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Thüringer Landtag 5. Wahlperiode Plenarprotokoll 5/29 08.09.2010 29. Sitzung Mittwoch, den 08.09.2010 Erfurt, Plenarsaal Vor Eintritt in die Tagesord- nung Emde, CDU 2370, 2371, Blechschmidt, DIE LINKE 2370, 2371, Kuschel, DIE LINKE 2371, a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion der FDP zum The- ma: „Schuldenpolitik stoppen, Thüringens Zukunft durch sinnvolle Sparanstrengungen jetzt sichern!“ 2372, Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 5/1399 - Barth, FDP 2372, Dr. Pidde, SPD 2373, Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2374, Kowalleck, CDU 2375, Keller, DIE LINKE 2376, Walsmann, Finanzministerin 2377, b) Antrag der Fraktion BÜND- NIS 90/DIE GRÜNEN zum The- ma: „Handeln gegen die Lauf- zeitverlängerung von Atom- kraftwerken“ 2378, Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 5/1437 -

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/29 5. Wahlperiode 08.09€¦ · Emde, CDU 2370, 2371, Blechschmidt, DIE LINKE 2370, 2371, Kuschel, DIE LINKE 2371, ... Oktober dem Thüringer

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  • Thüringer Landtag5. Wahlperiode

    Plenarprotokoll 5/2908.09.2010

    29. Sitzung

    Mittwoch, den 08.09.2010

    Erfurt, Plenarsaal

    Vor Eintritt in die Tagesord-nung

    Emde, CDU 2370, 2371,Blechschmidt, DIE LINKE 2370, 2371,Kuschel, DIE LINKE 2371,

    a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: „Schuldenpolitik stoppen,Thüringens Zukunft durchsinnvolle Sparanstrengungenjetzt sichern!“

    2372,

    Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1399 -

    Barth, FDP 2372,Dr. Pidde, SPD 2373,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2374,Kowalleck, CDU 2375,Keller, DIE LINKE 2376,Walsmann, Finanzministerin 2377,

    b) Antrag der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN zum The-ma: „Handeln gegen die Lauf-zeitverlängerung von Atom-kraftwerken“

    2378,

    Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1437 -

  • Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2378, 2387,Weber, SPD 2379,Ramelow, DIE LINKE 2380, 2389,Heym, CDU 2381,Barth, FDP 2382,Machnig, Minister für Wirtschaft, Arbeit und Technologie 2384,Kummer, DIE LINKE 2386,König, DIE LINKE 2387,Lieberknecht, Ministerpräsidentin 2388,

    c) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion DIE LINKE zumThema: „Haltung der Landes-regierung zu aktuellen Forde-rungen aus Politik, Wissen-schaft und Wirtschaft für eineFunktional-, Verwaltungs- undGebietsreform in Thüringen“

    2390,

    Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1419 -

    Hey, SPD 2391,Kuschel, DIE LINKE 2392, 2396,Bergner, FDP 2393,Fiedler, CDU 2394, 2397,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2394,Prof. Dr. Huber, Innenminister 2397,

    d) auf Antrag der Fraktion derSPD zum Thema: „Resultateder von der Friedrich-Ebert-Stiftung herausgegebenen Stu-die ‚Längeres gemeinsamesLernen in Thüringen’“

    2398,

    Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1450 -

    Aussprache

    Metz, SPD 2398,Hitzing, FDP 2399,Emde, CDU 2400,Rothe-Beinlich 2401,Sojka, DIE LINKE 2402,Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2403,

    Fragestunde 2405,

    a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kummer (DIE LINKE)Möglichkeiten zur Neuordnung von Gemeinden- Drucksache 5/1342 -

    2405,

    wird von Staatssekretär Geibert beantwortet. Zusatzfragen.

    Kummer, DIE LINKE 2405, 2405,Geibert, Staatssekretär 2405, 2405,

    2406,Kuschel, DIE LINKE 2406,

    2366 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

  • b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Publikation von Gutachten der Landesregierung- Drucksache 5/1360 -

    2406,

    wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.

    Kuschel, DIE LINKE 2406, 2407,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2406, 2407,

    c) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Leukefeld (DIE LINKE)Gutachten zu Funktional- und Gebietsreform- Drucksache 5/1382 -

    2407,

    wird von Staatssekretär Geibert beantwortet.

    Leukefeld, DIE LINKE 2407,Geibert, Staatssekretär 2408,

    d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner (DIE LINKE)Verbreitung eines Buches über Muslime durch den Ausländerbeauftragten beimThüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit - Teil I- Drucksache 5/1389 -

    2408,

    wird von Staatssekretär Dr. Schubert beantwortet.

    Renner, DIE LINKE 2408,Dr. Schubert, Staatssekretär 2408,

    e) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König (DIE LINKE)Verbreitung eines Buches über Muslime durch den Ausländerbeauftragten beimThüringer Ministerium für Soziales, Familie und Gesundheit - Teil II- Drucksache 5/1390 -

    2409,

    wird von Staatssekretär Dr. Schubert beantwortet. Zusatzfragen.

    König, DIE LINKE 2409, 2410,Dr. Schubert, Staatssekretär 2409, 2410,

    2410, 2410,Berninger, DIE LINKE 2410, 2410,

    f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Hauboldt (DIE LINKE)Position der Landesregierung zur Neuregelung der Sicherungsverwahrung- Drucksache 5/1391 -

    2410,

    wird von Minister Dr. Poppenhäger beantwortet. Zusatzfragen.

    Hauboldt, DIE LINKE 2410, 2412,Dr. Poppenhäger, Justizminister 2411, 2412,

    g) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Dr. Lukin (DIE LINKE)Stellungnahme der Landesregierung zur Studie der Industrie- und Handelskammer(IHK) Ostthüringen „Potenziale des Flugplatzes Leipzig-Altenburg“- Drucksache 5/1392 -

    2412,

    wird von der Abgeordneten Sojka vorgetragen und von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet.

    Sojka, DIE LINKE 2412,Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2412,

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2367

  • h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Koppe (FDP)Landesarbeitsmarktprogramm- Drucksache 5/1395 -

    2413,

    wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

    Koppe, FDP 2413, 2414,2414,

    Staschewski, Staatssekretär 2413, 2414,2414, 2414, 2414,

    König, DIE LINKE 2414,Barth, FDP 2414,

    i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerich (FDP)Landesarbeitsmarktprogramm- Drucksache 5/1396 -

    2415,

    wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

    Kemmerich, FDP 2415, 2416,Staschewski, Staatssekretär 2415, 2416,

    2416,Barth, FDP 2416,

    j) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sojka (DIE LINKE)Unterrichtsausfall in Latein am Johann-Georg-Lingemann-Gymnasium in Heiligen-stadt- Drucksache 5/1407 -

    2416,

    wird von Staatssekretär Prof. Dr. Merten beantwortet. Zusatzfragen.

    Sojka, DIE LINKE 2416, 2417,2417,

    Prof. Dr. Merten, Staatssekretär 2417, 2417,2418,

    k) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sedlacik (DIE LINKE)Baulicher Zustand und Sanierung des Staatlichen Gymnasiums „Am Weißen Turm“in Pößneck- Drucksache 5/1420 -

    2418,

    wird von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet.

    Sedlacik, DIE LINKE 2418,Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2418,

    2368 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

  • Anwesenheit der Abgeordneten:

    Fraktion der CDU:

    Bergemann, Carius, Diezel, Emde, Fiedler, Grob, Gumprecht, Heym, Holbe,Kellner, Kowalleck, Krauße, von der Krone, Lehmann, Lieberknecht,Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schröter, Tasch, Dr. Voigt,Walsmann, Wetzel, Worm, Wucherpfennig, Dr. Zeh

    Fraktion DIE LINKE:

    Bärwolff, Berninger, Blechschmidt, Enders, Hauboldt, Hausold, Hellmann,Hennig, Huster, Jung, Dr. Kaschuba, Keller, Dr. Klaubert, König,Korschewsky, Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Ramelow, Renner,Sedlacik, Sojka, Stange, Wolf

    Fraktion der SPD:

    Baumann, Döring, Doht, Eckardt, Gentzel, Dr. Hartung, Hey, Kanis, Künast,Lemb, Marx, Matschie, Metz, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Taubert, Weber

    Fraktion der FDP:

    Barth, Bergner, Hitzing, Kemmerich, Koppe, Recknagel, Untermann

    Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

    Adams, Dr. Augsten, Meyer, Rothe-Beinlich, Schubert, Siegesmund

    Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

    Ministerpräsidentin Lieberknecht, die Minister Carius, Prof. Dr. Huber,Machnig, Matschie, Dr. Poppenhäger, Reinholz, Dr. Schöning, Taubert,Walsmann

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2369

  • Beginn: 14.01 Uhr

    Präsidentin Diezel:

    Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unse-rer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, dieich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Gäste aufder Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnen undVertreter der Medien.

    Als Schriftführer hat neben mir Platz genommender Abgeordnete Recknagel. Die Rednerliste führtdie Frau Abgeordnete Kanis.

    Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt derHerr Abgeordnete Günther, der Herr AbgeordneteHöhn, die Frau Abgeordnete Holzapfel und die FrauAbgeordnete Dr. Lukin.

    Der Abgeordnete Kuschel hat heute Geburtstag.Ich gratuliere, wünsche Gesundheit und persönli-ches Wohlergehen.

    (Beifall im Hause)

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, gestattenSie mir folgende allgemeine Hinweise:

    Die Kulturstiftung des Freistaats Thüringen und derLandesmusikrat Thüringen e.V. haben für morgenzu einem parlamentarischen Abend eingeladen, dernach dem Ende der Plenarsitzung gegen 20.00 Uhrbeginnen soll.

    Für den freien Fotografen Mirco Hertel sowie für diefreien Redakteure Irena Otto, Karin Hofbauer undValery Tyulnev von Radio F.R.E.I. in Erfurt hat derÄltestenrat gemäß § 17 Abs. 4 Satz 1 der Ge-schäftsordnung eine Dauergenehmigung für Bild-und Tonaufnahmen erteilt.

    Folgende Hinweise zur Tagesordnung:

    Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für So-ziales, Familie und Gesundheit zu TOP 1 hat dieDrucksachennummer 5/1444. Weiterhin wurde zudiesem Tagesordnungspunkt ein Entschließungs-antrag der Fraktion der FDP in der Drucksache 5/1453 verteilt.

    Der Tagesordnungspunkt 7, Antrag der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, „Frauenquote für Auf-sichtsräte börsennotierter Aktiengesellschaften ein-führen“ wird von der Tagesordnung abgesetzt, dader mitberatende Gleichstellungsausschuss nochnicht abschließend beraten hat.

    Zu TOP 8 wurde ein Änderungsantrag von derFraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Druck-sache 5/1461 eingereicht.

    Zu TOP 22, der Fragestunde, kommen die Mündli-chen Anfragen in den Drucksachen 5/1409, 5/1420,5/1421, 5/1422, 5/1424, 5/1425, 5/1426, 5/1427,5/1428, 5/1436, 5/1438, 5/1439, 5/1440, 5/1441,5/1442 und 5/1443 hinzu. Die Mündliche Anfrage in

    der Drucksache 5/1405 wurde von der Fragestelle-rin in eine Kleine Anfrage umgewandelt. Zu derMündlichen Anfrage in der Drucksache 5/1425 wur-de eine Neufassung verteilt.

    Die Landesregierung hat angekündigt, zu den Ta-gesordnungspunkten 15, 18, 19 und 20 von derMöglichkeit eines Sofortberichts gemäß § 106Abs. 2 der Geschäftsordnung Gebrauch zu ma-chen.

    Die CDU-Fraktion hat angekündigt, die Aufnahmeihres Wahlvorschlags in der Drucksache 5/1423„Wahl eines Mitgliedes für den Kongress der Ge-meinden und Regionen Europas im Europarat fürdie 9. Amtsperiode 2010 bis 2012“ in die Tagesord-nung zu beantragen. Ist dem so, Herr Parlamentari-scher Geschäftsführer? Gibt es einen Wunsch zurTagesordnung?

    Abgeordneter Emde, CDU:

    Am Donnerstag früh als ersten Tagesordnungs-punkt.

    Präsidentin Diezel:

    Gut. Der Wahlvorschlag ist gemäß § 51 Abs. 1 derGeschäftsordnung in der Frist von 48 Stunden vorBeginn der Plenarsitzung verteilt worden. Daher ge-nügt für die Aufnahme die einfache Mehrheit. Ichfrage deswegen als Erstes: Wer stimmt für die Auf-nahme in die Tagesordnung, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke. Gibt es Gegenstimmen?Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Damit istder Tagesordnungspunkt aufgenommen.

