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Thüringer Landtag 5. Wahlperiode Plenarprotokoll 5/35 10.11.2010 35. Sitzung Mittwoch, den 10.11.2010 Erfurt, Plenarsaal Vor Eintritt in die Tagesord- nung Blechschmidt, DIE LINKE 2949, Dr. Pidde, SPD 2949, a) Aktuelle Stunde auf Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Thema: "Konse- quenzen aus der Verlängerung der Laufzeiten für Atomkraft- werke für Thüringen" 2950, Unterrichtung durch die Präsi- dentin des Landtags - Drucksache 5/1743 - Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2950, Worm, CDU 2951, Kummer, DIE LINKE 2952, Weber, SPD 2954, Barth, FDP 2954, 2956, 2958, Staschewski, Staatssekretär 2956, Dr. Schöning, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei 2958, Gentzel, SPD 2959,

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 5/35 5. Wahlperiode 10.11 · Thüringer Landtag 5. Wahlperiode Plenarprotokoll 5/35 10.11.2010 35. Sitzung Mittwoch, den 10.11.2010 Erfurt, Plenarsaal

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Thüringer Landtag5. Wahlperiode

Plenarprotokoll 5/3510.11.2010

35. Sitzung

Mittwoch, den 10.11.2010

Erfurt, Plenarsaal

Vor Eintritt in die Tagesord-nung

Blechschmidt, DIE LINKE 2949,Dr. Pidde, SPD 2949,

a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN zum Thema: "Konse-quenzen aus der Verlängerungder Laufzeiten für Atomkraft-werke für Thüringen"

2950,

Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1743 -

Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2950,Worm, CDU 2951,Kummer, DIE LINKE 2952,Weber, SPD 2954,Barth, FDP 2954, 2956,

2958,Staschewski, Staatssekretär 2956,Dr. Schöning, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei 2958,Gentzel, SPD 2959,

b) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: "Voraussichtliche Erhö-hungen der Grund- und Gewer-besteuer aufgrund der vomLand angenommenen fiktivenSteuerhebesätze"

2959,

Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1756 -

Bergner, FDP 2959,Fiedler, CDU 2960,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2961,Kuschel, DIE LINKE 2962, 2965,Hey, SPD 2963,Recknagel, FDP 2964,Prof. Dr. Huber, Innenminister 2965,

Aktuelle Stunde auf Antrag derFraktionen der CDU und derSPD zum Thema: "Erdfall inSchmalkalden"

2966,

Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1768 -

Primas, CDU 2966,Weber, SPD 2966,Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2967,Hellmann, DIE LINKE 2968,Barth, FDP 2969,Baumann, SPD 2970,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 2970,Kummer, DIE LINKE 2971,

d) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion DIE LINKE zumThema: "Problematische Situa-tion an Thüringer Grundschul-horten"

2972,

Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1770 -

Aussprache

Sojka, DIE LINKE 2973, 2974,2974, 2979,

Kowalleck, CDU 2974,Koppe, FDP 2975,Metz, SPD 2976,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2976,Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur 2977, 2980,

Wahl einer neuen Schriftführe-rin

2980,

2942 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Wahlvorschlag der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/1769 -

Die Abgeordnete Berninger (DIE LINKE) wird als Schriftführerin ge-wählt.

Fragestunde 2980,

a) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Korschewsky (DIE LINKE)Besucherlenkung „Hämmerer Ebene“- Drucksache 5/1609 -

2981,

wird von Staatssekretär Staschewsky beantwortet.

Korschewsky, DIE LINKE 2981,Staschewski, Staatssekretär 2981,

b) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Schubert (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Verwendung von Haldenmaterial aus dem Uranbergbau zu Bauzwecken- Drucksache 5/1660 -

2981,

wird von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet. Zusatzfrage.

Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2981, 2983,2983,

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2982, 2983,2983,

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Weitere Untersuchungen zum alpinen Wintersportgebiet „Schneekopf“?- Drucksache 5/1676 -

2983,

wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

Kuschel, DIE LINKE 2983, 2984,2984,

Staschewski, Staatssekretär 2983, 2984,2984, 2984,

Kummer, DIE LINKE 2984,

d) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hennig (DIE LINKE)Entwicklungsplanung und personelle Ausstattung der Thüringer Berufsakademien- Drucksache 5/1701 -

2984,

wird von Staatssekretär Prof. Dr. Deufel beantwortet. Zusatzfrage.

Hennig, DIE LINKE 2984, 2985,Prof. Dr. Deufel, Staatssekretär 2985, 2985,

e) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE)Einrichtung eines Landesintegrationsbeirats- Drucksache 5/1705 -

2985,

wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet.

Berninger, DIE LINKE 2985,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2943

Prof. Dr. Huber, Innenminister 2986,

f) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Blechschmidt (DIE LINKE)Verwaltungsaufwand im Rahmen der Förderung der kommunalpolitischen Foren, derparteinahen Stiftungen sowie des Rings der politischen Jugend- Drucksache 5/1718 -

2986,

wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.

Blechschmidt, DIE LINKE 2986, 2987,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2986, 2987,

2987, 2987,Kuschel, DIE LINKE 2987, 2987,

g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Untermann (FDP)Rastanalgen, Park- und Stellflächen an der A 71- Drucksache 5/1742 -

2987,

wird von Staatssekretärin Dr. Eich-Born beantwortet. Zusatzfragen.

Untermann, FDP 2987, 2988,Dr. Eich-Born, Staatssekretärin 2988, 2989,

2989,Barth, FDP 2989,

h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Meyer (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Vorlage des Subventionsberichts- Drucksache 5/1746 -

2989,

wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.

Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2989, 2990,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2989, 2989,

2990, 2990, 2990,Kuschel, DIE LINKE 2989, 2990,

i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Barth (FDP)Tourismuskonzept der Stadt Steinach- Drucksache 5/1752 -

2990,

wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

Barth, FDP 2990, 2991,Staschewski, Staatssekretär 2990, 2991,

2991, 2991,Recknagel, FDP 2991, 2991,

j) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerich (FDP)Innovationspreis Thüringen- Drucksache 5/1764 -

2991,

wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

Kemmerich, FDP 2991, 2992,2992,

Staschewski, Staatssekretär 2992, 2992,2992, 2992,

2944 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Barth, FDP 2992, 2992,2992,

k) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Sedlacik (DIE LINKE)Förderung von Messen zur Berufsorientierung in Thüringen- Drucksache 5/1772 -

2993,

wird von Abgeordneter Renner vorgetragen und von Staatssekretär Staschewskibeantwortet.

Renner, DIE LINKE 2993,Staschewski, Staatssekretär 2993,

l) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Renner (DIE LINKE)30 Prozent in sechs Wochen oder woher kommen die Millionen?- Drucksache 5/1775 -

2993,

wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.

Renner, DIE LINKE 2994, 2994,2995,

Prof. Dr. Huber, Innenminister 2994, 2994,2995, 2995, 2995,

Hauboldt, DIE LINKE 2995, 2995,2995,

m) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Recknagel (FDP)Mehreinnahmen aufgrund der positiven Wirtschaftsentwicklung- Drucksache 5/1776 -

2995,

wird von Staatssekretär Dr. Spaeth beantwortet. Zusatzfragen.

Recknagel, FDP 2995, 2996,Dr. Spaeth, Staatssekretär 2995, 2996,

2996,Kuschel, DIE LINKE 2996,

n) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Schröter (CDU)Zugänglichkeit der Region über den Leipzig-Altenburg-Airport- Drucksache 5/1777 -

2996,

wird von Minister Carius beantwortet. Zusatzfragen.

Schröter, CDU 2996, 2997,2997,

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklung und Verkehr 2996, 2997,2997, 2997, 2998,

Barth, FDP 2997,Dr. Lukin, DIE LINKE 2997,

o) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Augsten (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)Konsequenzen aus der UN-Naturschutzkonferenz in Nagoya für Thüringen- Drucksache 5/1780 -

2998,

wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.

Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 2998, 2999,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 2998, 2999,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2945

p) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Wolf (DIE LINKE)Fördermittel für die Wartburgauffahrt- Drucksache 5/1781 -

2999,

wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

Wolf, DIE LINKE 2999, 3000,Staschewski, Staatssekretär 2999, 3000,

q) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Bergner (FDP)Vorfälle im Rahmen einer Demonstration des Anti-Atom-Forums Weimar- Drucksache 5/1782 -

3000,

wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.

Bergner, FDP 3000,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3000, 3001,

3001,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3001,Barth, FDP 3001,

r) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)130.000 € Lottomittel im Wartburgkreis- Drucksache 5/1678 -

3001,

wird von Minister Reinholz beantwortet. Zusatzfrage.

Kuschel, DIE LINKE 3002, 3002,Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutz 3002, 3002,

s) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Hennig (DIE LINKE)Entwicklung der betrieblichen Ausbildung im Freistaat Thüringen- Drucksache 5/1771 -

3002,

wird von Staatssekretär Staschewski beantwortet. Zusatzfragen.

Hennig, DIE LINKE 3002, 3004,Staschewski, Staatssekretär 3003, 3004,

t) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger (DIE LINKE)Abschiebung einer iranischen Familie- Drucksache 5/1778 -

3005,

wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.

Berninger, DIE LINKE 3005, 3005,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3005, 3005,

3006, 3006, 3006,Wolf, DIE LINKE 3006,Kuschel, DIE LINKE 3006,

u) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Ausbau der Straße „Pennickental“ in Jena-Wöllnitz- Drucksache 5/1709 -

3006,

wird von Minister Prof. Dr. Huber beantwortet. Zusatzfragen.

2946 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Kuschel, DIE LINKE 3006, 3007,3007, 3007,

Prof. Dr. Huber, Innenminister 3006, 3007,3008,

Dr. Lukin, DIE LINKE 3007,

Thüringer Gesetz zur freiwilli-gen Neugliederung kreisange-höriger Gemeinden im Jahr2010

3008,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1089 -dazu: Beschlussempfehlung des

Innenausschusses- Drucksache 5/1585 -

ZWEITE BERATUNG

Die beantragte erneute Überweisung des Gesetzentwurfs an den In-nenausschuss wird abgelehnt.

Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Gesetzentwurfwird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlungin ZWEITER BERATUNG sowie in der Schlussabstimmung jeweilsangenommen.

Holbe, CDU 3008,Fiedler, CDU 3008, 3012,Kuschel, DIE LINKE 3009,Hey, SPD 3009,Bergner, FDP 3010,Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 3011,Prof. Dr. Huber, Innenminister 3011,

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2947

Anwesenheit der Abgeordneten:

Fraktion der CDU:

Bergemann, Carius, Diezel, Emde, Fiedler, Grob, Günther, Gumprecht,Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Krauße, Lehmann,Lieberknecht, Meißner, Mohring, Primas, Reinholz, Scherer, Schröter,Tasch, Dr. Voigt, Walsmann, Wetzel, Worm, Wucherpfennig, Dr. Zeh

Fraktion DIE LINKE:

Bärwolff, Berninger, Blechschmidt, Enders, Hauboldt, Hausold, Hellmann,Hennig, Huster, Jung, Keller, Dr. Klaubert, König, Korschewsky, Kubitzki,Kummer, Kuschel, Leukefeld, Dr. Lukin, Ramelow, Renner, Sedlacik, Sojka,Stange, Wolf

Fraktion der SPD:

Baumann, Döring, Doht, Eckardt, Gentzel, Dr. Hartung, Hey, Höhn, Kanis,Künast, Lemb, Marx, Matschie, Metz, Mühlbauer, Pelke, Dr. Pidde, Taubert,Weber

Fraktion der FDP:

Barth, Bergner, Kemmerich, Koppe, Recknagel, Untermann

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Adams, Dr. Augsten, Meyer, Rothe-Beinlich, Schubert, Siegesmund

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

Ministerpräsidentin Lieberknecht, die Minister Carius, Prof. Dr. Huber,Matschie, Dr. Poppenhäger, Reinholz, Dr. Schöning, Taubert, Walsmann

2948 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Beginn: 14.02 Uhr

Präsidentin Diezel:

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unse-rer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, dieich hiermit eröffne. Ich begrüße auch die Zuschauerauf der Zuschauertribüne sowie die Vertreterinnenund Vertreter der Medien. Besonders herzlich be-grüße ich Frau Ben-Chorin, die anlässlich der 18.israelisch-jüdischen Kulturtage hier in Erfurt weilt.Herzlich willkommen hier im Thüringer Landtag!

(Beifall im Hause)

Als Schriftführer hat neben mir Platz genommenHerr Abgeordneter Meyer. Die Rednerliste führt dieFrau Abgeordnete König.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigtFrau Vizepräsidentin Hitzing, Herr Abgeordnetervon der Krone und Herr Minister Machnig.

Folgende allgemeine Hinweise: Der Landessport-bund hat uns für heute zu einem parlamentarischenAbend in der Leichtathletikhalle eingeladen, dernach dem Ende der Plenarsitzung beginnen soll.

Hinweise zur Tagesordnung:

Die Fraktionen sind im Ältestenrat übereingekom-men, den Tagesordnungspunkt 47, Wahl einer neu-en Schriftführerin, nach der Aktuellen Stunde aufzu-rufen und gegebenenfalls heute eine zweite Frage-stunde durchzuführen und eventuell weitere zusätz-liche Tagesordnungspunkte aufzurufen. Der Ältes-tenrat ist übereingekommen, dass nach 19.00 Uhrkein weiterer Aufruf erfolgt. Morgen wird der letzteTagesordnungspunkt 23.30 Uhr aufgerufen.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur in TOP 2 hat dieDrucksachennummer 5/1783.

Die Beschlussempfehlung des Ausschusses für Bil-dung, Wissenschaft und Kultur in TOP 3 hat dieDrucksachennummer 5/1784.

Die Beschlussempfehlung des Innenausschusseszu TOP 18 hat die Drucksachennummer 5/1788.

Zu TOP 48, Fragestunde, kommen die MündlichenAnfragen in den Drucksachen 5/1764, 5/1771, 5/1772, 5/1775 bis 5/1778 und 5/1780 bis 5/1782 hin-zu. Die Abgeordneten Hauboldt und Adams habenihre Mündlichen Anfragen in den Drucksachen 5/1725 und 5/1779 in Kleine Anfragen umgewandelt.

Die Landesregierung hatte bereits für die letztenPlenarsitzungen angekündigt, zu den Tagesord-nungspunkten 11 b, 19, 20, 21, 22, 26, 29, 31, 32,33 a, 34, 35, 36 und 37 von der Möglichkeit einesSofortberichts gemäß § 106 Abs. 2 GO Gebrauchzu machen. Außerdem hat sie angekündigt, zu denTagesordnungspunkten 41, 42 und 44 von der

Möglichkeit des Sofortberichts Gebrauch zu ma-chen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir habenim Ältestenrat abschließend beraten, dass wir dieTagesordnung in verkürzter Redezeit abarbeiten,außer die Tagesordnungspunkte 2, 3 und 12.

Des Weiteren hat der Abgeordnete Fiedler um einepersönliche Erklärung nach § 33 gebeten, die wirheute am Ende der Sitzung aufrufen werden.

Gibt es weitere Anmerkungen zur Tagesordnung?Bitte schön, Herr Blechschmidt.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Ich möchte zum Erstenentsprechend § 52 Abs. 4 Geschäftsordnung unse-ren Antrag in Tagesordnungspunkt 11 b - Drucksa-che 5/1533 - zurückziehen und zum Zweiten ent-sprechend § 22 Abs. 1 Geschäftsordnung den TOP44 - Drucksache 5/1761 - von dieser Tagesordnungabsetzen lassen.

Ich möchte in dem Zusammenhang noch daraufverweisen, dass wir eine Drucksache fristgerechteingereicht haben, über deren Aufnahme in die Ta-gesordnung wir auch abgestimmt haben wollen. DieDrucksachennummer ist mir jetzt nicht geläufig.

Präsidentin Diezel:

Danke schön. Gibt es weitere Anmerkungen? Bitteschön, Herr Pidde.

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

Frau Präsidentin, ich möchte beantragen, den Ge-setzentwurf der Landesregierung unter Tagesord-nungspunkt 8, Erstes Gesetz zur Änderung desThüringer Gesetzes zur Gleichstellung und Verbes-serung der Integration von Menschen mit Behinde-rungen, in erster und zweiter Beratung, die zweiteBeratung dann gegebenenfalls am Freitag, durch-zuführen.

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Den Tagesordnungspunkt 11 b zu-rückziehen kann der Antragsteller ohne Abstim-mung. Wir kommen zur Abstimmung über den Vor-schlag, Tagesordnungspunkt 44 abzusetzen. Dazubrauchen wir die einfache Mehrheit. Wer damit ein-verstanden ist, dass wir diesen Tagesordnungs-punkt von der Tagesordnung absetzen, den bitteich um das Handzeichen. Danke schön. Gegen-stimmen? Stimmenthaltungen? Damit ist dieser Ta-gesordnungspunkt einstimmig von der Tagesord-nung abgesetzt.

Als Nächstes kommen wir zur Aufnahme der Druck-sache 5/1762, Nein zum Neubau einer 380-kV-Lei-tung. Der Antrag ist fristgemäß eingegangen. Für

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2949

die Aufnahme wird die einfache Mehrheit benötigt.Gibt es einen Antrag auf Platzierung? Nein, dannist es am Ende der Tagesordnung. Dann ist der An-trag aufgenommen.

Es gibt den Antrag, TOP 8 in erster und zweiter Be-ratung zu behandeln und die zweite Beratung gege-benenfalls am Freitag durchzuführen. Wer damiteinverstanden ist, den bitte ich jetzt um sein Hand-zeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Gegen-stimmen aus der Fraktion DIE LINKE. Damit ist dieMehrheit erreicht für die erste und zweite Beratungvon TOP 8.

Gibt es weitere Anmerkungen? Ich sehe, das istnicht der Fall. Dann können wir nach der Tagesord-nung verfahren.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 49, AktuelleStunde. Alle Fraktionen haben eine Aktuelle Stundebeantragt, die Fraktionen der CDU und der SPDgemeinsam zu einem Thema. Die Zeit für die ein-zelnen Themen beträgt dreißig Minuten. Die Rede-zeit der Landesregierung bleibt unberücksichtigt.Die Redezeit für einen Beitrag beträgt maximal fünfMinuten.

Wir kommen zum ersten Teil der Aktuellen Stunde.

a) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN zum Thema: "Konse-quenzen aus der Verlängerungder Laufzeiten für Atomkraft-werke für Thüringen"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1743 -

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatsich Frau Anja Siegesmund zu Wort gemeldet.

Abgeordnete Siegesmund, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, ich habe fünf Minuten. Fünf Minuten gegenden Ausstieg aus dem Ausstieg. Ich habe fünf Mi-nuten, um Ihnen zu sagen und deutlich zu machen,warum uns der Ausstieg aus dem Ausstieg auch inThüringen etwas angeht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Diese fünf Minuten will ich nutzen für fünf gute Ar-gumente, die vielleicht den einen oder die anderezum Nachdenken bringen. Mein erstes Argument,der Ausstieg aus dem Ausstieg stellt unsere Demo-kratie auf die Probe.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Sie haben es gesehen, allein am Wochenende wa-ren mehr als 50.000 Menschen gegen den Atom-Deal der Regierung unterwegs, darunter auch zahl-reiche Thüringerinnen und Thüringer. Viele Tausen-de haben sich im Anschluss daran trotz Kälte, trotzmassiver Polizeipräsenz gegen den Ausstieg ausdem Atomausstieg gewandt, haben protestiert, ha-ben zum Teil auch blockiert, friedlich. Es waren soviele wie nie zuvor und das geht auch uns hier et-was an,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

wenn so viele Menschen gegen die Atomlobby aufdie Straße gehen. Es zeigt uns überdeutlich, dieBundesregierung kann ihre Atompläne zwar perGesetz verordnen, aber die überwiegende Ableh-nung der Gesellschaft bläst ihr umso kräftiger insGesicht, denn die Menschen durchschauen denfaulen Kompromiss, sie durchschauen die Luftbu-chungen der Brennelementesteuer, sie durch-schauen den Geheimvertrag der vier Energieriesenund sie durchschauen die Kurzsichtigkeit dieser ge-fährlichen Politik. Allein der Müll wird sich in dennächsten Jahren verdoppeln. Strahlender Müll, denkeiner von uns möchte. Und deswegen, sehr geehr-te Damen und Herren, gehen die Bürgerinnen undBürger auf die Straße. Sie gehen auf die Straße,weil sie wollen, dass nachhaltige Politik gemachtwird und eben nicht das, was jetzt gerade passiert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Ich will diese erste Minute nutzen um zu sagen, die-ses Land muss sich im Bundesrat dafür stark ma-chen, diesem Spuk ein Ende zu setzen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Wir haben ja das Bekenntnis gehört, bitte tun Siees auch. Diese Aufforderung möchte ich hier deut-lich machen.

Mein zweites Argument gegen den Ausstieg ausdem Ausstieg: Wir machen eine Rolle rückwärts beiden erneuerbaren Energien. Es kann sich hier jederhinstellen und sagen, wir wollen eine Energiewen-de, aber gehen Sie mal an verschiedene Universi-täten, gehen Sie an Fachhochschulen und fragenSie bitte nach, was es für die Studiengänge jeweilsheißt. Für die Studiengänge heißt das nämlich Fol-gendes: Wir haben auf der einen Seite eine Boom-branche erneuerbare Energien, wo jeder, der einenguten Abschluss hat, sofort „aufgesaugt wird“ undim Markt arbeiten kann. Auf der anderen Seite erle-ben Sie gerade - Beispiel FH Jena - einen massi-ven Einbruch beim Studiengang erneuerbare Ener-gien, weil Jugendliche verunsichert sind ob der Po-litik in Berlin. Ich sage Ihnen eins, das kann so nichtsein. Wir müssen hier etwas tun.

2950 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Präsidentin Diezel)

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Mein drittes Argument gegen den Ausstieg ausdem Ausstieg: Stadtwerke und Kommunen werdengeschwächt. Allein unsere Bundestagsfraktion hatfast 800 Stadtwerke in der ganzen Bundesrepublikbefragt, was sind die Auswirkungen von Schwarz-Gelb? Was sind die Auswirkungen diesesAtomdeals? Die sagen Folgendes: Es wird wirt-schaftliche Auswirkungen geben, denn die regiona-le Wertschöpfung vor Ort wird geschwächt. Sie sa-gen zweitens, im Durchschnitt werden unsere In-vestitionen deutlich weniger wert sein, unsere In-vestitionen sind erneuerbare Energien. Ich sage Ih-nen, das, was die Stadtwerke uns an dieser Stellemit auf den Weg geben ist: Machen Sie diesenAusstieg aus dem Ausstieg rückgängig, denn nurso können auch wir erneuerbare Energien fördernund das geht auch uns in Thüringen etwas an.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Viertes Argument gegen den Ausstieg aus demAusstieg: Wer manchmal in Ostthüringen unter-wegs ist und das vielleicht auch vor 20 Jahre warund das heute noch tut, sieht, dass wir heute nochdarunter leiden, was auf den ehemaligen Stand-orten rund um Ronneburg und der Wismut passiertist. Die Altlastenentsorgung um Ronneburg ist nachwie vor im Gang, sie wird noch einige Jahre andau-ern. Wir haben ein echtes Problem, weil jenseitsder kartierten Flächen, um die sich die Wismutkümmert, weiterhin Altlasten schwelen, um die sichkeiner kümmert. Wir brauchen eine vernünftige Kar-tierung. Und spätestens - wer sich das mal an-schaut und sich mit kirchlichen Umweltgruppenoder anderen, die sich um Ronneburg kümmern,auseinandersetzt, wird hören, es ist kurzsichtig zumeinen, dass ein Atomkraftwerk von allein läuft unduns das in Thüringen nichts angeht. Viertes Argu-ment also: Blicken Sie nach Ronneburg und Sie se-hen, Thüringen geht dieser Ausstieg aus dem Aus-stieg etwas an.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Fünftens - Großquellentransporte auf ThüringensStraßen: Da haben wir eindrücklich vor zwei Mona-ten hier gehört, in dem einen Ministerium gibt esdazu keinen Vorgang, keinen Vorgang zu der Fra-ge, wie oft 2009 Kobalt 60 über Thüringens Straßengefahren ist. Keine Antwort auf die Frage, wie oft esjenseits davon gemacht wird, keine Antwort auf dieFrage, was ist denn jetzt, wenn die nächsten Trans-porte von Ahaus nach Polen geplant sind, über wel-che Straßen wollen die eigentlich. Ich frage Sie alsoernsthaft, wie kann man sich hier hinstellen undmeinen, das ginge uns in Thüringen nichts an? Ichfinde, das geht uns sehr wohl etwas an.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist grob fahrlässig, so zu tun, als sei die Verlän-gerung der Laufzeiten für Atomkraftwerke etwas,was in Berlin stattfindet und uns hier nicht tangiert.Das ist skandalös und ich bitte um eine ernsthafteDebatte darum, wie wir hier in Thüringen umsteu-ern wollen und was unser Beitrag aus Thüringenist, um umzusteuern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Frau Abgeordnete, Ihre Redezeit ist zu Ende.

Vielen Dank, Frau Siegesmund. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Worm von der CDU-Frak-tion.

Abgeordneter Worm, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Frau Siegesmund, nur kurz ein Zitat vonJürgen Trittin, als Rot-Grün in Verantwortung war:„Gegen diese Transporte sollten Grüne in keinerForm sitzend, stehend, singend, tanzend demon-strieren.“ Das war Jürgen Trittin original.

(Beifall FDP)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, vor gut 14 Tagen,am 28. Oktober, entschied der Bundestag in einerhoch emotionalen Debatte die Verlängerung derAKW-Laufzeiten um durchschnittlich 12 Jahre.Dass diese Entscheidung durchaus kontrovers dis-kutiert und gesehen wird, ist unstrittig, das merkenwir ja hier. Und wenn selbst BundestagspräsidentNorbert Lammert scharfe Kritik an Form und Inhaltder Gesetze zur Verlängerung der Laufzeiten undim Vorgehen der Bundesregierung in der Sacheübt, selbst dem gewählten Beratungsverfahren denVerdacht mangelnder Sorgfalt unterstellt, so ist dasdurchaus nachdenkenswert.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Auch die Art, wie der Atom-Deal

(Zwischenruf Abg. Hausold, DIE LINKE: Daswar nur ein Deal?)

(Beifall DIE LINKE)

und die Verständigung der Bundesregierung mitden Energiekonzernen kommuniziert wurde, istauch alles andere als ideal zu bezeichnen.

Dass dies natürlich in erster Linie - diese Verlänge-rung der Laufzeit der AKW - eine Form ist, die auchder Protestbewegung neues Leben eingehauchthat, steht doch an dieser Stelle auch völlig außerFrage. Längere Laufzeiten bedeuten auch mehr

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2951

(Abg. Siegesmund)

Atommüll - völlig unstrittig. Ich will noch mal kurzdie Proteste in Gorleben beschreiben: Fast 20.000Polizisten sind beim Schutz des Castor-Transportszum Einsatz gekommen, dass der Polizeieinsatzäußerst schwierig und kräftezehrend war, dass diePolizisten oftmals bis an die Belastungsgrenze ge-fordert waren und auch 131 Polizisten im Einsatzverletzt wurden, das steht unter anderem als Bilanzdieses 12. Castor-Transports.

Ich denke und halte es für angemessen, allen Ein-satzkräften für ihr besonnenes und angemessenesHandeln während dieses Einsatzes zu danken.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Trotzdem sehen wir als CDU Fraktion die Kern-energie und deren Nutzung als einen derzeit not-wendigen Bestandteil eines zukünftigen Energiemi-xes. Die Energieversorgung in Deutschland bedarfeiner langfristigen tragfähigen Grundlage und darfnicht nur unter ideologischen Gesichtspunkten be-wertet werden.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Wohinmit dem Müll?)

Denn nicht nur in Thüringen erwarten Wirtschaftund Stromkunden Versorgungssicherheit und be-zahlbare Strompreise. Bei aller Begeisterung für er-neuerbare Energien, mir ist nicht bekannt, dassdurch die mittlerweile gut 18.000 Windkrafträder inDeutschland auch nur eines der herkömmlichenKohlekraftwerke vom Netz genommen werdenkonnte.

(Beifall FDP)

Das hat sicher was mit ihrer unstetigen Arbeitswei-se zu tun, aber auch mit den mangelnden Speicher-möglichkeiten für die erzeugte Energie.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Weil Ihr nicht wollt.)

Diese Herausforderung - völlig klar - gilt es zu mei-stern. Deshalb bedarf es auch dieser Brückentech-nologie für einen gewissen Zeitraum. Außer Fragesteht jedoch der sukzessive Ausbau der erneuerba-ren Energien. Die Zielstellung ist uns hierbei allenbekannt. Warum allerdings die Bundesregierung -und hier auch noch mal Kritik - bei diesem Atom-kompromiss nicht über einen Fonds in Bezug aufdie Frage der Finanzierung eines Endlagers nach-gedacht hat, sondern auch zukünftig ein ganzesStück weit dem Steuerzahler diese Kosten aufbür-det, ist nicht nur für mich unklar.

Hinsichtlich der Konsequenzen der Laufzeitverlän-gerung für Thüringen kann gesagt werden, dassdiese Entscheidung nicht unbedingt auf Begeiste-rung bei den kommunalen Versorgern stößt. Inve-stitionsentscheidungen und Strategien werden der-zeit überdacht. Die finanziellen Auswirkungen fürden Freistaat sind differenziert zu betrachten. Kurz-

fristig könnte Thüringen durch die Möglichkeit derAnrechnung der Brennelementesteuer auf Körper-schafts- und Gewerbesteuer im Rahmen des Län-derfinanzausgleichs finanzielle Einbußen erleiden.Langfristig profitiert Thüringen durch die Gewinneder AKWs, die das Steueraufkommen auch im Rah-men des Länderfinanzausgleichs steigen lassenwerden.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Für einen hoffentlich niemals eintretenden Störfalleines Kernkraftwerks in einem der benachbartenBundesländer steht nach meinem Kenntnisstandein Konzept der Landesregierung zur Verfügung,das im Ereignisfall insbesondere die Alarmierungund Information der Bevölkerung sowie die Logistikfür die Verteilung von Jodtabletten enthält.

Zum Abschluss empfehle ich bei diesem Thema imHinblick auf die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlandsdurchaus auch immer gerne einen Blick auf denRest der Welt. Hier ist es offensichtlich, dass in Be-zug auf die Zahl der geplanten und der sich im Baubefindlichen neuen Atomkraftwerke eher alles aufeine Renaissance der Kernenergie hindeutet. Vie-len Dank.

(Beifall CDU)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Worm. Als Nächs-ter spricht der Abgeordnete Kummer von der Frak-tion DIE LINKE.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! HerrWorm, in der NVA hat man versucht, den Soldatenzu erklären, dass die Schutzanzüge, die es gab, voreinem Atomschlag geschützt hätten. Ähnlich ist dasmit den Sicherheitsvorkehrungen gegenüber ato-maren Unfällen in benachbarten Kernkraftwerken.Auch da wird uns nichts wirklich helfen, wenn esdenn passieren sollte.

Meine Damen und Herren, aus diesem Grund for-dert DIE LINKE seit Jahren den schnellstmöglichenAusstieg aus der Kernenergieerzeugung und dabeibleiben wir.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Die Aufkündigung des Atomausstieges durch dieLaufzeitverlängerung von der schwarz-gelben Bun-desregierung wird von uns kategorisch abgelehnt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Wir sehen darin ein Versagen der Politik, ein Ein-knicken vor der Wirtschaft und ich will im Zusam-menhang mit den massiven Protesten gegen die

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(Abg. Worm)

Castor-Transporte, die glücklicherweise als ein Auf-begehren gegen dieses Versagen der Politik statt-gefunden haben,

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

eins sagen: Am Beispiel Gorleben wird uns heutenoch erzählt, dass dort ein sicheres Endlager mög-lich wäre.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Die Asse ist abgesoffen.)

Wenn ich an die Asse denke, Frau Rothe-Beinlich,dann zeigt sie deutlich, wie Sicherheitsversprechensich immer wieder als Lügen entpuppt haben unddass die Menschen das nicht mehr glauben wollen,das ist doch wohl nachvollziehbar.

(Beifall DIE LINKE)

Genauso sieht es aus mit der Sicherheit von Kern-kraftwerken.

Meine Damen und Herren, in Gorleben waren auchThüringer Polizisten im Einsatz. Für unsere Frak-tion möchte ich hier deutlich sagen: Wir wollenauch nicht mehr, dass Thüringer Polizisten zur Si-cherheit dieser Transporte herangezogen werden.Wir wollen den Ausstieg und dazu muss auch dieVermeidung solcher Transporte dienen und wir dür-fen das nicht unterstützen, auch nicht durch denEinsatz unseres Personals.

(Beifall DIE LINKE)

Meine Damen und Herren, ich möchte noch deut-lich machen, dass von den Kernkraftwerken, wenndie Laufzeitverlängerung so kommt, wie das dieBundesregierung im Auge hat, auch ein höheresRisiko ausgeht. Denn auch diese Anlagen unterlie-gen einem Verschleiß. Es gibt wissenschaftlicheStudien, die sich mit diesen Fragen beschäftigen.Die Gelder, die die Atomindustrie einplant, um dieSicherheit ihrer Kernkraftwerke auch entsprechendder Laufzeitverlängerung anzupassen, werden vondiesen Experten als deutlich zu wenig eingeschätztund hier gibt es massive Bedenken.

Ich will im Zusammenhang mit Unfällen noch malan Tschernobyl erinnern. Tschernobyl war weitweg. Trotzdem haben wir in Thüringen heute immernoch Nachwirkungen dieses Gaus zu verzeichnen.Es werden in Thüringen heute immer noch in vierRegionen Wildschweine untersucht, ob ihr Fleischradioaktiv belastet ist infolge von Starkregenereig-nissen nach Tschernobyl. Sie glauben doch nichternsthaft, dass wir irgendwelchen Katastrophenentgehen können, die in Deutschland stattfinden.Da wird es in Thüringen kein Leben mehr geben.

(Beifall DIE LINKE)

Wir hatten - das hat Frau Siegesmund vorhin ange-sprochen - in Thüringen auch Uranbergbau. Ich will

dort anknüpfen, was sie gesagt hat. Ich will aberauch noch eines dazu sagen. Die Gier nach Uranwird auch durch die Laufzeitverlängerung immergrößer. Wir haben in Thüringen noch bedeutendeLagerstätten. Es muss klar sein, dass diese Lager-stätten nicht mehr angefasst werden. In Thüringendarf es keinen Uranbergbau mehr geben.

(Beifall DIE LINKE)

Noch zu dem Punkt „Gefahr für den Ausbau dezen-traler und erneuerbarer Energien“. Wir haben hierin Thüringen viel erreicht. Darauf sind wir zu Rechtstolz. Wir haben einen guten Stand bei erneuerba-ren Energien und wir haben im Bundesdurchschnittgesehen eine überdurchschnittliche Versorgung mitFernwärme, eine überdurchschnittliche Dichte vonBlockheizkraftwerken, gerade durch unsere Stadt-werke.

(Zwischenruf Abg. Mohring, CDU: Wer hatdas gemacht? Die CDU.)

Herr Mohring, ich will jetzt nicht sagen, dass Sie damal auf etwas Positives aus der DDR aufbauenkönnen, gerade was die dezentrale Energieversor-gung aus den Stadtwerken angeht. Die Großkon-zerne erhalten einen eindeutigen Konkurrenzvorteildurch die Laufzeitverlängerung durch die Atom-kraftwerke, weil die abgeschriebenen Kraftwerkenatürlich zu deutlich niedrigeren Preisen Strom an-bieten können. Deutlich niedrige Preise aber nurdeshalb, weil gesellschaftliche Folgekosten ver-nachlässigt werden bei der Preisgestaltung. Des-halb entsteht hier eine Konkurrenz zum Aufbauneuer, sinnvoller Energieerzeugung durch diesenAusstieg aus dem Ausstieg, die wir nicht zulassendürfen. Die Kostendiskussion, die gleichzeitig vonden Atomkonzernen betrieben wird, wo erneuerba-re Energien sukzessive madig gemacht werden, wojetzt schon wieder angeprangert wird, wie teuer derSolarstrom für den Kunden kommt, das ist eine ver-logene Diskussion, wenn man betrachtet, dass zumBeispiel die Polizeieinsätze, wie sie jetzt beim Ka-stortransport stattgefunden haben, vom Steuerzah-ler bezahlt werden, dass viele Fragen, viele Unsi-cherheiten in Bezug auf die Entsorgung auch demSteuerzahler angelastet werden. Dem müssen wirein Ende bereiten. Deshalb brauchen wir denschnellstmöglichen Ausstieg aus der Kernkraft.Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Weber von der SPD-Frak-tion.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2953

(Abg. Kummer)

Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Präsidentin, verehrte Gäste, liebe Kolleginnenund Kollegen! Herr Kollege Worm, das, was Sieeben ausgeführt haben, zeugt - entschuldigen Siebitte - nicht besonders von energiepolitischer Kom-petenz.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie von einer Renaissance der Kernenergiesprechen, dann lassen Sie die Fakten völlig außerAcht. Weltweit befinden sich derzeit 50 Atomkraft-werke im Bau - weltweit. Nach dem Statusberichtder Atomindustrie werden bis zum Jahr 2015 95und bis zum Jahr 2025 weitere 192 Kraftwerke vomNetz genommen. Das letzte Atomkraftwerk, was inden USA bestellt wurde, wurde 1972 in Auftrag ge-geben - wir reden über Watts Bar 2 - und das wirdvoraussichtlich 2012 nach 40 Jahren Bauphase fer-tiggestellt. Wer unter diesen Bedingungen von einerRenaissance der Kernkraft redet, der weiß nicht,was in der Welt passiert.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

(Zwischenruf Abg. Worm, CDU: …das sinddie Fakten.)

Erzählen Sie doch nichts von China. 50 AKW sindweltweit im Bau - 50 Atomkraftwerke, keines mehr -und es werden fast 300 von den insgesamt 483, diewir haben zurzeit, bis 2025 vom Netz genommenund 50 werden neu gebaut. Das ist ein Fakt. Werda von einer Renaissance redet, der weiß wirklichnicht, was passiert in der Welt. Aber es ist ein un-glaublicher Vorgang, dass ein gesellschaftlicherKonsens, wie er gefunden wurde von Rot-Grün in2001, der alle Gruppen - die Befürworter, diejeni-gen, die demonstriert haben, diejenigen, die Angsthatten vor dieser Technologie - unter einen Hut ge-bracht hat und gemeinsam diesen Kompromiss zu-stande gebracht hat, Kraftwerke in der Laufzeit zubegrenzen, dass dieser Konsens ohne Sinn, ohneNot, allein aufgrund von Lobbyinteressen aufgekün-digt worden ist. Völlig absurd, völlig absurd!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Die Frage der Aktuellen Stunde ist die Auswirkun-gen für Thüringen. Es gibt eine Prüfung des Justiz-ministeriums in der Frage, ist der Bundesrat zu be-teiligen? Die Antwort ist ein klares Ja. Meines Er-achtens gibt es auch andere Ministerien, die sichdieser Position anschließen. Wir werden erwarten,was das Kabinett in dieser Frage ausführen wird.Es gibt also schon deshalb Auswirkungen, weil wirzu entscheiden haben, wie gehen wir mit dieserFrage um im Bundesrat. Darüber hinaus gibt esAuswirkungen in Thüringen, weil natürlich wir allebetroffen sind, wenn es zum atomaren Störfallkommt. Der macht ja nicht vor Thüringer Landes-

grenzen halt. Deswegen sind alle Thüringer auchbetroffen von den Auswirkungen einer gefährlichenTechnologie. Es sind unzählige zukünftige Genera-tionen davon betroffen, wenn wir sie jedes Jahr mit400 t mehr atomarem Müll belasten, 400 t jedesJahr der Laufzeitverlängerung werden mehr an ato-marem Müll erzeugt. Das belastet zukünftige Gene-rationen überall in Deutschland und auch in Thürin-gen. Aber auch wirtschaftlich ist der Freistaat be-troffen. Nach Angaben des Finanzministeriums feh-len im Landeshaushalt voraussichtlich 10 Mio. €durch die Beschlussfassung des Bundes. Es gibtdes Weiteren Verluste allein durch die Absetzbar-keit der Kernbrennstoffsteuer. Es gibt des WeiterenVerluste, die auf uns zukommen werden durch dieAnrechenbarkeit der Brennelementesteuer. Daswird weitere Löcher reißen, die kann man momen-tan noch nicht in Zahlen definieren, aber die wird esgeben. Hinzu kommen Verluste der Stadtwerke.Frau Kollegin Siegesmund hat es schon angespro-chen, in Jena sind es im Übrigen allein 3 Mio. €. InErfurt wird es eine ähnliche Dimension haben. Ichhabe vorhin die Möglichkeit gehabt, mit dem Ober-bürgermeister zu telefonieren, der hat mir das ander Stelle noch einmal bestätigt. Das heißt, dassind die Auswirkungen fiskalischer Art und es gibteine weitere Auswirkung; das ist nämlich die Aus-wirkung, die es hat auf den Thüringenstandort fürerneuerbare Energien. 6,6 Mrd. € Wertschöpfungim kommunalen Sektor kommen durch erneuerbareEnergien - 6,6 Mrd. €. Wir wissen, dass diese Poli-tik der Energietechnologie der Vergangenheit dieErneuerbaren bremst, es ist ein Bremsklotz am Fußder erneuerbaren Energien. Wir werden uns imAusschuss für Wirtschaft, Arbeit und Technologiemit einem entsprechenden Antrag zu befassen ha-ben. Es gibt eine klare Position der SPD-Fraktion,daran wird sich nichts ändern, da gibt es auch kei-nen Kompromiss. Thüringen wird auch keiner Lauf-zeitverlängerung zustimmen, wenn es zur Be-schlussfassung im Bundesrat kommt. HerzlichenDank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Weber. Als Nächs-ter spricht der Abgeordnete Uwe Barth von derFDP-Fraktion.

Abgeordneter Barth, FDP:

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen undKollegen, die Bundesregierung hat vor einigen Wo-chen ein Energiekonzept beschlossen, in dem zumersten Mal in der Geschichte dieser Republik zumeinen das strategische Ziel, nämlich des Umbaushin zu erneuerbaren Energien, mit dem langfristignotwendigen Ziel, nämlich des Erhaltens der Ver-

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sorgungssicherheit intelligent und strategisch ver-knüpft wird. 80 Prozent Anteil erneuerbare Ener-gien bis 2050,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist ja ein Witz.)

80 Prozent Verringerung des CO2-Ausstoßes bis zudiesem Zeitpunkt und 50 Prozent Reduzierung desEnergieverbrauchs durch Erhöhung der Energieeffi-zienz, das sind klare Ziele, die in diesem Konzeptvereinbart sind. Dieser Landtag hat sich in einemAntrag der Koalitionsfraktionen und der FDP mitgroßer Mehrheit grundsätzlich auch zustimmend zudiesen Zielen geäußert.

(Beifall FDP)

Nun haben, liebe Kolleginnen und Kollegen, insbe-sondere die GRÜNEN das Thema neu als parteipo-litisches Kampfthema entdeckt und beglücken unshier mit dieser Aktuellen Stunde. Ich will auf drei,vier Punkte eingehen, die hier in der Debatte ge-nannt worden sind.

