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Thüringer Landtag5. Wahlperiode
Plenarprotokoll 5/3510.11.2010
35. Sitzung
Mittwoch, den 10.11.2010
Erfurt, Plenarsaal
Vor Eintritt in die Tagesord-nung
Blechschmidt, DIE LINKE 2949,Dr. Pidde, SPD 2949,
a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN zum Thema: "Konse-quenzen aus der Verlängerungder Laufzeiten für Atomkraft-werke für Thüringen"
2950,
Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1743 -
Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2950,Worm, CDU 2951,Kummer, DIE LINKE 2952,Weber, SPD 2954,Barth, FDP 2954, 2956,
2958,Staschewski, Staatssekretär 2956,Dr. Schöning, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei 2958,Gentzel, SPD 2959,
b) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: "Voraussichtliche Erhö-hungen der Grund- und Gewer-besteuer aufgrund der vomLand angenommenen fiktivenSteuerhebesätze"
2959,
Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1756 -
Bergner, FDP 2959,Fiedler, CDU 2960,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2961,Kuschel, DIE LINKE 2962, 2965,Hey, SPD 2963,Recknagel, FDP 2964,Prof. Dr. Huber, Innenminister 2965,
Aktuelle Stunde auf Antrag derFraktionen der CDU und derSPD zum Thema: "Erdfall inSchmalkalden"
2966,
Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1768 -
Primas, CDU 2966,Weber, SPD 2966,Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2967,Hellmann, DIE LINKE 2968,Barth, FDP 2969,Baumann, SPD 2970,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 2970,Kummer, DIE LINKE 2971,
d) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion DIE LINKE zumThema: "Problematische Situa-tion an Thüringer Grundschul-horten"
2972,
Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1770 -
Aussprache
Sojka, DIE LINKE 2973, 2974,2974, 2979,
Kowalleck, CDU 2974,Koppe, FDP 2975,Metz, SPD 2976,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2976,Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2977, 2980,
Wahl einer neuen Schriftführe-rin
2980,
2942 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010
Wahlvorschlag der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/1769 -
Die Abgeordnete Berninger (DIE LINKE) wird als Schriftführerin ge-wählt.
Fragestunde 2980,
a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Korschewsky (DIE LINKE)Besucherlenkung „Hämmerer Ebene“- Drucksache 5/1609 -
2981,
wird von Staatssekretär Staschewsky beantwortet.
Korschewsky, DIE LINKE 2981,Staschewski, Staatssekretär 2981,
b) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Schubert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Verwendung von Haldenmaterial aus dem Uranbergbau zu Bauzwecken- Drucksache 5/1660 -
2981,
wird von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet. Zusatzfrage.
Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2981, 2983,2983,
Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2982, 2983,2983,
c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Weitere Untersuchungen zum alpinen Wintersportgebiet „Schneekopf“?- Drucksache 5/1676 -
2983,
wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.
Kuschel, DIE LINKE 2983, 2984,2984,
Staschewski, Staatssekretär 2983, 2984,2984, 2984,
Kummer, DIE LINKE 2984,
d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hennig (DIE LINKE)Entwicklungsplanung und personelle Ausstattung der Thüringer Berufsakademien- Drucksache 5/1701 -
2984,
wird von Staatssekretär Prof. Dr. Deufel beantwortet. Zusatzfrage.
Hennig, DIE LINKE 2984, 2985,Prof. Dr. Deufel, Staatssekretär 2985, 2985,
e) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE)Einrichtung eines Landesintegrationsbeirats- Drucksache 5/1705 -
2985,
wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet.
Berninger, DIE LINKE 2985,
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2943
Prof. Dr. Huber, Innenminister 2986,
f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt (DIE LINKE)Verwaltungsaufwand im Rahmen der Förderung der kommunalpolitischen Foren, derparteinahen Stiftungen sowie des Rings der politischen Jugend- Drucksache 5/1718 -
2986,
wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.
Blechschmidt, DIE LINKE 2986, 2987,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2986, 2987,
2987, 2987,Kuschel, DIE LINKE 2987, 2987,
g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Untermann (FDP)Rastanalgen, Park- und Stellflächen an der A 71- Drucksache 5/1742 -
2987,
wird von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet. Zusatzfragen.
Untermann, FDP 2987, 2988,Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2988, 2989,
2989,Barth, FDP 2989,
h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Meyer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vorlage des Subventionsberichts- Drucksache 5/1746 -
2989,
wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.
Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2989, 2990,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2989, 2989,
2990, 2990, 2990,Kuschel, DIE LINKE 2989, 2990,
i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Barth (FDP)Tourismuskonzept der Stadt Steinach- Drucksache 5/1752 -
2990,
wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.
Barth, FDP 2990, 2991,Staschewski, Staatssekretär 2990, 2991,
2991, 2991,Recknagel, FDP 2991, 2991,
j) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerich (FDP)Innovationspreis Thüringen- Drucksache 5/1764 -
2991,
wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.
Kemmerich, FDP 2991, 2992,2992,
Staschewski, Staatssekretär 2992, 2992,2992, 2992,
2944 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010
Barth, FDP 2992, 2992,2992,
k) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sedlacik (DIE LINKE)Förderung von Messen zur Berufsorientierung in Thüringen- Drucksache 5/1772 -
2993,
wird von Abgeordneter Renner vorgetragen und von Staatssekretär Staschewskibeantwortet.
Renner, DIE LINKE 2993,Staschewski, Staatssekretär 2993,
l) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner (DIE LINKE)30 Prozent in sechs Wochen oder woher kommen die Millionen?- Drucksache 5/1775 -
2993,
wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.
Renner, DIE LINKE 2994, 2994,2995,
Prof. Dr. Huber, Innenminister 2994, 2994,2995, 2995, 2995,
Hauboldt, DIE LINKE 2995, 2995,2995,
m) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Recknagel (FDP)Mehreinnahmen aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung- Drucksache 5/1776 -
2995,
wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.
Recknagel, FDP 2995, 2996,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2995, 2996,
2996,Kuschel, DIE LINKE 2996,
n) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schröter (CDU)Zugänglichkeit der Region über den Leipzig-Altenburg-Airport- Drucksache 5/1777 -
2996,
wird von Minister Carius beantwortet. Zusatzfragen.
Schröter, CDU 2996, 2997,2997,
Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr 2996, 2997,2997, 2997, 2998,
Barth, FDP 2997,Dr. Lukin, DIE LINKE 2997,
o) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Augsten (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Konsequenzen aus der UN-Naturschutzkonferenz in Nagoya für Thüringen- Drucksache 5/1780 -
2998,
wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.
Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2998, 2999,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 2998, 2999,
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2945
p) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Wolf (DIE LINKE)Fördermittel für die Wartburgauffahrt- Drucksache 5/1781 -
2999,
wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.
Wolf, DIE LINKE 2999, 3000,Staschewski, Staatssekretär 2999, 3000,
q) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bergner (FDP)Vorfälle im Rahmen einer Demonstration des Anti-Atom-Forums Weimar- Drucksache 5/1782 -
3000,
wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.
Bergner, FDP 3000,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3000, 3001,
3001,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3001,Barth, FDP 3001,
r) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)130.000 € Lottomittel im Wartburgkreis- Drucksache 5/1678 -
3001,
wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.
Kuschel, DIE LINKE 3002, 3002,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 3002, 3002,
s) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hennig (DIE LINKE)Entwicklung der betrieblichen Ausbildung im Freistaat Thüringen- Drucksache 5/1771 -
3002,
wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.
Hennig, DIE LINKE 3002, 3004,Staschewski, Staatssekretär 3003, 3004,
t) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE)Abschiebung einer iranischen Familie- Drucksache 5/1778 -
3005,
wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.
Berninger, DIE LINKE 3005, 3005,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3005, 3005,
3006, 3006, 3006,Wolf, DIE LINKE 3006,Kuschel, DIE LINKE 3006,
u) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Ausbau der Straße „Pennickental“ in Jena-Wöllnitz- Drucksache 5/1709 -
3006,
wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.
2946 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010
Kuschel, DIE LINKE 3006, 3007,3007, 3007,
Prof. Dr. Huber, Innenminister 3006, 3007,3008,
Dr. Lukin, DIE LINKE 3007,
Thüringer Gesetz zur freiwilli-gen Neugliederung kreisange-höriger Gemeinden im Jahr2010
3008,
Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1089 -dazu: Beschlussempfehlung des
Innenausschusses- Drucksache 5/1585 -
ZWEITE BERATUNG
Die beantragte erneute Überweisung des Gesetzentwurfs an den In-nenausschuss wird abgelehnt.
Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Gesetzentwurfwird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlungin ZWEITER BERATUNG sowie in der Schlussabstimmung jeweilsangenommen.
Holbe, CDU 3008,Fiedler, CDU 3008, 3012,Kuschel, DIE LINKE 3009,Hey, SPD 3009,Bergner, FDP 3010,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3011,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3011,
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2947
Anwesenheit der Abgeordneten:
Fraktion der CDU:
Bergemann, Carius, Diezel, Emde, Fiedler, Grob, Günther, Gumprecht,Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Krauße, Lehmann,Lieberknecht, Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schröter,Tasch, Dr. Voigt, Walsmann, Wetzel, Worm, Wucherpfennig, Dr. Zeh
Fraktion DIE LINKE:
Bärwolff, Berninger, Blechschmidt, Enders, Hauboldt, Hausold, Hellmann,Hennig, Huster, Jung, Keller, Dr. Klaubert, König, Korschewsky, Kubitzki,Kummer, Kuschel, Leukefeld, Dr. Lukin, Ramelow, Renner, Sedlacik, Sojka,Stange, Wolf
Fraktion der SPD:
Baumann, Döring, Doht, Eckardt, Gentzel, Dr. Hartung, Hey, Höhn, Kanis,Künast, Lemb, Marx, Matschie, Metz, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Taubert,Weber
Fraktion der FDP:
Barth, Bergner, Kemmerich, Koppe, Recknagel, Untermann
Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:
Adams, Dr. Augsten, Meyer, Rothe-Beinlich, Schubert, Siegesmund
Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:
Ministerpräsidentin Lieberknecht, die Minister Carius, Prof. Dr. Huber,Matschie, Dr. Poppenhäger, Reinholz, Dr. Schöning, Taubert, Walsmann
2948 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010
Beginn: 14.02 Uhr
Präsidentin Diezel:
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unse-rer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, dieich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Zuschauerauf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnenund Vertreter der Medien. Besonders herzlich be-grüße ich Frau Ben-Chorin, die anlässlich der 18.israelisch-jüdischen Kulturtage hier in Erfurt weilt.Herzlich willkommen hier im Thüringer Landtag!
(Beifall im Hause)
Als Schriftführer hat neben mir Platz genommenHerr Abgeordneter Meyer. Die Rednerliste führt dieFrau Abgeordnete König.
Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigtFrau Vizepräsidentin Hitzing, Herr Abgeordnetervon der Krone und Herr Minister Machnig.
Folgende allgemeine Hinweise: Der Landessport-bund hat uns für heute zu einem parlamentarischenAbend in der Leichtathletikhalle eingeladen, dernach dem Ende der Plenarsitzung beginnen soll.
Hinweise zur Tagesordnung:
Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekom-men, den Tagesordnungspunkt 47, Wahl einer neu-en Schriftführerin, nach der Aktuellen Stunde aufzu-rufen und gegebenenfalls heute eine zweite Frage-stunde durchzuführen und eventuell weitere zusätz-liche Tagesordnungspunkte aufzurufen. Der Ältes-tenrat ist übereingekommen, dass nach 19.00 Uhrkein weiterer Aufruf erfolgt. Morgen wird der letzteTagesordnungspunkt 23.30 Uhr aufgerufen.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur in TOP 2 hat dieDrucksachennummer 5/1783.
Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur in TOP 3 hat dieDrucksachennummer 5/1784.
Die Beschlussempfehlung des Innenausschusseszu TOP 18 hat die Drucksachennummer 5/1788.
Zu TOP 48, Fragestunde, kommen die MündlichenAnfragen in den Drucksachen 5/1764, 5/1771, 5/1772, 5/1775 bis 5/1778 und 5/1780 bis 5/1782 hin-zu. Die Abgeordneten Hauboldt und Adams habenihre Mündlichen Anfragen in den Drucksachen 5/1725 und 5/1779 in Kleine Anfragen umgewandelt.
Die Landesregierung hatte bereits für die letztenPlenarsitzungen angekündigt, zu den Tagesord-nungspunkten 11 b, 19, 20, 21, 22, 26, 29, 31, 32,33 a, 34, 35, 36 und 37 von der Möglichkeit einesSofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 GO Gebrauchzu machen. Außerdem hat sie angekündigt, zu denTagesordnungspunkten 41, 42 und 44 von der
Möglichkeit des Sofortberichts Gebrauch zu ma-chen.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir habenim Ältestenrat abschließend beraten, dass wir dieTagesordnung in verkürzter Redezeit abarbeiten,außer die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 12.
Des Weiteren hat der Abgeordnete Fiedler um einepersönliche Erklärung nach § 33 gebeten, die wirheute am Ende der Sitzung aufrufen werden.
Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung?Bitte schön, Herr Blechschmidt.
Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:
Danke, Frau Präsidentin. Ich möchte zum Erstenentsprechend § 52 Abs. 4 Geschäftsordnung unse-ren Antrag in Tagesordnungspunkt 11 b - Drucksa-che 5/1533 - zurückziehen und zum Zweiten ent-sprechend § 22 Abs. 1 Geschäftsordnung den TOP44 - Drucksache 5/1761 - von dieser Tagesordnungabsetzen lassen.
Ich möchte in dem Zusammenhang noch daraufverweisen, dass wir eine Drucksache fristgerechteingereicht haben, über deren Aufnahme in die Ta-gesordnung wir auch abgestimmt haben wollen. DieDrucksachennummer ist mir jetzt nicht geläufig.
Präsidentin Diezel:
Danke schön. Gibt es weitere Anmerkungen? Bitteschön, Herr Pidde.
Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:
Frau Präsidentin, ich möchte beantragen, den Ge-setzentwurf der Landesregierung unter Tagesord-nungspunkt 8, Erstes Gesetz zur Änderung desThüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbes-serung der Integration von Menschen mit Behinde-rungen, in erster und zweiter Beratung, die zweiteBeratung dann gegebenenfalls am Freitag, durch-zuführen.
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank. Den Tagesordnungspunkt 11 b zu-rückziehen kann der Antragsteller ohne Abstim-mung. Wir kommen zur Abstimmung über den Vor-schlag, Tagesordnungspunkt 44 abzusetzen. Dazubrauchen wir die einfache Mehrheit. Wer damit ein-verstanden ist, dass wir diesen Tagesordnungs-punkt von der Tagesordnung absetzen, den bitteich um das Handzeichen. Danke schön. Gegen-stimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist dieser Ta-gesordnungspunkt einstimmig von der Tagesord-nung abgesetzt.
Als Nächstes kommen wir zur Aufnahme der Druck-sache 5/1762, Nein zum Neubau einer 380-kV-Lei-tung. Der Antrag ist fristgemäß eingegangen. Für
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2949
die Aufnahme wird die einfache Mehrheit benötigt.Gibt es einen Antrag auf Platzierung? Nein, dannist es am Ende der Tagesordnung. Dann ist der An-trag aufgenommen.
Es gibt den Antrag, TOP 8 in erster und zweiter Be-ratung zu behandeln und die zweite Beratung gege-benenfalls am Freitag durchzuführen. Wer damiteinverstanden ist, den bitte ich jetzt um sein Hand-zeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Gegen-stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieMehrheit erreicht für die erste und zweite Beratungvon TOP 8.
Gibt es weitere Anmerkungen? Ich sehe, das istnicht der Fall. Dann können wir nach der Tagesord-nung verfahren.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 49, AktuelleStunde. Alle Fraktionen haben eine Aktuelle Stundebeantragt, die Fraktionen der CDU und der SPDgemeinsam zu einem Thema. Die Zeit für die ein-zelnen Themen beträgt dreißig Minuten. Die Rede-zeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt.Die Redezeit für einen Beitrag beträgt maximal fünfMinuten.
Wir kommen zum ersten Teil der Aktuellen Stunde.
a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN zum Thema: "Konse-quenzen aus der Verlängerungder Laufzeiten für Atomkraft-werke für Thüringen"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1743 -
Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatsich Frau Anja Siegesmund zu Wort gemeldet.
Abgeordnete Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, ich habe fünf Minuten. Fünf Minuten gegenden Ausstieg aus dem Ausstieg. Ich habe fünf Mi-nuten, um Ihnen zu sagen und deutlich zu machen,warum uns der Ausstieg aus dem Ausstieg auch inThüringen etwas angeht.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Diese fünf Minuten will ich nutzen für fünf gute Ar-gumente, die vielleicht den einen oder die anderezum Nachdenken bringen. Mein erstes Argument,der Ausstieg aus dem Ausstieg stellt unsere Demo-kratie auf die Probe.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Sie haben es gesehen, allein am Wochenende wa-ren mehr als 50.000 Menschen gegen den Atom-Deal der Regierung unterwegs, darunter auch zahl-reiche Thüringerinnen und Thüringer. Viele Tausen-de haben sich im Anschluss daran trotz Kälte, trotzmassiver Polizeipräsenz gegen den Ausstieg ausdem Atomausstieg gewandt, haben protestiert, ha-ben zum Teil auch blockiert, friedlich. Es waren soviele wie nie zuvor und das geht auch uns hier et-was an,
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
wenn so viele Menschen gegen die Atomlobby aufdie Straße gehen. Es zeigt uns überdeutlich, dieBundesregierung kann ihre Atompläne zwar perGesetz verordnen, aber die überwiegende Ableh-nung der Gesellschaft bläst ihr umso kräftiger insGesicht, denn die Menschen durchschauen denfaulen Kompromiss, sie durchschauen die Luftbu-chungen der Brennelementesteuer, sie durch-schauen den Geheimvertrag der vier Energieriesenund sie durchschauen die Kurzsichtigkeit dieser ge-fährlichen Politik. Allein der Müll wird sich in dennächsten Jahren verdoppeln. Strahlender Müll, denkeiner von uns möchte. Und deswegen, sehr geehr-te Damen und Herren, gehen die Bürgerinnen undBürger auf die Straße. Sie gehen auf die Straße,weil sie wollen, dass nachhaltige Politik gemachtwird und eben nicht das, was jetzt gerade passiert.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Ich will diese erste Minute nutzen um zu sagen, die-ses Land muss sich im Bundesrat dafür stark ma-chen, diesem Spuk ein Ende zu setzen.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Wir haben ja das Bekenntnis gehört, bitte tun Siees auch. Diese Aufforderung möchte ich hier deut-lich machen.
Mein zweites Argument gegen den Ausstieg ausdem Ausstieg: Wir machen eine Rolle rückwärts beiden erneuerbaren Energien. Es kann sich hier jederhinstellen und sagen, wir wollen eine Energiewen-de, aber gehen Sie mal an verschiedene Universi-täten, gehen Sie an Fachhochschulen und fragenSie bitte nach, was es für die Studiengänge jeweilsheißt. Für die Studiengänge heißt das nämlich Fol-gendes: Wir haben auf der einen Seite eine Boom-branche erneuerbare Energien, wo jeder, der einenguten Abschluss hat, sofort „aufgesaugt wird“ undim Markt arbeiten kann. Auf der anderen Seite erle-ben Sie gerade - Beispiel FH Jena - einen massi-ven Einbruch beim Studiengang erneuerbare Ener-gien, weil Jugendliche verunsichert sind ob der Po-litik in Berlin. Ich sage Ihnen eins, das kann so nichtsein. Wir müssen hier etwas tun.
2950 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010
(Präsidentin Diezel)
http://www.parldok.thueringen.de/parldok/tcl/PDDocView.tcl?mode=get&LP=5&DokNum=1743&DokArt=Drs
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Mein drittes Argument gegen den Ausstieg ausdem Ausstieg: Stadtwerke und Kommunen werdengeschwächt. Allein unsere Bundestagsfraktion hatfast 800 Stadtwerke in der ganzen Bundesrepublikbefragt, was sind die Auswirkungen von Schwarz-Gelb? Was sind die Auswirkungen diesesAtomdeals? Die sagen Folgendes: Es wird wirt-schaftliche Auswirkungen geben, denn die regiona-le Wertschöpfung vor Ort wird geschwächt. Sie sa-gen zweitens, im Durchschnitt werden unsere In-vestitionen deutlich weniger wert sein, unsere In-vestitionen sind erneuerbare Energien. Ich sage Ih-nen, das, was die Stadtwerke uns an dieser Stellemit auf den Weg geben ist: Machen Sie diesenAusstieg aus dem Ausstieg rückgängig, denn nurso können auch wir erneuerbare Energien fördernund das geht auch uns in Thüringen etwas an.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Viertes Argument gegen den Ausstieg aus demAusstieg: Wer manchmal in Ostthüringen unter-wegs ist und das vielleicht auch vor 20 Jahre warund das heute noch tut, sieht, dass wir heute nochdarunter leiden, was auf den ehemaligen Stand-orten rund um Ronneburg und der Wismut passiertist. Die Altlastenentsorgung um Ronneburg ist nachwie vor im Gang, sie wird noch einige Jahre andau-ern. Wir haben ein echtes Problem, weil jenseitsder kartierten Flächen, um die sich die Wismutkümmert, weiterhin Altlasten schwelen, um die sichkeiner kümmert. Wir brauchen eine vernünftige Kar-tierung. Und spätestens - wer sich das mal an-schaut und sich mit kirchlichen Umweltgruppenoder anderen, die sich um Ronneburg kümmern,auseinandersetzt, wird hören, es ist kurzsichtig zumeinen, dass ein Atomkraftwerk von allein läuft unduns das in Thüringen nichts angeht. Viertes Argu-ment also: Blicken Sie nach Ronneburg und Sie se-hen, Thüringen geht dieser Ausstieg aus dem Aus-stieg etwas an.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Fünftens - Großquellentransporte auf ThüringensStraßen: Da haben wir eindrücklich vor zwei Mona-ten hier gehört, in dem einen Ministerium gibt esdazu keinen Vorgang, keinen Vorgang zu der Fra-ge, wie oft 2009 Kobalt 60 über Thüringens Straßengefahren ist. Keine Antwort auf die Frage, wie oft esjenseits davon gemacht wird, keine Antwort auf dieFrage, was ist denn jetzt, wenn die nächsten Trans-porte von Ahaus nach Polen geplant sind, über wel-che Straßen wollen die eigentlich. Ich frage Sie alsoernsthaft, wie kann man sich hier hinstellen undmeinen, das ginge uns in Thüringen nichts an? Ichfinde, das geht uns sehr wohl etwas an.
(Beifall DIE LINKE)
Es ist grob fahrlässig, so zu tun, als sei die Verlän-gerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke etwas,was in Berlin stattfindet und uns hier nicht tangiert.Das ist skandalös und ich bitte um eine ernsthafteDebatte darum, wie wir hier in Thüringen umsteu-ern wollen und was unser Beitrag aus Thüringenist, um umzusteuern.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsidentin Diezel:
Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.
