-dere mit vielen Lkw, dann ist es außerordentlich gefähr-lich dort Rad zu fahren. Das ist ein ganz entscheidendesKriterium dafür, dort einen straßenbegleitenden Radwegzu bauen. Ein zweites Kriterium können vorhandene odersich noch entwickelnde Schulwege sein, weil natürlichviele Kinder, viele Jugendliche mit dem Rad zur Schulefahren. Das kann ebenfalls ein wichtiges Entscheidungskri-terium für einen Radweg sein, oder die Verbindung zuEinkaufszentren oder Ähnlichem. Natürlich ist auch dertouristische Aspekt ganz wichtig und entscheidend. Da-rauf wird Kollege Heym sicherlich noch eingehen. Es nütztaber alles nichts, wenn nicht entsprechendes Geld zurVerfügung gestellt wird. Zurzeit haben wir in unseremDoppelhaushalt 2003/2004 insgesamt etwa 2 Mio. �����straßenbegleitende Radwege an Landesstraßen - und nurdafür sind wir zuständig als Land - zur Verfügung. Ichsage aber auch gleich dazu, natürlich wirkt auch hier, lei-der, muss man sagen, die Bewirtschaftungssperre. Für stra-ßenbegleitende Radwege an Bundesstraßen stehen im Bun-deshaushalt für Thüringen ca. 3,8 Mio. �����������gung.Das ist erfreulich, aber natürlich ist auch die Notwen-digkeit an Bundesstraßen Radwege zu schaffen viel hö-her, weil dort die Verkehrsbelegung höher als an Landes-straßen ist. Insgesamt wurden seit 1993 für 8,4 Mio. �����wege an Landesstraßen gebaut. Das sind immerhin 85 km,die dort neu gebaut wurden. 85 km kamen hinzu, das istschon erfreulich, aber reicht natürlich noch lange nicht.Von Seiten des Bundes waren es 11,6 Mio. �� �������wege an Bundesstraßen. Damit konnten 114 km gebautwerden. Aber mindestens genauso wichtig sind die kom-munalen Radwege, denn die stellen oft die Verbindungs-stücke dar, oder stellen sie eben auch nicht dar, weil dieKommunen oft nicht in der Lage sind oder es nicht alsso wichtig erachten auf ihrem Gebiet, in ihrem Zustän-digkeitsbereich Radwege zu bauen. Aber das Ganze machtnur einen Sinn, wenn sich daraus ein Netz entwickelt, wasman durchgängig nutzen kann. Stücken sind sehr schön,aber nützen recht wenig; es müssen sich Netze entwickeln.

Ich denke, man soll den Grundsatz verfolgen, dass bei allenNeu- und Ausbauten von Straßen Radwege mitgebaut wer-den, entweder direkt mit einem kombinierten Rad-Geh-weg oder straßenbegleitend außerorts. Wenn wir das er-

reichen, ich glaube, dann sind wir schon gut, weil wir dannnämlich gleichzeitig auch die Planung gemeinsam reali-sieren können. Dann würden auch entsprechend die Kos-ten reduziert. Meine Damen und Herren, was relativ we-nig Geld kostet, ist eine Beschilderung. Aber wenn die-se nicht oder nur bruchstückhaft da ist, dann ist es ärger-lich. Solche Schilder, wir haben uns gerade erst in unse-rem Arbeitskreis kundig gemacht, kosten 3 bis 5 �����Stück, also das ist wirklich kein Kostenfaktor. Das kannman wirklich mit wenig Mitteln erreichen, aber es sollteauch ein einheitliches System sein, welches im ganzenLand durchgehalten wird, und da leistet unser Verkehrs-ministerium sehr hilfreiche Arbeit. Ich möchte noch still-gelegte Eisenbahnstrecken nennen, die entwidmet sind, sol-che gibt es, wie Sie alle wissen. Auch die eignen sich her-vorragend für Radwege.

Zum Schluss noch eine Bemerkung: Es handelt sich na-türlich, aber das wird oft vergessen, um ein ökologischesVerkehrsmittel. Auch aus diesem Aspekt heraus sollte manes fördern und unterstützen. Aber da ist es eigentlich auchein bisschen widersinnig, wenn man dann beim Bau, beider Planung eines Radwegs gleich wieder Ausgleichsmaß-nahmen fordert, welche die Sache verteuern und dadurchoft eine Bremse darstellen, wenn sie an Radwege einerKommune denken. Also, ein ökologisches Verkehrsmit-tel, was auch aus dieser Sicht Unterstützung verlangt. Ichdanke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit, aber ich glaube,insgesamt lohnt es sich nicht aus diesem Antrag jetztnoch eine ganz breite Debatte im Ausschuss zu führen.Ich glaube, wir können das hier im großen Konsens auchentsprechend abarbeiten. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Damit kommen wir zum nächsten Redner. Ich gebe dasWort Herrn Abgeordneten Buse, PDS-Fraktion.

Abgeordneter Buse, PDS:

Herr Kallenbach, sehr geehrte Frau Präsidentin, verehrteAbgeordnete! Herr Kallenbach, Sie bezogen sich auf denAntrag 3/3336 der Fraktion der SPD "Radwegnetze inThüringen" und nun weiß ich nicht so richtig, ob Sie die-sem Antrag zustimmen wollten oder nicht oder eine Be-richterstattung der Landesregierung mit einfordern woll-ten. Sie meinten hier im Plenum wäre der Raum darüberzu reden, gut, wenn wir heute den Beschluss fassen, wärees sicher im nächsten Plenum mit der Berichterstattungauch möglich, aber im Ausschuss wollen Sie diesen An-trag scheinbar nicht haben und auch sicherlich nicht dieBerichterstattung. Also über ein Thema, zu dem man derAuffassung ist, keine Berichterstattung der Landesregie-rung zu brauchen, haben Sie doch beachtliche Ausfüh-rungen gemacht. Aber so ist das eben.

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7550 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

(Zwischenruf Abg. Kallenbach, CDU: Dazubrauchen wir nicht die Landesregierung!)

Sie brauchen dazu die Landesregierung scheinbar nicht.

(Zwischenruf Abg. Kallenbach, CDU: Ja.)

Wir kommen ja irgendwann heute zur Abstimmung undwerden dann sehen.

Schlagzeilen wie "Vom Fahrradland noch weit entfernt","In Thüringen fehlen Radwege", "Mangelhafte Infrastruk-tur bei zunehmenden Touristenzahlen" bezüglich Radwe-gebau sicherlich keine Erfindung der PDS - spiegeln einbisschen die Tatsache wider, die Sie hier umschrieben ha-ben. Trotz aller Fortschritte reicht der gegenwärtige Standnoch nicht aus. Ohne Zweifel ist der Radverkehr noch zuwenig im Sinne des nicht motorisierten Verkehrs in Thü-ringen entwickelt. Ebenso ohne Zweifel ist, dass auch inBereichen, in denen weit gehend intakte Radwege vorhan-den sind, die Zahl der Personen, die mit Fahrrädern un-terwegs sind, nicht überwältigend ist. Während das eine- Radwege und ihre Vernetzung - eine Frage der infra-strukturellen Entwicklung darstellt, ist eben das andere -die Nutzung der Radwege - weitestgehend individuell ge-prägt. Richtig ist in jedem Fall, dass gut ausgebaute Rad-wege einen Beitrag zur Senkung des Unfallgeschehensdarstellen, auf das Sie auch hingewiesen haben, HerrKallenbach. Richtig in jedem Fall ist auch, dass vernetzteRadwege und ihre Beziehung zu territorialen oder regiona-len Sehenswürdigkeiten von touristischer Bedeutung seinkönnen und sich unter anderem die Ausschilderung derFernradwege in Thüringen schon positiv bemerkbar ge-macht hat. Sicherlich gibt es noch Reserven, Herr KollegeHeym wird, wie angekündigt, auf diese Frage sicher nocheinmal eingehen, was den Tourismus betrifft. Es ist sicher-lich auch richtig, dass der Ausbaustandard und die Witte-rungsbeeinträchtigungen der Nutzung auch in Thüringennoch einiges zu wünschen übrig lässt. Die vielfältigenProminenten-Fahrradtouren, auch in jüngster Zeit im RaumJena-Weimar, zeigen sowohl die erreichten Fortschritte,aber auch noch zu behebende Unzulänglichkeiten. Lichtund Schatten, sehr geehrte Frau Doht, liegen also durchausauf der Strecke Jena-Weimar beieinander, wenngleich dasLicht aber sicher überwiegt.

(Zwischenruf Abg. Wetzel, CDU: Das kannnicht sein!)

Die Frage ist, ob bei den wesentlichen Strecken mögli-che Unzulänglichkeiten bekannt sind. Mir ist z.B. bekannt,dass ausgewählte Wanderwege, insbesondere vor Neuauf-lagen von Wanderführern abgewandert und die Gegeben-heiten in Augenschein genommen werden. Für mich istdie Frage, ob dies z.B. auch für ausgewählte Radwegezutrifft. Meine Damen und Herren, wenn im Antrag aufeine Berichterstattung der Landesregierung abgestellt wirdund dazu explizit inhaltliche Anforderungen gestellt wer-den, dann ist das unter anderem aus Sicht der Haushalts-

lage einerseits, aber vor allem aus Sicht der im weites-ten Sinne Stärkung der Wirtschaftskraft von Bedeutung.Insofern ist eine Befassung mit dem Thema aus unsererSicht durchaus anzuraten. Die Landesregierung könntemit dem Nachkommen nach einer Berichterstattung eineGrundlage legen, die eine gebotene Sachlichkeit der par-lamentarischen Diskussion auch im Ausschuss für Wirt-schaft, Arbeit und Infrastruktur nach sich ziehen würde.Weil kein Sofortbericht seitens der Landesregierung ge-geben worden ist - das wurde ja auch vorher schon nichtsignalisiert -, glaube ich, dass wir dem Antrag zustimmensollten, um uns mit einer Berichterstattung der Landes-regierung zu diesem Thema zu beschäftigen. In diesemSinne würden wir dem Antrag zustimmen.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

So, es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Doht, SPD-Fraktion.

Abgeordnete Doht, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr Kallen-bach, es ist schön, wenn wir uns über das Radfahren einigsind, aber wir hätten natürlich auch gern noch den Be-richt der Landesregierung zu diesem Thema gehabt, undwenn er heute als Sofortbericht nicht kommt - wofür ichaufgrund der Situation ja sogar ein gewisses Verständ-nis habe -, dann erwarten wir den doch zumindest in dernächsten Plenarsitzung.

(Beifall bei der SPD)

Rad fahren liegt immer mehr im Trend und die Radfah-rer machen in Thüringen ca. 6 Prozent des Verkehrsauf-kommens aus. Viele Touristen nutzen die Fernradwegein Thüringen, um mit dem Rad Land und Leute kennenzu lernen. Aber für viele ist das Fahrrad auch das tägli-che Verkehrsmittel, um möglichst staufrei und umwelt-freundlich an die Arbeit zu kommen oder tägliche Be-sorgungen durchzuführen.

Rein formell müssen wir bei der Betrachtung des Radwe-genetzes zwischen straßenbegleitenden und touristischenRadwegen unterscheiden. In beiden Bereichen ist in denletzten Jahren viel geschehen. Das soll hier nicht unterden Tisch gekehrt werden, sondern muss an dieser Stelleauch einmal gesagt werden.

(Beifall bei der CDU)

Ein durchgängiges Radwegenetz für ganz Thüringen ha-ben wir jedoch noch nicht erreicht. So gehören Radwe-ge beim Neu- oder Ausbau von Bundesstraßen inzwischenzum Standard. Bei den Landesstraßen haben wir hier nochNachholbedarf. Für den Neu- und Umbau von Radwegenstehen im Rahmen des Landesradwegeprogramms für

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7551

2003 974.000 ��� �-����������).!�+������-���������'��Landesstraßen sind für das Jahr 2003 im Bereich Erhal-tung Radwege 50.000 �������������!������������������ vielund wenn man bedenkt, dass davon noch 15 Prozenteiner Haushaltssperre unterliegen, dann relativiert sichdiese Summe noch mehr. Es ist auch davon auszugehen,dass mit den Verhandlungen zum Nachtragshaushalt derDruck auf die freiwilligen Leistungen auch in diesemBereich zunehmen wird.

Das Wirtschaftsministerium ist daher schon im Hinblickauf die Verhandlung zum Nachtragshaushalt gefordert,ein überzeugendes Konzept für den weiteren Ausbau desRadwegenetzes vorzulegen, um damit auch in den Res-sortabstimmungen und gegenüber dem Parlament beste-hen zu können. Für uns ist es eine entscheidende Frage,wie viel Geld fließt wirklich in den kommenden Jahrenin den weiteren Ausbau des Radwegenetzes.

Auch im Tourismus hat das Fahrrad in den letzten Jahrenimmer mehr an Bedeutung gewonnen. Hier gibt ein Po-tenzial, das ständig im Wachsen begriffen ist und dem sichdie Tourismusindustrie auch verstärkt zuwendet. Mit dengroßen Fernradwegen bietet Thüringen attraktive Stre-cken für Touristen, aber auch hier gibt es noch einigeLücken zu schließen. Die Verbindung zwischen den Rad-wegen muss verbessert werden, auch die Ausschilde-rung. Teilweise sind die Oberflächen nicht immer optimaloder die Radfahrer werden über Straßen geführt. Ein gro-ßes Problem dabei sind jedoch die Städte. Dort ist derRadfahrer dem Autoverkehr immer noch im vollen Um-fang ausgesetzt. Die Radwege enden oft an der Stadt-grenze und auch die Beschilderung. Die Kommunen sindoft aufgrund ihrer Finanznot nicht in der Lage, hier kurz-fristig nachzuziehen oder aber sie haben ihre Prioritätenanders gesetzt. Dabei ist nicht nur der Neu- und Ausbauweiterer Strecken ein Problem, sondern auch die Unter-haltung vorhandener Strecken. Vieles, bis hin zur Beschil-derung, wurde mit ABM und SAM geschaffen. DieseStellen sind inzwischen nicht mehr vorhanden und derUnterhalt der Strecken oftmals nicht gesichert. Hier mussgemeinsam nach Lösungen gesucht werden. Lösungen,die auch diejenigen nicht aus ihrer Verantwortung lassensollten, die mit an den Radwegen verdienen. Es dürfteeinem Gastwirt, der an einem Radweg für seinen Betriebwirbt, der von diesem Radweg seine Einnahmen hat, auchzuzumuten sein, sich z.B. an einer Ausschilderung dessel-ben zu beteiligen. Ich denke, hier sollten wir zu partner-schaftlichen Modellen zwischen der Tourismusindust-rie, den Verbänden und Kommunen kommen. Aber na-türlich braucht dieser Gastwirt auch eine Perspektive zumweiteren Ausbau zu den zeitlichen Prioritäten, um seinekünftigen Angebote danach ausrichten zu können.

Neben der Infrastruktur möchte der Thüringer Touristauch entsprechende Angebote bekommen. Hier gibt esinsgesamt in Thüringen noch Nachholbedarf. Wenn manz.B. einmal vergleicht, so gibt es in Nordrhein-Westfa-len ca. 2.000 Betriebe, die dem System "Bett und Bike"

angeschlossen sind, in Thüringen sind es bislang 60 Be-triebe. Angebote, bei denen der Fahrradtourist sein Ge-päck weitertransportiert bekommt, die sind noch selte-ner. Gerade das sind Angebote, die insbesondere von Fami-lien mit Kindern gefordert werden. Aber auch ältere Leu-te sind sicherlich froh, wenn sie nicht immer mit 20 kgGepäck den Berg hinaufstrampeln müssen. So steht z.B.auch die Frage, warum sich im Bereich der Saale-Tal-sperren kein Bootsunternehmen findet, das Radler wei-tertransportiert. Denn gerade im Bereich der Saale-Tal-sperren hat der Saale-Radweg einige extreme Steigun-gen aufzuweisen. Hier wäre ein alternativer Transport si-cherlich eine Möglichkeit, die von Touristen angenom-men wird, die aber auch den Bootsunternehmen ihre Ein-nahmen garantieren würde.

Meine Damen und Herren, wir sind uns alle darüber imKlaren, dass die finanziellen Spielräume in der Zukunftnicht größer, sondern eher enger werden. Deshalb sollteauch im Bereich der Radwege über Synergieeffekte nach-gedacht werden. Wir brauchen zum einen eine bessereVernetzung zwischen den straßenbegleitenden und tou-ristischen Radwegen. Wir sollten aber auch dort, wo esmöglich ist, diese Radwege zusammenführen. So läuftz.B. im Bereich Arnstadt der Gera-Radweg parallel zumRadweg an der B 4. Ob dies in einem Luftabstand vonca. 200 Meter nötig ist, darf bezweifelt werden. Ich glaube,es wäre hier dem einheimischen Alltagsradler durchaus zu-mutbar, den Gera-Radweg mitzunutzen. Deswegen soll-ten wir bei künftigen Maßnahmen besser versuchen, Ver-kehr und Tourismus zu vernetzen, um Doppelungen zu ver-meiden, um Mittel an anderen Stellen frei zu haben, da,wo noch Lücken bestehen, wo es diese zu schließen gilt.

(Beifall bei der SPD)

Auch andere Programme, wie z.B. der ländliche Wege-bau, können mit ein bisschen Fantasie und gutem Willenin ein Radwegenetz integriert werden. Hierzu bedarf eseines Partners, der koordinierend eingreift und versucht, dieunterschiedlichen Interessen unter einen Hut zu bringen.Aus unserer Sicht kann dieser Partner eigentlich nur dasWirtschaftsministerium sein, denn hier ist sowohl Tou-rismus als auch Verkehr angesiedelt.

Mit unserem Antrag zur Berichterstattung wollen wir auchAnregungen geben, in diese Richtung zu denken. Wir er-warten eine Bestandsaufnahme seitens des Wirtschafts-ministeriums, die in jedem Fall Voraussetzung für dieweitere konzeptionelle Planung ist. Deswegen bitte ichum Zustimmung zu unserem Antrag und erwarte einen Be-richt der Landesregierung in der nächsten Plenarsitzung.

(Beifall bei der PDS, SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

So, jetzt haben wir die Wortmeldung vom Abgeordne-ten Heym, CDU-Fraktion.