    Jetzt kommen wir noch zur Verteilung innerhalb derTagesordnung. Das wäre am Donnerstag früh alserster Tagesordnungspunkt. Wer damit einverstan-den ist, den bitte ich jetzt auch um das Handzei-chen. Danke schön. Gibt es Gegenstimmen?Stimmenthaltungen? Das ist nicht der Fall. Dannhaben wir so beschlossen, die Wahl am Donners-tag, um 9.00 Uhr, als ersten Punkt.

    Die Fraktion DIE LINKE hat angekündigt, die Auf-nahme ihres Antrags in der Drucksache 5/1462„Eckdaten zur Aufstellung der Kommunalhaushal-te 2011 vorlegen“ in die Tagesordnung aufzuneh-men. Ist dem so? Ja. Die Vorlage ist nicht entspre-chend der Frist verteilt worden, so dass wir darüberabstimmen müssen. Wer widerspricht? Bitte? Siemöchten begründen?

    Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

    Genau, wir möchten gern die Dringlichkeit des An-trags begründen, Frau Präsidentin. Der Abgeordne-te Kuschel würde das machen.

    2370 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

  • Präsidentin Diezel:

    Bitte sehr.

    Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

    Frau Präsidentin, herzlichen Dank für Ihre Glück-wünsche.

    Meine sehr geehrten Damen und Herren, gesternwar der 7. September. Die Landesregierung hat an-gekündigt, am 7. Oktober dem Thüringer Landtagden Haushaltsentwurf 2011 vorzulegen. Bestandteilist der Kommunale Finanzausgleich. Es ist ein ver-einbartes Verfahren, dass die kommunalen Spit-zenverbände auch zum Entwurf innerhalb der Lan-desregierung, also dem Referentenentwurf zwi-schen erster und zweiter Lesung oder Durchlauf,angehört werden. Mindestens vier Wochen sind da-für vorgesehen, weil sonst keine Meinungsbildungmöglich ist. Da gestern die Landesregierung zumKommunalen Finanzausgleich keine Entscheidunggetroffen hat, ist der 7. Oktober nicht mehr haltbar.Meine sehr geehrten Damen und Herren, was ge-schieht? Gegenwärtig müssen die Kommunen ihreeigenen Haushalte aufstellen. Wir als Gesetzgeberhaben den Kommunen die Vorgabe gemacht, biszum 30.11. dieses Jahres die Haushalte für 2011zu beschließen, und sie verfügen über keinerleiEckdaten. Ich frage insbesondere den Innenminis-ter, der für die Kommunen zuständig ist, wie er die-se Situation bewertet.

    Wenn die Landesregierung schon nicht in der Lageist, sich zu verständigen und ihren Streit nichtschlichten kann, dann bitte schön nicht auf Kostender Kommunen,

    (Beifall DIE LINKE)

    sondern dann klären Sie das intern, weil es beimKommunalen Finanzausgleich nichts zu verhandelngibt. Es gibt Vorgaben des Verfassungsgerichtsund ich gehe einmal davon aus, die Landesregie-rung hält sich daran. Und wenn Sie den Finanzaus-gleich in Gänze nicht vorlegen können - sowohl dieMinisterpräsidentin trägt Verantwortung als auchder Innenminister als Fachminister -, dann doch zu-mindest die Eckdaten. Wir fordern die Landesregie-rung auf, umgehend diese Eckdaten den ThüringerGemeinden, Städten und Landkreisen mitzuteilen,damit sie überhaupt irgendetwas zum Planen ha-ben. Sie müssen natürlich die Frage beantworten,wie soll es denn jetzt weitergehen, wenn der 7. Ok-tober nicht zu halten ist. Wie geht es weiter? Aberbitte schön nicht zulasten der Anhörungsrechte derkommunalen Spitzenverbände. Von daher sind Siedort unter unserer besonderen Beobachtung. Des-wegen bitten wir Sie, das auf die Tagesordnung zunehmen, damit die Landesregierung hier öffentlichdarlegen kann, wie es weitergeht, damit die Kom-munen auch wissen, was sie in den nächsten Ta-gen und Wochen erwartet. Danke.

    (Beifall DIE LINKE)

    Präsidentin Diezel:

    Danke schön, Herr Abgeordneter. Gibt es Gegenre-de? Ich sehe, das ist nicht der Fall. Dann stimmenwir über die Aufnahme in die Tagesordnung ab.Gibt es Widerstand gegen die einfache Mehrheit?Das sehe ich nicht.

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wider-spruch ja, Widerstand nein.)

    Widerspruch. Sie widersprechen, also benötigenwir eine Zweidrittelmehrheit, das heißt 59 Abgeord-nete. Damit stimmen wir erst einmal über die Auf-nahme des Tagesordnungspunkts in der Drucksa-che 5/1462 ab. Wer dafür ist, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke schön. Wer ist dagegen?Danke schön. Die Zweidrittelmehrheit ist nicht er-reicht.

    (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Daskommt aber ganz überraschend.)

    Damit brauchen wir auch keine Abstimmung überdie Platzierung.

    Gibt es weitere Bemerkungen zur Tagesordnung?Bitte schön, Herr Abgeordneter Blechschmidt.

    Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

    Danke, Frau Präsidentin. In Absprache des Aus-schusses für Landwirtschaft, Ernährung etc. möch-te ich beantragen, dass die Tagesordnungspunk-te 8, 14 und 17 morgen nach der Fragestunde ab-gearbeitet werden. Der Grund liegt darin, dass wohlam Freitag die Landwirtschaftsministerin des Bun-des in Erfurt ist, und dort möchte der Ausschuss ingewisser Weise präsent sein.

    Präsidentin Diezel:

    Dann stimmen wir über den Antrag ab. Wer dafürist, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Dankeschön. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen?1 Stimmenthaltung. Damit ist dem Antrag gefolgt.Die Platzierung der Punkte, die den Landwirt-schaftsausschuss betreffen, erfolgt nach der Frage-stunde.

    Gibt es weitere Wortmeldungen zur Tagesordnung?Bitte schön, Herr Abgeordneter Emde.

    Abgeordneter Emde, CDU:

    Frau Präsidentin, ich möchte zum Tagesordnungs-punkt 2, Rundfunkänderungsstaatsvertrag, beantra-gen, diesen in erster und zweiter Lesung zu bera-ten.

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2371

  • Präsidentin Diezel:

    Gibt es dazu noch Wortmeldungen? Das ist nichtder Fall. Dann stimmen wir darüber ab, ob wir - vor-behaltlich dessen, dass keine Ausschussüberwei-sung in der Debatte beantragt wird - in erster undzweiter Beratung beraten können. Wer damit ein-verstanden ist, den bitte ich jetzt um das Handzei-chen. Danke schön. Stimmenthaltungen? Das istnicht der Fall. Es war die Zweidrittelmehrheit, sodass wir schon am Donnerstag die erste und zweiteBeratung durchführen können.

    Gibt es weitere Anträge zur Tagesordnung? Ich se-he, das ist nicht der Fall. Dann rufe ich auf den Ta-gesordnungspunkt 23 - Aktuelle Stunde. DieFraktionen der FDP, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN,DIE LINKE und die SPD haben jeweils eine Aktuel-le Stunde beantragt. Die Zeit für die einzelnen The-men beträgt jeweils 30 Minuten. Die Redezeit derLandesregierung bleibt unberücksichtigt. Die Rede-zeit für einen Redebeitrag beträgt 5 Minuten.

    Ich rufe auf den ersten Teil des Tagesordnungs-punkts 23

    a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: „Schuldenpolitik stoppen,Thüringens Zukunft durchsinnvolle Sparanstrengungenjetzt sichern!“Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1399 -

    Zu Wort gemeldet hat sich der Abgeordnete Barth.Bitte schön.

    Abgeordneter Barth, FDP:

    Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,dass es in Regierungen Streit gibt, wem wäre dasfremd. In dieser Landesregierung gibt es seit Anbe-ginn ihrer Existenz Streit um das Geld. Zu Beginndes Jahres 2010 hat der Herr WirtschaftsministerMachnig über die Zeitungen verkünden lassen,dass Thüringen sich eine Neuverschuldung in Höhevon 1,5 Mrd. € leisten könne und auch leisten müs-se. Kurz vor dem Ende des Jahres 2010 können wirdann vermutlich feststellen, das Ziel ist erreicht. Inder letzten Woche haben drei Unternehmer einenAppell an die Landesregierung gerichtet, sich zumThema „Sparen“ deutlich zu positionieren. Nunlässt sich über diesen Appell sicherlich vieles sa-gen. Alles, was dem stellvertretenden Ministerpräsi-denten dazu eingefallen ist, war der Appell, wir dür-fen jetzt nicht in blinde Sparwut verfallen.

    Herr Minister, wissen Sie, blind sparen, angesichtsder Haushaltslage, muss ich Ihnen sagen, ist es mir

    eigentlich egal, wie Sie sparen, Hauptsache ist,dass Sie sparen.

    (Beifall FDP)

    Das wäre schon ein erster Schritt in die richtigeRichtung. Sie sind sehenden Auges in diese Haus-haltssituation gegangen, also darf man doch erwar-ten, dass Sie auch sehenden Auges wieder heraus-finden. Ich kann nicht erkennen und will das auchgar nicht unterstellen, dass man sich im Kabinettnicht sehenden Auges und wachen Verstandesüber die Haushaltsfragen unterhält. Wir haben Ih-nen bereits im Zusammenhang mit den Haushalts-beratungen zum Haushalt des laufenden Jahresgesagt, dass Sie sehr viele Interessengruppen be-dienen, dass Sie Strukturen schaffen, die ausfinan-ziert werden müssen, und dass sich das eines Ta-ges rächen wird. Die Tage, an denen sich dasrächt, erleben Sie gerade, meine sehr verehrtenDamen und Herren von der Regierung und auchvon den Koalitionsfraktionen. Wenn Sie Sorge umIhr Augenlicht haben und Ihre Erkenntnisfähigkeit,dann biete ich Ihnen gern an, als Sehhilfe noch ein-mal die über 500 Anträge, die die FDP-Fraktion inder letzten Haushaltsberatung vorgelegt hat, sichherzunehmen und dort zu schauen, zum Thema El-terngeld, zum Thema Landesarbeitsmarktpro-gramm, zum Thema der verschiedenen Agenturenund Beauftragten

    (Beifall FDP)

    - und das ist nur die Spitze des Eisbergs - nachzu-schauen, ob man nicht vielleicht schon vor der Ein-bringung in den Landtag, nämlich in den Kabinetts-beratungen, hier das eine oder andere erkennen,das eine oder andere zur Erkenntnis beitragenkann. In einer Zeitung wurde dieser Tage das Bildvon der Landesregierung gemalt und da hieß es, je-der stichelt gegen jeden und operiert mit den Zah-len, die ihm gerade ins Zeug passen. Eine beson-dere Leistung in dieser Disziplin hat wiederum derWirtschaftsminister abgeliefert, der sich exklusivüber eine Zeitung als der große Vorreiter in SachenSparen hat feiern lassen, der als der große Ober-sparer sich hat feiern lassen, der 59 Mio. € schoneingespart habe aus seinem Haushalt

    (Zwischenruf Machnig, Minister für Wirt-schaft, Arbeit und Technologie: 56 Mio. €.)

    - 56 Mio. € -, und am nächsten Tag haben wir dannüber eine andere Zeitung erfahren - wie auch im-mer -, dass es schon 20 Mio. € Sollbruchstelle ge-geben hat, dass er nämlich seinen Haushalt erstmal 20 Mio. € aufgeblasen hat, um sich diese20 Mio. € dann einfach abkaufen zu lassen.

    Herr Machnig, mit solchen Taschenspielertricks, diehaben Sie in der Kampa nicht versucht, dann müs-sen Sie sie auch hier nicht versuchen. Das wird Ih-nen nicht gelingen, uns damit zu beeindrucken, dieHinterweltler, die wir sind. Wir haben es gemerkt.

    2372 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    http://www.parldok.thueringen.de/parldok/tcl/PDDocView.tcl?mode=get&LP=5&DokNum=1399&DokArt=Drs

  • (Beifall FDP)

    Es mag Ihnen vielleicht wehtun, aber ganz aus derWelt ist Thüringen dann am Ende auch nicht. Daseine oder andere Verfahren, was in Berlin seit20 Jahren nicht mehr funktioniert, funktioniert auchhier nicht so einfach.