Vielen Dank, Frau Siegesmund. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Worm von der CDU-Frak-tion.
Abgeordneter Worm, CDU:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Frau Siegesmund, nur kurz ein Zitat vonJürgen Trittin, als Rot-Grün in Verantwortung war:„Gegen diese Transporte sollten Grüne in keinerForm sitzend, stehend, singend, tanzend demon-strieren.“ Das war Jürgen Trittin original.
(Beifall FDP)
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Sehr geehrte Damen und Herren, vor gut 14 Tagen,am 28. Oktober, entschied der Bundestag in einerhoch emotionalen Debatte die Verlängerung derAKW-Laufzeiten um durchschnittlich 12 Jahre.Dass diese Entscheidung durchaus kontrovers dis-kutiert und gesehen wird, ist unstrittig, das merkenwir ja hier. Und wenn selbst BundestagspräsidentNorbert Lammert scharfe Kritik an Form und Inhaltder Gesetze zur Verlängerung der Laufzeiten undim Vorgehen der Bundesregierung in der Sacheübt, selbst dem gewählten Beratungsverfahren denVerdacht mangelnder Sorgfalt unterstellt, so ist dasdurchaus nachdenkenswert.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Auch die Art, wie der Atom-Deal
(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Daswar nur ein Deal?)
(Beifall DIE LINKE)
und die Verständigung der Bundesregierung mitden Energiekonzernen kommuniziert wurde, istauch alles andere als ideal zu bezeichnen.
Dass dies natürlich in erster Linie - diese Verlänge-rung der Laufzeit der AKW - eine Form ist, die auchder Protestbewegung neues Leben eingehauchthat, steht doch an dieser Stelle auch völlig außerFrage. Längere Laufzeiten bedeuten auch mehr
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2951
(Abg. Siegesmund)
Atommüll - völlig unstrittig. Ich will noch mal kurzdie Proteste in Gorleben beschreiben: Fast 20.000Polizisten sind beim Schutz des Castor-Transportszum Einsatz gekommen, dass der Polizeieinsatzäußerst schwierig und kräftezehrend war, dass diePolizisten oftmals bis an die Belastungsgrenze ge-fordert waren und auch 131 Polizisten im Einsatzverletzt wurden, das steht unter anderem als Bilanzdieses 12. Castor-Transports.
Ich denke und halte es für angemessen, allen Ein-satzkräften für ihr besonnenes und angemessenesHandeln während dieses Einsatzes zu danken.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Trotzdem sehen wir als CDU Fraktion die Kern-energie und deren Nutzung als einen derzeit not-wendigen Bestandteil eines zukünftigen Energiemi-xes. Die Energieversorgung in Deutschland bedarfeiner langfristigen tragfähigen Grundlage und darfnicht nur unter ideologischen Gesichtspunkten be-wertet werden.
(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Wohinmit dem Müll?)
Denn nicht nur in Thüringen erwarten Wirtschaftund Stromkunden Versorgungssicherheit und be-zahlbare Strompreise. Bei aller Begeisterung für er-neuerbare Energien, mir ist nicht bekannt, dassdurch die mittlerweile gut 18.000 Windkrafträder inDeutschland auch nur eines der herkömmlichenKohlekraftwerke vom Netz genommen werdenkonnte.
(Beifall FDP)
Das hat sicher was mit ihrer unstetigen Arbeitswei-se zu tun, aber auch mit den mangelnden Speicher-möglichkeiten für die erzeugte Energie.
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Weil Ihr nicht wollt.)
Diese Herausforderung - völlig klar - gilt es zu mei-stern. Deshalb bedarf es auch dieser Brückentech-nologie für einen gewissen Zeitraum. Außer Fragesteht jedoch der sukzessive Ausbau der erneuerba-ren Energien. Die Zielstellung ist uns hierbei allenbekannt. Warum allerdings die Bundesregierung -und hier auch noch mal Kritik - bei diesem Atom-kompromiss nicht über einen Fonds in Bezug aufdie Frage der Finanzierung eines Endlagers nach-gedacht hat, sondern auch zukünftig ein ganzesStück weit dem Steuerzahler diese Kosten aufbür-det, ist nicht nur für mich unklar.
Hinsichtlich der Konsequenzen der Laufzeitverlän-gerung für Thüringen kann gesagt werden, dassdiese Entscheidung nicht unbedingt auf Begeiste-rung bei den kommunalen Versorgern stößt. Inve-stitionsentscheidungen und Strategien werden der-zeit überdacht. Die finanziellen Auswirkungen fürden Freistaat sind differenziert zu betrachten. Kurz-
fristig könnte Thüringen durch die Möglichkeit derAnrechnung der Brennelementesteuer auf Körper-schafts- und Gewerbesteuer im Rahmen des Län-derfinanzausgleichs finanzielle Einbußen erleiden.Langfristig profitiert Thüringen durch die Gewinneder AKWs, die das Steueraufkommen auch im Rah-men des Länderfinanzausgleichs steigen lassenwerden.
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Für einen hoffentlich niemals eintretenden Störfalleines Kernkraftwerks in einem der benachbartenBundesländer steht nach meinem Kenntnisstandein Konzept der Landesregierung zur Verfügung,das im Ereignisfall insbesondere die Alarmierungund Information der Bevölkerung sowie die Logistikfür die Verteilung von Jodtabletten enthält.
Zum Abschluss empfehle ich bei diesem Thema imHinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlandsdurchaus auch immer gerne einen Blick auf denRest der Welt. Hier ist es offensichtlich, dass in Be-zug auf die Zahl der geplanten und der sich im Baubefindlichen neuen Atomkraftwerke eher alles aufeine Renaissance der Kernenergie hindeutet. Vie-len Dank.
(Beifall CDU)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Worm. Als Nächs-ter spricht der Abgeordnete Kummer von der Frak-tion DIE LINKE.
Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! HerrWorm, in der NVA hat man versucht, den Soldatenzu erklären, dass die Schutzanzüge, die es gab, voreinem Atomschlag geschützt hätten. Ähnlich ist dasmit den Sicherheitsvorkehrungen gegenüber ato-maren Unfällen in benachbarten Kernkraftwerken.Auch da wird uns nichts wirklich helfen, wenn esdenn passieren sollte.
Meine Damen und Herren, aus diesem Grund for-dert DIE LINKE seit Jahren den schnellstmöglichenAusstieg aus der Kernenergieerzeugung und dabeibleiben wir.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Die Aufkündigung des Atomausstieges durch dieLaufzeitverlängerung von der schwarz-gelben Bun-desregierung wird von uns kategorisch abgelehnt.
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
Wir sehen darin ein Versagen der Politik, ein Ein-knicken vor der Wirtschaft und ich will im Zusam-menhang mit den massiven Protesten gegen die
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(Abg. Worm)
Castor-Transporte, die glücklicherweise als ein Auf-begehren gegen dieses Versagen der Politik statt-gefunden haben,
(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)
eins sagen: Am Beispiel Gorleben wird uns heutenoch erzählt, dass dort ein sicheres Endlager mög-lich wäre.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Die Asse ist abgesoffen.)
Wenn ich an die Asse denke, Frau Rothe-Beinlich,dann zeigt sie deutlich, wie Sicherheitsversprechensich immer wieder als Lügen entpuppt haben unddass die Menschen das nicht mehr glauben wollen,das ist doch wohl nachvollziehbar.
(Beifall DIE LINKE)
Genauso sieht es aus mit der Sicherheit von Kern-kraftwerken.
Meine Damen und Herren, in Gorleben waren auchThüringer Polizisten im Einsatz. Für unsere Frak-tion möchte ich hier deutlich sagen: Wir wollenauch nicht mehr, dass Thüringer Polizisten zur Si-cherheit dieser Transporte herangezogen werden.Wir wollen den Ausstieg und dazu muss auch dieVermeidung solcher Transporte dienen und wir dür-fen das nicht unterstützen, auch nicht durch denEinsatz unseres Personals.
(Beifall DIE LINKE)
Meine Damen und Herren, ich möchte noch deut-lich machen, dass von den Kernkraftwerken, wenndie Laufzeitverlängerung so kommt, wie das dieBundesregierung im Auge hat, auch ein höheresRisiko ausgeht. Denn auch diese Anlagen unterlie-gen einem Verschleiß. Es gibt wissenschaftlicheStudien, die sich mit diesen Fragen beschäftigen.Die Gelder, die die Atomindustrie einplant, um dieSicherheit ihrer Kernkraftwerke auch entsprechendder Laufzeitverlängerung anzupassen, werden vondiesen Experten als deutlich zu wenig eingeschätztund hier gibt es massive Bedenken.
Ich will im Zusammenhang mit Unfällen noch malan Tschernobyl erinnern. Tschernobyl war weitweg. Trotzdem haben wir in Thüringen heute immernoch Nachwirkungen dieses Gaus zu verzeichnen.Es werden in Thüringen heute immer noch in vierRegionen Wildschweine untersucht, ob ihr Fleischradioaktiv belastet ist infolge von Starkregenereig-nissen nach Tschernobyl. Sie glauben doch nichternsthaft, dass wir irgendwelchen Katastrophenentgehen können, die in Deutschland stattfinden.Da wird es in Thüringen kein Leben mehr geben.
(Beifall DIE LINKE)
Wir hatten - das hat Frau Siegesmund vorhin ange-sprochen - in Thüringen auch Uranbergbau. Ich will
dort anknüpfen, was sie gesagt hat. Ich will aberauch noch eines dazu sagen. Die Gier nach Uranwird auch durch die Laufzeitverlängerung immergrößer. Wir haben in Thüringen noch bedeutendeLagerstätten. Es muss klar sein, dass diese Lager-stätten nicht mehr angefasst werden. In Thüringendarf es keinen Uranbergbau mehr geben.
(Beifall DIE LINKE)
Noch zu dem Punkt „Gefahr für den Ausbau dezen-traler und erneuerbarer Energien“. Wir haben hierin Thüringen viel erreicht. Darauf sind wir zu Rechtstolz. Wir haben einen guten Stand bei erneuerba-ren Energien und wir haben im Bundesdurchschnittgesehen eine überdurchschnittliche Versorgung mitFernwärme, eine überdurchschnittliche Dichte vonBlockheizkraftwerken, gerade durch unsere Stadt-werke.
(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer hatdas gemacht? Die CDU.)
Herr Mohring, ich will jetzt nicht sagen, dass Sie damal auf etwas Positives aus der DDR aufbauenkönnen, gerade was die dezentrale Energieversor-gung aus den Stadtwerken angeht. Die Großkon-zerne erhalten einen eindeutigen Konkurrenzvorteildurch die Laufzeitverlängerung durch die Atom-kraftwerke, weil die abgeschriebenen Kraftwerkenatürlich zu deutlich niedrigeren Preisen Strom an-bieten können. Deutlich niedrige Preise aber nurdeshalb, weil gesellschaftliche Folgekosten ver-nachlässigt werden bei der Preisgestaltung. Des-halb entsteht hier eine Konkurrenz zum Aufbauneuer, sinnvoller Energieerzeugung durch diesenAusstieg aus dem Ausstieg, die wir nicht zulassendürfen. Die Kostendiskussion, die gleichzeitig vonden Atomkonzernen betrieben wird, wo erneuerba-re Energien sukzessive madig gemacht werden, wojetzt schon wieder angeprangert wird, wie teuer derSolarstrom für den Kunden kommt, das ist eine ver-logene Diskussion, wenn man betrachtet, dass zumBeispiel die Polizeieinsätze, wie sie jetzt beim Ka-stortransport stattgefunden haben, vom Steuerzah-ler bezahlt werden, dass viele Fragen, viele Unsi-cherheiten in Bezug auf die Entsorgung auch demSteuerzahler angelastet werden. Dem müssen wirein Ende bereiten. Deshalb brauchen wir denschnellstmöglichen Ausstieg aus der Kernkraft.Danke.