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Abgeordneter Heym, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnenund Kollegen, also ich muss sagen, ich war schon ver-wundert, als ich - und das muss ich dazu sagen - beideAnträge der SPD-Fraktion zum Tourismus gelesen habe.Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich fragen wol-len, warum in der SPD offensichtlich erhebliche Informa-tionsdefizite bestehen. Aber gerade weil die Frau Kolle-gin Doht ja eigentlich in allen maßgeblichen Gremien,in denen über diese Thematiken gesprochen wird, mitdrinsitzt, könnte man auch zu dem Schluss kommen, dassder Antrag einfach nur von Aktionismus motiviert ist.

(Beifall bei der CDU)

Stichwort - Radwegenetz: Wenn es einen touristischenBereich gibt, touristische Infrastruktur, der nach der Wendebei null angefangen hat, dann war das das Radwegenetz.

(Beifall bei der CDU)

Heute, zehn Jahre nachdem es eigentlich so richtig mit demBau losgegangen ist, haben wir 12 Fernradwanderwege,von denen zehn durchweg befahrbar sind. Herr Buse, ichhätte ja vielleicht als Opposition mich auch solcher Über-schriften bedient, wie Sie dies gemacht haben mit denPresseartikeln, aber das ist einfach schlichtweg die Un-wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Wenn irgendwelche Journalisten der Öffentlichkeit sug-gerieren wollen, dass in Thüringen Fahrradland Ödlandist, dann hat er sich selber noch nicht auf den Sattel ge-schwungen und ist durch dieses Land gefahren.

(Beifall bei der CDU)

Das muss man einfach mal so feststellen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Allein300 km Radwege ...)

Die Fernradwanderwege haben eine Gesamtlänge von über1.600 km. Sie sind mit den Nachbarländern abgestimmtund vernetzt. Also stimmt doch die Aussage nicht, dass dieirgendwo anfangen und irgendwo enden, das ist schlicht-weg einfach nur nicht richtig. Der Kollege Kallenbach hatschon ausgeführt, es sind straßenbegleitend 114 km an Bun-desstraßen entstanden, an Landesstraßen 85 km, das allesmit einem Investitionsaufwand von ungefähr 20 Mio. ��beides zusammen. Das sind ja keine Kleinigkeiten. Damuss man überlegen, welche Aufgaben in den vergange-nen Jahren durch diese Landesregierung zu bewältigen wa-ren, da kann man ganz einfach das, was in dem Radwe-genetz hier entstanden ist, nicht so gering reden, wie dashier mitunter von diesem Platz aus versucht worden ist.

(Beifall bei der CDU)

Neben den straßenbegleitenden Radwegen, die insbesonde-re auch einen verkehrsleitenden Aspekt haben, sind rund120 km Radwege neu gebaut worden, die rein touristi-schen Charakter haben. Das war ein Investitionsvolumenvon 9,4 Mio. ���"�'���/�0�#��!�������12�#��teln ge-kommen sind und der Rest eben aus Landesmitteln. Wasbei diesen Zahlen nicht erfasst ist, sind die Radwege, dieauch auf kommunaler Ebene gebaut worden sind. Das istauch noch mal ein zweistelliger Millionenbetrag. Das istschon eine beachtliche Größenordnung. Ich möchte z.B. nurausführen, der Werratal-Radweg, der steht auf der Hitlis-te der deutschen Fernwanderradwege inzwischen an vierterPosition. Ein anderer bedeutender Radweg ist der entlangder Saale.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jawohl,sehr gut.)

Wir haben hier eine länderübergreifende Arbeitsgruppe.Diese hat Erhebungen gemacht. Es sind also nicht irgend-welche Zahlen, die jetzt vom Wirtschaftsministerium er-mittelt wurden, deshalb darf auch die Opposition geneigtsein, diese Zahlen als richtig aufzunehmen. Es ist schonbeeindruckend, was da ermittelt wurde. Im Jahr 2002 wur-den auf diesem Weg rund 210.000 Radler gezählt. Davonwaren 17.000 Radfernwanderer. Es ist auch statistisch er-wiesen, dass ein Fernwanderer am Tag zwischen 50 und60 ���������!��'���3���� �������������������������"���che Größenordnung die Radfahrer schon einnehmen, wasdie Einnahmesituation für die Gastronomie und für dietouristischen Leistungsträger ausmacht.

(Beifall bei der CDU)

Diese Ergebnisse sind nicht vom Himmel gefallen. Siesind das Verdienst der beteiligten Kommunen, der Tou-rismusverbände und eben der Landesregierung,

(Beifall bei der CDU)

die mit erheblichen Mitteln, aber auch koordinierend Un-terstützung gegeben hat. Es ist längst erkannt, dass derRadtourismus ein steigendes Segment ist. Wir haben inder Vergangenheit, und wir werden auch in Zukunft da-ran arbeiten, um diesen Teil touristischer Infrastrukturnoch weiter zu komplettieren.

Es ist schon mehrfach angesprochen worden, es ist wenigeWochen her, dass diese so genannte Promi-Radtour diesesJahr auch entlang der Ilm geführt hat, vom Goethehaus inWeimar zur Goethehauskopie Bad Sulza. Ich kann nursagen, dass - ich war selbst dabei - die Wegstrecke sehrattraktiv war, sie war schön. Ich habe sie auch als gut aus-gebaut empfunden, auch wenn noch nicht alles durchge-hend asphaltiert worden ist. Ich bin der Meinung, Radfahren hat noch ein bisschen was mit Natur zu tun.

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7553

(Beifall bei der CDU)

Natürlich ist auch - und das ist auch zuzumuten -, dassich mit dem Rad auch mal über ein paar hundert Metervielleicht noch geschotterten oder anders befestigten Be-lag fahren kann.

Herr Kallenbach hat es schon angesprochen, Hauptsa-che, meiner Meinung nach, an den bestehenden Radwe-gen und insbesondere an den Fernwanderradwegen ist,dass die Beschilderung gut ist, dass gerade der ortsun-kundige Gast, ohne sich befragen zu müssen, auch dieZiele erreicht, die er finden will. Da gibt es sicherlich dieeine oder andere berechtigte Kritik, aber - wir haben jadie Zahlen gehört - die Kosten für die Beschilderung, dieheute für Radwege anzuwenden sind, die sind in einemüberschaubaren Rahmen, deshalb sind die Probleme, mei-ner Meinung nach, verhältnismäßig gering und mit wenigAufwand auch abstellbar.

Der Wirtschaftsarbeitskreis meiner Fraktion ist, ich glaube,vor vierzehn Tagen am 19. Mai mit dem Rad von Ru-dolstadt nach Jena unterwegs gewesen, entlang der Saale.Auch von dort kann man berichten, dass die Anwohner-gemeinden gut zusammengearbeitet haben -

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Mit Rast inFreienorla.)

ja, mit Rast in Freienorla -, aber auch, dass die Gastro-nomen diesen Radweg längst als feste Größe touristi-scher Attraktivität nicht mehr missen wollen, ja eigent-lich gar nicht mehr missen können, denn wir haben es ausdem Mund des Gastwirts gehört, dass er fast 20 Prozentseiner Einnahmen aus dem Radweg zieht. Auf unsere Fra-ge, wie wir denn vielleicht noch die ganze Geschichte at-traktiver machen könnten, hat uns der Wirt gesagt, es wäreeigentlich am besten, wenn der Radweg unmittelbar anseinem Haus vorbeiführt, aber wenn das schon nicht mög-lich ist, was er verstanden hat, wäre es schön, wenn wirwenigstens noch ein Schild aufstellen, damit er auf sei-ne Einrichtung hinweisen kann. Das, muss ich sagen, sindauch Gelder, die zumutbar sind, die eben auch mal derLeistungsträger, der Wirt, ganz einfach in die Hand neh-men kann und dort sein Schild aufstellt, um dort nochmal auch selbst auf seine Einrichtung hinzuweisen.

(Beifall bei der CDU)

Eine viel größere Rolle wird in den nächsten Jahren dieUnterhaltung der Radwege in Anspruch nehmen.

(Beifall bei der CDU)

Da, denke ich, ist es so, dass in erster Linie die Kommunen,aber auch die Tourismusverbände zuständig sind. FrauDoht hat gesagt, der Druck auf die freiwilligen Leistun-gen der Gemeinden wird größer. Das kann man so dar-stellen, Frau Doht, ich bin aber der Meinung, wenn eine

Gemeinde von sich behauptet, dass sie eine touristischeAttraktion ist, dann muss es ihr das Geld wert sein, dortauch mal die Sense zu nehmen,

(Beifall bei der CDU)

mal langzufahren oder vielleicht auch mal nach einemstarken Regen ganz einfach den Radweg abzukehren. Dassind Dinge, die müssen zumutbar sein.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden auch nicht umhin kommen, dass die Kom-munen das machen. Es kann nicht sein, dass das Landfür solche Leistungen auch noch aufkommt. Es ist schonimmer so gewesen, wenn ich die Kuh irgendwo melkenwill, da muss ich sie halt auch ein bisschen füttern, an-ders geht es nicht.

(Beifall bei der CDU)

Richtig ist, dass die touristische Vermarktung der Rad-wege noch intensiviert werden muss. Frau Doht sagt, wirmüssen Angebote entwickeln, da will ich ihr aber sagen,auch die Landesregierung und auch wir Abgeordneten kön-nen die Aktiven nicht zum Jagen tragen. Da muss ich schonmanches auch selbst entwickeln. Wenn dort entlang einesRadwegs auch die Möglichkeit ist, mit dem Boot viel-leicht ein Stück des Weges zurückzulegen, da muss ganzeinfach so viel Intellekt da sein, dass dort auch die Leis-tungsträger vor Ort diese Ideen haben und sie dann auchumsetzen. Da kann man sicherlich koordinierend helfen,auch als Wirtschaftsministerium, aber letztendlich mussder Impuls von unten raufkommen. Die Behauptung derSPD-Fraktion, dass es keine Verknüpfung von straßenbe-gleitenden und touristischen Radwegen gebe, ist schlicht-weg falsch. Wer sich hier einmal eine Karte von Thürin-gen vornimmt, sieht die Fernwanderradwege, sieht in denRegionen, was die Gemeinden im letzten Jahrzehnt habenentstehen lassen, und er wird ganz schnell sehen, dasswir schon ein sehr dichtes Netz an Radwegen haben, dieeben nicht bloß irgendwo beginnen und irgendwo enden.Sicherlich muss das noch weiter ausgebaut werden, aberes hat ja auch keiner behauptet, dass wir mit dieser Ar-beit schon am Ende wären.

(Beifall bei der CDU)

Was uns aber eben gar nichts bringt, ist das Schlechtre-den der eigenen Leistungen.

(Beifall bei der CDU)

Ich kann ja verstehen, dass die Opposition mit diesemAntrag der Landesregierung sprichwörtlich mal ans Radpinkeln wollte, aber die, die Sie mit diesem Schlechtre-den treffen, das ist nicht die Landesregierung, das ist un-ser eigenes touristisches Ansehen und den

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7554 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

(Beifall bei der CDU)

Nachteil haben in Thüringen die, die von den Touristenleben müssen und die bemüht sind, Gäste hierher ins Landzu holen. Deshalb ist Ihr Antrag dem touristischen Anse-hen abträglich, er ist irreführend und er ist unnütz, deshalbwird ihn meine Fraktion auch nicht unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt die Landesregierung das Wort. Herr Staats-sekretär Richwien, möchten Sie? Dann hat Sie hier je-mand falsch notiert. Ich sehe keine weiteren Wortmeldun-gen und ich kann die Aussprache schließen.

Ausschussüberweisung wurde nicht beantragt, so dass wirunmittelbar über den Antrag der SPD-Fraktion in Druck-sache 3/3336 abstimmen. Wer diesem Antrag die Zustim-mung gibt, den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Ge-genstimmen? Das ist die Mehrheit. Enthaltungen? Dannist dieser Antrag mit Mehrheit abgelehnt. Ich kann denTagesordnungspunkt 14 schließen.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 15

Tourismuskonzeptionfür ThüringenAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3341 -

Begründung wurde auch in diesem Fall nicht gewünscht.Dann kommen wir jetzt unmittelbar zur Aussprache. Ichgebe als Erstem dem Abgeordneten Buse, PDS-Fraktion,das Wort. Ich wollte den Herrn Abgeordneten Heym nochetwas schonen, weil er gerade eben erst geredet hat.

Abgeordneter Buse, PDS:

Frau Präsidentin, verehrte Kolleginnen und Kollegen, werteDamen und Herren, ich muss noch einmal aus dem voran-gegangenen Punkt etwas zu Beginn hier darlegen. Wennes jetzt schon so ist, dass die Opposition mit dem Antragauf eine Berichterstattung die Landesregierung ans Beinpinkeln will, wie das Herr Heym formulierte,

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: AnsRad.)

ans Rad - Entschuldigung, dann hoffe ich nicht, HerrHeym, dass das der Anspruch der morgen neu zu verei-digenden Landesregierung ist.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe gesagt, ich hoffe nicht, Herr Kretschmer. TobenSie doch nicht gleich so herum.

(Zuruf Abg. Kretschmer, CDU: Das ist dochgar nicht notwendig.)

Herr Heym, es mag ja wieder sein, dass die Opposition diePressehoheit hat, weil Herr Ramelow so in der Pressebekannt ist. Aber es gibt wieder Schlagzeilen, die da lauten:"Thüringer Tourismus krankt an Kleinstaaterei", z.B. vom16.05.2003. Ihre mögliche Reaktion wird erneut sein, jetztfängt die Opposition schon wieder an und zitiert aus unsgenehmen Zeitungen und die schreiben die Unwahrheit- so war doch eben Ihre Reaktion. Sie müssen schon ent-schuldigen, dass wir als Opposition sicherlich nicht alsErstes einen Kniefall vor der Landesregierung machen.Aber auch keiner hat vorhin in der Debatte abgelehnt odergeleugnet, dass es in den 10 Jahren nach der Wende zumThema Rad oder auch jetzt bei diesem Gebiet im Frei-staat Thüringen Erfolge gibt, das hat keiner hier gesagt.Das reden Sie sich immer nur ein. Sie kriechen gleich inden nächsten Schützengraben, wenn die Opposition sprichtund meinen "zurückschießen" zu müssen.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Dann lesenSie doch einmal den Antrag.)

Wir haben im Thüringer Landtag, wenn ich zum Themazurückkommen darf, in den letzten Monaten ...

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Antraglesen!)

Ja, wir sind jetzt bei diesem Antrag Tourismus, wennSie gestatten, Herr Bergemann. Wir haben in den letztenMonaten recht intensiv über Fragen des Tourismus disku-tiert. Ich hoffe, das bestätigen Sie sicherlich. Der CDU-Antrag zur Tourismusförderung in Thüringen und auchdie Große Anfrage der SPD-Fraktion zur Zukunft desTourismus in Thüringen waren aber für meine Begriffenur scheinbar Anlass der Diskussion hier im Landtag. Not-wendig wurde die Diskussion vor allem durch die Ent-wicklung, die in dieser Branche im Freistaat trotz allerFörderung, trotz allem Erreichten aber in den letzten Jahrenund Monaten zu verzeichnen war. Diese Situation und vorallem die Ursachen dafür galt es zu analysieren und hierbeiist uns nach meiner Auffassung trotz erfolgter Anhörungim Wirtschaftsausschuss zu dieser Thematik, trotz Diskus-sion auch hier im Plenum kein großer Wurf gelungen. DerWirtschaftsausschuss hat die Beratungsgegenstände fürerledigt erklärt und das nutzten Sie ja vorhin, Herr Heym,als einen Angriff auf Frau Doht, indem Sie sagten, dieFraktion passt nicht mehr auf, wir haben Tourismus ab-gehakt, es gibt die Erledigungsanträge des Wirtschafts-ausschusses, also haben wir erst einmal die nächsten Wo-chen und Monate Ruhe in dieser Thematik. Ich glaubenicht, denn

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Das habeich nicht gesagt.)

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7555

- so waren Sie zu verstehen - trotz vielfältiger Diskussionist es meines Erachtens nicht gelungen, die tourismuspoli-tischen Zielstellungen und Leitlinien für den Freistaat zufassen und ihre Realisierungsschritte zu präzisieren, zu-kunftsfähige Organisationsstrukturen im Tourismus zu be-raten und Schwerpunkte für die weitere Förderung des Aus-baus einer auf einer Konzeption fußenden touristischenInfrastruktur festzulegen. Als Stichworte könnte ich ja ausder Diskussion in den letzten Wochen Produktentwicklung,Struktur der Verbände, Personalausgestaltung und vieleFragen mehr nennen. Denn eines fehlte nach meiner Auf-fassung allen geführten Diskussionen, die Kenntnisnahmeder wirklichen Probleme der vor Ort agierenden Touris-musverbände, -vereine und -organisationen und die Aus-einandersetzung mit diesem Problem. Ein wenig vertrös-ten lassen habe ich mich dabei auf den Verweis, auf dieVorbereitung und Durchführung von Regionalkonferen-zen Tourismus. Nach wie vor habe ich die Auffassung, dassdiese eigentlich gut geeignet sind, über die Sorgen undNöte der vor Ort Tätigen und über künftiges abgestimm-tes und koordiniertes Handeln zu beraten. Dazu müssen alleBeteiligten natürlich auch ermuntert werden und auf allenSeiten die Bereitschaft zu einer kritischen Betrachtungvorhanden sein. Im Ergebnis dieser Regionalkonferenzenkönnte aber ein mit den Regionen vorberatenes, abge-stimmtes gesamtheitliches Tourismuskonzept für Thürin-gen für die nächsten Jahre stehen, dessen Entwurf auf derangekündigten landesweiten Tourismuskonferenz - wahr-scheinlich September/Oktober - beraten werden könnte.In diesem Zusammenhang ist die Initiative der Kollegender SPD-Fraktion, diese Grundüberlegung in einem Be-schluss des Landtags festzuschreiben und die Landesregie-rung, wie es im Antrag heißt, aufzufordern, dem Landtagbis zum 30.09.2003 eine Tourismuskonzeption für denFreistaat Thüringen vorzulegen, zu begrüßen und deshalbwird die PDS-Fraktion für diesen Antrag votieren. Ichdanke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Heym, CDU-Fraktion.

Abgeordneter Heym, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, mit dem An-trag, der gerade zur Debatte steht, fordert die SPD-Frak-tion vom Wirtschaftsministerium die Vorlage einer Touris-muskonzeption. Das ist zunächst nichts Unanständiges.

