111
Thüringer Landtag 6. Wahlperiode Plenarprotokoll 6/113 21.03.2018 113. Sitzung Mittwoch, den 21.03.2018 Erfurt, Plenarsaal Siebtes Gesetz zur Änderung des Thüringer Blindengeldge- setzes 9693, Gesetzentwurf der Landesregie- rung - Drucksache 6/4802 - dazu: Beschlussempfehlung des Ausschusses für Soziales, Arbeit und Gesundheit - Drucksache 6/5439 - dazu: Nachteilsausgleich und Barrierefreiheit für Men- schen mit Sinnesbehinde- rungen in Thüringen Entschließungsantrag der Fraktion der CDU - Drucksache 6/5460 - ZWEITE BERATUNG Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG und in der Schlussabstimmung jeweils angenommen. Der Entschließungsantrag wird in namentlicher Abstimmung (Anla- ge 1) bei 81 abgegebenen Stimmen mit 37 Jastimmen und 44 Nein- stimmen abgelehnt. Meißner, CDU 9694, 9694, 9709, 9710,

Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

  • Upload
    others

  • View
    3

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Thüringer Landtag6. Wahlperiode

Plenarprotokoll 6/11321.03.2018

113. Sitzung

Mittwoch, den 21.03.2018

Erfurt, Plenarsaal

Siebtes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Blindengeldge-setzes

9693,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/4802 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Soziales,Arbeit und Gesundheit- Drucksache 6/5439 -

dazu: Nachteilsausgleich undBarrierefreiheit für Men-schen mit Sinnesbehinde-rungen in ThüringenEntschließungsantrag derFraktion der CDU- Drucksache 6/5460 -

ZWEITE BERATUNG

Die Beschlussempfehlung wird angenommen.

Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG und in derSchlussabstimmung jeweils angenommen.

Der Entschließungsantrag wird in namentlicher Abstimmung (Anla-ge 1) bei 81 abgegebenen Stimmen mit 37 Jastimmen und 44 Nein-stimmen abgelehnt.

Meißner, CDU 9694, 9694,9709, 9710,

Page 2: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Stange, DIE LINKE 9695, 9696,9705,

Zippel, CDU 9697, 9704,Pfefferlein, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9699,Herold, AfD 9701,Pelke, SPD 9702, 9706,Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 9707, 9709,

9709,Emde, CDU 9711,

Thüringer Gesetz zur Aufhe-bung von Maßnahmen der ge-schlechterpolitischen Sprach-manipulation im Bereich deröffentlichen Verwaltung

9711,

Gesetzentwurf der Fraktion derAfD- Drucksache 6/4916 -ZWEITE BERATUNG

Der Gesetzentwurf wird in ZWEITER BERATUNG abgelehnt.

Herold, AfD 9711,Worm, CDU 9714,Stange, DIE LINKE 9714,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9716, 9716,

9716,

a) Gesetz über die Regulie-rungskammer des FreistaatsThüringen

9718,

Gesetzentwurf der FraktionenDIE LINKE, der SPD und BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN- Drucksache 6/4816 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Umwelt,Energie und Naturschutz- Drucksache 6/5440 -

ZWEITE BERATUNG

Die Beschlussempfehlung wird angenommen. Der Gesetzentwurfwird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlussempfehlungin ZWEITER BERATUNG und in der Schlussabstimmung jeweils an-genommen.

Skibbe, DIE LINKE 9718,Gruhner, CDU 9718,Harzer, DIE LINKE 9719, 9725,Mühlbauer, SPD 9720, 9724,Kießling, AfD 9721,Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9722,Möller, AfD 9723, 9725,Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 9726,

9686 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 3: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisseder Richter und Staatsanwälteim Landesdienst sowie zur An-passung besoldungs- und ver-sorgungsrechtlicher Vorschrif-ten

9728,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/5376 -ERSTE BERATUNG

Der Gesetzentwurf wird an den Ausschuss für Migration, Justiz undVerbraucherschutz überwiesen.

Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 9728,Scherer, CDU 9731,Blechschmidt, DIE LINKE 9733,Helmerich, SPD 9734,Möller, AfD 9735,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9737,

Fragestunde 9739,

a) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Meißner (CDU)Geplante Richtlinie zur Förderung der sozialen Beratung und Betreuung von aner-kannten Flüchtlingen in Thüringen- Drucksache 6/5386 -

9739,

wird von Minister Lauinger beantwortet. Zusatzfrage.

Meißner, CDU 9739, 9740,Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Verbraucherschutz 9739, 9740,

b) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Rothe-Beinlich (BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)Ökumenische Bahnhofsmission Erfurt e. V. weiter ohne Räume am ICE-Knoten Er-furt- Drucksache 6/5387 -

9740,

wird von Staatssekretär Dr. Sühl beantwortet. Zusatzfragen.

Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9740, 9741,Dr. Sühl, Staatssekretär 9740, 9741,

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Zippel (CDU)Straffreie Abtreibung bis zum neunten Schwangerschaftsmonat?- Drucksache 6/5393 -

9741,

wird von Ministerin Werner beantwortet. Zusatzfragen.

Zippel, CDU 9741, 9742,Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 9741, 9743,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9687

Page 4: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Walk (CDU)Versammlung am 12. Februar 2018 in Eisenach- Drucksache 6/5394 -

9743,

wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretär Götzesagt dem Fragesteller Abgeordneten Walk die schriftliche Beantwortung seiner Zu-satzfragen zu.