(Beifall DIE LINKE)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Weber von der SPD-Frak-tion.
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(Abg. Kummer)
Abgeordneter Weber, SPD:
Frau Präsidentin, verehrte Gäste, liebe Kolleginnenund Kollegen! Herr Kollege Worm, das, was Sieeben ausgeführt haben, zeugt - entschuldigen Siebitte - nicht besonders von energiepolitischer Kom-petenz.
(Beifall DIE LINKE)
Wenn Sie von einer Renaissance der Kernenergiesprechen, dann lassen Sie die Fakten völlig außerAcht. Weltweit befinden sich derzeit 50 Atomkraft-werke im Bau - weltweit. Nach dem Statusberichtder Atomindustrie werden bis zum Jahr 2015 95und bis zum Jahr 2025 weitere 192 Kraftwerke vomNetz genommen. Das letzte Atomkraftwerk, was inden USA bestellt wurde, wurde 1972 in Auftrag ge-geben - wir reden über Watts Bar 2 - und das wirdvoraussichtlich 2012 nach 40 Jahren Bauphase fer-tiggestellt. Wer unter diesen Bedingungen von einerRenaissance der Kernkraft redet, der weiß nicht,was in der Welt passiert.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr verehrten Damen und Herren,
(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: …das sinddie Fakten.)
Erzählen Sie doch nichts von China. 50 AKW sindweltweit im Bau - 50 Atomkraftwerke, keines mehr -und es werden fast 300 von den insgesamt 483, diewir haben zurzeit, bis 2025 vom Netz genommenund 50 werden neu gebaut. Das ist ein Fakt. Werda von einer Renaissance redet, der weiß wirklichnicht, was passiert in der Welt. Aber es ist ein un-glaublicher Vorgang, dass ein gesellschaftlicherKonsens, wie er gefunden wurde von Rot-Grün in2001, der alle Gruppen - die Befürworter, diejeni-gen, die demonstriert haben, diejenigen, die Angsthatten vor dieser Technologie - unter einen Hut ge-bracht hat und gemeinsam diesen Kompromiss zu-stande gebracht hat, Kraftwerke in der Laufzeit zubegrenzen, dass dieser Konsens ohne Sinn, ohneNot, allein aufgrund von Lobbyinteressen aufgekün-digt worden ist. Völlig absurd, völlig absurd!
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Die Frage der Aktuellen Stunde ist die Auswirkun-gen für Thüringen. Es gibt eine Prüfung des Justiz-ministeriums in der Frage, ist der Bundesrat zu be-teiligen? Die Antwort ist ein klares Ja. Meines Er-achtens gibt es auch andere Ministerien, die sichdieser Position anschließen. Wir werden erwarten,was das Kabinett in dieser Frage ausführen wird.Es gibt also schon deshalb Auswirkungen, weil wirzu entscheiden haben, wie gehen wir mit dieserFrage um im Bundesrat. Darüber hinaus gibt esAuswirkungen in Thüringen, weil natürlich wir allebetroffen sind, wenn es zum atomaren Störfallkommt. Der macht ja nicht vor Thüringer Landes-
grenzen halt. Deswegen sind alle Thüringer auchbetroffen von den Auswirkungen einer gefährlichenTechnologie. Es sind unzählige zukünftige Genera-tionen davon betroffen, wenn wir sie jedes Jahr mit400 t mehr atomarem Müll belasten, 400 t jedesJahr der Laufzeitverlängerung werden mehr an ato-marem Müll erzeugt. Das belastet zukünftige Gene-rationen überall in Deutschland und auch in Thürin-gen. Aber auch wirtschaftlich ist der Freistaat be-troffen. Nach Angaben des Finanzministeriums feh-len im Landeshaushalt voraussichtlich 10 Mio. €durch die Beschlussfassung des Bundes. Es gibtdes Weiteren Verluste allein durch die Absetzbar-keit der Kernbrennstoffsteuer. Es gibt des WeiterenVerluste, die auf uns zukommen werden durch dieAnrechenbarkeit der Brennelementesteuer. Daswird weitere Löcher reißen, die kann man momen-tan noch nicht in Zahlen definieren, aber die wird esgeben. Hinzu kommen Verluste der Stadtwerke.Frau Kollegin Siegesmund hat es schon angespro-chen, in Jena sind es im Übrigen allein 3 Mio. €. InErfurt wird es eine ähnliche Dimension haben. Ichhabe vorhin die Möglichkeit gehabt, mit dem Ober-bürgermeister zu telefonieren, der hat mir das ander Stelle noch einmal bestätigt. Das heißt, dassind die Auswirkungen fiskalischer Art und es gibteine weitere Auswirkung; das ist nämlich die Aus-wirkung, die es hat auf den Thüringenstandort fürerneuerbare Energien. 6,6 Mrd. € Wertschöpfungim kommunalen Sektor kommen durch erneuerbareEnergien - 6,6 Mrd. €. Wir wissen, dass diese Poli-tik der Energietechnologie der Vergangenheit dieErneuerbaren bremst, es ist ein Bremsklotz am Fußder erneuerbaren Energien. Wir werden uns imAusschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologiemit einem entsprechenden Antrag zu befassen ha-ben. Es gibt eine klare Position der SPD-Fraktion,daran wird sich nichts ändern, da gibt es auch kei-nen Kompromiss. Thüringen wird auch keiner Lauf-zeitverlängerung zustimmen, wenn es zur Be-schlussfassung im Bundesrat kommt. HerzlichenDank.
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weber. Als Nächs-ter spricht der Abgeordnete Uwe Barth von derFDP-Fraktion.
Abgeordneter Barth, FDP:
Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen undKollegen, die Bundesregierung hat vor einigen Wo-chen ein Energiekonzept beschlossen, in dem zumersten Mal in der Geschichte dieser Republik zumeinen das strategische Ziel, nämlich des Umbaushin zu erneuerbaren Energien, mit dem langfristignotwendigen Ziel, nämlich des Erhaltens der Ver-
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sorgungssicherheit intelligent und strategisch ver-knüpft wird. 80 Prozent Anteil erneuerbare Ener-gien bis 2050,
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist ja ein Witz.)
80 Prozent Verringerung des CO2-Ausstoßes bis zudiesem Zeitpunkt und 50 Prozent Reduzierung desEnergieverbrauchs durch Erhöhung der Energieeffi-zienz, das sind klare Ziele, die in diesem Konzeptvereinbart sind. Dieser Landtag hat sich in einemAntrag der Koalitionsfraktionen und der FDP mitgroßer Mehrheit grundsätzlich auch zustimmend zudiesen Zielen geäußert.
(Beifall FDP)
Nun haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbe-sondere die GRÜNEN das Thema neu als parteipo-litisches Kampfthema entdeckt und beglücken unshier mit dieser Aktuellen Stunde. Ich will auf drei,vier Punkte eingehen, die hier in der Debatte ge-nannt worden sind.
Punkt 1 - die Frage der Sicherheit: Durch den soge-nannten Atomausstieg, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, der rot-grünen Bundesregierung sind in Wahr-heit seit dem Jahr 2001 wichtige Nachrüstungen imBereich der Sicherheit in den Atomkraftwerken aus-geblieben. Das hat Ihr eigener Experte bei einerAnhörung des Bundestags so zu Protokoll gege-ben, und das deshalb, weil Sie etwas getan habenbei Ihrem Ausstieg, was schlicht inakzeptabel ist,liebe Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben näm-lich politischen Gewinn gegen Sicherheit einge-tauscht.
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Wir?)
Weil Sie vorhin, Frau Siegesmund, hier von einemGeheimvertrag gesprochen haben, der für jedenzugänglich im Netz war - Sie meinten jetzt den ak-tuellen. Ich zitiere jetzt einmal aus einem wirklichenGeheimvertrag aus dem Jahr 2001, in dem es näm-lich im Zusammenhang
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das war doch vorher.)
mit dem rot-grünen Ausstieg heißt: „Während derRestlaufzeiten wird die Bundesregierung keine In-itiative ergreifen, um den Sicherheitsstandard zuändern.“ Dieses Papier trägt die Unterschrift vonGerhard Schröder und von Jürgen Trittin, der da-mals zuständiger Bundesumweltminister war, mei-ne sehr verehrten Damen und Herren.
(Beifall FDP)
Ich habe selbst mal Aufsicht gemacht und deshalbweiß ich, dass das schlicht amtspflichtwidrig ist,wenn man dem Adressaten einer Aufsicht zusi-chert, dass man die Anforderungen nicht ändern
wird. Das darf man nicht tun, wenn man zuständigund verantwortlich ist für
(Beifall FDP)
Aufsicht und Sicherheit, und Sie haben das in ei-nem Geheimvertrag getan.
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das müssen Sie vollständig er-zählen.)
Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, aber dasmüssen Sie sich, liebe Kollegen, an dieser Stelleschon mal anhören.
Punkt 2 - das Thema Endlager: In Wahrheit, liebeKolleginnen und Kollegen, ist die Endlagerfrage of-fen, das wissen alle, aber es hat auch in den elfJahren zwischen 1998 und 2009, als rote und grü-ne Umweltminister im Bund regiert haben, in Wahr-heit keinen einzigen Schritt in Richtung Lösung die-ses Problems gegeben.
(Beifall FDP)
Kollege Worm hat vorhin einmal vorgetragen, wasHerr Trittin, als er Verantwortung hatte, an Kreisver-bände der GRÜNEN geschrieben hat. Ihre Vorsit-zende Frau Roth ist vor wenigen Jahren noch vorKameras und Demonstranten davongelaufen, imLaufschritt geflohen, als die etwas von ihr wollten,zu der Zeit, als Sie nämlich Verantwortung trug.
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
(Beifall FDP)
Heute setzen Sie sich gemeinsam mit den Demon-stranten dorthin. Liebe Kolleginnen und Kollegen,das ist unglaubwürdig wie nur etwas.
(Beifall FDP)
Man kann ja gegen Kernenergie sein, man kannKernenergie ablehnen, aber man kann nicht igno-rieren, meine liebe Kollegen, dass sie seit 40 Jah-ren in diesem Land betrieben wird und dass des-halb natürlich die Endlagerfrage gelöst werdenmuss. Wer sie so sträflich vernachlässigt und aufdie lange Bank schiebt wie Sie, macht sich un-glaubwürdig, wenn er sich heute mit den Demon-stranten dort an eine Stelle setzt, liebe Kollegen.
(Beifall FDP)
(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Sie müssen es ja wissen,Herr Barth.)
Der 3. Punkt ist die Frage des Umbaus zu den er-neuerbaren Energien: Erstmalig, liebe Kollegen,werden mit dem Energiekonzept der Bundesregie-rung auch die Atomkonzerne, wie Sie sie immernennen, an den Kosten beteiligt für den Umbau zuden erneuerbaren Energien.
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2955
(Abg. Barth)
(Beifall FDP)
Ich lese Ihnen noch einmal vor aus dem ebenschon zitierten Vertrag, was Sie mit den Konzernendamals vereinbart haben - Gerhard Schröder undJürgen Trittin -,
(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ach Sie!)
da heißt es: „Die Bundesregierung wird keine Initia-tive ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergiedurch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird.Dies gilt auch für das Steuerrecht.“ Das heißt, Siehaben den Damen und Herren von den von Ihnenso gescholtenen Atomkonzernen den Status quo,auch den finanziellen, gesichert und haben ihnengesagt, ihr könnt eure Gewinne weiter einstreichen.Wir, die Bundesregierung aus
(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
FDP und CDU, sind es, die die Konzerne jetzt amUmbau zu den erneuerbaren Energien beteiligt, diedafür sorgt, dass Gewinnbeteiligungen genutzt wer-den für den notwendigen Netzumbau, für die Frageauch der Forschung gerade zu Speichertechnologi-en und vielem anderen mehr.