(Heiterkeit bei der PDS, SPD)

Was aber verwundert ist die Tatsache, dass dieser Antragjetzt kommt, nachdem auch von dieser Stelle aus der HerrSchuster dieses Konzept angekündigt hat und wir allewissen, dass es in Arbeit ist. Voraussetzung für dieses Kon-zept sind aber - und das haben Sie, Herr Buse, gerade ange-

sprochen - die Regionalkonferenzen, die derzeit in denLandkreisen draußen laufen, wo im Gespräch mit denTouristikern die unterschiedlichen Gegebenheiten erörtertwerden und eine Bestandsanalyse gemacht werden soll.Denn, ich glaube, da können Sie alle zustimmen, erst wennich weiß, wo ich stehe, kann ich die Wege beschreiben, diemich zu dem Ziel führen, wo ich hin will. Das ist ebenwahrscheinlich der Unterschied, den wir da im Ansatz ha-ben und was uns auch trennt. Es ist nicht richtig, ein Kon-zept zum 30.09.2003 vorzulegen, wo ich genau weiß, dassich nachbessern muss. Es ist richtiger, eine fundierte Be-standsanalyse zu machen und vor allen Dingen ins Ge-spräch mit den Kommunen, mit den Landkreisen und mitden Verbänden zu kommen. Wir haben das ja vorhin imanderen Tagesordnungspunkt - und da sind wir ja d'accord,da gehen wir vollkommen d'accord. Gerade der Tourismusist ein wirtschaftlicher Bereich, der in den Kommunenfreiwillige Aufgabe ist. Jetzt hat das Land die Aufgabe,die schwere Aufgabe, die Kommunen, die Landkreise, dieRegionen in einem Konzept zusammenzuformen, wo alleauch mitgehen, was auch alle mittragen. Das sind ja ge-nau die Probleme, in denen wir in unterschiedlicher Inten-sität in Thüringen ein ganzes Stück weit kranken. Deshalbbin ich der Meinung, die Tourismuskonzeption kann nurso gut sein, wie sie auch von den Regionen, von den Kom-munen, von den Landkreisen akzeptiert wird. Deshalb istes wichtig, darüber intensiv ins Gespräch zu kommen. DerStaatssekretär hat in vorangegangenen Runden den Entwurfeiner solchen Konzeption für den Herbst dieses Jahres an-gekündigt. Ich finde, es ist auch der richtige Weg, dass wirdann über diesen Entwurf miteinander ins Gespräch kom-men.

Ich möchte aber noch dazu sagen, dass es eigentlich nurdie eine Seite ist. Alle guten Konzeptionen im Touris-mus nützen uns herzlich wenig, wenn die Leute, die wireigentlich in Thüringen erwarten, aufgrund der miesenwirtschaftlichen Stimmung, die wir in diesem Land ha-ben, einfach nicht das Geld haben oder auch nicht dieZuversicht haben, Geld für einen Urlaub, z.B. in Thüringen,auszugeben.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist es auf der anderen Seite ganz wichtig, undda ist die Fraktion der SPD mit ihren Kollegen in Berlinin der Pflicht, für eine wirtschaftliche Stimmung in die-sem Land zu sorgen, die dem Einzelnen auch wiederZuversicht gibt, die Zukunftsängste nimmt und dass erwieder Lust hat, auch Geld für Tourismus, insbesonderein Thüringen, auszugeben.

(Beifall bei der CDU)

Ich will einen weiteren Punkt ansprechen und das sageich auch durchaus gerichtet an die Behörden unseres Lan-des: Wir müssen den touristischen Leistungsträgern auchein bisschen die Mühlsteine nehmen, die wir mitunter, diedie Verwaltung ihnen mitunter umhängt. Ich will es an

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einem Beispiel deutlich machen. Bei mir war ein Mannaus Weimar, der organisiert Goldgräberveranstaltungen

(Heiterkeit bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Seidel, SPD: Den kennenwir auch.)

an der Schwarza. Sie können ja über den Mann lachen.Folgendes ist dabei passiert: Er braucht für dieses Gold-waschen in der Schwarza eine Genehmigung, und zwar- ich habe es hinten auf dem Platz liegen - Entnahme vonfesten Stoffen aus Gewässern erster Ordnung. Da bean-tragt der Mann im Dezember vergangenen Jahres dieGenehmigung, um dort, sage ich mal, graben zu können,Gold waschen zu können, ich habe auch nicht gewusst,welchen Zuspruch solche Veranstaltungen haben, aber esist in der Tat, ich habe mich mal befragt, ein ganz regerZulauf. Der Mann beantragt im Dezember dort die Geneh-migung, im Mai bekommt er den Bescheid vom Landes-verwaltungsamt, von den sechs beantragten Standorten sindzwei genehmigt worden. Die Genehmigung selbst gilt fürein halbes Jahr und an den beiden verbliebenen Standor-ten hat er die Genehmigung erhalten, einmal für maxi-mal 4 Stunden mit maximal 20 Personen in der Schwar-za zu schürfen. Und für diesen Bescheid muss er nocheine Gebühr von etwas über 800 ����������!��� ��� ichsagen, da fängt es an und wird unsinnig. Von solchen Din-gen müssen wir wegkommen, denn das ist die täglicheArbeit für die Leistungsträger.

(Beifall bei der CDU)

Da sind wir als Politik gefordert auch Einfluss auf Ver-waltung zu nehmen, um solchem Unsinn ein Ende zu ge-bieten.

Ich möchte zum Schluss kommen und sagen, Herr Buse,Konzeption ja, aber nicht nur Tourismuskonzeption, dagehen wir miteinander einher, zur Tourismuskonzeptiongehört auch eine Marketingkonzeption - Frau Doht sitzt mitim Aufsichtsrat, sie kennt die Diskussionen, die wir zur-zeit führen -, das müssen zwei Werke sein, die meinerMeinung nach wie ein Zahnrad ineinander greifen. LassenSie uns das in Ruhe angehen und uns nicht von zeitli-chen Zielstellungen unter Druck setzen. Wir sollten dieDinge tiefgründig erörtern und letztendlich werden wirdann auch ein vernünftiges tragbares Konzept haben, wasauch in drei Jahren noch Gültigkeit hat und jetzt nicht mitHast etwas machen und was nachbessern. In diesem Sinnebedanke ich mich.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt das Wort Frau Abgeordnete Doht, SPD-Fraktion.

Abgeordnete Doht, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, für Thüringen,für die Thüringer Wirtschaft ist der Tourismus ein wich-tiges Standbein. Thüringen bietet auch ideale Vorausset-zungen für den Tourismus. Dieses Kapital, was wir ha-ben, die Landschaft, die große Geschichte, die historischenBauwerke, die Kultur, all dies müssen wir für die Entwick-lung des Tourismus nutzen, für die wirtschaftliche Ent-wicklung unseres Landes und damit für die Schaffung vonArbeitsplätzen und dies ist nicht nur Aufgabe der in derTourismusbranche Tätigen, sondern auch Aufgabe der Lan-despolitik.

Meine Fraktion hatte sich deshalb mit einer Großen An-frage zur Zukunft des Tourismus an die Landesregierunggewandt. Die Antwort auf diese Anfrage und ein CDU-Antrag zum Tourismus waren Grundlage einer Anhörungim Wirtschaftsausschuss, an die sich intensive Beratun-gen anschlossen. Parallel dazu führte das Wirtschaftsmi-nisterium in den Landkreisen Regionalkonferenzen zumTourismus durch. Sowohl im Ausschuss als auch auf die-sen Regionalkonferenzen wurden seitens des Ministeriumsimmer wieder Strukturveränderungen angekündigt undbestehende Strukturen infrage gestellt. So sagte der da-malige Wirtschaftsminister Schuster in der Auswertungder Anhörung, man müsse grundsätzlich alle Strukturenhinterfragen, die Regionalverbände, den Landesfremden-verkehrsverband und die TTG. Dies schafft zum einenVerunsicherung bei den Betroffenen, was sich sicherlichnicht unbedingt motivierend auswirkt, zum anderen sollteman vorhandene Strukturen auch erst öffentlich infragestellen, wenn man sich darüber im Klaren ist, was anderswerden soll und wie die Arbeit geleistet werden soll.Hier haben wir allerdings außer dem oft zitierten Satz"Klasse statt Masse" nichts gehört und dies ist zu wenigals Leitlinie für die Tourismuspolitik einer Landesregie-rung, deren Tourismuskonzept noch aus dem Jahr 1992stammt. Wir erwarten konkrete Zielsetzungen, wo will Thü-ringen im Tourismus hin, welche Zielgruppen wollen wirerreichen, in welchen Zeiträumen sind welche Infrastruk-tureinrichtungen vorgesehen und welches Fördervolumenergibt sich damit für den Landeshaushalt. Ein Infrastruk-turkonzept wurde seitens des Ministeriums schon zu Be-ginn dieser Legislaturperiode zugesagt, es lässt bis heuteauf sich warten. Deswegen bleiben wir auch hier bei un-serem Antrag, denn sonst stehen wir am Ende der Legis-laturperiode da und warten immer noch auf ein Touris-muskonzept, wir haben leider wenig Zutrauen in dieseZusagen. Gerade dies sind aber Vorleistungen, die dieLandesregierung bringen muss, um in der Tourismusbran-che auch für die nächsten Jahre Perspektiven aufzuzei-gen, an denen sich dann auch die Leistungsanbieter orien-tieren können. Denn eines ist klar, die Kette funktioniertnur so, es muss Klarheit darüber herrschen, welche Ziel-gruppen ich erreichen will. Sollen das weiterhin nur dieSenioren sein, die zum Großteil in den Thüringer Waldzum Wandern kommen, will ich andere Zielgruppen er-reichen, will ich mehr Angebote für Familien mit Kin-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7557

dern machen, für Jugendliche, Bildungsreisen, will ichden Tagungstourismus weiter fördern - diese Zielvorstel-lungen muss ich haben. Danach richten sich dann die zutätigenden Investitionen in die Infrastruktur, was mussich noch an Mitteln aufwenden, welche Einrichtungen,welche Attraktionen, auch z.B. wenn ich an Kinder undJugendliche denke, fehlen noch im Lande. Auf diesen In-vestitionen und diesen Infrastruktureinrichtungen dannkönnen die Leistungsanbieter ihre Angebote errichten.Am Ende dieser Kette erst steht die Vermarktung. Werdie Defizite allein beim Marketing sucht, verkennt seineeigenen Verantwortlichkeiten und zäumt das Pferd vomSchwanz auf.

Neben den Perspektiven für den weiteren Ausbau derInfrastruktur, für den die Kommunen verantwortlich zeich-nen, für den aber auch das Wirtschaftsministerium, dieseLandesregierung als Fördergeber mit verantwortlich ist,muss auch klar sein, wer vor Ort Verantwortung trägt,wer bestimmte Produkte bzw. Angebote erarbeitet, werzwischen den verschiedenen Anbietern und Leistungser-bringern koordiniert. Das Wirtschaftsministerium möchteden Landkreisen künftig mehr Aufgaben im Tourismuszuordnen. Dem ist erst einmal nichts entgegenzusetzen.Wenn man den Landkreisen hier aber zusätzliche Auf-gaben zuweist, dann müssen auch die rechtlichen Rah-menbedingungen stimmen. Die jetzige Kommunalordnungsetzt den Landkreisen bei der Tourismusförderung engeSpielräume. Denn Tourismusförderung ist Wirtschaftsför-derung und da gibt es bereits einschlägige Urteile. Wennes denn das Wirtschaftsministerium ernst meint mit derstärkeren Einbindung der Landkreise in den Tourismus,dann muss als Konsequenz die Ausgleichsfunktion für dieLandkreise in der Kommunalordnung verankert werden.

(Beifall Abg. Becker, SPD)

Ansonsten wird auch das Engagement der Landkreiseaus rechtlichen Gründen nur unzureichend bleiben kön-nen. Dann sollte man lieber über eine Stärkung der Re-gionalverbände nachdenken.

Das Wirtschaftsministerium hat nach der Sommerpausenoch eine Abschlusskonferenz zu den Regionalkonferen-zen geplant. Die Sommerpause ist Mitte August zu Ende.Diese Zeit möchten wir der Landesregierung gerne ein-räumen, aber dann erwarten wir ein schlüssiges Touris-muskonzept und, Herr Heym, Sie können nicht so tunals wenn dann, wenn diese Konferenz gelaufen ist, erstmit der konzeptionellen Arbeit begonnen wird. Sie läuftja bereits und es wäre schlimm, wenn das nicht so wäre.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Es wurdedoch schon begonnen.)

Eben, und deswegen ist es kein Unding, wenn wir ver-langen, dass am 30.09 ein solches Konzept dem Landtagvorgelegt werden soll, damit letztendlich alle, die in Thü-ringen für den Tourismus etwas tun wollen - und da sind

wir uns sicherlich einig, dass wir an einem Strang ziehenwollen -, wissen, welche Zielvorgaben es gibt, in welcheRichtung es weitergehen soll im Thüringer Tourismus.

(Beifall bei der SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt das Wort die Landesregierung, Herr Staats-sekretär Richwien.

Richwien, Staatssekretär:

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren, vorab zwei Bemerkungen: Sehr geehrter HerrBuse, ich kann Ihnen natürlich auch noch eine Zeitungs-meldung aus dem Kopf zitieren: "Tourismus muss wie-der Chefsache werden" Ich kann mir auch vorstellen, dassIhnen so eine Zeitungsmeldung gefällt, weil das ein Stückweit Zentralismus ist, weil Sie der Meinung sind, der Staatkann es richten, und das kann ich Ihnen von dieser Stellesagen, das ist nicht mein Empfinden und das ist auch nichtmein Weg.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Unserer auchnicht.)

Ich glaube, da machen Sie es sich ein klein wenig zu ein-fach. Wir haben in der Zwischenzeit vier Regionalkon-ferenzen durchgeführt und ich habe mir persönlich sehr,sehr viel Zeit genommen, auf diesen Regionalkonferen-zen die einzelnen Fragen, die einzelnen Sorgen und dieeinzelnen Nöte zu hören, zu bündeln. Nehmen Sie docheinfach mal mit, dass wir mindestens die Hälfte der Re-gionalkonferenzen durchgeführt haben müssen, um über-haupt eine Zwischenbilanz ziehen zu können.

Frau Doht, auch an Sie vielleicht die eine oder andereBemerkung noch: Ich glaube, Sie wollen nicht von uns,dass wir mit diesem Konzept einen Schnellschuss ma-chen. Ich glaube, Sie sind bestens informiert, denn Siehätten an dieser Stelle klar und deutlich sagen können,dass ich mir auch die Mühe gemacht habe, in die Ar-beitsgruppe der TTG zu gehen, um Ihnen, genau Ihnenauch zu sagen, wo wir letztendlich mit der Tourismus-konzeption hin wollen und welche Wege wir einschla-gen werden und wollen. Manchmal habe ich so den Ein-druck bei Ihnen, dass Sie nach dem Motto vorgehen, wiees mein Professor in Mathematik gesagt hat: Versuch istein anerkannter Rechenweg. Genau so gehen Sie hier vor,dass man einfach sagt, wir probieren mal und wir pro-bieren mal dort und irgendwo werden wir schon einenrichtigen Weg finden und dann gehen wir vor. Das kannnicht der Weg sein, den werde ich auch nicht gehen unddazu werde ich mich auch nicht hinreißen lassen. Ich glau-be, wir werden diese Regionalkonferenzen durchziehenund wir werden versuchen, hier diese Zwischenbilanz zu

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ziehen und das Ergebnis zu bündeln. Dann werden wir dasin den entsprechenden Gremien vorstellen und danachwerden wir auch darüber diskutieren und, ich glaube, dannist es auch der richtige Zeitpunkt.

Meine Damen und Herren, in den vergangenen 12 Jahrenwurde mit umfangreichen Fördermitteln eine Infrastruk-tur aufgebaut, die der Qualität in den alten Ländern nichtnachsteht. Aber bei weitem nicht alle am Tourismus Be-teiligten haben verstanden, dass nur im Rahmen der Kom-munikation und Kooperation die geschaffene Infrastruk-tur auch in zusätzliche Gäste und Übernachtungen um-zusetzen ist und durch nichts anderes. Da sind wir nochlange nicht dort, wo wir letztendlich hin wollen. Insoweitsind auch strukturelle Veränderungen dringend notwen-dig, da haben Sie Recht, um Aufgaben zu definieren bzw.abzugrenzen und Verantwortlichkeiten festzulegen. Wersich mit der Thematik beschäftigt hat, der weiß, dass dieSchuldzuweisung rundum geht. Aus diesem Teufelskreiswollen wir heraus, wir wollen klare Aufgabenzuordnung,um genau dann die Schwachstellen auch aufzuzeigen. Auchdie allgemeinen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen,das vergessen einige, haben sich in den letzten Jahrenverändert und wirken sich sichtbar auf die touristischeEntwicklung sowie den nationalen und internationalenMarkt aus. Dies zeigen auch die aktuellen Zahlen mitdeutschlandweiten Rückgängen, denn nicht nur in Thü-ringen, sondern wir haben deutschlandweite Rückgängeder Übernachtungen allein im Jahr 2002 um 3 Prozent.Auf diese veränderten Rahmenbedingungen müssen undwollen wir reagieren, aber alle am Tourismus Beteilig-ten müssen dies tun. Wir müssen versuchen, alle zu bün-deln und alle müssen letztendlich an einem Strang zie-hen. Dies erfordert neue Strategien und Konzepte auch -und das will ich hier gern zugeben - auf Landesebene.Die Grundlage hierfür werden die neue Tourismuskonzep-tion des TMWAI und das Marketingkonzept der TTGbilden. Das Tourismuskonzept wird sich unter dem Titel"Grundsätze zur weiteren Ausgestaltung des Tourismusim Freistaat Thüringen" mit den künftigen tourismuspo-litischen Zielen und Leitlinien sowie Handlungsschwer-punkten im Freistaat Thüringen beschäftigen.

(Unruhe bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Das ist aberIhre Fraktion.)

Herr Buse, es steht mir nicht zu, eine Bewertung vorzu-nehmen.