    Mein Appell - das ist auch der Grund für diese Aktu-elle Stunde - an diese Landesregierung ist: Geste-hen Sie sich ein - und auch an die Koalitionsfraktio-nen -, dass Sie mit den Entscheidungen zum Haus-halt 2010 einen Schritt in die falsche Richtung ge-macht haben. Legen Sie den Hebel um, bewahrenSie Thüringen vor Überschuldung und vor Zah-lungsunfähigkeit. Die Aufgabe, vor der Sie stehenals Landesregierung, die Aufgabe, auf die Sie einenEid geschworen haben, heißt, Thüringen zukunfts-fähig zu machen. Werden Sie auch und gerade mitdem Haushalt 2011 dieser zentralen Aufgabe ge-recht. Vielen Dank.

    (Beifall FDP)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Abgeordneter Barth. Als Nächs-ter spricht der Abgeordnete Dr. Werner Pidde vonder SPD-Fraktion.

    Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

    Die Grundsätze der Haushaltspolitik in einer Aktuel-len Stunde in 5 Minuten Redezeit, das kann dochnur eine Partei beantragen, die Angst vor der 5-Prozent-Hürde hat.

    (Beifall SPD)

    Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, wirdurchlebten eine schwere Zeit wirtschaftlicher Er-schütterung. Die Folge sind Einbrüche der Steuer-einnahmen, wie sie der Freistaat noch nicht erlebthat. So schaue nicht nur ich mit Sorge auf die Ver-einbarungen im Koalitionsvertrag angesichts derEbbe in den Staatstresoren.

    Die Landesregierung arbeitet seit Monaten hart dar-an, einen verfassungsgemäßen Haushalt für 2011aufzustellen. Da geht es nicht um Streit, sondern esgeht um die Diskussion um das Eingemachte. Ichsage hier noch einmal: Solidität ist allemal wichtigerals Schnelligkeit. Immerhin müssen Ausgabepostenvon mehr als 500 Mio. € gekürzt werden. Ärgerlichist die Art und Weise, wie jeder kleinste Kürzungs-vorschlag, der irgendwo nach außen dringt, vonden Oppositionsfraktionen über die politische Büh-ne gezogen wird. Dann ist es natürlich nicht ein-fach, bei wechselnden Winden den richtigen Kurszu halten und die Menschen mitzunehmen. Des-halb möchte ich unserer Landesregierung denRücken stärken, mutig vorzugehen, besonders an-gesichts der zahlreichen Besitzstandswahrer. Ichbin sicher, die Regierungskoalition reift mit den Be-

    ratungen des Haushaltsentwurfs 2011 und sie wirdgestärkt und robust daraus hervorgehen.

    Meine Damen und Herren, es ist richtig, dass inThüringen mit Verstand gespart werden muss. DasVermögen, dies zu können, muss man der FDP je-doch absprechen. Gerade bei den Haushaltsbera-tungen 2010 ist doch der FDP-Fraktion nichts ande-res eingefallen als der Rasenmäher, der die kon-junkturelle Entwicklung Thüringens in der Krise ab-gewürgt hätte, ist doch der FDP nichts anderes ein-gefallen als Luftbuchungen und Scheinkürzungenvon Anträgen, die gar nicht realisierbar waren.

    (Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie habenes bis heute nicht verstanden.)

    Durch die Politik der Bundesregierung gehen demFreistaat Thüringen und den Thüringer Kommunenzusätzlich allein im Jahr 2011 fast 100 Mio. € verlo-ren. Dies hätte die Thüringer FDP verhindern kön-nen. Das hätte ein konkreter Beitrag zur Haushalts-konsolidierung sein können. Aber Sie haben ganzbewusst die Haushaltslage in Thüringen verschärft.

    Auch wenn man die anderen Fraktionen betrachtet:DIE GRÜNEN haben angekündigt, ein eigenesHaushaltskonzept vorzulegen ab 2012 - da geht esum Haushalte ohne neue Schulden. Da bin ich malgespannt. Beim Haushalt 2010 gab es auch voll-mundige Ankündigungen.

    (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das gab es doch schon einmal,da waren Sie noch in der Opposition.)

    Zum Schluss haben wir dann magere Einsparvor-schläge im einstelligen Millionenbereich gesehen.Aber es waren wenigstens noch ordentliche Ein-sparvorschläge. Die LINKEN haben bisher zurHaushaltskonsolidierung überhaupt keinen Beitraggeleistet, im Gegenteil. Es sind immer noch mehrForderungen aufgemacht worden, egal, wo dasGeld herkommt,

    (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Jetztblenden Sie die Realität aus.)

    jetzt neulich erst wieder, als es um die Thematikdes Blindengeldes ging.

    (Unruhe DIE LINKE)

    Ich will noch einmal betonen, wir haben den festenWillen, alle sinnvollen Einsparvorschläge der Oppo-sition ernsthaft zu prüfen. Aber bisher hat bei derFrage der Haushaltskonsolidierung die Oppositionin ganzer Linie versagt.

    (Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE: Siehaben doch noch gar nichts vorgelegt.)

    (Beifall CDU)

    (Unruhe DIE LINKE)

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2373

    (Abg. Barth)

  • Meine Damen und Herren, die Haushaltskonsolidie-rung ist das Gebot der Stunde. Es geht nicht nurum den Haushalt 2011, sondern es geht um dieschwierigen Jahre bis 2020. Da muss man natürlichaufpassen bei den Einsparungen. Einerseits darf esnicht einseitig auf Kosten von Investitionen gehen,andererseits darf die Schere zwischen Arm undReich sich nicht weiter öffnen. Wir stehen dafür,dass wir die Staatsfinanzen auf solide Füße stellenwollen. Dabei ist nachhaltiges Wachstum wichtigund eine vernünftige, sozial ausgewogene Politik indieser schwierigen Zeit. Das ist eine große Aufgabeund ich bin mir sicher, wir werden diese nur stem-men, wenn die Verwaltungs- und Gebietsstrukturenin Thüringen dem Bevölkerungsrückgang ange-passt werden. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

    (Beifall SPD)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Pidde. AlsNächster spricht zu uns der Abgeordnete CarstenMeyer von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN.

    Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

    Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, es geht nicht nur um das Sparen, wenn wirschon das große Thema Haushalt jetzt heute auf-machen. Es geht auch um die Einnahmenbeschaf-fung und um das Thema Vermögensveränderung,Vermögensumschichtung; das möchte ich immerwieder betonen.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Nur mit Einsparungen alleine, liebe FDP, würdenauch Sie - für den theoretisch angenommenen Fall,Sie wären in einer Regierungsverantwortung inThüringen - überhaupt keine Chance haben, diesenHaushalt auch nur ansatzweise zu konsolidieren.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Diese Aktuelle Stunde betrachte ich als einen Vor-lauf zur Haushaltsdebatte. Ich habe mir versuchtvorzustellen - das war nicht ganz einfach -, dass dieVerhandlungen zwischen diversen Möglichkeiteneiner Regierungsmehrheit, die vor ungefähr einemJahr losgegangen sind, ein anderes Ergebnis ge-zeichnet hätten und es würde heute in der Zeitungstehen, dass von 500 Mio. € vier Wochen vor derHaushaltseinbringung 250 Mio. € noch nicht gefun-den bzw. gespart worden sind und das unter Rot-Rot-Grün. Ich wäre auf die Meinung der CDU ge-spannt.

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wir hättenIhnen den Spaß genommen.)

    Das sehe ich auch so, Herr Mohring. Genau daswürde auch passieren. Herzlichen Glückwunsch,freuen Sie sich schon einmal darauf. Wo ist denneigentlich Ihr Haushaltsalleinvertretungsanspruchals CDU? Sie konnten doch immer alles und immeralles besser und immer genauso, dass es richtigwar. Schade, dass jetzt 14 Mrd. € Schulden auf Ih-ren Schultern lasten. Sie zeigen das noch, ich weiß.

    (Beifall DIE LINKE)

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Drei JahreNullverschuldung, das müssen Sie erst ein-mal nachmachen.)

    Wir haben die Chance, das noch besser zu ma-chen. Sie haben schon 20 Jahre gezeigt, dass esnicht geht.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Also, mal abwarten. Den Schuss haben wir nochgut bei Ihnen.

    Ich kann jedenfalls heute feststellen, dass es dieRegierung nicht schafft - und da bin ich jetzt nichtbei einzelnen Ministerien oder einzelnen Ministerin-nen und Ministern, sondern bei der Regierung ins-gesamt -, auch dem Willen der LandtagsmehrheitGeltung zu verschaffen.

    (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich möchte mich da auf den Beschluss 5/902 ausdieser Periode beziehen, der charmanterweise zurWalpurgisnacht gefasst worden ist. Das war, glau-be ich, der erste gemeinsame Beschluss, den SPDund CDU hier eingebracht haben und der auch eineMehrheit bekommen hat. Wahrscheinlich war dasDatum nicht ganz falsch gewählt, Hexerei mussteda mit im Spiel sein - das vermute ich mal ganzstark. Ich will mich auf zwei Ihrer sieben oder achtPunkte beziehen, die Sie damals mit Mehrheit be-schlossen haben gegen unsere Stimmen. Der erstePunkt heißt: Die Arbeit der von der Landesregie-rung eingesetzten Strukturkommission ist so zu in-tensivieren, dass erste Arbeitsergebnisse bereits indie Beratungen zur Aufstellung des Thüringer Lan-deshaushalts 2011 einfließen können. Jetzt gehenwir einmal davon aus, Sie machen das alles in Ge-heimverhandlungen, da dürfen wir als Oppositionund schon gar nicht die Öffentlichkeit etwas davonwissen. Irgendjemand hat aber zu Recht geradedarauf hingewiesen, dass diese Koalition etwas un-dicht ist; sprich Zahlen und Ergebnisse aus IhrenVerhandlungen dringen nach außen.

    (Zwischenruf Lieberknecht, Ministerpräsiden-tin: Nie die richtigen.)

    Die richtigen, okay. Nie die richtigen, das mag auchsein, Frau Ministerpräsidentin. Dass Sie aber dieErgebnisse Ihrer Strukturkommission in diesemKlein-Klein, das Sie gerade vorführen, nutzen, das

    2374 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    (Abg. Dr. Pidde)

  • glaube ich Ihnen, ehrlich gesagt, nicht und dasglauben Sie nicht einmal selbst.

    (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Die hat noch keine Ergebnisse gebracht; Sie habengenau diesen Punkt nicht erfüllt. Wie ist es dennzum Beispiel mit der Aussage der Regierung in derStrukturkommission zum Umgang mit der wichtig-sten Ressource, die Sie haben - Ihren Mitarbeiterin-nen und Mitarbeitern? Da dürfen wir in der letztenWoche von einem Staatssekretär hören, dass Per-sonalentwicklungskonzepte überflüssig sind, so et-was braucht man nicht, das geht alles ganz einfach,wir haben ja Beamte, die man hin- und herschickenkann. Wenn die Strukturkommission zu solchen Er-gebnissen gekommen ist, dann bin ich auf die an-deren gespannt. Wie Sie auf diese Art und Weisemit Ihrer wichtigsten Ressource, von der Sie neben-bei noch weitere 8.000 Menschen in den nächstendrei bis vier Jahren freisetzen wollen, umgehenwollen, das können Sie mir einmal verraten.Schließlich möchten Sie auch, da zitiere ich denzweiten Punkt: „einen nachhaltigen Haushaltsaus-gleich ohne Schulden bis zum Ende der Periodeschaffen.“

    Punkt Nummer 7 zitiere ich Ihnen auch nochschnell: „... durch aktives Handeln im Bundesrat da-zu beitragen, dass die finanzielle Situation des Lan-des und der Kommunen verbessert und nicht ver-schärft wird.“ Da reicht es eben nicht aus, sich hin-zustellen und zu sagen, wir haben gemeinsamganz mutig beschlossen, wir stimmen nichts mehrzu, was dafür sorgt, dass es schlimmer wird. Nein,Sie müssten aktiv werden und dafür sorgen, dasses besser werden kann.

    (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Wo sind die Initiativen aus diesem Haus heraus imBundesrat für Steuereinnahmen für die Länder -Vermögenssteuer, Erbschaftssteuer, Einkommen-steuertarif?