Punkt 1 - die Frage der Sicherheit: Durch den soge-nannten Atomausstieg, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, der rot-grünen Bundesregierung sind in Wahr-heit seit dem Jahr 2001 wichtige Nachrüstungen imBereich der Sicherheit in den Atomkraftwerken aus-geblieben. Das hat Ihr eigener Experte bei einerAnhörung des Bundestags so zu Protokoll gege-ben, und das deshalb, weil Sie etwas getan habenbei Ihrem Ausstieg, was schlicht inakzeptabel ist,liebe Kollegen von den GRÜNEN, Sie haben näm-lich politischen Gewinn gegen Sicherheit einge-tauscht.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Wir?)

Weil Sie vorhin, Frau Siegesmund, hier von einemGeheimvertrag gesprochen haben, der für jedenzugänglich im Netz war - Sie meinten jetzt den ak-tuellen. Ich zitiere jetzt einmal aus einem wirklichenGeheimvertrag aus dem Jahr 2001, in dem es näm-lich im Zusammenhang

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das war doch vorher.)

mit dem rot-grünen Ausstieg heißt: „Während derRestlaufzeiten wird die Bundesregierung keine In-itiative ergreifen, um den Sicherheitsstandard zuändern.“ Dieses Papier trägt die Unterschrift vonGerhard Schröder und von Jürgen Trittin, der da-mals zuständiger Bundesumweltminister war, mei-ne sehr verehrten Damen und Herren.

(Beifall FDP)

Ich habe selbst mal Aufsicht gemacht und deshalbweiß ich, dass das schlicht amtspflichtwidrig ist,wenn man dem Adressaten einer Aufsicht zusi-chert, dass man die Anforderungen nicht ändern

wird. Das darf man nicht tun, wenn man zuständigund verantwortlich ist für

(Beifall FDP)

Aufsicht und Sicherheit, und Sie haben das in ei-nem Geheimvertrag getan.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das müssen Sie vollständig er-zählen.)

Ich weiß, dass Ihnen das nicht gefällt, aber dasmüssen Sie sich, liebe Kollegen, an dieser Stelleschon mal anhören.

Punkt 2 - das Thema Endlager: In Wahrheit, liebeKolleginnen und Kollegen, ist die Endlagerfrage of-fen, das wissen alle, aber es hat auch in den elfJahren zwischen 1998 und 2009, als rote und grü-ne Umweltminister im Bund regiert haben, in Wahr-heit keinen einzigen Schritt in Richtung Lösung die-ses Problems gegeben.

(Beifall FDP)

Kollege Worm hat vorhin einmal vorgetragen, wasHerr Trittin, als er Verantwortung hatte, an Kreisver-bände der GRÜNEN geschrieben hat. Ihre Vorsit-zende Frau Roth ist vor wenigen Jahren noch vorKameras und Demonstranten davongelaufen, imLaufschritt geflohen, als die etwas von ihr wollten,zu der Zeit, als Sie nämlich Verantwortung trug.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Beifall FDP)

Heute setzen Sie sich gemeinsam mit den Demon-stranten dorthin. Liebe Kolleginnen und Kollegen,das ist unglaubwürdig wie nur etwas.

(Beifall FDP)

Man kann ja gegen Kernenergie sein, man kannKernenergie ablehnen, aber man kann nicht igno-rieren, meine liebe Kollegen, dass sie seit 40 Jah-ren in diesem Land betrieben wird und dass des-halb natürlich die Endlagerfrage gelöst werdenmuss. Wer sie so sträflich vernachlässigt und aufdie lange Bank schiebt wie Sie, macht sich un-glaubwürdig, wenn er sich heute mit den Demon-stranten dort an eine Stelle setzt, liebe Kollegen.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Sie müssen es ja wissen,Herr Barth.)

Der 3. Punkt ist die Frage des Umbaus zu den er-neuerbaren Energien: Erstmalig, liebe Kollegen,werden mit dem Energiekonzept der Bundesregie-rung auch die Atomkonzerne, wie Sie sie immernennen, an den Kosten beteiligt für den Umbau zuden erneuerbaren Energien.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2955

(Abg. Barth)

(Beifall FDP)

Ich lese Ihnen noch einmal vor aus dem ebenschon zitierten Vertrag, was Sie mit den Konzernendamals vereinbart haben - Gerhard Schröder undJürgen Trittin -,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ach Sie!)

da heißt es: „Die Bundesregierung wird keine Initia-tive ergreifen, mit der die Nutzung der Kernenergiedurch einseitige Maßnahmen diskriminiert wird.Dies gilt auch für das Steuerrecht.“ Das heißt, Siehaben den Damen und Herren von den von Ihnenso gescholtenen Atomkonzernen den Status quo,auch den finanziellen, gesichert und haben ihnengesagt, ihr könnt eure Gewinne weiter einstreichen.Wir, die Bundesregierung aus

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

FDP und CDU, sind es, die die Konzerne jetzt amUmbau zu den erneuerbaren Energien beteiligt, diedafür sorgt, dass Gewinnbeteiligungen genutzt wer-den für den notwendigen Netzumbau, für die Frageauch der Forschung gerade zu Speichertechnologi-en und vielem anderen mehr.

In der Konsequenz, liebe Kolleginnen und Kollegen,egal ob man Kernenergie für ein notwendiges Übeloder für eine Übergangstechnologie hält, bleibt fest-zuhalten, dass auch für Thüringen wie für alle an-deren deutschen Länder gilt, die Frage der Sicher-heit ist genauso relevant, ob in Philippsburg es zueinem Störfall kommt, in Temelin oder in Cattenom.Wir werden in die Sicherheit bei Notwendigkeit neuinvestieren. Die Endlagerfrage wird angegangen.

Präsidentin Diezel:

Herr Abgeordneter!

Abgeordneter Barth, FDP:

Ich bin bei meinem letzten Satz, Frau Präsidentin.Die Beteilung der Konzerne an den Kosten desUmbaus ist gesichert. Damit ist das klare Ziel, hinzu erneuerbaren Energien, endlich in greifbare Nä-he gerückt. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitereWortmeldungen von Abgeordneten? Liegen mirnicht vor. Möchte die Landesregierung sprechen?Bitte sehr, Herr Staatssekretär Staschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, ich bin schon etwas überrascht,wie unterschiedlich doch die Blickweise sein kann

auf dieses Thema. Herr Abgeordneter Barth, Siehaben in Ihrer Aufzählung Schweinfurt, Grafen-rheinfeld vergessen. Das ist hier sehr nahe an Thü-ringen dran.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich habe mal in Schweinfurt gewohnt und habe mitBlick aus dem Zimmer immer auf dieses Werk ge-schaut. Da ist einem nicht immer wohl zumute.

Ich danke für die Beantragung dieser AktuellenStunde. Es ist wichtig, dass wir uns damit ausein-andersetzen. Die Frage nach den Auswirkungensteht hier im Mittelpunkt für Thüringen, die Auswir-kungen der Laufzeitverlängerungen von Atomkraft-werken. Ich denke, diese Frage ist durchaus be-rechtigt. Denn die Auswirkungen gibt es, sie gibt esfür unsere Umwelt, sie gibt es für unsere Wirtschaft,es gibt Auswirkungen für unsere Energiesicherheit,für unsere Stadtwerke, für unsere nachfolgendenGenerationen, für Thüringen.

Sehr geehrte Damen und Herren, lassen Sie michanfangs auch in Richtung Frau Siegesmund nocheinmal kurz sagen: Im Vorfeld gab es ja auch dieeine oder andere Debatte, wer sich wie zu verhal-ten hätte oder gehabt hätte in den Tagen im Rah-men zu diesem Thema. Ich glaube, die Meinungenund die Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums,insbesondere auch des Ministers, zu dem Thema„erneuerbare Energien“ oder „Greentec“ sind be-kannt, landes-, bundesweit und auch internationalübrigens anerkannt.

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung: Manchmalscheint es so, dass es hier einen Wettbewerb umdie Ideen geben sollte. Das ist manchmal ganz gut,aber man darf auch nicht neidisch sein, wenn dasWirtschaftsministerium

(Beifall SPD)

manchmal so ein bis zwei Schritte voraus ist.

Sehr geehrte Damen und Herren, ich möchte einBild aufnehmen, das Uwe Höhn benutzt hat unddas, glaube ich, hier in diese Situation sehr gut her-einpasst. Uwe Höhn, der Fraktionsvorsitzende derSPD, hat vor Kurzem gesagt, die Große Koalitionist wie eine Ehe. Da muss man Probleme lösen, dieman allein gar nicht hätte. In dieser Situation, findeich, sind wir hier so ein bisschen bei dem ThemaAtomausstieg und der Frage, ob die Bundesländeran der Entscheidung zur Verlängerung der AKW-Laufzeiten beteiligt werden müssen.

Unser Justizminister hat eine klare Meinung dazu.Er ist nach der Auswertung verschiedener Gutach-ten zu dem Ergebnis gelangt, dass es bei einer ent-sprechenden Änderung des Atomgesetzes der Zu-stimmung des Bundesrats bedarf. Das deckt sichübrigens sowohl mit der Auffassung einiger andererBundesländer als auch mit der Mehrzahl der Gut-achten für das Bundesumweltministerium und die

2956 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Barth)

Länder, darunter auch Schleswig-Holstein. Was ichheute auch nicht verschweigen möchte: Es gibt ei-ne klare Beschlussfassung im Justizausschuss desBundesrates, der dies auch so sieht.

Kommen wir also zu den Konsequenzen der Lauf-zeitverlängerung der AKW, die für mich eine veral-tete Technologie ist, deren Blaupausen übrigens -das ist heute auch schon in einem Redebeitrag an-geklungen - aus den 60er- und 70er-Jahren stam-men. Meine Damen und Herren, das war die Zeit, inder sehr tollkühne Männer mit Kisten zum Mond ge-flogen sind, die vom TÜV heute nicht mal mehr alsKirmesbelustigung zugelassen werden würden.

(Beifall SPD)

Ganz klar, das Festhalten steht uns beim Weg in ei-ne wettbewerbsfähige wirtschaftliche Zukunft - wervon den Leitmärkten der Zukunft profitieren möchte,muss jetzt die Weichen für erneuerbare Energienstellen. Das ist das Credo unseres Hauses. DieKonkurrenz schläft nicht. Die neuen ökologischenTechnologie- und Produktionscluster bilden sichjetzt und nicht erst in 10 Jahren, Herr Barth, aus.

Was sind die ganz konkreten und direkten Auswir-kungen einer Laufzeitverlängerung? Es ist zu be-fürchten, dass die Pläne der Thüringer Landesre-gierung dadurch gefährdet werden. Ich zitiere ein-mal unseren Koalitionsvertrag,

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das wäre ei-ne Idee.)

ein sehr guter Koalitionsvertrag, ein sehr guter Parthieraus: „Eine dauerhafte und sichere und bezahl-bare Energieversorgung gehört zu den wichtigstenZukunftsthemen unserer Zeit. Energie ist der Motorunserer Wirtschaft und die Grundvoraussetzung fürWohlstand und Lebensqualität.“ Ich weiß nicht, obSie da anderer Meinung sind, ich glaube, aber an-sonsten gibt es darüber einen gesellschaftlichenKonsens. So steht es in der Koalitionsvereinbarung.Die Laufzeitverlängerung stellt einen erheblichenEingriff in den Wettbewerb auf dem deutschenStrommarkt dar. Durch diese Laufzeitverlängerung- und das konnten wir nicht nur in einschlägigen Pu-blikationen lesen, das können Sie überall nachle-sen und nachrechnen - wird den AKW-Betreibernein fetter Zusatzgewinn verschafft. Diese Zementie-rung der Marktstrukturen hat sowohl das Bundes-kartellamt als übrigens auch der Vorsitzende derMonopolkommission bemängelt. Die Annahme,dass die Laufzeitverlängerung automatisch zu nied-rigen Strompreisen führt, widerspricht auch allenbisherigen Erfahrungen, denn dann müsste derStrompreis bei Weitem wesentlich günstiger sein.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Die zeigen vielmehr, dass die niedrigen Stroment-stehungskosten für Atomstrom gerade nicht an denVerbraucher weitergegeben wurden. Der einstmals

vereinbarte Ausstieg aus der Kernenergienutzunghat neue Marktlücken und Chancen auch für kleine-re Energieversorgungsunternehmen eröffnet. Gera-de auch viele Stadtwerke - Sie sind ja auch aus Je-na - haben ihre Investitionen und Investitionspla-nungen seit Jahren auf der Planungsgrundlage desAtomausstiegs vorgenommen. Die Investitionen,die im Vertrauen auf den Ausstieg getätigt wurden,sind jetzt durch die Laufzeitverlängerung entwertet.Aber nicht nur bereits erfolgte Investitionen derkommunalen Unternehmen sind betroffen, sondernauch künftige Investitionen von kommunalen Unter-nehmen. Diese werden nun auf den Prüfstand ge-stellt, weil sie sich angesichts des günstigen Atom-stroms möglicherweise nicht mehr rentieren. NachAussage des Verbandes kommunaler Unterneh-men befinden sich bei den kommunalen Unterneh-men derzeit Kraftwerkskapazitäten von 8.500 MWmit einem Investitionsvolumen von ca. 12,5 Mrd. €im Bau, im Genehmigungsverfahren oder in Pla-nung. Durch die Laufzeitverlängerungen werdennun vor allem die in Planung befindlichen Kapazitä-ten in Höhe von 5.000 MW mit einem Investitions-volumen von 6 Mrd. € infrage gestellt. Die Konse-quenzen treffen natürlich auch Thüringen; bereitsdie Veränderungen beim EEG hatten entsprechen-de Auswirkungen gezeigt. In Thüringen haben sichrund 50 Firmen als Produzenten, Ausrüster oderZulieferer der Solarbranche mit über 5.000 Mitar-beitern angesiedelt und vor allem die Regionen umErfurt, Jena und Ilmenau haben sich zu Spitzenre-gionen innerhalb des Solarvalley Mitteldeutschlandentwickelt. Keine weitere deutsche Region verfügtüber eine solche Dichte an Solarunternehmen. Esist davon auszugehen, dass die AKW-Laufzeitver-längerung auch Konsequenzen für diese Firmenund ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter habenwird.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ähnlich wiedie Absenkung.)

Ähnlich wie die Absenkung. Es gibt bereits Unter-nehmen, die entsprechende Konsequenzen darausziehen und leider Gottes auch darüber nachdenkenmüssen, inwieweit sie die Mitarbeiterinnen und Mit-arbeiter halten können. Da gibt es auch bereits Ge-spräche mit dem Wirtschaftsministerium. Das kannich Ihnen nicht anders sagen. Auch das hat schonKonsequenzen, Herr Barth. Das ist nicht geradewirtschaftsfreundliche Politik,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

denn die Betreiber der Kernkraftwerke dürften vor-erst ein geringeres Interesse am Ausbau der erneu-erbaren Stromerzeugung und der entsprechendenUmstrukturierung des Stromnetzes haben. Denn jestärker der Ausbau - das wissen Sie alle genau -der Erneuerbaren, desto mehr wird die Wirklichkeitvon Grundlastkraftwerken beeinflusst. Das ist doch

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(Staatssekretär Staschewski)

in der Fachwelt unumstritten. Kernkraftwerke sindnicht der geeignete Partner der Erneuerbaren, mei-ne Damen und Herren. Mit einem zunehmendenAnteil der Erneuerbaren steigt nämlich der Bedarfan Flexibilität im konventionellen Kraftwerkspark. Jegrößer die Erzeugungskapazitäten der erneuerba-ren Energien und ihr Anteil an der Stromproduktionwerden, desto weniger werden die klassischenGrundlastkraftwerke benötigt. Zuzeiten hoher Ein-speisung von Strom aus erneuerbaren müssten dieKernkraftwerke komplett heruntergefahren werden;dass das nicht geht, wissen wir alle.

Lassen Sie mich abschließend noch einmal aufeinen Punkt kommen, der jenseits aller energiewirt-schaftlichen und energietechnischen Abwägungenist. Es geht in der Politik meistens und oftmals umVerlässlichkeit im politischen Handeln. Es ist in derDiskussion in diesem Hause schon öfter angespro-chen worden - in den letzten Sitzungen, aber auchschon in dieser -, wenn bestehende Verträge, diefür lange Zeit geschlossen wurden, nicht erfüllt wer-den und damit das Vertrauen derer, die auf denFortbestand dieser Verträge gesetzt haben, miss-achtet wurde, dann geht es auch immer um die Fra-ge von Verlässlichkeit in der Politik. Wir brauchenaber Verlässlichkeit in der gemeinsamen Arbeit. Ichdanke Ihnen vielmals.

(Beifall SPD)

Präsidentin Diezel:

Danke schön. Ich sehe eine weitere Wortmeldungaus der Landesregierung. Herr Minister Schöning,bitte.

Dr. Schöning, Minister für Bundes- und Euro-paangelegenheiten und Chef der Staatskanzlei:

Sehr verehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, ich dankezunächst dem Kollegen Staschewski für seinen in-haltlichen Beitrag. Sie kennen ja das bekannteSprichwort: „Wer A sagt, muss auch B sagen.“ Ichmöchte es etwas umwandeln: „Wer A hört, sollteauch B hören.“

(Beifall CDU, FDP)

Das ist in einer Großen Koalition auch nichts Unge-wöhnliches und es gibt auch überhaupt keinen Stofffür Schlagzeilen, dass wir einmal wieder zerstrittensind. Sondern ich möchte nur darauf hinweisen,dass das Kabinett übereingekommen ist, dass wiruns mit diesem Thema am 23. November ausein-andersetzen und dabei im Rahmen der Vorberei-tung der Bundesratssitzung, die am 26. Novemberstattfindet, unsere Position festlegen. Es ist in demGesetz, das der Bundestag am 28. September aufAntrag der CDU/CSU und der FDP verabschiedethat, es ist diesem Gesetzesantrag selbst ganz klarzu entnehmen, dass das Gesetz nicht einer Zustim-

mungsbedürftigkeit durch den Bundesrat unterliegt.Ich sage aber auch - und das Parlament hat einenAnspruch, eine vollständige Information zu bekom-men -, das ist umstritten. Es gibt hier durchaus un-terschiedliche Positionen. Zunächst einmal ist diegrundsätzliche Frage, ob und inwieweit Gesetze,die ausschließlich die materiell-rechtlichen Rege-lungen des geltenden Atomgesetzes ändern - unddarum geht es hier -, ihrerseits der Zustimmung desBundesrates nach Artikel 97 c des Grundgesetzesbedürfen. Das Bundesverfassungsgericht hat sichzu dieser Frage bisher noch nicht positioniert. Aberunter Staats- und Verfassungsrechtlern werden zudieser Frage unterschiedliche Auffassungen vertre-ten, das ist bekannt. Ich will nur darauf hinweisen,dass etwa Prof. Dr. Rupert Scholz in seinem Gut-achten für das Bundesumweltministerium zu demErgebnis kommt, dass eine Zustimmungsbedürftig-keit nicht bestehe. Er weist insbesondere daraufhin, dass kein Eingriff in die organisatorische oderverfahrensrechtliche Verwaltungshoheit der Länderzu erkennen sei. Die quantitative Veränderung derauszuführenden Verwaltungsaufgaben der Länder,die mit der Verlängerung der Laufzeiten einherge-hen, auch sie führt zu keinem Zustimmungsrechtdes Bundesrates gemäß Artikel 87 c.

Ich will jetzt nicht weiter auf die Inhalte eingehenund verweise insoweit auf die Ausführungen desFraktionsvorsitzenden der FDP. Ich will hier nurdeutlich machen: Wenn die unterschiedlichen Posi-tionen im Kabinett am 23. November nicht zusam-mengeführt werden können, dann wird sich derFreistaat Thüringen am 26. November im Bundes-rat koalitionsbedingt enthalten.

(Beifall CDU, FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Wir haben noch Redezeit. Bitte schön,Herr Abgeordneter Barth hatte signalisiert und derAbgeordnete Gentzel.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich will nur auf einpaar Punkte kurz reflektieren, die der Herr Staats-sekretär hier ausgeführt hat. Zum Thema Stadtwer-ke und Verlässlichkeit, Herr Staatssekretär: CDUund FDP haben, glaube ich, von Anfang an nieeinen Zweifel daran gelassen, was wir von derideologisch-motivierten Verkürzung der Laufzeiten -denn darum handelt es sich beim Ausstieg in Wahr-heit - gehalten haben. Wir haben, glaube ich, nieeinen Zweifel daran gelassen, dass wir, wenn wir inVerantwortung kommen, diesen Ausstieg wiederrückgängig machen, wenn es einen Weg dazu gibt.Das haben wir getan. Wir sind trotzdem oder viel-leicht gerade deshalb gewählt worden und erwei-sen uns insofern, glaube ich, schon als verlässlich.Für die Stadtwerke gilt wie für jeden anderen Ener-

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(Staatssekretär Staschewski)

gieversorger auch, dass es bei Nutzung von erneu-erbaren Energien natürlich einen Einspeisevorrang,bei Nutzung von fossilen Energieträgern dieseneben nicht gibt. Das wussten auch die Stadtwerke,auch das gehört zur Frage der Verlässlichkeit.

Ach, und weil Sie bei der Grundlastgeschichte nochgewesen sind - natürlich, Sie wissen mindestens sogut wie ich, das unterstelle ich einfach mal, dass wirzum Beispiel bei der Windenergie einen Anteil ander installierten Leistung in Deutschland von fast 20Prozent haben, die Windenergie aber gerade ein-mal etwas über 5 Prozent am tatsächlichen Ener-gieaufkommen liefert. Das zeigt das Problem, wiegroß die Spanne zwischen installierter Leistung undtatsächlich abrufbarer Leistung ist, deswegen brau-chen wir auch grundlastfähige Kraftwerke, zu de-nen im Moment die Kernenergie - zu der man un-terschiedlich stehen kann, das gebe ich alles zu -gehört.

(Zwischenruf Staschewski, Staatssekretär:Investitionen ins Netz.)

Kollege Weber, weil Sie hier dargelegt haben, weralles beteiligt worden ist 2001 bei dem Ausstieg,auch mit Blick auf die Ausführungen des Herrn Mi-nister Schöning von eben, Sie haben einen nicht er-wähnt, nämlich die Länder. Das haben Sie deshalbnicht getan, weil Sie so gut wissen wie fast alle an-deren hier im Raum, dass Rot-Grün damals auchdavon Abstand genommen hat, den Bundesrat zubeteiligen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Wir haben Redezeit, Herr Abgeordne-ter Gentzel.

Abgeordneter Gentzel, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren! Herr Schöning, ich musste jetzt einfach vor-kommen, weil die Frage Bundesratsbeteiligung istnatürlich ein Thema, was uns interessiert und wasauch sehr kontrovers diskutiert worden ist. Ich fin-de, bei Ihren Ausführungen hat einfach was gefehlt.Mir ist schon klar, dass es hier auf das Gutachtenvon Rupert Scholz zurückzielt, aber die Landesre-gierung hat doch einen hervorragenden Verfas-sungsrechtler in den eigenen Reihen.

(Zwischenruf Abgeordneter Barth, FDP:Noch!)

Das werden wir zum anderen Zeitpunkt sehen. Ichsage, wenn wir hier in Thüringen sind und die eige-ne Thüringer Position beschreiben, hielte ich es fürangebracht, dass die Position des Verfassungs-rechtlers im Kabinett auch mal zur Kenntnis gege-ben wird, dann wäre Ihr Diskussionsbeitrag voll-ständig gewesen. Danke.

(Beifall SPD)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, gibt es weitere Wortmeldungen? Ichsehe, das ist nicht der Fall, dann schließe ich dieAussprache zur ersten Aktuellen Stunde und rufeden zweiten Teil

b) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion der FDP zum The-ma: "Voraussichtliche Erhö-hungen der Grund- und Gewer-besteuer aufgrund der vomLand angenommenen fiktivenSteuerhebesätze"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1756 -

Das Wort hat der Abgeordnete Bergner der FDP-Fraktion.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Meine Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, verehrteGäste. Der Blick in die „Ostthüringer Zeitung“ hatdieser Tage folgenden Bericht, den ich mit Ihrer Er-laubnis zitieren möchte, gebracht: „Wie Bürger-meister Stephan Büttner, Freie Wähler, am Mittwo-chabend in der Einwohnerversammlung im OrtsteilWolfersdorf informierte, sei auch Berga angesichtsder Gesetzeslage zum Kommunalen Finanzaus-gleich gezwungen, den Hebesatz der GrundsteuerB von 300 auf 390 anzuheben und den Gewer-besteuerhebesatz von 330 auf 360 zu erhöhen. Bis-her hatten Stadtrat und Verwaltung hier eindeutigPosition bezogen und in jeder Haushaltsdebatteversichert, auch wenn es der Stadtkasse schlechtgeht, wir wollen die Steuern nicht erhöhen. Jetztdrücken Innenminister Peter Huber und die Landes-regierung bei den finanzschwachen Kommunen dieAnhebung eigener Einnahmen mittels Steuererhö-hung durch. Wer beim Hebesatz richtig hinlangt,bekommt keine Gelder mehr vom Freistaat, ge-schweige denn Überbrückungshilfen, die das klam-me Berga nun mal braucht.“

Meine Damen und Herren, landauf, landab habenwir derzeit genau die gleiche Diskussion. Es ist eineDiskussion, die sehr viel Verunsicherung und sehrviel Aufgeregtheit mit sich bringt. Wir müssen unshier vor Augen führen, was da gerade passiert. Mitder willkürlichen Festsetzung fiktiver Hebesätzewird hier sehr viel Unklarheit hereingebracht undauch sehr viel Verunsicherung aufseiten der Kom-munen. Bei der Ermittlung der Höhe der angemes-senen Finanzausstattung wird für die Gewerbesteu-er ein Mix aus dem Durchschnitt vom Bund mit 388Prozent und Sachsen mit 411 Prozent gebildet, um

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2959

(Abg. Barth)

so auf 400 Prozent von vorher durchschnittlich 341Prozent zu kommen.

Ebenfalls auf der Bedarfsermittlungsseite, meineDamen und Herren, wird bei der Grundsteuer nichtmehr der Durchschnitt der Flächenländer Ost gebil-det, sondern nun der Bundesdurchschnitt. Dasheißt, es fließen die Hebesätze von Hamburg, Mün-chen, Köln und Stuttgart in den Vergleich mit Leu-tenberg, Berga und Rastenberg ein.

Das, meine Damen und Herren, ist in unseren Au-gen ein Vergleich von Äpfeln mit Birnen.

(Beifall FDP)

Und so kommt es, dass an dieser Stelle die Grund-steuer B von vorher 335 Prozent auf 400 Prozenterhöht wird, die Grundsteuer A von vorher 241 auf296 Prozent. Bei der Verteilung der Schlüsselmas-se gehen mit der Ermittlung der Steuerkraftmess-zahl die Nebelbomben weiter. Jetzt - unter Verwen-dung der Durchschnittswerte der Flächenländer Ost- wird die Grundsteuer A von 200 auf 271 Prozentgehoben, die Grundsteuer B von 300 auf 389 Pro-zent und bei der Gewerbesteuer von 300 auf 357.

Dieses Tohuwabohu, meine Damen und Herren,müssen Sie mal einem normalen Bürger auf derStraße erklären.

(Beifall FDP)

Erklären müssen Sie freilich auch, wie Sie den An-satz fiktiver Hebesätze in § 3 Abs. 2 FAG in Ein-klang bringen wollen, wo von tatsächlichen Steuer-einnahmen gesprochen wird. Sie wären gut bera-ten, Hebesätze transparent, nachvollziehbar undvor allem rechtskonform zu ermitteln, anstatt schonwieder neues Potenzial für juristische Auseinander-setzungen zu legen. Abgesehen davon ist meinerMeinung nach der Durchschnitt statistisch ungeeig-net, um die Situationen der Mehrzahl der Flächen-gemeinden zu ermitteln. Die Kuh ersoff in einemdurchschnittlich 1 Meter tiefen Teich. Vielmehr istan dieser Stelle die Ermittlung des Medians gebo-ten, wenn wir von Statistik sprechen. Es mutet zy-nisch an, meine Damen und Herren, wenn die Lan-desregierung sagt, die Kommunen müssen die He-besätze nicht erhöhen, wenn im selben Atemzugdie fiktiven Hebesätze genutzt werden, um dras-tisch die Zuweisungen zu kürzen. Es handelt sich

(Beifall FDP)

um einen erheblichen Eingriff in die kommunaleSelbstverwaltung, weil Städte und Gemeinden inbenachteiligten ländlichen Räumen nicht mehr dieMöglichkeit haben, eben diese Nachteile durch an-gemessene Hebesätze abzufedern. Das Ergebnis,meine Damen und Herren, ist Gleichmacherei stattWettbewerb, wobei die Vorteile den benachteiligtenRäumen vorenthalten bleiben.

(Beifall FDP)

Auszubaden haben das die Bürger. Die Verkäufe-rin, die Omas Häuschen geerbt hat und über dieRunden bringen muss, ebenso wie die Mieter, de-ren Warmmieten deutlich steigen müssen. Und obauf der Seite der Gewerbesteuer die Rechnung auf-geht, sei dahingestellt. Das ist eine neue Diskussi-on, für die heute die Zeit nicht reicht, aber Gewer-betreibende werden sich Gedanken machen, wiesie sich diesem zusätzlichen Druck entziehen kön-nen. Herr Menzel vom Bund der Selbstständigensieht das ebenso deutlich wie der Deutsche Indu-strie- und Handelskammertag, Steuererhöhungensind kein Ausweg und schaden der Standortquali-tät.

(Beifall FDP)

Ich füge hinzu, Sie werden die Abwanderung spür-bar verstärken und sie sind auf einem fatalen Wegin die falsche Richtung. Wir fordern Sie auf, anstattde facto die Kommunen zu nötigen, den Bürgernnoch tiefer in die Taschen zu greifen, muss derFreistaat - ich bin am Ende - seine Hausaufgabenmachen, vor der eigenen Tür kehren und seinenaufgeblähten Apparat auf das notwendige undmachbare Maß reduzieren. Ich danke Ihnen, meineDamen und Herren.

(Beifall FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Bergner. AlsNächster spricht Herr Abgeordneter Fiedler von derCDU Fraktion.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Kollege Bergner, Sie haben hier versucht,noch einmal dramatisch vorzustellen, wie schlechtes nun den Kommunen geht, dass alles zusam-menbricht und dass nichts mehr geht.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Das habe ichnicht so gehört.)

Ja, er hat es schon so deutlich gemacht und ge-sagt. Ich habe es etwas interpretiert, Herr KollegeFraktionsvorsitzender. Ich kann das auch durchausnachvollziehen und wer letztens beim Gemeinde-und Städtebund war - und da waren ja einige Kolle-gen mit dort -, die haben das ja auch gehört, dassdas nicht etwa bei den Kommunen auf Freude ge-stoßen ist, was die Landesregierung und die regie-rungstragenden Fraktionen auf den Weg bringenmüssen. Und, ich glaube, da ich auch ein Bürger-meister einer kleinen Kommune bin, weiß manwohl, dass jeder Pfennig oder Cent, der fehlt, esnicht so einfach ist, das zu kompensieren, manmuss sich etwas einfallen lassen. Und letztlich,denke ich, ist es auch wichtig, dass die Kommunenvor Ort nach wie vor weiter entscheiden können,

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(Abg. Bergner)

müssen sie heben oder heben sie an oder hebensie nicht an. Sie haben nach wie vor die Entschei-dungsfreiheit und da muss man auch mal sehen,was man an Ausgaben vielleicht einsparen kann,um bestimmte Dinge wieder zu kompensieren, diejetzt das Land beabsichtigt entsprechend vorzuneh-men. Ich glaube auch, wir alle, die schon länger da-bei sind und auch die neuen Kollegen, wissen, dassnatürlich die Spitzenverbände, ja das sind Lobby-verbände im guten Sinne des Wortes, immer wie-der einfordern, dass sie kurz vor der Pleite sind, al-les zuschließen müssen. Das kennen wir nunschon seit 20 Jahren und trotzdem blüht und ge-deiht Thüringen, Gott sei Dank, sehr gut. Deswe-gen, meine Damen und Herren, muss man auchmal hinschauen, was gerade in den letzten - Mitt-woch stand es, glaube ich, im Pressespiegel -, dassdie, dankenswerterweise, weil die Konjunktur so gutwieder läuft, die großen Gewinner der zusätzlichenSteuereinnahmen sehen die Experten vor allem beiden Kommunen vor Ort. Das ist auch gut so, weiles dort unmittelbar auch weitergereicht werdenkann. Ich glaube, das sollte man einfach auch mitzur Kenntnis nehmen. Aber, ich denke auch, alsLandespolitiker muss man noch mal deutlich ma-chen, wir stehen mit dem Rücken zur Wand, dasmuss man einfach mal zur Kenntnis nehmen. Ichbin wirklich ein Verfechter der kommunalen Freihei-ten und der kommunalen

(Zwischenruf Abg. Koppe, FDP: Selbstver-waltung.)

Selbstverwaltung - danke. Manchmal fehlt einemhalt ein Wort. Ich denke, hier muss man mal deut-lich machen: Wir haben in den letzten 20 Jahren -und das ist keine Übertreibung, wir hatten mal eineKleine Koalition, Große Koalition, Alleinregierung -immer unsere Kommunen sehr gut bedient. Dassieht man auch. Wenn ich nach Sachsen oder wo-andershin, nach Mecklenburg-Vorpommernschaue, da sieht man, dass die Kommunen wirklichnicht so gut behandelt wurden. Sie haben deutlichweniger Geld bekommen. Wir hatten immer einestarke Lobby, auch hier im Parlament, dass wir dieKommunen gut ausgestattet haben, bis zum Wun-der von Gotha, was auch die Letzten jetzt verstan-den haben, was das ist. Jetzt kann man sich nichthinstellen, wo wir selber mit dem Rücken an derWand stehen. Wir haben uns das nicht ausgesucht.Es ist geklagt worden, es gab ein Urteil und ent-sprechend musste reagiert werden. Es kann dochnicht sein, dass das Land nicht mehr in der Lageist, seine eigenen Aufgaben auch nur annähernd zuerfüllen, und die Kommunen bekommen immer undimmer wieder mehr. Das kann nicht zielführendsein. Jetzt sind wir gezwungen, mit maßvollen Ein-schnitten hier heranzugehen, und lieber jetzt dieEinschnitte gemacht, als dass man noch längerwartet, bis sich das Land gar nicht mehr bewegenkann.

Deswegen, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, halte ich es für zulässig, dass wir hier so ein-greifen, weil wir als Land nicht anders handeln kön-nen. Deswegen bitte ich auch um Verständnis auf-seiten der Kommunen, dass wir hier in der Pflichtsind, weil wir das Ganze im Blick behalten müssen.Deswegen werden wir auch die Landesregierunghier unterstützen, dass das auch so durchgeführtwerden kann.

(Beifall CDU)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Adams von der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, eigentlich dachte ich, dasswir die FAG-Debatte morgen führen, aber wenn Ak-tuelle Stunde jetzt bedeutet, dass wir am Vortagdas schon einmal diskutieren - gerne.

Erstaunlich finde ich, dass die FDP mit ihrer Rheto-rik in der Endphase der DDR angekommen ist. Da-mals wollte man mit immer weniger Ressourcen im-mer mehr, und zwar qualitativ viel besser die Men-schen befriedigen. Das wird nicht klappen. In derLogik dessen, was Sie fordern und sagen, heißtdas, dass unseren Bürgern immer mehr gebotenwird, aber die Einnahmen sinken sollen dafür. Siewissen ganz genau, wo das geendet hat.

(Zwischenruf Abg. Bergner, FDP: Sie habennicht zugehört, deswegen haben Sie es nichtverstanden.)

Das endet nämlich im Bankrott und in der Insol-venz; dann haben die Bürger davon gar nichtsmehr. Es kann nicht sein, dass Sie immer wiedernach Steuereinsparungen schreien und die habenwollen und am Ende Geschenke verteilen wollen,und wenn es nur Zahnboxen sind, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren. Sie entsolidarisierensich, weil Sie sich nämlich aus dem komplexen Zu-sammenhang, dass Starke den Staat nicht so sehrbrauchen wie die Schwachen, vollkommen verab-schieden. Diese Schwachen brauchen einen Staat,der ihnen fürsorglich zur Seite stehen kann.

(Unruhe FDP)

Das kann nur funktionieren, wenn dieser Staat auchetwas einnimmt und gerechterweise natürlich beiden Starken, das ist ganz vernünftig.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer an dieser Stelle in der Abwägung zwischenLand und Kommune nun der Starke ist, das ist,denke ich, außerordentlich differenziert zu betrach-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2961

(Abg. Fiedler)

ten. Es kann nicht sein, lieber Herr Barth, dass zumeinen die Kommunen weiterhin gut ausgestattetsind, ihre Gewerbesteuern und ihren Beitrag dazunicht selbst beitragen, an anderer Stelle aber dieguten Kommunen sogar selbst Schulden tilgen kön-nen, während das Land sich weiter verschuldet.Das ist einfach unsolidarisch. Hier muss man ganzklar sagen: An dieser Stelle ist die Kommune derStaat. Aber es ist natürlich auch richtig, dass wirKommunen in diesem Land Thüringen haben, diedurch die Erhebung oder die Erhöhung ihres Ge-werbesteuersatzes oder durch die Senkung keiner-lei Effekte erzielen würden, weil nämlich da kaumnoch etwas da ist. An der Stelle ist die Kommunedie Schwache, diese Kommune braucht einen star-ken Freistaat, der ihr zur Seite steht. Dieser Frei-staat kann nur stark und nachhaltig wirtschaften,wenn er alle in die Pflicht nimmt, und das tut er andieser Stelle mit diesen fiktiven Hebesätzen genau.Aber dieser Freistaat wird natürlich nicht nur da-durch, dass er seine Einnahmenseite anhebt, vor-wärts kommen, er muss auch strukturelle Änderun-gen vollziehen. Hier sind die Kollegen der SPD undder CDU angesprochen, die jetzt abermals ein gu-tes Ergebnis in der Haushaltsdebatte vortäuschen,indem sie nämlich einfach die prognostiziertenSteuereinnahmen nach oben nehmen und sagen,wunderbar wir haben weniger Neuverschuldung oh-ne irgendetwas an den Strukturen zu ändern. WennSie so in der Logik weitermachen, dann werden Siein dem Jahr, in dem Sie keine Mehrsteuereinnah-men haben, feststellen, dass nichts mehr zu erntenist, und dann wird es sehr, sehr traurig werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Fangen Sie endlich mit strukturellen Änderungenan. Die Kommunen müssen beteiligt werden, dasist ein richtiger Schritt und ich hoffe, dass die FDPes auch begreift. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank Herr Abgeordneter Adams. Für dieFraktion DIE LINKE spricht der Abgeordnete Ku-schel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrte Damen undHerren, die FDP ist mutig, dieses Thema hier vollerSelbstbewusstsein in den Landtag zu bringen; istes doch die FDP, die auf Bundesebene einen Ge-neralangriff auf die Kommunen führt und die Kom-munen finanziell ausbluten möchte,

(Zwischenruf Abg. Recknagel, FPD: Falsch!)

indem sie die Gewerbesteuer abschaffen will unddie Konkurrenz, die nach dem liberalen Grundprin-zip der FDP das Heilmittel jeder Gesellschaft dar-

stellt, zwischen den Kommunen verstärken willdurch die Einführung eines Hebesatzes auf die Ein-kommensteuer. Das findet unseren erbitterten Wi-derstand. Insofern hätte ich mir gewünscht, dasshier die Landtagsfraktion der FDP sich deutlich ge-gen das Vorhaben ihrer Bundespartei stellt. Das isthier leider ausgeblieben.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, anderer-seits hat die FDP in einigen Detailpunkten durchausrecht mit ihrer Kritik, und zwar hinsichtlich der Artund Weise, wie die Landesregierung hier versuchtzu agieren, indem sie ihr tatsächliches Vorhaben,über den Finanzausgleich eine Gemeindegebietsre-form auf den Weg zu bringen, verschleiert. Das leh-nen wir ab. Wir sprechen uns keinesfalls gegen ei-ne Diskussion über die Hebesätze aus und sehendort durchaus Potenziale, vorrangig bei der Gewer-besteuer, bei der Grundsteuer muss man das diffe-renzierter sehen. Wir verweigern uns einer solchenDiskussion nicht; aber nicht im Rahmen des Fi-nanzausgleichs, sondern dieser Dialog muss offengeführt werden mit allen betroffenen Gruppen. Esgibt natürlich Bedenken und Befürchtungen, diedurchaus ernst zu nehmen sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lan-desregierung agiert widersprüchlich. Im Gesetzent-wurf zum Finanzausgleichsgesetz werden Mindest-hebesätze definiert, die im Jahr 2015 in Kraft tretensollen. Bei der Bedarfsermittlung werden jetzt aberschon fiktive Hebesätze unterstellt, die über diesenMindestsätzen im Finanzausgleichgesetz liegen.Das heißt, bereits jetzt unterstellt die Landesregie-rung den Kommunen, dass sie ihre Einnahmemög-lichkeiten nicht ausschöpfen

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie schöpfensie nicht aus.)

- darüber können wir reden -, aber bei den Mindest-sätzen, die 2015 erst in Kraft treten, bleiben sie dar-unter. Dieser Widerspruch muss aufgeklärt werden.Da haben wir sicherlich im Rahmen der Diskussionzum Gesetzentwurf Finanzausgleichsgesetz Zeit.Wir sehen Potenziale und deswegen verweigern wiruns einer Diskussion nicht. Bei der Gewerbesteuersehen wir Potenziale, weil durch die letzte Unter-nehmenssteuerreform zum 01.01.2008 bewusst dieUnternehmen entlastet wurden, um den Kommuneneinen Korridor zu eröffnen, über die Hebesätze zu-sätzliche Einnahmen zu erwirtschaften. Es ist bei-spielsweise bei dem Einzelnunternehmer, der an-geblich so im Blickpunkt der FDP steht, der linearsteigende Höchststeuersatz von 5 Prozent auf 3,5Prozent reduziert worden und die Anrechenbarkeitauf die veranlagte Einkommensteuer vom 1,8-fa-chen auf das 3,8-fache erhöht worden. Damit kannein Einzelunternehmer bis zu einem Hebesatz vonetwa 420, wenn ich den Solidaritätszuschlag unddie Kirchensteuer mit berücksichtige, seine Gewer-besteuer vollständig mit der Einkommensteuer ver-

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(Abg. Adams)

rechnen. Das heißt, er wird überhaupt nicht mehrbelastet. Deswegen sehen wir dort Potenziale, aberdies im Ergebnis eines offenen Dialogs und nichtdurch die Hintertür. Bei den Kapitalgesellschaftenkam es zu einer Entlastung bei der Körperschafts-steuer, nämlich von 25 auf 15 Prozent mit dem Hin-weis, dass man den Hebesatz erhöhen kann. Dortwurde im Übrigen der Steuersatz auch von 5 auf3,5 Prozent reduziert. Also, bei der Gewerbesteuersehen wir Potenziale, bei der Grundsteuer differen-ziert wegen der Umlagefähigkeit. Wir sagen, dieGrundsteuer hat in dem Katalog der Betriebskostennichts zu suchen, denn bei der Grundsteuer wirddas Vermögen besteuert, das Grundvermögen, al-so die Immobilie und die schöpft der Vermieter überdie Nettomiete ab. Dieses noch einmal zusätzlich indie Betriebskosten zu nehmen, halten wir für unan-ständig. Wenn wir dieses Problem gelöst haben,können wir auch über den Hebesatz der Grund-steuer ideologie- oder emotionsfrei diskutieren. Al-lerdings ist ideologiefrei für uns nicht richtig, dennwir sind überzeugt, Vermögen muss in diesemLand einen höheren Beitrag zur Finanzierung desGemeinwesens leisten. Dazu gehört auch das Im-mobilienvermögen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE)

Präsidentin Diezel:

Danke schön. Als Nächster spricht der Abgeordne-te Hey für die SPD-Fraktion.