Parallel dazu wird ein neues Marketingkonzept durch dieTTG erarbeitet. Unabhängig davon sind wir bereits imRahmen der Regionalkonferenzen mit den Regionen, Land-kreisen, Verbänden, Kommunen und Leistungsträgern imGespräch. Dabei stehen die strukturellen Fragen im Vor-dergrund, denn gerade die künftigen Strukturen werdenausschlaggebend sein für eine bessere Kooperation undKommunikation, für eine effektivere und zielgerichtetere

Angebotsentwicklung und Vermarktung vor Ort und da-mit für den wirtschaftlichen Erfolg in den kommendenJahren. Wesentliche Ergebnisse dieser Regionalkonferen-zen, das habe ich vorhin gesagt, werden wir dann in die-ser Zwischenbilanz bündeln und wir werden das in eineneue Tourismuskonzeption einfließen lassen.

Das TMWAI hat mehrfach, zuletzt am 15. Mai im Wirt-schaftsausschuss des Thüringer Landtags, die Vorlage einesEntwurfs einer neuen Tourismuskonzeption im Herbst die-ses Jahres angekündigt. Im Oktober, meine Damen undHerren, wird eine Tourismuskonferenz stattfinden, zu derder mit den IHK, der TTG, dem Landkreistag und denVerbänden abgestimmte Entwurf vorgestellt werden soll.Vor diesen Hintergründen ist der vorliegende Antrag -Frau Doht, nehmen Sie es mir nicht übel - der Fraktionder SPD weder nachvollziehbar noch hilfreich.

(Beifall bei der CDU)

Ich wollte eigentlich an dieser Stelle, sehr geehrter HerrBuse, meine Rede beenden, aber ich will Ihnen vielleichtschon meine Gedanken und meine Hinweise mitteilen,wohl wissend, dass es nicht der Extrakt ist, den wir dannletztendlich in dieser Zwischenbilanz darstellen. Ich möch-te aber trotzdem in aller Kürze einige grundsätzliche An-merkungen zu unserer Tourismuspolitik machen, die na-türlich auch zentrale Inhalte der neuen Tourismuskonzep-tion sein werden.

Seit der Wende wurden die notwendigen Rahmenbedin-gungen geschaffen und Thüringen hat sich mit seinemAngebot, ich glaube, man kann sagen, am Markt etabliert.Das belegen die kontinuierlichen Zuwächse bei den Gästenund den Übernachtungen, die sich im Zeitraum von 1992bis 2000 auf eine Zunahme um mehr als 70 Prozentsummieren. Dazu hat eine Förderung in Höhe von rund685 Mio. ��������������������������� ���� �����������fach mal zur Kenntnis nehmen. Die erforderlichen Grund-strukturen sind inzwischen geschaffen. Heute besteht dieNotwendigkeit, die Tourismuswirtschaft für den Ausbauihrer Position und für neue Herausforderungen fit zu ma-chen. Ziel muss es sein, Aufgaben und Strukturen gemein-sam weiterzuentwickeln und die Betonung liegt auf "ge-meinsam". Wir müssen seit etwa Jahresfrist mit zurück-gehenden Gästezahlen kämpfen, das ist richtig, aber ichhabe vorhin auch gesagt, nicht nur wir, sondern deutsch-landweit. Ich sage bewusst "kämpfen", denn es ist keineFrage, dass die Thüringer Tourismusbranche alles, aberauch alles Machbare tun muss, um diesen Trend insgesamtwieder umzukehren. Die politische Diskussion darübermuss aber vom Kopf auf die Füße gestellt werden, auchwenn das einigen in diesem Haus nicht so zusagt. Sinken-de Zahlen, meine Damen und Herren, im Tourismus sinddas Ende einer Wirkungskette in der Wirtschaft, die - unddas sage ich hier so deutlich - in Berlin beginnt. Ich habedas bereits im letzten Plenum dargestellt und das ist auchheute so, zunehmende finanzielle Belastungen der privatenHaushalte und Unternehmen wirken sich zuerst dort aus,

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wo es um die Extras, die freie Spitze geht. Sie werden alsEinschränkungen im Konsum und eben bei der Urlaubs-planung spürbar. Trotz nicht von der Hand zu weisenderErfolge in den letzten zehn Jahren haben wir heute zent-rale Probleme, die sowohl struktureller als auch program-matischer Natur sind. Man darf nicht glauben, dass die-se mit zusätzlichen Fördermitteln immer zu lösen sind,denn nicht nur allein das Geld ist daran schuld, dass wirnicht vorwärts kommen, denn hier liegt der Teufel im De-tail. Im Gegenteil, wir müssen aus dem, was an Infra-struktur sowie an finanziellen und personellen Kapazi-täten vorhanden ist, mehr machen, also mit gleich blei-bendem Input einen größeren Output erreichen. Wir müs-sen also alle Aktivitäten, auch die der TTG, da gebe ichIhnen gern Recht, der Regionen, Kommunen und Leis-tungsträger den aktuellen Erfordernissen anpassen. Ichhabe es immer einfacher gesagt, es ist nicht die Frage, wasbieten wir dem Gast an, sondern wir müssen die Fragestellen, was will der Gast und was will er hier erleben?Diese Frage, meine Damen und Herren, wird mir noch vielzu wenig gestellt.

(Beifall bei der CDU)

Wenn ich dieses aber erreichen will, dann brauche ich tiefgreifende Reformen, die sind notwendig. Die derzeitigenHauptprobleme liegen in der Produktentwicklung und imMarketing. Es können aber nur vorhandene Angebote, mei-ne Damen und Herren, vermarktet werden. Wenn wir alsoim Marketing vorankommen wollen, muss die Produkt-entwicklung insgesamt, nämlich vor Ort, verbessert undforciert werden. Dies funktioniert nur mit effizienten Struk-turen. Wir sehen die Notwendigkeit, die vorhandenenStrukturen und Verantwortlichkeiten auf den Prüfstand zustellen, Kräfte in Ressourcen zu bündeln und Aufgaben- das habe ich vorhin schon gesagt - klar abzugrenzen. Die-se Fragen stehen deshalb im Mittelpunkt unserer Bemü-hungen und sind das zentrale Thema der bereits erwähn-ten Regionalkonferenzen.

Frau Doht, Sie hatten mich eigentlich zur Tourismuskon-zeption befragt. Es wäre vielleicht auch ganz hilfreich,wenn Sie dann meinen Ausführungen zur Tourismuskon-zeption auch lauschen würden, aber scheinbar doch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, zur derzeitigen Situation einigeAusführungen. Die TTG ist das Marketinginstrument fürganz Thüringen. Der Finanzrahmen der TTG ist in denvergangenen Jahren stetig erhöht worden, um den aktuel-len Anforderungen und Schwerpunkten Rechnung zu tra-gen. Um Thüringen als Tourismusstandort weiter erfolg-reich am Markt zu positionieren sind nach meinem Er-messen folgende Zielstellungen ausschlaggebend:

1. Erschließung neuer Kundenpotenziale, insbesondereeines jüngeren Klientel,

2. Erweiterung der Produktlinien und Themen und

3. weitere Steigerung der Produktqualität, um die er-reichte Marktposition zu behaupten und auszubauen.

Die TTG muss ihr Aufgabenspektrum entscheidender aus-füllen. Die Gespräche hierzu haben wir mit der TTG, ins-besondere mit einigen Vertretern des Aufsichtsrats, auf-genommen.

Meine Damen und Herren, es ist notwendig, dass dieaus dem Thüringer Gästepotenzial nachgefragten Ange-bote in breiter Fülle hervorgebracht werden. Dies alles,vor allem die Qualitätsverbesserung - Sie wissen, wovonich spreche -, ist hier in erster Linie durch konkrete Maß-nahmen nicht durch die Landesregierung, nämlich durchMaßnahmen vor Ort zu erreichen. Hier sind die Orte undRegionen, das sage ich deutlich, in der Verantwortung.Für die Intensivierung der Produktentwicklung, der Quali-tätssteigerung und des Marketings ist dort eine Verbesse-rung der Kommunikations- und Kooperationsprozessedringend notwendig. Ich möchte mir heute verkneifen,hier darüber zu sprechen, warum und weshalb einigeKooperationen nicht funktionieren. Da brauchen Sie nurvor Ort zu fahren, da werden Sie hervorragende Beispielekriegen und Sie werden die Beispiele auch nicht nachvoll-ziehen können und Sie werden sie auch nicht verstehen,weil das ein normaler Mensch auch nicht verstehen kann,wie kleinstaaterisch hier manchmal gedacht wird.

Meine Damen und Herren, beleuchten wir nun die der-zeitige Situation auf den einzelnen Ebenen. Das möchteich hier an der Stelle noch mal tun. Die TTG ist in denvergangenen Jahren mit der bisherigen themenorientier-ten Vermarktung erfolgreich gewesen. Diese Strategie hatsich somit grundsätzlich bewährt. Es ist aber eine stän-dige Anpassung an Kundenwünsche und Entwicklungs-trends notwendig. Der TTG kommt hinsichtlich der Pro-duktentwicklung eine wichtige Initiativ- und Regiefunk-tion zu, die noch stärker als bisher ausgefüllt werden muss.Den Verbänden ist es bisher noch nicht ausreichend ge-lungen, aus den regionalen Gegebenheiten heraus dieerforderlichen Kommunikations- und Kooperationspro-zesse in Gang zu setzen. Den Kommunen und Landkrei-sen kommt eine wichtige Koordinierungsfunktion zu unddie wird sich dann auch mehr oder weniger in dem neuenKonzept widerspiegeln.

(Beifall bei der CDU)

Die aktuellen Probleme in der Produktentwicklung zeigen,dass ein qualifiziertes Management vor Ort häufig fehlt.Einerseits sind kleine Tourismusorte nicht finanzkräftiggenug, um dies zu leisten, zumal der Fremdenverkehr im-merhin - das sage ich auch - eine freiwillige Leistung ist.Andererseits sind die vielen kleinen ortsbezogenen Struk-turen, die mit ihren Aufgaben oft überfordert sind, als einewesentliche Ursache für die Probleme zu sehen. Quali-tätsmängel vor Ort einerseits und Ineffizienz der Arbeit

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andererseits sind die Folge. Die Betriebe und Leistungs-anbieter haben mit den wirtschaftlichen Folgen der rück-läufigen Gästezahlen zu kämpfen, meine Damen und Her-ren. Trotzdem wird oft am bisher üblichen Konkurrenz-denken - das sage ich auch so deutlich - festgehalten undversucht, durch weitere staatliche Förderungen wirtschaft-liche Probleme zu lösen. Die Leistungsanbieter müssenuntereinander viel stärker kooperieren und gemeinsameAngebote entwickeln, um ihre Schlagkraft im Wettbe-werb zu erhöhen.

(Beifall bei der CDU)

Wir gehen in ein Segment, meine Damen und Herren, wasschon besetzt ist. Das muss man doch einfach nur malzur Kenntnis nehmen. Insgesamt betrachtet sind also tiefgreifende Reformen der Organisationsstrukturen notwen-dig. Das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruk-tur kennt die Probleme seit geraumer Zeit, aber eben ge-rade Strukturen, Aufgaben, Kommunikation und Koopera-tion können die Regionen nur selbst in die Hand nehmenund organisieren. Hier sind folgende Prämissen für dieBetriebe und natürlich auch die Kommunen notwendig:

1. Sie sind aufgefordert, eigene Erfolgsrezepte zu entwi-ckeln,

2. die erforderliche Qualitätsverbesserung anzupacken,

3. das Konkurrenzdenken abzulegen und die unerläss-liche Kommunikation und Kooperation zu realisieren.

Tourismus hört nicht an der Landesgrenze auf und be-ginnt auch nicht wieder an der Landesgrenze oder an einerLandkreisgrenze.

(Beifall bei der CDU)

Die Betriebe müssen grundsätzlich das wirtschaftlich Not-wendige, wie z.B. auch die Qualifizierung ihres Personalsselbst leisten und nicht nur staatliche Hilfe anfordern.Sie wissen, dass wir gerade hier im personellen Bereichimmer die Situation hatten, dass die Damen und Herrendrei Jahre in ihrer Funktion waren und danach wurde eineNeubesetzung vorgenommen, weil nämlich die Maßnahmeausgelaufen ist. So können wir insgesamt nicht mehrweitermachen und das kann auch nicht das Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Letzter Punkt: Insgesamt ist hier mehr Eigeninitiative ge-fragt. Das belegen positive Beispiele, die es natürlich hierauch gibt. Da müssen wir nur nach den Preisträgern desMarketingpreises sehen. Für die Landkreise und kreis-freien Städte bedeutet das, die Straffung der Strukturenund die zielbezogene Bündelung finanzieller und perso-neller Ressourcen ist für sie dringend erforderlich. Es mussein Umdenken vor Ort und eine neue politische Willens-bildung auf kommunaler Ebene erreicht werden. Kom-

munen müssen qualifiziertes Personal auf eigene Kostengewinnen und einsetzen, da Strukturen nicht von obendirigiert werden können, sondern von unten wachsen müs-sen, sind hier insgesamt natürlich auch die Landkreise ge-fragt. Es hat bereits erste Abstimmungen mit den Land-räten gegeben. Es besteht Einvernehmen darin, dass dieStrukturen gestrafft und die Ressourcen weiter gebün-delt werden müssen. Insbesondere kleine Kommunen kön-nen nicht auf Dauer überregional bedeutsame Infrastruk-tureinheiten betreiben. Ihnen fehlt hierfür häufig das Mana-gement, das Personal und natürlich - wie schon erwähnt -die Finanzkraft. Aber für den wirtschaftlichen Erfolg hoch-wertiger Einrichtungen ist ein professionelles Manage-ment erforderlich. Es müssen die Rechtsgrundlagen da-für geschaffen werden, dass hier ein starkes Engagementder Landkreise möglich wird. Insgesamt ist zu fragen, wel-che Ebene künftig welche touristischen Aktivitäten betreut.

Meine Damen und Herren, ein Wort zu den Verbänden,die ich nicht vergessen möchte. Aus einer stärkeren Ein-bindung der Landkreise in touristische Aktivitäten wirdsich auch ein verändertes Aufgabenspektrum logischer-weise für die Verbände ergeben. Sie müssen ihre bishe-rige Tätigkeit im Hinblick darauf überprüfen, ob sie mitErfolg aktuelle und künftige Aufgabenstellungen bewäl-tigen können. Um die Schlagkraft und vor allem die Fi-nanzkraft der Verbände zu erhöhen, müssen auch hierStrukturen und Kräfte gebündelt werden. Die Kommuni-kation innerhalb der Tourismusregionen, aber auch zwi-schen der TTG und den Regionen muss erheblich ver-bessert werden. Hierzu müssen verstärkt Kooperationenauf regionaler und örtlicher Ebene genutzt werden. Umdiesen Prozess in Gang zu setzen und die Regionen da-bei zu unterstützen, hat das Wirtschaftsministerium mitder Durchführung von Regionalkonferenzen, meine Da-men und Herren, immerhin schon am 04.12.02 im Land-kreis Schmalkalden-Meiningen begonnen. Für die TTGheißt das, Kundenorientierung wird stärker in den Vor-dergrund gestellt, um mit nachfragegerechten Angebo-ten die Treffsicherheit und Effizienz des Marketings zuerhöhen. Aufgrund ihrer Marktkenntnisse muss die TTGdafür sorgen, dass nachgefragte Produkte vor Ort entwi-ckelt werden. Sie muss also eine Initiativ- und Regie-funktion übernehmen. Die Ergänzung der Produktlinienund deren aktive Vermarktung sind, meine Damen undHerren, dringend notwendig. Entsprechende Absprachenwurden hier mit der TTG schon getroffen.

Abschließend ein Wort zur Landesregierung: Die Landes-regierung kann das alles initiieren, begleiten und unter-stützen, aber nicht selbst realisieren, es sei denn, jemandhofft auf die Wiedergeburt des Staatstourismus und möchtedie Regierung verpflichten, die zum Urlaub verdonner-ten Bürger busweise anzuliefern.

(Beifall Abg. Wackernagel, CDU)

Das TMWAI wird im Rahmen der Tourismuskonzeptionauch inhaltliche und förderpolitische Schwerpunkte und

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7561

Leitlinien fixieren und darstellen, wie diese Begleitung,Unterstützung der Akteure auf den verschiedenen Ebe-nen seitens der Landesregierung in Zukunft aussehenwird. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Weitere Wortmeldungen sehe ich nicht, damit kann ichdie Aussprache schließen. Ausschussüberweisung wurdenicht beantragt, wir können also unmittelbar über den An-trag in der Drucksache 3/3341 abstimmen. Wer diesemAntrag die Zustimmung gibt, den bitte ich um das Hand-zeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen?Das ist nicht der Fall, dann ist das mit Mehrheit abge-lehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 15.

Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 16

Förderung der Job-CenterAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3342 -

Die Einreicher wünschen Begründung und die wird HerrAbgeordneter Dr. Müller vornehmen. Ich bitte das zu tun.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Sie alle kennenaus den Gesprächen mit den Rat suchenden Bürgern dieSituation, dass Arbeit Suchende, die auf eine Chance hof-fen, die wissen wollen, wie es weitergeht, häufig nicht nurinnerhalb eines Amts von Tür zu Tür geschickt werden,sondern auch zwischen Arbeitsamt, Sozialamt und an-deren Dienststellen. Bei all diesen Dienststellen gibt esin der Regel kaum jemanden, der das Anliegen des Be-ratung Suchenden insgesamt erfassen kann. Dies abersollen und können Job-Center leisten. Gewiss, sie kön-nen keine Arbeits- und Ausbildungsplätze backen, abersie können schnell und passgenau bürger- und betriebs-freundlich vermitteln und sie sind Sensoren für die Be-dürfnisse der Betriebe und die Bedürfnisse der ArbeitSuchenden. Dies alles ist kein Wunschdenken, sondernes funktioniert anderenorts. Es funktioniert zum Beispielseit Jahren in Köln und es funktioniert in Hessen, woHerr Koch modellhaft Job-Offensiv-Center fördert.

Um dies zu erreichen, brauchen wir ein anderes Verständnisall derjenigen Dienststellen bei der Arbeitsverwaltung undden Kommunen, die in irgendeiner Weise zur beruflichenIntegration beitragen können. Dann muss über die jeweilsbestehenden gesetzlichen Grundlagen hinweg ein umfas-sendes Denken einziehen, ein Denken, welches sich zu-nächst und vor allen Dingen an den Problemen des RatSuchenden zu orientieren hat und eben nicht mehr vor-rangig an der Frage, für was bin ich zuständig und fürwas nicht. Genau deshalb zum Beispiel unterstützt dasLand Hessen die modellhaft eingerichteten Job-Offen-

siv-Center mit jeweils 350.000 �!