In der Konsequenz, liebe Kolleginnen und Kollegen,egal ob man Kernenergie für ein notwendiges Übeloder für eine Übergangstechnologie hält, bleibt fest-zuhalten, dass auch für Thüringen wie für alle an-deren deutschen Länder gilt, die Frage der Sicher-heit ist genauso relevant, ob in Philippsburg es zueinem Störfall kommt, in Temelin oder in Cattenom.Wir werden in die Sicherheit bei Notwendigkeit neuinvestieren. Die Endlagerfrage wird angegangen.
Präsidentin Diezel:
Herr Abgeordneter!
Abgeordneter Barth, FDP:
Ich bin bei meinem letzten Satz, Frau Präsidentin.Die Beteilung der Konzerne an den Kosten desUmbaus ist gesichert. Damit ist das klare Ziel, hinzu erneuerbaren Energien, endlich in greifbare Nä-he gerückt. Vielen Dank.
(Beifall FDP)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitereWortmeldungen von Abgeordneten? Liegen mirnicht vor. Möchte die Landesregierung sprechen?Bitte sehr, Herr Staatssekretär Staschewski.
Staschewski, Staatssekretär:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, ich bin schon etwas überrascht,wie unterschiedlich doch die Blickweise sein kann
auf dieses Thema. Herr Abgeordneter Barth, Siehaben in Ihrer Aufzählung Schweinfurt, Grafen-rheinfeld vergessen. Das ist hier sehr nahe an Thü-ringen dran.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Ich habe mal in Schweinfurt gewohnt und habe mitBlick aus dem Zimmer immer auf dieses Werk ge-schaut. Da ist einem nicht immer wohl zumute.
Ich danke für die Beantragung dieser AktuellenStunde. Es ist wichtig, dass wir uns damit ausein-andersetzen. Die Frage nach den Auswirkungensteht hier im Mittelpunkt für Thüringen, die Auswir-kungen der Laufzeitverlängerungen von Atomkraft-werken. Ich denke, diese Frage ist durchaus be-rechtigt. Denn die Auswirkungen gibt es, sie gibt esfür unsere Umwelt, sie gibt es für unsere Wirtschaft,es gibt Auswirkungen für unsere Energiesicherheit,für unsere Stadtwerke, für unsere nachfolgendenGenerationen, für Thüringen.
Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie michanfangs auch in Richtung Frau Siegesmund nocheinmal kurz sagen: Im Vorfeld gab es ja auch dieeine oder andere Debatte, wer sich wie zu verhal-ten hätte oder gehabt hätte in den Tagen im Rah-men zu diesem Thema. Ich glaube, die Meinungenund die Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums,insbesondere auch des Ministers, zu dem Thema„erneuerbare Energien“ oder „Greentec“ sind be-kannt, landes-, bundesweit und auch internationalübrigens anerkannt.
Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung: Manchmalscheint es so, dass es hier einen Wettbewerb umdie Ideen geben sollte. Das ist manchmal ganz gut,aber man darf auch nicht neidisch sein, wenn dasWirtschaftsministerium
(Beifall SPD)
manchmal so ein bis zwei Schritte voraus ist.
Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte einBild aufnehmen, das Uwe Höhn benutzt hat unddas, glaube ich, hier in diese Situation sehr gut her-einpasst. Uwe Höhn, der Fraktionsvorsitzende derSPD, hat vor Kurzem gesagt, die Große Koalitionist wie eine Ehe. Da muss man Probleme lösen, dieman allein gar nicht hätte. In dieser Situation, findeich, sind wir hier so ein bisschen bei dem ThemaAtomausstieg und der Frage, ob die Bundesländeran der Entscheidung zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten beteiligt werden müssen.
Unser Justizminister hat eine klare Meinung dazu.Er ist nach der Auswertung verschiedener Gutach-ten zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei einer ent-sprechenden Änderung des Atomgesetzes der Zu-stimmung des Bundesrats bedarf. Das deckt sichübrigens sowohl mit der Auffassung einiger andererBundesländer als auch mit der Mehrzahl der Gut-achten für das Bundesumweltministerium und die
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(Abg. Barth)
Länder, darunter auch Schleswig-Holstein. Was ichheute auch nicht verschweigen möchte: Es gibt ei-ne klare Beschlussfassung im Justizausschuss desBundesrates, der dies auch so sieht.
Kommen wir also zu den Konsequenzen der Lauf-zeitverlängerung der AKW, die für mich eine veral-tete Technologie ist, deren Blaupausen übrigens -das ist heute auch schon in einem Redebeitrag an-geklungen - aus den 60er- und 70er-Jahren stam-men. Meine Damen und Herren, das war die Zeit, inder sehr tollkühne Männer mit Kisten zum Mond ge-flogen sind, die vom TÜV heute nicht mal mehr alsKirmesbelustigung zugelassen werden würden.
(Beifall SPD)
Ganz klar, das Festhalten steht uns beim Weg in ei-ne wettbewerbsfähige wirtschaftliche Zukunft - wervon den Leitmärkten der Zukunft profitieren möchte,muss jetzt die Weichen für erneuerbare Energienstellen. Das ist das Credo unseres Hauses. DieKonkurrenz schläft nicht. Die neuen ökologischenTechnologie- und Produktionscluster bilden sichjetzt und nicht erst in 10 Jahren, Herr Barth, aus.
Was sind die ganz konkreten und direkten Auswir-kungen einer Laufzeitverlängerung? Es ist zu be-fürchten, dass die Pläne der Thüringer Landesre-gierung dadurch gefährdet werden. Ich zitiere ein-mal unseren Koalitionsvertrag,
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das wäre ei-ne Idee.)
ein sehr guter Koalitionsvertrag, ein sehr guter Parthieraus: „Eine dauerhafte und sichere und bezahl-bare Energieversorgung gehört zu den wichtigstenZukunftsthemen unserer Zeit. Energie ist der Motorunserer Wirtschaft und die Grundvoraussetzung fürWohlstand und Lebensqualität.“ Ich weiß nicht, obSie da anderer Meinung sind, ich glaube, aber an-sonsten gibt es darüber einen gesellschaftlichenKonsens. So steht es in der Koalitionsvereinbarung.Die Laufzeitverlängerung stellt einen erheblichenEingriff in den Wettbewerb auf dem deutschenStrommarkt dar. Durch diese Laufzeitverlängerung- und das konnten wir nicht nur in einschlägigen Pu-blikationen lesen, das können Sie überall nachle-sen und nachrechnen - wird den AKW-Betreibernein fetter Zusatzgewinn verschafft. Diese Zementie-rung der Marktstrukturen hat sowohl das Bundes-kartellamt als übrigens auch der Vorsitzende derMonopolkommission bemängelt. Die Annahme,dass die Laufzeitverlängerung automatisch zu nied-rigen Strompreisen führt, widerspricht auch allenbisherigen Erfahrungen, denn dann müsste derStrompreis bei Weitem wesentlich günstiger sein.
(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die zeigen vielmehr, dass die niedrigen Stroment-stehungskosten für Atomstrom gerade nicht an denVerbraucher weitergegeben wurden. Der einstmals
vereinbarte Ausstieg aus der Kernenergienutzunghat neue Marktlücken und Chancen auch für kleine-re Energieversorgungsunternehmen eröffnet. Gera-de auch viele Stadtwerke - Sie sind ja auch aus Je-na - haben ihre Investitionen und Investitionspla-nungen seit Jahren auf der Planungsgrundlage desAtomausstiegs vorgenommen. Die Investitionen,die im Vertrauen auf den Ausstieg getätigt wurden,sind jetzt durch die Laufzeitverlängerung entwertet.Aber nicht nur bereits erfolgte Investitionen derkommunalen Unternehmen sind betroffen, sondernauch künftige Investitionen von kommunalen Unter-nehmen. Diese werden nun auf den Prüfstand ge-stellt, weil sie sich angesichts des günstigen Atom-stroms möglicherweise nicht mehr rentieren. NachAussage des Verbandes kommunaler Unterneh-men befinden sich bei den kommunalen Unterneh-men derzeit Kraftwerkskapazitäten von 8.500 MWmit einem Investitionsvolumen von ca. 12,5 Mrd. €im Bau, im Genehmigungsverfahren oder in Pla-nung. Durch die Laufzeitverlängerungen werdennun vor allem die in Planung befindlichen Kapazitä-ten in Höhe von 5.000 MW mit einem Investitions-volumen von 6 Mrd. € infrage gestellt. Die Konse-quenzen treffen natürlich auch Thüringen; bereitsdie Veränderungen beim EEG hatten entsprechen-de Auswirkungen gezeigt. In Thüringen haben sichrund 50 Firmen als Produzenten, Ausrüster oderZulieferer der Solarbranche mit über 5.000 Mitar-beitern angesiedelt und vor allem die Regionen umErfurt, Jena und Ilmenau haben sich zu Spitzenre-gionen innerhalb des Solarvalley Mitteldeutschlandentwickelt. Keine weitere deutsche Region verfügtüber eine solche Dichte an Solarunternehmen. Esist davon auszugehen, dass die AKW-Laufzeitver-längerung auch Konsequenzen für diese Firmenund ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habenwird.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ähnlich wiedie Absenkung.)
Ähnlich wie die Absenkung. Es gibt bereits Unter-nehmen, die entsprechende Konsequenzen darausziehen und leider Gottes auch darüber nachdenkenmüssen, inwieweit sie die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter halten können. Da gibt es auch bereits Ge-spräche mit dem Wirtschaftsministerium. Das kannich Ihnen nicht anders sagen. Auch das hat schonKonsequenzen, Herr Barth. Das ist nicht geradewirtschaftsfreundliche Politik,
(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)
denn die Betreiber der Kernkraftwerke dürften vor-erst ein geringeres Interesse am Ausbau der erneu-erbaren Stromerzeugung und der entsprechendenUmstrukturierung des Stromnetzes haben. Denn jestärker der Ausbau - das wissen Sie alle genau -der Erneuerbaren, desto mehr wird die Wirklichkeitvon Grundlastkraftwerken beeinflusst. Das ist doch
Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2957
(Staatssekretär Staschewski)
in der Fachwelt unumstritten. Kernkraftwerke sindnicht der geeignete Partner der Erneuerbaren, mei-ne Damen und Herren. Mit einem zunehmendenAnteil der Erneuerbaren steigt nämlich der Bedarfan Flexibilität im konventionellen Kraftwerkspark. Jegrößer die Erzeugungskapazitäten der erneuerba-ren Energien und ihr Anteil an der Stromproduktionwerden, desto weniger werden die klassischenGrundlastkraftwerke benötigt. Zuzeiten hoher Ein-speisung von Strom aus erneuerbaren müssten dieKernkraftwerke komplett heruntergefahren werden;dass das nicht geht, wissen wir alle.
Lassen Sie mich abschließend noch einmal aufeinen Punkt kommen, der jenseits aller energiewirt-schaftlichen und energietechnischen Abwägungenist. Es geht in der Politik meistens und oftmals umVerlässlichkeit im politischen Handeln. Es ist in derDiskussion in diesem Hause schon öfter angespro-chen worden - in den letzten Sitzungen, aber auchschon in dieser -, wenn bestehende Verträge, diefür lange Zeit geschlossen wurden, nicht erfüllt wer-den und damit das Vertrauen derer, die auf denFortbestand dieser Verträge gesetzt haben, miss-achtet wurde, dann geht es auch immer um die Fra-ge von Verlässlichkeit in der Politik. Wir brauchenaber Verlässlichkeit in der gemeinsamen Arbeit. Ichdanke Ihnen vielmals.