Abgeordneter Hey, SPD:

Vielen Dank. Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren! Herr Kuschel, ich bin schonder Meinung, dass diese Diskussion - Sie sagen,sie muss entkoppelt werden - schon mit in den ge-samten Diskurs um das FAG gehört. Das werdenwir dann morgen erleben. Bei der jetzigen Diskussi-on geht es vor allem darum, was das Land an Ein-nahmen für die Kommunen voraussetzt und nicht,was es den Kommunen gibt. Das ist das, was dieKollegen von der FDP angesprochen haben. Esfällt insbesondere der Ansatz der Gewerbe- und derGrundsteuer ins Auge. Herr Bergner ist vorhin lei-der nicht so sehr auf die Gewerbesteuer eingegan-gen und hat gesagt, da fehlt jetzt die Zeit. Er hatsich mehr auf die Grundsteuer gestützt. Die Hebe-sätze sind jetzt zum Teil auf bundesdeutsches Ni-veau gestiegen oder mit Blick auf unsere Nachbar-länder im Osten auf das Niveau des Freistaats Thü-ringen. In den Kommunen des Freistaats werdenzum Teil geringere Hebesätze angewendet; das istgenau das Problem, das wir in dieser AktuellenStunde ...

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: InSachsen sind die Gemeinden viermal grö-ßer.)

Ja, das kommt noch dazu. Herr Kuschel, ich stehevor Ihnen als Abgeordneter, der bis Ende Augustdes letzten Jahres noch als Finanzdezernent in ei-ner Kommune gearbeitet hat. Die Argumentationder Kommunen, wenn es um die finanzielle Aus-stattung des Landes geht, ist mir in Fleisch und Blutübergegangen, sie ist mir zumindest heute nochgegenwärtig. Um es mal anders oder salopp auszu-drücken, ich säße heute sicher im Rathaus meinerHeimatstadt und würde Gift und Galle spucken -wie meine Kollegen in anderen Rathäusern auch -,was das Land da wieder ausgerechnet hat. Manmuss aber fairerweise beide Seiten der Medaillebetrachten. Deshalb komme ich jetzt auch zu denfinanziellen Nöten, die das Land derzeit selbst hatund weshalb die finanzielle Ausstattung der Kom-munen so aussieht, wie sie aussieht. Ich würde dasmal so umschreiben, man versucht hier im Rahmender verfassungsrechtlichen Regeln die finanzielleAusstattung der Kommunen sicherzustellen unddas irgendwie in Einklang zu bringen mit der aktuel-len Haushaltslage. Das ist schwierig. Wie wir se-hen, ist das auch nicht unumstritten, denn dieHaushaltsexperten hier im Landtag wissen auch,wenn ein höherer Ansatz an Gewerbe- und Grund-steuer bei den Kommunen vorausgesetzt wird,dann werden diese Kommunen über kurz oder langgehalten sein, diese höheren Ansätze anzuwenden.Sie können immer noch wählen und darauf verzich-ten - logischerweise, das können sie machen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dasist aber jetzt sarkastisch.)

Nein, nein. Ich nenne das, was den Kommunen hierin dieser Situation übrig bleibt. Herr Kuschel, hörenSie genau zu, ich sage das mal sehr deutlich undich nehme ein Wort in den Mund, das Politiker nichtsehr gern benutzen - ich sage dazu Steuererhö-hung. Wir reden hier de facto über geplante Steuer-erhöhungen in den Kommunen. Herr Bergner hatdas auch angesprochen. Das ist unbequem, wennman mit den Betroffenen redet, also mit Bürger-meistern und Stadträten. Es ist aber wichtig, in die-sen Gesprächen klarzumachen, dass auch seitensdes Landes knallharte Gründe bestehen, den Spiel-raum bei Festlegung der Hebesätze nach oben zuregulieren. Ich kann in fünf Minuten Redezeit nichterschöpfend auf die aktuelle Haushaltslage desFreistaats eingehen. Da haben wir noch genügendGelegenheit. Über eines bin ich nicht direkt froh,aber zumindest erleichtert und wir werden zu die-sem Fakt morgen noch kommen, wenn wir überdas FAG sprechen, Herr Kuschel. Es ist einerseitssicher richtig und auf keinen Fall vollständig von derHand zu weisen, dass es Kommunen gibt, die denRahmen der Hebesätze noch nicht vollends ausge-schöpft haben. Es geht ja auch um gewisse Stand-ortvorteile, sagen die Kommunen. Da, wo beispiels-weise ein besserer Hebesatz bei Gewerbesteuerist, da will man Investoren anlocken usw. Ich lese

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2963

(Abg. Kuschel)

andererseits mit einer gewissen Erleichterung inder Begründung der Landesregierung zum FAG -und das kann jeder nachschlagen -, dass hier Rossund Reiter benannt werden, dass also wirklichschwarz auf weiß zu lesen steht: Jawohl, wir habennicht mehr Geld, das wir den Kommunen zur Verfü-gung stellen können, weil wir selbst nicht mehrGeld besitzen. Deshalb ist der Kommunale Finanz-ausgleich so, wie er ist. Das halte ich für eine Formder politischen Offenheit, die wirklich ehrlich undfair ist.

(Beifall SPD)

Die war nicht immer so, wenn wir ehrlich sind, HerrKuschel. Die war nicht immer so. Ich entnehme al-so dem Antrag Herrn Bergners zu dieser AktuellenStunde, dass er sich Sorgen macht um die finanzi-elle Ausstattung der Kommunen. Um das deutlichden Kolleginnen und Kollegen der FDP zu sagen,wir teilen Ihre Sorge, aber mit Verlaub, ich will nichtständig auf Sie eindreschen für das, was die Kolle-gen da im Bund, die Kollegen von der FDP geradeveranstalten, weil Sie diese Beschlüsse in Berlin jaauch nicht zu verantworten haben, aber Sie müs-sen schon zugeben, Ihre Parteifreunde im Bundwaren in jüngster Vergangenheit nicht gerade zim-perlich, als es um die kommunalen Finanzen ging.Ich nenne hier nur mal das Wachstumsbeschleuni-gungsgesetz, das kostet die Kommunen richtig vielGeld, die Geschichte mit dem Atomkonsens, diehaben wir eben schon angerissen, die kostet richtigviel Geld. Wenn es Ihnen ernst ist, Herr Barth, auchmit der Sorge um unsere Städte und Gemeinden inThüringen, dann rüffeln Sie ruhig mal Ihre Kollegin-nen und Kollegen in Berlin. Wenn Sie dabei Unter-stützung brauchen, dann sagen Sie ruhig Bescheid,ich denke, eine ganze Reihe von Abgeordnetenhier im Hause werden Ihnen dabei helfen. Ich dan-ke Ihnen.

(Beifall SPD)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitereRedemeldungen von den Abgeordneten? Ja, bitteschön, Herr Abgeordneter Recknagel.

Abgeordneter Recknagel, FDP:

Frau Präsidentin, sehr verehrte Damen und Herren,es wird Sie nicht verwundern, dass wir für Gewer-besteuererhöhung nicht zu haben sind.

(Zwischenruf Abg. Kusche, DIE LINKE: Dasist keine Erhöhung.)

Da ist nicht nur ein Zwang, der von oben aufge-drückt wird und der die freie Entscheidung in denKommunen aushebelt ein Stück weit, sondern dasist auch aus grundsätzlichen Erwägungen so, weildie Gewerbesteuer immer noch trotz der Abschwä-

chung dankenswerterweise, die wir in der Koalitionin Berlin haben durchsetzen können, eine Fehlkon-struktion ist. Es werden nämlich Steuern erhobenauf Kosten, wie Lizenzen, auf Mieten, auf Zinsen.Herr Kuschel, ich muss Sie korrigieren, die Gewer-besteuer ist eben keine gerechte Steuer. Sie sagenganz richtig, ein Hebesatz auf Einkommensteuerund Körperschaftssteuer wäre die Alternative. Daswäre tatsächlich gerecht, wenn man denn davonausgeht, dass Einkommensteuer und Körper-schaftssteuer gerecht sind. Also, da sollte manganz vorsichtig sein. Die Gewerbesteuer ist heutedas Gegenteil von Besteuerung nach Leistungsfä-higkeit, wie sie geboten ist, weil eben genau dieseVerzerrungen darin stecken. Man will die Großkon-zerne treffen, von denen wir in Thüringen leiderGottes keine haben, und trifft in Wirklichkeit die Mit-telständler, die in den Gemeinden und Städten Thü-ringens aktiv sind.

(Beifall FDP)

Wenn man Steuererhöhungen von oben aufoktroy-iert, dann sollte man sich klar machen, dass mandamit auch diejenigen Gemeinden trifft, die klugund sparsam gewirtschaftet haben, die nämlichfrühzeitig sich bemüht haben, attraktive Gewerbe-standorte zu schaffen, Arbeitsplätze anzusiedeln.Das haben die unter anderem auch damit gemacht,dass sie ihre möglicherweise vorhandenen Infra-strukturnachteile durch einen etwas niederen, ge-ringeren Steuersatz ausgeglichen haben. Wenn wirihnen diesen Vorteil heute wieder wegnehmen,

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das warschon immer so.)

dann vergehen wir uns an den Thüringer Gemein-den

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Das machenSie doch die ganze Zeit.)

und wir tun ganz bestimmt nichts für die Erhaltungoder Schaffung von Arbeitsplätzen.

Herr Adams, Ihre Milchmädchenlogik, die Sie daeben vorgetragen haben, kann ich beim besten Wil-len nicht nachvollziehen. Steuersatzerhöhungenhaben in den seltensten Fällen zu Steuermehrein-nahmen geführt. Man sollte eine faire, eine vernünf-tige Steuer erheben. Man sollte dafür sorgen, dassdie Steuereinnahmen steigen, nämlich indem dasGewerbe am Ort floriert. Das sollte man tun. Dankeschön.

(Beifall FDP)

Präsidentin Diezel:

Herr Minister, wir haben noch zwei Minuten Rede-zeit für die Abgeordneten. Der Abgeordnete Ku-schel hatte sich gemeldet. Würden Sie … ? Erst derAbgeordnete Kuschel. Gut.

2964 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Hey)

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, die Gewerbesteuer hat außer der Fiskal-funktion noch eine andere Funktion und deswegenkämpfen wir so um den Erhalt, übrigens wie diekommunalen Spitzenverbände. Sie stellt nämlichdas Bindeglied dar zwischen der örtlichen Wirt-schaft und der Kommune. Das würde vollständigverlorengehen, wenn wir einen Hebesatz auf dieEinkommenssteuer einführen würden. Die Unter-nehmen sind meistens Kapitalgesellschaften, sindnicht gleichzeitig mehr Bürger der Kommune. Dasist diese neue Entwicklung, die wir zu verzeichnenhaben. Wenn Sie hier geißeln, dass die sogenann-ten gewinnunabhängigen Elemente bei der Berech-nung der Gewerbesteuer eine Art Substanzwirkunghaben, also Substanzsteuerwirkung, ist das nichtganz richtig. Erstens, das wissen Sie, kommt dieseWirkung der Zinsen, der Leasinggebühren, derMietkaufkosten erst zur Wirkung ab einer Größen-ordnung von etwa 8 Mio. € durch die hohen Freibe-träge. Das heißt, der klassische Einzelunternehmerist im Regelfall davon nicht betroffen. Dann müssenSie mal erklären, warum die Eigenkapitalverzin-sung, die Grundlage des Gewinns ist, besteuertwird, aber die Fremdkapitaldecke, die auch Aus-druck von Leistungsfähigkeit ist, angeblich nicht. In-sofern ist schon eine Logik dahinter, dass nebendem eigentlichen Gewinn auch diese gewinnunab-hängigen Elemente, die Ausdruck von Leistungs-kraft immer darstellen, in die Besteuerung mit ein-bezogen werden.

Ich will noch etwas sagen zu der Rede von HerrnFiedler, dass die Kommunen nicht gezwungen wer-den, die Hebesätze zu erhöhen. Er hat ja diesesPrinzip der Freiwilligkeit noch mal hervorgehoben.Da will ich Ihnen sagen, Herr Fiedler, an Sarkas-mus ist das nicht mehr zu überbieten. Wir habenzum Teil in der Geschichte Erfahrungen mit Freiwil-ligkeit und den Wirkungen. Über den finanziellenHebel schränken Sie die Freiwilligkeit im Grundegenommen in einer Art und Weise ein, die in derPraxis, in der Wirkung überhaupt nicht mehr er-kennbar ist, und das wissen Sie auch. Von dahersollten wir hier nicht mehr von einer Freiwilligkeitsprechen, sondern das Land macht Zwang und da-zu sollten wir auch stehen. Danke.

(Zwischenruf Abg. Höhn, SPD: Sie tun ja so,als wäre das was Neues.)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Das Wort hat Herr Innenminister Prof.Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! DerAbgeordnete Bergner hat mit Schaum vor dem

Mund von Willkür, Unklarheit, Tohuwabohu, Zynis-mus und Ähnlichem gesprochen. Dem möchte ichentgegenhalten, dass uns natürlich dieser Ansatz,die Zurechnung fiktiver Hebesätze, nicht leichtfällt.Aber wir stehen - und das haben Herr Hey und HerrFiedler zu Recht gesagt - hier in Verantwortung fürden Freistaat, und die Kommunen sind nun einmalTeil des Freistaats. Das bedeutet, dass die Zwän-ge, die dem Land auferlegt sind, was die Konsoli-dierung seines Haushalts angeht, nicht an denKommunen vorbeigehen können. Es gibt eine gan-ze Reihe von Finanzwissenschaftlern, z.B. HerrnWagschal aus Freiburg, der das Land auffordert,die Kommunen intensiver an seinen Konsolidie-rungsbemühungen teilhaben zu lassen. Nichts an-deres machen wir. Wir haben eine ganze Reihe vonKommunen - das ist, glaube ich, mehr als die Hälfte-, die sich deutlich unter den ostdeutschen Hebe-sätzen bei den Realsteuern heute befinden. Das istbisher gut gegangen und bisher haben wir auch ge-nug Geld gehabt. Diese Zeit ist jedoch zu Ende. Wirkönnen uns die Großzügigkeit, dass in einemMehrebenensystem die nachgeordnete Ebene ihreMöglichkeiten der Einkunftserzielung nicht aus-schöpft und das Land das bezuschusst, nicht län-ger leisten. Deswegen ist es, glaube ich, richtig,ganz unabhängig davon, wie die Steuerschätzungsich weiter entwickelt, dass wir bei der weiterenAusgestaltung und Fortentwicklung des Kommuna-len Finanzausgleichs davon ausgehen, dass dieKommunen die Einkunftsquellen, die sie haben,auch tatsächlich ausschöpfen. Das ist auch keineThüringer Besonderheit, das finden Sie im Finanz-ausgleichssystem aller deutschen Länder und dasfinden Sie auch im Verhältnis zwischen Bund undLändern. Für die Grunderwerbsteuer ist es letztesJahr erst ins Grundgesetz aufgenommen worden.Es ist auch ein Gebot der Fairness, dass man dieübergeordnete Ebene, das Land, nicht zu Subven-tionen, zu Zuschüssen zwingt, wo die untergeord-nete Ebene sich helfen kann. Dass wir dabei aufden Durchschnitt setzen, scheint mir, obwohl ichkein Mathematiker bin, ein gängiges Verfahren zusein. Da ist auch die Hansestadt Hamburg, da sindauch Gemeinden wie Prenzlau, aus der Uckermark,der Lüneburger Heide oder dem westpfälzischenBereich dabei, denen es keineswegs besser gehtals Thüringen. Wir haben letzte Woche die Zahlenzur Arbeitsmarktentwicklung, die Zahlen zu den Ar-beitsplätzen hier in Thüringen zur Kenntnis genom-men. Wir haben gesehen, dass wir uns deutlich ab-gesetzt haben von allen anderen ostdeutschenLändern und auf dem Weg sind, mit Nordrhein-Westfalen gleichzuziehen. Vor diesem Hintergrund,glaube ich, ist es mehr als legitim, dass wir denbundesdeutschen Durchschnitt, was die Hebesätzeangeht, auch hier bei der Zurechnung möglicherEinkünfte, Steuereinnahmen der Kommunen anset-zen.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2965

Einen weiteren Aspekt möchte ich nicht verschwei-gen. Wir haben in den großen Städten Hebesätze,die deutlich über den von uns angesetzten fiktivenSätzen liegen. Die kleinen Kommunen habenStandortpolitik gemacht. Das ist zwar legitim, aberes verschärft natürlich die Stadt-Umland-Problema-tik, die letztlich über den Finanzausgleich, über Ein-wohnerveredelung oder andere Umlagesystemewieder aufgefangen werden muss. Da scheint esmir besser, ohne eine große Bürokratie wieder los-zutreten, eine vernünftige Verteilung der primärenEinkünfte sicherzustellen.

Natürlich, Herr Kuschel, hat Herr Fiedler recht: Esgibt keine gesetzliche Verpflichtung durch die fiktiveEinkommensteuererhöhungszuschreibung. Natür-lich hat jede Kommune, die genug auf der hohenKante hat, die gut gewirtschaftet hat, wie es der Ab-geordnete der FDP gesagt hat, auch die Möglich-keit, auf solche Einnahmen zu verzichten. Sie trägtdann natürlich - jedenfalls ab dem Jahr 2015 - dieKonsequenz, dass ihr keine oder weniger Schlüs-selzuweisungen zuteil werden. Aber das erscheintmir Ausdruck kommunaler Selbstverwaltung.

Es ist - das soll meine letzte Bemerkung sein - nichtso, dass wir den Schwarzen Peter, wie es in derPresse geheißen hat, den Kommunen zuschieben.Wir bekennen uns zu der schwierigen finanziellenSituation des Landes und wir bekennen uns auchdazu, dass wir einen faktischen Druck auf die Kom-munen mit diesem Finanzausgleichsgesetz, das inzwei Phasen wirksam werden wird - 2011 was dieMasse angeht, 2015 was dann die Herunterberech-nung auf die einzelnen Kommune angeht - ausübenund von den Kommunen in der Tat erwarten, dassdie durchschnittlichen Steuersätze in Deutschlandauch in Thüringen gezahlt werden können. Dankeschön.

(Beifall CDU, SPD)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Ich schließe die Aussprache zu dieserAktuellen Stunde und eröffne den dritten Teil:

Aktuelle Stunde auf Antrag derFraktionen der CDU und derSPD zum Thema: "Erdfall inSchmalkalden"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1768 -

Ich eröffne die Aussprache. Das Wort hat der Abge-ordnete Primas von der CDU-Fraktion.

Abgeordneter Primas, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, Erdfälle sind in Thüringen nichts Außerge-

wöhnliches, das haben wir öfter. Was erschreckt istdie Dimension. Nun haben wir in der letzten Zeitzwei größere gehabt, das sind Tiefenort und jetztSchmalkalden. Ich denke, es ist angemessen,wenn wir in dieser Aktuellen Stunde aktuell vom zu-ständigen Minister informiert werden, was denn nunvorgefallen ist, was eingeleitet wurde und wie derVerfahrensweg ist, dass wir als Parlament darüberrichtig informiert sind.

Ich möchte die Gelegenheit nutzen, von dieser Stel-le allen Beteiligten vor Ort, dem Landrat, dem Bür-germeister, den Einsatzkräften Feuerwehr, Kata-strophenschutz, auch den Betroffenen selbst, diemit großer Übersicht die ganze Geschichte abge-handelt haben, den herzlichen Dank auszuspre-chen. Ich denke, das ist wichtig.

(Beifall im Hause)

Ich bin gespannt auf die Ausführungen des Minis-ters. Danke.

Präsidentin Diezel:

Danke schön, Herr Abgeordneter. Als Nächsterspricht der Abgeordnete Weber von der SPD-Frak-tion.

Abgeordneter Weber, SPD:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Kolleginnenund Kollegen, verehrte Gäste, das ist schonschockierend, wenn man vor diesem Krater steht,vor diesem Loch. Wir haben uns vor Ort ein Bildmachen können über die Auswirkungen. Das istschockierend für diejenigen, die betroffen sind, undvor allem die Unsicherheit, die da jetzt herrscht,weil natürlich niemand wirklich die Ursachen zurGänze beurteilen kann zum jetzigen Zeitpunkt. Esist in der Tat - dazu hat der Kollege schon Ausfüh-rungen gemacht - eine besondere Leistung der Ak-teure vor Ort. Der Bürgermeister Kaminski undauch der Landkreis haben hier ganz pragmatischund schnell Entscheidungen getroffen, richtige Ent-scheidungen getroffen, wie sich jetzt gezeigt hat,um schnell zur Verfüllung zu kommen, um Stabilitätzu erreichen, um auch für diejenigen, die jetzt be-troffen sind, wieder einen Zustand zu erreichen,dass zumindest die ersten acht der 25 ursprünglichBetroffenen wieder in ihre Häuser zurückkönnen.Vielen Dank auch von unserer Seite an die vielenAkteure, auch an die Helfer, an die Ehrenamtlichen,die aus Feuerwehr und anderen Kräften hier Tagund Nacht gearbeitet haben, um die Situation her-beizuführen.

(Beifall im Hause)

Auch ein Dank an diejenigen, die bereit waren,pragmatisch einzugreifen. Zum Beispiel gibt es denKies, wie ich gehört habe, zum Selbstkostenpreis.Also auch da hat sich jemand gefunden, der bereit

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(Minister Prof. Dr. Huber)

ist zu helfen an der Stelle. Die Arbeiten gehen zü-gig voran. Wir haben schon vonseiten des Ministeri-ums gehört, es gibt die Soforthilfe analog zu Tiefen-ort von 10.000 € pro Person für die Betroffenen, umdie Aufwendungen zu decken, die jetzt erdfallbe-dingt dort laufen. Es muss aber grundsätzlich dieFrage gestellt werden nach den Ursachen. Deswe-gen werden jetzt Bohrungen vorgenommen. Dannwird es auch tiefenseismologische Untersuchungengeben müssen, die feststellen, wie groß ist denndie Verschüttung und was passiert da noch, waskann da noch unter Umständen nachkommen undnatürlich auch die Frage, die jetzt viel diskutiert wirddort vor Ort, gibt es dort irgendwelche Bauwerkeunter der Erde aus früheren Zeiten, die vielleicht daeine Rolle spielen oder auch nicht. Da werden auchUntersuchungen in diese Richtung gemacht, umwirklich alles auszuschließen, was da noch an zu-künftigen Schäden kommt und auch die Haftungs-frage möglichst breit aufzustellen. Es wird darüberhinaus für uns die Frage zu beantworten geben,wie geht man generell mit solchen Fällen um. Es istjetzt schon zum wiederholten Male so gewesen,dass Menschen davon betroffen waren. Deswegenbegrüße ich außerordentlich, dass wir jetzt sehrkonstruktiv über die Frage des Katastrophenhilfe-fonds nachdenken, dass wir pragmatisch in der La-ge sind, auch vom Land aus hier Mittel einzustellen,Mittel freizugeben, schnell zu handeln und den Be-troffenen zu helfen. Es wäre sehr schön, das istauch vonseiten der Betroffenen an uns herangetra-gen worden, wenn die Aufmerksamkeit von Politikund den Entscheidungsträgern auch dann nochvorhanden ist, wenn die Kameras und die Pressedort nicht mehr sind. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Als Nächster hat sich der Abgeordne-te Dr. Frank Augsten von der Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN zu Wort gemeldet.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, viel-leicht geht es Ihnen ja so wie mir; da ist man ganzgespannt, welche Aktuellen Stunden eingereichtwerden. Dann gibt es welche, die man für sinnvollhält, andere für weniger sinnvoll. Ich glaube, überdiese Aktuelle Stunde heute hat sich niemand ge-wundert. Es betrifft ja auch einen Minister, der esgerade einmal schwer hat mit Blick in die Medien,der bei den Bauern einen schweren Stand hat. In-sofern ist es, glaube ich, ein innerlicher Vorbei-marsch, dass einmal etwas gelungen ist. Man mö-ge es ihm auch vergönnen, denn wie die beidenVorredner schon gesagt haben, das war etwas,

was gut gelaufen ist, wo die Landesregierung ihrenJob gemacht hat und wo sich vor allem auch derMinister eingesetzt hat. Da gibt es gar keinen Zwei-fel. Insofern, ich will es gar nicht soweit kommenlassen, hier danke zu sagen. Aber das hat alles gutfunktioniert. Es gab eine ganze Menge Rückmel-dungen aus der Gegend, die das bestätigt haben,dass anders als in Tiefenort in Schmalkalden allesHand und Fuß hatte. Ich möchte mich auch aus-drücklich dafür bedanken - an der Stelle auf jedenFall -, dass der Ausschuss ständig informiert war.Wir hatten vorige Woche mehrmals die Gelegenheitauch miteinander zu sprechen und über die Infor-mationen hinaus, die man den Medien entnehmenkonnte, auch informiert zu werden. Wir waren im-mer auf dem aktuellen Stand. Das war etwas, wasebenfalls gut geklappt hat.

Meine Damen und Herren, meine Fraktion möchtesich dem Dank an alle Beteiligten hier ausdrücklichanschließen. Das ist etwas, was man auch im Ort inSchmalkalden spürt, dass dort die Hilfsbereitschaftgroß gewesen ist. Insofern etwas, was wir an derStelle auch sehr unterstützen.

Meine Damen und Herren, ich glaube, das ist keinThema, wo man sich jetzt politisch profilieren sollteoder kann, auch nicht als Opposition. Hier müssenalle zusammenstehen. Kollege Primas, es ist ebennicht damit getan, dass der Minister jetzt hier einenBericht hält, sondern wir müssen natürlich auchüber ein paar Dinge grundsätzlich reden. Ich binkein Experte, ich weiß nicht, ob die 1 Mio. €, diejetzt im Raum steht, eine Rolle spielt. Wer über-nimmt die, wie gehen wir in Zukunft um mit Kosten,die anfallen, denn auch Kies zum Selbstkostenpreiskostet Geld? Was mir große Sorgen bereitet als je-mand, der von der Materie keine Ahnung hat, dersich aber in Vorbereitung des heutigen Tages auchmit Geologen unterhalten hat, dass wir relativ wenigwissen über den Zustand unter uns, dass die geolo-gischen Daten für Thüringen relativ alt sind. Da gabes auch Kritik von Fachleuten, die gesagt haben,das hat Thüringen in den letzten 20 Jahren ver-nachlässigt, dort ist auch immer weniger Geld be-reitgestellt worden. Wir fußen da auf Unterlagen,die zum Teil zig Jahre alt sind, obwohl wir wissen,dass sich ständig etwas tut unter uns.

Meine Damen und Herren, ein dritter Punkt, den wirdiskutieren müssen, das ist sicher das Krisenmana-gement vor Ort. So gut wie das in Schmalkaldengelaufen ist, ohne Frage, aber Stichwort Frühwarn-system in Tiefenort, Frühwarnsystem in Schmalkal-den. Ist es das, was die Menschen wirklich dort inRuhe versetzen kann? Es sind Lehren gezogenworden aus Tiefenort. Man hat nicht mehr mit Be-ton gearbeitet, sondern mit Kies. Das wird sicherein Stück weit die Situation befrieden, aber ob Kiesdann die Lösung sein wird, wissen wir auch nicht.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2967

(Abg. Weber)

Ich habe vorige Woche gegenüber dem Ministergeäußert, dass, glaube ich, niemand, der sich soein bisschen damit beschäftigt, ihn um die Situationbeneidet. Kollege Weber hat es angesprochen,man kann jetzt in diesem Spannungsfeld auf Glücksetzen, dass nichts passiert, oder aber den Fach-leuten vertrauen, die sicher ganz verantwortungs-bewusst hier rangehen und die Gefahrenabschät-zung vornehmen, oder aber der dritten Möglichkeit,nämlich ganz viel Verantwortung übernehmen, dasbedeutet natürlich, auch Geld in die Hand zu neh-men, dass man sich in diesem Spannungsbogenbewegen muss. Ich sage mal so, man kann natür-lich jetzt unglaublich viel Geld in die Hand nehmenund kann Pech haben, dass das nicht reicht undMenschen und Sachwerte verloren gehen, aberman kann auch auf Glück setzen, es kann nichtspassieren. Niemand weiß so richtig, was richtig ist.Ich erinnere mich sehr an die Diskussion damalsbei BSE, als wir auch harte Schnitte eingeführt ha-ben, heute gibt es viele, die laut quaken und sagen,hätten wir uns alles sparen können, nein, ich glau-be, heute ist angesagt, dass wir da mit allergrößterSorgfalt umgehen und dass wir das, was möglichist, letzten Endes auch tun.

Meine Damen und Herren, meine letzte Bemerkungnoch einmal zum Stichwort Verantwortung. Ich ha-be von einigen Fachleuten gehört, dass Thüringenmöglicherweise in den letzten 20 Jahren auch Din-ge versäumt hat. Ein Blick in den Haushalt für dasnächste Jahr zeigt, dass die beiden wichtigen Ein-richtungen, die wir in Thüringen haben, nämlich dasThüringer Landesbergamt und die Thüringer Lan-desanstalt für Umwelt und Geologie, herbe Ein-schnitte vornehmen müssen im Haushalt. Herr Mi-nister - Stichwort Verantwortung -, Sie haben da-mals, als Sie den Haushalt beschlossen haben imKabinett, nicht wissen können, dass sich ein sol-ches Loch auftut, aber möglicherweise muss manan dieser Stelle auch darüber nachdenken, dassbei allen Haushaltskonsolidierungen, hinter denenmeine Fraktion auch steht, letzten Endes in einigenBereichen doch auch wieder Geld in die Hand ge-nommen werden muss. Ich freue mich auf Ihre Aus-führungen und hoffe, dass Sie dazu auch Stellungnehmen. Danke schön.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter Dr. Augsten. AlsNächster spricht Abgeordneter Hellmann von derFraktion DIE LINKE.

Abgeordneter Hellmann, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, ja, der Erd-fall in Schmalkalden ist bisher glimpflich verlaufen.Man muss dankbar sein, dass Menschen nicht nen-

nenswert zu Schaden gekommen sind. Die Behör-den haben gut gearbeitet, insofern kann ich michdem Lob meiner Vorredner durchaus anschließen.Stadt, Landratsamt, auch die Landesregierung wa-ren präsent und haben doch Zuversicht verbreitet,dass sich alles zum Guten wendet. Dennoch einekleine Kritik: Es sei angezeigt, hinsichtlich derSchadensforschung hätte man eventuell schonmehr unternehmen können. Ich werde darauf kurznoch einmal eingehen.

Fazit: Die Stadt Schmalkalden hat einen Schadenzu beklagen von etwa 900.000 €. Der individuelleSchaden ist noch nicht voll abzusehen. Es erhebensich die Fragen: Wer trägt die Kosten? Wie kannden Einzelnen geholfen werden? Die Stadt Schmal-kalden erwartet - und wir erwarten das auch alsFraktion -, dass sich das Land beteiligt. Man stellesich vor, es hätte eine 800-Einwohner-Kommunegetroffen, dann wäre sie mit Sicherheit am Ende.Also ich bin gespannt, Herr Minister, was Sie zudiesem Thema sagen. Wir erwarten auch eine klareAussage zu den Entschädigungszahlungen an dieBetroffenen. Gestern ging durch die Medien,180.000 € sollen aus Lottomitteln bereitgestellt wer-den. Vielleicht können Sie Ausführungen darübermachen, wie die Verteilung geplant und vorgese-hen ist.

Wir haben auch zur Kenntnis genommen, dass die-ser Nothilfefonds endlich eingerichtet werden soll.Vielleicht wäre es schon gescheiter gewesen, dieseMaßnahme nach Tiefenort zu ergreifen. Was wirheute aber vor allem brauchen, sind umfassendeund ausreichende Untersuchungen des Unter-grunds. Das ist ganz wichtig. Wir gehen davon aus,dass diese Untersuchungen vom Land getragenwerden. Gestern war unser Fraktionskollege TiloKummer aufgrund eines Hinweises vor Ort inSchmalkalden und hat dort höchst interessante Er-kenntnisse von Insidern und Anwohnern gewonnen.Ich will nur zwei Dinge nennen. Eine Bunkeranlageist einfach Fakt, 20 m von der abgestürzten Garageentfernt befindet sich der eine Eingang des Bunkersund 100 m weit weg ein anderer Eingang. HeuteMittag ging durch die Medien, dass eine 84-jährigeFrau bezeugt, dass in diesen Bunkeranlagen - diees wahrscheinlich sind -, Kriegsgefangene gearbei-tet haben. Einer Zeitung ist der Name einer Personverbindlich bekannt, die noch zu DDR-Zeiten 200 mtief im Berg war. Ich kann nur sagen, Herr Minister,diesen Hinweisen sollte intensiv und ordentlichnachgegangen werden.

Eine letzte Frage von mir: Herr Minister, wäre esnicht sinnvoll gewesen, den Katastrophenzustandauszurufen, um auf elegante Art und Weise auchFragen der Entschädigungen zu klären? Ich weiß,diese Problematik hat viele Facetten, deswegen willich das auch hier nicht kolportieren.

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(Abg. Dr. Augsten)

Eine ketzerische Bemerkung zum Schluss: Gemes-sen an der Anzahl der Journalisten und Politiker,die vor Ort waren, hätte man meines Erachtensdurchaus den Katastrophenzustand ausrufen kön-nen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Präsidentin Diezel:

Danke, Herr Abgeordneter. Als Nächstes spricht fürdie FDP-Fraktion der Abgeordnete Barth.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Liebe Kolleginnenund Kollegen, Herr Kollege Augsten, mir ging es soähnlich wie Ihnen. Ich habe mir im ersten Momentgesagt, das ist ein aktuelles Thema, keine Frage.Aber die zweite Frage, die ich mir gestellt habe, alsich das Thema las, war: Was kann der Landtag po-litisch zu diesem Thema dieses Erdfalls beraten?Dass ich mit dieser Hilflosigkeit im ersten Momentnicht allein war, zeigen mir auch die Reden der bei-den einbringenden Fraktionen, die zusammenkaum fünf Minuten geredet haben, obwohl sie zehnMinuten Zeit gehabt hätten, ihre Position darzule-gen.

(Beifall FDP)

Das zeigt, dass sich zunächst mal dieser Erdfall ei-ner politischen Bewertung entzieht. Zwei Drittel un-seres Landes liegen in sogenannten Subrosionszo-nen, das heißt, das sind Gebiete, in denen infolgevon Auswaschungen von Salz- oder Kalkvorkom-men Erdfälle auftreten können. Das ist nichts, wasirgendjemand politisch verhindern kann, das kannman nicht politisch befördern, die einzige Frage ist,wie man gegebenenfalls mit den Folgen umgehenkann, wie man mit den Betroffenen entsprechendumgehen kann, wie man mit den Lasten umgeht,die sich daraus ergeben. Nun ist es immer zu-nächst auch mal Anlass - und das will ich ausdrück-lich tun -, allen, die dort haupt- und ehrenamtlichund auch ohne irgendeine Verpflichtung sich enga-giert haben, nicht nur bei der Verfüllung dieses Lo-ches, sondern auch gerade im Bereich der Nach-barschaftshilfe, zu danken. Das zeigt ja auch, dassunsere Gesellschaft als Bürgergesellschaft ein gan-zes Stück weit funktioniert.

(Beifall FDP)

Ich will deswegen mich der Frage versuchen zu nä-hern, wie das Land mit den Betroffenen und wiedas Land mit den Folgen umgehen kann und wo esmöglicherweise Trennlinien und Grenzen gibt, woman Dinge unterscheiden muss, Grenzen, über dieman vielleicht auch nicht so ohne Weiteres gehenkann. Es wird über einen Hilfsfonds aktuell gespro-chen, und ich will jetzt, Herr Minister, gar nicht un-terstellen, auch der Ministerpräsidentin nicht, dass

es im Zusammenhang mit diesen Dingen Interessean einer Scheckbuchdiplomatie gibt. Das wäre mitSicherheit zu kurz gesprungen, das will niemand.Aber ich glaube schon, dass wir unterscheidenmüssen zwischen Dingen, die sich im öffentlichenRaum abspielen und Dingen die sich im Bereichdes Privateigentums abspielen. Wenn wir diese Un-terscheidung nicht treffen, wenn das Land mit die-sem Hilfsfonds nicht nur Schäden, die im öffentli-chen Raum auftreten, absichert, sondern auch Pri-vatschäden versucht mit abzusichern, dann tun siewas, was eigentlich im Rahmen von Elementar-schadenversicherungen im Bereich des privatenVersicherungswesen angesiedelt ist. Hier, glaubeich, schießen wir über das Ziel hinaus und hierüberstrapazieren wir auch die Möglichkeiten, diePolitik und auch so eine Verwaltung haben. Ichkann mir nicht vorstellen, dass es bei Ihnen, HerrMinister, im Haus irgendwann mal ein Referat gibt,was Elementarversicherungsfälle im Fall von Erd-fällen in irgendeiner Weise versicherungsrechtlichbehandelt. So ein Referat möchten Sie mit Sicher-heit auch nicht haben, das kann ich mir auch nichtvorstellen. Deshalb glaube ich, dass man tatsäch-lich ganz ernsthaft in Ruhe diskutieren muss, wo istdie Grenze, was das Land leisten kann. Wir könnenauch nicht völlig ohne Betroffenheit hergehen undsagen, jeder, der betroffen ist, kriegt jetzt 10.000oder 20.000 € oder wir sehen am Ende des Jahres,wie weit die 1 Mio. €, die im Moment im aktuellenHaushalt eingestellt sind, vielleicht reichen, wennwir die öffentlichen Flächen noch mit bedient ha-ben. Vielleicht kann man über Kredite nachdenken,wenn in irgendeiner Form Häuser aufgrund vonSchäden dann nicht mehr sich eignen um sie zubelasten und daraus eine Kreditwürdigkeit auchentstehen kann. Ich weiß das ehrlich nicht und dasist ja auch nicht Sinn der Aktuellen Stunde und ichfühle mich auch ein Stück weit überfordert hier jetzteine fertige Lösung zu präsentieren. Aber das ist,glaube ich, die Frage, die man sich ernsthaft stellenmuss und wo man auch in der Öffentlichkeit in Ru-he und sachlich diskutieren muss und keinefalschen Erwartungen wecken darf. Das Land kann,das ist meine feste Überzeugung, nicht als Elemen-tarschadenversicherer für jeden Fall, der denkbarist, auftreten, spätestens schon deshalb nicht, weiles aus rein ordnungspolitischer Sicht schwierig seindürfte, dann die Grenze zu ziehen, welche Elemen-tarschäden versichert das Land, das brauche ichprivat nicht mehr zu machen, und welche versichertdas Land nicht, welche muss ich also machen. Waserzählen wir den Leuten, die in den 20 Prozent, dienicht Subrosionszone sind, wenn ihr Haus malbrennt. Übernimmt das das Land dann auch? Daskann ja nicht richtig sein. Auf diese Systematik woll-te ich einfach an der Stelle hingewiesen und behan-delt haben, dass das Gegenstand einer wirklichernsthaften politischen Debatte sein muss. Ich war-ne davor, kurz mit dem Hilfsfonds so zu tun, als

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2969

(Abg. Hellmann)

hätten wir damit alles schon gelöst. Das hat in derForm auch niemand gesagt, auch das will ich sa-gen. Vielen Dank.

(Beifall FDP)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank. Wir haben noch elf Minuten Redezeit.Als Nächster hat sich zu Wort gemeldet der Abge-ordnete Baumann.

Abgeordneter Baumann, SPD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen undHerren, wir reden heute über ein Ereignis, dasMenschen in unserem Land, in Schmalkalden, qua-si über Nacht in eine völlig andere Situation ge-bracht hat, zum Glück ohne Verletzte, ohne dassOpfer zu beklagen sind. Die Betroffenen sind in ei-ne Situation geraten, fast alles zu verlieren, was siesich in ihrem Leben erarbeitet haben. Sie hattenAngst um ihr Haus, ihr Zuhause, ja um ihr Hab undGut. Dies ist eine psychische und physische Belas-tung, die man, glaube ich, als Außenstehender nursehr schwer nachvollziehen kann. Genau aus die-sem Grund muss Unterstützung von der Politik hieransetzen. Ich stelle fest, weil ich mich auch selbstvor Ort davon überzeugt habe, dass beim Erdfall inSchmalkalden alle politisch Handelnden, angefan-gen vom Bürgermeister der Stadt SchmalkaldenThomas Kaminiski, dem Landrat Ralf Luther, denvielen Einsatzkräften bis hin zur Landesregierungdas Richtige getan haben. Die nötigen Entschei-dungen - und das wurde auch schon mehrfach ge-sagt - sind schnell, durchdacht und vor allem auchunter Hinzuziehung von Experten getroffen worden.Es waren keine reinen politischen Entscheidungen.Die Betroffenen haben uns das bestätigt. Sie habenauch bestätigt, dass sie im ständigen Informations-austausch gewesen sind, dass sie unbürokratischeUnterstützung bekommen haben, die hingeht biszur Nachbarschaftshilfe. Als Wohnungen für kurzeZeit freigegeben wurden, sind Nachbarn gekom-men, haben mitgeholfen, um möglichst viel von denSachen aus den Wohnungen zu räumen. Aberauch das, glaube ich, ist auch nicht ganz unwichtigund heute noch nicht erwähnt worden, der Anteilder Kirchen. Auch hier müssen wir einen Dank sa-gen vor allen Dingen für die psychologische Betreu-ung der Betroffen. Also von dieser Stelle aus einganz herzliches Dankeschön. Aber auch als Kreis-tagsabgeordneter muss ich ein herzliches Danke-schön an die Landesregierung für die Hilfe sagen.

(Beifall CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nun istdie erste Gefahr gebannt mit dem Verfüllen desKraters und Rettung von Fahrzeugen. Jetzt beginntallerdings - auch das wurde schon angesprochen -das alltägliche Leben, wie man es im Volksmund

sagt, was da heißt: Wer trägt die Kosten für was?Ich begrüße die Entscheidung der Landesregie-rung, den Betroffenen Soforthilfe zu gewähren, umdie größte Not zu lindern. Wir dürfen aber auch dieStadt Schmalkalden an dieser Stelle nicht alleinlas-sen. Das sage ich auch noch vor einem weiterenHintergrund: Auch die Landesregierung hat be-schlossen, dass 2015 die Landesgartenschau inSchmalkalden stattfindet. Die Stadt hat auch hiererhebliche finanzielle Aufwendungen zu leisten.Gerade vor diesem Hintergrund ist es wichtig, dasswir uns über eine Hilfe an dieser Stelle unterhalten.