Ich bin der festen Überzeugung, dass Landkreise undkreisfreie Städte sowohl finanziell als auch qualitativUnterstützung benötigen. Wir müssen gemeinsam mit denLandkreisen und kreisfreien Städten die notwendigen kom-munalen Beratungsdienstleistungen in die Modernisierungder Bundesanstalt für Arbeit einbringen und zu einem Ge-samtkonzept verschmelzen. Da gibt es dringend Hand-lungs- und Nachholbedarf. Diese Landesregierung hat sichim Übrigen die Familienpolitik immer wieder auf die Fah-nen geschrieben. Bei der Einrichtung eines spezifischenServiceangebots für junge Menschen und ihre Eltern in-nerhalb der Job-Center können sie das durch Taten be-weisen. Genau dies hat der Landesjugendhilfeausschussin dieser Woche auch beschlossen.

Lassen Sie mich zusammenfassen:

1. Die Einrichtung der Job-Center ist überfällig und liegtauf der Hand.

2. Wir dürfen die Städte und Landkreise dabei nicht alleinlassen, sondern müssen sie in einem gemeinsamen Pro-zess mit der Bundesanstalt für Arbeit unterstützen.

3. Wir haben für junge Menschen und ihre Familien ge-rade an der ersten Schwelle während der Berufsfindungeine besondere Fürsorgepflicht.

All dies können wir mit dem Ihnen vorliegenden Antragumsetzen, ich bitte deshalb um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der SPD)

Präsidentin Lieberknecht:

Das war die Begründung. Wir kommen jetzt zur Ausspra-che. Als Erster hat das Wort der Abgeordnete Gersten-berger, PDS-Fraktion.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, die SPD-Fraktion beantragt, die Landesregierung soll den Aufbauvon Job-Centern in Thüringen mit einem eigenen För-derprogramm unterstützen. Nun hat die PDS-Fraktionschon häufig Aktivitäten in der Arbeitsmarktpolitik ein-gefordert und wir sind die Letzten, die sich sinnvollenVorschlägen in diesem Problemfeld, das wieder von ver-schiedenen Rednern als das Dringendste bezeichnet wurde,verschließen. Aber die Frage ist: Worum geht es eigentlichin dem Antrag? Job-Center sind ein Element der Forde-rung des Hartz-Papiers und sie sollen aus Sicht der Bun-desregierung bestimmte Bereiche der Arbeits- und So-zialämter zusammenführen. Welche Details dazu aber bis-her gesetzlich geregelt sind,

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(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU:Keine!)

ist nicht bekannt und welche überhaupt öffentlich be-kannt sind, das ist auch weitestgehend im Dunkeln. Manwolle flächendeckend Job-Center einrichten, betonte Wirt-schafts- und Arbeitsminister Clement bereits im Novem-ber 2002 im Bundestag in der Debatte um die ersten bei-den Hartz-Gesetze. Doch er blieb unkonkret und er er-gänzte nur, dass diese Job-Center vor der Zusammenfüh-rung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe, die für Anfang2004 vorgesehen sei, geschaffen werden sollen und eshandele sich bei ihnen um - Zitat: "einheitliche Anlauf-stellen". "Einheitliche", meine Damen und Herren, HerrMüller hat ja darauf verwiesen, dass das ein Problemdarstellt.

In einem Papier seines Ministeriums zur Umsetzung derVorschläge der Hartz-Kommission wird nur der Daten-austausch zwischen Arbeits- und Sozialämtern themati-siert und Erleichterung zur Einrichtung von Job-Centerndabei gesehen. Zu weiteren Einzelheiten hält sich HerrClement allerdings bis heute bedeckt. Meines Wissens istes auch so, dass zwischen Arbeitsämtern und Sozialäm-tern eine Übereinkunft existiert und nach dieser auch be-reits seit Anfang April so verfahren wird, dass diese ge-meinsamen Anlaufpunkte besetzt wurden, die Technikdort aufgestellt wird und erste Erfahrungen in der Kom-munikation gesammelt werden. Schon im September 2002,meine Damen und Herren, hatte jedoch BundeskanzlerGerhard Schröder in einem Brief an Betriebsräte die Job-Center, ich zitiere: "als die weiterentwickelten Arbeitsäm-ter" bezeichnet. In einem aktuellen Faltblatt der SPD mitdem etwas unzusammenhängenden Titel "Agenda 2010- schneller in neue Beschäftigung - das Arbeitslosengeld"wird von, ich zitiere nochmals: "den Job-Centern der um-strukturierten Bundesanstalt für Arbeit" gesprochen. Dasheißt also, in bereits existierenden Job-Centern wie inMünchen-Passing übernimmt, so jedenfalls eine Presse-mitteilung der Bundesanstalt für Arbeit, das Arbeitsamtdie fachliche Schulung und Qualifizierung der Mitarbeiter.Schon im September 2002 hat Staatssekretär Dr. Achen-bach vom Bundesarbeitsministerium unmittelbar bevor-stehende Verhandlungen mit kommunalen Spitzenverbän-den angekündigt und Arbeitsschritte genannt, darunter diePrüfung räumlicher Voraussetzungen in den Arbeitsäm-tern und Fragen des Datenaustausches. Der Datenaustauschscheint ja bereits in Gang gekommen zu sein. Zudemkündigte Achenbach schon für den Oktober gemeinsa-me Fortbildungen für Mitarbeiter von Arbeits- und Sozial-ämtern an der Fachhochschule der Bundesanstalt für Ar-beit in Mannheim an.

Aus dem bisher Gesagten geht für mich klar hervor, dassRahmenbedingungen für den einheitlichen Aufbau derJob-Center, bei aller Kritik, die man vielleicht inhaltlichan diesem Konstrukt haben kann, und Kriterien für dieQualifizierung der Mitarbeiter zunächst eine Aufgabe derBundesregierung und der Bundesanstalt für Arbeit sind,

wo diese Center eindeutig angegliedert sind bzw. an-geliedert sein werden, jedenfalls nach dem, was wir zumgegenwärtigen Zeitpunkt wissen. Es gibt dort offenbarbereits Vorstellungen, die aber noch nicht öffentlich ge-macht wurden. Um hier für Klarheit zu sorgen, wäre esvielleicht wünschenswerter, dass zunächst von Regie-rungsseite der entsprechende Gesetzesentwurf mit derRegelung der Verantwortlichkeiten und der Zielstellun-gen in der Qualifizierung der Mitarbeiter für diese neueArbeitsaufgabe vorliegt, so dass wir uns anschließenddarüber verständigen können, welche Notwendigkeitenhier bestehen.

Ich halte es für richtiger und wichtiger, dass wir die ESF-und Arbeitsmarktmittel, die in viel zu knapper Form imFreistaat zur Verfügung stehen, für aktive Arbeitsmarkt-politik, für die Arbeitslosen bzw. Nichtbeschäftigten imFreistaat nutzen als für Qualifizierung von Angestelltenvon Bundesbehörden. Ich bedanke mich.

(Beifall bei der PDS)

Präsidentin Lieberknecht:

Als Nächste hat das Wort Frau Abgeordnete Vopel,CDU-Fraktion.

Abgeordnete Vopel, CDU:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, ich habe eseben hinten schon gesagt, es kommt nicht allzu häufig vor,aber eigentlich könnte ich jetzt sagen, ich kann mich denWorten des Kollegen Gerstenberger nur anschließen.

(Beifall und Heiterkeit bei der PDS)

Ein paar Sätze gestatten Sie mir trotzdem. Es ist tatsäch-lich so, es geht in diesem Antrag um die Job-Center, umdie Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe,die wir befürworten, das haben wir immer gesagt. Wir ha-ben auch immer gesagt, wir haben Prämissen und mankann das Ganze nicht trennen von der Gemeindefinanz-reform. Anders geht es nicht. Genau da liegt der Hase imPfeffer, genau die Probleme sind noch nicht gelöst. Des-halb hat mich dieser Antrag schon etwas verwundert, HerrMüller. Sie haben in der Sitzung am 3. April in der Ak-tuellen Stunde, als es um die Zusammenlegung ging, selbstgesagt, ich darf das mal kurz zitieren: "Wir haben ja dasHartz-Konzept und es ist bekannt, in welchen Zeitab-läufen die Umsetzungsschritte laufen. Das ist Hartz IV,Zusammenlegung Arbeitslosen- und Sozialhilfe zu Job-Centern ist vorgesehen für das IV. Quartal dieses Jahres,weil vorher die Gemeindefinanzreformkommission nochihre Ergebnisse vorlegen muss." Also, lieber Herr KollegeMüller, Sie kennen doch das Verfahren, Sie kennen dieAbläufe und umso mehr war ich jetzt verwundert. Siehatten mich heute ja im Laufe des Tages schon einmalangesprochen, weil Sie jetzt Hessen ins Spiel bringen,da muss man doch einmal sagen, in Hessen ist doch eine

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7563

völlig andere Situation. Als Hessen bereits im Bundesratdiesen Vorschlag gemacht hat, mehr arbeitsfähige Sozi-alhilfeempfänger in Arbeit zu bringen, um dafür etwas zutun, da wurde das doch von Ihrer Seite noch vehement be-kämpft. Dafür hat doch der Roland Koch vehement ge-worben, dass das endlich zum Tragen kommt. Da müssenwir doch mal bedenken, dass die Situation in den altenund den neuen Bundesländern sehr unterschiedlich ist. Hiergibt es doch weitaus mehr Arbeitslosenhilfe-Bezieher alsin den alten Bundesländern, und dort gibt es weitaus mehrSozialhilfeempfänger, die arbeiten könnten. Die Unterschie-de sind wirklich gravierend. Wir haben heute gerade in ir-gendeiner Zeitung die Meldung gehabt, wie gerade in denBallungsräumen die Verteilung ist. Deswegen ist in Ih-rem Antrag schlicht und einfach ein Denkfehler. Gere-gelt ist das Ganze in Hartz II, umgesetzt werden soll es inHartz IV. Das wissen wir nun alles.

Meine Damen und Herren, die Bundesregierung sagt selbst,es soll, ich darf das noch einmal zitieren: "ein modernesDienstleistungsangebot am Arbeitsmarkt geschaffen wer-den, deshalb sollen die Arbeitsämter mittelfristig in sogenannte Job-Center umgewandelt werden, eine gemein-same Anlaufstelle für Arbeitslosenhilfe-Bezieher, für Trä-ger und Sozialhilfeempfänger darstellen". Inwieweit da-durch auch ein Arbeitsplatz mehr entsteht, das ist eineganz andere Frage, aber der Verfahrensweg, der ist docheigentlich klar. Auch da muss ich wirklich Herrn Gersten-berger Recht geben, warum wir unsere Fördergelder, diein allen Bereichen hinten und vorn nicht ausreichen, jetztdafür ausgeben sollen, das erschließt sich mir nicht, zu-mal es in einer Pressemitteilung hieß, dass die Bundesan-stalt für Arbeit 12.000 neue Vermittlerstellen bewilligtbekommt, um diese Job-Center mit Leben zu erfüllen.Aber, auch das ist schon gesagt worden, noch haben wirkein Gesetz. Wir haben noch nicht einmal Eckpunkte undich glaube auch nicht daran, dass wir vor der Sommer-pause einen Gesetzentwurf sehen werden. Ich denke, so-lange das nicht vorliegt, brauchen wir über finanzielleBeteiligungen, ganz gleich wie diese stattfinden sollen,diese Job-Center, überhaupt nicht reden. Ich denke, derUmbau der Bundesanstalt ist ein Jahr in aller Munde ge-wesen. Ich habe so irgendwie den Verdacht, dass das WortUmbau auf bauliche Dinge mittlerweile bezogen wird.Es ging um den inhaltlichen Umbau der Bundesanstalt. ImMoment höre ich nur von räumlichen Umbauten. Das istnämlich das Problem, vielleicht will man auf diese Art undWeise ein Stückchen davon ablenken.

Meine Damen und Herren, wir warten gespannt auf denGesetzentwurf, dann können wir uns dazu äußern unddann werden wir weitersehen, aber diesen Antrag müs-sen wir ablehnen. Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Präsidentin Lieberknecht:

Es hat jetzt das Wort in der weiteren Aussprache HerrDr. Müller, SPD-Fraktion.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, eine kurzeBemerkung noch zu dem vorher Gesagten. Wo die 12.000zusätzlichen Mitarbeiter herkommen, das habe ich nochnicht gehört. Das wären ja 15 Prozent Personalaufsto-ckung. Das kann ich mir nicht vorstellen. Das kann ichmir insofern nur vorstellen, dass das aus anderen ...

(Zwischenruf Abg. Bergemann, CDU: Ichgebe Ihnen den Artikel dann mal vor.)

Ja, ja, mit Presseartikeln ist das immer so eine Sache.Anderweitig haben wir das auch schon gehabt, wenn wirhier was zitiert haben und Sie uns dann vorgeführt haben,dass die Realität ganz anders ist. Also, offiziell habe ichvon diesen Dingen nichts gehört, ich kann mir das nurso vorstellen, dass das durch den Umbau in der Behördezu Stande kommt.

Präsidentin Lieberknecht:

Herr Abgeordneter Dr. Müller, gestatten Sie eine Zwi-schenfrage der Abgeordneten Vopel?

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Ja.

Abgeordnete Vopel, CDU:

Herr Kollege Müller, der Name Rudolf Anzinger, Wirt-schaftsstaatssekretär, sagt der Ihnen was, der hat dieseMitteilung verfasst?

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Ja, der hat die nicht verfasst, der hat vor der Presse wasgesagt.

(Heiterkeit bei der CDU)

Das ist genau der Punkt. Ich habe keine offizielle Mittei-lung, weil ich mir das von der Dimension nicht vorstel-len kann, dass das 12.000 Neueinstellungen sind. Aberes bringt uns jetzt hier, glaube ich, nicht weiter. Und dann,es ist klar, bei der Zusammenlegung von Arbeitslosen-und Sozialhilfe geht es um die Zusammenlegung einerkommunalen Einrichtung mit einer Bundeseinrichtung.Wir sind der Meinung, die Länder können sich da nichtheraushalten, und Herr Koch hat das am Sonntag noch maleindrucksvoll dargestellt auch in der ARD, dass Hessenhier in gewisser Weise in einer Vorbildwirkung nach vorngeht und das eben schon seit 01.01.2003 vorbereitet. Man

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weiß ja, in welche Richtung das läuft, und man brauchtnicht wie das Kaninchen vor der Schlange zu stehen undzu warten bis da mal ein Gesetz kommt. Sie kennen ja dieEntwürfe, im Prinzip sind wir da gar nicht so weit ausei-nander.

Ich möchte Herrn Koch hier zitieren. Er sagt, Job-Cen-ter: umfassende Hilfe aus einer Hand, die Sozialverwal-tung wandle sich von der Alimentationsinstanz zum mo-dernen Dienstleister. Dies ermöglicht einen Rundumser-vice individueller Betreuung und einen zielgenauen Ein-satz der Mittel. Meine Damen und Herren, all dies kön-nen Sie der Internetveröffentlichung der Hessischen Staats-kanzlei zur Rolle der Job-Center entnehmen. Die heißendort eben Job-Offensiv-Center, ich hatte darauf schon hin-gewiesen. Und wir sollten eben genau in Thüringen dieseOffensive auch gestalten und uns vorbereiten auf dieDinge, die hier kommen. Wir wissen, dass es ein schwe-rer Kompromiss ist zwischen der Bundes- und der Landes-ebene, weil die Gemeindefinanzreform dranhängt.

Wir gehen mit dem Antrag im Übrigen auch darüberhinaus, über diese einfache Diskussion ZusammenlegungArbeitslosen- und Sozialhilfe, weil wir wissen, wie wich-tig junge Menschen für die Zukunft unseres Landes undwie wesentlich die Weichenstellung an der Schnittstellevon Schule und Beruf ist, und weil wir Familienpolitikund die Rolle der Eltern ernst nehmen. Genau deshalbwollen wir nicht nur Leistungssysteme zusammenführen,wollen wir nicht nur einen bürgerfreundlichen Service,wollen wir nicht nur einen betriebsnahen Beratungsser-vice, sondern wir wollen auch ein spezifisches Service-angebot für junge Menschen und ihre Eltern. Wenn unsdies gelänge, dann könnten wir an dieser Stelle nicht nurin Ostdeutschland, sondern in der ganzen Bundesrepu-blik Vorbildwirkung für unsere Bürger und für unsereBetriebe entfalten. Aber dazu müssten Sie die heutigenWorte von Dr. Bernhard Vogel ernst nehmen und müss-ten Ihren Parteigraben verlassen, den Parteigraben, denwir übrigens genau an dieser Stelle gern verlassen haben,indem wir den hessischen Vorschlag durchaus zu würdi-gen wissen, aber ihn ergänzen und verbessern wollen.Wenn wir trotz der dramatischen Situation des Arbeits-markts - und diese Situation ist nicht zu beschönigen -mit allen uns möglichen Kräften und im abgestimmtenund vereinten Vorgehen mit der Bundesanstalt für Arbeitdafür sorgen wollen, dass jeder junge Mensch ein Ange-bot erhält, wenn wir uns dazu bekennen wollen, dass diesauch für möglichst viele der anderen Arbeitslosen gilt,dann werden wir uns wieder zu einer verstärkten Förde-rung des öffentlich geförderten Arbeitsmarkts in Thürin-gen bekennen müssen. Auch dabei brauchen Sie keineideologischen Sorgen mehr zu haben, der neue Minister-präsident hat sich in den vergangenen Wochen überra-schend sehr wohl zu ABM bekannt. Selbst das "Handels-blatt" hat erkannt, dass das Zurückfahren von Arbeitsbe-schaffungs- und beruflichen Bildungsmaßnahmen die Ar-beitslosigkeit im Osten entscheidend erhöht hat. In seinerheutigen Ausgabe wird festgestellt - Zitat: "Die neuen Bun-

desländer werden noch lange nicht auf die beschäftigungs-politische Krücke eines zweiten Arbeitsmarkts verzichtenkönnen." Sie sehen, das Umdenken ist offensichtlich partei-intern ebenso wie bei den wirtschaftsnahen Medien mitt-lerweile erlaubt. Und der Titel Ihres Leitantrages - ich ha-be im letzten Plenum schon darüber gesprochen - "Sozialist was Arbeit schafft" verschafft auch die Möglichkeitzur Kehrtwende in der Arbeitsmarktpolitik.