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Mir fallen da zwei, drei Themen ein, von denen bis-her nichts gekommen ist. Im Ergebnis: Danke fürdie Gelegenheit der Aktuellen Stunde, liebe FDP,aber es ist auch gut zu wissen, dass Sie noch ganzlange in der Opposition bleiben möchten. Dankeschön.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Abgeordneter Meyer. Als Nächs-ter spricht Herr Abgeordneter Kowalleck von derCDU-Fraktion.

    Abgeordneter Kowalleck, CDU:

    Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Herr Barth, viel Substanz haben wir an die-ser Stelle von der FDP noch nicht gehört. Das folgtvielleicht noch - ich hoffe darauf. Aber Herr Dr. Pid-de hatte ja erwähnt, dass es schwierig ist, hier in5 Minuten über den Haushalt zu sprechen. Den-noch ist es durchaus begrüßenswert, wenn sich dieOpposition Gedanken über sinnvolle Sparanstren-gungen macht. Herr Meyer, ich weiß nur nicht, wo-her Sie die Arroganz nehmen,

    (Beifall CDU)

    die über 20 Jahre erfolgreiche Politik für unserenFreistaat hier so darzustellen. Ich bin besondersgespannt auf die Vorschläge der GRÜNEN, die miteinem eigenen Haushaltskonzept die Nettoneuver-schuldung in Thüringen bis zum Jahr 2012 vollstän-dig zurückfahren wollen. Allerdings befürchte ich,dass es sich hierbei wieder nur um weltfremde Luft-schlösser handeln wird. Den alten Hut der Kreisge-bietsreform können Sie jedenfalls steckenlassen.

    (Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE:Nein, wir könnten die ja endlich mal ma-chen.)

    (Beifall CDU)

    Meine, sehr geehrten Damen und Herren, wir sindin Deutschland und auch in Thüringen mit der Wirt-schaftskrise durch ein tiefes Tal gegangen. Mit demHaushalt 2010 ist Thüringen der Krise durch Inves-titionen und erste Vorhaben der Regierungskoaliti-on offensiv begegnet. Ich denke, da waren wir auchauf einem sehr erfolgreichen Weg. Die Zahlen -nehmen wir beispielgebend die Arbeitslosenquote -zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind unddazu gehört eben auch die Haushaltspolitik desLandes. Die Landesregierung bewegt sich mit derOrientierung an der Mittelfristigen Finanzplanungund geplanten Kürzungen in die richtige Richtung.Dazu gehört auch, dass die Landesministerien dieLast solidarisch schultern müssen. Es können keineBereiche mehr - bis auf symbolische Beträge - aus-geklammert werden. Die politischen Wünsche müs-sen an den finanziellen Möglichkeiten ausgerichtetwerden. An dieser Stelle erinnere ich daran, dassdie Mittelfristige Finanzplanung 2013 keine neuenKredite mehr vorsieht und auch die Koalitionsfrak-tionen dieses Ziel in ihrem Entschließungsantragzum Landeshaushalt 2010 verankert haben.

    (Beifall CDU)

    Der Haushalt 2011 ist dazu ein notwendiger Schritt.Die Arbeit der von der Landesregierung eingesetz-ten Strukturkommission wird auch zukünftig so in-tensiviert, dass Sparen mit Verstand erfolgen kann.Für die CDU-Fraktion bleiben die Grenzen in derLandeshaushaltsordnung zur Neuverschuldung un-antastbar, denn die Schuldenbremse zwingt uns

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2375

    (Abg. Meyer)

  • zur Selbstdisziplin. Angesichts einer riesigen Ver-schuldung der öffentlichen Haushalte in Deutsch-land gibt es viele gute Gründe, jeden Haushaltsge-setzgeber in seinem Ausgabeverhalten zu zügeln.Wir halten an dem Ziel fest, einen nachhaltigenHaushaltsausgleich ohne neue Schulden bis zumEnde der Legislaturperiode zu erreichen.

    (Beifall CDU)

    In unseren Beratungen zu den zukünftigen Landes-haushalten müssen wir natürlich auch die Länder-vergleiche heranziehen. Wir sollten genau hinse-hen, in welchen Bereichen wir bedeutend mehrausgeben als andere Länder und ob wir am Endedamit tatsächlich auch mehr erreichen.

    (Zwischenruf Abg. Barth, FDP: So viel zumThema Richtlinienkompetenz.)

    Wo das nicht der Fall ist, liegt der Verdacht nahe,dass wir die Mittel einfach weniger effizient einset-zen. Dort, wo schon jetzt klar ist, dass sich Thürin-gen mehr leistet als alle anderen Länder, musseben auch mit Einschnitten begonnen werden. Dar-über hinaus muss eine umfassende Analyse derStrukturen des Landes in allen Bereichen unter Be-rücksichtigung von Ländervergleichen und der de-mographischen Entwicklung vorgenommen werden.Dabei müssen alle politischen Handlungsfelder Ge-genstand der Prüfung sein. Auch die Initiative Mit-teldeutschland ist zukünftig mit neuem Leben zu er-füllen und die Prüfung von mehr Länderbehördenwieder in Angriff zu nehmen. Dabei müssen wir al-lerdings auch auf einen fairen Ausgleich beim Per-sonal und den Behörden achten. Die Anzahl derLandesbediensteten muss an die demographischeEntwicklung angepasst werden. Deshalb ist derStellenabbau auch weiter fortzusetzen mit dem Ziel,bis zum Jahr 2020 einen mit den entsprechendenReferenzländern vergleichbaren Personalbestandzu erreichen.

    Mit dem Haushalt 2011 sind deshalb weitere Stel-len als künftig wegfallend zu identifizieren. Der not-wendige Personalabbau ist unter Einbeziehung derGewerkschaften und des Beamtenbundes mit ei-nem fundierten Personalentwicklungskonzept aufder Basis eines Konzepts für die langfristige Ent-wicklung der Thüringer Landesverwaltung zu unter-setzen. Sie sehen also, die CDU-Fraktion stellt sicheiner verantwortungsvollen Haushaltspolitik für un-ser Land und die nachfolgenden Generationen.

    (Beifall CDU)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Für die FraktionDIE LINKE spricht Frau Abgeordnete Keller.

    Abgeordnete Keller, DIE LINKE:

    Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, die öffentlichen Haushalte müs-sen konsolidiert werden, auch und gerade der Lan-deshaushalt Thüringen. Das ist offensichtlich Kon-sens. Die Frage, die strittig ist: Wie soll das gesche-hen? Selbst Herrn Barth muss ich da widerspre-chen. Es geht nicht nur darum, dass gespart wird,sondern es geht tatsächlich darum, wie gespartwird.

    (Beifall DIE LINKE)

    Die Fraktion DIE LINKE bezweifelt, dass eine Kon-solidierung nur über Ausgabenkürzungen erfolg-reich sein kann. Mit den Forderungen nach Steuer-senkungen einerseits, und Ausgabenkürzungen an-dererseits verschärft gerade die FDP die Krise deröffentlichen Haushalte und lässt den Staat weiterhandlungsunfähig werden. Die Fraktion DIE LINKEdenkt, der wichtigste Weg, die Schulden zu stop-pen, besteht in einer konsequenten Besteuerungvon Vermögen und auf Landesebene im Einstieg ineine Funktional-, Verwaltungs- und Gebietsreform.Herr Dr. Pidde, da kann ich Ihnen nur sagen: Au-gen auf bei der Partnerwahl.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Sehr geehrte Damen und Herren, sinken die Ein-nahmen und steigen die Haushaltsdefizite, wird an-schließend regelmäßig verkündet, dass massiveAusgabenkürzungen unvermeidlich seien. Die CDUdieses Landes nimmt diesen Ball ja auch gerne auf.Aber erst schicken sie die jungen Wilden nach vorn,um die radikalsten Streichvorschläge der Öffentlich-keit zu präsentieren. Doch damit nicht genug, derÖffentlichkeit soll auch noch peu à peu verklickertwerden, dass die Schulden in den angeblich über-mäßigen Ausgaben der Bereiche Soziales, Bildung,Kultur und Arbeitsmarktpolitik aufgehäuft werden.Das unsägliche Drama bei der Haushaltsaufstel-lung in diesem Jahr resultiert doch nur daraus, dasshier offensichtlich die Partner nicht zusammenpas-sen.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Sehr geehrte Damen und Herren von der SPD, hö-ren Sie auf, weiteres Unheil für das Land Thüringenmit zu verantworten und gestehen Sie sich ein,dass diese Ehe gescheitert ist.

    (Beifall DIE LINKE)

    Dann müssten Sie nicht immer das Gegenteil vondem tun, was Ihre Kollegen im Bund als Oppositionverkünden. Ich will da gar nicht weiter höhnen. Ei-gentlich ist es eine traurige Lage, aber Sie selbsthaben es in der Hand, das zu ändern. Stellen Sieeinfach persönliche Eitelkeiten zurück und tun Sieetwas für Thüringen.

    2376 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    (Abg. Kowalleck)

  • Als Allererstes brauchen wir einen fristgemäß vor-gelegten Haushalt, der den sozialstaatlichen Anfor-derungen gerecht wird, der Arbeitsplätze sichert,der die reichhaltige Kultur Thüringens bewahrt undder mit einem ausgewogenen Kommunalen Finanz-ausgleich die Kommunen in die Lage versetzt, ihreAufgaben zu erfüllen.

    (Beifall DIE LINKE)

    Bisher ist davon nichts ansatzweise zu erkennen.

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Daskommt doch noch.)

    Uns fehlen Visionen für Thüringen, wie unter denheutigen Bedingungen das Land seine kulturelleund wirtschaftliche Identität erhalten und gestärktwerden kann. Davon ist ansatzweise nichts zu er-kennen.

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Daskommt.)

    Wir können nur raten; sollte das die Regierungsko-alition nicht hinbekommen, dann muss sie einfachaufhören, gemeinsam zu regieren. Vielen Dank.

    (Beifall DIE LINKE)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Wirhaben noch 6 Minuten Redezeit. Das ist nicht derFall. Möchte die Landesregierung sprechen? FrauMinisterin Walsmann, bitte.

    Walsmann, Finanzministerin:

    Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen undKollegen Abgeordneten, ich bin den Kolleginnenund Kollegen der FDP-Fraktion dankbar für ihrenAntrag, gibt es uns doch die Gelegenheit, bereits imVorfeld der anstehenden parlamentarischen Bera-tung zum Haushalt 2011 Position zu beziehen.

    Die erste klare Position ist, wie wir das auch ange-kündigt haben, am 21.09.2010 wird der Entwurf desHaushaltsgesetzes mit dem Haushaltsplan in derLandesregierung, im Kabinett auch beschlossenwerden. Das heißt, dass plangemäß in der Okto-ber-Sitzung auch der Haushalt eingebracht wird.

    Für die Vorbereitung, meine Damen und Herren, danehmen wir uns schon intern die Zeit für Gesprä-che, die wir auch brauchen. Da lassen wir unsüberhaupt nicht aus der Ruhe bringen. Was wir er-füllen können und was wir wie erfüllen, das könnenwir alles im Oktober nach der Einbringung desHaushalts hier diskutieren, meine Damen und Her-ren. Manche Landesregierungen wären glücklich,wenn ihre Ressortminister so intensiv miteinanderim Gespräch wären, wie wir das sind.

    (Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Für die Kom-munen muss es aber etwas schneller ge-hen.)

    Manche Aufgeregtheiten in der Öffentlichkeit, meinGott, das ist halt so und das muss man hinnehmen.Ich denke, das Ergebnis zählt und das Ergebniswird Ihnen Anfang Oktober vorliegen.

    So sinnvoll es ist, dieses Thema hier zu diskutieren,so wichtig ist es aber auch, die Fakten zur Kenntniszu nehmen.

    Die Ausgangslage, meine Damen und Herren, ist,glaube ich, bekannt. Für den Aufbau des Landesseit der Wiedervereinigung wurden über die JahreSchulden in Höhe von 15,7 Mrd. € aufgenommen.Es wurden damit Straßen gebaut, Schulen, Hoch-schulen, Kindergärten saniert und an die aktuellenStandards angepasst. Die Städte und Gemeindenkonnten ihre Infrastruktur sanieren und erweitern.Es wurde ein bemerkenswertes, ein lebenswertesUmfeld geschaffen und für die Wirtschaft wurdenmoderne Standorte entwickelt. Die Qualität vonLuft, Wasser und Boden entspricht den aktuellenStandards. Wir haben in die Wirtschaftsförderunginvestiert und das wird sichtbar in den über die Jah-re günstigen Arbeitsmarktzahlen. Im Vergleich derübrigen neuen Länder konnten wir hier durch dieAnsiedlung von Unternehmen und die Schaffungvon Arbeitsplätzen eine Spitzenposition erreichen.Wir haben nach der friedlichen Revolution denstrukturellen Umbau des Landes schnell vorange-trieben, und zwar schneller, als es uns nach den fi-nanziellen Gegebenheiten möglich gewesen wäre.Wir alle haben davon profitiert.