(Beifall SPD)
Präsidentin Diezel:
Danke schön. Ich sehe eine weitere Wortmeldungaus der Landesregierung. Herr Minister Schöning,bitte.
Dr. Schöning, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei:
Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, ich dankezunächst dem Kollegen Staschewski für seinen in-haltlichen Beitrag. Sie kennen ja das bekannteSprichwort: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Ichmöchte es etwas umwandeln: „Wer A hört, sollteauch B hören.“
(Beifall CDU, FDP)
Das ist in einer Großen Koalition auch nichts Unge-wöhnliches und es gibt auch überhaupt keinen Stofffür Schlagzeilen, dass wir einmal wieder zerstrittensind. Sondern ich möchte nur darauf hinweisen,dass das Kabinett übereingekommen ist, dass wiruns mit diesem Thema am 23. November ausein-andersetzen und dabei im Rahmen der Vorberei-tung der Bundesratssitzung, die am 26. Novemberstattfindet, unsere Position festlegen. Es ist in demGesetz, das der Bundestag am 28. September aufAntrag der CDU/CSU und der FDP verabschiedethat, es ist diesem Gesetzesantrag selbst ganz klarzu entnehmen, dass das Gesetz nicht einer Zustim-
mungsbedürftigkeit durch den Bundesrat unterliegt.Ich sage aber auch - und das Parlament hat einenAnspruch, eine vollständige Information zu bekom-men -, das ist umstritten. Es gibt hier durchaus un-terschiedliche Positionen. Zunächst einmal ist diegrundsätzliche Frage, ob und inwieweit Gesetze,die ausschließlich die materiell-rechtlichen Rege-lungen des geltenden Atomgesetzes ändern - unddarum geht es hier -, ihrerseits der Zustimmung desBundesrates nach Artikel 97 c des Grundgesetzesbedürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat sichzu dieser Frage bisher noch nicht positioniert. Aberunter Staats- und Verfassungsrechtlern werden zudieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertre-ten, das ist bekannt. Ich will nur darauf hinweisen,dass etwa Prof. Dr. Rupert Scholz in seinem Gut-achten für das Bundesumweltministerium zu demErgebnis kommt, dass eine Zustimmungsbedürftig-keit nicht bestehe. Er weist insbesondere daraufhin, dass kein Eingriff in die organisatorische oderverfahrensrechtliche Verwaltungshoheit der Länderzu erkennen sei. Die quantitative Veränderung derauszuführenden Verwaltungsaufgaben der Länder,die mit der Verlängerung der Laufzeiten einherge-hen, auch sie führt zu keinem Zustimmungsrechtdes Bundesrates gemäß Artikel 87 c.
Ich will jetzt nicht weiter auf die Inhalte eingehenund verweise insoweit auf die Ausführungen desFraktionsvorsitzenden der FDP. Ich will hier nurdeutlich machen: Wenn die unterschiedlichen Posi-tionen im Kabinett am 23. November nicht zusam-mengeführt werden können, dann wird sich derFreistaat Thüringen am 26. November im Bundes-rat koalitionsbedingt enthalten.
(Beifall CDU, FDP)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank. Wir haben noch Redezeit. Bitte schön,Herr Abgeordneter Barth hatte signalisiert und derAbgeordnete Gentzel.
Abgeordneter Barth, FDP:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich will nur auf einpaar Punkte kurz reflektieren, die der Herr Staats-sekretär hier ausgeführt hat. Zum Thema Stadtwer-ke und Verlässlichkeit, Herr Staatssekretär: CDUund FDP haben, glaube ich, von Anfang an nieeinen Zweifel daran gelassen, was wir von derideologisch-motivierten Verkürzung der Laufzeiten -denn darum handelt es sich beim Ausstieg in Wahr-heit - gehalten haben. Wir haben, glaube ich, nieeinen Zweifel daran gelassen, dass wir, wenn wir inVerantwortung kommen, diesen Ausstieg wiederrückgängig machen, wenn es einen Weg dazu gibt.Das haben wir getan. Wir sind trotzdem oder viel-leicht gerade deshalb gewählt worden und erwei-sen uns insofern, glaube ich, schon als verlässlich.Für die Stadtwerke gilt wie für jeden anderen Ener-
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(Staatssekretär Staschewski)
gieversorger auch, dass es bei Nutzung von erneu-erbaren Energien natürlich einen Einspeisevorrang,bei Nutzung von fossilen Energieträgern dieseneben nicht gibt. Das wussten auch die Stadtwerke,auch das gehört zur Frage der Verlässlichkeit.
Ach, und weil Sie bei der Grundlastgeschichte nochgewesen sind - natürlich, Sie wissen mindestens sogut wie ich, das unterstelle ich einfach mal, dass wirzum Beispiel bei der Windenergie einen Anteil ander installierten Leistung in Deutschland von fast 20Prozent haben, die Windenergie aber gerade ein-mal etwas über 5 Prozent am tatsächlichen Ener-gieaufkommen liefert. Das zeigt das Problem, wiegroß die Spanne zwischen installierter Leistung undtatsächlich abrufbarer Leistung ist, deswegen brau-chen wir auch grundlastfähige Kraftwerke, zu de-nen im Moment die Kernenergie - zu der man un-terschiedlich stehen kann, das gebe ich alles zu -gehört.
(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär:Investitionen ins Netz.)
Kollege Weber, weil Sie hier dargelegt haben, weralles beteiligt worden ist 2001 bei dem Ausstieg,auch mit Blick auf die Ausführungen des Herrn Mi-nister Schöning von eben, Sie haben einen nicht er-wähnt, nämlich die Länder. Das haben Sie deshalbnicht getan, weil Sie so gut wissen wie fast alle an-deren hier im Raum, dass Rot-Grün damals auchdavon Abstand genommen hat, den Bundesrat zubeteiligen. Vielen Dank.
(Beifall CDU, FDP)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank. Wir haben Redezeit, Herr Abgeordne-ter Gentzel.
Abgeordneter Gentzel, SPD:
Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Schöning, ich musste jetzt einfach vor-kommen, weil die Frage Bundesratsbeteiligung istnatürlich ein Thema, was uns interessiert und wasauch sehr kontrovers diskutiert worden ist. Ich fin-de, bei Ihren Ausführungen hat einfach was gefehlt.Mir ist schon klar, dass es hier auf das Gutachtenvon Rupert Scholz zurückzielt, aber die Landesre-gierung hat doch einen hervorragenden Verfas-sungsrechtler in den eigenen Reihen.
(Zwischenruf Abgeordneter Barth, FDP:Noch!)
Das werden wir zum anderen Zeitpunkt sehen. Ichsage, wenn wir hier in Thüringen sind und die eige-ne Thüringer Position beschreiben, hielte ich es fürangebracht, dass die Position des Verfassungs-rechtlers im Kabinett auch mal zur Kenntnis gege-ben wird, dann wäre Ihr Diskussionsbeitrag voll-ständig gewesen. Danke.
(Beifall SPD)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, gibt es weitere Wortmeldungen? Ichsehe, das ist nicht der Fall, dann schließe ich dieAussprache zur ersten Aktuellen Stunde und rufeden zweiten Teil
b) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: "Voraussichtliche Erhö-hungen der Grund- und Gewer-besteuer aufgrund der vomLand angenommenen fiktivenSteuerhebesätze"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1756 -
Das Wort hat der Abgeordnete Bergner der FDP-Fraktion.
Abgeordneter Bergner, FDP:
Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrteGäste. Der Blick in die „Ostthüringer Zeitung“ hatdieser Tage folgenden Bericht, den ich mit Ihrer Er-laubnis zitieren möchte, gebracht: „Wie Bürger-meister Stephan Büttner, Freie Wähler, am Mittwo-chabend in der Einwohnerversammlung im OrtsteilWolfersdorf informierte, sei auch Berga angesichtsder Gesetzeslage zum Kommunalen Finanzaus-gleich gezwungen, den Hebesatz der GrundsteuerB von 300 auf 390 anzuheben und den Gewer-besteuerhebesatz von 330 auf 360 zu erhöhen. Bis-her hatten Stadtrat und Verwaltung hier eindeutigPosition bezogen und in jeder Haushaltsdebatteversichert, auch wenn es der Stadtkasse schlechtgeht, wir wollen die Steuern nicht erhöhen. Jetztdrücken Innenminister Peter Huber und die Landes-regierung bei den finanzschwachen Kommunen dieAnhebung eigener Einnahmen mittels Steuererhö-hung durch. Wer beim Hebesatz richtig hinlangt,bekommt keine Gelder mehr vom Freistaat, ge-schweige denn Überbrückungshilfen, die das klam-me Berga nun mal braucht.“
Meine Damen und Herren, landauf, landab habenwir derzeit genau die gleiche Diskussion. Es ist eineDiskussion, die sehr viel Verunsicherung und sehrviel Aufgeregtheit mit sich bringt. Wir müssen unshier vor Augen führen, was da gerade passiert. Mitder willkürlichen Festsetzung fiktiver Hebesätzewird hier sehr viel Unklarheit hereingebracht undauch sehr viel Verunsicherung aufseiten der Kom-munen. Bei der Ermittlung der Höhe der angemes-senen Finanzausstattung wird für die Gewerbesteu-er ein Mix aus dem Durchschnitt vom Bund mit 388Prozent und Sachsen mit 411 Prozent gebildet, um
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(Abg. Barth)
http://www.parldok.thueringen.de/parldok/tcl/PDDocView.tcl?mode=get&LP=5&DokNum=1756&DokArt=Drs
so auf 400 Prozent von vorher durchschnittlich 341Prozent zu kommen.
Ebenfalls auf der Bedarfsermittlungsseite, meineDamen und Herren, wird bei der Grundsteuer nichtmehr der Durchschnitt der Flächenländer Ost gebil-det, sondern nun der Bundesdurchschnitt. Dasheißt, es fließen die Hebesätze von Hamburg, Mün-chen, Köln und Stuttgart in den Vergleich mit Leu-tenberg, Berga und Rastenberg ein.
Das, meine Damen und Herren, ist in unseren Au-gen ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.
(Beifall FDP)
Und so kommt es, dass an dieser Stelle die Grund-steuer B von vorher 335 Prozent auf 400 Prozenterhöht wird, die Grundsteuer A von vorher 241 auf296 Prozent. Bei der Verteilung der Schlüsselmas-se gehen mit der Ermittlung der Steuerkraftmess-zahl die Nebelbomben weiter. Jetzt - unter Verwen-dung der Durchschnittswerte der Flächenländer Ost- wird die Grundsteuer A von 200 auf 271 Prozentgehoben, die Grundsteuer B von 300 auf 389 Pro-zent und bei der Gewerbesteuer von 300 auf 357.
Dieses Tohuwabohu, meine Damen und Herren,müssen Sie mal einem normalen Bürger auf derStraße erklären.