Nun aber zurück zu den Job-Centern. Warum betone ich indiesem Zusammenhang die öffentliche Beschäftigungs-förderung? Innerhalb der Job-Center werden wir diffe-renziert feststellen können, wer sich mit welchen Unter-stützungsmöglichkeiten in betriebliche Angebote vermit-teln lässt und für wen wir sehr wohl in öffentlicher Ver-antwortung Ersatzangebote schaffen müssen. Wenn ichsage in öffentlicher Verantwortung, dann meine ich nichtetwa, dass die Durchführung dieser Ersatzangebote inerster Linie von der öffentlichen Hand zu erledigen ist.Auch hier werden wir auf Betriebsnähe zu achten habenund auf qualitativ hochwertige Angebote freier Trägerzurückgreifen. Die Einrichtung der Job-Center gibt unsalso neben der Hilfe für Menschen selbst für die Be-triebe auch die Chance, Arbeitsförderungsinstrumente bes-ser als bisher zu steuern und vor allen Dingen besser alsbisher aus den Regionen zu steuern. Auch dies ist einekonkrete Hilfe nicht nur für die Arbeit Suchenden, son-dern auch für die Städte, Gemeinden und Landkreiseunseres Landes.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, ich bin Mathema-tiker. Was ich Ihnen hier vorgetragen habe, ist logisch undist in anderen Ländern weit gehend erprobt. Wenn demdennoch nicht entsprochen werden sollte, dann würdediese Regierungspartei mal wieder ein parteipolitischesSüppchen kochen. Weil ich aber an die Kraft der Ver-nunft glaube, darf ich noch einmal um Ihre Zustimmungbitten. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung hat sich Staatssekretär Richwienzu Wort gemeldet.

Richwien, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren,sehr geehrter Herr Dr. Müller, ich würde Ihnen empfeh-len, einfach mal beim Bundesministerium nachzufragen,wann denn eigentlich die Gemeindefinanzreform kommt,

(Beifall bei der CDU)

die zwingend notwendig ist, um die Zusammenlegungvon Arbeitslosenhilfe und Sozialhilfe zu ermöglichen.Wenn wir dann mit den Kommunen darüber sprechenwollen, müssen wir erstmal ein Papier auf dem Tisch ha-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7565

ben, und ich sehe dieses Papier weit und breit nicht.

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber zurückzu unserem Thema kommen, nämlich die Errichtung vonJob-Centern, die ja von der Bundesregierung im Zusam-menhang mit der vorgesehenen Zusammenführung vonArbeitslosenhilfe und Sozialhilfe und der Einführung desArbeitslosengeldes II für den 1. Januar 2004 angekün-digt wurde. Bislang liegt den Ländern, und das ist hierschon gesagt worden, kein entsprechender Gesetzent-wurf vor. Auch gibt es keine hinreichend verlässlichenEckpunkte für die Zusammenlegung von Arbeitslosen-hilfe und Sozialhilfe und damit auch nicht für die Ein-richtung der Job-Center. Ich weise in diesem Zusam-menhang auf die von der Bundesregierung eingesetzteKommission zur Reform der Gemeindefinanzen hin.Der Bericht der Unterarbeitsgruppe Arbeitslosenhilfe/So-zialhilfe vom April dieses Jahres enthält kein einheitli-ches Reformkonzept, sondern führt in den wesentlichenPunkten die unterschiedlichen Auffassungen der Mitglie-der auf. Der Bericht beinhaltet deshalb mehrere Varian-ten und Modelle einer Zusammenführung. Die entschei-denden Fragen nach der Trägerschaft für das neue Sys-tem, der Höhe der neuen Leistung, der genauen Abgren-zung der in den Job-Centern zu betreuenden Hilfeemp-fänger und vor allem die Frage nach der Finanzierungdes Arbeitslosengeldes II und seiner Förderinstrumentewurden bislang nicht beantwortet.

Ich betone dies, weil dadurch deutlich wird, dass dieVoraussetzungen, von denen die SPD-Fraktion in der Be-gründung ihres Antrags ausgeht, ungeklärt und zudem frag-lich sind. So kann von einer gemeinsamen Verantwort-lichkeit mehrerer gesetzlicher Leistungsträger im neuenLeistungssystem aus meiner Sicht nicht ausgegangen wer-den, meine Damen und Herren, denn Ziel der Zusammen-führung muss es sein, die bislang geteilten Zuständigkei-ten und Verantwortlichkeiten in einer Hand zu bündeln.Insbesondere erscheint eine Zuständigkeit der Kommu-nen für das neue Leistungssystem fraglich. Nach den bis-her bekannt gewordenen Vorstellungen der Bundesregie-rung und des Vorstandes der Bundesanstalt für Arbeit solldie uneingeschränkte Zuständigkeit für das Arbeitslosen-geld II und damit auch für die Errichtung der Job-Centerbeim Bund bzw. der Bundesanstalt für Arbeit liegen.

Wegen der, meine Damen und Herren, überdurchschnittlichhohen Anzahl von Arbeitslosenhilfeempfängern, ich glau-be, es ist hier schon von Frau Vopel darauf hingewiesenworden, haben wir hier auch, ich sage es mal so, ein Ost-West-Gefälle. Denn wir haben nun mal in den neuen Bun-desländern, Sie sagten es, mehr Arbeitslosenhilfeempfän-ger und weniger Sozialhilfeempfänger, und in den Alt-bundesländern ist es genau umgekehrt. Dort sind mehrSozialhilfeempfänger und weniger Arbeitslosenhilfeemp-fänger. Deswegen, meine Damen und Herren, müssen wirnatürlich als neue Bundesländer genau aufpassen, dass hier

keine zusätzliche Belastung kommt und dass die Kommu-nen auch hier mit bedacht werden. Auch die ThüringerLandesregierung befürwortet daher eher eine Übertragungder Zuständigkeit für das neue System auf die Arbeits-verwaltung. Aus den genannten Gründen ist seitens derLandesregierung weder ein Förderprogramm noch einFortbildungsprogramm für die Einrichtung der Job-Cen-ter vorgesehen.

Meine Damen und Herren, ich möchte nun zum Punkt 3des Antrags etwas sagen. Bereits jetzt gibt es nicht nurin den Geschäftsstellen der Arbeitsämter, sondern auch dengemeinsamen Anlaufstellen von Arbeits- und Sozialäm-tern in Thüringen besondere Serviceangebote für arbeit-und ausbildungsuchende Jugendliche, wie z.B. das Ju-gendsofortprogramm JUMP des Bundes. Die gemeinsa-men Anlaufstellen wurden in Thüringen mittlerweile injedem Arbeitsamtbezirk als Vorläufer zukünftiger Job-Cen-ter eingerichtet. Es ist nicht Aufgabe der Landesregierung,sondern des neuen Trägers, der zukünftigen Leistung Ar-beitslosengeld II auch zukünftig spezifische Servicean-gebote für Jugendliche und gegebenenfalls deren Elternin den Job-Centern zur Verfügung zu stellen. Allerdingsbeabsichtigt die Landesregierung auch zukünftig, die Be-mühungen zur Begrenzung der Jugendarbeitslosigkeit viel-fältig zu unterstützen. So wird z.B. die Informationskam-pagne zur Verbesserung der Berufsvorbereitung und Be-rufsorientierung Thüringen perspektiv fortgesetzt, die sichneben den Jugendlichen auch an Eltern, Lehrer und Un-ternehmer wendet. Gleiches gilt für die Förderung derAusbildungsverbünde der überbetrieblichen Ergänzungs-ausbildung und von Maßnahmen der beruflichen Weiterbil-dung. Außerdem wird durch das Land seit Jahren ein Son-derprogramm - das vergessen einige - des Bundes umge-setzt und aufgestockt, indem in diesem Jahr rund 2.000 zu-sätzliche Ausbildungsplätze zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich zum Schlusskommen, ich bin der Meinung, dass wir den Antrag derSPD ablehnen sollten.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Redeanmeldungen. Ausschussüber-weisung ist nicht beantragt worden, so werden wir direktüber den Antrag der Fraktion der SPD in der Drucksa-che 3/3342 abstimmen. Wer dem zustimmt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmenbitte. Das ist eine große Zahl von Gegenstimmen. Gibtes Stimmenthaltungen? Und einige Stimmenthaltungen.Mit einer Mehrheit von Gegenstimmen ist dieser Antragabgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungspunkt 16.

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Ich komme zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 17

Erstellung eines Benchmarking-Berichts für ThüringenAntrag der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3345 -

Die einreichende Fraktion hat Begründung durch HerrnAbgeordneten Höhn beantragt.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren, überden Zustand der öffentlichen Kassen nähere Ausführun-gen zu machen erübrigt sich, glaube ich, an dieser Stelle.Ich kann mich erinnern, unser ehemaliger FinanzministerTrautvetter hat irgendwann einmal einen Vorschlag ge-macht, das Thüringer Wappen mit einem neuen Wappen-tier zu versehen. Er wollte damals das Känguru einfüh-ren, mit leerem Beutel große Sprünge zu machen. DieserZustand hat sich leider nicht verändert angesichts sinken-der Wachstumszahlen für Deutschland. Wenn man ...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Weil Rot-grün das Futter wegfrisst!)

Ja, das war ja klar. Ihr reagiert wie die pawlowschenHunde, aber okay, das ist nun mal so.

Weil die öffentliche Hand sich sowohl Gedanken um dieEinnahmenseite machen muss - wir haben hier in diesemPlenum schon oft darüber geredet -, gehört es natürlichselbstverständlich auch dazu, sich über die Ausgaben-seite verstärkte Bemühungen angedeihen zu lassen, undzwar bei jedem selbst. Auch wir als Land können dazueinen Beitrag leisten. Dazu braucht man verlässliche Da-ten, dazu braucht man eine verlässliche Grundlage. DieWirtschaft, die Unternehmen bedienen sich da eines In-struments, wie das in unserem Antrag zum Ausdruckkommt, des Benchmarkings. Ich bin aufgefordert wordendies zu verdeutschen, das heißt nichts anderes als sichzu vergleichen.

Wir wollen mit unserem Antrag den Grundstein heutedafür legen, dass für das Land Thüringen für eine um-fassende und grundlegende Verwaltungsreform auf derBasis von verlässlichen Vergleichen hier der Anfang ge-macht wird. Dazu dient dieser Antrag. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich eröffne die Aussprache. Als Erster hat sich zu Wortgemeldet der amtierende Innenminister Trautvetter.

Trautvetter, Innenminister:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damenund Herren, es ist sehr erfreulich, wenn sich die SPDnach der Begründung des Antrags eine effizientere Ver-waltungsstruktur durch einen optimalen Einsatz der knap-pen Ressourcen erhofft.

Meine Damen und Herren, was verbirgt sich überhaupthinter dem neudeutschen, schlagwortartigen und derzeithäufig Verwendung findenden Begriff des Benchmarkings?Es heißt durch Vergleiche zwischen Einrichtungen he-rausfinden, wo innerhalb der eigenen Organisation Ver-besserungspotenziale bestehen und wie diese ausgeschöpftwerden. Da sind eine ganze Menge von Schritten und Pro-zessen, die einbezogen werden müssen: Erstmal über-schaubare Bereiche festlegen, Bewertungskriterien ver-gleichender Aufgaben und Prozesse, Vergleichspartnerfestlegen. Es lohnt nicht, ein kleines Land mit einem gro-ßen zu vergleichen, es lohnt nicht, ein dünn besiedeltesmit einem dicht besiedelten Land zu vergleichen, kriti-sche Kenngrößen zu ermitteln und vieles andere mehr.Dies vorausgeschickt, kann ich Ihnen mitteilen, auchBenchmarking mit den beschriebenen Merkmalen findetin der Landesregierung statt,

(Beifall Abg. Zitzmann, CDU)

nicht erst heute, sondern schon seit vielen Jahren. Eswerden vergleichende Betrachtungen zur Struktur undAblauforganisation der Aufgabenerledigung und zum Standvon Verwaltungs- und Leistungsstandards vorgenommen.Entsprechende Vergleiche mit den Ländern sind festerBestandteil eines jeden Gesetzgebungsverfahrens undneuerdings im Zusammenhang mit der Einrichtung derStabsstelle auch jedem Erlass einer Verwaltungsvorschriftvorgeschaltet. Ausgangspunkt des von der Landesregie-rung im Jahre 2000 beschlossenen Personalentwicklungs-konzepts war ein breit angelegter Vergleich der Organi-sationsstrukturen und des Personalbestands mit vier Ver-gleichsländern. Die von der Landesregierung im Septem-ber 2000 beschlossenen Behördenstrukturmaßnahmen wur-den, um nur ein weiteres Anwendungsbeispiel zu nennen,allesamt von den entsprechenden Elementen in dem be-schriebenen Sinne vorbereitet und begleitet. Natürlich ha-ben Ländervergleiche immer besondere Bedeutung. Nen-nen wir nur die Entwürfe zum Landeshaushalt. Zwischenden Finanzministerien werden über die zentrale Datenstelleder Landesfinanzminister eine ganze Reihe von Kennzif-fern zu den Haushalten ausgetauscht und ausgewertet. Ineinigen Projekten unternehmen die Ressorts gezielte Un-tersuchungen jeweils ausgewählter Verwaltungsbereiche,um Effizienzpotenziale aufzudecken oder den Leistungs-stand Thüringer Behörden im Verhältnis zu Behördenanderer Länder mit identischer Aufgabenstruktur feststellenzu können. Ich nenne beispielhaft den Leistungsvergleichzwischen den Finanzämtern, ein Gemeinschaftsprojekt, woThüringen mit Bayern, Rheinland-Pfalz und Sachsen die-ses Projekt durchführt. In Zuständigkeit des Ministeriums

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für Wirtschaft, Arbeit und Infrastruktur wird jeweils fürdas erste Halbjahr eines laufenden Jahres ein verglei-chender Bericht der Länder Deutschlands erarbeitet.

Als letztes Beispiel nenne ich das im Geschäftsbereichdes Justizministeriums laufende, derzeit in der Pilotphasebefindliche Projekt Just in form. In diesem Controling-Projekt werden die Binnenressourcen der ordentlichenGerichtsbarkeit durch periodische Informationen allerSteuerungsebenen mobilisiert. Das Projekt basiert auf denMethoden des landesinternen Benchmarkings. Im Übri-gen hat die Landesregierung bereits in ihrem Rahmen-konzept zur Weiterentwicklung der Verwaltungsreformund der Organisation der Landesverwaltung vom Som-mer 2001 den Nutzen und die Funktion eines Benchmar-kings als ein Baustein zur Erreichung effizienter Ver-waltungsstrukturen hervorgehoben. In dem Konzept istausgeführt, dass zur Verbesserung der Aufbau- und Ab-laufstrukturen im Rahmen der Binnenmodernisierung deröffentlichen Verwaltung auch das Benchmarking als einInstrument der Unternehmensführung der Privatwirtschaftin Betracht kommt.

Und, meine Damen und Herren, ich kann mich erinnern,als ich in meiner Funktion als Finanzminister zur Über-prüfung von Thüringer Standards eine Art Benchmar-king, möglicherweise hieß das damals noch anders, vor-schlug, stieß das in der letzten Legislaturperiode bei denKollegen der SPD und hier vor allem auch bei jenen imKabinett auf wenig Gegenliebe.

(Beifall bei der CDU)

Denn, wenn wir ein Benchmarking vornehmen, dannsollten wir dies etwas breiter anlegen. Wenn ich an Stan-dards aus dem Kultusbereich denke, Lehrer-Schüler-Ver-hältnis, Hortbetreuung, dem Sozialbereich, dem Kulturbe-reich, Theater und Orchester oder auch aus meinem eige-nen Bereich, Polizeidichte, IMK-Standard - alles Berei-che, in denen wir uns in Thüringen wahrscheinlich überdem Durchschnitt der Länder bewegen. Ich weiß nicht,ob entsprechende Vergleiche und ihre möglichen Konse-quenzen gerade auch bei den SPD-Kollegen auf Zustim-mung stoßen. Ich nenne nur das Beispiel Polizeidichte, diePolizeidichte von Bayern und die Erfolgsquote in der Auf-klärung von Bayern. Wir sind mit 59,6 Prozent gut. Wirhaben eine Polizeidichte von 1 zu 340; Bayern liegt bei1 zu 400 und hat aber eine Aufklärungsquote von 64 Pro-zent. Ihr glaubt doch nicht, dass ein Vorschlag des Thü-ringer Innenministers auf die Polizeidichte von Bayern zugehen, Beifall sowohl bei meiner Fraktion als auch beider SPD finden würde.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, dass wir gut daran tun, dass wir unsere jetzi-ge Polizeidichte hochhalten und das wir diesen Spitzen-platz behalten können.

(Beifall bei der CDU)

Neben dem Instrument des Benchmarkings hat die Lan-deregierung aber zwei weitere alternative Ansätze aufihrem konsequenten Weg zu einer modernen effizientenVerwaltungsstruktur gewählt, auf die ich kurz eingehenwill. Zum einen die Aufgabenkritik: Effektive Form derAufgabenwahrnehmung und der Aufgabenzuordnung sindVoraussetzung für effizientes Handeln in der öffentli-chen Verwaltung. Seit Januar 2003 wird daher eine Auf-gabenüberprüfung als Pilotprojekt im Innenministeriumdurchgeführt, um mit dem vorgesehenen Konzept Erfah-rungen zu sammeln. Nach Abschluss und Auswertung desPilotprojekts Ende 2003 soll, soweit das Projekt erfolg-reich gewesen ist, ab Januar 2004 die Aufgabenüberprü-fung auch in anderen Ressorts durchgeführt werden. DasProjekt wird durch einen externen Berater begleitet unddie Aufgabenüberprüfung sieht zum einen eine systema-tische Prüfung des staatlichen Aufgabenbestandes auf sei-ne Berechtigung und seine Notwendigkeit vor und zumanderen wird eine Vollzugsüberprüfung durchgeführt, beider die Art der Aufgabenerfüllung im Hinblick auf Funk-tionalität und Effizienz ihres Trägers und ihrer organisa-torischen Abwicklung untersucht wird. Die Aufgaben-überprüfung ist zentraler Bestandteil der Optimierung desAufbaus und der Geschäftsabläufe der Landesverwaltung.Als weitere Möglichkeit zur Effektivierung der Landes-verwaltung geht die Landesregierung den Weg der län-derübergreifenden Zusammenarbeit, die ganz maßgeblichvon Dr. Vogel vorangetrieben wurde und in der "InitiativeMitteldeutschland" haben sich die mitteldeutschen Län-der Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf eine Ver-tiefung der Verwaltungskooperation verständigt. Natürlich,Herr Höhn, Benchmarking tritt auch hier in Erscheinung.Ich muss in meinem eigenen Bereich kritisch hinterfra-gen, warum die Statistik in einem vergleichbar großenLand wie Baden-Württemberg, was etwa mehr Einwoh-ner hat als Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen, dieStatistik mit einem Aufwand von 31 Mio. ��erledigt, wäh-rend die Statistik in allen drei Ländern insgesamt 47 Mio. �kostet. Das sind die Vergleiche, wo wir über Koopera-tion versuchen wollen, effizient unsere Aufgaben zu er-ledigen und zur Kostenreduzierung zu kommen. Zu die-sem Vergleich brauche ich keinen externen Gutachter,das kann ich mir aus den Haushalten der einzelnen Län-der selbst heraussuchen.