Aber mit dem Erdfall ist Schmalkalden auch keinEinzelfall, heute ist in der Zeitung zu lesen, MinisterReinholz hat es gesagt, es gibt 30 bis 40 Erdfälleim Jahr mit unterschiedlichen Auswirkungen in Thü-ringen. Wir müssen uns mit diesem Problem befas-sen und auch Regeln definieren, wie wir in Zukunftdamit umgehen. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU, SPD)

Präsidentin Diezel:

Vielen Dank, Herr Abgeordneter. Gibt es weitereWortmeldungen aus den Reihen der Abgeordne-ten? Das sehe ich nicht. Dann bitte schön, Herr Mi-nister Reinholz.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, ich glaube, spätestens seitdem Ereignis am vergangenen Montag in Schmal-kalden ist dem letzten Thüringer bewusst, dass wirin einem Subrosionsgebiet leben, wie Herr Dr. Aug-sten auch schon ausgeführt hat. 60 Prozent derFläche Thüringens sind von Erdfallgebieten be-droht, und das nicht erst seit gestern, sondernschon seit Jahrtausenden. Auch ich selbst lebe imSüdharz. Dort erscheint auch hin und wieder malein Loch, wo die Woche vorher keines war. Daskann Egon Primas sicher bestätigen. Aber dass esnatürlich eine Ortslage in der Größenordnung ge-troffen hat, wie das in Schmalkalden in der vergan-genen Woche der Fall war, das haben wir natürlichalle noch nicht erlebt. Dafür gibt es auch keinerleiAufzeichnungen.

Ich glaube, ich kann mir die Chronologie dieser Wo-che ersparen. Presse, Funk und Fernsehen habenmehr als umfangreich darüber berichtet. Ich willvielleicht nur etwas sagen zu heute und morgen:Das Bohrgerät ist vor Ort. Wir werden morgen be-ginnen zu bohren. Der Wasseranschluss ist nochzu klären. Das Standrohr ist gesetzt, ist zementiert.Dann kann es eigentlich, wenn die Wasserversor-gung morgen sichergestellt ist, auch losgehen. Par-allel dazu hat die Feuerwehr einen Kellergang ge-öffnet, ich könnte ihn auch als Bunker bezeichnen,

2970 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Barth)

hat einen Querschnitt von 2,5 mal 2,5 Meter, stehtetwa knietief unter Wasser und wird derzeit leerge-pumpt. In etwa 15 Meter Entfernung vom Eingangdieses Kellerganges - wollen wir es mal so nennen- ist eine Verschüttung zu erkennen. Wir wissennoch nicht, ob sie 100-prozentig mit dem Erdfall zu-sammenhängt. Wir werden auch das prüfen. DieExperten der TLUG und des Landesbergamtes sindnach wie vor vor Ort. Wir werden am 17. Novemberauch mit den Experten noch eine kurze Pressekon-ferenz durchführen, um über mögliche Ursachendes Erdfalls auch näher informieren zu können. Wirwerden in der nächsten Zeit vor Ort bohren. EinBohrgerät ist bereits da, ab dem 15. Novembersteht uns ein zweites Bohrgerät zur Verfügung. Wirwerden etwa bis zu einer Tiefe von 120 bis 150 mbohren, um die Schichten zu analysieren, denn wirwissen noch nicht genau, was wirklich im Unter-grund passiert ist, ob Steinsalze, Karbonate oderSulfate ausgewaschen worden sind. Man muss ab-warten, was dort geschieht. Dem Thema Bunker,Erdgang oder Kellergang werden wir selbstver-ständlich auch nachgehen.

Den Dank, der hier an mehreren Stellen schon aus-gesprochen worden ist, möchte ich auch seitensder Landesregierung nochmals ausdrücklich wie-derholen. Ich war Montagfrüh sehr zeitig mit mei-nen Leuten vom Bergamt und von der TLUG vorOrt, konnte mich mit dem Landrat Luther und mitdem Bürgermeister Kaminski kurzschließen und wirhaben sehr schnell miteinander abgesteckt, wieman dort weiter umgeht. Ich muss allen Einsatz-kräften, auch denen der Polizei und der Feuerwehr,des Katastrophenschutzes und natürlich auch denMitarbeitern in den Behörden vor Ort herzlichenDank sagen und es sei mir auch gestattet, meineneigenen Leuten vor Ort zu danken.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Zum Thema Soforthilfen will ich ein bisschen Klar-stellung schaffen, damit nicht irgendetwas durch dieGegend geistert. Das Kabinett hat gestern be-schlossen, aus Lottomitteln bis zu 180.000 € zurVerfügung zu stellen - die Betonung liegt auf „biszu“. Es hat auch beschlossen, den einzelnen Be-troffenen, die jetzt noch nicht wieder in ihre Häusereinziehen konnten, analog den Hilfen, die in Tiefen-ort gewährt worden sind, Unterstützung von bis zu10.000 € zu übergeben. Das funktioniert natürlichwie bei jedem Lottobescheid auch, das geht natür-lich nur gegen Abrechnung. Die Mittel, denke ich,gehen mir heute oder morgen vom Finanzministeri-um zu. Dann werden wir die Bescheide ausfertigen.Entweder schaffe ich es, dass ich sie selbst über-gebe oder ich werde den Landrat bitten, die Über-gabe zu organisieren.

Zum Thema Katastrophenfonds möchte ich aucheiniges klarstellen. Der Katastrophenfonds, der so

vielen durch den Kopf geistert, ist dafür gedacht,wenn Katastrophen entstehen, die notwendigenMaßnahmen dort finanziell begleiten zu können,über Feuerwehr, Polizei, Bergsicherung, THW, etc.Wir sind momentan dabei und die Finanzministerinregelt die technischen Schritte, dafür eine Haus-haltsstelle einzureichen. Ich muss hier im Hausekeinem erklären, was eine Haushaltsstelle ist. Die-se Haushaltsstelle soll mit Geld aufgefüllt werdenund soll Deckungsmöglichkeiten bekommen. KeinMensch weiß, ob wir diese Haushaltsstelle jemalsbrauchen in den nächsten Jahren oder ob wir sie in14 Tagen oder in einem halben Jahr gleich wiederbenötigen. Das kann keiner vorhersagen. Insofernwird man dort Deckungsfähigkeiten erzeugen müs-sen, so dass man, wenn ein größerer Bedarf da ist,als in der Haushaltsstelle verankert ist, letztendlichauch nachfordern kann.

Zu dem Thema geologische Untersuchungen desUntergrundes - das ist alles gut und schön, darumsind wir auch bemüht. Aber selbst wenn sie fest-stellen können, dass wir dort in einem erdfallgefähr-deten Gebiet sind und dort Erdfälle eintreten kön-nen, kann kein Mensch voraussagen, wann und inwelcher Größenordnung das geschehen wird. Esgibt genügend Private, die ein Haus bauen und sichan die TLUG wenden und sagen, ich will an der undder Stelle ein Haus bauen, gibt es dazu Untersu-chungsmöglichkeiten, gibt es dazu Aussagen?Dann trifft die TLUG auch solche Aussagen. Aberzu sagen, pass mal auf, in 15 Jahren und 3 Mona-ten wird dort ein Erdfall passieren, das ist, glaubeich, sehr illusorisch. Das ist auch jedem hier ver-ständlich.

Dann will ich diese 1,1-Mio.-Euro-Diskussion ausder Welt schaffen. Diese 1,1 Mio. € haben Sie alleschon einmal mit beschlossen. Das ist nämlich dasGeld, das vom Thüringer Landtag innerhalb meinesMinisteriums bereitgestellt worden ist, um damit Er-kundungen - damals ursächlich gedacht für Tiefen-ort - durchzuführen. Da sind offensichtlich auch inPresse, Funk und Fernsehen ein paar verschiede-ne Dinge durcheinander gebracht worden.

Die Frage, wer trägt die Kosten vor Ort, ist relativeinfach zu beantworten - immer der Grundstücksei-gentümer. Wenn der es nicht allein kann, mussman darüber nachdenken, wie das Land helfenkann. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Fraktion DIE LINKE hat sich der Abgeord-nete Kummer zu Wort gemeldet.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Minister ich binfroh, dass Sie in Ihrer Rede eben das Thema Bun-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2971

(Minister Reinholz)

ker ernst genommen haben. Wenn ich an unsereAusschuss-Sitzung am Freitag denke, klangen dortdie Ausführungen der Landesregierung noch an-ders. Solche Äußerungen wie „Die Bunker aus dem2. Weltkrieg sind dafür bekannt, dass sie nicht ein-stürzen“ sind 200 Meter oberhalb des Erdfallsschon widerlegt worden. Da ist nämlich ein Luft-schutzbunker vor etlichen Jahren eingestürzt undda gab es auch einen ziemlich großen Erdfall des-halb. Das haben Zeugen beschrieben.

Meine Damen und Herren, das frühzeitige Aus-schließen von Ursachen kann auch gefährlich sein.Ich finde es schon bedauerlich, gerade nach Erfah-rungen, die wir bereits hatten, dass man sich soschnell auf ein rein natürliches Ereignis versteifthat. Das ist eine Sache, die den Blick vielleicht inder einen oder anderen Hinsicht begrenzt und des-halb nicht hilfreich. Ich will jetzt nicht von den Haf-tungsfragen reden, die sich natürlich im Fall einermilitärischen Altlast noch ganz anders darstellenwürden als bei einem natürlichen Ereignis. Aberdas sind Fragen, die zu einem anderen Zeitpunktgeklärt werden müssen. Jetzt geht es erst mal umdie Sicherheit dort vor Ort und da muss man alles,was in Betracht kommt, abprüfen. Da muss manauch, das möchte ich in Analogie zu Tiefenort sa-gen, Hinweise, die im Vorfeld gegeben werden,ernster nehmen. Ich denke, wir werden auch Geldeinstellen müssen, um in erdfallgefährdeten Gebie-ten in Zukunft solche Frühwarnungen zur Kenntniszu nehmen. Mir haben Anwohner geschildert, dassz.B. die Straße im Bereich des Erdfalls immer wie-der eine Delle hatte und wenn sie denn saniert wor-den ist, ist dort immer wieder Material aufgefülltworden und sie senkte sich trotzdem innerhalb vonkurzer Zeit wieder. Es hat relativ frühzeitig dieKenntnis gegeben, dass in dem Bunker, den derMinister auch beschrieben hat, die Decke runterge-brochen ist. Deshalb ist da auch eine Sperrwandeingebaut worden. Es hat in Gärten in der Umge-bung kleinere Senkungen des Geländes gegeben,kleinere Erdfälle gegeben. All das hat aber offen-sichtlich nicht dazu geführt, dass es Früherkundun-gen gegeben hätte. Ich glaube, wir müssen zur Si-cherheit unserer Bevölkerung, wenn es denn in ei-nem dicht besiedelten Gebiet zu solchen Dingenkommt, in Zukunft Früherkennung entsprechend inAnspruch nehmen.

Es gab auch Bewohner, die vor vier Wochen Gas-geruch gemeldet haben, wo die Polizei da war, dasaufgenommen hat. Die Leute sind als Spinner ver-tan worden, sind nicht ernst genommen worden.Wir hatten Ähnliches in Tiefenort, wo Bewohner dieErdrutschgeräusche geschildert haben in den Be-hörden. Ihnen ist gesagt worden, das kann nichtsein und trotzdem war das ein Frühwarnsystem,das es vor Ort gegeben hat, und später gab es denErdfall. Solche Dinge bitte ich in Zukunft einfachernster zu nehmen. Da muss mehr Sensibilität her,

gerade in solchen Bereichen, damit vielleicht ehergehandelt werden kann, um Schäden zu vermei-den.

Ein Problem treibt mich noch um. Wenn man sichvor Ort das Gelände ansieht, die Garagen, wo dieAutos so spektakulär rausgeholt worden sind, ste-hen direkt an einem Hang. Der Hang führt 20 Meterin die Tiefe mit einem ziemlich hohen Neigungswin-kel. Ich habe mir den Hang von unten angesehenund ein Bewohner hat geschildert, er besteht auseinem Wechsel von Sandstein- und Kalksteinplat-ten. Der Kalkstein ist zum Teil ausgelöst. Er hat sel-ber zum Schutz seines Hauses dort schon Beton-plomben gesetzt, damit der Hang nicht weiter ab-bricht. Die Stabilität dieses Hanges steht für michmassiv infrage, noch dazu, wo Aussagen von Be-wohnern deutlich gemacht haben, dort, wo jetzt dieGaragen stehen, stand früher ein Haus, was im 2.Weltkrieg durch einen Bombenangriff zerstört wur-de. Das heißt, auch dadurch scheint dieses Rest-stück Hang beeinträchtigt zu sein. Es hieß am An-fang, dass der Baumarkt über längere Zeit ge-schlossen werden soll, bis die Sicherheitsprüfungendes Hanges entsprechend abgeschlossen sind. Erist nach zwei Tagen wieder geöffnet worden.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Der wolltedas aber!)

Das mag ja sein, dass der das wollte. Aber wir ha-ben doch trotzdem eine Verantwortung. Wenn derHang ins Rutschen kommt, gerade auch durch dieeingebrachten Kiesmassen, kann es dort zu Ge-fährdungen kommen. Ich bitte bloß darum, dasssich das gründlich angesehen wird, dass man hierdie entsprechenden Schlussfolgerungen trifft, umSchäden für die Bevölkerung frühzeitig abzuwen-den durch solche Maßnahmen.

Ein Letztes, es hat nach der Verfüllung in einigenHäusern neue Risse gegeben. Auch das ist ein Zei-chen dafür, dass man noch nicht von Entwarnungsprechen kann, weshalb man auch sehr sensibelsein sollte mit Versprechen gegenüber den Bewoh-nern, wann sie ihre Häuser wieder beziehen kön-nen. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Heym, CDU: Davon hatauch keiner etwas gesagt.)

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ich habe jetzt keine weiteren Redeanmeldungen zudiesem Teil der Aktuellen Stunde. Demzufolgekann ich sie schließen und ich rufe nun den viertenTeil der Aktuellen Stunde auf

d) Aktuelle Stunde auf Antragder Fraktion DIE LINKE zumThema: "Problematische Situa-

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(Abg. Kummer)

tion an Thüringer Grundschul-horten"Unterrichtung durch die Präsi-dentin des Landtags- Drucksache 5/1770 -

Ich eröffne die Aussprache und erteile das Wort anFrau Abgeordnete Sojka, Fraktion DIE LINKE.

Abgeordnete Sojka, DIE LINKE:

Verehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehrtenKolleginnen und Kollegen! Lieber Torsten Wolf,GEW-Vorsitzender, ich freue mich, dass du hierbist. Ich nehme an, 1.765 Kolleginnen und Kollegenwerden sicher heute Abend dann im Internet nach-hören, was heute hier gesprochen wird, denn dieseproblematische Situation an Thüringer Grundschul-horten besprechen wir hier nicht zum ersten Mal.Dass die Aktuelle Stunde mehr als notwendig ist,zeigt der Brandbrief aus dem Altenburger Land, woeinfach das Fass übergelaufen war, weil Elternver-treter sich vernetzt hatten und festgestellt haben,dass es eben keine Einzelfälle an Ihren Schulensind.

Ich möchte aber nicht auf diesen aktuellen Fall ein-gehen, sondern insgesamt das Thema besprechen,weil ich denke, dass nach wie vor in der Ministeri-umsspitze die Problematik nicht erkannt wird unddemzufolge auch nicht reagiert wird.

Ihr Koalitionsvertrag trägt eigentlich zwei Ziele, dieSie im vergangenen Jahr genannt haben, vornweg.Sie wollen gute Bildung im Land sichern und Siewollen gute Arbeit im Land sichern. Ich muss Ihnensagen, ein Jahr nach dem Regierungsantritt von Ih-nen haben Sie zumindest bezüglich dieser Ge-schichte in den Thüringer Grundschulen und Hortendiese Koalitionsversprechen gebrochen in beiderleiHinsicht.

(Beifall DIE LINKE)

Gehen wir in die Geschichte zurück: 2004 hat sichHerr Althaus mit der Kommunalisierung der Hortevon mehr als 2.000 Beschäftigten verabschiedenwollen. Das hat zu riesengroßen Protesten im Landgeführt, die Grundschulen und Horte nicht ausein-anderzudividieren, sondern die Thüringer Speziali-tät, die Einheit von Grundschule und Hort, lohntesich zu erhalten. Das haben ganz viele Eltern undPädagogen deutlich gemacht. Dann kam die Wei-terentwicklung der Thüringer Grundschule als kom-munalisierte Form. Man hat also die Landkreiseund kreisfreien Städte und Schulträger ermuntert,doch in ihrer kommunalisierten Form das Heft desHandelns selber in die Hand zu nehmen, und hatgleichzeitig die Standards in den Regionen, die sichnicht sofort entscheiden konnten, gesenkt. Waskann man natürlich von einem SPD-Bildungsminis-ter erwarten, wenn er die Regierung übernimmt ineinem Bildungsministerium? Man geht davon aus,

dass nun endlich eine Gleichbehandlung einsetztund dass erkannt wird, dass die Thüringer Grund-schulhorte, egal in welchem Landesteil, nicht weiterausgeblutet werden dürfen.

(Beifall DIE LINKE)

Leider ist das Gegenteil der Fall. Nicht nur dieserBrief zeigt das; ich könnte Ihnen weitere Beispielenennen. Ich muss auch sagen, mich hatte auchüberhaupt nicht der TLZ-Beitrag oder die Presse-mitteilung von heute geschockt. Diese 178 Neuein-stellungen - ich weiß nicht, wie Sie diese Zahlen re-flektieren -, bei dem Ausscheiden der Erzieherinnenderzeit hätten es viel mehr sein müssen, denn mehrals 100 Stellen, das zeigt der Landeshaushalt, sindunbesetzt und es sind beispielsweise in 11 von 17Thüringer Landkreisen 689 neue Stellen geschaffenworden. Da sind 178 ein Tropfen auf den heißenStein und garantieren überhaupt nicht die Qualitätin den Regionen, wo nicht kommunalisiert wordenist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Das allein reicht ja nicht. Wenn man nachfragt, wiees nach 2012 weitergehen soll und was die Kom-munen vielleicht dort tun sollen, ob sie vielleichtjetzt noch beitreten können oder auch nicht oder obdie Situation wenigstens entschärft wird, da wirdauf eine Verwaltungsrichtlinie hingewiesen, die um-gesetzt sei, und das Gegenteil ist der Fall. In derVerwaltungsrichtlinie steht drin, dass eine Hortnerinfür 15 bis 20 Schülerinnen und Schüler zuständigsein soll. Wenn man nachrechnet - und ich gehemal davon aus, ihre Homepage ist nun mittlerweiledoch ein bisschen aktueller geworden -, dann kannman ja nachlesen, dass es 62.821 Grundschüler anstaatlichen Grundschulen gibt, 47.116 der Grund-schüler, das heißt 75 Prozent, besuchen denGrundschulhort, 1.991 Erzieherinnen seien in denGrundschulen laut Homepage des Ministeriums. Inder Antwort an Frau Astrid Rothe-Beinlich war esdie Zahl von 1.765. Das heißt, wenn ich richtigrechnen kann - ich meine, ich habe immer zugege-ben, ich bin Mathelehrerin, man muss nicht unbe-dingt rechnen können, aber gut -, bedeutet daseinen durchschnittlichen Hortbetreuungsschlüsselin Thüringen von 1 Erzieherin für 23,7 Grundschü-ler im Hort. Da sind noch nicht die Krankheits-, dieSchwangerschaftsausfälle, der Erziehungsurlaubund, und, und mit hinzugerechnet. Der Brief der Al-tenburger Eltern zeigt das auch. Dass das Ministeri-um sich letzten Endes nicht an die Verwaltungsvor-schrift hält, sondern erst eine Ausschreibung ab 1zu 25 veranlasst, ist auch bekannt und demzufolgefordere ich Sie hiermit auf, endlich wieder Qualitätan Thüringer Grundschulhorten einziehen zu lassenund die Weiterentwicklung der Thüringer Grund-schule ernst zu nehmen. Und Weiterentwicklungheißt nicht, dass man einen Staatssekretär aus

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2973

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

dem Westen hat, der nicht weiß, dass Grundschuleund Hort auch gemeinsam miteinander arbeiten. Esheißt nicht Verwahranstalten am Nachmittag zu ha-ben.

(Beifall DIE LINKE)

Es heißt wirklich rhythmisierte Angebote zu schaf-fen. Grundschule heißt, von früh bis Nachmittag einAngebot zu schaffen und keine Verwahranstalten,wie das vielleicht im Westen noch eher üblich ist.Unser Thüringer Grundschulhort heißt,

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Frau Sojka, …

Abgeordnete Sojka, DIE LINKE:

dass wir eine Qualität sichern wollen und fordernSie auf, hier endlich Neueinstellungen, und zwarmehr als 50 Prozent in der E 6 wahrzunehmen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Frau Sojka, Ihre Redezeit ist bereits zu Ende.

Abgeordnete Sojka, DIE LINKE:

Dann hoffe ich einfach, dass der Minister sich hierlocken lassen hat, zu reden und dass ich mich dannhinterher noch mal zu Wort melden kann. Ich kündi-ge das hiermit schon an.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Wir schreiben das auf. Für die CDU-Fraktion hatsich der Abgeordnete Kowalleck gemeldet.

Abgeordneter Kowalleck, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, in fünf Minuten Redezeit ist es schwer, die-ses Thema allumfassend zu beleuchten, aber ichmöchte voranstellen, dass wir die Personalproble-me in einigen Thüringer Horten nicht auf sich beru-hen lassen dürfen und dazu, denke ich, trägt auchdie heutige Diskussion bei.

Die Elternvertreter - ich nehme hier als Beispiel denBrief aus dem Altenburger Land - haben um Lösun-gen gebeten und diese müssen auch schnellstmög-lich gefunden werden. Wir nehmen die geschilder-ten Fakten der Altenburger Elternvertreter äußersternst. Vorgestern habe ich mir in einem Gesprächdie Situation von der Schulelternvertreterin derGrundschule Karolinum Altenburg nochmals schil-dern lassen. Ein Problem habe ich allerdings mitdem Begriff „Verwahranstalten“ - Frau Sojka hat ihneben noch mal erwähnt. Dieser Begriff, der im Zu-sammenhang mit der Hortbetreuung in den Raumgeworfen wurde, ist so nicht hinnehmbar.

(Beifall CDU, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich verstehe natürlich auch die Reaktion der Eltern-vertreter. Trotzdem müssen wir gerade bei so ei-nem emotional belegten Thema sachlich bleibenund auch einen kühlen Kopf bewahren. Darum bitteich auch im weiteren Verlauf der Diskussion.

Das bloße Verwahren von Kindern kann nicht unserZiel sein und ist es auch nicht. Schulen sind mehrals Verwahranstalten für Kinder. Unser ThüringerSchulsystem und die Kolleginnen und Kollegen inden Schulen haben dieses Armutszeugnis einfachnicht verdient. Und eines ist auch klar, das ThemaBildung ist der Schwerpunkt unserer Koalition. Daszeigt der Haushalt, das zeigen unsere Gesetzesini-tiativen und das zeigt nicht zuletzt unsere Koaliti-onsvereinbarung, die wir in einem Jahr schon mitbedeutenden Punkten umsetzen konnten. Wir brau-chen natürlich eine lückenlose Aufklärung und eineschnellstmögliche Analyse der Situation vor Ort.Wir brauchen eine dauerhafte Personalausstattungin unseren Einrichtungen.

Meine Damen und Herren, aber eines ist uns auchklar, das Gewinnen und das Halten von Fachkräf-ten wird in den nächsten Jahren gerade die Her-ausforderung sein für unseren Freistaat. In den ver-schiedensten Bereichen wird das Berufsbild der Er-zieher gebraucht und immer neue Anforderungenerhöhen den Bedarf. Wenn wir in einem Bereich dieLöcher stopfen und in einem anderen noch größereLücken aufmachen, dann müssen wir diese Situati-on auch entsprechend wahrnehmen.

Eines muss aber auch klar sein, es gibt durchauspositive Beispiele in unserem Freistaat. Ich nehmehier zum Beispiel meine Heimatstadt Saalfeld. Hierbauen wir eine neue Grundschule, die im nächstenJahr für die Kinder zur Verfügung stehen wird. DasZusammenspiel hier vor Ort mit Schulförderverein,Eltern, Lehrern und nicht zuletzt der Kinder hat Vor-bildwirkung.

Und da bin ich auch schon bei dem Modellprojekt„Weiterentwicklung der Thüringer Grundschule“.Die CDU steht hier für mehr Eigenverantwortungder Schulen. Das Modellprojekt an ThüringerSchulen, in dem die Personalverantwortung vomLand an die Landkreise übertragen wurde, ist einErfolgsmodell. Mittlerweile nehmen 21 Schulträger

(Beifall CDU)

dieses Angebot wahr. In meiner Heimatstadt Saal-feld und im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt habenwir damit auch sehr gute Erfahrungen gemacht. DieGrundschulen haben vor Ort eine Einbindung derVereine und der Jugendarbeit erreicht und hierkann ich als Beispiel auch zahlreiche Arbeitsge-meinschaften nennen, von Fußball über Schach,Handwerken und vieles andere. Ein weiterer wichti-ger Schwerpunkt ist uns dabei im Kreis das Thema„Gesunde Ernährung der Schulkinder“. Die Arbeits-

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(Abg. Sojka)

zeitmodelle hier bei uns vor Ort funktionieren undsind beispielhaft. Ich habe mich da auch noch malgestern in einer Saalfelder Grundschule erkundigtund auch beim Landkreis. Es gibt durchaus in Thü-ringen viele gute Beispiele, dennoch müssen wirFehlentwicklungen an anderen Orten schnellstmög-lich erkennen und auch nachjustieren. Natürlichsteht auch für den Landkreis Saalfeld-Rudolstadt,den ich als Beispiel gebracht habe, die Frage: Wasist am Ende des Erprobungszeitraums Mitte 2012?Auch dann steht natürlich das Land in der Pflicht,die Schulträger entsprechend zu unterstützen.

Zum Ende möchte ich auch noch einmal auf eineThüringer Zeitung eingehen, die in der letzten Wo-che Eltern darum gebeten hat, Probleme in denSchulhorten zu schildern. Hier gebe ich einfach maldie Anregung, auch positive Beispiele zu veröffentli-chen, die helfen uns in mancher Hinsicht wesentlichweiter als kurzfristige Sensationsmeldungen. VielenDank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die FDP-Fraktion hat der Abgeordnete Koppedas Wort.

Abgeordneter Koppe, FDP:

Frau Präsidentin, meine lieben Kolleginnen undKollegen, Thema „Situation der Grundschulhorte inThüringen“. Als ich dieses Thema zur AktuelleStunde gelesen habe, habe ich gedacht, ach, dasist etwas Schönes, da kann ich meine Frau fragen,die macht das schon 18 Jahre, mittlerweile seit 10Jahren als Hortleiterin in der Grundschule. Da habeich gedacht, fragst sie mal, sie kennt sich da be-stimmt gut aus. Ich habe mich nicht geirrt. Ich habedie eine oder andere Erfahrung gemacht oder auchdie eine oder andere Information erhalten.

(Zwischenruf aus dem Hause)

Sonst hätte ich sie nicht geheiratet. Nein, ich glau-be, das Problem ist, denke ich mal, viel facettenrei-cher. Um einmal ein paar Fakten auf den Tisch zulegen, die Erzieherinnen, die momentan im Landes-dienst in den Grundschulhorten beschäftigt sind,sind im überwiegenden Teil mit 32 Wochenstundenbeschäftigt, das sind ungefähr 80 Prozent der mög-lichen Arbeitszeit. Das kann man leicht ausrechnen.Bei den kommunalen Arbeitszeitmodellen oder denkommunalen Trägerschaftsmodellen, die im LandThüringen versucht werden, wird in aller Regel mit20 Wochenstunden eingestellt. Wenn ich jetzt einjunger Mensch bin, der eine fertige Ausbildung hatund sehr gern vielleicht an einem Grundschulhortarbeiten würde, dann kommt mir ganz schnell derGedanke, mit 20 Stunden am Anfang meiner Ar-beitswelt, die ja vielleicht irgendwann einmal Ein-fluss auf meine Altersbezüge hat, die vielleicht ein-

mal Einfluss auch auf mein späteres Fortkommenhat, das reicht mir nicht. Ich suche mir Alternativen;die Alternativen sind dann Kindertagesstätten, an-dere Kindereinrichtungen. Das ist ungesund, weilwir dann anfangen und einen Wettbewerb schaffen,den wir nicht gewollt haben. Wir wollen zusätzlicheKindergartenerzieherinnen, Herr Matschie, da sindwir uns einig. Wir wollen sie aber nicht aus beste-henden anderen rekrutieren, weil das genau derfalsche Weg ist.

(Beifall FDP)

(Zwischenruf Matschie, Minister für Bildung,Wissenschaft und Kultur: Haben Sie einenanderen Lösungsvorschlag?)

Ich komme gleich darauf - Geduld. Frau Sojka hates schon angesprochen, es fehlen circa 100 unbe-setzte Erzieherstellen in den Thüringer Grundschul-horten. Warum fehlen die denn? Das ist eine guteFrage. Sie haben es vorhin auch schon einmal an-gedeutet. Es sind viele ausgeschieden. Die Stellensind nicht nachbesetzt worden. Es sind die Schlüs-sel der Kinder erhöht worden. Auch das ist ein Pro-blem.

(Zwischenruf aus dem Hause: Das ist falsch.)

Nein, das ist richtig. Ich sage es noch einmal ganzeindeutig: Für mich - vielleicht stehe ich mittlerweilefast allein da in Thüringen, bin der einsame Rufer inder Wüste - hat ein Grundschulhort einen Bildungs-auftrag. Da reicht es nicht, wenn ich mir dort be-stimmt willige und fähige Kräfte organisiere, dieauch gern bereit sind, die Zeit zu überbrücken von12:00 Uhr oder 13:00 Uhr bis 16:00 Uhr, nein, einGrundschulhort zeichnet sich auch dadurch aus,dass er mit den Kindern Unterrichtsstoff wiederholtund auch Hausaufgaben macht. Manche Elternwerden sich wundern, wenn das nicht mehr so ist.Ich glaube, das ist ein ganz großer Punkt, darübermüssen wir reden. Wir haben natürlich auch beidem Mangel an Erziehern auch den Wettbewerbmit anderen Bundesländern. Auch das sollten wirnicht verschweigen, das ist so. Das ist im Übrigenauch ein Punkt, wo es über Entlohnung geht. Eines,was ganz wichtig ist: Junge Menschen sind heutegrundlegend immer mehr mobil. Das ist so, daswerden wir nicht verhindern, das ist auch gut so.Die haben natürlich auch kein Problem, dann nachHessen oder nach Bayern zu gehen. Die könnenauch noch viel weiter weggehen. Junge Menschen,das sage ich noch einmal, wollen gefördert und ge-fordert werden. Das heißt aber nicht, dass ich siemit 20 Wochenstunden an den Thüringer Grund-schulhorten einstelle und dann der Meinung bin, ichbin dort bereit, große Leistungen, ich bin enthusias-tisch und ich will mich hier einbringen. Das ist derfalsche Weg, das sage ich noch einmal. Wir solltengrundsätzlich über Qualität und auch darüber nach-denken, welchen Auftrag haben Erzieherinnen undErzieher an Thüringer Grundschulhorten. Ich glau-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2975

(Abg. Kowalleck)

be, das ist eine Diskussionsgrundlage, das würdeich mir einmal im Landtag wünschen. Dann nützenall die politischen Grundsatzreden nicht viel, dannsollte man Praktiker mit ins Boot nehmen. Ich habedas auch gemacht und es ist mir nicht ganzschlecht bekommen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN, FDP)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die SPD-Fraktion hat der Abgeordnete Metzdas Wort.

Abgeordneter Metz, SPD:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, lieberKollege Wolf, Frau Sojka, ich kenne chauvinistischeDebatten um Herkunftsprinzipien eher von anderenParteien. Ich finde, das steht Ihnen nicht gut zu Ge-sicht, mit solchen Argumenten hier im Landtag auf-zutreten.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Hätteich auch gesagt, wenn es Mecklenburg-Vor-pommern …)

Gerade auch vor der jüngeren Historie der eigenenFraktion und auch des Fraktionsvorsitzenden, des-sen Gegenkampagne, die Kampagne gegen HerrnRamelow, ich schon widerlich fand. Und jetzt dieseKampagne gegen Herrn Merten sozusagen zu star-ten, das halte ich dann doch für falsch. Ich bitte Sie,sich vielleicht da an der Stelle auch zurückzuhalten.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Das istnicht meine Absicht gewesen.)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die SPD-Fraktion sagt Ja zu Thüringer Grundschulhorten, Jazu gut ausgebauten und pädagogisch sinnvollenGrundschulhorten. Das heißt für uns, das Schulwe-sen und die Horte können nicht aneinander vorbeiagieren. Frau Sojka, ich gebe Ihnen da, und dashaben wir auch schon oft gemeinsam debattiert, so-gar recht, die Kommunalisierung der ThüringerGrundschulhorte war doch - die Entscheidung dafür- kontraproduktiv. Das heißt, wir benötigen in dennächsten Jahren, vor allem in Hinblick auf das Jahr2012, eine stärkere fachliche Verbindung zwischendem Raum Schule und dem Schulwesen und derEinrichtung Hort unter dem Stichwort Ganztags-schule. Da gebe ich Ihnen vollkommen recht, HerrKoppe. Dafür ist aber eben keine Aktuelle Stundeda, sondern da ist die Debatte vor allen Dingen beider Weiterentwicklung der Thüringer Grundschul-horte mit dem Stichjahr 2012 da. DIE LINKE greiftmit ihrer Aktuellen Stunde ein Problem auf, das re-gional sicherlich unterschiedlich gewichtet ist, abereben doch da ist. Krankheitsbedingte Ausfälle kön-nen mancherorts eben nur schwer kompensiertwerden. Die besondere Situation in den Grund-

schulhorten in Bezug auf die Ausgestaltung derStoßzeiten - Herr Koppe hat das auch noch einmalangesprochen - stellt uns doch vor enorme Schwie-rigkeiten. Das heißt, wie decke ich tatsächlich dieStoßzeiten, die teilweise nur ein bis zwei Stundensind, ab. Mit Vollzeitkräften wird das auch relativschwierig. Da müssen wir sicherlich in eine ausge-feilte Debatte gehen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, 178Neueinstellungen plus diejenigen Einstellungen -die man ja auch nicht vergessen darf - im Rahmendes Projekts oder des Prinzips „Geld statt Stellen“,weitere geringere Einstellungen und natürlich - mei-ne sehr geehrten Damen und Herren, das ist ersteinmal positiv - ist auch eine Situation zu klären. Ichbin mir sicher, das Ministerium wird das an der Stel-le tun, nämlich die wenigen Hortnerinnen, die hieraufstocken mussten, wir haben das schon einmalgemeinsam diskutiert, das sind zwar nur sehr weni-ge, aber das sind trotzdem zu viele, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren. Das ist ein Skandal,wenn Hortnerinnen und Hortner, die einen staatli-chen Auftrag erfüllen, die mit Kindern arbeiten, sounterbezahlt werden. Meine Fraktion bittet also dasTMBWK: Bleiben Sie mit uns gemeinsam dran, dieSchritte, die Sie jetzt unternommen haben, sind ge-nau die richtigen. Und an DIE LINKE gerichtet:Wenn Probleme vor Ort auftauchen, bitte nicht inGeneralisierungsdebatten verfallen, das bringt unsin der ganzen Auseinandersetzung Grundschulhor-te überhaupt nichts. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Wennes tatsächlich so wäre, wäre es ja schön.)

(Beifall SPD)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatsich Frau Abgeordnete Rothe-Beinlich zu Wort ge-meldet.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren, liebe Gäste, ich bin zu-nächst einmal sehr dankbar, dass wir das Themaheute hier auf der Tagesordnung haben, dennselbst wenn es, lieber Herr Metz, Einzelfälle sind,ist doch jeder Einzelfall einer zu viel. Ich glaube,das ist im Übrigen auch in der Diskussion im Aus-schuss, die wir zu diesem Thema schon hatten,deutlich geworden.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Ich will aber mit einer Zahl beginnen, die mich danndoch ganz schön getroffen hat. Wir haben heute inder Zeitung gelesen, dass 178 Erzieherinnen einge-

2976 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Koppe)

stellt worden sind, alle mit 50 Prozent. Wenn manmal so ganz einfach ausrechnet, was bei diesen amEnde des Monats übrig bleibt - ich bin jetzt einfachmal von Steuerklasse 1, also von einem ganz einfa-chen Fall ausgegangen -, wenn sie nach E 6 ein-gruppiert sind, dann sind das 829,47 €. 829,47 €bekommen diese Erzieherinnen oder Erzieher anden Grundschulhorten, wenn sie dort arbeiten.Dass dies kaum zum Leben reicht, das wissen wir,glaube ich, alle. Insofern kann man natürlich auchsehr gut nachvollziehen, dass sich Erzieherinnenund Erzieher im wahrsten Sinne des Wortes nachAngeboten umschauen, die nicht nur lukrativersind, sondern von denen sie leben können. Das istein Dilemma, das müssen wir ganz deutlich sagen.Das müssen wir anerkennen. Da, muss ich auchsagen, beruhigt mich nicht wirklich, dass es imSchnitt - Sie sagen - 21 Schülerinnen oder Schülersind, die in den Grundschulhorten von einer Erzie-herin betreut werden - Frau Sojka ist auf 23,6 ge-kommen - und die Maßgabe eigentlich heißt, 15 bis20 Schülerinnen oder Schüler brauchen eine Erzie-herin oder einen Erzieher. Deutlich ist nämlich,ganz egal, ob es 21 oder 23,6 sind, dass uns Erzie-herinnen an den Grundschulhorten fehlen. Dazumöchte ich auch noch einmal sagen, ich bin aller-dings davon überzeugt, dass Herr Merten dasdurchaus auch weiß, die Horte sind ein organisato-rischer Teil der Grundschule. Daran hat sich ausmeiner Sicht jedenfalls auch nichts mit der Einfüh-rung oder Weiterentwicklung der Thüringer Grund-schule geändert, wie es so schön heißt. Herr Koppehat es sehr schön praktisch dargestellt, wenn dieErzieherinnen im Hort tatsächlich auch die Haus-aufgaben mit den Schülerinnen und Schülern ma-chen sollen, wenn es uns ernst ist mit der Rhythmi-sierung beispielsweise des Unterrichts, dann wirddeutlich, dass es eben nicht nur um einen Zeitab-schnitt von 12.00 bis irgendwann am Ende desNachmittags geht, sondern dass diese Erzieherin-nen selbstverständlich beispielsweise auch am Un-terricht mit teilnehmen müssen, dort auch unterstüt-zend wirken müssen, und dass sie dafür natürlichauch eine bestimmte fachliche Qualifikation brau-chen, das steht hoffentlich, glaube ich jedenfalls,außer Frage.

Herr Kowalleck, weil Sie immer wieder sagen, wirsind in Thüringen doch aber ganz toll und in Thürin-gen ist alles super, ich glaube, niemand will Thürin-gen schlechtreden, darum soll es auch überhauptnicht gehen. Dass wir in Thüringen sehr viel weitersind als viele Westbundesländer, die von einer sol-chen Betreuungsquote - will ich es mal nennen -nur träumen können, das ist auch unbestritten.Nichtsdestotrotz möchte ich noch einmal an einenBericht erinnern, der schon einige Jahre alt ist,nämlich von der Enquetekommission „Bildung undErziehung“, der hier im Thüringer Landtag auchverabschiedet wurde und wo genau diese Einheitvon Grundschule und Hort als eine organisatori-

sche Einheit, aber auch als eine Lerneinheit - sowill ich es einmal nennen -, als eine Bildungseinheitimmer wieder lobend herausgestellt wurde. Ichkann mich sehr gut daran erinnern, wie Kolleginnenund Kollegen gerade aus den Westbundesländernsehr neidisch immer wieder nach Thüringen undauch auf die Situation geschaut haben. Frau Sojkahat es schon erwähnt, ich habe ja eine recht um-fängliche Anfrage zu dieser ganzen Thematik ge-stellt und auch viele Antworten darauf bekommen.Die Zahlen machen deutlich, dass es nach wie voran Erzieherinnen in den Horten fehlt. Ich denke,diese Problematik müssen wir benennen und wirmüssen vor allen Dingen darüber nachdenken, wiewir es schaffen, den Beruf attraktiver zu gestaltenund auch mehr anzuerkennen im wahrsten Sinnedes Wortes.

Hinzu kommt ein weiteres Problem: Unsere Erzie-herinnen und Erzieher in Thüringen sind durch-schnittlich 48 Jahre alt. Frau Sojka hat vorhin schoneinmal darauf hingewiesen. Wenn Sie wissen, wel-che Anforderungen in jeder Hinsicht auf diese Er-zieherinnen zukommen, dann wissen wir, dass wirein echtes Problem damit haben, dass wir zu wenigjunge Erzieherinnen und Erzieher an den Horteneinstellen und, ich glaube, auch da gibt es nochganz viel zu tun. Was uns wichtig ist, ist, dass wirvom zuständigen Ministerium verbindliche Aussa-gen zur Zukunft gerade auch des Erprobungsmo-dells bei der Weiterentwicklung der ThüringerGrundschule bekommen, dass es aussagefähigeAngaben zur Beschäftigungssituation gibt, geradeauch für das Personal, das zusätzlich eingesetztwird, und dass es aus unserer Sicht Strategien undMaßnahmen zur Verbesserung braucht, die dauer-haft wirken, damit unsere Kinder auch in Zukunftgute Bildung und Erziehung in den Grundschulhor-ten erfahren. Danke.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung erhält Minister Matschiedas Wort.

Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaftund Kultur:

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen!Frau Sojka, gestatten Sie mir die Bemerkung, ichglaube, Sie haben sich hier im Ton wirklich vergrif-fen.

(Beifall CDU)

Wenn Sie einem Staatssekretär, der lange das In-stitut für Erziehungswissenschaften geleitet hat, un-terstellen, er verstehe nichts vom Hort, nur weil eraus dem Westen kommt, dann haben wir ein Ni-veau der Debatte erreicht, das uns allen überhauptnicht weiterhilft.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2977

(Abg. Rothe-Beinlich)

(Beifall CDU, SPD, FDP, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Es zeigt aber auch, dass Sie keine wirklichen Argu-mente haben, sonst müssten Sie sich nicht auf einsolches Debattenniveau begeben.

Ich will noch einmal grundsätzlich sagen, werte Kol-leginnen und Kollegen, Grundschule und Hort ge-hören in Thüringen fest zusammen, die Arbeit istaufeinander bezogen und es ist auch ein Erfolgs-modell. Der Besuch der Horte ist freiwillig, wie jederweiß, das Angebot wird in erheblichem Umfang an-genommen. Rund 50.000 der insgesamt 67.000Schüler besuchen den Grundschulhort im laufen-den Schuljahr, das sind 75 Prozent. Wenn mannach den Gründen fragt, kann man zumindest eindeutliches Zeichen für die Wertschätzung und auchfür die Qualität dieses Angebots erkennen, sonstwürde es nicht von so vielen Schülerinnen undSchülern nachgefragt. Die Qualität der Hortbetreu-ung hängt wesentlich am Personal und deshalbkommt es auch auf den zeitgenauen Einsatz diesesqualifizierten Personals an. Ich bin der Letzte, derProbleme nicht ernst nimmt, die von Eltern in die-sem Zusammenhang vorgetragen werden. Ja, esgibt an bestimmten Orten und zu bestimmten Zei-ten auch Engpässe und wir müssen dafür sorgen,dass solche Engpässe so schnell es geht beseitigtwerden können. Für den Einsatz des Personals gibtes die Verwaltungsvorschrift zur Vorbereitung desSchuljahres und hier wird die Hortkind-Erzieher-Re-lation festgeschrieben. Das sollen 15 bis 20 Kinderpro Erzieherin sein, das ist die angestrebte Zahl, soist es in der Verwaltungsvorschrift auch für das lau-fende Schuljahr festgelegt. Ähnliche Werte gab esauch in den zurückliegenden Jahren.

(Zwischenruf Abg. Sojka, DIE LINKE: Diewird aber nicht eingehalten.)