    Meine Damen und Herren, unsere Diskussion zumThema „Schulden und Sparen“ muss zukunftsge-recht und zukunftsgerichtet sein. Unsere Zukunfthat eben andere Rahmenbedingungen als die Ver-gangenheit. Wir sind seit diesem Jahr in der Phasedes Abbaus der Solidarpaktmittel. Wir sind in derPhase des Auslaufens der EU-Fördermittel und wirmüssen die Auswirkungen der Wirtschafts- undWährungskrise verkraften. Diese Tatsachen bedeu-ten, dass wir in diesem Jahr und auch in dennächsten ein bis zwei Jahren nicht mehr das Ein-nahmeniveau erreichen werden, das wir in der Ver-gangenheit gewohnt waren. Keinesfalls werden wirlangfristig über zusätzliche Steuereinnahmen dieAusfälle aus dem Solidarpakt und der EU-Förde-rung sowie den überproportionalen Bundesleistun-gen vollständig kompensieren können.

    Schließlich - und das ist ja auch nichts Neues - er-halten wir im laufenden Haushalt an einigungsbe-dingten Sonderbedarfsbundesergänzungszuwei-sungen 1,25 Mrd. €, an Leistungen der EU rund645 Mio. € sowie weitere Solidarpaktmittel des Bun-des; das ist der sogenannte Korb II von rund400 Mio. €.

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2377

    (Abg. Keller)

  • Meine Damen und Herren, all die Zahlen sindnichts Neues. Dieser Betrag, meine Damen undHerren, der genannt ist, man kann beklagen undmit Wehmut an den bisherigen Standards festhal-ten oder man kann es als Chance zu einer Neuori-entierung begreifen. Das tun wir. Diese Neuorien-tierung geht von dem guten Stand aus, den wir er-reicht haben. Das bedeutet nicht Rückschritt, son-dern Gestaltung unserer Zukunft. Sparen bedeutet,neue Akzente zu setzen, nicht zusätzliche Akzentezu setzen, das ist schon der erste Schritt in die rich-tige Richtung.

    Die Thüringer Landesregierung will die im Jahr derKrise erforderlich gewesene hohe Neuverschuldungim kommenden Jahr deutlich zurückführen. Bis zumendgültigen Auslaufen des Solidarpakts und demgleichzeitigen Beginn des Schuldenverbots nachdem Grundgesetz wird auch der Freistaat Thürin-gen eine Neuverschuldung nur noch in den dannzulässigen Ausnahmefällen in Anspruch nehmenund im Übrigen Haushalte ohne Neuverschuldungvorlegen.

    Meine Damen und Herren, wie Sie wissen, arbeitetdie Landesregierung an der Aufstellung des Haus-halts, das habe ich Ihnen klar gesagt. Sie wirdeinen Haushaltsentwurf so wie angekündigt auchim Zeitplan vorlegen, der den genannten Rahmen-bedingungen Rechnung trägt. Dann können wir hierim Oktober ausführlich dazu beraten. Danke schön.

    (Beifall CDU, SPD)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank. Gibt es weitere Wortmeldungen? Ichsehe, das ist nicht der Fall. Dann schließe ich denersten Teil der Aktuellen Stunde und rufe auf denzweiten Teil der Aktuellen Stunde

    b) Antrag der Fraktion BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN zum The-ma: „Handeln gegen die Lauf-zeitverlängerung von Atom-kraftwerken“Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1437 -

    Als Erster zu Wort gemeldet hat sich von der Frak-tion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der AbgeordneteDirk Adams.

    Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

    Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, so aktuell waren wir ja selten. Wenn mansich aber mal anschaut, was in den letzten Tagenpassiert ist, in der Nacht vom Sonntag zum Montagberät die Bundesregierung darüber, wie sie es nun

    macht mit der Laufzeitverlängerung und am Montagum 5.23 Uhr unterzeichnet sie eine Paraphe zwi-schen der Atomlobby, der Atomindustrie und derBundesregierung. Wovor hatten die eigentlichAngst? Hatten die wirklich so große Angst davor,dass es noch einmal zu einer gesellschaftlichenDiskussion kommen könnte? Die gesellschaftlicheDiskussion, lieber Herr Barth, kann ich ja gar nichtallein führen. Es ist sicherlich so, dass die schwarz-gelbe Bundesregierung vor uns GRÜNEN Angsthat - zu Recht meiner Meinung nach.

    (Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Oh, nein ...)

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Die Laufzeitverlängerung ist ganz großer Mist, weilwir dadurch mehr Atommüll bekommen und schonjetzt haben wir kein Endlager für den bestehendenMüll.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Die Laufzeitverlängerung ist großer Mist, weil billi-ger Atomstrom unsere Leitungsnetze verstopft.Darüber können wir in Thüringen gerade nicht hin-wegsehen, die 380-kV-Leitung wird nicht gebaut,um hochwertigen Windstrom aus der Ostsee undNordsee in die südlichen Teile unseres Landes zubringen, sondern um diese furchtbare Atompolitikvon Schwarz-Gelb fortführen zu können. Das isthier ganz deutlich gesagt. Das Ganze nützt nur ei-nem; der Renditeerwartung, der Renditeverbesse-rung der Atomlobby.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieseLaufzeitverlängerung stellt nicht eine Brücke dar,sondern sie ist eine Sperre für mehr erneuerbareEnergien und für den Klimaschutz.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Die Bundeskanzlerin, meine sehr verehrten Damenund Herren, ist einfach umgefallen. Sie lässt sichdie Energiepolitik der Bundesrepublik Deutschlandvon vier großen Stromversorgern diktieren. Das be-deutet für sie, dann rechtfertigen zu müssen, dassdiese vier Atomenergiebetreiber ja gar nicht so vielgutmachen würden. Meine sehr verehrten Damenund Herren, ich frage Sie: Warum sollen die auchnur einen Cent gutmachen? Sie diskutierten mit unsAnfang dieses Jahres darüber, dass in der Photo-voltaikbranche zu große Gewinne gemacht werden.165 Mrd. € sind gefördert worden für die Atomlobbyund Sie diskutieren um wenige Cent je Kilowatt-stunde. Das finde ich einfach verlogen.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Wir müssen das auf eine Ebene stellen: Einspeise-vergütung kürzen - die Energiepolitik der schwarz-

    2378 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    (Ministerin Walsmann)

    http://www.parldok.thueringen.de/parldok/tcl/PDDocView.tcl?mode=get&LP=5&DokNum=1437&DokArt=Drs

  • gelben Regierung - und gleichzeitig die Laufzeitverlängern. Frau Ministerpräsidentin, ich fordereSie ganz dringend auf, gegen diese Risikoverlänge-rung einzutreten,

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    denn wirtschaftspolitisch ist diese Laufzeitverlänge-rung für Thüringen wirklich schlecht, weil wir näm-lich führend sind in der Anlagentechnik für erneuer-bare Energien und nicht führend in der Anlagen-technik für die Atomkraftwerke. Deshalb ist es Wirt-schaftsförderung hier vor Ort und für Thüringen,wenn man sich gegen diese Laufzeitverlängerungund stattdessen für die erneuerbaren Energien ein-setzt.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Es ist nicht nur so, dass wir die Anlagentechnik hierbauen, sondern wir könnten viel mehr Thüringer er-neuerbaren Qualitätsstrom hier im Land organisie-ren und hier im Land produzieren. Unsere Stadt-werke sind alle gut aufgestellt, wir könnten vielmehr Strom hier in Thüringen produzieren. Das istübrigens Wertschöpfung. Ich bin ganz erstaunt,dass die FDP sich gegen diese Wertschöpfung hierregional wendet. Das ist eigentlich bezeichnend fürdie doch als Maske eher vor sich her getrageneWirtschaftskompetenz von FDP und CDU.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Lauf-zeitverlängerung wird oft damit begründet, sie seiso unglaublich wichtig für den Klimaschutz. Welt-weit macht die Atomenergie nur 2 Prozent am Pri-märenergieverbrauch aus. Wir müssen uns nur vor-stellen, wie viel unendlich mehr Ansatzpunkte wirhätten, um den Klimaschutz voranzubringen. InDeutschland selbst mit dem hohen Ausbaugrad anAtomenergie sind es nur 6 Prozent. Das heißt,selbst wenn wir diese Atomenergie verdoppeln wür-den, wir würden nichts Relevantes für den Klima-schutz tun können. Wir könnten auch keine rele-vante Kostenreduzierung, wie von der Union oft ar-gumentiert wird, erzielen, weil die Laufzeitverlänge-rung eine Kostensenkung im Strompreis von maxi-mal 0,7 Cent bringt. Angesichts der 5-Cent-Sprün-ge, die die Atomlobby in der letzten Zeit gemachthat, ist das einfach nur noch als Peanuts zu be-zeichnen.

    Meine sehr verehrten Damen und Herren, auch derMythos „Sicherheit“ ist ein Riesenproblem. MeineKollegin Schubert wird dazu nachher noch eineMündliche Anfrage haben. In Thüringen weiß derUmweltminister nicht einmal, dass Kobalt 60 überunsere Straßen fährt. Kein Polizist, keine freiwilligeFeuerwehr ist davon informiert, wenn solche Trans-porte in Thüringen unterwegs sind. Das ist einSkandal unglaublicher Tiefe.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Präsidentin Diezel:

    Herr Abgeordneter, kommen Sie zum Ende.

    Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

    Ich denke, dass diese Debatte wichtig ist für Thürin-gen, und hoffe darauf, dass die Ministerpräsidentinauch noch etwas dazu sagen wird, dass man sichwie NRW gegen ein Ausbremsen des Bundesratshier stellt. Vielen Dank.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    (Zwischenruf Reinholz, Minister für Landwirt-schaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz:Herr Adams, dafür ist das Sozialministeriumzuständig.)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Adams. Als Nächster spricht fürdie SPD-Fraktion der Abgeordnete Frank Weber.

    Abgeordneter Weber, SPD:

    Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen, es geht in dieser Diskussion, dieserFrage um nicht mehr oder weniger als eine Rich-tungsentscheidung. Es geht darum, ob man aufTechnologien der Vergangenheit setzt, auf gefährli-che Technologien setzt oder ob man auf Technolo-gien der Zukunft setzt, auf Technologien, die inThüringen produziert werden, die zukunftsweisendeArbeitsplätze schaffen, ob man diese Technologienunterstützt oder ob man auf eine gefährliche Tech-nik aus der Vergangenheit setzt.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Zum Thema „gefährliche Technik“: Keines der17 deutschen Atomkraftwerke würde nach dem jet-zigen Rechtsstand eine Genehmigung erhalten -keines der 17 deutschen Atomkraftwerke.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Zu den Zahlen: An jedem dritten Tag kommt es inDeutschland zu einem sicherheitsrelevanten Ereig-nis, zu einem meldepflichtigen sicherheitsrelevan-ten Ereignis in einem deutschen Atomkraftwerk.Seit Inbetriebnahme von Biblis sind 800 melde-pflichtige Störfälle verzeichnet worden. In einemBlock entstehen pro Jahr radioaktive Substanzen,die die 1.200-fache Menge der Hiroshima-Bombeenthalten. Das sind die Fakten, wenn wir über dieseTechnologie der Vergangenheit reden. Das einzig

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2379

    (Abg. Adams)

  • sichere an Atomkraft sind die Profite der Betreiber.1,5 Mio. € pro Tag spült ein Atomkraftwerk in dieKassen der Betreiber. Das ist aus unserer Sicht un-verantwortlich, mit der Sicherheit unserer Generati-on, mit der Sicherheit künftiger Generationen soumzugehen. Deswegen gibt es vonseiten der SPD-Fraktion ein klares Bekenntnis zum Ausstieg undgegen den Ausstieg aus dem Ausstieg.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Es ist schon viel gesagt worden, ich will nicht alleswiederholen. Die Entsorgungsfrage ist ungeklärt.Ich bin sehr froh darüber, dass die Ministerpräsi-dentin sich in der Vergangenheit sehr eindeutig zuder Frage der Bundesratsbefassung geäußert hat.Ich zitiere - Frau Ministerpräsidentin Lieberknechthat gesagt: „Die Nichtbeteiligung des Bundesratesan der Verlängerung der Laufzeiten ist eine Mogel-packung und von daher muss man auch mit dieserMogelpackung so umgehen, wie man politisch mitMogelpackungen umgeht.“ Noch erschreckender istaber, dass die Bundesregierung offensichtlich mehrWert auf die Atomlobby legt, was die Beteiligung indieser Frage betrifft, als auf die Entscheidung derBundesländer. Auch wir sind der Meinung, dass eseiner verfassungsrechtlichen Prüfung bedarf, ob dieBundesländer hier an der Entscheidung beteiligtwerden. Wir glauben, es ist sinnvoller, in die Zu-kunft zu investieren, es ist sinnvoller, in die300.000 Arbeitsplätze zu investieren, die im Be-reich erneuerbare Energien entstanden sind undnicht in die 30.000 Arbeitsplätze, die noch im Be-reich Atomkraft existieren.