Es sei mir gestattet, abschließend noch einen Hinweis zugeben: Grenzüberschreitende Vergleiche können nie eineabschließende politische Entscheidung der Landesregie-rung oder des Landtags unter Einbeziehung der möglicher-weise besonderen Thüringer Verhältnisse ersetzen. Dieföderale Struktur der Bundesrepublik ruft naturgemäß nichtunerhebliche Unterschiede in der Aufgabendefinition, inder Organisationsstruktur und im operativen Ablauf derVerwaltungstätigkeit in den einzelnen Landesverwaltun-gen hervor, die jeweils Ausdruck der landespezifischenpolitischen Grundsatzentscheidungen und der konkretenVerhältnisse in der Region sind. Da stoßen Länderver-

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gleiche häufig und sehr schnell an ihre Grenzen und dieLandesregierung ist, wenn sie einen solchen Länderver-gleich unternimmt, sich bewusst, dass eine rein rechne-rische Übernahme von Vergleichsdaten nie zielführendsein kann.

(Beifall bei der CDU)

Sie hat immer das Datenmaterial zu hinterfragen und er-forscht die Ursachen aufgedeckter Unterschiede, die beisolchen Benchmarking zu Tage treten. Ein institutiona-lisiertes und indifferentes Benchmarking über alle Ver-waltungs- und Haushaltsbereiche hinweg, wie im Antragder SPD-Fraktion gefordert, ist als politisches Steuerungs-instrument nicht zielführend. Ich empfehle daher, den An-trag der SPD-Fraktion abzulehnen und stattdessen dieLandesregierung auf ihrem eingeschlagenen Weg derVerwaltungsmodernisierung zu unterstützen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die PDS-Fraktion hat sich der Abgeordnete Ditteszu Wort gemeldet.

(Unruhe im Hause)

Abgeordneter Dittes, PDS:

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten,es scheint Ihnen ja sehr viel Freude zu bereiten, dass ichfür die Fraktion zur Verwaltungsreform rede und zum An-trag der SPD, die hiermit natürlich ein Thema aufgreift,was im Freistaat Thüringen ohnehin zurzeit sehr inten-siv diskutiert wird, aber es wird eben auch nicht nur dis-kutiert, sondern es wird auch derzeit vollzogen, nämlichdie Verwaltungsreform. Denken wir nur an die Debattezur Umgestaltung im Katasterwesen oder heute an dasGesetz zur Auflösung der Autobahnämter, welches derLandtag in erster Beratung gelesen hat.

Nun folgt die Landesregierung aus unserer Sicht bei denEinzelmaßnahmen ihrer Verwaltungsmodernisierung kei-nem schlüssigen Konzept. Während die Landesregierung

(Beifall bei der SPD)

im Rahmenkonzept zur Weiterentwicklung der Verwal-tungsreformen und der Organisation der Landesverwal-tung einleitend noch von einem Wertewandel spricht, dersich auf das Verhältnis zwischen den Bürgern und demStaat auswirke, und die Bürgerinnen und Bürger eine ge-steigerte Mitwirkung an der staatlichen Tätigkeit fordern,wird in den halbjährlichen Berichten der Landesregierungzum Stand der Verwaltungsmodernisierung aber keines-falls ersichtlich, dass dieser Forderung gerecht oder ent-sprochen werden soll. Stattdessen stehen die einseitigenOrientierungen Effizienz, Kostenminderung, Beschleuni-

gung und Wettbewerbsfähigkeit als Leitbilder im Mittel-punkt der Kriterien, nachdem die Landesregierung ein-zelne Verwaltungsstrukturen in Thüringen einer Reformunterziehen will. Herr Trautvetter, da können wir uns ebenIhrer Bitte nicht anschließen, den eingeschlagenen Weg derLandesregierung auch in Zukunft zu unterstützen.

Nun greift die SPD in ihrem Antrag wiederum auch nureinzig das Kriterium der Kostenminderung auf und be-nennt begleitend das Auffinden struktureller Auffällig-keiten als Ziel des angestrebten Benchmarkingberichtes.Aber, meine Damen und Herren, auch Letzeres dient ein-zig und allein der Beseitigung mit dem Ziel der Kosten-minderung, wie es ausdrücklich der Begründung zu ent-nehmen ist und wie es auch der Begründung von HerrnHöhn zu entnehmen ist, ein qualitativer Anspruch an eineVerwaltungs- und Funktionalreform findet sich seitensder SPD in dieser Beratung nicht. Herr Höhn, ich hattebei Ihrer Einbringung zum Antrag den Eindruck, dass esIhnen gar nicht um die Verwaltungsreform in Thüringenals solche geht, sondern dass Sie als Finanzpolitiker dasZiel verfolgen, ganz zwingend eine Einsparung bei denAusgaben der öffentlichen Gelder zu erreichen und dieVerwaltungsreform nur als Mittel dazu nutzen wollen.Im Gegensatz dazu ist bei einer von uns als notwendigerachteten Verwaltungs- und Funktionalreform in Thü-ringen ein ganzheitliches Herangehen vonnöten, die dengesamten Verwaltungsbereich in Thüringen mit umschließt,also auch nicht nur den sich als auffällig darstellendenTeil im Vergleich mit anderen Verwaltungsstrukturen an-derer Länder. Das heißt für uns, dass an erster Stelle derDiskussion einer Verwaltungs- und Funktionalreform einequalitative Zielbestimmung stehen muss und eben nichtder Versuch unternommen werden soll, über das formu-lierte Ziel der Einsparung von Geldern hier das Ziel derVerwaltungsreform bereits eng geschrieben vorzugeben.

(Beifall Abg. Thierbach, PDS)

Da will ich nicht bestreiten, dass sicherlich der vermin-derte Einsatz von öffentlichen Geldern auch in der Ver-waltung des Freistaats Thüringen durchaus ein Ziel aucheiner Verwaltungsreform ist, aber eben ein gleichwertigesZiel neben anderen, das keine herausgehobene Rolle ha-ben darf und das auch letztendlich nicht dazu führendarf, dass die Verwaltungsstrukturen nur unter einem reinfiskalischen Blickpunkt betrachtet werden.

Ich möchte Ihnen, um auch ein Stück weit nach der Rededes Innenministers den Fokus auch auf qualitative An-sprüche einer Verwaltungsreform zu richten und weg vonder Diskussion über die Verfahren des Benchmarkingszu kommen, einige dieser Kriterien benennen: Bürger-nähe, Mitbestimmung der Beschäftigen im öffentlichenDienst, Mitgestaltung an Verwaltungsentscheidungen durchBürgerinnen und Bürger, Transparenz im Verwaltungs-handeln, Einhaltung der Prinzipien der Subsidiarität undder Konnexität, Berücksichtigung der besonderen Interes-sen von bestimmten Bevölkerungsgruppen, wie sie bei-

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spielsweise in Kapitel 28 der Agenda 21 genannt undbeschrieben worden sind, und nicht zuletzt, meine Da-men und Herren, die Sozialverträglichkeit der Verwal-tungsreform in Thüringen sind für uns Kriterien für einesolche Reform.

(Beifall bei der PDS)

Wir gehen davon aus, dass diese qualitativen Kriterieneiner Verwaltungs- und Funktionalreform mindestensgleichwertig neben den Zielen, die Sie, meine Damen undHerren der SPD, aber auch die Landesregierung, be-nannt haben, stehen müssen, nämlich den Zielen der Ent-bürokratisierung, der Beschleunigung und eben auch desverminderten Kosteneinsatzes.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren der SPD, einer solch ganzheit-lichen Betrachtung entspricht Ihr Antrag, den Sie heutedem Landtag vorgelegt haben, keinesfalls. Wir schlagendeshalb vor, im Innenausschuss den Antrag mit demZiel weiterzuberaten, weiter gehende Kriterien für einenBericht zur Verwaltungsstruktur und zu Vorschlägen füreine Reform zu erarbeiten und eben nicht nur darauf ab-zielen, zu sagen, wir müssen Auffälligkeiten in Thürin-gen finden im Vergleich mit anderen Bundesländern, son-dern tatsächlich auch Kriterien suchen, wo wir uns ineiner Verwaltungsstruktur tatsächlich qualitativ von denStrukturen anderer Länder unterscheiden können und ebenauch nicht mit dem Bericht anstreben, hier eine Nivel-lierung der Bundesländer oder der Strukturen in denBundesländern anzustreben, sondern bewusst den quali-tativen Schritt für eine Modernisierung zu gehen,

(Beifall bei der PDS)

weil wir dann auch erst die Möglichkeit haben, dass einsolcher Bericht die Voraussetzung und auch der Aus-gangspunkt für eine tatsächliche Verwaltungs- und Funk-tionalreform in Thüringen ist, der eben nicht nur durch dieFraktionen des Thüringer Landtags dann getragen wird,sondern auch durch Interessenvereinigungen, Betroffe-nenverbände und auch durch Bürgerinnen und Bürgerund, wenn Sie so wollen, durch die Öffentlichkeit.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, sollte der Antrag allerdingsdiesen Weg in den Ausschuss nicht finden, wird meineFraktion aufgrund der dargestellten Kritikpunkte nicht inder Lage sein, Ihrem Antrag zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die CDU-Fraktion hat sich der Abgeordnete Fiedlerzu Wort gemeldet.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren,der vorliegende Antrag von der SPD-Fraktion findet nichtunsere Zustimmung.

(Beifall bei der CDU)

Der ehemalige Finanzminister und jetzige Innenministerhat die Ausführung klar auf den Tisch gelegt. Bei Gesetz-gebungsverfahren, bei ähnlichen Vergleichen wird Bench-marking schon durchgeführt. Man kann sich sicher treff-lich darüber streiten, ob man nicht hätte vielleicht vorfünf Jahren manche Dinge schon machen können unddürfen, damals hatten Sie noch andere Meinungen, aberich denke, das Entscheidende ist, dass jetzt die Dinge aufdem Prüfstand sind bzw. kommen. Wir brauchen dazunicht noch unnützes Geld auszugeben für externe Gut-achter, sondern das wird in der Landesregierung schondurchgeführt. Wir stimmen keiner Überweisung zu undlehnen den Antrag ab.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD-Fraktion hat sich der Abgeordnete Höhn zuWort gemeldet.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, Herr KollegeDittes, ich kann Sie beruhigen. Ich weiß nicht, entwederhaben Sie den Antrag nicht richtig gelesen oder wollenihn eventuell nicht richtig verstehen, wir wollen ebennicht diesen rein fiskalischen Ansatz bei einer echtenVerwaltungsreform in Thüringen. Das ist ja genau unserVorwurf. Wenn Sie unsere Debatten der Vergangenheitaufmerksam verfolgt hätten, da ging es uns immer umeine weitgreifendere Debatte. Aber was wir tun sollten,Herr Dittes, wir sollten nicht den zweiten Schritt vordem ersten tun. Bevor ich eine solche Reform auf denWeg bringe, brauche ich verlässliche Daten, da braucheich einen verlässlichen Stand, wie die Verwaltungsstruk-turen in Thüringen im Vergleich mit den guten anderenLändern stehen. Das ist der Hintergrund dieses Antrags.Es ist noch kein - das betone ich ausdrücklich und dieserAntrag erhebt auch nicht diesen Anspruch - Konzept füreine Verwaltungsreform.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das hätte ichIhnen auch nicht unterstellt.)

Aber wir müssen endlich einmal dahin kommen, dass wirwirklich mal ehrlich miteinander umgehen. Herr Minis-ter, egal in welcher Funktion, die Landesregierung hatschon vor dem morgigen Mannschaftswechsel gern undvor allen Dingen viel über das Thema Verschlankung derVerwaltung und Verwaltungsmodernisierung geredet. Ich

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will auch gern zugestehen, dass es erste Anfänge gibt. Ichweiß nicht, ob Sie es waren oder Kollege Dittes, das Bei-spiel der Katasterreformierung wurde hier genannt. Ichmuss Ihnen ehrlich sagen, ich hatte den Eindruck, dass die-se so genannte Reform der Katasterverwaltung eher denWahlkreiszuschnitten der CDU gefolgt ist.

(Heiterkeit bei der CDU)

Aber von einer echten Reform kann ich an dieser Stellenichts erkennen. Das heißt, außer einige Anfänge ...

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir habenalle einen Wahlkreis.)

Herr Fiedler, ich entnehme Ihrem Lächeln, dass ich dabei Ihnen offensichtlich Zustimmung finde. Danke.

Meine Damen und Herren, herausgekommen bei den bis-herigen Bemühungen für eine echte Verwaltungsmoder-nisierung ist neben drei Stabsstellen in drei verschiede-nen Ministerien nach unserer Auffassung bisher nichtviel. Sieht man einmal von den erfolgten Privatisierun-gen oder Kommunalisierungen ab, sind auch da die fis-kalischen Effekte eher zweifelhaft. Beispiel gefällig?

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: In Ber-lin.)

Meistens wurde es sogar teurer als vorher, wie das Bei-spiel der Privatisierung der Straßeninstandhaltung zeigt.Dort zahlen wir momentan drauf. Ich hoffe, dass die Ent-wicklung dorthin geht, die auch ursprünglich einmal mitdieser Privatisierung angedacht war. Die derzeitigen Er-gebnisse lassen diesen Schluss nicht zu. Aber auch beiden erfolgten Kommunalisierungen wird es regelmäßignicht billiger, da die Kommunen nicht immer oder, an-ders ausgedrückt, selten das vorhandene Personal für denjeweiligen Bereich komplett übernehmen. Ergebnis: DasLand behält einen Teil des Personals und muss die Auf-gabe dennoch bezahlen. Das heißt, einen echten Einspar-effekt gibt es da nicht. Ich muss Ihnen vorwerfen, auchwenn Sie das nicht gern hören, meine Damen und Herrenvon der Landesregierung, auch von der CDU-Fraktion,eine grundlegende Aufgabenanalyse und Ausgabenkritikund Effizienzevaluierung haben Sie bis heute nicht hinbe-kommen, obwohl Sie doch spätestens seit 1999 auf nie-manden mehr Rücksicht nehmen mussten, weil ja hierschon einige Male das Beispiel der großen Koalition alsso genannter Hemmschuh auf diesem Gebiet genanntworden ist. Sie haben seit 3 ½ Jahren allein die Chancedazu und es ist nichts passiert in dieser Richtung. MeineDamen und Herren, meine Fraktion, wir haben schon wie-derholt auf diesen Missstand hingewiesen, dass Perso-nalkürzungen beispielsweise in der Regel, sage ich, nachder Rasenmähermethode durchgeführt worden sind undes gibt bis heute kein schlüssiges Personalentwicklungs-konzept. Das, was Sie uns als solches zu verkaufen ver-suchen, ist lediglich ein Personalabbaukonzept. Selbst das

kommt, weil es eben rein fiskalisch motiviert ist, ohne eineentsprechende Aufgabenanalyse aus. Da setzt unsere Kri-tik an. Dieses, meine Damen und Herren, das müssen Sienun aber doch zur Kenntnis nehmen, Dahinwursteln inSachen Verwaltungsverschlankung, Modernisierung hatmittlerweile dazu geführt, dass Thüringen in wichtigenIndikatoren stark im Ranking abgerutscht ist. Da nehmeich als Beispiel nur die neuen Länder. Wir haben bei derInvestitionsquote - und das ist die größte Sünde - einen er-heblichen Rückschritt zu verzeichnen, aber auf der ande-ren Seite leisten wir uns die zweithöchste Personalaus-gabenquote der neuen Länder. Das ist ein sehr deutlichesIndiz für das Verschlafen notwendiger Handlungsschritte.

Meine Damen und Herren, wir haben die Landesregierungschon öfter aufgefordert, diese konzeptionslose Heran-gehensweise aufzugeben und unter Nutzung externenSachverstands alle Aufgaben und Ausgaben des Landeszu durchleuchten. Wir haben, wenn Sie sich vielleicht er-innern, bei den Beratungen zum letzten Doppelhaushaltexakt einen solchen Antrag im Plenum mit eingebracht.Der nun vorliegende Antrag soll dafür sorgen, dass dieLandesregierung zumindest verlässliche Ausgangsdatenfür einen Modernisierungsprozess ermittelt. Nur wennman weiß, wo man steht, wird man sachgerecht entschei-den können. Deshalb, nun muss ich leider wieder einenneuen Begriff, einen Fremdwortbegriff nennen, aber erhat sich in dieser Branche eben so verfestigt, das Prinzipder best practice, also der Vergleich mit den Besten aufdem jeweiligen Gebiet. Das ist die Methode, die auch inder Wirtschaft angewandt wird. Bisher hat die Landes-regierung immer nur Parameter verglichen, in denen Thü-ringen gut weg kam und sich mit den Daten in der Regelselbst beweihräuchert. Damit, das sage ich Ihnen ganz deut-lich, muss Schluss sein. In unserem Entschließungsantragim Dezember vergangenen Jahres hatten wir formuliert,ich zitiere an dieser Stelle: "... die gesamte Thüringer Lan-desverwaltung durch externe Prüfer unter Berücksichti-gung der langfristigen demographischen Entwicklung inThüringen, der weiteren Effektivierung durch die Nut-zung moderner Computertechnik sowie unter Nutzungvon internem und externem Benchmarking eine Aufga-benanalyse sowie einer Zweck- und Vollzugskritik zuunterziehen." Das haben wir im Dezember schon gefor-dert und die Betonung und, Herr Minister, die Unterschei-dung hier an dieser Stelle liegt auf dem Begriff extern.Das ist der entscheidende Punkt. Sie nutzen dieses Mittelzwar in Ansätzen, aber für eine umfassende Aufgaben-kritik reicht das nach unserer Auffassung nicht aus. Wiesinnvoll ein solcher Ansatz ist, schreibt uns der Ostdeut-sche Bankenverband, ich nehme an, die Kollegen bekom-men auch jeden Monat diesen Infoport vom OstdeutschenBankenverband. Ich darf aus der Mai-Ausgabe einmal andieser Stelle zitieren, Frau Präsidentin.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Höhn, bevor Sie zitieren, will ich gerneinmal darauf hinweisen, dass kaum noch etwas zu ver-

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7571

stehen ist und dass dem Ganzen mit der Aufmerksam-keit zu folgen ist, wie es auch der letzte Tagesordnungs-punkt am heutigen Tag verlangt von allen!