Ich komme gleich dazu, Frau Sojka, kleinen Mo-ment. Für dieses Schuljahr kam als neue Situationhinzu, dass die Befürchtung bestand, dass einGroßteil der Erzieherinnen aufgrund des neuen Ki-ta-Gesetzes in die Kindertagesstätten abwandernwürde, weil dort Vollzeitangebote bestehen. Ausdiesem Grund habe ich mehrere Maßnahmen ver-anlasst. Zum Ersten wurden umfangreiche Entfri-stungen von Hortnerinnen vorgenommen. ZumZweiten wurde der Bewerberkreis für die Tätigkeitan Horten auf andere Ausbildungen ausgeweitetund zwar können jeweils mit Einzelfallprüfung auchGrundschullehrer, Sozialpädagogen oder Heilerzie-hungspfleger diese Tätigkeit aufnehmen. Wir haltenan der Fachlichkeit als Qualitätskriterium fest undüber Einzelfallprüfung ist mit diesem Qualifikations-niveau eine Arbeit in den Horten möglich. Drittenskonnten die Schulen im Rahmen des Projekts „Geldstatt Stellen“ ihr zur Verfügung gestelltes Personal-budget für den Hortbereich nutzen, um auch eigen-ständig dort, wo Mangelsituationen sind, Personal

vor Ort einzustellen. Parallel zu diesen unmittelbargreifenden Maßnahmen haben wir im Ministeriumeine Arbeitsgruppe zur Fachkräfteabsicherung inden Schulhorten eingesetzt, die sich mit der Fragebeschäftigt, wie eine angemessene Personalaus-stattung dauerhaft gesichert werden kann. Die aktu-elle Erfassung der Personalsituation zeigt, dass wirin einigen Bereichen, insbesondere in Städten,einen erhöhten Bedarf haben. Besondere Problemehaben wir an Schulen, in welchen durch Langzeiter-krankung - wie beispielsweise in Gößnitz - Kollegin-nen für einen längeren Zeitraum ausfallen. Aberauch hier lassen wir nichts unversucht, kurzfristigfür Ersatz zu sorgen. In diesem Schuljahr wurdenbereits in drei Schulamtsbereichen Einstellungenvon Aushilfs- und Vertretungskräften als Ersatz fürlangzeiterkrankte Erzieher genehmigt. Ich kann Ih-nen einmal die Zahl sagen, bei den Schulträgern,die nicht am Erprobungsmodell teilnehmen und fürdie wir damit vollständig die Verantwortung für denPersonaleinsatz haben. Wir haben zurzeit 24 lang-zeiterkrankte Erzieherinnen oder Erzieher. In 10Fällen haben wir jetzt schon für Ersatz sorgen kön-nen. Ich glaube, dass man insgesamt sagen kann,dass wir mit dem vorhandenen Erzieherpersonal ei-ne sichere Betreuung auch in guter Qualität ab-decken können, auch wenn das nicht zu jedemZeitpunkt an jedem einzelnen Ort möglich ist auf-grund der geschilderten Probleme, die ich Ihneneben genannt habe.

Das Problem, qualifiziertes Personal zu finden, dasbleibt. Wir suchen deshalb nach Lösungen, wie dieAttraktivität der Erziehertätigkeit im Grundschulhortauch weiter erhöht werden kann. Herr Koppe hatdas eben auch angesprochen. Eine generelle An-hebung des Beschäftigungsumfangs von Erziehe-rinnen oder Erziehern lässt sich nicht so einfachrealisieren. Der Hortbetrieb findet vorwiegend nach-mittags statt, was Teilzeitbeschäftigung erfordert,weil nur so auch zielgenauer Personaleinsatz mög-lich ist. Wir müssen uns also hier noch andere Din-ge einfallen lassen.

Ich möchte auch ein Wort zum Erprobungsmodellfür die Weiterentwicklung der Thüringer Grund-schule sagen. Sie wissen, seit 2008 besteht dasAngebot, an diesem Erprobungsmodell teilzuneh-men. Am Anfang waren es neun Träger, die sichdafür entschieden haben. Mittlerweile sind es 21von 34 Schulträgern, die in diesem Erprobungsmo-dell arbeiten; mit den Trägern ist vereinbart, dassnach dem Ende der Erprobungsphase - Mitte 2012ist die Erprobungsphase zu Ende - über die Fort-führung des Modellansatzes als Regelfall entschie-den wird. Die Erprobung wird von den Landkreisenund Städten zugewiesenen Regionalkoordinatorendokumentiert. Aus den bisherigen Erfahrungenkann man zumindest Folgendes sagen: Es gibteinen deutlichen Anstieg der Angebote und es gibteinen Zuwachs an Kooperationspartnern im Sozial-

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(Minister Matschie)

raum und auch eine Verbesserung der Personalsi-tuation. Es gibt eine höhere Zufriedenheit sowohlder Eltern als auch der Pädagogen. Vielleicht las-sen sich in der Umsetzung in diesen Erprobungs-modellen auch Anregungen für eine bessere Aus-gestaltung des Hortangebots in den anderen Berei-chen finden.

Ich will hier noch einmal deutlich machen, mir istein gutes Hortangebot wichtig. Es gehört unver-zichtbar zu unserer Thüringer Schullandschaft da-zu. Es entlastet und unterstützt die Eltern und esbietet ganz ausdrücklich zusätzliche Bildungsmög-lichkeiten die genutzt werden können, nicht nur fürdie Festigung und Vertiefung des in der Schule Ge-lernten, sondern auch für die Entwicklung persönli-cher und sozialer Kompetenzen spielt der Hort einewichtige Rolle. Der Hort ist insofern auch ein eigen-ständiges Bildungsangebot. Gerade auch für Kin-der, die aus Elternhäusern kommen, in denen siekeine so große Unterstützung erfahren können, bie-ten sich hier zusätzliche Entwicklungschancen undich will, dass diese Chancen bestmöglich genutztwerden. Deshalb werden wir auch in Zukunft dafürsorgen, dass dort, wo Engpässe auftreten, das pas-siert ja insbesondere, wenn Erzieherinnen langzeit-erkrankt sind, dass wir dort Ersatz und Abhilfeschaffen können. Ich glaube, wir dürfen das Pro-blem nicht generalisieren und auch nicht zu sehrdramatisieren und ich bin sicher, dass wir Lösun-gen finden, die der Situation vor Ort Rechnung tra-gen. Die durchschnittliche Betreuungsrelation, undzwar wenn man die Langzeiterkrankten heraus-rechnet, wenn man diejenigen, die in Altersteilzeitsind, herausrechnet und nur die tatsächlich anwe-senden Erzieherinnen und Erzieher zur Grundlagenimmt, dann haben wir pro Erzieherin oder Erzieher21 zu betreuende Kinder. Ich glaube, das ist eineverantwortbare Relation. Sie liegt geringfügig überder angestrebten Marke.

Ich möchte zum Schluss die Gelegenheit nutzen,auch ein Wort des Dankes zu sagen an alle Horter-zieherinnen und Horterzieher für ihren engagiertenund kompetenten Einsatz. Sie machen den Hort zudem, was er sein soll, nämlich einem Ort der Bil-dung im Interesse unserer Kinder. Herzlichen Dank.

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Fraktion DIE LINKE erhält Frau Abgeordne-te Sojka das Wort.

Abgeordnete Sojka, DIE LINKE:

Vorab Entschuldigung, Prof. Merten, wenn das sofalsch angekommen sein sollte. Ich schätze Ihrewissenschaftliche Arbeit sehr hoch ein und Ihre Ar-beit als Staatssekretär sehr engagiert. Dazu fällt mir

jetzt nichts anderes ein, als dass ich da hoffentlichin meiner Ungeduld einen Satz unbedacht gesagthabe, den ich gern noch einmal nachlese. So wares nicht gemeint.

(Beifall SPD)

Das, was gemeint war, ist einfach, dass wir in Thü-ringen tatsächlich eine Spezialität im gesamtenBundesgebiet haben. Wenn man diese Situation2004 nicht miterlebt hat, wo wir uns alle zusammenan diesem Tisch befunden haben und gegen dieseAlthaus’sche Kommunalisierung gemeinsam in derOpposition erst einmal konstatiert haben, was dasWichtige am Thüringer Grundschulhort ist im Ge-gensatz zu allen anderen Ländern - auch den ost-deutschen anderen Ländern -, weil es hier noch dieMöglichkeit gab, Landesbedienstete im Hort zu ha-ben, und zwar Landesbedienstete, die eine Lehrbe-fähigung hatten, die auch im Unterricht früh die Me-thodik kennenlernen konnten, was am Nachmittagbei der Hausaufgabenbetreuung - das ist den Elternübrigens am Wichtigsten - dann auch vermitteltwerden muss. Das war die Grundlage dessen, wassich dann als Weiterentwicklung der ThüringerGrundschule auch vollziehen sollte. Nach wie vorgibt es die beiden Wege - Kommunalisierung oderNichtkommunalisierung. Ich denke, dass alle Be-schäftigten als Landesbedienste dem Ziel, einerWeiterentwicklung der Grundschule nahezukom-men, viel gerechter werden würden. Man brauchtnicht die Hortnerinnen allein am Nachmittag.

Herr Matschie, wenn ich Sie korrigieren darf oderwenigstens darauf aufmerksam machen darf: Siereden - und das haben Sie vor ein paar Jahren an-ders gemacht - auch nur noch von Hortbetreuungund zielgenauem Personaleinsatz. Es geht hiernicht darum, mit 50 Prozent nur am Nachmittag ir-gendetwas abzusichern. Es geht um rhythmisierteAngebote, es geht darum, dass wir Erzieherinnenvielleicht auch modularisiert wieder dazu ausbilden,didaktische und methodische Kenntnisse über das,was am Vormittag passiert, zu haben. Es geht umgemeinsamen Unterricht. Ich kann mir ganz vielvorstellen, dass man eben genau die Erzieherinnenmit mindestens 80 Prozent einstellt. Zum Teil ma-chen uns das die Landkreise auch vor. Es gehtnicht darum, wirklich nur Grundschule am Vormittagund Hortbetreuung am Nachmittag zu haben. Dashabe ich nie unter Weiterentwicklung der ThüringerGrundschule verstanden. Das ist unsere Botschaft.Es geht nicht um die Einzelfälle, aber die sind alar-mierend genug. Wenn eine Kollegin 81 Kinder indrei Räumen beaufsichtigen muss, dann will ichdas hier nicht unbedingt dramatisieren. Aber ausdem Brief geht hervor, dass das eben kein Einzel-fall ist. Wie gesagt, auf Ihre Rechnung, die heuteauch in der Zeitung stand - 1 : 21 - kommen wirnicht. Vielleicht sollte man auch noch einmal einenrunden Tisch zu Horten machen und sich die Zah-len versuchen gegenseitig darzustellen und mal da-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2979

(Minister Matschie)

rüber zu reden, was man eigentlich von einem Thü-ringer Grundschulhort erwartet, was die Eltern er-warten und was wir zielführend nach 2012 weitertun werden, um wirklich zu sagen, ThüringerGrundschulhort ist und bleibt eine Spezialität, fürdie es sich zu kämpfen lohnt. Da hoffe ich, dann al-le im Boot zu haben und Sie, der das Hortbündnisvor drei Jahren mit inszeniert hat, ganz vorne dran.Das meinte ich einfach damit. Es reicht nicht, dassjemand das kennenlernt, was es hier gibt. Es musseinfach auch dafür gekämpft werden, dass das sobleibt, wie es ist. Das erwarten die Leute von einemSPD-Minister zuallererst. Das wollte ich hier nocheinmal als Botschaft rüberbringen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Minister Matschie für die Landesregierung.

Matschie, Minister für Bildung, Wissenschaftund Kultur:

Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen,es ist richtig, dass wir die Grundsatzdebatte vor ei-nigen Jahren geführt haben - wie gehen wir mitdem Zusammenhang von Schule und Hort um. Ichhabe damals dafür plädiert, Schule und Hort in ei-ner Hand zu lassen. Es hat damals eine andereEntscheidung gegeben. Seit einigen Jahren läuftdiese Entwicklung. Die Mehrzahl der Träger hatsich für diese Entwicklung entschieden. Wir wissenaus der bisher stattgefundenen Evaluierung, dasAngebot hat sich verbessert, die Zufriedenheit derEltern hat sich - nach den Befragungen jedenfalls -erhöht. Die Vernetzung im sozialen Raum ist bes-ser gelungen. Das sind die Ergebnisse, die aus derUntersuchung vorliegen. Das nehme ich zunächsteinmal zur Kenntnis und frage, was ist dort bessergelungen. Wir haben noch keine abschließendeEntscheidung über die weitere Entwicklung getrof-fen, die liegt noch vor uns.

(Zwischenruf Abg. Bärwolff, DIE LINKE:Dass Sie dazu stehen.)

Ich glaube nicht, dass es gut ist, wenn eine einmalgetroffene Entscheidung für immer unumstößlichist, sondern ich glaube, es gehört zur Politik dazu,dass man sich von Zeit zu Zeit die Realität an-schaut und sich fragt, hast du recht gehabt oder hatvielleicht jemand anderes recht gehabt. Wir sindjetzt in der Phase, wo wir uns das genau anschau-en, wo wir mit den Erfahrungen umgehen, die dortvor Ort gemacht werden. Ich bin gern bereit, michan der Realität zu messen, meine Positionen an derRealität zu messen, zu fragen mit welchen Angebo-ten sind die Eltern zufriedener, wo hat sich die Qua-lität verbessert und danach eine Entscheidung zutreffen und nicht zu sagen, ich habe vor sechs Jah-

ren mir das mal so überlegt und deshalb ist das un-umstößlich. Politik muss sich der Realität stellenund sich daran messen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Esist aber nicht besser geworden.)

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungenmehr vor. Dann schließe ich diesen Teil der Aktuel-len Stunde und damit die Aktuelle Stunde über-haupt.

Ich rufe nun vereinbarungsgemäß - es ist im Ältes-tenrat vereinbart worden, dass dieser Tagesord-nungspunkt gleich im Anschluss an die AktuelleStunde aufgerufen wird - den Tagesordnungs-punkt 47

Wahl einer neuen Schriftführe-rinWahlvorschlag der Fraktion DIELINKE- Drucksache 5/1769 -

auf. Ich gebe dazu den Hinweis, dass anstelle desals Schriftführer zurückgetretenen AbgeordnetenDr. Thomas Hartung die Fraktion DIE LINKE dieAbgeordnete Sabine Berninger als Schriftführerinvorgeschlagen hat. Es gibt dazu einen Wahlvor-schlag in der Drucksache 5/1769. Wird dazu Aus-sprache gewünscht? Das ist nicht der Fall.

Wir können bei dieser Wahl, wie das immer üblichist, durch Handzeichen abstimmen, falls dem nichtwidersprochen wird. Wird dem widersprochen?Dem wird nicht widersprochen. Demzufolge stelleich den eben benannten Wahlvorschlag zur Abstim-mung. Wer für diesen votieren möchte, den bitte ichjetzt um das Handzeichen. Das sieht nach einergroßen Mehrheit aus. Ich frage nach den Gegen-stimmen. Gegenstimme gibt es nicht. Ich fragenach Stimmenthaltungen. Stimmenthaltungen gibtes auch nicht. Damit stelle ich fest, dass dieser Vor-schlag einstimmig angenommen ist.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

(Zwischenruf Abg. Dr. Zeh, CDU: Es gab ei-ne Stimmenthaltung.)

Es gab 1 Stimmenthaltung - Entschuldigung - vonFrau Abgeordneter Doht. Ich wurde noch mal dar-auf hingewiesen. Aber dieser Wahlvorschlag ist na-türlich damit angenommen.

Ich schließe nun diesen Tagesordnungspunkt undrufe den Tagesordnungspunkt 48

Fragestunde

2980 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Sojka)

auf. Die erste Anfrage ist die des Herrn Abgeordne-ten Korschewsky, Fraktion DIE LINKE, in derDrucksache 5/1609.

Abgeordneter Korschewsky, DIE LINKE:

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Besucherlenkung "Hämmerer Ebene"

Nachdem im März 2010 in einem Gespräch im Thü-ringer Ministerium für Wirtschaft, Arbeit und Tech-nologie durch die Gemeinde Mengersgereuth-Häm-mern eine konzeptionelle Studie zur "Besucherlen-kung Hämmerer Ebene" erläutert und im Gesprächein diesbezügliches Projekt als förderfähig einge-stuft wurde, stellte die Gemeinde Mengersgereuth-Hämmern am 12. Mai 2010 einen entsprechendenFörderantrag in Höhe von 396.000 € (die Studiewurde dem Ministerium für Wirtschaft, Arbeit undTechnologie mit Schreiben vom 2. März 2010 über-geben). Bis zum heutigen Tage erfolgte kein Zu-wendungsbescheid.

Ich frage die Landesregierung:

1. Warum erfolgte bis zum heutigen Tage keineEntscheidung über den vorliegenden Förderantragbzw. erhielt die Gemeinde Mengersgereuth-Häm-mern noch keine Information über einen entspre-chenden Zuwendungsbescheid?

2. Wann kann die Gemeinde Mengersgereuth-Hämmern mit einem Zuwendungsbescheid rech-nen?

3. Bei einem positiven Bescheid: In welcher Höhekann die Gemeinde mit einer Förderung rechnen,wird die Fördersumme noch im Jahr 2010 ausge-reicht und können damit die entsprechenden Maß-nahmen noch 2010 beginnen?

4. Ist die Fördersumme, sofern sie noch im Jahr2010 zur Verfügung gestellt wird, aber aufgrund ob-jektiver Gegebenheiten (Wetterbedingungen) nichtmehr in voller Höhe abgerechnet werden kann, aufdas Wirtschaftsjahr 2011 übertragbar?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärStaschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, namens derLandesregierung beantworte ich die Mündliche An-frage des Abgeordneten Korschewsky zur Besu-cherlenkung „Hämmerer Ebene“ wie folgt:

Zu Frage 1: Ein Förderantrag der Gemeinde Men-gersgereuth-Hämmern vom 12. Mai 2010 zum Vor-haben „Besucherlenkung Hämmerer Ebene“ ist

nicht bekannt. Es liegt hingegen eine formlose För-dervoranfrage der Gemeinde Mengersgereuth-Hämmern vom 1. Juni 2010 zu einem geplantenVorhaben Nordic-Aktiv-Zentrum Hämmerer Ebenevor. Es ist vorgesehen, die Prüfung der Fördervor-anfrage noch in diesem Monat abzuschließen. Viel-leicht kann ich noch ergänzend eine Erklärung ma-chen:

Es ist Verwaltungspraxis bei der TAB, dass alleFördervoranfragen immer bis zum 31. August ge-sammelt werden und dann sukzessive abgearbeitetwerden. Das Ziel ist nämlich die Bewilligung dannfür das nächste Jahr zu ermöglichen und entspre-chend dann, dass die Kommunen das in den Haus-halt einstellen können.

Zu Frage 2: Da kann jetzt natürlich keine Aussagegetroffen werden, da das Antrags- und Bewilli-gungsverfahren erst nach abschließender positiverPrüfung der Fördervoranfrage eingeleitet werdenkann.

Zu Frage 3: Da muss ich auf die Frage 2 verwei-sen.

Zu Frage 4: Mit positivem Abschluss der Prüfungder Fördervoranfrage kann das Antrags- und Bewil-ligungsverfahren für eine Bewilligung im Jahr 2011eingeleitet werden. Ich kann auch sagen - ich habemich jetzt noch heute erkundigt -, es ist eine positi-ve Aussage zu erwarten.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt offensichtlich keine Nachfragen dazu. Dannkann ich die zweite Frage aufrufen. Es ist die derFrau Abgeordneten Schubert, Fraktion BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN, in der Drucksache 5/1660.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Verwendung von Haldenmaterial aus dem Uran-bergbau zu Bauzwecken

Seit 1974 gab es in der DDR die "Richtlinie zur Ver-wendung und Nutzung von Haldenmaterial zu Bau-zwecken". 1980 wurde sie von der "Anordnung zurGewährleistung des Strahlenschutzes bei Haldenund industriellen Absetzanlagen und bei der Ver-wendung darin abgelagerter Materialen" abgelöst.Daraus lässt sich schlussfolgern, dass bis 1974 ra-dioaktives Haldenmaterial unkontrolliert zum Bauvon Straßen und Plätzen als Zusatzstoff für Bauma-terialen verwendet worden ist. Mit den Änderungendurch die Anordnung von 1980 wurde die Verwen-dung von radioaktivem Haldenmaterial nicht unter-sagt, sondern lediglich genehmigungspflichtig. DieGenehmigung wurde jedoch weiterhin und nach in-transparenten Kriterien erteilt. Es ist deshalb davonauszugehen, dass auch danach noch Haldenmate-rial für Baumaßnahmen eingesetzt wurde.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2981

(Vizepräsidentin Dr. Klaubert)

Ich frage die Landesregierung:

1. Liegen der Landesregierung Informationen vor,wo und wie Haldenmaterial aus dem Uranabbauder Wismut beim Straßenbau oder sogar für Funda-mente bei Wohnhäusern verwendet worden ist undwenn ja, wie geht die Landesregierung damit um?

2. Wie bewertet die Landesregierung das aktuelleGefahrenpotenzial, das von Wegen und Bautenausgeht, die (möglicherweise) mit Haldenmaterialgebaut worden sind?

3. Gibt es eine Übersicht, wie viele und welcheStraßen und Objekte im Freistaat betroffen sind,um bei einer Sanierung entsprechend des Gefah-renpotenzials zu reagieren?

4. Wie sorgt die Landesregierung dafür, dass beider Sanierung von Straßen das eingebaute konta-minierte Material erkannt und ggf. sachgerecht ent-sorgt wird, wo und wie wird oder würde solches Ma-terial entsorgt?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsse-kretärin Dr. Eich-Born.

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordneten, die Mündliche An-frage der Abgeordneten Schubert beantworte ichfür die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Gestatten Sie mir einige Vorbemerkungen: Seitdem 17. Oktober 1980 galt in der DDR die „Anord-nung zur Gewährleistung des Strahlenschutzes beiHalden und industriellen Absetzanlagen und bei derVerwendung darin abgelagerter Materialien“ - kurzgenannt „Haldenanordnung“ - mit der die Richtliniezur Verwendung und Nutzung von Haldenmaterialzu Bauzwecken abgelöst wurde. Diese Anordnungist nach Maßgabe des Einigungsvertrags zurzeitfortgeltendes Recht, da entsprechende Vorschriftenim Strahlenschutzrecht der BundesrepublikDeutschland fehlen. Nach der Haldenanordnungund den zuvor geltenden Rechtsvorschriften war fürdie Verwendung von Haldenmaterialien, deren Ra-dioaktivitätskonzentrationen den Wert von 0,2 Bec-querel pro Gramm überschreiten, eine Zustimmungdurch die zuständige Strahlenschutzbehörde, indiesen Fällen das Staatliche Amt für Atomsicherheitund Strahlenschutz der ehemaligen DDR, erforder-lich. Auf Antrag des Vorhabenträgers wurde ein Zu-stimmungsverfahren durchgeführt.

Zu Frage 1: Der Landesregierung liegt eine Aufli-stung des Bundesamtes für Strahlenschutz für Thü-ringen über die im damaligen Staatlichen Amt fürAtomsicherheit und Strahlenschutz der DDR imZeitraum von 1970 bis 1990 erteilten Genehmigungzur Verwendung von Haldenmaterial aus dem

Uranerzbergbau vor. Die Auflistung enthält unteranderem nachfolgende Angaben: Zustimmungsda-tum, Ort des Bauvorhabens, Name des Vorhabens-trägers, wie ehemalige Baubetriebe, Produktions-betriebe, Bergsicherung, Sowjetisch-deutsche Akti-engesellschaft Wismut, Kirchengemeinden, Natio-nale Volksarmee und kommunale Einrichtungen,die Art des Bauvorhabens, Einbaumenge, Ab-deckungen, die Haldenherkunft des Baumaterials,Zustimmungsbedingungen, wie Auflagen - ja odernein. Eine Verwendung des Haldenmaterials ohneZustimmung des Staatlichen Amtes für Atomsicher-heit und Strahlenschutz der DDR kann rein abstraktzwar nicht ausgeschlossen werden, allerdings lie-gen für konkrete Fälle keine Anhaltspunkte vor. Än-derungen an den betreffenden Objekten unterliegenden Regelungen der Strahlenschutzverordnung derBundesrepublik. Die Verantwortung für einen sach-gerechten Umgang mit dem zu Bauzwecken ver-wendeten Haldenmaterial liegt beim Genehmi-gungsinhaber oder dem heutigen Rechtsnachfol-ger.

Zu Frage 2: Nach Einschätzung der Landesregie-rung besteht durch den Einsatz von Haldenmaterialim Straßenbau und bei der Geländeregulierung kei-ne Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ord-nung. Dabei stützt sich die Landesregierung auf ei-ne Einschätzung des Bundesamts für Strahlen-schutz zur Verwendung von Haldenmaterial ausdem Uranerzbergbau beim Straßenbau, wonachGesundheitsgefährdungen ausgeschlossen sind.Unabhängig davon werden beim Auffinden von Hal-denmaterial erforderlichenfalls vom Thüringer Lan-desbergamt Maßnahmen im Sinne des Minimie-rungsgebotes eingeleitet, damit zwar nicht gefährli-che, aber unnötige Strahlenexpositionen der betrof-fenen Bevölkerung vermieden werden.

Zu Frage 3: Ich verweise hierzu auf meine Antwortzu Frage 1.

Zu Frage 4: Sowohl bei der Erhaltung als auchbeim Neubau von Bundesfern- und Landesstraßenwerden alle anfallenden Straßenausbaustoffe nachden in Thüringen für die Straßenbauverwaltung an-zuwendenden Umweltgesetzen und dazu erlasse-nen Straßenbauvorschriften analysiert und bewer-tet. Ausgehend von den erhaltenen Analysewertenwerden diese Straßenausbaustoffe entweder ent-sprechend dem Abfallkreislaufwirtschaftsgesetzwieder dem Stoffkreislauf zugeführt oder auf zuge-lassenen Deponien entsorgt. Sofern das ThüringerLandesbergamt Kenntnis von Auffälligkeiten erlangthat, die sich nicht durch vorhandene Dokumentatio-nen klären ließen, wurden vor Ort Messungen ver-anlasst bzw. vom Thüringer Landesbergamt selbstdurchgeführt. Hat sich das Vorhandensein von Hal-denmaterial bestätigt, werden die nach Strahlen-schutzverordnung notwendigen Maßnahmen zumsachgerechten Wiedereinbau der Materialien fest-gelegt. In Fällen, wo dies nicht möglich war, wurden

2982 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Schubert)

die aufgefundenen Haldenmaterialien aus demUranerzbergbau von der Wismut GmbH angenom-men und bei Sanierungsmaßnahmen ordnungsge-mäß eingesetzt.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt dazu eine Nachfrage.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Eine Rückfrage zu Ihrer Antwort auf Frage 2. Ichhabe Sie jetzt so verstanden, dass da, wo es denentsprechenden Fall gibt, eine Baumaßnahme undein Material auffällig wird, auch gemessen wird.

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Ja.

Abgeordnete Schubert, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Nach Ansicht der Landesregierung kann es sein,dass es an Stellen, einfach weil keine Umbaumaß-nahmen vorgenommen werden, weiterhin strahlen-des Material gibt, wovon aber die Landesregierungkeine Kenntnis hat?

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Also, es gibt eine Liste - das habe ich ja erwähnt -,die uns vom Bundesamt zur Verfügung gestellt wor-den ist. Die ist aus unserer Sicht komplett, weilganz einfach die alte verantwortliche Institution daserst einmal genehmigen musste, um das einbauenzu können. Für den Fall, dass der Fall eintritt undwir den Eindruck haben, hier liegt eine Verstrahlungvor, wird gemessen und dann muss natürlich eineentsprechende Baumaßnahme eingeleitet werden.Aber ich habe keine Kenntnis darüber, dass dasnotwendig war.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen. So rufe ich alsnächste Frage die des Abgeordneten Kuschel,Fraktion DIE LINKE, in Drucksache 5/1676 auf.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin.

Weitere Untersuchungen zum alpinen Wintersport-gebiet "Schneekopf"?

Die Landesregierung hat mitgeteilt, dass für bisheri-ge Gutachten für ein mögliches alpines Winter-sportzentrum auf dem Schneekopf bisher rund60.000 € ausgegeben wurden. Davon trugen derIlm-Kreis rund 15.000 € und das Land rund 45.000€. Aufgrund von naturschutz-, landschaftsschutz-

und wasserschutzrechtlichen Konfliktpotenzialensieht die Landesregierung ein solches Projekt äu-ßerst skeptisch. Zwischenzeitlich wurde bekannt,dass weitere Untersuchungen zur möglichen Um-setzung des Projektes durchgeführt werden. (vgl.„Freies Wort“ Lokalausgabe Ilm-Kreis, vom 14. Ok-tober 2010)

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welcher Zielstellung bzw. landespolitischenMotivation und aufgrund welches Förderprogrammshat die Landesregierung das vom Ilm-Kreis in Auf-trag gegebene Gutachten finanziell gefördert?

2. Welche weiteren Untersuchungen zur Realisie-rung des Projektes alpines Wintersportgebiet„Schneekopf“ werden derzeit nach Kenntnisstandder Landesregierung durchgeführt? In welcher Hö-he, aufgrund welchen Förderprogramms und mitwelcher Zielstellung bzw. landespolitischen Motiva-tion fördert das Land gegebenenfalls derartige wei-tere Untersuchungen?

3. Wie bewertet die Landesregierung die gegenwär-tig durchgeführten Untersuchungen zur Realisie-rung des Vorhabens und mögliche finanzielle För-derungen des Landes vor dem Hintergrund, dassdie Landesregierung eine Realisierung aufgrundvon naturschutz-, landschaftsschutz- und wasser-schutzrechtlichen Konfliktpotenzialen als eher un-wahrscheinlich bewertet hat? Wie begründet dieLandesregierung ihre Einschätzung?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärStaschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren, namens der Landesregie-rung beantworte ich die Mündliche Anfrage des Ab-geordneten Kuschel wie folgt:

Zu Frage 1: Das Projekt Schneekopfbahnen ist zurStärkung des alpinen Angebots in der Region Ober-hof-Schneekopf als ein Kernprojekt in der StudieWintersporttourismus im Thüringer Wald aus demJahr 2008 aufgeführt. Danach bietet der Schnee-kopf das höchstgelegene erschließbare Terrain imThüringer Wald für den alpinen Skisport. Jedochwurde in der Studie darauf hingewiesen, dass beieiner möglichen Umsetzung des Projekts Schnee-kopfbahnen an erster Stelle das naturschutz-, land-schaftsschutz- und wasserschutzrechtliche Konflikt-potenzial zu berücksichtigen ist. Vor diesem Hinter-grund bestand das Landesinteresse an der Be-handlung des naturschutz-, landschaftsschutz- undwasserschutzrechtlichen Konfliktspotenzials. Inso-fern wurde die durch den Ilm-Kreis in Auftrag gege-bene Machbarkeitsstudie durch den Freistaat Thü-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2983

(Staatssekretärin Dr. Eich-Born)

ringen mit Fördermitteln im Rahmen der Förderungdes Tourismus außerhalb der Gemeinschaftsaufga-be finanziell unterstützt.

Zu Frage 2: Der Landesregierung liegen derzeit kei-ne Informationen zu weiteren Untersuchungen be-züglich der Realisierung des Projekts Alpines Win-tersportgebiet „Schneekopf“ vor.

Zu Frage 3: Da mir nichts bekannt ist, kann ich jetztnur auf die Frage 2 verweisen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt dazu eine Nachfrage.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, unterwelchen Voraussetzungen könnte denn der Ilm-Kreis mit einer weiteren Förderung von Untersu-chungen rechnen, auch unter der Maßgabe, dass jaalles darauf hindeutet, dass das offenbar nur„Sandkastenspiele“ sind.

Staschewski, Staatssekretär:

Das kann ich ganz deutlich sagen, ich werde daraufachten, dass, weil es ja so eindeutig ist - auch derUmweltminister hat sich ja sehr deutlich zu Wortgemeldet -, ich mir nicht vorstellen kann, dass esInteresse in meinem Haus gibt oder auch in ande-ren Häusern, hier weitere Untersuchungen jetzt zufördern. Für mich ist das Projekt sozusagen erle-digt.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt noch eine Anfrage durch den AbgeordnetenKummer.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Herr Staatssekretär, es gibt ja noch ein ähnlichesProjekt - vom gleichen Institut erstellt - in Masser-berg, wo auch ein alpines Wintersportzentrum er-richtet werden soll; bei beiden Projekten etwa250.000 Gäste, die man eingeplant hat. Für wierealistisch halten Sie denn solche Pläne in Anbe-tracht dessen, dass wir in Steinach, wo wir ja schonein alpines Skigebiet haben, bloß 25.000 Gäste imJahr haben. Es hat ja immerhin Eingang in die Pa-piere Ihres Ministeriums gefunden, wenn auch nochnicht zu Ihrer Amtszeit.

Staschewski, Staatssekretär:

Es gibt immer wieder Projekte, Vorstellungen undUntersuchungen, die man sehr genau anschauenmuss und nach ihrer realistischen Vorstellung gutprüfen muss und das werden wir selbstverständlichtun. 250.000 Gäste zu bekommen, ist schon einesehr große und hehre Vorstellung.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Kuschel, eine Fragemöglichkeithaben Sie noch.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, dieseökologischen Konfliktpotenziale sind ja nicht erst imErgebnis der Studie bekannt geworden, sondernwaren vorher schon bekannt. Können Sie noch malerläutern, weshalb trotzdem das Land in einer Zeit,wo wir kein Geld haben, 45.000 € zur Verfügungstellt, um noch mal gutachterlich das bestätigen zulassen, was eigentlich schon bekannt war, dasseben dort die Konfliktpotenziale so groß sind, dassein solches Projekt nicht einmal über die Stufe ei-nes Denkprojekts hinaus die Chance der Realisie-rung erfahren kann?

Staschewski, Staatssekretär:

Ich kann mir das so vorstellen, dass man sich imJahr 2008 auf Grundlage einer Aussage in diesenWintersporttourismuskonzeptionen, in diesen ers-ten Gutachten oder Ausführungen, darauf konzen-triert hat, weil es da heißt: Es ist das höchstgelege-ne erschließbare und schneesicherste und skisport-lich attraktivste Terrain. Man hat sich das dann ge-nauer angeschaut und gesagt, wenn das ein offen-sichtlich attraktives Skigebiet ist, müssen wir jetzteine Studie durchführen, wo wir - das habe ichauch gesagt - in erster Linie mit eingedenken müs-sen, wie sind hier Naturschutz, Landschaftsschutzund Wasserschutz - das Konfliktpotenzial - in Ein-klang zu bringen. Ich denke, dass man diese Unter-suchung deshalb damals durchgeführt und in Auf-trag gegeben hat.

Sie haben gefragt, wie ich mir das vorstellen kann.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE:Doch, aber ich darf keine weitere stellen.)

Das ist richtig, Herr Kuschel, Sie haben ihre zweigestellt. Jemand anderes dürfte noch, aber es hatsich keiner gemeldet. Ich rufe jetzt die Anfrage derFrau Abgeordneten Hennig, Fraktion DIE LINKE, inder Drucksache 5/1701 auf.

Abgeordnete Hennig, DIE LINKE:

Entwicklungsplanung und personelle Ausstattungder Thüringer Berufsakademien

In einem Bericht des Landesrechnungshofs wurdekürzlich darauf hingewiesen, dass den Berufsaka-demien in Gera und Eisenach derzeit eine tragfähi-ge Entwicklungsplanung fehle. Lehraufgaben wür-den überwiegend durch Beauftragte auf Honorarba-

2984 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Staatssekretär Staschewski)

sis erledigt, das festgelegte 40-Prozent-Kriteriumfür den Anteil hauptamtlicher Lehrkräfte werde nichterfüllt. Die Weiterführung einiger Studiengänge seigefährdet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie sieht die Landesregierung die Perspektiveder Thüringer Berufsakademien allgemein und imEinzelnen und wann wird für alle Einrichtungen einetragfähige Entwicklungsplanung vorliegen?

2. Wie viele hauptamtliche Kräfte fehlen an den ein-zelnen Berufsakademien derzeit, um einen Anteilvon 40 Prozent hauptamtlicher Stammkräfte amLehrpersonal zu erreichen?

3. Was wird die Landesregierung unternehmen, umden Bestand hauptamtlicher Stammkräfte an denThüringer Berufsakademien auf das notwendigeMaß zu ergänzen und wann ist mit einem Ab-schluss dieser personellen Maßnahmen zu rech-nen?

4. Bei welchen Studiengängen ist die Weiterführungaus welchen Gründen infrage gestellt?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärProf. Deufel.

Prof. Dr. Deufel, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, werte Abgeordnete, die Mündli-che Anfrage der Abgeordneten Hennig beantworteich namens der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Nach Auffassung der Landesregierungist die Perspektive der Thüringer Berufsakademienals duales Angebot im tertiären Bildungsbereichaufgrund der Erfolgsbilanz der vergangenen Jahreausgezeichnet. Die aktuelle und tragfähige Entwick-lungsplanung liegt vor und zeichnet sich besondersdadurch aus, dass sich sowohl das Studienangebotals auch die Studienplatzkapazitäten eng am Be-darf der Thüringer Wirtschaft und den Einrich-tungen von Trägern sozialer Aufgaben orientieren.

Zu den Fragen 2 und 3: Die Zuwendungen für dieBerufsakademien wurden im Jahr 2010 auf7.311.100 € erhöht. Davon sind 4.104.800 € für festangestelltes Personal vorgesehen. Diese Personal-mittel reichen aus, um den Personalbestand anProfessoren von 35 auf 41 zu erhöhen und schaf-fen so die Voraussetzung, dass - wie gefordert - 40Prozent der Lehre von Professoren abgedeckt wer-den kann. Die Berufungsverfahren laufen derzeit.

Zu Frage 4: Derzeit ist die Weiterführung bei kei-nem Studiengang infrage gestellt.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt dazu eine Nachfrage.

Abgeordnete Hennig, DIE LINKE:

Studiengänge sind nicht infrage gestellt; mich wür-de interessieren, gibt es denn Studiengänge, dieSie neu konzipieren wollen?

Prof. Dr. Deufel, Staatssekretär:

Ich hatte ausgeführt, dass sich das Studienplatzan-gebot der Berufsakademien in enger Abstimmungmit den Wirtschaftspartnern abspielt. Aus dieser en-gen Abstimmung heraus gibt es zurzeit keine neu-en Studienplatzangebote. Es war bei einigen Stu-diengängen, bei denen die Nachfrage relativ geringwar, zu untersuchen, ob sie fortgeführt werden sol-len. Sie werden fortgeführt. Das ist der Stand derjetzigen und aktuellen Planung, die, wie ich noch-mals betone, sich sehr engmaschig und auch ab-hängig vom Konjunkturverlauf und von den Erwar-tungen der Wirtschaftspartner verändern wird.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Fragen. Ich rufe die nächsteAnfrage auf, es ist die der Frau Abgeordneten Ber-ninger, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache 5/1705.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Einrichtung eines Landesintegrationsbeirats

Zum Auftakt der Interkulturellen Woche kündigte In-nenminister Peter Michael Huber in Bad Salzungenan, einen Beirat für Integration und Migration desLandes, den sogenannten Landesintegrationsbei-rat, einzurichten. In diesem sollen u.a. Kirchen,Wohlfahrtsverbände und auch Migrantinnen undMigranten selbst vertreten sein. Bereits die vergan-gene Landesregierung kündigte die Einrichtung ei-nes solchen Beirats an, der aber selbst nie gebildetwurde. Nunmehr soll, wie angekündigt, der BeiratMaßnahmen der Landesregierung für eine gelin-gende Integration beratend begleiten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Nach welchen Kriterien werden die Mitgliederdes Landesintegrationsbeirats ausgewählt und wersind diese?

2. Werden Migrantenorganisationen, Flüchtlings-selbstorganisationen und Flüchtlingsorganisationenan dem Landesintegrationsbeirat beteiligt, wenn ja,welche, und wenn nein, aus welchen Gründennicht?

3. Wie wird die angekündigte Mitarbeit von Migran-tinnen und Migranten im Landesintegrationsbeiratgesichert?

4. Welche Aufgaben werden dem Landesintegrati-onsbeirat übertragen und über welche Kompeten-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2985

(Abg. Hennig)

zen, auch gegenüber der Landesregierung, soll derLandesintegrationsbeirat verfügen?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet InnenministerProf. Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, dieMündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger be-antworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Als Mitglieder des Landesintegrations-beirats sind vorgesehen Spätaussiedler und bleibe-berechtigte Zuwanderer, Vertreter der Staatskanz-lei, der mit Integrationsfragen befassten Ministerien,die Ausländerbeauftragte des Landes und Vertreterfolgender Institutionen: die LIGA der freien Wohl-fahrtsverbände, das Katholische und EvangelischeBüro, die Jüdische Landesgemeinde, der Gemein-de- und Städtebund, der Thüringische Landkreis-tag, der Landessportbund, der Verband der Wirt-schaft Thüringens, der DGB, der Bund der Vertrie-benen, die Arbeitsgemeinschaft der kommunalenAusländerbeauftragten, der Thüringer Volkshoch-schulverband und die Regionaldirektion Sachsen-Anhalt-Thüringen. Im Beirat wirken damit die staatli-chen und nicht staatlichen Organisationen mit, dieaus der Sicht der Landesregierung einen zentralenBeitrag zur Integration bleibeberechtigter Zuwande-rer leisten.

Zu Frage 2: Aufgabe des Landesintegrationsbeiratsist es, bleibeberechtigte Menschen mit Migrations-hintergrund erfolgreich in die Gesellschaft zu inte-grieren. Flüchtlingsorganisationen haben einen an-deren Schwerpunkt. Ihre Beteiligung ist deshalbnicht vorgesehen.

Zu Frage 3: Dazu verweise ich auf die Antwort zuFrage 1.

Zu Frage 4: Der Landesintegrationsbeirat hat dieAufgabe, die Landesregierung in Fragen der Inte-gration von Menschen mit Migrationshintergrund zuberaten. Zudem kann der Integrationsbeirat zu inte-grationspolitischen Vorhaben der LandesregierungStellungnahmen abgeben und Vorschläge zur Wei-terentwicklung der Integrationspolitik des Landeserarbeiten.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Dann kann ichdie nächste Anfrage aufrufen. Es ist die des HerrnAbgeordneten Blechschmidt, Fraktion DIE LINKE,in der Drucksache 5/1718.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin.

Verwaltungsaufwand im Rahmen der Förderungder kommunalpolitischen Foren, der parteinahenStiftungen sowie des Rings der politischen Jugend

Ich frage die Landesregierung:

Welcher zeitliche, personelle sowie finanzielle Auf-wand wird seitens der Landesregierung im Rahmender Förderung - Antragstellung, Bearbeitung undAbrechnung - im Jahr in den einzelnen Ministerienfür

a) die kommunalpolitischen Vereinigungen,

b) die parteinahen Stiftungen und

c) den Ring der politischen Jugend

aufgewandt?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärDr. Spaeth.