    (Beifall SPD)

    Das Ganze, meine sehr verehrten Kolleginnen undKollegen, hat System. Auf der einen Seite reduziertman die Einspeisevergütung, um die erneuerbarenEnergien aufzuhalten. Auf der anderen Seite ver-längert man die Laufzeit der Atomkraftwerke, umnoch einmal ganz deutlich einen Stopp für erneuer-bare und für die Entwicklung erneuerbarer Energienin Deutschland zu setzen. Das ist nämlich nichtsanderes als ein Innovationsstopp für diese Techno-logien. Wir haben gerade kurz vor der Plenarsit-zung in einer Pressekonferenz gemeinsam partei-übergreifend, auch gemeinsam mit Umweltverbän-den dazu aufgerufen, am 18.09.2010 nach Berlinzu fahren. Und alle Thüringerinnen und Thüringersollen aufgerufen sein, am 18.09.2010 gemeinsamgegen die Laufzeitveränderung zu demonstrieren.Im TOP 17 werden wir uns mit dem Thema nocheinmal befassen. Danke schön.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Weber. Es spricht zu uns der Ab-geordnete Ramelow von der Fraktion DIE LINKE.

    Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

    Werte Kolleginnen und Kollegen, liebe Frau Minis-terpräsidentin, auf den ersten Blick hat man ja dasGefühl, da Thüringen kein Atomkraftwerk hat, gingees uns relativ wenig an. In Wirklichkeit ist es so,das wissen wir seit Tschernobyl, dass an keinenGrenzen atomarer Fallout sich beschränken würde.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Aber wir diskutieren heute nicht aus einem morali-schen oder aus einem ängstlichen Impetus heraus,sondern wir diskutieren aus einer Sichtweise, beider ich langsam das Problem habe, dass dieseBundesrepublik Deutschland in ihrer Investitionstä-tigkeit und in ihrer Verlässlichkeit sich immer weiterzum Klops macht, international deutlich macht,dass offenkundig Verträge, die in Deutschland ab-geschlossen werden, nicht dauerhaft eingehaltenwerden. Pacta sunt servanda, Frau Ministerpräsi-dentin, scheint für Deutschland nicht zu gelten. DerAtomausstieg ist nach meinem Dafürhalten, sagenwir einmal freundlich gesagt, kritikwürdig gewesen.Aber er ist vollzogen worden und die Stromkonzer-ne haben den Vertrag unterschrieben. Das war derPunkt, bei dem ein gesetzlicher Atomausstieg nichtbeschlossen wurde, sondern es gab einen vertragli-chen Atomausstieg und auf diesen Ausstieg, FrauMinisterpräsidentin, beziehen sich sämtliche Inve-stitionsleistungen auch unserer Stadtwerke hier inThüringen.

    (Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

    Das heißt, alle, die im Vertrauen darauf, dass das,was der Staat macht, auf Verlässlichkeit in der In-vestitionstätigkeit im Verlauf von 20 oder 30 Jahrenausgerichtet ist, das wird hier mit einem Federstrichaus ideologischen Gründen und aus Gründen desLobbyismus vom Tisch gewischt. Deswegen werbeich auch darum, dass wir diese Debatte des Aus-stiegs nicht wieder wiederholen mit all den Fragen,die an dem technologischen Angstthema Atom hän-gen. Sondern ich diskutiere aus dem BlinkwinkelThüringens, das Land, das bisher die meiste Ener-gie einführen musste. Was immer ein strategischerNachteil war, ist unser strategischer Vorteil, wennwir dezentral, regional und regenerativ so viel Ener-gie produzieren, wie wir selber verbrauchen. Dannwären wir ein Musterland in Deutschland und wirwären damit Treibriemen für eine neue technischeinnovative Revolution, die wir dringend brauchtenund ein Leitbild für dieses Land, bei dem man stolzist, in diesem Bundesland tätig zu sein. All dieseThemen haben aber etwas damit zu tun, dass die

    2380 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    (Abg. Weber)

  • Grundarchitektur des Atomausstiegs eingehaltenwird, unabhängig davon, ob meiner Fraktion derAusstieg richtig erschienen ist oder nicht. Aber dassdieser Vertrag einfach am Sonntag aus dem Fen-ster geworfen wurde und dass dann die Menschennoch belogen werden, Frau Ministerpräsidentin, dakann doch auch ein Mitglied ihrer Partei nicht mehrschweigen und ruhig sein, dass man sagt, es wirdeine Brennelementesteuer eingeführt und die darfdann der Stromkonzern noch von seinen Steuernabziehen. Ich habe noch nie gehört, dass ein Ar-beitnehmer, der arbeiten geht, seine Lohnsteuervon der Lohnsteuer wieder abziehen kann. Aber dieStromkonzerne können in Zukunft ihre Brennele-mentesteuer abziehen und wir schädigen direkt dieThüringer Kommunen, wir schädigen direkt diekommunale Familie und wir schaden direkt denStadtwerken in Thüringen. Es ist also nicht so, alsob uns das Thema nicht in irgendeiner Form tangie-ren würde, sondern die gesamten Investitionsleis-tungen, die die Stadtwerke entwickelt haben, basie-ren darauf, dass wir den Ausstieg ernst meinen,dass wir den Umstieg ernst meinen und dass wirTechnologien entwickeln und vorantreiben, bei de-nen es eben nicht nur um Windkraft geht. Das wäreja schon ein wichtiges Element, wenn bei Umform-technik in Erfurt die Voraussetzungen geschaffenwerden. Frau Ministerpräsidentin, sie hatten mich jamitgenommen auf ihrer Sommertour, da hat uns jadie Firmenleitung dokumentiert, man möchte beiUmformtechnik …

    (Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Sie sindmitgelaufen, aber nicht mitgenommen.)

    Sie hat mich mitgenommen. Den Herrn Mohringstört das, aber ich bin freundlichst eingeladen ge-wesen. Ich bin mitgenommen worden und es warmitreißend, wie uns der Vorstand erläutert hat, dassman in Zukunft in Thüringen, in Erfurt, Windkraftan-lagen als industrielles Fertigungsprodukt produzie-ren wird und dass es eine Erwartungshaltung andie Landesregierung an Unterstützung gibt, dassdiese Referenzobjekte auch in Thüringen aufgebautwerden können. Auch da gilt wieder pacta sunt ser-vanda. Die haben eine Zusage in Limlingerode ge-habt. Die hatten eine feste planbare Größe gehabtund anschließend wurde das Windvorranggebietwieder abgeschafft und jetzt stehen die mit ihremVertrag da und können die Referenzobjekte nichtbauen.

    Frau Ministerpräsidentin, es geht um Thüringer Ar-beitsplätze. Es geht also nicht um irgendeine Archi-tektur Schwarz-Gelb einer Katastrophenkoalition,einer Wespenkoalition in Berlin. Da muss man auchnicht denen beistehen und sagen, nein, die müssenjetzt auch mal eine schöne Performance haben, diedürfen jetzt auch mal Lobbyvertreter sein; nein, esgeht um Thüringen und die Landesregierung hat ih-ren Schwur auf Thüringen geleistet. Die ThüringerInteressen sind massiv tangiert, wenn Verträge, die

    geschlossen worden sind, nichts mehr gelten; dasVerhalten kritisiere ich. Als es um die Solarstrom-einspeisevergütung ging, habe ich noch genau inErinnerung, wie Herr Kurth von der FDP großmün-dig verkündet hat, was er alles tun wird, dass diesekatastrophale Absenkung nicht stattfindet.

    Präsidentin Diezel:

    Herr Abgeordneter, ich bitte Sie, zum Ende zu kom-men.

    Abgeordneter Ramelow, DIE LINKE:

    Gern. Aus dieser großmütigen Ankündigung, dieviel Wind gemacht hat, kam hinterher nichts raus,sondern eine Absenkung, die doppelt so hoch warwie das, was angekündigt war. Wenn wir so mit denInteressen Thüringens umgehen, schaden Sie allemit diesem ideologischen Gewäsch dem FreistaatThüringen. Lassen Sie uns gemeinsam gegen denAusstieg aus dem Ausstieg kämpfen. Deswegenam 18. September - ich hoffe, Sie sind alle dabei -in Berlin gesellschaftlich deutlich zu machen, wirsagen Nein aus dem Ausstieg des Ausstiegs.

    (Beifall DIE LINKE, SPD)

    Präsidentin Diezel:

    Danke schön. Als Nächster spricht der Abgeordne-te Michael Heym für die CDU-Fraktion.

    Abgeordneter Heym, CDU:

    Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen!Ja, mit dem Entschluss zur Laufzeitverlängerungder Kernkraftwerke hat die Bundesregierung - wirhaben es gerade hier von dieser Stelle aus erlebt -ganz unterschiedliche Reaktionen hervorgerufen.Superlative Begrifflichkeiten, und davon hat HerrAdams hier wieder Zeugnis abgelegt, sind abernicht angebracht.

    (Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Jetztkommt die „Atombombe“ der CDU.)

    Richtig ist auch, dass die Union schon im letztenBundestagswahlkampf klar gesagt hat, wie sie zudiesem Thema steht. Es hat auch immer geheißen,dass die Kernkrafttechnologie für die Union eineBrückentechnologie ist. Allerdings erfolgten zu demBegriff immer unterschiedliche Interpretationen. MitBrückenfunktion war nicht die Beschreibung eineszeitlichen Horizontes gemeint, vielmehr geht esdarum, diese Technologie so lange zu nutzen, bisdie alternative Energiegewinnung in der Summe dieVersorgungssicherheit gewährt und das Ganzeauch wirtschaftlich zumutbar und bezahlbar ist.

    (Beifall CDU, FDP)

    Solange die Kilowattstunde aus der Kernenergieungefähr 4,5 Cent, aus Solarenergie 40 Cent, beim

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2381

    (Abg. Ramelow)

  • Wind kommt es darauf an, was man für Unterlagenbemüht, um die 20 Cent kostet, muss weiter darangearbeitet werden, Wind, Solar und andere Tech-nologien noch wirtschaftlicher zu machen. Da ist esauch gut, dass im Komplex dieser Laufzeitverlänge-rung festgelegt wurde, 15 Mrd. € in die Weiterent-wicklung und Förderung der erneuerbaren Energienzu stecken. Die Befürchtungen der Stadtwerkemüssen ernst genommen werden, das ist gar keineFrage, aber nach wie vor gilt das Energieeinspeise-gesetz, welches vorrangig die Abnahme von alter-nativer Energiegewinnung sichert. Herr Adams,wahrscheinlich haben Sie heute Morgen - so wieich - Fernsehen geschaut und diese schöne Begriff-lichkeit aufgeschnappt, dass nun die Stromleitun-gen durch Atomstrom verstopft werden. Das istgnadenloser Populismus und Schwachsinn.