(Beifall FDP)
Erklären müssen Sie freilich auch, wie Sie den An-satz fiktiver Hebesätze in § 3 Abs. 2 FAG in Ein-klang bringen wollen, wo von tatsächlichen Steuer-einnahmen gesprochen wird. Sie wären gut bera-ten, Hebesätze transparent, nachvollziehbar undvor allem rechtskonform zu ermitteln, anstatt schonwieder neues Potenzial für juristische Auseinander-setzungen zu legen. Abgesehen davon ist meinerMeinung nach der Durchschnitt statistisch ungeeig-net, um die Situationen der Mehrzahl der Flächen-gemeinden zu ermitteln. Die Kuh ersoff in einemdurchschnittlich 1 Meter tiefen Teich. Vielmehr istan dieser Stelle die Ermittlung des Medians gebo-ten, wenn wir von Statistik sprechen. Es mutet zy-nisch an, meine Damen und Herren, wenn die Lan-desregierung sagt, die Kommunen müssen die He-besätze nicht erhöhen, wenn im selben Atemzugdie fiktiven Hebesätze genutzt werden, um dras-tisch die Zuweisungen zu kürzen. Es handelt sich
(Beifall FDP)
um einen erheblichen Eingriff in die kommunaleSelbstverwaltung, weil Städte und Gemeinden inbenachteiligten ländlichen Räumen nicht mehr dieMöglichkeit haben, eben diese Nachteile durch an-gemessene Hebesätze abzufedern. Das Ergebnis,meine Damen und Herren, ist Gleichmacherei stattWettbewerb, wobei die Vorteile den benachteiligtenRäumen vorenthalten bleiben.
(Beifall FDP)
Auszubaden haben das die Bürger. Die Verkäufe-rin, die Omas Häuschen geerbt hat und über dieRunden bringen muss, ebenso wie die Mieter, de-ren Warmmieten deutlich steigen müssen. Und obauf der Seite der Gewerbesteuer die Rechnung auf-geht, sei dahingestellt. Das ist eine neue Diskussi-on, für die heute die Zeit nicht reicht, aber Gewer-betreibende werden sich Gedanken machen, wiesie sich diesem zusätzlichen Druck entziehen kön-nen. Herr Menzel vom Bund der Selbstständigensieht das ebenso deutlich wie der Deutsche Indu-strie- und Handelskammertag, Steuererhöhungensind kein Ausweg und schaden der Standortquali-tät.
(Beifall FDP)
Ich füge hinzu, Sie werden die Abwanderung spür-bar verstärken und sie sind auf einem fatalen Wegin die falsche Richtung. Wir fordern Sie auf, anstattde facto die Kommunen zu nötigen, den Bürgernnoch tiefer in die Taschen zu greifen, muss derFreistaat - ich bin am Ende - seine Hausaufgabenmachen, vor der eigenen Tür kehren und seinenaufgeblähten Apparat auf das notwendige undmachbare Maß reduzieren. Ich danke Ihnen, meineDamen und Herren.
(Beifall FDP)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. AlsNächster spricht Herr Abgeordneter Fiedler von derCDU Fraktion.
Abgeordneter Fiedler, CDU:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Kollege Bergner, Sie haben hier versucht,noch einmal dramatisch vorzustellen, wie schlechtes nun den Kommunen geht, dass alles zusam-menbricht und dass nichts mehr geht.
(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das habe ichnicht so gehört.)
Ja, er hat es schon so deutlich gemacht und ge-sagt. Ich habe es etwas interpretiert, Herr KollegeFraktionsvorsitzender. Ich kann das auch durchausnachvollziehen und wer letztens beim Gemeinde-und Städtebund war - und da waren ja einige Kolle-gen mit dort -, die haben das ja auch gehört, dassdas nicht etwa bei den Kommunen auf Freude ge-stoßen ist, was die Landesregierung und die regie-rungstragenden Fraktionen auf den Weg bringenmüssen. Und, ich glaube, da ich auch ein Bürger-meister einer kleinen Kommune bin, weiß manwohl, dass jeder Pfennig oder Cent, der fehlt, esnicht so einfach ist, das zu kompensieren, manmuss sich etwas einfallen lassen. Und letztlich,denke ich, ist es auch wichtig, dass die Kommunenvor Ort nach wie vor weiter entscheiden können,
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(Abg. Bergner)
müssen sie heben oder heben sie an oder hebensie nicht an. Sie haben nach wie vor die Entschei-dungsfreiheit und da muss man auch mal sehen,was man an Ausgaben vielleicht einsparen kann,um bestimmte Dinge wieder zu kompensieren, diejetzt das Land beabsichtigt entsprechend vorzuneh-men. Ich glaube auch, wir alle, die schon länger da-bei sind und auch die neuen Kollegen, wissen, dassnatürlich die Spitzenverbände, ja das sind Lobby-verbände im guten Sinne des Wortes, immer wie-der einfordern, dass sie kurz vor der Pleite sind, al-les zuschließen müssen. Das kennen wir nunschon seit 20 Jahren und trotzdem blüht und ge-deiht Thüringen, Gott sei Dank, sehr gut. Deswe-gen, meine Damen und Herren, muss man auchmal hinschauen, was gerade in den letzten - Mitt-woch stand es, glaube ich, im Pressespiegel -, dassdie, dankenswerterweise, weil die Konjunktur so gutwieder läuft, die großen Gewinner der zusätzlichenSteuereinnahmen sehen die Experten vor allem beiden Kommunen vor Ort. Das ist auch gut so, weiles dort unmittelbar auch weitergereicht werdenkann. Ich glaube, das sollte man einfach auch mitzur Kenntnis nehmen. Aber, ich denke auch, alsLandespolitiker muss man noch mal deutlich ma-chen, wir stehen mit dem Rücken zur Wand, dasmuss man einfach mal zur Kenntnis nehmen. Ichbin wirklich ein Verfechter der kommunalen Freihei-ten und der kommunalen
(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Selbstver-waltung.)
Selbstverwaltung - danke. Manchmal fehlt einemhalt ein Wort. Ich denke, hier muss man mal deut-lich machen: Wir haben in den letzten 20 Jahren -und das ist keine Übertreibung, wir hatten mal eineKleine Koalition, Große Koalition, Alleinregierung -immer unsere Kommunen sehr gut bedient. Dassieht man auch. Wenn ich nach Sachsen oder wo-andershin, nach Mecklenburg-Vorpommernschaue, da sieht man, dass die Kommunen wirklichnicht so gut behandelt wurden. Sie haben deutlichweniger Geld bekommen. Wir hatten immer einestarke Lobby, auch hier im Parlament, dass wir dieKommunen gut ausgestattet haben, bis zum Wun-der von Gotha, was auch die Letzten jetzt verstan-den haben, was das ist. Jetzt kann man sich nichthinstellen, wo wir selber mit dem Rücken an derWand stehen. Wir haben uns das nicht ausgesucht.Es ist geklagt worden, es gab ein Urteil und ent-sprechend musste reagiert werden. Es kann dochnicht sein, dass das Land nicht mehr in der Lageist, seine eigenen Aufgaben auch nur annähernd zuerfüllen, und die Kommunen bekommen immer undimmer wieder mehr. Das kann nicht zielführendsein. Jetzt sind wir gezwungen, mit maßvollen Ein-schnitten hier heranzugehen, und lieber jetzt dieEinschnitte gemacht, als dass man noch längerwartet, bis sich das Land gar nicht mehr bewegenkann.
Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, halte ich es für zulässig, dass wir hier so ein-greifen, weil wir als Land nicht anders handeln kön-nen. Deswegen bitte ich auch um Verständnis auf-seiten der Kommunen, dass wir hier in der Pflichtsind, weil wir das Ganze im Blick behalten müssen.Deswegen werden wir auch die Landesregierunghier unterstützen, dass das auch so durchgeführtwerden kann.
(Beifall CDU)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Adams von der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.
Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, eigentlich dachte ich, dasswir die FAG-Debatte morgen führen, aber wenn Ak-tuelle Stunde jetzt bedeutet, dass wir am Vortagdas schon einmal diskutieren - gerne.
Erstaunlich finde ich, dass die FDP mit ihrer Rheto-rik in der Endphase der DDR angekommen ist. Da-mals wollte man mit immer weniger Ressourcen im-mer mehr, und zwar qualitativ viel besser die Men-schen befriedigen. Das wird nicht klappen. In derLogik dessen, was Sie fordern und sagen, heißtdas, dass unseren Bürgern immer mehr gebotenwird, aber die Einnahmen sinken sollen dafür. Siewissen ganz genau, wo das geendet hat.
(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie habennicht zugehört, deswegen haben Sie es nichtverstanden.)
Das endet nämlich im Bankrott und in der Insol-venz; dann haben die Bürger davon gar nichtsmehr. Es kann nicht sein, dass Sie immer wiedernach Steuereinsparungen schreien und die habenwollen und am Ende Geschenke verteilen wollen,und wenn es nur Zahnboxen sind, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren. Sie entsolidarisierensich, weil Sie sich nämlich aus dem komplexen Zu-sammenhang, dass Starke den Staat nicht so sehrbrauchen wie die Schwachen, vollkommen verab-schieden. Diese Schwachen brauchen einen Staat,der ihnen fürsorglich zur Seite stehen kann.
(Unruhe FDP)
Das kann nur funktionieren, wenn dieser Staat auchetwas einnimmt und gerechterweise natürlich beiden Starken, das ist ganz vernünftig.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Wer an dieser Stelle in der Abwägung zwischenLand und Kommune nun der Starke ist, das ist,denke ich, außerordentlich differenziert zu betrach-
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(Abg. Fiedler)
ten. Es kann nicht sein, lieber Herr Barth, dass zumeinen die Kommunen weiterhin gut ausgestattetsind, ihre Gewerbesteuern und ihren Beitrag dazunicht selbst beitragen, an anderer Stelle aber dieguten Kommunen sogar selbst Schulden tilgen kön-nen, während das Land sich weiter verschuldet.Das ist einfach unsolidarisch. Hier muss man ganzklar sagen: An dieser Stelle ist die Kommune derStaat. Aber es ist natürlich auch richtig, dass wirKommunen in diesem Land Thüringen haben, diedurch die Erhebung oder die Erhöhung ihres Ge-werbesteuersatzes oder durch die Senkung keiner-lei Effekte erzielen würden, weil nämlich da kaumnoch etwas da ist. An der Stelle ist die Kommunedie Schwache, diese Kommune braucht einen star-ken Freistaat, der ihr zur Seite steht. Dieser Frei-staat kann nur stark und nachhaltig wirtschaften,wenn er alle in die Pflicht nimmt, und das tut er andieser Stelle mit diesen fiktiven Hebesätzen genau.Aber dieser Freistaat wird natürlich nicht nur da-durch, dass er seine Einnahmenseite anhebt, vor-wärts kommen, er muss auch strukturelle Änderun-gen vollziehen. Hier sind die Kollegen der SPD undder CDU angesprochen, die jetzt abermals ein gu-tes Ergebnis in der Haushaltsdebatte vortäuschen,indem sie nämlich einfach die prognostiziertenSteuereinnahmen nach oben nehmen und sagen,wunderbar wir haben weniger Neuverschuldung oh-ne irgendetwas an den Strukturen zu ändern. WennSie so in der Logik weitermachen, dann werden Siein dem Jahr, in dem Sie keine Mehrsteuereinnah-men haben, feststellen, dass nichts mehr zu erntenist, und dann wird es sehr, sehr traurig werden.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Fangen Sie endlich mit strukturellen Änderungenan. Die Kommunen müssen beteiligt werden, dasist ein richtiger Schritt und ich hoffe, dass die FDPes auch begreift. Vielen Dank.
(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank Herr Abgeordneter Adams. Für dieFraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Ku-schel.
Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:
Frau Präsidentin, meine sehr geehrte Damen undHerren, die FDP ist mutig, dieses Thema hier vollerSelbstbewusstsein in den Landtag zu bringen; istes doch die FDP, die auf Bundesebene einen Ge-neralangriff auf die Kommunen führt und die Kom-munen finanziell ausbluten möchte,
(Zwischenruf Abg. Recknagel, FPD: Falsch!)
indem sie die Gewerbesteuer abschaffen will unddie Konkurrenz, die nach dem liberalen Grundprin-zip der FDP das Heilmittel jeder Gesellschaft dar-
stellt, zwischen den Kommunen verstärken willdurch die Einführung eines Hebesatzes auf die Ein-kommensteuer. Das findet unseren erbitterten Wi-derstand. Insofern hätte ich mir gewünscht, dasshier die Landtagsfraktion der FDP sich deutlich ge-gen das Vorhaben ihrer Bundespartei stellt. Das isthier leider ausgeblieben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, anderer-seits hat die FDP in einigen Detailpunkten durchausrecht mit ihrer Kritik, und zwar hinsichtlich der Artund Weise, wie die Landesregierung hier versuchtzu agieren, indem sie ihr tatsächliches Vorhaben,über den Finanzausgleich eine Gemeindegebietsre-form auf den Weg zu bringen, verschleiert. Das leh-nen wir ab. Wir sprechen uns keinesfalls gegen ei-ne Diskussion über die Hebesätze aus und sehendort durchaus Potenziale, vorrangig bei der Gewer-besteuer, bei der Grundsteuer muss man das diffe-renzierter sehen. Wir verweigern uns einer solchenDiskussion nicht; aber nicht im Rahmen des Fi-nanzausgleichs, sondern dieser Dialog muss offengeführt werden mit allen betroffenen Gruppen. Esgibt natürlich Bedenken und Befürchtungen, diedurchaus ernst zu nehmen sind.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lan-desregierung agiert widersprüchlich. Im Gesetzent-wurf zum Finanzausgleichsgesetz werden Mindest-hebesätze definiert, die im Jahr 2015 in Kraft tretensollen. Bei der Bedarfsermittlung werden jetzt aberschon fiktive Hebesätze unterstellt, die über diesenMindestsätzen im Finanzausgleichgesetz liegen.Das heißt, bereits jetzt unterstellt die Landesregie-rung den Kommunen, dass sie ihre Einnahmemög-lichkeiten nicht ausschöpfen
(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie schöpfensie nicht aus.)
- darüber können wir reden -, aber bei den Mindest-sätzen, die 2015 erst in Kraft treten, bleiben sie dar-unter. Dieser Widerspruch muss aufgeklärt werden.Da haben wir sicherlich im Rahmen der Diskussionzum Gesetzentwurf Finanzausgleichsgesetz Zeit.Wir sehen Potenziale und deswegen verweigern wiruns einer Diskussion nicht. Bei der Gewerbesteuersehen wir Potenziale, weil durch die letzte Unter-nehmenssteuerreform zum 01.01.2008 bewusst dieUnternehmen entlastet wurden, um den Kommuneneinen Korridor zu eröffnen, über die Hebesätze zu-sätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Es ist bei-spielsweise bei dem Einzelnunternehmer, der an-geblich so im Blickpunkt der FDP steht, der linearsteigende Höchststeuersatz von 5 Prozent auf 3,5Prozent reduziert worden und die Anrechenbarkeitauf die veranlagte Einkommensteuer vom 1,8-fa-chen auf das 3,8-fache erhöht worden. Damit kannein Einzelunternehmer bis zu einem Hebesatz vonetwa 420, wenn ich den Solidaritätszuschlag unddie Kirchensteuer mit berücksichtige, seine Gewer-besteuer vollständig mit der Einkommensteuer ver-
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(Abg. Adams)
rechnen. Das heißt, er wird überhaupt nicht mehrbelastet. Deswegen sehen wir dort Potenziale, aberdies im Ergebnis eines offenen Dialogs und nichtdurch die Hintertür. Bei den Kapitalgesellschaftenkam es zu einer Entlastung bei der Körperschafts-steuer, nämlich von 25 auf 15 Prozent mit dem Hin-weis, dass man den Hebesatz erhöhen kann. Dortwurde im Übrigen der Steuersatz auch von 5 auf3,5 Prozent reduziert. Also, bei der Gewerbesteuersehen wir Potenziale, bei der Grundsteuer differen-ziert wegen der Umlagefähigkeit. Wir sagen, dieGrundsteuer hat in dem Katalog der Betriebskostennichts zu suchen, denn bei der Grundsteuer wirddas Vermögen besteuert, das Grundvermögen, al-so die Immobilie und die schöpft der Vermieter überdie Nettomiete ab. Dieses noch einmal zusätzlich indie Betriebskosten zu nehmen, halten wir für unan-ständig. Wenn wir dieses Problem gelöst haben,können wir auch über den Hebesatz der Grund-steuer ideologie- oder emotionsfrei diskutieren. Al-lerdings ist ideologiefrei für uns nicht richtig, dennwir sind überzeugt, Vermögen muss in diesemLand einen höheren Beitrag zur Finanzierung desGemeinwesens leisten. Dazu gehört auch das Im-mobilienvermögen. Danke schön.
(Beifall DIE LINKE)
Präsidentin Diezel:
Danke schön. Als Nächster spricht der Abgeordne-te Hey für die SPD-Fraktion.
Abgeordneter Hey, SPD:
Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren! Herr Kuschel, ich bin schonder Meinung, dass diese Diskussion - Sie sagen,sie muss entkoppelt werden - schon mit in den ge-samten Diskurs um das FAG gehört. Das werdenwir dann morgen erleben. Bei der jetzigen Diskussi-on geht es vor allem darum, was das Land an Ein-nahmen für die Kommunen voraussetzt und nicht,was es den Kommunen gibt. Das ist das, was dieKollegen von der FDP angesprochen haben. Esfällt insbesondere der Ansatz der Gewerbe- und derGrundsteuer ins Auge. Herr Bergner ist vorhin lei-der nicht so sehr auf die Gewerbesteuer eingegan-gen und hat gesagt, da fehlt jetzt die Zeit. Er hatsich mehr auf die Grundsteuer gestützt. Die Hebe-sätze sind jetzt zum Teil auf bundesdeutsches Ni-veau gestiegen oder mit Blick auf unsere Nachbar-länder im Osten auf das Niveau des Freistaats Thü-ringen. In den Kommunen des Freistaats werdenzum Teil geringere Hebesätze angewendet; das istgenau das Problem, das wir in dieser AktuellenStunde ...
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: InSachsen sind die Gemeinden viermal grö-ßer.)
Ja, das kommt noch dazu. Herr Kuschel, ich stehevor Ihnen als Abgeordneter, der bis Ende Augustdes letzten Jahres noch als Finanzdezernent in ei-ner Kommune gearbeitet hat. Die Argumentationder Kommunen, wenn es um die finanzielle Aus-stattung des Landes geht, ist mir in Fleisch und Blutübergegangen, sie ist mir zumindest heute nochgegenwärtig. Um es mal anders oder salopp auszu-drücken, ich säße heute sicher im Rathaus meinerHeimatstadt und würde Gift und Galle spucken -wie meine Kollegen in anderen Rathäusern auch -,was das Land da wieder ausgerechnet hat. Manmuss aber fairerweise beide Seiten der Medaillebetrachten. Deshalb komme ich jetzt auch zu denfinanziellen Nöten, die das Land derzeit selbst hatund weshalb die finanzielle Ausstattung der Kom-munen so aussieht, wie sie aussieht. Ich würde dasmal so umschreiben, man versucht hier im Rahmender verfassungsrechtlichen Regeln die finanzielleAusstattung der Kommunen sicherzustellen unddas irgendwie in Einklang zu bringen mit der aktuel-len Haushaltslage. Das ist schwierig. Wie wir se-hen, ist das auch nicht unumstritten, denn dieHaushaltsexperten hier im Landtag wissen auch,wenn ein höherer Ansatz an Gewerbe- und Grund-steuer bei den Kommunen vorausgesetzt wird,dann werden diese Kommunen über kurz oder langgehalten sein, diese höheren Ansätze anzuwenden.Sie können immer noch wählen und darauf verzich-ten - logischerweise, das können sie machen.
(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dasist aber jetzt sarkastisch.)
Nein, nein. Ich nenne das, was den Kommunen hierin dieser Situation übrig bleibt. Herr Kuschel, hörenSie genau zu, ich sage das mal sehr deutlich undich nehme ein Wort in den Mund, das Politiker nichtsehr gern benutzen - ich sage dazu Steuererhö-hung. Wir reden hier de facto über geplante Steuer-erhöhungen in den Kommunen. Herr Bergner hatdas auch angesprochen. Das ist unbequem, wennman mit den Betroffenen redet, also mit Bürger-meistern und Stadträten. Es ist aber wichtig, in die-sen Gesprächen klarzumachen, dass auch seitensdes Landes knallharte Gründe bestehen, den Spiel-raum bei Festlegung der Hebesätze nach oben zuregulieren. Ich kann in fünf Minuten Redezeit nichterschöpfend auf die aktuelle Haushaltslage desFreistaats eingehen. Da haben wir noch genügendGelegenheit. Über eines bin ich nicht direkt froh,aber zumindest erleichtert und wir werden zu die-sem Fakt morgen noch kommen, wenn wir überdas FAG sprechen, Herr Kuschel. Es ist einerseitssicher richtig und auf keinen Fall vollständig von derHand zu weisen, dass es Kommunen gibt, die denRahmen der Hebesätze noch nicht vollends ausge-schöpft haben. Es geht ja auch um gewisse Stand-ortvorteile, sagen die Kommunen. Da, wo beispiels-weise ein besserer Hebesatz bei Gewerbesteuerist, da will man Investoren anlocken usw. Ich lese
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(Abg. Kuschel)
andererseits mit einer gewissen Erleichterung inder Begründung der Landesregierung zum FAG -und das kann jeder nachschlagen -, dass hier Rossund Reiter benannt werden, dass also wirklichschwarz auf weiß zu lesen steht: Jawohl, wir habennicht mehr Geld, das wir den Kommunen zur Verfü-gung stellen können, weil wir selbst nicht mehrGeld besitzen. Deshalb ist der Kommunale Finanz-ausgleich so, wie er ist. Das halte ich für eine Formder politischen Offenheit, die wirklich ehrlich undfair ist.
(Beifall SPD)
Die war nicht immer so, wenn wir ehrlich sind, HerrKuschel. Die war nicht immer so. Ich entnehme al-so dem Antrag Herrn Bergners zu dieser AktuellenStunde, dass er sich Sorgen macht um die finanzi-elle Ausstattung der Kommunen. Um das deutlichden Kolleginnen und Kollegen der FDP zu sagen,wir teilen Ihre Sorge, aber mit Verlaub, ich will nichtständig auf Sie eindreschen für das, was die Kolle-gen da im Bund, die Kollegen von der FDP geradeveranstalten, weil Sie diese Beschlüsse in Berlin jaauch nicht zu verantworten haben, aber Sie müs-sen schon zugeben, Ihre Parteifreunde im Bundwaren in jüngster Vergangenheit nicht gerade zim-perlich, als es um die kommunalen Finanzen ging.Ich nenne hier nur mal das Wachstumsbeschleuni-gungsgesetz, das kostet die Kommunen richtig vielGeld, die Geschichte mit dem Atomkonsens, diehaben wir eben schon angerissen, die kostet richtigviel Geld. Wenn es Ihnen ernst ist, Herr Barth, auchmit der Sorge um unsere Städte und Gemeinden inThüringen, dann rüffeln Sie ruhig mal Ihre Kollegin-nen und Kollegen in Berlin. Wenn Sie dabei Unter-stützung brauchen, dann sagen Sie ruhig Bescheid,ich denke, eine ganze Reihe von Abgeordnetenhier im Hause werden Ihnen dabei helfen. Ich dan-ke Ihnen.
(Beifall SPD)
Präsidentin Diezel:
Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitereRedemeldungen von den Abgeordneten? Ja, bitteschön, Herr Abgeordneter Recknagel.
Abgeordneter Recknagel,