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, namens derLandesregierung beantworte ich die Mündliche An-frage des Abgeordneten Blechschmidt wie folgt:

Zu a): Die Zuständigkeit für die Förderung der kom-munalpolitischen Vereinigungen ist durch Kabi-nettsbeschluss vom 9. März 2010 von der Land-tagsverwaltung auf das Thüringer Innenministeriumübergegangen. Aufgrund des Zuständigkeitswech-sels beziehen sich die folgenden Zahlen daher aus-schließlich auf den im Thüringer Innenministeriumfür die Förderung kommunalpolitischer Vereinigun-gen oder der von ihnen benannten Bildungsträgerentstandenen Verwaltungsaufwand für den Zeit-raum des Aufgabenübergangs bis zum Stichtag 4.November 2010.

Anzumerken ist vorab weiterhin, dass aufgrund desZuständigkeitswechsels zunächst ein erhöhter Ver-waltungsaufwand im Thüringer Innenministerium zuverzeichnen war. Dieser äußert sich zum einen dar-in, dass neben dem in der Sache für die Mittelaus-reichung zuständigen Haushaltsreferat auch dasReferat Organisation und Justiziariat und der Zen-tralabteilungsleiter involviert waren und zum ande-ren in einem erhöhten Zeitaufwand für die eigentli-che Bearbeitung der Förderfälle. In die Tätigkeitenim Zusammenhang mit der Förderung kommunal-politischer Vereinigungen waren daher zunächstsechs Bedienstete, insgesamt 275 Stunden einge-bunden. Hieraus ergibt sich ein finanzieller Auf-wand in Höhe von 13.300 €. Zukünftig ist davonauszugehen, dass die Sachbearbeitung allein imHaushaltsreferat des Thüringer Innenministeriumserfolgen wird und der Verwaltungsaufwand entspre-chend verringert werden kann.

2986 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Berninger)

Zu b): Im Thüringer Finanzministerium sind für An-gelegenheiten im Zusammenhang mit der Förde-rung politischer Stiftungen drei Bedienstete, insge-samt ca. 310 Stunden pro Jahr tätig. Der dadurchentstehende Personal- und Sachkostenaufwandbeläuft sich auf rund 9.300 € pro Jahr. In der Thü-ringer Staatskanzlei ist eine Bedienstete mit einemzeitlichen Aufwand von ca. 265 Stunden pro Jahrfür die Förderung von Jugendverbänden verant-wortlich. Dadurch entstehen jährlich Personal- undSachkosten in Höhe von 10.700 €. Ich danke.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dazu gibt es eine Nachfrage.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke. Herr Staatssekretär, eine Frage: Sind dieArbeiten, die in den unterschiedlichen Ministerienfür diese Abarbeitung der Antragstellung etc. pp.,also der verwaltungstechnische Aufwand, betriebenwerden, ähnlich und könnte man die de facto zu-sammenführen? Das wäre meine erste Frage.

Ich schließe meine zweite Frage gleich an. Gab esim Zusammenhang mit der Neustrukturierung inner-halb der Landesregierung Überlegungen, diese Zu-sammenführung durchzuführen?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Letzteres ist mir jetzt aus dem Stehgreif nicht be-kannt. Es ist ja auch so bei diesen Zusammenfüh-rungen, Sie müssen sehen, wenn man die Kostenaddiert, sind das 30.000 €. Wenn ich das in Relati-on zu den Personalkosten des Landes insgesamtsetze - 2,4 Mrd. -, ist das jetzt, sage ich mal, nichtdas Thema, das oben auf der Hitliste steht, wo mansagt, da muss das Land ran, hier sind die Potenzia-le zu heben, hiermit sanieren wir den Haushalt. Dabitte ich um Verständnis. Das ist der eine Grund.Gut, die Tätigkeiten sind insofern ähnlich, als ge-prüft wird, es werden Bescheide erlassen, insoferngibt es Ähnlichkeiten. Auf der anderen Seite, wennman von der sachlichen Zuständigkeit her schaut,sind natürlich die kommunalpolitischen Vereinigun-gen dem Innenministerium näher, das zuständig istfür die kommunalen Fragen. Ich sage Ihnen, dieZuständigkeit, die wir haben, die kann man sehen,wie man will, wir machen das seit vielen Jahren undleiden nicht darunter. Danke schön.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Moment, es gibt eine Nachfrage. Herr Abgeordne-ter Kuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, wel-che Gründe haben denn die Landesregierung ver-

anlasst, die Bearbeitung der Zuwendungen für diekommunalpolitischen Vereinigungen nun dem In-nenministerium zuzuordnen?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Gut, Herr Kuschel, Sie sind da mehr Fachmann alsich. Das Innenministerium - habe ich vorhin ja er-wähnt - ist zuständig für die kommunalen Angele-genheiten. Wie das Wort schon in sich birgt, kom-munalpolitische Vereinigung finde ich, es liegtnichts näher, als dass man diese Aufgabe demThüringer Innenministerium gibt.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine weitere Nachfrage.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, derInnenminister war auch schon in der Vergangenheitfür die Kommunen zuständig und trotzdem gab esoffenbar keine Bedenken, dass die Landtagspräsi-dentin diese Mittel verwaltet hat. Deshalb noch ein-mal die Frage: Welche inhaltlichen Gründe - alsozum Beispiel, dass es bei der Bearbeitung der An-träge Probleme gab - haben dazu geführt, jetzt dasInnenministerium zuständig zu machen? Sie habenja darauf verwiesen, es hat zu einem - zumindestzwischenzeitlich - erhöhten Verwaltungsaufwandgeführt.

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Letzteres habe ich nicht so geschildert. Die Regie-rung hat sich vor ca. einem Jahr und sieben Tagenneu gebildet und da stellen sich immer Zuständig-keitsfragen. Dann kommen neue Personen, die fra-gen, muss das noch so sein. Dann hat man sich dieFrage gestellt, will man die Aufgaben so weiter be-wältigen ohne Anlass und man hat sich dafür ent-schieden, die kommunalpolitischen Vereinigungendem für kommunale Angelegenheiten zuständigenMinisterium zu geben. Das ist doch eine ganz sach-gerechte Vorgehensweise, denke ich.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Damit sind die Fragemöglichkeiten zu dieser Anfra-ge erschöpft. Ich rufe als Nächstes die Anfrage desHerrn Abgeordneten Untermann, FDP-Fraktion, inder Drucksache 5/1742 auf.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Danke, Frau Präsidentin.

Rastanlagen, Park- und Stellflächen an der A 71

Die Sozialvorschriften für Berufskraftfahrer wurdenin der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäi-schen Parlaments und des Rates vom 15. März

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2987

(Staatssekretär Dr. Spaeth)

2006 neu gefasst. Diese Verordnung trat, außer derFestlegung zur Einführung eines digitalen Tachno-graphen (Kontrollgerät), die bereits seit dem 1. Mai2006 gilt, am 11. April 2007 in Kraft. Damit wurdedie Kontrollfähigkeit erhöht und der Fahrer, aberauch die Unternehmen und die Disposition „glä-sern“.

Mit Inkrafttreten der Verordnung und somit der Re-gelung über Lenk- und Ruhezeiten für Lastkraftwa-gen hat sich die Situation vor allem auf den Auto-bahnen zugespitzt. In der Verkehrsplanung ver-nachlässigte man die Tatsache, dass bereits in derVergangenheit das Parkplatzproblem für Großfahr-zeuge mangelhaft war. Jetzt treten, da erheblicherDruck durch Kontrollen ausgeübt wird, die Ver-säumnisse der Vergangenheit deutlich zutage. Un-verständlich ist daher, dass bei dem Straßenver-kehrsprojekt der A 71 auf den Bau einer Rastanla-ge bis zum heutigen Tag verzichtet wurde. DerFahrer ist in dieser Situation "unfreiwilliges Opfer"für die Kontrollbehörden. Hinzu kommt der erhebli-che Druck durch die zu engen Zeitfenster der Auf-raggeber und Warenempfänger.

Ich frage die Landesregierung:

1. Auf wie vielen Autobahnparkplätzen entlang derStrecke Sömmerda–Mellrichstadt sind Stellplätzefür Lastkraftwagen vorhanden, die die Einhaltungder Ruhezeiten gewährleisten können (eine na-mentliche Auflistung der Rastplätze und die Anzahlder Stellplätze wird hier erwünscht)?

2. Bestehen zahlenmäßige Vorgaben oder Erfah-rungswerte für die Anzahl von LKW-Stellflächen anAutobahnen, wenn ja, welches Defizit besteht mo-mentan an der A 71 und welche Lösungsansätzesind zu dessen Behebung geplant?

3. Die Lastwagenfahrer verbringen vier und mehrStunden auf den Rastplätzen, bei den PKW-Fah-rern sind im Gegensatz nur kurze Aufenthalte zuverzeichen: Welche Gründe gibt es bei der Gestal-tung und Planung von Parkplätzen dafür, dass dieStellflächen für LKW an Autobahnparkplätzen in derRegel unmittelbar an der Autobahn-Fahrbahn lie-gen, so dass die Fahrer während der Ruhezeitenenormen Lärmbelästigungen ausgesetzt werden?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Frau Staatsse-kretärin Dr. Eich-Born.

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge des Abgeordneten Untermann beantworte ichfür die Thüringer Landesregierung wie folgt.

Zu Frage 1: Im Bereich der A 71 sind entlang derStrecke Sömmerda–Mellrichstadt folgende Stell-

plätze für Lastkraftwagen vorhanden: Im ThüringerBecken 15 in die Fahrtrichtung Sangerhausen und15 in die umgekehrte Fahrtrichtung, das ErfurterBecken jeweils 12, Dornheimer Rieth jeweils 8,Thüringer Wald jeweils 45, LOMO-Autohof nur inder Fahrtrichtung Schweinfurt 38 LKW-Plätze, Dol-mar jeweils 8, Thüringer Tor jeweils 8.

Zu Frage 2: Die Anzahl der an den Bundesautobah-nen anzuordnenden LKW-Stellplätze bestimmt sichnach den Vorgaben der vom Bundesverkehrsminis-terium eingeführten vorläufigen Hinweise zu denRichtlinien für Rastanlagen an Straßen bezüglichAutobahnrastanlagen (VHRR) in Verbindung mitden Richtlinien für Rastanlagen an Straßen, Teil 1.Diese Vorgaben beruhen auf Erfahrungswerten, dievon der Forschungsgesellschaft für Straßen- undVerkehrswesen ermittelt wurden. Im Ergebnis einerim März 2008 durchgeführten Erhebung der Park-standssituation für LKW auf bewirtschafteten undunbewirtschafteten Rastanlagen der Bundesauto-bahn sowie auf Autohöfen ist im Bereich der A 71kein Fehlbedarf festgestellt worden. Aktuell erfolgtdurch den Bund in Zusammenarbeit mit den Län-dern eine Fortschreibung des Netzkonzepts für Ra-stanlagen auf der Basis der Verkehrsprognose2025. Das Ergebnis der Fortschreibung liegt nochnicht vor. Inwieweit sich daraus zusätzlicher Bedarffür LKW-Stellplätze an der A 71 ableiten wird, bleibtabzuwarten.

Zu Frage 3: Die Gestaltung der Rastanlagen erfolgtnach den in den VHRR vorgegebenen Musterplä-nen. Diese sehen in der Regel die Anordnung derLKW-Stellplätze in der Nähe der Autobahnfahrbahnvor. Das Problem der Lärmbelastung der ausgewie-senen LKW-Stellplätze ist vom Bund mittlerweile er-kannt worden. Seit dem Haushaltsjahr 2008 bestehtim Rahmen der Lärmsanierung als freiwillige Leis-tung des Bundes die Möglichkeit, bei der Erweite-rung oder dem Neubau von Rastanlagen Lärm-schutz zwischen Autobahn und LKW-Stellplätzenanzuordnen, wenn der Immissionsgrenzschutzwertvon 62 Dezibel in der Nacht überschritten wird. Da-rüber hinaus soll zukünftig angestrebt werden, dieLKW-Stellplätze abgewandt von der Autobahn an-zuordnen. Die Forschungsgesellschaft für Straßen-und Verkehrswesen arbeitet im Auftrag des Bun-desverkehrsministeriums an neuen Richtlinien fürRastanlagen an Straßen, in denen insbesondereauch die neuen Erkenntnisse zu den LKW-Stellplät-zen Berücksichtigung finden sollen. Ein Abschlussder Arbeiten ist derzeit noch nicht absehbar.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dazu gibt es eine Nachfrage.

Abgeordneter Untermann, FDP:

Kann ich beide Fragen gleichzeitig stellen, wenn ichzwei habe? Ja.

2988 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Untermann)

Die erste Frage wäre: Ist Ihnen bekannt, ob im Thü-ringer Bauministerium Beschwerden bzw. Anfragenvon Spediteuren oder Verkehrsverbänden vorlie-gen, welche die geringe Anzahl von Stellflächen fürLKWs bemängeln?

Die zweite Frage: Laut Zeitungsmeldung vor einpaar Wochen wäre unter anderem die Rastanlage„Leubinger Fürstenhügel“ zu spät in Auftrag gege-ben worden. Ist Ihnen da etwas bekannt?

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Zur ersten Frage: Nein.

Der zweiten Frage müsste ich nachgehen, dazukann ich jetzt nichts zu sagen. Die Frage hätten Siegleich in der Mündlichen Anfrage mit stellen kön-nen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt dazu eine weitere Nachfrage.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Frau Staatssekretä-rin, eine Frage: Ist der Landesregierung bekannt,ob es möglicherweise im Zusammenhang mit denKontrollen, die die Polizei, was die Lenkzeiten be-trifft, sehr regelmäßig auch durchführt an der A 71,zu Häufungen von Verstößen gekommen ist, diebekennenderweise oder vermutlich auf Problemeim Zusammenhang mit mangelnden Parkplätzenzurückzuführen sind?

Dr. Eich-Born, Staatssekretärin:

Das ist mir nicht bekannt und ich bin sicher, dassmein Kollege aus dem Innenministerium mir dasmitgeteilt hätte.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Nun gibt es keine weiteren Nachfragen. Ich rufe dieAnfrage des Abgeordneten Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, in der Drucksache 5/1746 auf.

Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Vielen Dank.

Vorlage des Subventionsberichts

Die Landesregierung hat 2007 den 3. Subventions-bericht für die Jahre 2005 bis 2007 vorgelegt. DieVorlage dieses Berichts ging zurück auf Beschlüssedes Landtags aus den Jahren 2000 und 2005.

Ich frage die Landesregierung:

1. Beabsichtigt die Landesregierung, einen 4. Sub-ventionsbericht für den Zeitraum ab 2008 vorzule-gen?

2. Wenn ja, wann wird dieser Bericht vorgelegt wer-den?

3. Wenn nein, warum ist dies nicht vorgesehen?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Die Anfrage beantwortet für die LandesregierungStaatssekretär Dr. Spaeth.

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, namens derLandesregierung beantworte ich die Mündliche An-frage des Abgeordneten Meyer wie folgt:

Zu Frage 1: Bisher wurden die Subventionsberichtestets aufgrund eines Beschlusses des ThüringerLandtags vorgelegt. Es gibt keine gesetzlichePflicht zur Vorlage dieses Berichts. Im 3. Subventi-onsbericht, welcher über die Finanzhilfen in denJahren 2005, 2006 und 2007 Auskunft leistete, gingein Beschluss des Thüringer Landtags vom 21.April 2005 - Drucksache 4/858 - voraus. Hiermitwurde die Landesregierung aufgefordert, demLandtag im 1. Halbjahr 2007 einen Subventionsbe-richt für den Freistaat Thüringen vorzulegen. Einentsprechender Beschluss zur Erstellung eines 4.Subventionsberichts liegt zurzeit nicht vor.

Zu Frage 2: Ich verweise auf die Antwort zu Frage1.

Zu Frage 3: Ich verweise ebenfalls auf die Antwortzu Frage 1.

Danke schön.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine Nachfrage. Herr Abgeordneter Ku-schel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, wel-che Tatsachen sprechen denn dagegen, dass dieLandesregierung ohne Aufforderung durch denThüringer Landtag im Rahmen ihres eigenen Er-messens einen solchen Bericht erstellt und demLandtag zuleitet?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Das habe ich ja gerade vorgetragen, bisher war esUsus. So eine Übung ist ja immer ganz schön.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dazu gibt es eine weitere Anfrage.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2989

(Abg. Untermann)

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Ich versuche es noch einmal, Frau Präsidentin.Herr Staatssekretär, welche konkreten Tatsachensprechen dagegen - die Verpflichtung durch denLandtag einmal ausgenommen -, welche weiterenobjektiven Tatsachen sprechen dagegen, dass Sieso einen Bericht vorlegen und veröffentlichen?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Sie sprechen nicht dagegen. Ich habe nur gesagt,wie der Verlauf bisher war. So war es üblich. Ichkönnte jetzt die Frage umdrehen, was spricht dage-gen, dass Sie die Landesregierung auffordern?

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dasist unfair, keine Gegenfrage. Die Landesre-gierung hat kein Fragerecht.)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Ja, wir sind in der Fragestunde, in der die Abgeord-neten die Regierung befragen. Sie sind jetzt für dieAntworten zuständig.

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Entschuldigung.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Eine weitere Frage möchte Ihnen der AbgeordneteMeyer stellen oder zwei, die er noch zur Verfügunghat.

Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Ich denke, eine reicht. Werden denn die üblicher-weise in einem Subventionsbericht aufgeworfenenFragestellungen und Antworten dazu im Rahmender Strukturkommission für die Haushaltsberatungfür die nächsten Jahre derzeit schon berücksichtigtund werden die uns entsprechend auch zugeleitetwerden können?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Zum Thema Haushaltsstrukturkommission bekom-men Sie morgen Ihre Ausführungen. Meiner Kennt-nis nach werden diese Fragen darin nicht aufgegrif-fen, zumal sie eine ganz andere Zielstellung haben.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dann sind die Fragemöglichkeiten erschöpft. Ich ru-fe auf die Anfrage des Herrn Abgeordneten Barth,FDP-Fraktion, in Drucksache 5/1752.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Tourismuskonzept der Stadt Steinach

Die Stadt Steinach hat mit einem Beschluss desStadtrats eine städtische Tourismuskonzeption aufden Weg gebracht, die umfängliche Investitionen indie Infrastruktur in Höhe von mindestens 12 Mio. €vorsieht. Das Konzept umfasst unter anderem dieEinrichtung einer schienengebundenen Liftbahnvon 4,5 Kilometern Länge, die allein ca. 5 Mio. € In-vestitionskosten verursachen wird. Eine Fördermit-tel-Voranfrage wurde Ende August bei der Thürin-ger Aufbaubank und beim Thüringer Ministerium fürWirtschaft, Arbeit und Technologie eingereicht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Liegt der Landesregierung eine Wirtschaftlich-keitsrechnung zur angesprochenen Fördermittelzu-sage vor?

2. Wie bewertet die Landesregierung das Touris-muskonzept der Stadt Steinach als Gesamtentwurfsowie jeweils die einzelnen Maßnahmen in Hinsichtauf Investitionsvolumen, Folgekosten und wirt-schaftliche Effekte?

3. Wird der mit Beschluss des Stadtrats festgelegteInvestitionsrahmen von 12 Mio. € aus Sicht derLandesregierung zur Realisierung der beschlosse-nen Maßnahmen ausreichen oder muss mit höhe-ren Kosten gerechnet werden?

4. Beabsichtigt die Landesregierung, die Investitionzu unterstützen und wenn ja, in welchem Maße,aus welchen Fördermitteln und unter welchen ge-nauen Bedingungen?

Anmerkung: In Frage 1 ist natürlich die Fördermit-telanfrage gemeint, nicht die Zusage - das ist einTippfehler.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

So haben Sie es ja auch vorgetragen. Für die Lan-desregierung antwortet Herr Staatssekretär Sta-schewski.

(Zwischenruf Abg. Barth, FDP: Ich wollte eszumindest so vorlesen.)

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, ich danke Ihnen,dass Sie das jetzt noch einmal klargestellt haben.

Zu Frage 1: Es gibt keine Fördermittelzusage unduns liegt auch keine Wirtschaftlichkeitsberechnungvor.

Zu Frage 2: Das Tourismuskonzept der Stadt Stein-ach liegt der Landesregierung nicht vor. Insofernsind Einschätzungen zum Gesamtentwurf sowie zuden aufgeführten Einzelmaßnahmen hinsichtlich In-vestitionsvolumen, Folgekosten und wirtschaftlicheEffekte auch nicht möglich.

2990 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Zu Frage 3 muss ich jetzt auf die Frage 2 verwei-sen.

Zu Frage 4: Mit Schreiben vom 5. Oktober 2010wurde durch die Thüringer Aufbaubank - das istdiese zuständige Bewilligungsbehörde - eine För-der-Voranfrage der Stadt Steinach zum VorhabenOptimierung und Erweiterung der Skiarena Silber-sattel Steinach im Thüringer Wald positiv beantwor-tet und damit das Antragsverfahren im Rahmen derGRW-Infrastrukturförderung eröffnet. Ein entspre-chender Förderantrag der Stadt Steinach wurdebislang aber nicht vorgelegt. Insofern sind weiterge-hende Aussagen zum möglichen Einsatz von För-dermitteln derzeit nicht möglich.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Dazu gibt es jetzt Nachfragen.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Herr Staatssekretär, vielen Dank,Frau Präsidentin. Die erste Nachfrage wäre die Fra-ge, ob im Rahmen solcher Beantragungen, wennes sie denn gibt, üblicherweise auch Alternativvor-schläge mit betrachtet werden bei der Antragsbear-beitung.

Die Frage 2 wäre, welcher Fördermittelsatz denn -unterstellt, es käme zu einer positiven Bescheidung- hier in Ansatz gebracht werden würde.

Staschewski, Staatssekretär:

Zur ersten Nachfrage: Zuständig sind immer dieAntragsteller, den Antrag so zu stellen, dass mandas bescheiden kann, dass man dann sagen kann,so und so sind die Voraussetzungen, wie man esfördern kann.

Jetzt zu den Mitteln: Da haben wir eine Richtliniedes Freistaats Thüringen für die Gewährung vonZuwendungen aus Mitteln der Gemeinschaftsaufga-be „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk-tur“ (GRW). Da haben wir einen Regelfördersatzvon 60 Prozent der um die Nettoeinnahmen berei-nigten förderfähigen Kosten. Es gibt einen Höchst-fördersatz von bis zu 90 Prozent, der in Ausnahme-fällen gewährt werden kann, wenn mindestens eineder folgenden Bedingungen erfüllt ist:

1. Die geförderte Infrastrukturmaßnahme wird imRahmen einer interkommunalen Kooperationdurchgeführt.

2. Die geförderte Infrastrukturmaßnahme fügt sichin eine regionale Entwicklungsstrategie ein.

3. Altstandorte werden revitalisiert.

Das sind die Grundvoraussetzungen, um einen hö-heren Fördersatz zu bekommen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Doch, es gibteine - Sie waren verdeckt, entschuldigen Sie bitte.

Abgeordneter Recknagel, FDP:

Spielt bei der Entscheidung über den Antrag die Fi-nanzkraft der antragstellenden Gemeinde eine Rol-le?

Staschewski, Staatssekretär:

Die Eigenmittel müssen entsprechend natürlich ge-leistet werden können. Das ist grundsätzlich so. ImVerfahren muss man das ersehen. Wir können na-türlich nur einen Bescheid erteilen bzw. ein Verfah-ren ins Laufen bringen, wenn die Eigenmittel ent-sprechend da sind.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Sie möchten, glaube ich, noch eine Frage stellen,Herr Abgeordneter Recknagel?

Abgeordneter Recknagel, FDP:

Ja. Eigenmittel müssen bereitstehen, haben Sie ge-rade gesagt. Müssen das echte Eigenmittel seinoder können die auch über Kredit finanziert werdenvon der Gemeinde?

Staschewski, Staatssekretär:

Klar, können die über Kredit finanziert werden. Dasentscheiden wir nicht, inwieweit die Gemeinde denKredit aufnehmen darf.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Jetzt ist aber wirklich jede Fragemöglichkeit zu die-ser Anfrage erschöpft. Ich rufe die nächste Anfrageauf, es ist die des Herrn Abgeordneten Kemmerich,FDP-Fraktion, in der Drucksache 5/1764.

Abgeordneter Kemmerich, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Innovationspreis Thüringen

Im Landeshaushaltsplan 2009 wurden die Kostenfür den Innovationspreis für das Jahr 2009 mit19.700 € angesetzt. Die tatsächlichen Kosten desPreises beliefen sich in 2009 aber auf mehr als dasFünffache. Auch im Haushalt 2010 und im Haus-haltsentwurf 2011 liegen die Kostenansätze für dieJahre 2010 und 2011 nun bei 100.000 €.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie kommt diese immense Kostensteigerungvom Ansatz 2009 auf das Ist 2009 und die Ansätze2010 und 2011 um mehr als das Fünffache zustan-de?

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2991

(Staatssekretär Staschewski)

2. Welchen Anteil haben die Preisgelder für den ln-novationspreis an dem Gesamtansatz von 100.000€?

3. Wie hoch ist der Kostenansatz für die einzelnenBereiche wie Bühne, Bühnentechnik, Raummieteund Catering der Ausrichtung des Innovationsprei-ses (bitte alle Positionen einzeln aufschlüsseln)?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärStaschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, ich beantworte dieMündliche Anfrage des Abgeordneten Kemmerichfür die Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Wir haben im Jahr 2009 den Innovati-onspreis völlig neu konzipiert. Er wird seit 2009 invier Kategorien, nämlich in „Tradition mit Zukunft“,„Industrie und Material“, „Kommunikation und Medi-en“ und „Licht und Leben“ verliehen. Darüber hin-aus können auch Sonderpreise für junge Unterneh-men vergeben werden. Der Ernst-Abbe-Preis für in-novatives Unternehmertum, mit dem das Lebens-werk einer bedeutenden Thüringer Unternehmer-persönlichkeit gewürdigt werden kann, ist undotiert.Mit dieser Neukonzeption wurde der Innovations-preis deutlich aufgewertet, was auch zu einer Erhö-hung bei den Preisgeldern geführt hat.

Zu Frage 2: Die Preisgelder umfassen den gesam-ten Ansatz von 100.000 €.

Zu Frage 3: Der Innovationspreis wird im Rahmeneiner Preisverleihungsveranstaltung auf dem Thü-ringer Innovationstag vergeben. Neben den Kostenfür den Innovationstag entstehen weitere Kosten fürdie Wettbewerbsdurchführung, wie zum Beispiel fürdie Auftaktveranstaltung zur Auslobung des Innova-tionspreises und die Durchführung der Jurysitzung.Träger von Innovationspreis und Innovationstagsind neben dem Thüringer Ministerium für Wirt-schaft, Arbeit und Technologie die Stiftung fürTechnologie, Innovation und Forschung Thüringen -STIFT, der TÜV Thüringen e.V. und die Ernst-Ab-be-Stiftung. Die Organisation und Durchführungwird von der STIFT übernommen. Alle Träger tra-gen durch materielle und immaterielle Leistungenzur Durchführung bei. Ich würde vorschlagen, dassich Ihnen eine genauere Kostenaufstellungenschriftlich zukommen lasse, sonst müsste ich jetztdie ganzen Einzelposten vorlesen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Kemmerich, könnten Sie sich dazu äußern, obSie mit dem Vorschlag des Staatssekretärs einver-

standen sind, die Tabelle nachgeliefert zu bekom-men.

Abgeordneter Kemmerich, FDP:

Grundsätzlich ja. Ich habe eine Nachfrage. Eigensfür die Verleihung des Innovationspreises 2010 isteine Bühne gezimmert worden auf der Messe, diebei der Verleihung genutzt worden ist. Die konkreteNachfrage wäre, wer trug die Kosten, wie hoch wa-ren die Kosten, was ist mit dem Verbleib dieserBühne und ist eine Wiederverwendung geplant?

Staschewski, Staatssekretär:

Das kann ich Ihnen auch gern schriftlich nachrei-chen.

Abgeordneter Kemmerich, FDP:

Ja.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine weitere Anfrage dazu. Herr Abgeordne-ter Barth, bitte.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär,Sie sagten, Sie hätten den Innovationspreis, den esvorher schon gegeben hat, völlig neu konzipiert undim Haushaltsvollzug dann 80.000 € offenbar aus ei-nem anderen Titel geholt, da ursprünglich nur20.000 € vorgesehen waren. Aus welchem Titel,wenn ich das nachfragen darf, sind denn diese rest-lichen bescheidenen 80.000 € gekommen?

Staschewski, Staatssekretär:

Das kann ich Ihnen jetzt nicht genau sagen. Wir ha-ben ja deckungsfähige Titel und aus einem Titel,wo diese Deckungsfähigkeit gegeben war, habenwir das herausgenommen. Das kann ich Ihnennachliefern.

Abgeordneter Barth, FDP:

Wenn Sie mir dazu gleich noch mit nachliefernkönnten, warum aus dem Titel, für den es auch ei-ne Begründung gegeben hat - das nehme ich malan -, das Geld nicht gebraucht wurde.

Staschewski, Staatssekretär:

Das können wir machen.

Abgeordneter Barth, FDP:

Danke.

2992 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Kemmerich)

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt keine weiteren Nachfragen und auch keineMöglichkeiten der Nachfrage mehr. Ich rufe alsnächste Frage die Anfrage der Frau AbgeordnetenSedlacik, Fraktion DIE LINKE, in der Drucksache5/1772 auf, vorgetragen von Frau AbgeordneterRenner.

Abgeordnete Renner, DIE LINKE:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Förderung von Messen zur Berufsorientierung inThüringen

In den vergangenen Jahren förderte der FreistaatThüringen regelmäßig zum Zweck der Kontaktan-bahnung zwischen Schülern, Studierenden, Unter-nehmen und Bildungseinrichtungen veranstalteteBildungsmessen. Ziel war die Verbesserung derBerufsorientierung und die Unterstützung für Unter-nehmen bei der Lösung ihrer Fachkräfteprobleme.Eine der größten Veranstaltungen dieser Art wardie bis 2009 jährlich in Erfurt veranstaltete Ausbil-dungsbörse, für die im Mai 2010 die JOBfinder-Messe kam. Im April 2010 fand bereits die „vocati-um Thüringen“ statt, deren Zielorientierung ver-gleichbar war. Für 2011 sind keine Mittel zur Förde-rung von Bildungs- und Ausbildungsmessen einge-plant.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Messen oder messeähnliche Veranstal-tungen, die ganz oder teilweise der Berufsorientie-rung dienten, fanden in den Jahren 2006 bis 2010in Thüringen statt?

2. Wie hoch wurden diese jeweils von der ThüringerLandesregierung gefördert, wie hoch waren jeweilsdie von den Veranstaltern bzw. von Sponsoren ge-leisteten Beiträge?

3. Bei wem lag jeweils die Verantwortung für dasKonzept und die inhaltliche und finanzielle Vorbe-reitung der Veranstaltungen?

4. Wie schätzt die Thüringer Landesregierung denErfolg dieser Veranstaltungen ein und welche Fol-gen wird der Abbruch der Landesförderung auf zu-künftige Veranstaltungen vergleichbarer Zielset-zung haben?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärStaschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordneten! Ich bin gern unter-wegs, das ist gesundheitlich fitmachend. Ich beant-

worte die Mündliche Anfrage der Abgeordneten fürdie Thüringer Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: In den Jahren 2006 bis 2010 habenüber 70 Messen oder messeähnliche Veranstaltun-gen stattgefunden. Ich erlaube mir, davon auszuge-hen, dass ein Einvernehmen dahin gehend vorliegt,dass ich jetzt die einzelnen Veranstaltungen an die-ser Stelle nicht vortrage, sondern eine Übersicht andie Abgeordneten des Thüringer Landtags schrift-lich zur Verfügung stellen werde.

Zu Frage 2: Die Messen wurden mit durchschnitt-lich 5.000 € gefördert. Es wurden Eigenmittel vondurchschnittlich 3.600 € eingebracht. Angaben zuden sponsorengeleisteten Beiträgen liegen mirnicht vor. Eine detaillierte Aufschlüsselung der Mit-tel werde ich allen Abgeordneten des ThüringerLandtags mit der Aufstellung der Veranstaltungenschriftlich zur Verfügung stellen.

Zu Frage 3: Für das Konzept sowie die inhaltlicheund finanzielle Vorbereitung der Veranstaltungensind die Zuwendungsempfänger laut Richtlinieselbst verantwortlich. Das sind in der Regel die zu-ständigen Stellen der gewerblichen Wirtschaft nachdem Berufsbildungsgesetz bzw. der Handwerksord-nung - also die Kammern -, im Ausnahmefall dannauch die Verbände der Thüringer Wirtschaft undBildungseinrichtungen.

Zu Frage 4: Die regionale Zusammenführung vonzukünftigen Auszubildenden insbesondere mit klei-nen und mittelständischen Unternehmen im Rah-men der Berufsorientierungsmessen wird aus Sichtder Landesregierung als ein zweckmäßiger Be-standteil des Berufsorientierungskonzepts angese-hen. Ich gehe davon aus, dass ich überwiegend Zu-stimmung erfahre, dass im Zuge des demographi-schen Wandels es auch eines verstärkten Engage-ments seitens der Wirtschaft bedarf, die zukünfti-gen Fachkräfte zu finden und zu binden. Wir habenja heute auch ausführlich darüber in der ThüringerPresse nachlesen können, dass ein Wettbewerbjetzt entsteht und die Wirtschaft sich da verstärkteinbringen will. Mit Blick darauf, dass pro Jahrknapp 100.000 € Landesmittel für diese Veranstal-tungen gebunden worden sind, wird eingeschätzt,dass diese auch zukünftig und in zweckmäßigemUmfang werden stattfinden können.

Lassen Sie mich abschließend noch daran erin-nern, dass das Land unter Berücksichtigung derEinsparnotwendigkeiten nicht mehr alles finanzie-ren kann, was wünschenswert ist.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Gibt es dazu Nachfragen? Das ist nicht der Fall.

Ich rufe als Nächstes die Anfrage der Frau Abge-ordneten Renner, Fraktion DIE LINKE, in derDrucksache 5/1775 auf.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2993

Abgeordnete Renner, DIE LINKE:

Danke schön, Frau Präsidentin.

30 Prozent in sechs Wochen oder woher kommendie Millionen?

Nach meiner Kenntnis betragen die Gesamtkostenfür die Durchführung des Zensus 2011 in Thüringeninsgesamt 26 Mio. €. Sechs Wochen zuvor lobteder Präsident des Thüringer Landesamts für Stati-stik im Rahmen einer Pressekonferenz die geringenKosten des registergestützten Zensus 2011 undgab diese mit insgesamt 20 Mio. € für Thüringenan.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist dieser enorme Kostenaufwuchs innerhalbder sechs Wochen erklär- und begründbar?

2. Wie hoch liegen die tatsächlich zu erwartendenKosten für die Durchführung des Zensus 2011 inThüringen aufgeschlüsselt auf einzelne Jahres-scheiben?

3. Wie hoch ist der durch die Landkreise und kreis-freien Städte zu tragende Kostenanteil und in wel-cher Höhe werden diese Kosten erstattet?

4. Wie verteilen sich die prognostizierten Gesamt-kosten auf einzelne Kostenpositionen (z.B. Be-schäftigungsentgelte, Entschädigungen, Mieten undPachten, Investitionen, Öffentlichkeitsarbeit, sonsti-ge Sachausgaben)?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Diese Anfrage beantwortet für die LandesregierungHerr Innenminister Prof. Dr. Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, im Na-men der Landesregierung beantworte ich die Münd-liche Anfrage der Abgeordneten Renner wie folgt:

Zu Frage 1: Der Präsident des Landesamts für Sta-tistik hat natürlich recht gehabt. Die von mir imHaushalts- und Finanzausschuss genannte Zahlvon 26 Mio. € beruhte auf dem Versehen, dass zuden 20 Mio. € die 6 Mio. von den Kommunen zutragenden Kosten hinzugerechnet wurden, obwohlsie Bestandteil dieser 20 Mio. € sind. Dieses Verse-hen habe ich gegenüber dem HuFA bereits klarge-stellt.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE:Nein, das haben Sie noch nicht.)

Das ist vielleicht noch nicht angekommen, das ha-ben wir aber schon gemacht.

(Heiterkeit DIE LINKE)

Die Gesamtkosten für den Zensus 2011 betragen,wie im Gesetzentwurf der Drucksache 5/626 darge-

legt, rund 20 Mio. €, genau 20,2 Mio. €. Hierin ent-halten sind Kosten in Höhe von 6 Mio. €, die denKommunen durch die Einrichtung der örtlichen Er-hebungsstellen entstehen. Durch die Verwaltungs-vereinbarung zur Verteilung des Bundeszuschus-ses werden davon 6,7 Mio. € durch den Bund über-nommen, wodurch das Land Kosten in Höhe von13,5 Mio. € zu tragen hat.

Zu Frage 2: Die Kosten betragen bzw. betrugen2007 0,10 Mio. €, 2008 0,69 Mio. €, 2009 0,95 Mio.€, 2010 3,7 Mio. €, 2011 8,99 Mio. €, 2012 3,90Mio. €, 2013 1,24 Mio. €, 2014 0,63 Mio. €.

Zu Frage 3: Den Landkreisen und kreisfreien Städ-ten entstehen durch die Einrichtung und den Be-trieb der örtlichen Erhebungsstellen voraussichtlichAusgaben von insgesamt 5,8 Mio. €. Dieser Betragwurde durch eine Abstimmung mit allen Statisti-schen Landesämtern ermittelt, die detaillierte Kos-tenkalkulation unter Berücksichtigung der Aufga-benbereiche und Arbeitsgänge ermittelt und wirddurch das Land in voller Höhe erstattet. Eine ersteAbschlagszahlung in Höhe von 358.800 € ist am 1.November 2010 ausgereicht worden.

Zu Frage 4: Die Gesamtkosten verteilen sich wiefolgt: Für die Erhebungsstellen in den Landkreisenund kreisfreien Städten wurden Kosten in Höhe von5,8 Mio. € kalkuliert, darunter 3,1 Mio. € für die Ent-schädigung der Erhebungsbeauftragten. Beim Thü-ringer Landesamt für Statistik entstehen Kosten inHöhe von 14,4 Mio. €, die sich zusammensetzenaus 6,7 Mio. € Personalkosten, 7,7 Mio. € Sachkos-ten, darunter 2,1 Mio. € Portokosten, 1,9 Mio. €zentrale IT-Ausgaben, 1,5 Mio. € für die Belegle-sung, 2,2 Mio. € für Druckkosten, Reisekosten, Mie-te, Bewirtschaftung der Räume, Büromöbel, Tele-fon, Investionen und Öffentlichkeitsarbeit.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt dazu Nachfragen. Frau Abgeordnete Ren-ner.

Abgeordnete Renner, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin, danke, Herr Minister Hu-ber. Wenn sich die Kosten bei den Kommunen indiesem und in den nächsten Jahren erhöhen wer-den, z.B. weil es einen verwaltungstechnischenoder personellen Mehraufwand geben wird, istdann in der Verwaltungsvereinbarung geregelt,dass auch diese Mehrkosten gedeckt sind oderwird das jetzt nur einmal pauschalisiert?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Die Verwaltungsvereinbarung betrifft das Rechts-verhältnis zwischen dem Bund und den Ländern,da sind die Kommunen nicht beteiligt. Im Verhältniszwischen dem Land und Kommunen ist die Rechts-

2994 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

verordnung mit der von uns angestellten gültigenPrognose die abschließende Grundlage.

Abgeordnete Renner, DIE LINKE:

Das heißt, wenn ich da mal nachfragen darf, wenndie Kosten bei den Kommunen noch aufwachsen indiesem und den nächsten Jahren, würden dieseMehrkosten dann nicht durch das Land getragenwerden?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Wir gehen davon aus, dass wir eine gültige Progno-se erstellt haben und dass die auch zutreffend ist.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Herr Abgeordneter Hauboldt.

Abgeordneter Hauboldt, DIE LINKE:

Herr Innenminister, wenn ich Sie richtig verstandenhabe, haben Sie gesagt, dass im November 2010schon die ersten Mittel für die Kommunen ausge-reicht worden sind. Haben Sie einen Überblick, wieviele Kommunen und Landkreise das betrifft undwelche Größenordnungen finanziell das ausmacht?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Das betrifft alle Landkreise und kreisfreien Städte,die örtliche Erhebungsstellen einrichten.

Abgeordneter Hauboldt, DIE LINKE:

Die haben alle die finanziellen Anträge eingereicht?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Ich nehme an, dass sie keinen Antrag stellen müs-sen, sondern das von Amts wegen bekommen. Daskann ich aber gern nachreichen.

Abgeordneter Hauboldt, DIE LINKE:

Weil die Frage, wie viel Personal vorgehalten wird,von Kommune zu Kommune sicherlich unterschied-lich ist

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Das Nachfragepotenzial für diese Anfrage hat sicherschöpft. Ich rufe nun die Mündliche Anfrage desHerrn Abgeordneten Recknagel, FDP-Fraktion, inder Drucksache 5/1776 auf.

Abgeordneter Recknagel, FDP:

Mehreinnahmen aufgrund der positiven Wirtschafts-entwicklung

Ich frage die Landesregierung:

1. Von welcher Höhe an Mehreinnahmen geht dieLandesregierung nach aktuellem Kenntnisstand un-ter Berücksichtigung der nach oben korrigiertenKonjunkturprognose und der neuen Steuerschät-zung jeweils für die Jahre 2010 und 2011 aus (bittenach Steuerarten und Jahren aufgeschlüsselt dar-stellen)?

2. Von welcher Entwicklung der Einnahmen desLänderfinanzausgleichs gegenüber den Ansätzenim Landeshaushalt 2010 und im Landeshaushalts-entwurf 2011 geht die Landesregierung unter Be-rücksichtigung von Konjunkturerholung und neuerSteuerschätzung für die Jahre 2010 und 2011 aus?

3. Wofür plant die Landesregierung die erwartetenMehreinnahmen einzusetzen?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet StaatssekretärDr. Spaeth.

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren Abgeordneten, namens derLandesregierung beantworte ich die Mündliche An-frage des Abgeordneten Recknagel wie folgt:

Zu Frage 1: Wie die Finanzministerin im Haushalts-und Finanzausschuss bereits angekündigt hat, wur-den die Ausschussmitglieder wie immer schriftlichinformiert. Die Information dürfte Ihnen bereits vor-liegen. Aus dieser Vorlage ergeben sich die ge-schätzten Mehreinnahmen aufgeschlüsselt nachSteuerarten, die einzeln zu verlesen recht umfang-reich wäre. Ich möchte mich daher auf die Ge-samteinnahmen aus Steuern, Länderfinanzaus-gleich und Bundesergänzungszuweisung beschrän-ken, die im Jahr 2010 nach den Prognosen 6,582Mrd. € betragen sollen. Damit lägen diese Einnah-men um 168 Mio. € über den aktuellen Haushalts-ansätzen. Im Jahr 2011 gehen wir derzeit von Ein-nahmen in Höhe von 6,565 Mrd. € aus. Das wären147 Mio. € mehr als im Regierungsentwurf für denHaushalt 2011 vorgesehen.

Zu Frage 2: Bezüglich Frage 2 verweise ich auf dieAntwort zu Frage 1.