    (Beifall CDU, FDP)

    (Unruhe DIE LINKE)

    Durch diese Laufzeitverlängerung wird sich nichtmehr Atomstrom in den Leitungen bewegen als bis-her und es wird auch nicht mehr Strom abgenom-men werden, als dass Ihre Befürchtungen eintretenkönnten. Es soll an dieser Stelle auch ganz deutlichgesagt werden, das gehört zur Ehrlichkeit dazu,dass Union und Sozialdemokraten auf Bundesebe-ne zu diesem Ausstiegsszenario grundsätzlich un-terschiedliche Meinungen vertreten. Wenn auchsonst die Thüringer Koalition von tiefer Harmoniegetragen ist,

    (Beifall CDU)

    (Unruhe DIE LINKE)

    (Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE:Die Betonung lag auf tief.)

    werden wir in Thüringen diese Unterschiede nichtwegschleifen können. Im Übrigen bin ich auf dieweitere Diskussion gespannt. Es ist etwas doppel-züngig, wenn jetzt gefordert wird, diese Entschei-dungen auch im Bundesrat zu beraten. Als 2001die Koalition aus Rot-Grün das Ausstiegsszenariofestgelegt hatte, wurde auch kein Bundesrat betei-ligt.

    (Beifall FDP)

    Ich denke, es ist eine ganz normale Folge, hier diePosition zu vertreten, dass es im Bundestag ver-bleibt.

    In der Summe will ich sagen, dass die CDU-Frak-tion dieses Landtags hinter dem am Sonntag be-schlossenen Fahrplan zum Ausstieg aus der Atom-energie mit seinen ergänzenden Festlegungen, diehier auch zu vernehmen waren, steht. Wir werdensehen, wie sich die Diskussion in den nächsten Ta-gen entwickelt. Ich kann Ihnen sagen, Herr Rame-low, auch in der CDU - und das ist ja der Öffentlich-keit nicht entgangen - wird das Thema sehr breit

    diskutiert. Das ist ganz normal, das ist sicherlich inallen gesellschaftlichen Bereichen so. Gehen Sieaber davon aus, dass am 18. von unserer Fraktionso sehr viele Kollegen lieber für Thüringen arbeiten,als in Berlin zu demonstrieren.

    (Beifall CDU, FDP)

    (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Gegen die Laufzeitverlängerungeinzutreten, ist für Thüringen zu arbeiten.)

    Präsidentin Diezel:

    Vielen Dank, Herr Abgeordneter Heym. Als Nächs-ter spricht für die FDP-Fraktion der AbgeordneteBarth.

    Abgeordneter Barth, FDP:

    Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen,das am Montag von der Bundesregierung vorgeleg-te Energiekonzept soll den Übergang vom Zeitalterder Kohle und Kernenergie in das Zeitalter der er-neuerbaren Energie bis zum Jahr 2050 beschrei-ben. Das Ziel ist, bis 2050 den Ausstoß von klima-schädlichen Gasen um 80 Prozent zu reduzierenund im gleichen Zeitraum den Anteil der Stromer-zeugung aus erneuerbaren Energien auf 80 Pro-zent anzuheben.

    (Beifall CDU, FDP)

    Sich über den Weg in das Zeitalter der erneuerba-ren Energien Gedanken zu machen, nicht nur überdas Ziel Einigkeit herbeizuführen, sich über denWeg dorthin wirklich Gedanken zu machen, eineWegbeschreibung zu erarbeiten, die auf der einenSeite die Bedingungen Versorgungssicherheit, Um-weltschutz und auch bezahlbarer Strom für alle ein-zuhalten und gleichzeitig die Energieversorgung imIndustrie- und Wirtschaftsstandort Deutschland -Herr Kollege, wollen Sie vielleicht für mich hier wei-terreden?

    (Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Herr Kolle-ge, ich bin bei der Frau Präsidentin und be-spreche was; Sie können ruhig weiterreden.)

    Vielen Dank.

    (Heiterkeit DIE LINKE)

    Wie es also gelingt, diese Bedingungen auf dereinen Seite einzuhalten und auf der anderen Seitedie Energieversorgung im Wirtschafts- und Indu-striestandort Deutschland auf erneuerbare Ener-gien umzustellen, diesen Anspruch hat auch dierot-grüne Bundesregierung niemals erfüllt. Ich be-haupte, sie hat ihn auch niemals an sich gestellt.

    Meine Damen und Herren, auch die Frage, wieman einerseits den Atomausstieg vollzieht, ande-rerseits Energie bezahlbar hält und gleichzeitig aufden Import von Atomstrom aus dem Ausland ver-

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    (Abg. Heym)

  • zichtet, auch diese Frage wurde bisher nie beant-wortet. Die Sicherheitsfragen - Herr Kollege Rame-low hat Tschernobyl angesprochen, so weit brau-chen wir gar nicht gehen; das auch nicht als Hortder Sicherheit bekannte Kraftwerk in Frankreich inCattenom liegt etwa 15 Kilometer von der deut-schen Grenze entfernt; Temelin, ein Druckwasser-reaktor, baugleich prinzipiell mit Tschernobyl, liegtetwa knapp 60 Kilometer von der deutschen Gren-ze entfernt; über die Entfernungen von Erfurt willich gar nicht reden, das sind im Fall von Temelinkeine 300 Kilometer; viel näher liegt auch kaum eindeutsches Kraftwerk -,

    (Beifall FDP)

    diese Fragen, Atomstrom aus dem Ausland nicht zuimportieren, wie man das alles unter einen Hut be-kommen will, hat bisher auch niemand wirklich be-antwortet.

    (Beifall FDP)

    Dass es nun Streit um dieses Energiekonzept ge-ben wird, das war klar. Das ist ja in der Tat einewichtige und natürlich auch emotionale Frage. Dassdie Landesregierung heute eine Pressekonferenzgemeinsam mit den beiden linken Oppositionsfrak-tionen aus diesem Haus veranstaltet hat, hat michdann allerdings schon ein Stück überrascht.

    (Heiterkeit BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Es war der für die Energie zuständige Minister da-bei. Ich denke mal, dass im Rahmen der Kabinetts-disziplin und des Anstandes man davon ausgehenkann, dass er Meinungsäußerungen dann auchschon überlegt und abstimmt.

    (Unruhe DIE LINKE)

    (Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Sie hätten auch kommenkönnen.)

    Dabei kann ich natürlich die Verletztheit gerade beiRot-Grün verstehen, dass die sicher geglaubteDeutungshoheit über Energie- und Umweltfragenso gar nicht gegeben ist. Es gibt eine aktuelle Um-frage, die belegt, dass drei Viertel der DeutschenLaufzeitverlängerungen zustimmen, wenn aus denGewinnen auch der Ausbau der erneuerbarenEnergien finanziert wird.

    (Zwischenruf Abg. Ramelow, DIE LINKE:Nicht „auch“.)

    Nicht mehr und nicht weniger soll jetzt geschehen.

    (Beifall FDP)

    Im Übrigen hat diese Umfrage nicht die Konrad-Adenauer-Stiftung, auch nicht die Friedrich-Nau-mann-Stiftung gemacht, sondern Infratest dimap imAuftrag der ARD.

    (Beifall FDP)

    Im Übrigen sollte auch jeder, der hier aus dem Ho-hen Haus schon mal in erneuerbare Energien inve-stiert hat, zugeben, dass auch diese sichere Geld-anlage das Ergebnis von interessenorientierter Poli-tik zugunsten der erneuerbaren Energie ist, einePolitik, die übrigens auch Rot-Grün nicht erfundenhat;

    (Beifall SPD)

    man hat lediglich auf den Ausstieg verzichtet.

    (Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Mit langen Renditezeiträumen.)

    Meine Damen und Herren, zur Brücke in das Zeital-ter der erneuerbaren Energien gehören neben derKernenergie auch Fragen nach einer besseren Ver-fügbarkeit erneuerbarer Energien durch Netzinte-gration, durch bessere Speichertechnologien. Hiergibt es, wie auch bei Fragen der Effizienz diverserTechnologien, erheblichen Forschungsbedarf, dernatürlich auch finanziert werden muss. Wenn nunals ein Ergebnis des Energiekonzepts bis zu15 Mrd. € in einen Fonds eingezahlt werden, ausdem dann Investitionen beispielsweise in die Erfor-schung von Speichertechnologien finanziert werdenkönnen, dann ist es ein riesiger Fortschritt im Sinneeines geordneten Überganges hin zu den erneuer-baren Energien.

    (Beifall FDP)

    Speicherforschung ist zwingend notwendig, weil er-neuerbare Energien eben nicht permanent verfüg-bar sind. Wir brauchen Energien, damit auch erneu-erbare Energie grundlastfähig wird. Wir brauchenSpeicher und allein ein Goldisthal wird da nicht rei-chen, auch wenn es natürlich ein großer Speicherist. Man kann die Stromversorgung einer Industrie-nation nicht der Verfügbarkeit von Sonne und Windanheimstellen, meine sehr verehrten Damen undHerren.

    Weil die Frage der Sicherheit auch in den Ausfüh-rungen, die ich verfolgt habe, indirekt auf der Pres-sekonferenz vorhin eine Rolle gespielt hat, will icheinfach noch mal daran erinnern, dass der Herr Mi-nister …

    Präsidentin Diezel:

    Herr Abgeordneter, aber bitte kurz daran erinnern,die Redezeit.

    Abgeordneter Barth, FDP:

    Ganz kurz. Ich hatte auch eine kleine Unterbre-chung, Frau Präsidentin.

    (Unruhe im Hause)

    Wenn ich nur kurz daran erinnern darf, dass HerrMachnig in seiner Vorverwendung - wenn ich dasmilitärisch ausdrücken darf - Staatssekretär im Bun-

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2383

    (Abg. Barth)

  • desumweltministerium gewesen ist. Ich habe ein-mal mit Atomrecht zu tun gehabt und kann mich er-innern, dass das Bundesumweltministerium dieoberste Aufsichtsbehörde in Fragen der Atomsi-cherheit ist. Herr Minister, wenn Sie Erkenntnissezu Ihrer Amtszeit hatten, die Sicherheit von Atom-kraftwerken bzw. die Gefährdung betreffend, dannwären Sie verpflichtet gewesen, das betroffeneAtomkraftwerk umgehend stillzulegen - völlig egalwie alt es ist.

    (Beifall FDP)

    Dass Sie das nicht getan haben, lässt mich darausschließen, dass Sie diese Erkenntnisse nicht ha-ben. Insofern bitte ich dann auch, nicht so zu tunals ob diese beiden Dinge nichts miteinander zu tunhaben. Vielen Dank.

    (Beifall CDU, FDP)

    Präsidentin Diezel:

    Ihre Redezeit ist zu Ende. Gibt es weitere Wortmel-dungen? Uns verbleiben 5 Minuten Redezeit für dieAbgeordneten. Ich sehe, das ist nicht der Fall. HerrMinister Machnig für die Landesregierung.

    Machnig, Minister für Wirtschaft, Arbeit undTechnologie:

    Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, Energie ist die Schlüsselfrage des 21. Jahr-hunderts in Deutschland, in Europa und global, weileines klar ist, wir werden eine wachsende Weltbe-völkerung haben, wir werden einen wachsendenEnergiebedarf haben und wir werden darauf achtenmüssen, dass Energiepolitik im Einklang steht mitden Klimaschutzzielen, die wir erreichen müssen.

    Vor einiger Zeit ist ein Buch erschienen, das hatteden schönen Titel „Weltmacht Energie“. Was solltedieser Titel eigentlich sagen? Er sollte sagen, dassdie Energiefrage zur entscheidenden Frage vonmodernen Industriegesellschaften im 21. Jahrhun-dert wird und auch eine zentrale Frage der Entwick-lung auch in bestimmten Teilen der Welt ist. Ich willdaran erinnern, 1,8 Mrd. Menschen haben heute,im Jahre 2010, noch keinen Zugang zur Energie.Deswegen brauchen wir langfristige Strategien,deswegen brauchen wir Grundkonsens, deswegenbrauchen wir Investitionen und Innovationen. Dasmuss im Zentrum stehen, das müssen wir in dennächsten Jahren befördern, sonst werden wir derZukunftsaufgabe für Thüringen, für Deutschland, fürEuropa und global nicht gerecht.

    Jetzt habe ich mir mal intensiver das Konzept derBundesregierung angeschaut, das am Sonntag ver-abschiedet worden ist. Dieses Papier hat 70/80 Sei-ten und darin werden unterschiedliche Themen an-gesprochen. Ich will zum Beispiel auf das Themaverweisen, dort wird gesagt, dass erneuerbare

    Energien eine tragende Säule der Energieversor-gung sind. Ich unterstütze das mit großem Nach-druck. Da steht das Ziel drin, dass wir im Jah-re 2030 25 Gigawatt Offshore Windenergie errei-chen wollen, das sind 5.000 Windenergieanlagen.Da steht auch drin - auch das will ich hier noch malzum Besten geben -, dass wir einen Ausbau On-shore vorantreiben müssen - Ausbau Onshore, alsoauf dem Lande - und dass die Bundesregierungplant - und ich begrüße das -, dass es gemeinsameLandesentwicklungspläne für den Ausbau auch derWindenergie in Deutschland geben soll. Auch dasbegrüße ich. Es wird darauf hingewiesen, dass esum Energieeffizienz geht und dass öffentliche Be-schaffung sich zukünftig an Energieeffizienz zu ori-entieren hat. Ich plädiere schon lange dafür. Auchdas ist ein Punkt, zu dem ich sage, der ist vernünf-tig und sollte gemacht werden.