Abgeordneter Höhn, SPD:

Vielleicht sollte ich etwas lauter reden, vielleicht geht esdann.

(Zwischenruf Abg. Schugens, CDU: Er kanndoch aufhören.)

Okay, das können wir machen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter, Sie reden laut genug. Der Saal isteinfach zu laut.

Abgeordneter Höhn, SPD:

Also noch einmal. Zitat aus dem Infoport des Ostdeut-schen Bankenverbandes: "Eine Stärkung der öffentlichenInvestitionen, vor allem im Bereich der feststehendenInfrastrukturdefizite wird nur möglich sein, wenn es ge-lingt, die öffentlichen Konsumausgaben zurückzuführen.Dafür wiederum müssen zunächst Einsparpotenziale iden-tifiziert werden. Länder und Gemeinden stehen hier vorderselben Herausforderung wie Unternehmen, die stetigum Kostenoptimierung bemüht sein müssen. Unterneh-men nutzen dazu das Instrument des Benchmarkings. Da-bei vergleichen Unternehmen ihre Produkte oder Pro-duktionsabläufe mit denen der erfolgreichsten Wettbewer-ber (best practice). Ein finanzpolitisches Benchmarkingim Sinne eines Vergleichs der Aufgabenfelder öffentli-cher Haushalte ist für die Zukunft unverzichtbar. Darauswerden Basisinformationen zur gesamten Ausgabenstruk-tur und damit Anhaltspunkte für Einsparpotenziale gewon-nen." Soweit der Ostdeutsche Bankenverband. Meine Da-men und Herren, die CDU-geführten Landesregierungenin Sachsen-Anhalt und die Regierung in Brandenburgunter CDU-Beteiligung haben exakt dieses Modell ange-wandt. Es gibt einen Benchmarking-Report aus Branden-burg, wo man sich in allen öffentlichen Aufgabenfeldernmit dem Land Sachsen verglichen hat - in allen. Die Lan-desregierung in Brandenburg ist derzeit dabei, diese Aus-wertung vorzunehmen und die entsprechenden Maßnah-men einzuleiten. Es dürfte doch nun wirklich kein poli-tisches Problem sein, diesen Ansatz für eine grundlegendeErhebung zunächst einmal auch in Thüringen durchzu-setzen. Das muss man doch völlig ideologiefrei sehen,meine Damen und Herren.

Ich denke, und damit komme ich dann zum Schluss, dieneue Landesregierung kann an dieser Stelle, bei diesemAntrag der SPD unter Beweis stellen, dass sie es ernstmeint mit den neuen, eigenen Akzenten, die vom Minis-terpräsidenten heute proklamiert wurden und vor allemmit den unvoreingenommenen Prüfungen sinnvoller Vor-

schläge. So jedenfalls glaube ich ihn heute verstanden zuhaben. Nehmen wir uns an der Wirtschaft ein Beispielund zeigen wir gemeinsam, dass auch die Politik hin undwieder marktwirtschaftlich denken kann. Denn eines stehtfest, meine Damen und Herren, davon bin ich überzeugt,die nächsten Jahre werden uns als Politiker noch schwe-ren Prüfungen unterziehen. Wir müssen angesichts dra-matischer Wachstumseinbrüche - und auch das sehe ichvöllig unideologisch, wenn man sich in Europa umschaut -und der damit verbundenen schmaleren Staatskassen nochganz andere Wege gehen, die wir uns heute vielleicht nochgar nicht vorstellen können.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Für uns istdas selbstverständlich.)

Aber wir können heute damit anfangen. Deshalb bitte ichSie um Zustimmung zu unserem Antrag. Danke schön.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt noch eine Redemeldung durch die Landesregierung.

Trautvetter, Innenminister:

Herr Höhn, wir haben überhaupt nichts gegen Bench-marking. Sie können mir Bereiche nennen, wie Sie auchwollen, ich mache Ihnen für jeden Bereich, den Sie nen-nen, innerhalb von einer Woche eine Vergleichsrechnung.Ich habe nicht immer einen positiven Eindruck von denvielen hochgejubelten externen Gutachtern. Ich bin mo-mentan gerade dabei, Wirtschaftsgutachten für Wasser-und Abwasserzweckverbände durchzuarbeiten. Was dahineingeschrieben worden ist, da bin ich etwas ernüchtertüber externe Gutachten.

(Beifall bei der CDU)

In der Regel ist 90 Prozent Poesie aus vorgefertigtenTextbestandteilen und nur 10 Prozent Inhalt. Ich will Ihnennoch einmal so ein Beispiel nennen. Ich habe das Bench-marking-Gutachten für die Geschäftsfelder von Carl-Zeiss1993 in die Hände bekommen. Da stand Oftalmologieauf der Abschussliste. Es wäre kein zukunftsträchtigesGeschäftsfeld. Mittlerweile ist Zeiss in Jena das Zent-rum in diesem Bereich, nicht nur in Deutschland, son-dern weit darüber hinaus.

(Beifall bei der CDU)

Das heißt, externe Gutachten werden oftmals auch des-wegen gemacht, weil man sich vor eigener Verantwor-tung drückt und sagt, das hat ja ein Externer geschrieben.Da habe ich etwas dagegen.

Wir haben alle Zahlen vorliegen, im Statistischen Lan-desamt gibt es für jeden Bereich der öffentlichen Verwal-

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tung sämtliche Zahlen, wie viele Aufgaben werden dortdurchgeführt, ich weiß, wie viel Familienprozesse, wieviel Arbeitsgerichtsprozesse, wie viel Zivilgerichtspro-zesse und sonstige Prozesse gemacht werden, wie vielneue Anträge eingehen, wie viel erledigt werden und kanngenau sagen, ist unsere Gerichtsbarkeit optimal ausge-richtet, oder ist sie nicht ausgerichtet. Schaffen bei unsdiese Richter in der gleichen Zeit die gleiche Anzahl vonentsprechenden Prozessen oder brauchen sie die doppel-te Anzahl dazu. Ich kann ausrechnen, dass ein Mitarbei-ter in der Landkreisverwaltung zur Berechnung einesElternbeitrages für den Hort mehr Zeit zur Verfügung hatentsprechend unserer Kostenerstattung als ein Mitarbei-ter im Finanzamt für eine Steuererklärung. Die ganzenZahlen liegen vor. Benchmarking ist wichtig, aber ichbin ein großer Verfechter dafür, dass wir uns die Aufgabestellen, intern objektiv und ehrlich miteinander umzugehen

(Beifall bei der CDU)

und ich verzichte im Benchmarking momentan gern aufexterne Gutachter, die nur viel Geld kosten.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es liegen keine weiteren Redeanmeldungen vor.

(Beifall Abg. Schemmel, SPD)

Es ist beantragt worden, diesen Antrag an den Ausschusszu überweisen. Wer dem zustimmt, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke schön. Die Gegenstimmen bitte?Das ist eine Mehrheit von Gegenstimmen. Gibt es Stimm-enthaltungen? Es gibt 1 Stimmenthaltung. Mit einer Mehr-heit von Gegenstimmen ist die Ausschussüberweisungabgelehnt worden.

Demzufolge kommen wir zur Abstimmung über denAntrag der Fraktion der SPD in der Drucksache 3/3345.Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Die Gegenstimmen bitte? Das ist eine Mehr-heit von Gegenstimmen. Gibt es hier Stimmenthaltun-gen? Es gibt einige Stimmenthaltungen. Mit einer Mehr-heit von Gegenstimmen ist der Antrag abgelehnt. Ichschließe den Tagesordnungspunkt 17.

Bevor ich den heutigen Plenarsitzungstag schließe, möchteich darauf hinweisen, dass die Landesregierung die Re-gierungserklärung "Ehrenamt und Sport - Pluspunkte fürThüringen" zurückgezogen hat.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Buse, PDS: Die alte oderdie neue?)

Zum Zweiten möchte ich noch einmal darauf verweisen,dass gegen 20.00 Uhr der parlamentarische Abend desThüringer Beamtenbundes beginnt. In diesem Sinneschließe ich jetzt den Tag heute ab wünsche Ihnen einenguten Abend.

E n d e d e r S i t z u n g: 19.47 Uhr

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Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003 7573

Anlage 1

Namentliche Abstimmung in der 86. Sitzung am05.06.2003 zum Tagesordnungspunkt 9 a

Gesetz zur umfassenden Verwirklichunggesellschaftlicher Teilhabe behinderterMenschen im Freistaat ThüringenGesetzentwurf der Fraktion der PDS- Drucksache 3/3249 -

1. Althaus, Dieter (CDU) 2. Arenhövel, Johanna (CDU) nein 3. Bechthum, Rosemarie (SPD) Enthaltung 4. Becker, Dagmar (SPD) Enthaltung 5. Bergemann, Gustav (CDU) nein 6. Böck, Willibald (CDU) nein 7. Bonitz, Peter (CDU) nein 8. Botz, Dr. Gerhard (SPD) nein 9. Braasch, Detlev (CDU) nein10. Buse, Werner (PDS) ja11. Carius, Christian (CDU) nein12. Dittes, Steffen (PDS) ja13. Doht, Sabine (SPD)14. Döring, Hans-Jürgen (SPD)15. Ellenberger, Irene (SPD) nein16. Emde, Volker (CDU) nein17. Fiedler, Wolfgang (CDU) nein18. Fischer, Dr. Ursula (PDS) ja19. Gentzel, Heiko (SPD)20. Gerstenberger, Michael (PDS) ja21. Goebel, Prof. Dr. Jens (CDU) nein22. Grob, Manfred (CDU) nein23. Groß, Evelin (CDU) nein24. Grüner, Günter (CDU) nein25. Hahnemann, Dr. Roland (PDS) ja26. Heym, Michael (CDU) nein27. Höhn, Uwe (SPD) nein28. Huster, Mike (PDS)29. Illing, Konrad (CDU)30. Jaschke, Siegfried (CDU) nein31. Kallenbach, Jörg (CDU) nein32. Kaschuba, Dr. Karin (PDS) ja33. Klaubert, Dr. Birgit (PDS) ja34. Klaus, Dr. Christine (SPD) nein35. Koch, Dr. Joachim (PDS) ja36. Köckert, Christian (CDU) nein37. Kölbel, Eckehard (CDU) nein38. Kraushaar, Dr. Ingrid (CDU) nein39. Krauße, Horst (CDU) nein40. Kretschmer, Thomas (CDU) nein41. Krone, Klaus, von der (CDU) nein42. Kummer, Tilo (PDS) ja43. Künast, Dagmar (SPD) nein44. Lehmann, Annette (CDU) nein45. Lieberknecht, Christine (CDU) nein46. Lippmann, Frieder (SPD) nein47. Mohring, Mike (CDU) nein48. Müller, Dr. Alfred (SPD) nein

49. Nitzpon, Cornelia (PDS)50. Nothnagel, Maik (PDS) ja51. Panse, Michael (CDU) nein52. Pelke, Birgit (SPD) nein53. Pidde, Dr. Werner (SPD) nein54. Pietzsch, Dr. Frank-Michael (CDU) nein55. Pohl, Günter (SPD) nein56. Pöhler, Volker (CDU) nein57. Primas, Egon (CDU) nein58. Ramelow, Bodo (PDS) ja59. Schemmel, Volker (SPD) nein60. Scheringer, Konrad (PDS)61. Schröter, Fritz (CDU) nein62. Schuchardt, Dr. Gerd (SPD) nein63. Schugens, Gottfried (CDU) nein64. Schuster, Franz (CDU)65. Schwäblein, Jörg (CDU) nein66. Sedlacik, Heidrun (PDS) ja67. Seela, Reyk (CDU) nein68. Seidel, Harald (SPD) nein69. Sklenar, Dr. Volker (CDU) nein70. Sojka, Michaele (PDS) ja71. Sonntag, Andreas (CDU) nein72. Stangner, Dr. Isolde (PDS) ja73. Stauch, Harald (CDU) nein74. Tasch, Christina (CDU) nein75. Thierbach, Tamara (PDS) ja76. Trautvetter, Andreas (CDU) nein77. Vogel, Dr. Bernhard (CDU)78. Vopel, Bärbel (CDU) nein79. Wackernagel, Elisabeth (CDU) nein80. Wehner, Wolfgang (CDU) nein81. Wetzel, Siegfried (CDU) nein82. Wildauer, Dr. Heide (PDS) ja83. Wolf, Bernd (CDU) nein84. Wolf, Katja (PDS) ja85. Wunderlich, Gert (CDU) nein86. Zeh, Dr. Klaus (CDU) nein87. Zimmer, Gabriele (PDS)88. Zitzmann, Christine (CDU) nein

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7574 Thüringer Landtag - 3. Wahlperiode - 86. Sitzung, 5. Juni 2003

Anlage 2

Namentliche Abstimmung in der 86. Sitzung am05.06.2003 zum Tagesordnungspunkt 9 b

Thüringer Gesetz zur Herstellung gleich-wertiger Lebensbedingungen für Menschenmit BehinderungenGesetzentwurf der Fraktion der SPD- Drucksache 3/3266 -

1. Althaus, Dieter (CDU) 2. Arenhövel, Johanna (CDU) nein 3. Bechthum, Rosemarie (SPD) ja 4. Becker, Dagmar (SPD) ja 5. Bergemann, Gustav (CDU) nein 6. Böck, Willibald (CDU) nein 7. Bonitz, Peter (CDU) nein 8. Botz, Dr. Gerhard (SPD) ja 9. Braasch, Detlev (CDU) nein10. Buse, Werner (PDS) ja11. Carius, Christian (CDU) nein12. Dittes, Steffen (PDS) ja13. Doht, Sabine (SPD)14. Döring, Hans-Jürgen (SPD)15. Ellenberger, Irene (SPD) ja16. Emde, Volker (CDU) nein17. Fiedler, Wolfgang (CDU)18. Fischer, Dr. Ursula (PDS) ja19. Gentzel, Heiko (SPD)20. Gerstenberger, Michael (PDS) ja21. Goebel, Prof. Dr. Jens (CDU) nein22. Grob, Manfred (CDU) nein23. Groß, Evelin (CDU) nein24. Grüner, Günter (CDU) nein25. Hahnemann, Dr. Roland (PDS) ja26. Heym, Michael (CDU) nein27. Höhn, Uwe (SPD) ja28. Huster, Mike (PDS)29. Illing, Konrad (CDU)30. Jaschke, Siegfried (CDU) nein31. Kallenbach, Jörg (CDU) nein32. Kaschuba, Dr. Karin (PDS) ja33. Klaubert, Dr. Birgit (PDS) ja34. Klaus, Dr. Christine (SPD) ja35. Koch, Dr. Joachim (PDS) Enthaltung36. Köckert, Christian (CDU) nein37. Kölbel, Eckehard (CDU) nein38. Kraushaar, Dr. Ingrid (CDU) Enthaltung39. Krauße, Horst (CDU) nein40. Kretschmer, Thomas (CDU) nein41. Krone, Klaus, von der (CDU) nein42. Kummer, Tilo (PDS) ja43. Künast, Dagmar (SPD) ja44. Lehmann, Annette (CDU) nein45. Lieberknecht, Christine (CDU) nein46. Lippmann, Frieder (SPD) ja47. Mohring, Mike (CDU) nein48. Müller, Dr. Alfred (SPD) ja

49. Nitzpon, Cornelia (PDS)50. Nothnagel, Maik (PDS) ja51. Panse, Michael (CDU) nein52. Pelke, Birgit (SPD) ja53. Pidde, Dr. Werner (SPD) ja54. Pietzsch, Dr. Frank-Michael (CDU) nein55. Pohl, Günter (SPD) ja56. Pöhler, Volker (CDU) nein57. Primas, Egon (CDU) nein58. Ramelow, Bodo (PDS) ja59. Schemmel, Volker (SPD) ja60. Scheringer, Konrad (PDS)61. Schröter, Fritz (CDU) nein62. Schuchardt, Dr. Gerd (SPD) ja63. Schugens, Gottfried (CDU) nein64. Schuster, Franz (CDU)65. Schwäblein, Jörg (CDU) nein66. Sedlacik, Heidrun (PDS) ja67. Seela, Reyk (CDU) nein68. Seidel, Harald (SPD) ja69. Sklenar, Dr. Volker (CDU) nein70. Sojka, Michaele (PDS) ja71. Sonntag, Andreas (CDU) nein72. Stangner, Dr. Isolde (PDS) ja73. Stauch, Harald (CDU) nein74. Tasch, Christina (CDU) nein75. Thierbach, Tamara (PDS) ja76. Trautvetter, Andreas (CDU) nein77. Vogel, Dr. Bernhard (CDU)78. Vopel, Bärbel (CDU) nein79. Wackernagel, Elisabeth (CDU) nein80. Wehner, Wolfgang (CDU) nein81. Wetzel, Siegfried (CDU) nein82. Wildauer, Dr. Heide (PDS) ja83. Wolf, Bernd (CDU) nein84. Wolf, Katja (PDS) ja85. Wunderlich, Gert (CDU) nein86. Zeh, Dr. Klaus (CDU) nein87. Zimmer, Gabriele (PDS)88. Zitzmann, Christine (CDU) nein