Zu Frage 3: Zur Senkung der Nettokreditaufnahme- das hat absolute Priorität: Die Mehreinnahmensind gemäß § 3 Thüringer Haushaltsgesetz 2010,der sich mit der Regelung im Gesetzentwurf für2011 deckt - ich zitiere: „… zur Verminderung desKreditbedarfs zu verwenden, soweit sie nicht zurDeckung unvorhergesehener und unabweisbarerMehrausgaben benötigt werden.“ Ich danke.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Gibt es dazu Nachfragen? Ja. Bitte.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2995

(Minister Prof. Dr. Huber)

Abgeordneter Recknagel, FDP:

Herzlichen Dank. Ändert sich diese Einschätzungder Zahlen nach der Vorlage des Berichts der Wirt-schaftsweisen von gestern?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Nein, die Steuerschätzung ist dem vorhergegangenund die nächste Steuerschätzung kommt im Mainächsten Jahres und die ist Maßstab in allen Län-dern, auch für die Bundesregierung, für die weiterePlanung.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Es gibt eine weitere Nachfrage. Herr AbgeordneterKuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, in-wieweit empfehlen Sie denn dem Gesetzgeber, diein Ihrem Haushaltsentwurf enthaltene pauschalierteMinderausgabe von 60 Mio. € mit dieser prognosti-zierten Mehreinnahme aufzurechnen?

Dr. Spaeth, Staatssekretär:

Wir haben unseren Entwurf eingebracht und andem halten wir fest. Wenn es - das ist eine Steuer-schätzung, Herr Abgeordneter Kuschel - dann tat-sächlich zu Steuermehreinnahmen kommt, habeich ja den § 3 aus dem Haushaltsgesetzentwurf für2011, danach sind Steuermehreinnahmen zur Sen-kung der Neuverschuldung zu verwenden. Ich dan-ke Ihnen.

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Jetzt gibt es keine weiteren Nachfragen mehr. Ichrufe die Anfrage des Abgeordneten Schröter, CDU-Fraktion, in Drucksache 5/1777 auf.

Herr Schröter, gestatten Sie mir einfach eine An-merkung zu machen. Sie merken, dass ich immerwieder angefragt werde. Wir haben 21 Fragen, wirhaben 16:50 Uhr mit der Fragestunde begonnen.Ich rechne damit, dass wir gegen 18:35/18:40 Uhralle Fragen abgearbeitet haben und dann zum Auf-ruf des Tagesordnungspunkts 1 kommen. Das istjetzt für alle Fragesteller, die einzeln bei mir waren,die generelle Antwort.

Bitte, Herr Abgeordneter Schröter.

Abgeordneter Schröter, CDU:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Zugänglichkeit der Region über den Leipzig-Alten-burg-Airport.

Aus regionaler Sicht ist der Leipzig-Altenburg-Air-port ein Standortvorteil. Er ermöglicht der Regioneinen leichteren Zugang zu großen Zentren und ei-ne gute Erreichbarkeit.

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die Auffassung, dassmit der Nutzung des Flugplatzes, insbesondere imLinienverkehr, die Wettbewerbsfähigkeit der Regionund deren Entwicklungsmöglichkeiten verbessertwerden?

2. Sieht die Landesregierung unter Berücksichti-gung der Kapazitätsgrenzen der internationalenDrehkreuze bei der weiterhin vorliegenden "Huband Spoke"-Strategie ein Potenzial der Regional-flughäfen im Direktflugverkehr?

3. Wie beabsichtigt die Landesregierung an denEntwicklungschancen, die sich aus der Steigerungder Low-cost-Komponente des Luftverkehrs erge-ben, zu partizipieren?

4. Sieht die Landesregierung in der Ausweitung desVerkehrsaufkommens im Passagierverkehr auchdurch Billigfluglinien eine positive Auswirkung aufdie Arbeitsmarktsituation in der Region?

Vizepräsidentin Dr. Klaubert:

Für die Landesregierung antwortet Minister Carius.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren, Kollege Schröter, vielleicht erlauben Sie mireine Vorbemerkung zur Mündlichen Anfrage: ImRahmen eines runden Tisches habe ich gestern mitAkteuren aus dem Landkreis Altenburger Land überdie Wachstumsinitiative Altenburger Land und überdie Zukunft des Verkehrslandeplatzes Altenburg-Nobitz diskutiert. Dabei habe ich noch einmal deut-lich gemacht, dass die Landesregierung ein starkesInteresse am Erhalt des Verkehrslandeplatzes hat.Sofern durch die Gesellschafter der Flughafenge-sellschaft dann auch eine tragfähige Perspektiveeröffnet werden kann, ist die Landesregierung be-reit, den Verkehrslandeplatz durch Übernahme vonFlugsicherungskosten auch in den nächsten Jahrenzu unterstützen. Der Verkehrslandeplatz ist ein re-gionaler Standortfaktor. Ihn zu erhalten und zu un-terstützen bleibt aber in erster Linie natürlich Aufga-be der Gesellschafter.

Jetzt zur Beantwortung der Frage des Abgeordne-ten Schröter, die ich für die Landesregierung wiefolgt beantworte:

Zu Frage 1: Die Nutzung des Verkehrslandeplatzeskann die Entwicklungsmöglichkeiten in der Regiongrundsätzlich verbessern. Die Metropolregion Leip-zig ist über den internationalen Verkehrsflughafen

2996 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

Leipzig-Halle mit ca. 50 Flugzielen verbunden. Die-ses Angebot wird durch den VerkehrslandesplatzLeipzig-Altenburg um eine Fluglinie während desWinterflugplans und zwei weitere touristische Zieleim Sommerflugplan ergänzt.

Zu Frage 2: Ja, es gibt Beispiele, an denen Regio-nalflugplätze internationale Verkehrsflughäfen, diean der Kapazitätsgrenze operieren, entlasten. InMitteldeutschland existieren an allen internationalenVerkehrsflughäfen allerdings Überkapazitäten.

Zu Frage 3: Die Landesregierung betreibt keineFlugplätze. Die Geschäftsführungen und die Gesell-schafter haben bei ihrer Entscheidung hinsichtlicheiner Verkehrsausweitung sowohl den Nutzen alsauch die Kosten zu berücksichtigen. So wurde bei-spielsweise das Engagement von Ryanair am Ver-kehrsflughafen Erfurt ab dem Winterflugplan2010/2011 zurückgewiesen, weil das Risiko deut-lich über dem erwartbaren Nutzen lag.

Zu Frage 4: Grundsätzlich ja. Diese Beschäfti-gungseffekte entstehen allerdings nicht dauerhaftund sind im vorliegenden Fall von den jährlichenWerbekostenzuschüssen an Ryanair abhängig.

Vizepräsident Gentzel:

Ich sehe keinen weiteren Nachfragebedarf. Doch.Herr Abgeordneter Schröter.

Abgeordneter Schröter, CDU:

Die Frage nach der Steigerung der Passagierzah-len im Low-Cost-Bereich ist jetzt nicht betrachtetworden. Kann man bitte dazu noch einmal eine Po-sition beziehen? Die zweite Frage: Wird die Arbeits-marktsituation der Region nur saisonal von Ihnenbetrachtet oder sogar nur partiell? Das würde michschon einmal genauer noch interessieren.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Herr Präsident, zur Frage der Low-Cost-Kompo-nente muss man sagen, dass das Geschäftsmodellaus unserer Sicht derzeit so ist, dass die Risikendeutlich über dem Nutzen liegen und dass deswe-gen die Landesregierung an dem Flughafen, derdem Freistaat gehört und eine eigene Geschäfts-führung hat, es begrüßt, dass die Geschäftsführungnach reiflicher Prüfung zu dem Ergebnis kommt,dass die Low-Cost-Komponente in diesem Bereichdes Luftverkehrs eben keine große Entwicklungs-chance darstellt. Zu der zweiten Frage, die Sie auf-gemacht haben, was war das noch einmal?

Abgeordneter Schröter, CDU:

Saisonale Arbeitsmarktsituation war angefragt.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Nein, das ist nicht saisonal betrachtet, sondern dasist betrachtet auf den Erhalt einer Low-Cost-Linie.Solange die Linie da ist, hat man diese Effekte.Wenn sie nicht da ist, gibt es diese Effekte nichtmehr in dem Umfang.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine weitere Nachfrage durch den Abgeord-neten Barth.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Herr Präsident. Danke, Herr Spieß.Herr Minister, eine Frage. Sie sprachen vom tragfä-higen Konzept, welches natürlich vorgelegt werdenmuss. Könnten Sie vielleicht einmal bitte ein paarPunkte nennen, die aus Ihrer Sicht Bestandteil ei-nes tragfähigen Konzepts sein müssen und wennSie das vielleicht am Beispiel des Flughafens Erfurttun würden, wo die ja offenkundig ausweislich desfinanziellen Engagements der Landesregierung ge-geben sind, dann würde mir das besonders weiter-helfen.

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Zunächst einmal, Herr Barth, herzlichen Dank fürdie Anfrage. Das tragfähige Konzept bezog sich jadarauf, dass es aus meiner Sicht notwendig ist,wenn man eine Finanzierungsvereinbarung ab-schließt, die wir nicht mit dem Flughafen Erfurt ab-schließen müssen, da wir dort Gesellschafter sindund über Gesellschafterzuschüsse auch operieren,sondern die wir mit dem Verkehrslandeplatz im Al-tenburger Land abschließen müssten, dass Be-standteil dieser Finanzierungsvereinbarung auchsein müsste - darüber ist mit den Gesellschafternzu reden -, dass das Konzept so tragfähig ist, dassnicht zusätzliche Mittel vom Geldgeber Land ab-hängig gemacht werden, abgesehen von womög-lich Fördermitteln für notwendige Investitionen, dieich momentan natürlich nicht ausschließen kann.Dafür haben wir eine geltende Richtlinie.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine weitere Nachfrage durch die Abgeord-nete Frau Dr. Lukin.

Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:

Herr Minister, wie bewerten Sie die von Ihrem Vor-gänger, Herrn Trautvetter, 2006 im Luftverkehrs-konzept für Mitteldeutschland gemachte Aussage,dass der Low-Cost-Bereich auch völlig neue Kun-dengruppen akquiriert und gleichzeitig auch Profi-lierungschancen für die Flugplätze bietet?

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2997

(Minister Carius)

Carius, Minister für Bau, Landesentwicklungund Verkehr:

Ich bewerte die Aussage eines meiner Amtsvorgän-ger als eine sicher wohl abgewogene zu diesemZeitpunkt. Aber wir müssen natürlich auch zurKenntnis nehmen, dass die Entwicklung auch soist, dass das Geschäftsmodell sich so entwickelthat, dass die Flugplatzbetreiber in immer stärkerefinanzielle Verantwortung genommen wurden. Sostimmt es zwar auf der einen Seite, dass wir dasPassagieraufkommen steigern können, auf der an-deren Seite müssen wir aber auch dann ein ent-sprechend stärkeres finanzielles Engagement derGesellschafter feststellen, die es emöglichen, dassLow-Cost dort auch stattfindet. Insofern stellt sichhier auch die Frage, zu welchem Preis man sichdas höhere Passagieraufkommen erkaufen möchte.

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Minister. Das Fragenkontingent ist da-mit erschöpft. Ich rufe auf die Mündliche Anfragedes Abgeordneten Dr. Augsten von der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der Drucksache 5/1780.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Konsequenzen aus der UN-Naturschutzkonferenzin Nagoya für Thüringen

Auf der 10. Vertragsstaatenkonferenz des Überein-kommens über die biologische Vielfalt (CBD) im ja-panischen Nagoya einigten sich 193 Vertragsstaa-ten in den Zielen Artenschutz, naturgemäße Nut-zung und gerechte Verteilung. Wenn das in Nagoyabeschlossene 20-Punkte-Programm zum Natur-schutz bis 2020 umgesetzt werden soll, muss derSchutz der Biodiversität als Querschnittsaufgabe inallen Politikfeldern anerkannt und durchgesetztwerden. Bis 2020 sollen u.a. etwa 17 Prozent derglobalen Landfläche unter Schutz gestellt werden.Ebenfalls müssen die Weichen für eine naturver-trägliche Landwirtschaft gestellt werden und Sub-ventionen mit einer schädlichen Wirkung auf die Ar-tenvielfalt abgebaut werden.

Der Flächenanteil an Naturschutzgebieten liegt mitca. 2,7 Prozent in Thüringen unter dem Bundes-durchschnitt von 3,6 Prozent. Der Anteil der FFH-und Vogelschutzgebiete liegt in Thüringen zwar bei14 Prozent, die meisten dieser Gebiete sind abernicht naturschutzrechtlich gesichert.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Konsequenzen zieht die Landesregie-rung aus den Beschlüssen von Nagoya?

2. Welche Konsequenzen zieht die Landesregie-rung aus der Konferenz für die Entwicklung derAgrarpolitik nach 2013?

3. Wird Thüringen sein Schutzgebietsnetz ausdeh-nen und naturschutzrechtlich sichern?

4. Wird in der Thüringer Biodiversitätsstrategie derSchutz der Biodiversität als Querschnittsaufgabeangesehen und wie wird sich dies konkret nieder-schlagen?

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Für die Landesregie-rung antwortet der Minister für Landwirtschaft, For-sten, Umwelt und Naturschutz, Herr Reinholz.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren, die Mündliche Anfrage des Ab-geordneten Dr. Augsten beantworte ich für die Lan-desregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die 10. CBD-Vertragsstaatenkonfe-renz, die vom 18. bis 29. Oktober 2010 in Nagoya,also in Japan, stattfand, hat Beschlüsse in drei zen-tralen Bereichen gefasst: Zugang zu genetischenRessourcen, globales Ziel und neue Strategie fürdie Zeit bis 2020 und mehr Schutz für tropischeWälder. Der Thüringer Landesregierung liegen bis-her verschiedene Meldungen von Nachrichtenagen-turen und eine Zusammenfassung der Beschlüssedurch das Bundesministerium für Umwelt, Natur-schutz und Reaktorsicherheit vor. Auf dieserGrundlage werden die Ergebnisse von Nagoya in-haltlich geprüft, um daraus mögliche Handlungsop-tionen der Landesregierung abzuleiten. Die bisherveröffentlichten Ziele für die neue Strategie der UNbis 2020 werden wir in die derzeit laufende Fort-schreibung der Thüringer Biodiversitätsstrategie na-türlich einfließen lassen.

Zu Frage 2: Die Landesregierung geht davon aus,dass die EU-Kommission die Ergebnisse von Nago-ya in ihre Vorschläge zur Fortführung der gemein-samen Agrarpolitik ab 2013 einfließen lässt. DieseVorschläge sollen noch im Herbst 2010 in den Mit-gliedstaaten vorliegen. In die sich daran anschlie-ßende Diskussion wird sich Thüringen natürlich ein-bringen.

Zu Frage 3: Bereits im Entwurf der Thüringer Biodi-versitätsstrategie ist die Erarbeitung einer repräsen-tativen Schutzgebietskonzeption für Thüringen vor-gesehen. Aktuell laufen methodische Vorarbeitenunter Federführung der Thüringer Landesanstalt fürUmwelt und Geologie. Nach Vorlage der Konzepti-on wird der Freistaat Thüringen sein Schutzgebiets-netz bewerten und gegebenenfalls notwendigeHandlungsoptionen dann auch prüfen.

Zu Frage 4: Durch das Thüringer Ministerium fürLandwirtschaft, Forsten, Umwelt und Naturschutzerfolgt derzeit die Fortschreibung und Aktualisie-

2998 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

rung des Entwurfs der Thüringer Biodiversitätsstra-tegie aus dem Jahr 2009. In der Fortschreibung derStrategie wird sich der Querschnittscharakter derAufgabe Biodiversität natürlich niederschlagen.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Abgeordneter Dr. Augsten, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Minister, ein Fa-zit aus Nagoya war ja, dass sich, ausgehend von1992, Rio de Janeiro, die Situation in vielen Berei-chen verschlechtert hat und dass noch mal eindeutliches Zeichen gesetzt worden ist, dass manwas tun muss. Meine Frage: Würden Sie bei derBeantwortung von Punkt 4 so weit gehen, dass Siesagen, ähnlich den Nachhaltigkeitsbestrebungenhier in Thüringen, dass man da sogar eine Staats-sekretärsarbeitsgruppe einrichten könnte oder soll-te?

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Herr Dr. Augsten, da schlagen jetzt zwei Herzenauch in meiner Brust. Im Prinzip ja, andererseitshaben wir unlängst im Kabinett darüber diskutiert,dass wir schon 17 Staatssekretärsarbeitsgruppenhaben. Aber ich denke, wir finden eine Lösung, wowir auch über Querschnittsaufgaben zwischen denMinisterien reden können, das kann auch auf Abtei-lungsleiterebene sein.

Vizepräsident Gentzel:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, HerrMinister. Ich rufe auf die Mündliche Anfrage der Ab-geordneten Wolf von der Fraktion DIE LINKE in derDrucksache 5/1781.

Abgeordnete Wolf, DIE LINKE:

Danke.

Fördermittel für die Wartburgauffahrt

Die Auffahrt zur Wartburg ist von einem ausgespro-chen schlechten Straßenzustand geprägt. Die Grö-ße der Löcher machte eine halbseitige Sperrungnotwendig. Aufgrund der Finanzsituation der StadtEisenach war bisher eine Sanierung nicht möglich -es war nicht möglich den Eigenanteil aufzubringen.Nach der Zusage der Finanzierung fehlender Mitteldurch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit undTechnologie begann in der letzten Woche die Sa-nierung.

Nun wurden Zweifel geäußert, ob die Fördermittelund die Finanzierung des Eigenanteils wirklich zurVerfügung stehen und der Bau beginnen durfte.

Ich frage die Landesregierung:

1. Sind die Fördermittel zum Bau der Auffahrt bewil-ligt?

2. Ist die Finanzierung des Eigenanteils der Stadtdurch das Ministerium für Wirtschaft, Arbeit undTechnologie bewilligt?

3. Darf die Stadt damit den Bau der Straße ohne fi-nanzielles Risiko für die Stadt beginnen und wel-ches Risiko ist gegebenenfalls vorhanden?

4. Ist das Landesamt für Denkmalpflege informiertund liegt die gegebenenfalls notwendige Genehmi-gung der Baumaßnahme vor und welche Konse-quenzen können durch eine gegebenenfalls nichtvorhandene Genehmigung entstehen?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatsse-kretär Staschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren Abgeordneten, ich beantwortedie Mündliche Anfrage für die Thüringer Landesre-gierung wie folgt. Lassen Sie mich aber nur einenSatz noch vorausschicken, weil mir eben MinisterReinholz zugerufen hat, es wäre schon im Vorfeldder 800-Jahr-Feier der Wartburg der obere Teil malsaniert worden, nur zur Richtigstellung. Aber nunzur Frage.

Zu Frage 1: Die Stadt hat auf der Basis eines vomThüringer Landesverwaltungsamt genehmigten vor-zeitigen Maßnahmebeginns die Realisierung derBaumaßnahme gestartet. Die Bewilligung wirddurch das Thüringer Landesverwaltungsamt nachVervollständigung der Antragsunterlagen kurzfristigerfolgen.

Zu Frage 2: Hierfür ist das Wirtschaftsministeriumnicht zuständig. Für kommunale Maßnahmeträgerbestätigt die jeweils zuständige Kommunalaufsichtden Eigenanteil der Kommune. Die kommunalauf-sichtliche Genehmigung für den Eigenanteil diesesProjekts liegt dem Thüringer Landesverwaltungs-amt als Bewilligungsstelle vor.

Zu Frage 3: Die Bewilligung erfolgt auf der Basis ei-ner gesicherten Gesamtfinanzierung. Der Zuwen-dungsempfänger beginnt mit der Maßnahme in derRegel nach der Bewilligung. Im vorliegenden Fallwurde aufgrund der Eilbedürftigkeit und der geplan-ten Umsetzung noch in diesem Jahr durch das Thü-ringer Landesverwaltungsamt einem Antrag derStadt auf vorzeitigen Maßnahmebeginn zuge-stimmt. In diesem Falle beginnt die Stadt auf eige-nes Risiko mit der Maßnahme. Zum Zeitpunkt derGenehmigung des vorzeitigen Maßnahmebeginnsdurch das Thüringer Landesverwaltungsamt war

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 2999

(Minister Reinholz)

die Finanzierung gesichert und eine kommunalauf-sichtliche Genehmigung lag vor. Zwischenzeitlichwar die Finanzierung aufgrund eines größerenHaushaltsdefizits der Stadt noch einmal infrage ge-stellt worden. Vor einigen Tagen konnte das Pro-blem zwischen der Stadt und dem TIM abschlie-ßend geklärt werden, so dass nun die Finanzierungdes Eigenanteils und damit die Gesamtfinanzierungnach Aussage des Thüringer Landesverwaltungs-amts gesichert ist.

Zu Frage 4: Nach Angabe des Thüringer Landes-verwaltungsamts ist für eine Genehmigung dieserBaumaßnahme die untere Denkmalschutzbehördezuständig. Die Stadt Eisenach hat dem ThüringerLandesverwaltungsamt zugesichert, die nötige Stel-lungnahme bzw. Genehmigung kurzfristig vorzule-gen. Das Thüringer Landesverwaltungsamt beab-sichtigt dann, die Bewilligung zügig vorzunehmen.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt den Wunsch auf eine Nachfrage durch denFragesteller.

Abgeordnete Wolf, DIE LINKE:

Das heißt, dass die Genehmigung der unterenDenkmalschutzbehörde noch nicht vorliegt und un-ter anderem ein Punkt ist, wo Sie sagen, Unterla-gen müssen noch nachgereicht werden; es durftetrotzdem schon begonnen werden. Verraten Sie miraber bitte, Sie haben jetzt gar nichts zu einer Mitfi-nanzierung Ihres Ministeriums, des TMWAT, aus-geführt. Heißt das, dass das Ministerium jetzt nichtmehr mitfinanziert und nicht den Eigenanteil derStadt aufbringt?

Staschewski, Staatssekretär:

Wir haben das angeboten in einer Diskussion, dasswir entsprechend Haushaltsmittel umschichten kön-nen. Ob das notwendig ist, wird sich dann im Laufedessen zeigen. Ich glaube, das ist jetzt gar nichtmehr notwendig. Um das Ganze in Fahrt zu brin-gen, haben wir bereits SRW-Mittel gegeben, näm-lich aus folgendem Grund - das kann ich auch nocheinmal sagen -, wir haben uns da als Haus starkgemacht, dass das jetzt zügig vonstatten geht, weilwir im Rahmen des Tourismus insbesondere vordem Lutherjahr gesagt haben, das kann jetzt nichtlänger warten. Wir haben gesehen, wir brauchenunbedingt hier eine Erneuerung dieser Straße undhaben uns da an der Diskussion mit beteiligt undhaben dringend darauf hingewiesen, dass wir hiereine Lösung brauchen, und haben auch angeboten,falls das notwendig ist, dass wir uns da auch mitbeteiligen, wo wir können.

Vizepräsident Gentzel:

Keine weiteren Fragen. Herr Staatssekretär, dasHaus und die Stadt Eisenach bedanken sich. Ichrufe auf die Mündliche Anfrage des AbgeordnetenBergner von der Fraktion die FDP in der Drucksa-che 5/1782.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Herr Präsident.

Vorfälle im Rahmen einer Demonstration des Anti-Atom-Forums Weimar

Am 2. November 2010 fand in Weimar eine De-monstration des Anti-Atom-Forums Weimar statt.Laut Medienberichten zogen etwa 100 Personenvom Herderplatz in die Jacobstraße 4 zum gemein-samen Büro des FDP-Stadtverbandes und derStadtratsfraktion. Ich zitiere: "Dabei soll es zu un-schönen Szenen gekommen sein. So sei nach ei-genen Angaben der stellvertretende Kreisvorsitzen-de Matthias Purdel von einem Demonstranten ge-schlagen worden. Purdel habe den Mann ange-zeigt." (Thüringische Landeszeitung vom 3. Novem-ber 2010)

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Maßnahmen hat die Polizei zur Beglei-tung der Demonstration sowie nach Eintreffen derEinsatzkräfte zur Feststellung unternommen?

2. Wie bewertet die Landesregierung die Vorfälle imRahmen der Anti-Atom-Demonstration in Weimar?

3. Ist aus Sicht der Landesregierung im Vorfeld undim Verlauf der Demonstration durch den Versamm-lungsleiter, durch freiwillige Ordner oder durch dieOrdnungsbehörden/Polizei hinreichend darauf hin-gewirkt worden, dass Ausschreitungen vermiedenwerden?

4. Ist aus Sicht der Landesregierung die Art undWeise der Ausrichtung der Demonstration geeignet,das Aggressions- und Gewaltpotenzial in der Ge-sellschaft zu erhöhen?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet der Innenminis-ter Prof. Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, dieMündliche Anfrage des Abgeordneten Bergner be-antworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1:Die polizeilichen Maßnahmen wurdenim Rahmen einer Auftragslage unter Führung desDienstschichtleiters der Polizeiinspektion Weimarund zwei Beamtinnen/Beamten durchgeführt. DerAuftrag bestand darin, vor Beginn des AufzugsKontakt mit dem Veranstalter aufzunehmen, einen

3000 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Staatssekretär Staschewski)

störungsfreien Ablauf zu gewährleisten, verkehrsre-gulierende Maßnahmen zu ergreifen und anlassbe-zogene Straftaten bzw. Ordnungswidrigkeiten zuverhindern und zu unterbinden. Hinsichtlich derMaßnahmen zur Feststellung halte ich fest, dassein Tatverdächtiger unmittelbar vor Ort ermittelt,dessen Identität festgestellt und des Ortes verwie-sen wurde. Zugleich wurde eine Anzeige wegenKörperverletzung aufgenommen und der Geschä-digte noch vor Ort zeugenschaftlich vernommen.

Zu Frage 2: Weder im Ergebnis des Kooperations-gesprächs der zuständigen Versammlungsbehördemit dem Veranstalter und der Polizei noch auf derGrundlage der polizeilichen Lagebewertung gab esErkenntnisse, die Gefahrenmomente für den stö-rungsfreien Ablauf der Demonstration begründeten.Auch der Verlauf der Demonstration ließ bis zu demVorfall keine Störungen erwarten. Die unmittelbarnach Bekanntwerden des Vorfalls durch die einge-setzten Beamten getroffenen Maßnahmen habenzur Feststellung der Identität des Täters noch vorOrt geführt. Insoweit waren die vorbereiteten poli-zeilichen Maßnahmen aus personeller Hinsicht aus-reichend und hinsichtlich der einsatztaktischen undstrafrechtlichen Belange wirkungsvoll.

Zu Frage 3 verweise ich auf die Antwort zu Frage 2.

Zu Frage 4: Veranstaltungs- und Demonstrations-themen mit Bezug zur Energiepolitik sind grund-sätzlich von gesellschaftlicher Brisanz. Das belegendie Demonstrationen um die KernkraftwerkeWackersdorf und Brokdorf in den 80er-Jahren, abernatürlich auch die Erfahrungen mit dem aktuellenCastor-Transport. Nicht von ungefähr betrifft diezentrale Entscheidung des Bundesverfassungsge-richts zur Versammlungsfreiheit eine Versammlungum das Kernkraftwerk Brokdorf.

Der Veranstalter hat im Rahmen des Kooperations-prinzips jedoch gegenüber der StadtverwaltungWeimar und der Polizei die Absicht der gewaltfreienDurchführung des Aufzugs bekundet und auchglaubhaft dargelegt. Aus welcher Motivlage herausdann der Täter dennoch seine Tat beging, ist nochnicht bekannt. Dies wird im Rahmen des laufendenErmittlungsverfahrens festgestellt werden.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt einen Nachfragewunsch, Herr Minister, zu-nächst durch den Abgeordneten Meyer.

Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Minister, ich frage Sie: Sind Ihnen aus denletzten Jahren aus Weimar von ähnlichen Demon-strationen, beispielsweise gegen die Energieerzeu-gung, ähnliche Gewalttätigkeiten bekannt? Das wardie erste Frage.

Die zweite Frage: Würden Sie annehmen könnennach der Einschätzung der Gefährdungslage dort,dass mehr Polizei vor Ort diese Art Gewalttätigkeithätte verhindern können?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Abgeordneter Meyer, mir persönlich sind keinegewalttätigen Demonstrationen aus Weimar zu Fra-gen der Energiepolitik bekannt. Mein Eindruck istauch, dass der personelle Ansatz ausgereicht hat,um eine Begleitung der Demonstration sicherzustel-len.

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Minister. Eine Bemerkung will ich nochmachen. Herr Abgeordneter Meyer, ich hatte prinzi-piell nur eine Anfrage zugelassen, die zweite ur-sprünglich für Herrn Barth reserviert. Jetzt sind diezwei Fragen aber gestellt. Ich will darauf hinweisen,dass ich das zukünftig nicht mehr zulasse. HerrBarth, Ihre Frage lasse ich trotzdem zu.

Abgeordneter Barth, FDP:

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Minister, ich willein Stück weg von der Polizei, dem Personalein-satz, das haben Sie hinreichend dargelegt. Wennich darf, würde ich mich auch gern bei den Beam-ten bedanken, weil die an der Stelle, glaube ich,wenig verkehrt gemacht haben. Aber ich will nocheinmal hin zur Zusammenarbeit mit den Veranstal-tern. Gibt es aus Ihrer Sicht oder liegen Ihnen Er-kenntnisse vor, dass in der Stadt Weimar Konse-quenzen gezogen werden, vonseiten der PolizeiKonsequenzen gezogen werden, was den Veran-stalter der Veranstaltung betrifft auch mit Blick aufweitere Veranstaltungen durch denselben Veran-stalter. Werden da Konsequenzen gezogen?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Abgeordneter Barth, die Prognose, die die Po-lizei und die Versammlungsbehörde nach Durch-führung des Kooperationsgesprächs angestellt ha-ben, scheint aus meiner Sicht nicht nur gültig, son-dern auch richtig gewesen zu sein. Es ist die Tat ei-nes Einzelnen, die dann auch zur Aufnahme derStraftat geführt hat. Sie hat die Demonstration nichtinsgesamt unfriedlich gemacht. Vor dem Hinter-grund habe ich auch keine Anhaltspunkte dafür,dass Konsequenzen gegen den Versammlungslei-ter gezogen werden müssten.

Vizepräsident Gentzel:

Damit ist das Fragenkontingent erschöpft. Danke,Herr Innenminister. Ich rufe auf die Mündliche An-frage des Abgeordneten Kuschel von der FraktionDIE LINKE in der Drucksache 5/1678.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3001

(Minister Prof. Dr. Huber)

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident,

130.000 € Lottomittel im Wartburgkreis

Aus der Antwort der Landesregierung auf meineKleine Anfrage zur Vergabe von Lottomitteln im ers-ten Halbjahr 2010 in Drucksache 5/1669 geht her-vor, dass das Ministerium für Landwirtschaft, For-sten, Umwelt und Naturschutz im März 2010 für dieRegion Rhön im Wartburgkreis 130.000 € an Lotto-mitteln bewilligt hat.

Ich frage die Landesregierung:

1. Für welche einzelnen Projekte und Maßnahmenhat das Ministerium für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz im März 2010 Lottomittelbewilligt und wer waren die Antragsteller?

2. Welche Zielstellung hat die Landesregierung mitder Bewilligung der beantragten Lottomittel in Höhevon 130.000 € verbunden?

3. Aus welchen Gründen erfolgte bei den nachge-fragten Projekten und Maßnahmen keine Landes-förderung aus den zur Verfügung stehenden tradi-tionellen Fördermitteln?

4. Weshalb war eine finanzielle Förderung ausSicht der Landesregierung über die Vergabe vonLottomitteln geboten und inwieweit sind dabei diegesetzlichen Bestimmungen des § 9 Abs. 3 Thürin-ger Glücksspielgesetz, wonach die Mittel zur Förde-rung kultureller, sozialer, umweltschützender undsportlicher Zwecke zu verwenden sind, eingehaltenworden?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet Herr MinisterReinholz.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren, die Landesregierung hat unterBeteiligung aller Ressorts festgelegt, dass die vomErdfall in Tiefenort Betroffenen eine finanzielle Un-terstützung vom Freistaat erhalten sollen. Das Ka-binett hat in seiner Sitzung am 2. März 2010 dieZahlung von Einzelfallhilfen im Zusammenhang mitdem Erdfall Tiefenort in Höhe von 10.000 € pro be-troffene Person beschlossen. Die zu finanzierendeAusgabe betrug insgesamt 130.000 €. Finanziertwurde diese aus Ausgaberesten bei den Lottomit-teln 2009. Dies vorausgeschickt beantworte ich dieMündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel imNamen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es handelt sich um Einzelfallhilfen fürdie direkt vom Erdfall in Tiefenort betroffenen Per-

sonen. Die Antragstellung der Betroffenen erfolgteüber die Gemeinden.

Zu Frage 2: Für durch den Erdfall und die baurecht-liche Nutzungsuntersagung ihrer Grundstücke ent-stehende Kosten wurden die betroffenen Anwohnersozial unterstützt.

Zu Frage 3: Es standen keine sogenannten traditio-nellen Fördermittel für eine Einzelfallhilfe zur Verfü-gung.

Zu Frage 4: Weil soziale Gründe für Einzelfallhilfe-unterstützung der Betroffenen bei den außerge-wöhnlichen Belastungen für Nutzungsuntersagungihrer Grundstücke vorlagen, erfolgte eine finanzielleFörderung durch die Vergabe von Lottomitteln.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident, danke, Herr Minister. Wür-den Sie mir zustimmen, dass es sich bei den Auf-führungen in der Übersicht in der von mir zitiertenKleinen Anfrage nicht um die Region Rhön han-delt? Es sind Irritationen aufgetreten, weil nach-weislich die Gemeinde Tiefenort nicht zur Rhön ge-hört.

Reinholz, Minister für Landwirtschaft, Forsten,Umwelt und Naturschutz:

Da würde ich Ihnen zustimmen.

Vizepräsident Gentzel:

Weitere Nachfragen sehe ich nicht. Danke, Herr Mi-nister.

Ich rufe auf die die Mündliche Anfrage der Abgeord-neten Hennig von der Fraktion DIE LINKE in derDrucksache 5/1771.

Abgeordnete Hennig, DIE LINKE:

Entwicklung der betrieblichen Ausbildung im Frei-staat Thüringen

Ungeachtet des bereits landauf, landab breit disku-tierten zunehmenden Fachkräftemangels stagniertdie Zahl betrieblicher Ausbildungsplätze in Thürin-gen. Angesichts der insgesamt nicht unbeträchtli-chen Fördermittel, die das Land zur Unterstützungbetrieblicher Ausbildungsplätze bereitstellt, stelltsich die Frage nach einem Überdenken der Förder-struktur.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie hat sich im Zeitraum 2000 bis 2010 absolutund relativ der Anteil betrieblicher Ausbildungsplät-ze an allen Ausbildungsplätzen entwickelt, die

3002 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

a) über die Förderung der Ausbildungsverbündeund

b) auf sonstige Weise öffentlich gefördert werden?

2. Wie viel wurde in diesen Jahren über die Förde-rung der Verbünde statistisch jeweils für den einzel-nen Jugendlichen in betrieblicher Ausbildung inner-halb der Verbünde an öffentlichen Mitteln ausgege-ben und in welchem Verhältnis steht diese Summezu den durchschnittlichen Kosten, die einem Unter-nehmen für einen Ausbildungsplatz im ersten, zwei-ten und dritten Lehrjahr insgesamt entstehen?

3. In welchen Branchen bzw. Bereichen von Wirt-schaft und Verwaltung entwickelte sich die Bereit-schaft der Betriebe/Institutionen zur Ausbildungüberdurchschnittlich, in welchen Branchen/Berei-chen unterdurchschnittlich, und wie begründet dieLandesregierung diese Unterschiede?

4. Worin sieht die Landesregierung die Ursachenfür die nach wie vor insgesamt rückläufige Zahl an-gebotener betrieblicher Ausbildungsplätze in Thü-ringen und in welche Richtung gibt es nach ihrerAnsicht Möglichkeiten, mit einer Veränderung derFörderstruktur eine stärker stimulierende Wirkungfür die Zurverfügungstellung betrieblicher Ausbil-dungsplätze durch Unternehmen und Einrichtungenzu erreichen?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet Herr Staatsse-kretär Staschewski.

Staschewski, Staatssekretär:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren Abgeordneten, ich beantwortedie Mündliche Anfrage für die Thüringer Landesre-gierung wie folgt und weise darauf hin, dass ichjetzt etwas ausführlicher darauf eingehen muss,weil die Fragen auch sehr komplex sind.

Zu Frage 1: Die Frage ist, wie sie gestellt ist, FrauAbgeordnete, aufgrund bestehender Zusammen-hänge nicht so beantwortbar. Ich gestatte mir dieZusammenhänge wie folgt darzustellen:

Die Landesregierung veröffentlicht jedes Jahr zurInformation aller an der Berufsbildung Beteiligtenund der daran Interessierten einen Berufsbildungs-bericht, der Angaben und Daten zur Situation aufdem Ausbildungsmarkt in Thüringen enthält. ZurEntwicklung der betrieblichen Ausbildungsplätzeinsgesamt kann ich auf den Berufsbildungsberichtverweisen. Ich kann Ihnen den selbstverständlich inder Anlage dann konkret zur Verfügung stellen.

Zum Zusammenhang zwischen betrieblicher Ausbil-dung und der Förderung von Ausbildungsverbün-den ist im Hinblick auf die einleitenden Sätze derMündlichen Anfrage zu einem Überdenken der För-

derstruktur auf das Folgende hinzuweisen: Es gibtseit dem vergangenen Jahr auch aufgrund der ge-ringer werdenden Anzahl der Schulabgänger unddamit auch der sinkenden Zahl der Ausbildungs-platzbewerber ein bedarfsdeckendes Angebot anAusbildungsplätzen. Jetzt im Moment blieben sogar564 Ausbildungsplätze mangels geeigneter Bewer-ber, die gefunden werden konnten, unbesetzt.

Was die Förderung der Ausbildungsverbünde be-trifft, ist auf die Größenstruktur der Thüringer Unter-nehmen mit einer überwiegenden Anzahl von Klein-unternehmen zu verweisen. Da die Ausbildungsord-nung von der Spezialisierung eine breite Grundaus-bildung vorsieht, sind kleine Betriebe häufig nicht inder Lage, eine vollständige Grundausbildung durch-zuführen. Zur Lösung dieses Problems können Ver-bundausbildungen einen Beitrag leisten. Die einge-schränkte Eignung eines Betriebs, alle gefordertenAusbildungsinhalte am Arbeitsplatz allein zu vermit-teln, kann nach Berufsbildungsgesetz bzw. Hand-werksordnung dadurch behoben werden, dass er-gänzende Ausbildungsmaßnahmen auch außerhalbdes Betriebes durchgeführt werden. Zur Sicherungeiner qualitativ guten Ausbildung und um die Aus-bildung in vorrangig kleinen Betrieben zu unterstüt-zen, fördert der Freistaat Thüringen den Besuchvon Ergänzungslehrgängen und den Erwerb vonZusatzqualifikationen. Im Bereich des Handwerkswerden durch den Bund und das Land überbetrieb-liche Lehrgänge gefördert, die nach bundesweitgeltenden Rahmenlehrplänen durchgeführt werden.Organisiert wird im Bereich der Industrie- und Han-delskammern eine Ergänzungs- und Zusatzausbil-dung durch Ausbildungsverbünde, die das Landaus Mitteln des Europäischen Sozialfonds und desLandes fördert.

Ausbildungsverbünde orientieren sich auf eine ver-besserte Qualität der Berufsausbildung unter Be-rücksichtigung des Fachkräftebedarfs der ThüringerWirtschaft. Sie organisieren die Zusammenarbeitvon Unternehmen einer Region oder Branche in ei-nem Firmenausbildungsverbund zur gemeinsamenBerufsausbildung im Interesse einer langfristigenSicherung des Fachkräftebedarfs aller Unterneh-men in der Region. Die zunehmende fachliche Spe-zialisierung und die wachsende Bedeutung neuerTechnologien machen die überbetriebliche Unter-weisung als Ergänzung der betrieblichen Ausbil-dung erforderlich. Für die Notwendigkeit dieser För-derung sprechen übrigens auch die hohen Teilneh-merzahlen.

Zu dem, was Sie unter 1 b) fragen, nach den be-trieblichen Ausbildungsplätzen, die auf sonstigeWeise öffentlich gefördert werden, kann ich nurfeststellen, dass es keine betriebliche Ausbildunggibt, die öffentlich gefördert wird.

Ich erlaube mir dann noch mal - Ihr Einvernehmenvoraussetzend -, dass ich die Entwicklung der be-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3003

(Abg. Hennig)

trieblichen Ausbildungsplätze und die, die überwie-gend öffentlich finanziert werden, an dieser Stellejetzt nicht vortrage, sondern dass ich Ihnen eineÜbersicht entsprechend als Anlage zur Verfügungstellen werde.

Zu Frage 2, wie viel in diesen Jahren über die För-derung der Verbünde statistisch jeweils für den ein-zelnen Jugendlichen in betrieblicher Ausbildung in-nerhalb der Verbünde gemacht wurde, kann ich nursagen, dass die Daten in gewünschter Form nichterhoben werden.

Zu Frage 3: Zur Entwicklung der Ausbildungsbereit-schaft wird auf den jährlich erscheinenden Berufs-bildungsbericht der Landesregierung verwiesen,der Angaben zur Ausbildungsbereitschaft der Un-ternehmen allgemein und nach Branchen sowie An-gaben zu den neu abgeschlossenen Ausbildungs-verträgen in den sieben Ausbildungsbereichen ent-hält. Im Vergleich kann man aber sagen, dass esgrundsätzlich keine wissenschaftlichen Belege da-für gibt, die auf Ursachen hinweisen, warum in wel-chen Branchen mehr oder weniger ausgebildetwird.

Zu Frage 4: Die Ursachen für die rückläufige Zahlder betrieblichen Ausbildungsplätze bezogen aufden Beginn des Jahrzehnts liegen zum einen in derdemographischen Entwicklung und dem damit ein-hergehenden dramatischen Rückgang der Bewer-ber. So hat sich die Zahl der Bewerber von 2000 zu2010 mehr als halbiert. In diesem Zusammenhanggingen die Zahlen der betrieblichen Stellen zwarauch zurück, allerdings nicht in diesem Umfang. Esist sehr deutlich zu sehen - Sie kriegen die Zahlen-reihen dann von mir -, dass bei den betrieblichenAusbildungsplätzen bei Weitem nicht der gleicheRückgang wie bei der Zahl der Suchenden war.

Zudem haben die Unternehmen über Bedarf ausge-bildet, was durch Ausbildungsplatzzuschüsse nochgefördert wurde. Bereits seit dem Jahr 2008 ist dieZahl der unbesetzten Ausbildungsstellen gestiegen,während die Zahl der unversorgten Bewerber indiesem Zeitraum weiter abgenommen hat. Der An-teil der außerbetrieblichen Ausbildungsstellen amGesamtangebot an Ausbildungsstellen im Ausbil-dungsjahr 2009/2010 betrug noch 17,2 Prozent, imVorjahr 24,7. Die Unternehmen haben 2009 trotzder schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingun-gen an der Ausbildung ihrer Fachkräfte festgehal-ten. Das Angebot an betrieblichen Ausbildungsstel-len konnte stabil gehalten werden und es war nurein Rückgang von 0,7 zum Vorjahr zu verzeichnen.Hinsichtlich der Möglichkeit, mit einer Veränderungder Förderstruktur eine stärkere stimulierende Wir-kung für die Zurverfügungstellung betrieblicher Aus-bildungsplätze durch Unternehmen und Einrich-tungen zu erreichen, verweise ich auf das im ge-sellschaftlichen Konsens übrigens abgestimmte Ak-tionsprogramm „Fachkräftesicherung und Qualifi-

zierung“ des Thüringer Wirtschafts- und Innovati-onsrates, wo die Arbeitgeber- wie die Arbeitneh-merseiten vertreten sind. Für alle Thüringer Ju-gendlichen sollen Ausbildungschancen in Thürin-gen bestehen, insbesondere schwächere und be-nachteiligte Jugendliche sollen eine Chance erhal-ten und in eine betriebliche Ausbildung vermitteltwerden. Hierzu wurden die Ausbildungsverbündeaufgefordert, entsprechende Konzepte für die be-triebliche Ausbildung schwächerer Jugendlicher zuentwickeln und ihre Mitgliedsunternehmen dabei zuunterstützen. Auch mit dem nullten Ausbildungsjahrwerden Jugendliche, die aufgrund ihrer schulischenoder sonstigen Voraussetzungen noch nicht füreinen sofortigen Einstieg in die Berufsausbildunggeeignet sind, in angebrachter Weise begleitet undzu einer anerkannten Berufsausbildung hingeführt.Verzeihen Sie mir die Länge der Ausführung, aberdie Fragen waren auch sehr komplex.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt Nachfragebedarf durch die Anfragerin.