    Es gibt Punkte, wie die Beschleunigung des Netz-ausbaues. Wir brauchen in den nächsten Jahreneinen massiven Ausbau der Netze, weil die Netzeansonsten der Bottleneck werden für die Erneue-rung unserer Energieinfrastruktur. Wenn die Netzenicht zugebaut werden, kann es nicht gelingen,dass wir die neuen Kraftwerkskapazitäten, insbe-sondere die erneuerbaren Energien, integrierenkönnen. Da steht etwas drin zum Thema energeti-sche Gebäudesanierung, energieeffizientes Bauen- ich selber mache ein Projekt mit der Bauhaus-Uni-versität -. Ich unterstütze das, ich sage es aus-drücklich. Da steht etwas drin zum Thema Elektro-mobilität - das habe ich selber noch im BMU betrie-ben -; 1 Million Fahrzeuge, die 2020 auf dem Marktsein sollen. Auch das unterstütze ich.

    Jetzt möchte ich an dieser Stelle eine persönlicheBemerkung machen: Ich bin in den 70er-Jahren po-litisch sozialisiert worden. Diese 70er-Jahre und80er-Jahre waren geprägt durch einen gesellschaft-lichen Großkonflikt. Der Großkonflikt hieß: „Wie hal-ten wir es mit der Kernenergie?“ Ich hatte immer ei-ne sehr klare Haltung in dieser Frage, auch als mei-ne Partei noch eine andere Haltung dazu hatte.Deswegen, mein lieber Herr Barth, wenn ich zu-sammen mit anderen als Matthias Machnig, SPD,und nicht als Vertreter der Landesregierung einePressekonferenz mache, wo ich meine Positionzum Ausdruck bringe, ist das mein gutes Recht.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    An diesem Recht werde ich auch festhalten unddas ist meine Position, die ich seit vielen Jahrenhatte. Im Übrigen war die Position der SPD, dakann ich für unsere Fraktion, glaube ich, insgesamtsprechen, zur Kernenergie immer bekannt, auchvor der Unterzeichnung des Koalitionsvertrags.

    (Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    2384 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010

    (Abg. Barth)

  • Jetzt komme ich zu dem Punkt - ich habe vielePunkte genannt, die ich aus dem Energiekonzeptteile -, mit dem ich mich jetzt auseinandersetzenwill, mit dem Thema „Laufzeitverlängerung“.

    (Beifall SPD)

    Da will ich auf Folgendes hinweisen: Im Jahre 2001hat es eine vertragliche Regelung zwischen der da-maligen Bundesregierung und den Energieversor-gern gegeben zum Ausstieg. Jetzt muss man maleines zur Kenntnis nehmen. Dieser Ausstiegsbe-schluss ist gefasst worden zu einem Zeitpunkt, alsdie Erneuerbaren in Deutschland noch in den Kin-derschuhen steckten. Heute haben wir 16/17 Pro-zent Strom aus erneuerbaren Energien. Damals ha-ben die Energieversorger gesagt, wir können aus-steigen, obwohl wir einen Anteil von vielleicht 1oder 2 Prozent Erneuerbaren hatten. Heute habenwir ein Vielfaches und heute wird behauptet, dassei nun alles nicht mehr möglich, man brauche eineBrückentechnologie. Diese Logik - mit großem Re-spekt - erschließt sich mir nicht. Ich glaube, wer inden nächsten Jahren Brücken bauen will, der sollteauf die Brücken treten, die bereits existieren. Dasist der Ausbau der Erneuerbaren, das ist der Aus-bau der Energieeffizienz und das sind die Investitio-nen in moderne, hoch effiziente, konventionelleKraftwerke.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Das ist die Brücke und diese Brücke sollten wir be-schreiten.

    Jetzt sage ich etwas zur Sicherheit, Herr Barth. Inder Tat, ich war zuständig. Ich kann nur eines sa-gen, es hat mehrere Tausend meldepflichtige Er-eignisse gegeben. Wir haben Krümmel und Bruns-büttel mehrfach wegen Transformatorenbrändendort vom Netz nehmen müssen. Es sind Vorstands-vorsitzende zurückgetreten wie der von Vattenfall,weil es kein vernünftiges Sicherheitsmanagementgab. Trotzdem haben wir ein Verfahren, nämlichdass es eine Bundesaufsicht gibt und dass es Län-derkompetenzen gibt. Da wissen Sie, wie schwierigdas ist. Jetzt komme ich zu einem Kernpunkt, dermir sehr wichtig ist. Wenn man denn schon dann zuder Entscheidung kommt, die Laufzeiten zu verlän-gern - einige haben ja schon einmal nachgerech-net, das letzte Kraftwerk wird dann 2040 wahr-scheinlich erst vom Netzt gehen - und gleichzeitigdie Sicherheitsstandards nicht erhöht werden, son-dern das in die Verantwortung der jeweiligen Auf-sichtsbehörden in den Ländern ins Belieben gestelltwird, dann muss ich sagen, bekomme ich nicht nurZweifel, sondern dann frage ich mich, ob das ver-antwortlich ist. Wenn man schon mal verlängert,und Herr Röttgen - ich muss das sagen - hat sichdafür eingesetzt, an der Stelle war er konsequent,er hat das nicht durchsetzen können. Ich muss sa-gen, das halte ich für ein Problem, weil am Ende

    muss eines gelten: Wir brauchen Sicherheit. Wirhätten auch Sicherheit gebraucht bis zumJahr 2020/21. Wenn wir längere Laufzeiten haben,da muss man konsequent sein und auch in die Si-cherheit investieren. Das hat nicht stattgefundenund von daher muss ich sagen: Das halte ich fürkeine verantwortliche Politik an der Stelle.

    Ein Satz zur Brennelementesteuer, die ja auch eineRolle spielt: Ich bin für die Brennelementesteuer,ich bekenne das hier ausdrücklich. Ich brauche al-lerdings diese Brennelementesteuer unabhängigvom Ausstieg, weil wir in den nächsten Jahren voreiner enormen Aufgabe stehen, nämlich vor derAufgabe: Wie finanzieren wir die Endlagerung inDeutschland? Diese Finanzierung muss beinhalten,dass diejenigen, die über Jahre die Kernkraftwerkebetrieben haben, angemessen an der Finanzierungder Endlagerung beteiligt werden. Das muss dieForderung sein und dafür brauche ich die Brennele-mentesteuer.

    (Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

    Deswegen halte ich sie für richtig, man muss sieaber dann gezielt für diesen Zweck ausgeben.

    Ein letzter Gedanke: Die Bundesregierung hat imÜbrigen - Herr Brüderle und Herr Röttgen - ein Gut-achten vorgestellt, in dem die Frage der Laufzeit-verlängerung in Zusammenhang mit dem Klima-schutz gestellt worden ist. Dabei kam heraus, dassauch ohne Laufzeitverlängerung die Klimaschutz-ziele Deutschlands zu realisieren sind. Jetzt geht esmir um die Frage - und das ist hier auch mehrfachangesprochen worden: Wie geht das jetzt weiter?Um das auch klar zu sagen: Wir haben im Kabinettüber diese Frage gesprochen, wie wir uns z.B. imRahmen des Bundesrats verhalten; das ist die Ver-abredung. Das soll dadurch geschehen, dass dieVerfassungsressorts prüfen, ob denn verfassungs-rechtlich geboten ist, die Länder zu beteiligen. Dasist der Verabredungsstand. Die Verfassungsres-sorts, also der Justiz- und der Innenminister, wer-den die bestehenden Gutachten dann aufbereitenfür das Kabinett. Im Übrigen gibt es Gutachten imUmweltministerium, die klar sagen, eine Beteiligungist erforderlich. Damit das auch noch mal klar ist,das sind Gutachten aus dem Bundesumweltminis-terium. Es gibt auch andere aus dem Bundeswirt-schaftsministerium.

    (Zwischenruf aus dem Hause: § 32?)

    Bitte? Das Argument lasse ich gerne gelten undkomme darauf zurück. Ich sage ganz klar: Dannwerden die Verfassungsressorts dieses aufberei-ten, dann werden wir in Thüringen zusammen ent-scheiden. Meine Haltung ist sehr klar, Herr Heym.Ich will auch auf Ihr Argument eingehen. Die Län-der sind für den Vollzug zuständig. Wenn die Län-der für den Vollzug zuständig sind, dann ist es eben

    Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 29. Sitzung - 08.09.2010 2385

    (Minister Machnig)

  • relevant, ob jemand 8 oder 14 Jahre länger seinerAufsichtspflicht nachkommen muss, denn es hat jaKonsequenzen für seine Aufsichtsfunktion. Das istder Unterschied zu dem, was wir im Jahr 2001 be-schlossen haben. Da haben wir die Laufzeiten ver-kürzt. Das heißt, wir haben Druck von den Länderngenommen. Hier werden nun den Ländern neueAufgaben zugewiesen, zumindest länger zugewie-sen. Da gibt es gute Argumente zu sagen, dannmüssen die Länder auch beteiligt werden.

    (Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

    Ich will noch ein politisches Argument sagen. Ichkann mich an die Debatten in den 70er- und 80er-Jahren gut erinnern. Das war ein gesellschaftlicherGroßkonflikt in Deutschland.

    (Unruhe CDU, FDP)

    Jetzt plädiere ich für eines, dass man an dem Kon-sens, den man gefunden hatte in Deutschland, fest-hält. Denn die Energiepolitik braucht langfristige Li-nien, die Energiepolitik braucht Berechenbarkeit,die Energiepolitik braucht auch Konsens mit derBevölkerung. Da gibt es nun Umfragen - ich könntejetzt andere zitieren, will dies aber nicht tun -, dieetwas anderes signalisieren, als wir es tun. Deshalbist meine Bitte und wir haben das mal gezeigt an ei-ner Stelle als Landtag. Über Fraktionsgrenzen hin-weg haben wir beim Thema „Opel“ gemeinsam einePosition bezogen. Ich habe das sehr begrüßt undhabe mich auch sehr dafür eingesetzt.

    (Beifall DIE LINKE, SPD)

    Genauso setze ich mich dafür ein, dass es vielleichtgelingen könnte, hier in diesem Landtag über dieParteigrenzen einen Grundkonsens zu entwickeln,der lautet: Es ist verantwortbar und sogar richtig,den Ausstiegsbeschluss, den Konsens von 2001,fortzuführen. Wir können darüber den Strukturwan-del vorantreiben, wir können dem magischen Drei-eck der Energieversorgung, nämlich Versorgungs-sicherheit, Preisschutz und Klimaschutz, gerechtwerden und wir schaffen gesellschaftliche Akzep-tanz, weil hier eines richtig ist, und deswegen binich auch ausführlich am Anfang meiner Rede dar-auf eingegangen, was im Energiekonzept der Bun-desregierung richtig ist, und weil ich glaube, dassjenseits der Kernenergiefrage ein hohes Maß auchvon Konsensen möglich ist, werbe ich für dieseKonsense. Das ist mein Grund, dass ich für dieseKonsense werbe und sage, lasst uns den Weg ge-hen, dass wir die Möglichkeit und Chance, die desökonomischen, ökologischen Umbaus in dennächsten Jahren der Kernenergie -Energie ist eineSchlüsselfrage in diesem Bereich -, nutzen. Denner ist ein Wachstumstreiber, er ist ein Beschäfti-gungssektor, er ist ein Innovationstreiber. Ich habedie große Befürchtung, wenn wir diesen Konflikt er-neut eingehen, dass Investition und Innovationnicht vorankommen. Ich glaube, das sollten wir uns

    nicht leisten. Deswegen sollten wir uns eines leis-ten, in der Energiepolitik über Parteigrenzen hinwegdas zu suchen, was uns verbindet, und Klarheit zuschaffen, was wir langfristig wollen aus Verantwor-tung für Deutschland, aus Verantwortung für Thü-ringen und für mehr Zukunftssicherheit. HerzlichenDank.