Abgeordnete Hennig, DIE LINKE:

Ich habe zwei Nachfragen und eine Anmerkung.Sie können sicher sein, dass mir der Berufsbil-dungsbericht bekannt ist. Jetzt komme ich aber zumeinen Fragen:

Die erste Frage: Wann wird der Berufsbildungsbe-richt 2010 erscheinen?

Die zweite Frage: Geben Sie mir recht, dass dieAnzahl der betrieblichen Ausbildungsplätze trotz-dem nicht mit der Anzahl der Bewerberinnen imGleichklang steht?

Staschewski, Staatssekretär:

Zum Ersten habe ich jetzt nicht genau im Kopf,wann genau der Berufsbildungsbericht kommt, dasDatum liefere ich nach.

Ich sage jetzt nur einmal, was wir im Moment 2010haben. Wir haben 12.871 Bewerber und haben ins-gesamt 13.223 Stellen, davon 10.945 betrieblicheStellen, das sind 82,8 Prozent und nur 2.278 außer-betriebliche Stellen. Wenn man das jetzt einmalvergleicht, wie die Entwicklung war, wir haben eineEntwicklung jetzt von 82,8 Prozent bei den betriebli-chen Stellen. Wir hatten zum Beispiel 2007 nur 65Prozent oder 66 Prozent 2005. Man muss immerden Anteil dann auch so sehen an den Gesamtstel-len. Das ist eine erfreuliche Entwicklung. Das sinddas erste Mal seit dem Jahr 2000 über 80 Prozent.Ich finde es gut, wenn wir da noch besser werden -selbstverständlich. Ich hatte aber auch aufgezeigt,dass es manchmal bei sehr kleinen Betrieben garnicht möglich ist, das allein zu machen. Die müssensich zusammenschließen. Ich glaube, wenn die

3004 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Staatssekretär Staschewski)

Entwicklung so weitergeht, können wir da schon zu-frieden sein.

Vizepräsident Gentzel:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Danke, HerrStaatssekretär.

Ich rufe auf die Mündliche Anfrage der Abgeordne-ten Berninger von der Fraktion DIE LINKE in derDrucksache 5/1778.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Danke schön, Herr Präsident.

Abschiebung einer iranischen Familie

In der Nacht zum 26. Oktober 2010 wurde nach An-gaben der Flüchtlingsselbstorganisation "the voice"eine iranische Familie nach Holland abgeschoben.Ohne vorherige Ankündigung durch die Behördenund ohne die Möglichkeit, einen Rechtsanwalt zuinformieren, soll die Familie mit den zwei Kinderngegen 3.30 Uhr durch die Polizei zwangsweise ab-geschoben worden sein. Ihr wurde eine halbe Stun-de eingeräumt, ihre persönlichen Sachen zupacken.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie beurteilt die Landesregierung das geschil-derte Vorgehen der für die Abschiebung zuständi-gen Behörde rechtlich als auch sachlich?

2. Aus welchem Grund ist eine vorherige Unterrich-tung bzw. Aufforderung zum Verlassen der Bundes-republik, beispielsweise durch Erteilung einerGrenzübertrittsbescheinigung, unterblieben?

3. Wie ist es zu rechtfertigen, dass der Familie un-tersagt wurde, einen Rechtsanwalt zu informieren,um durch das Einlegen von Rechtsmitteln die Ab-schiebung gerichtlich überprüfen zu lassen und wiebegründet die Landesregierung ihre Auffassung?

4. Ist es richtig, dass der Familienvater, einer derTeilnehmer des Protestes gegen die Unterbrin-gungssituation in der Gemeinschaftsunterkunft inGerstungen, zur Eröffnung der Interkulturellen Wo-che im Beisein des Thüringer Innenministers in BadSalzungen gewesen ist und wie ist auszuschließen,dass die nunmehr erfolgte Abschiebung im Zusam-menhang mit diesem Protest gestanden hat?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet Herr Innenminis-ter Prof. Dr. Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, dieMündliche Anfrage der Abgeordneten Berninger be-antworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Im angesprochenen Fall wurde die Fa-milie aufgrund der Dublin-II-Verordnung in die Nie-derlande zurückgeführt. Die Rücküberstellung mus-ste die Ausländerbehörde vollziehen, nachdem dasBundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asyl-anträge als unzulässig abgelehnt und die Nieder-lande ihre Rücknahmeverpflichtung anerkannt hat-ten. Entgegen der Behauptung in Ihrer MündlichenAnfrage wurde die Familie am 26. Oktober gegen6.45 Uhr zu den Fahrzeugen gebracht. Vorher hattesie ausreichend Zeit zum Packen ihrer persönlichenSachen.

Zu Frage 2: Auf Veranlassung des Bundesamtswurde der Bescheid über die Ablehnung der Asyl-anträge der Familie am Tag der Rücküberstellungausgehändigt.

Zu Frage 3: Nach Auskunft der zuständigen Aus-länderbehörde des Wartburgkreises wurde der Fa-milie nicht untersagt, einen Rechtsanwalt zu infor-mieren. Unabhängig davon weise ich darauf hin,dass die Rücküberstellungen aufgrund der Dublin-II-Verordnung einstweilige Anordnungen nicht zu-lassen (§ 34 a Abs. 2 des Asylverfahrensgesetzes)und Klagen gegen die Entscheidung des Bundes-amts keine aufschiebende Wirkung haben.

Zu Frage 4: Die Rücküberstellung beruht aus-schließlich auf dem Bescheid des Bundesamts fürMigration und Flüchtlinge und hat mit meinem Be-such in Bad Salzungen nichts zu tun.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine Nachfrage durch die Fragestellerin.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Herr Minister, Sie sagen, die Familie wurde um6.45 Uhr, nicht 3.30 Uhr abgeschoben, Sie meinenmorgens 6.45 Uhr, nehme ich an, und sie hätteausreichend Zeit zum Packen gehabt. Ich möchtewissen, wie viel Zeit zum Packen der Familie ge-währt wurde. Und Sie haben gesagt, am Tag derRücküberstellung hätte die Familie davon erfahren,also auch vor 6.45 Uhr an dem 26. Oktober. Inwie-fern rechtfertigen Sie das, hätte man der Familienicht vorher Bescheid geben können?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Wie lange die Zeit vorher gewesen ist, kann ich Ih-nen im Detail nicht sagen. Die Ausländerbehördehat mitgeteilt, dass das in ausreichendem Umfangder Fall war. Was die Verfahrensweise angeht, sobestimmt das Bundesamt für Migration und Flücht-linge den Zeitpunkt der Zustellung. Es bestimmtauch, dass diese Aushändigung erst am Tag derRückführung erfolgt. Wir sind insofern nur Amtshil-feleister für die Anordnungen des Bundesamts fürMigration und Flüchtlinge.

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3005

(Staatssekretär Staschewski)

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine weitere Nachfrage durch die Abgeord-nete Wolf.

Abgeordnete Wolf, DIE LINKE:

Wir können aber davon ausgehen, dass Sie nochmal recherchieren, wie lange der Zeitraum war unduns das zur Verfügung stellen, was ausreichend beiIhnen bedeutet, also, wie groß der Zeitpunkt war?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Ich werde schauen, wieweit sich das aufhellenlässt.

Vizepräsident Gentzel:

Man hat sich geeinigt?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Ja.

Vizepräsident Gentzel:

Die letzte Anfrage stellt der Abgeordnete Kuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident. Herr Minister, wie bewertenSie denn den Vorgang aus humanistischen bzw.humanen Gründen?

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Aus humanistischen Gründen bewerte ich ihn über-haupt nicht, aus humanitären Gründen ist aus mei-ner Sicht

(Beifall CDU, FDP)

entscheidend, dass das Königreich der Niederlandeeine gewachsene, gefestigte Demokratie ist, in derdas friedliche Leben

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

von Leuten mit und ohne Migrationshintergrund ge-währleistet ist und dass sich die Staaten der Euro-päischen Union im Rahmen der Dublin-Regelungendazu verpflichtet haben, ihre Erstzuständigkeitenauch gegenüber den anderen in Anspruch zu neh-men. Ich halte es durchaus für zumutbar, ausDeutschland in die Niederlande verwiesen zu wer-den.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Siesind ein Meister der …)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Innenminister. Ich rufe auf die Mündli-che Anfrage des Abgeordneten Kuschel von derFraktion DIE LINKE in der Drucksache 5/1709.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident.

Ausbau der Straße „Pennickental“ in Jena-Wöllnitz

Die Landesregierung hat in Beantwortung der Klei-nen Anfrage 867 in der Drucksache 5/1681 daraufverwiesen, dass die Darstellung der Baumaßnahme„Pennickental“ in Jena-Wöllnitz im Finanzplan bzw.dem ihm zugrunde liegenden Investitionsplan nichterforderlich gewesen sei, weil es sich nach Mittei-lung des Landesverwaltungsamts bei der Baumaß-nahme „Pennickental“ in Jena-Wöllnitz um eine„überplanmäßige Sofortmaßnahme“ handele.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unter welchen Voraussetzungen kann eine Ge-meinde eine sogenannte „überplanmäßige Sofort-maßnahme“ im kommunalen Straßenausbau in An-griff nehmen bzw. realisieren und inwieweit liegendiese Voraussetzungen im nachgefragten Fall vor?

2. Wie wird begründet, dass es sich bei der nach-gefragten Maßnahme um eine „überplanmäßigeAusgabe“ handelt, findet sich die Maßnahme dochnicht im Haushaltsplan 2010 wieder und wäre somitals „außerplanmäßige Ausgabe“ anzusehen?

3. Inwieweit besteht hinsichtlich der nachgefragtenüberplanmäßigen Sofortmaßnahme die Notwendig-keit der Erstellung eines Nachtragshaushalts undwie wird das begründet?

4. In welcher Höhe hat die Stadt Jena für die nach-gefragte Straßenausbaumaßnahme Fördermittelbeim Land beantragt und wie ist der Bearbeitungs-stand dieser Beantragung?

Vizepräsident Gentzel:

Für die Landesregierung antwortet der Innenminis-ter Prof. Huber.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, dieMündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel be-antworte ich für die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Der Begriff „überplanmäßige Sofort-maßnahme“ ist kein terminus technicus des Thürin-ger Gemeindehaushaltsrechts. Die Gemeinde kannüber- oder außerplanmäßige Ausgaben tätigen,wenn die Voraussetzungen des § 58 der Kommu-nalordnung vorliegen. Danach sind Ausgaben zu-lässig, wenn sie unabweisbar sind und die Deckunggewährleistet ist. Die Entscheidung, inwieweit diegrundhafte Erneuerung der Straße „Pennickental“

3006 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

den Voraussetzungen des § 58 ThürKO entspricht,obliegt der Stadt Jena. Die Rechtsaufsicht prüft le-diglich, ob über die Unabweisbarkeit befunden wur-de und ob die Deckung der Ausgaben gewährleistetwar. Wie das Landesverwaltungsamt mitteilt, sinddiese Voraussetzungen nach den zur Verfügungstehenden Unterlagen erfüllt.

Zu Frage 2: Wurde die Maßnahme nicht im Haus-halt veranschlagt, so handelt es sich nicht um eineüberplanmäßige, sondern um eine außerplanmäßi-ge Ausgabe. Hinsichtlich der Zulässigkeitsvoraus-setzungen ergeben sich jedoch keine Unterschiedezwischen über- und außerplanmäßigen Ausgaben.

(Unruhe DIE LINKE)

Zu Frage 3: Es besteht kein rechtlicher Zusammen-hang zwischen der Zulässigkeit über- und außer-planmäßiger Ausgaben und der Erforderlichkeit ei-ner Nachtragshaushaltssatzung. Nach § 58 Abs. 3ThürKO bleibt § 60 Abs. 2 und damit die Erforder-lichkeit einer Nachtragshaushaltssatzung von derZulässigkeit über- bzw. außerplanmäßiger Ausga-ben unberührt. Die Erforderlichkeit einer Nachtrags-haushaltssatzung richtet sich danach, ob die Aus-gabe im Sinne von § 60 Abs. 3 Ziffer 1 erheblichwar. Die Stadt Jena hat in ihrer Hauptsatzung keineErheblichkeitsgrenze festgesetzt. Nach Rückspra-che des Landesverwaltungsamts mit dem Kämme-rer der Stadt Jena wird die Erheblichkeitsgrenze mit2 Prozent des Volumens des Vermögenshaushaltsje Maßnahme angesehen. Die 2 Prozent beziehensich auf den Eigenanteil einer Maßnahme. Die Aus-gaben für den Eigenanteil übersteigen diese Erheb-lichkeitsgrenze - 2 Prozent - nicht. Eine Nachtrags-haushaltssatzung war daher nicht erforderlich.

Zu Frage 4: Durch die Stadt Jena erfolgte für dieMaßnahme „Ausbau der Pennickenstraße“ in Jena-Wöllnitz keine Beantragung von Fördermitteln ge-mäß der Richtlinie des Freistaats zur Förderungdes kommunalen Straßenbaus und somit keineFörderung im Rahmen des kommunalen Straßen-baus.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine Nachfrage durch den Fragesteller.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Herr Minister. Es ist eigentlich schade, dassSie gehen. Können Sie noch einmal definieren,woran die oberste Rechtsaufsichtsbehörde, alsodas Innenministerium, das Kriterium „Unabweisbar-keit beim kommunalen Straßenausbau“ festmacht.Herr Präsident, mit Ihrer Genehmigung würde ichgleich die zweite Frage anschließen wollen als Fra-gesteller?

Vizepräsident Gentzel:

Nein, ich habe die Frau Lukin für die zweite Fragevorgesehen, die sich gemeldet hatte.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Ich bin der Fragesteller.

Vizepräsident Gentzel:

Sie sind Fragesteller. Dann stellen Sie die zweiteFrage.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Gut, dann stelle ich als Fragesteller die zweite Fra-ge. Wir erklären Sie, dass in der Thüringer Kommu-nalordnung steht, dass ein Nachtragshaushalt beiNeuinvestitionen in erheblichem Umfang erforder-lich ist ohne Differenzierung, Eigenanteil und Dritt-anteil, sondern nur Gesamtinvestition, Sie aber jetztvöllig überraschend und abweichend von 20 JahrenKommunalpraxis hier die These aufstellen, dasssich die Erheblichkeit nur noch auf den Eigenanteilder Gemeinde bezieht. Ich begrüße das.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Das Schutzgut ist doch letzten Endes das Budget-recht des Gemeinderats bzw. des Stadtrats. Derentscheidet über die Verausgabung der eigenenMittel und nicht über Fördermittel. Deswegenscheint es mir plausibel, so wie es die Rechtsauf-sichtsbehörde auch sieht, dass die Inansatzbrin-gung eigener Mittel, die letztlich unter das Budget-recht des Gemeinde- und Stadtrats fallen, maßgeb-licher Anknüpfungspunkt für die Erheblichkeitsgren-ze ist.

Zu der ersten Frage kann ich nichts sagen, weil ichüberhaupt nichts über Unabweisbarkeit ausgeführthabe.

Vizepräsident Gentzel:

Es gibt eine weitere Nachfrage durch die Abgeord-nete Lukin. Ja, freilich, diskutiert wird nicht. Es wirdeine Frage gestellt. Es gibt eine Antwort. Und dasist passiert.

Abgeordnete Dr. Lukin, DIE LINKE:

Sehr geehrter Herr Minister, ursprünglich war denAnliegern mitgeteilt worden, dass sich das Projektin zwei Teilabschnitte gliedert. Jetzt wird es auf ein-mal gemacht. Ergeben sich dadurch bei der Zah-lung der Gebühren andere Regelungen der Rück-zahlung anfallender Gebühren als eventuell ur-sprünglich den Bürgern gesagt und bedeutet dasfür sie einen Nachteil?

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3007

(Minister Prof. Dr. Huber)

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Frau Abgeordnete, das kann ich ohne Kenntnis derAktenlage nicht beantworten.

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Innenminister. Damit ist die letzteMündliche Anfrage gestellt und beantwortet.

Ich schließe den Tagesordnungspunkt und rufe aufden Tagesordnungspunkt 1

Thüringer Gesetz zur freiwilli-gen Neugliederung kreisange-höriger Gemeinden im Jahr2010Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 5/1089 -dazu: Beschlussempfehlung des

Innenausschusses- Drucksache 5/1585 -

ZWEITE BERATUNG

Zur Berichterstattung aus dem Innenausschuss hatzunächst das Wort die Frau Abgeordnete Holbe.

Abgeordnete Holbe, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen undHerren, sehr geehrte Gäste, ich möchte Ihnen dieBeschlussempfehlung des Innenausschusses fürdas Thüringer Gesetz zur freiwilligen Neugliede-rung kreisangehöriger Gemeinden im Jahr 2010 inDrucksache 5/1585 vortragen. Gegenstand des Ge-setzentwurfs ist die freiwillige Bildung größerer Ge-meinden infolge von Zusammenschlüssen bzw.Eingliederungen. Von den geplanten Neugliederun-gen sind folgende Kommunen betroffen: In § 1 Ge-meinden Bischofferode, Großbodungen und Neu-stadt im Landkreis Eichsfeld; in § 2 die StadtGroßenehrich und die Verwaltungsgemeinschaft„Greußen“ im Kyffhäuserkreis; in § 3 die Gemein-den Auleben, Görsbach, Hamma, Stadt Heringen/Helme, Urbach, Uthleben, Windehausen und dieVerwaltungsgemeinschaft „Goldene Aue“ im Land-kreis Nordhausen; § 4 die Stadt Meiningen und dieGemeinde Herpf im Landkreis Schmalkalden-Mei-ningen; § 5 die Stadt Neustadt an der Orla und Ge-meinde Breitenhain; § 6 die Gemeinde Dittersdorfund Dragensdorf im Saale-Orla-Kreis.

In Drucksache 5/1089 wurde am 6. Juni 2010 derGesetzentwurf der Landesregierung eingebracht.Die Plenarsitzung fand am 15. Juni 2010 statt unddieser Antrag wurde an den Innenausschuss über-wiesen. Am 18. Juni 2010 wurde dieser in nicht öf-fentlicher Sitzung im Innenausschuss beraten undeine schriftliche Anhörung beschlossen. Den vonden Neugliederungsmaßnahmen betroffenen Ge-bietskörperschaften und den Einwohnern der Ge-

meinden hat der Innenausschuss Gelegenheit ge-geben, sich im Rahmen der schriftlichen Anhörungzu äußern. 20 Stellungnahmen sind daraufhin zuden §§ 1 bis 4 eingegangen. Zu den §§ 5 bis 6 wur-den keine Stellungnahmen abgegeben. Der Innen-ausschuss beriet über den Gesetzentwurf in derSitzung am 1. Oktober 2010, wobei die Be-schlussempfehlung ausgesprochen wurde. Dem-nach erhielt § 9 Abs. 1 Satz 2 eine Neufassung, dieIhnen in Drucksache 5/1585 vorliegt.

Der Innenausschuss des Thüringer Landtags emp-fiehlt dem Parlament mit Drucksache 5/1585 dieAnnahme des Gesetzentwurfs zur freiwilligen Neu-gliederung der kreisangehörigen Gemeinden imJahr 2010, wie ich Ihnen vorgetragen habe. Dankeschön.

(Beifall CDU)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Frau Abgeordnete, für die Berichterstattungaus dem Ausschuss. Ich eröffne die Aussprache.Das Wort hat zunächst Abgeordneter Fiedler vonder Fraktion der CDU.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ichmöchte alle recht herzlich begrüßen. Ich freue michganz besonders, dass der Bürgermeister Steineckevon Großbodungen da ist, Bürgermeister Kirchnervon Neustadt und Bürgermeister Göllert vonGroßenehrich,

(Beifall im Hause)

dass Ihr euch aufgemacht habt, heute hierherzu-kommen. Herzlich willkommen. Das sind wir sonstnicht gewohnt, dass uns zu später Stunde so auf-merksam gefolgt wird. Vielen Dank, dass Sie anwe-send sind. Es geht um das Gesetz zur freiwilligenNeugliederung kreisangehöriger Gemeinden. MeineKollegin hat das gerade alles vorgetragen, deswe-gen kann ich es einkürzen. Da das alles freiwilligeEntschlüsse oder Beschlüsse sind, die uns vorge-legt wurden, haben wir auf eine mündliche Anhö-rung verzichtet und haben eine schriftliche Anhö-rung durchgeführt. Dort ist alles auch entsprechendbeantwortet worden.

Wir können dem Gesetzentwurf zustimmen mit ei-ner Ergänzung: § 9 Abs. 1 Satz 2 erhält folgendeFassung, nur dass es noch einmal aktenkundig ist:„Ein neues einheitliches Ortsrecht ist in der nach§ 1 neu gebildeten Gemeinde spätestens bis zumEnde des auf das Inkrafttreten dieses Gesetzes fol-genden Jahres zu schaffen, in der nach § 3 neu ge-bildeten Gemeinde bis zum 31. Dezember 2012.“Ich kann zumindest sagen, so steht es im Gesetzund das Geld ist auch vorhanden, was aus den vor-handenen Mitteln gezahlt wird. Sie haben es zumin-

3008 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

dest besser, als das, was im neuen Haushalt steht.Da steht nämlich nichts mehr drin. Wir werden unsdafür noch einsetzen, dass wir dort vielleicht für einJahr noch einmal Geld requirieren, damit man nochetwas machen kann, weil dieser Abbruch etwasplötzlich war.

(Beifall DIE LINKE)

Zurück zu dem Ganzen: Was wir nicht mehr klärenkonnten, war Niederspier. Niederspier hat erst sehrspät seine Beschlüsse gefasst und wir konnten Nie-derspier nicht mehr in diesen Gesetzentwurf auf-nehmen. Das muss im Nachgang dann entspre-chend über das Innenministerium geklärt werden.

Ich gratuliere den Gemeinden, die diese Schrittegegangen sind, damit wir weitere Zusam-menschlüsse hier hinbekommen. Ich wünsche dazualles Gute.

(Beifall CDU)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Als Nächster hat dasWort der Abgeordnete Frank Kuschel von der Frak-tion DIE LINKE.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, unsere Fraktion stimmt diesem Gesetzent-wurf zu, da er auf der Basis der Freiwilligkeit vonden beteiligten Gemeinden so vereinbart wurde.Wir haben keine Probleme damit. Ich persönlich binHerrn Wolfgang Fiedler außerordentlich dankbar,dass er hier gleich das Problem angesprochen hat,dass der Innenminister und die Landesregierungbeabsichtigen, die sogenannte Fusionsprämie überNacht entfallen zu lassen. Ich darf daran erinnern,dass wir als Gesetzgeber erst im Finanzausgleichs-gesetz 2010 diese Regelung für die Zahlung derFusionsprämie entfristet haben und damit denKommunen das Signal gegeben haben, dass esnatürlich über das Jahr 2010 hinausgeht, sonst hät-te eine Entfristung keinen Sinn gemacht. Jetzt ganzüberraschend und eigentlich auch ohne sachlicheBegründung wird dies infrage gestellt. Wir stimmenHerrn Fiedler zu, das können wir im Zusammen-hang morgen mit dem Finanzausgleichsgesetz undauch mit dem Haushalt weiterdiskutieren. Ich habesehr aufmerksam zur Kenntnis genommen, dassHerr Fiedler sicherlich im Namen seiner Fraktionangekündigt hat, sich hier um eine Lösung zu be-mühen. Da stehen wir zur Verfügung. Für uns ist esunerheblich, ob das innerhalb oder außerhalb desFinanzausgleichs erfolgt, für uns ist nur wichtig,dass es auch künftig eine solche Fusionsprämiegeben wird.

Herr Fiedler, einen letzten Hinweis: Das ProblemNiederspier hätten wir lösen können, wenn wir uns

für das Instrument der mündlichen Anhörung ent-schieden hätten.

(Beifall DIE LINKE)

Hier wird eben deutlich, dass eine schriftliche Anhö-rung einen Dialog zwischen den Beteiligten und unssehr erschwert, wir rechtzeitig als Gesetzgeber dar-auf reagieren und auch dieses Problem abschlie-ßend lösen können. Jetzt müssen wir so eine De-tailfrage möglicherweise in einem künftigen Gesetz-gebungsverfahren lösen. Danke.

(Beifall DIE LINKE)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Für die SPD-Fraktionhat jetzt das Wort der Abgeordnete Hey.

Abgeordneter Hey, SPD:

Herr Präsident, vielen Dank. Meine sehr geehrtenDamen und Herren, eigentlich tut es mir ja schonein wenig leid, wenn ich an Dragensdorf denke.Wenn man nämlich mal die Liste der kleinsten Thü-ringer Kommunen aufruft, das gibt es wirklich, wennSie bei Google Thüringen eingeben, eine richtigeÜbersicht, was die kleinsten Kommunen sind, dannsteht Dragensdorf mit 70 Einwohnern ganz vorn -70 Einwohner. Wenn der Landtag heute mehrheit-lich dem Gesetzentwurf zustimmen sollte,

(Zwischenruf Abgeordneter Kuschel, DIELINKE: Gerstungen hat 62.)

wird Dragensdorf nach Dittersdorf eingegliedert. Ichhabe ja nicht gesagt an erster Stelle, Herr Kuschel,ich habe gesagt ganz vorn. Das ist nur ein Bestand-teil von mehreren Neugliederungen, die dieses Ge-setz regeln, und wir begrüßen diese Form der Ge-meindeneugliederung ausdrücklich. Von den betref-fenden Gemeinden und Städten liegen - wie wir ge-hört haben - übereinstimmende Beschlüsse zurSchaffung dieser neuen Strukturen vor. Zu diesemGesetzentwurf ist damit eigentlich alles gesagt, wo-bei ein paar grundsätzliche Fragen selbstverständ-lich weiterhin im Raum stehen. Bei dieser Diskussi-on um Neugliederungen wird mit Sicherheit auchauf die Frage verwiesen - und das haben wir ja jetztin der Debatte schon erlebt -, wie es mit der Weiter-gewährung der finanziellen Anreize steht. Es istauch für uns bedauerlich, dass diese Anreize in ab-sehbarer Zeit auslaufen sollen. Wobei ich hier anfü-gen will, dass diese Form der - ich sage es mal sa-lopp - Hochzeitsprämie nicht ewig gewährt werdenkann. Das musste allen Beteiligten klar sein. HerrKuschel, Sie haben kolportiert, es würde jeglichesachliche Begründung fehlen. Im Zuge der Einspa-rung, die in den jeweiligen Ressorts bei Erstellungdes Haushaltsplans für 2011 vorgenommen werdenmussten, hat man schließlich auf diesen finanziel-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3009

(Abg. Fiedler)

len Anreiz verzichtet und das ist schon ein sachli-cher Grund.

Ich danke Herrn Fiedler auch ausdrücklich, dass ernoch einmal in Aussicht gestellt hat, dass man hierin dieser Situation noch etwas Bewegung hinein be-kommt. Was aber zusätzlich bleibt bei dieser Dis-kussion um veränderte Strukturen der Kommunenin Thüringen ist vielerorts eine spürbare Verunsi-cherung, die in Einzelgesprächen mit den Verant-wortlichen vor Ort geschildert werden, also mit Bür-germeistern oder Gemeinderäten. So sehr wir auchdiesen Gesetzentwurf begrüßen und ihm zustim-men werden, so sehr stellen sich diesen Leuten im-mer wieder Fragen wie: Was wäre in unserem Falldenn das Beste? Die Verwaltungsgemeinschaftauflösen, eine neue gründen oder den Weg zur Ein-heitsgemeinde nehmen oder lieber auf das Angebotder großen kreisangehörigen Stadt zur Eingliede-rung eingehen? Und das sind allesamt Fragen,meine Damen und Herren, auf die es keine pau-schalen Antworten gibt, weil im Einzelfall ja immergesondert entschieden werden muss. Aber deutlichwird vor allem eines, die Entscheidungsträger be-schäftigt vorrangig, was will eigentlich das Land beider Frage der gemeindlichen Strukturen, was er-wartet es von uns und wo soll es hingehen. Die De-batten hierzu im Parlament sind oftmals für die Ge-meinde- und Stadträte im Land verwirrend. Dasliegt sicher daran, dass es so viele unterschiedlicheMeinungen und Sichtweisen gibt zu diesem Thema.Ich will ausdrücklich betonen, dass ich diesen Um-stand nicht beklage, weil ja auch meine Fraktion et-was zur Vielschichtigkeit dieses Meinungsspek-trums beiträgt. Das hilft aber in den von mir ge-nannten Einzelfällen nicht unbedingt weiter. Ichglaube, dass viele Kommunen so etwas wie einenLeitfaden, eine politische Richtschnur zur Hand-lungsweise erwarten, wenn es um die Frage geht,inwieweit wir an den jetzt bestehenden Strukturenfesthalten oder inwieweit wir da eingreifen wollen.Das möchte ich hier schon feststellen an dieserStelle. Ich will keinen weiteren Ausflug ins Geländeder Gemeinde- und Gebietsreform machen. Dawerden wir noch lebendige Debatten hier im Hauserleben, da bin ich mir sicher.

Wir wissen, dass in naher Zukunft ein Gutachten zudiesem Thema in Auftrag gegeben wird. Das wirddann erstellt und ausgewertet und wir ziehen hof-fentlich die entsprechenden Schlüsse aus einemErgebnis, dem ich jetzt nicht vorgreifen will undkann. Aber ich denke, dass mit Sicherheit ein Re-sultat dieses Gutachtens sein könnte, bei denbestehenden Strukturen im Freistaat Veränderun-gen vorzunehmen. Deshalb will ich zurückkommenganz konkret auf diesen Gesetzentwurf der Landes-regierung und in dem - Sie können es ja noch ein-mal nachlesen - haben sich die betreffenden Kom-munen bereits entschieden. Das ist gut so und wirbegrüßen das, geben noch einmal herzliche Grüße

nach Dragensdorf, wo man bald nicht mehr mit zuden kleinsten Kommunen des Freistaats gehört,und werben bei allen Fraktionen hier auch um Zu-stimmung zu dieser Vorlage. Ich danke Ihnen.

(Beifall SPD)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Das Wort hat jetzt derAbgeordnete Bergner von der Fraktion FDP.

Abgeordneter Bergner, FDP:

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr geehrtenDamen und Herren, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, liebe Gäste! Zum Gesetz zur freiwilligen Neu-gliederung für die im Gesetz genannten Städte undGemeinden liegen übereinstimmende Beschlüssezur Neugliederung vor. Damit soll den Anträgen derbeteiligten Gemeinden nachgekommen werden. Ei-ne freiwillige Neugliederung, meine Damen undHerren, ist im Einklang mit den Positionen, die wirimmer hier in diesem Hause vertreten haben, undauch deswegen haben wir im Innenausschuss be-reits zugestimmt.

Jetzt komme ich zu dem kleinen Problem, über dasmeine Vorredner bereits gesprochen haben. In § 2des Gesetzentwurfs soll die EinheitsgemeindeGroßenehrich einschließlich des Ortsteils Nieder-spier der Verwaltungsgemeinschaft Greußen ange-gliedert werden. Und Niederspier hat als Ortsteil inder Stellungnahme zum Gesetzentwurf darauf hin-gewiesen, dass durch Niederspier eine Angliede-rung an Sondershausen angestrebt wird. Ein An-trag oder ein entsprechender Beschluss lagen sei-nerzeit nicht vor und andere Bedenken gegen dieNeugliederung bestanden nicht. Seit dem28.10.2010 haben wir aber einen neuen Sachstand.Die Einheitsgemeinde Großenehrich hat am28. Oktober 2010 einen Stadtratsbeschluss gefasst,wonach zugestimmt wird, dass Niederspier alsOrtsteil aus der gemeindlichen Zugehörigkeit zurStadt Sondershausen wechseln könnte. Deswegen,meine Damen und Herren, möchte ich an dieserStelle anregen, ob wir verfahrensmäßig nicht eineneinfacheren und schnelleren Weg, als er bislanghier vorgeschlagen worden ist, wählen können. Ichstelle den Antrag auf eine erneute Ausschussüber-weisung nach § 59 der Geschäftsordnung an denInnenausschuss.

(Heiterkeit im Hause)

Das Bestreben des Ortsteils Niederspier wäre zwar,wie Kollege Fiedler auch gesagt hat, zu einem spä-teren Zeitpunkt nachträglich mit einer Gebietsände-rung zu regeln, aber, ich denke, das würde unnöti-gen Bürokratieaufwand bedeuten und mit unseremAntrag könnten wir es im nächsten Plenum wiederauf der Tagesordnung haben. Wir wären zwar mitetwas Verzug für die anderen beteiligten Gemein-

3010 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Abg. Hey)

den dabei, insgesamt wäre es die einfachere undschnellere Lösung. Ich bedanke mich für Ihre Auf-merksamkeit.

(Beifall FDP)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter. Ihren Antrag haben wirzur Kenntnis genommen. Ich erteile jetzt das Wortdem Abgeordneten Carsten Meyer von der FraktionBÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Abgeordneter Meyer, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren. Wir folgen den Aufrufen unserer Vorrednerbis auf den der FDP gerne und stimmen natürlichauch zu, und zwar heute, es muss nicht noch ein-mal extra getagt werden,

(Beifall CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

ohne dass ich jetzt die konkreten Sachverhalte indieser konkreten Gemeinde kenne. Wir stimmendeshalb zu, weil es erstens freiwillig ist und Freiwil-ligkeit ist ein hohes Gut wenn es darum geht, lei-stungsfähigere Strukturen zu schaffen. Und da sindwir uns, glaube ich, alle einig, dass 70 Einwohnerheutzutage Schwierigkeiten damit haben, dieSelbstverwaltung zu garantieren, die diese 70 Ein-wohner brauchen, auch wenn es noch so schönund lokalkoloritmäßig ist, wenn man zu den fünfoder zehn kleinsten Gemeinden Thüringens gehört.Insofern von unserer Seite auch Zustimmung.

Ich will dabei noch zwei Bemerkungen machen.Das erste ist das Thema finanzielle Anreize für die-se „Freiwilligkeit“. Freiwilligkeit gekoppelt mit Finan-zanreiz hat immer ein bisschen so ein Geschmäck-le. Wir werden morgen oder vielleicht übermorgennoch einmal zu dem Thema kommen, wie teuerdenn eine Rückkreisung sein soll. Da bin ich garnicht der Auffassung der LINKEN, dass das Landnoch einmal in dreistellige Millionenbeträge gehenmuss, um eine vernünftige Kreisgebietsreform hin-zubekommen. Das werden wir uns kaum leistenkönnen. Das sollten wir auch nicht versprechen.Das nur mal so zur Debatte für morgen.

Eine Bemerkung noch, ich habe bei der Liste derGemeinden, die hier zur Debatte stehen, gemerkt,dass die ganz kleinen Gemeinden bei dem Thema,wir schließen uns einer großen Gemeinde oder ei-ner großen Kreisstadt an, nur diese eine Variantegesehen haben. Die gemeindlichen Zusam-menschlüsse, um die es heute geht, sind Zusam-menschlüsse von Gemeinden oder ehemaligen Ge-meindeverbänden, die recht groß sind. Es fehlt voll-ständig das, was auch versucht wird landauf, land-ab, nämlich 5, 10 oder 15 Gemeinden, die klein

sind, die nur 200, 300, 400 Einwohner haben, zu ei-ner freiwilligen Zusammenschlussvariante zu be-kommen. Das leuchtet auch ein. Man braucht ganzviele Gemeinderäte zu diesem Problem. Ich weißes gerade aus dem Weimarer Land im nördlichenBereich. Auch wenn ich von der RegierungsbankStimmen höre, die das bezweifeln, im nördlichenKreis Weimarer Land ist genau das Problem gewe-sen, dass 12 Gemeinderäte sich nicht einigenkonnten, zwei wollten nicht mitmachen. Das istschade. An dem Punkt ist das Thema Freiwilligkeitdann vielleicht irgendwann doch mal vorbei, weil200, 300, 400 Einwohner große Gebietskörper-schaften selbständig in Zukunft wahrscheinlich kei-ne Zukunft mehr haben werden, vermute ich malganz stark.

(Beifall DIE LINKE)

Insofern stimmen wir zu. Vielen Dank.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Vizepräsident Gentzel:

Liebe Kolleginnen und Kollegen, aus der Mitte desHauses liegen mir keine weiteren Wortmeldungenvor. Der Herr Innminister hat selbstverständlichnoch einmal um das Wort gebeten.

Prof. Dr. Huber, Innenminister:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, verehrteBürgermeister, liebe Abgeordnete, ich hoffe, Sie fol-gen dem Antrag des Abgeordneten Bergner nicht.Er hätte nämlich zur Konsequenz, dass Ihnen dieFusionsprämie verloren ginge,

(Beifall SPD)

und damit hätten Sie mit Zitronen gehandelt. Denndas Neugliederungsgesetz muss bis zum 1. De-zember in Kraft getreten sein, damit diese Zuwen-dung aus § 36 des Thüringer Finanzausgleichsge-setzes fließen kann.

Auch eine mündliche Anhörung, Herr Kuschel, hät-te nicht mehr gebracht als die schriftliche, weil zumkonkreten Zeitpunkt weder von Großenehrich nochvon Sondershausen entsprechende Beschlüsse,überhaupt eine entsprechende Willensbildung vor-gelegen hat.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: AberHinweise hätten wir bekommen.)

Das Bestreben des Ortsteils Niederspier kann aberzu einem späteren Zeitpunkt ohne große Bürokratiemit einer Gebietsänderung nach § 9 Abs. 2 derThüringer Kommunalordnung geregelt werden,wenn die beteiligten Gemeinden mit Genehmigungder Rechtsaufsichtsbehörde einen entsprechendenGebietswechsel vereinbaren. Damit ist, glaube ich,alles gesagt. Zur Verlängerung des Ortsrechts ha-ben meine Vorredner schon Ausführungen ge-

Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010 3011

(Abg. Bergner)

macht. Ich bitte Sie, dem Gesetzentwurf der Lan-desregierung zuzustimmen.

(Beifall CDU, SPD)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Innenminister. Meine Damen und Her-ren, weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor,deshalb schließe ich die Debatte.

Es liegt zunächst ein Antrag auf erneute Überwei-sung an den Innenausschuss vor. Den Antrag hatgestellt die Fraktion der FDP. Ich stelle die Frage:Wer im Haus stimmt dieser erneuten Ausschuss-überweisung zu, den bitte ich jetzt um sein Hand-zeichen. Das sind die Stimmen der FDP. Werstimmt dagegen? Das sind die Stimmen der Frak-tionen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNENund DIE LINKE. Gibt es Stimmenthaltungen? 1Stimmenthaltung. Damit wird es keine erneuteÜberweisung und Befassung des Innenausschus-ses geben.

Wir stimmen dann zunächst über die Be-schlussempfehlung des Innenausschusses in derDrucksache 5/1585 ab. Wer der Beschlussempfeh-lung seine Zustimmung gibt, den bitte ich jetzt umdas Handzeichen. Das sind die Stimmen von denFraktionen DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN, SPD und CDU. Danke. Gegenstimmen?Stimmenthaltungen? Bei Stimmenthaltungen auf-seiten der Fraktion der FDP ist die Beschlussemp-fehlung so angenommen.

Wir stimmen jetzt über den Gesetzentwurf der Lan-desregierung in der Drucksache 5/1089 in zweiterBeratung ab, natürlich unter Berücksichtigung derAbstimmung, die wir eben getätigt haben. Ich frageSie: Möchten Sie dem Gesetzentwurf der Landes-regierung in der genannten Drucksache zustimmen,dann bitte ich Sie jetzt um Ihr Handzeichen. Dassind die Stimmen von CDU, SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN und DIE LINKE. Wer stimmt dage-gen? Ohne Gegenstimmen. Stimmenthaltungen?Stimmenthaltungen aufseiten der Fraktion der FDP.Damit ist dieser Gesetzentwurf angenommen.

Wir kommen jetzt zur Schlussabstimmung über denGesetzentwurf, wobei ich Sie jeweils bitten möchte,sich dementsprechend von den Plätzen zu erhe-ben. Wer dem Gesetzentwurf in der Schlussabstim-mung zustimmt, den bitte ich jetzt, sich von denPlätzen zu erheben. Zustimmung mit den Stimmender CDU, der SPD, von BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN und DIE LINKE. Wer stimmt dagegen? Das istnicht der Fall. Wer enthält sich der Stimme? DieFraktion der FDP. Damit ist der Gesetzentwurf in

der Schlussabstimmung angenommen. Ich be-glückwünsche die entsprechenden Gemeinden.

Meine Damen und Herren, ich schließe den Tages-ordnungspunkt, aber noch nicht die Sitzung. Wirhaben bei der Feststellung der Tagsordnung fest-gestellt, dass es den Wunsch des AbgeordnetenFiedler auf eine persönliche Erklärung gibt. HerrAbgeordneter Fiedler, Sie haben das Wort.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, liebe Kolleginnen und Kollegen, es istschon spät, aber ich denke - und ich habe die FrauPräsidentin gebeten -, dass ich eine kurze Erklä-rung abgeben kann. Ich danke der Frau Präsiden-tin, dass wir „20 Jahre Thüringer Parlament“ in Wei-mar ordnungsgemäß und im würdigen Rahmen fei-ern konnten, gleichzeitig den Tag der Verfassung.

(Beifall CDU)

Ich freue mich auch, dass wir in der Herderkircheentsprechend dort diese Dinge, wie es damals war,auch wieder als ökumenischen Gottesdienst durch-geführt haben; die Bischöfe waren da. Aber wasmich sehr geschmerzt hat und wo ich alle Kollegeneindringlich bitte, das in Zukunft zu überdenken:Wenn das Parlament - wir wollen überall mitredenund zu Recht, denn wir sind die vom Volk gewähl-ten Vertreter - bei seiner eigenen Feier in der Her-derkirche - ich will mich nicht festlegen - durch ca.12 Abgeordnete vertreten war, da kann man nochsagen, da muss man nicht hingehen. Aber im Thea-ter waren dann ca. 20 Abgeordnete, meine Damenund Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen. Ich willdas Wort nicht mit dem „S“ nehmen, ich will nur ein-fach dringlichst appellieren, wenn wir uns selbernoch ernst nehmen, dann müssen wir solche Dingeauch wahrnehmen. Das ist meine herzliche Bitte analle.

(Beifall im Hause)

Vizepräsident Gentzel:

Danke, Herr Abgeordneter Fiedler. Ich schließe dieTagesordnung. Wir sehen uns in alter Frische zu ei-ner etwas längeren Sitzung morgen um 9.00 Uhrwieder.

Ende: 19.20 Uhr

3012 Thüringer Landtag - 5. Wahlperiode - 35. Sitzung - 10.11.2010

(Minister Prof. Dr. Huber)