Walk, CDU 9743, 9744,9744,

Götze, Staatssekretär 9743, 9744,9744,

e) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Holbe (CDU)Beachtung der geltenden Thüringer Kommunalordnung bei Gemeindeneugliederun-gen- Drucksache 6/5407 -

9744,

wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretär Götzesagt der Fragestellerin Abgeordneten Holbe die schriftliche Beantwortung ihrer Zu-satzfrage zu.

Holbe, CDU 9744, 9745,Götze, Staatssekretär 9744, 9745,

9745,Kuschel, DIE LINKE 9745,

f) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Herold (AfD)Winterversorgung von Obdachlosen in Thüringen- Drucksache 6/5412 -

9745,

wird von Ministerin Werner beantwortet. Zusatzfrage.

Kießling, AfD 9745, 9746,Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 9746, 9746,

g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kießling (AfD)Winterversorgung von Obdachlosen in Thüringen- Drucksache 6/5413 -

9746,

wird von Ministerin Werner beantwortet.

Kießling, AfD 9746, 9747,Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familie 9747,

h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Harzer (DIE LINKE)Rechts- und Eigentumsformen von Sparkassen in Thüringen- Drucksache 6/5417 -

9747,

wird von Ministerin Taubert beantwortet. Zusatzfrage.

Harzer, DIE LINKE 9747,Taubert, Finanzministerin 9748, 9749,Kuschel, DIE LINKE 9748,

9688 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 5: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Kuschel (DIE LINKE)Verstoß gegen § 23 Abs. 4 Thüringer Kommunalordnung in der Gemeinde Bad Lie-benstein (Wartburgkreis)?- Drucksache 6/5418 -

9749,

wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen.

Kuschel, DIE LINKE 9749, 9749,Götze, Staatssekretär 9749, 9750,

j) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Rudy (AfD)Nutzung der Räumlichkeiten der Thüringer Landesvertretung beim Bund- Drucksache 6/5420 -

9750,

wird von Minister Prof. Dr. Hoff beantwortet.

Rudy, AfD 9750,Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef der

Staatskanzlei 9750,

k) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten König-Preuss (DIE LINKE)Durchsuchungsmaßnahmen gegen die „Europäische Aktion“ in Thüringen- Drucksache 6/5421 -

9751,

wird von Staatssekretär Götze beantwortet. Zusatzfragen. Staatssekretär Götzesagt der Fragestellerin Abgeordneten König-Preuss die schriftliche Beantwortungihrer zweiten Zusatzfrage zu.

König-Preuss, DIE LINKE 9751, 9752,Götze, Staatssekretär 9751, 9752,

Gesetz zur Änderung des Thü-ringer Gesetzes über die Auf-gaben und Befugnisse derOrdnungsbehörden – Einfüh-rung effektiver Alkoholverbotezur Gefahrenvorsorge

9752,

Gesetzentwurf der Fraktion derAfD- Drucksache 6/5395 -ERSTE BERATUNG

Die beantragte Überweisung des Gesetzentwurfs an den Innen- undKommunalausschuss wird abgelehnt.

Möller, AfD 9752, 9759,9762,

Fiedler, CDU 9753,Dittes, DIE LINKE 9755,Dr. Hartung, SPD 9757, 9763,Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9762, 9762,

9762,Götze, Staatssekretär 9764,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9689

Page 6: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Thüringer Gesetz zu demStaatsvertrag zur Änderungdes Staatsvertrages über denMitteldeutschen Rundfunk zumZwecke der Umsetzung derVerordnung (EU) 2016/679 desEuropäischen Parlaments unddes Rates vom 27. April 2016zum Schutz natürlicher Perso-nen bei der Verarbeitung per-sonenbezogener Daten, zumfreien Datenverkehr und zurAufhebung der Richtlinie 95/46/EG

9766,

Gesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/5414 -ERSTE BERATUNG

Die ERSTE BERATUNG findet statt.

Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- und Europaangelegenheiten und Chef derStaatskanzlei 9766, 9767,

9770,Wucherpfennig, CDU 9768,Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9768,Höcke, AfD 9769, 9771,Blechschmidt, DIE LINKE 9770,Dr. Pidde, SPD 9772,

Ausbreitung des Wolfes inThüringen – Gefahren für Be-völkerung und Nutztiere ab-wenden, den Wolf in das Jagd-recht überführen

9773,

Antrag der Fraktion der AfD- Drucksache 6/5388 -

Die beantragten Überweisungen an den Ausschuss für Umwelt,Energie und Naturschutz und an den Ausschuss für Infrastruktur,Landwirtschaft und Forsten werden jeweils abgelehnt.

Der Antrag wird abgelehnt.

Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9773, 9776,Becker, SPD 9774,Malsch, CDU 9775, 9776,

9776,Rudy, AfD 9776,Kummer, DIE LINKE 9778,Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energie und Naturschutz 9779,

Die Aushöhlung des Rechts-staats stoppen – keine Privile-gien für die Etablierung rechts-freier Räume in den Kirchen

9781,

Antrag der Fraktion der AfD- Drucksache 6/5389 -

9690 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 7: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Der Antrag wird in namentlicher Abstimmung bei 76 abgegebenenStimmen mit 8 Jastimmen und 68 Neinstimmen abgelehnt (Anlage2).

Möller, AfD 9781, 9791,Helmerich, SPD 9782,Berninger, DIE LINKE 9782,Herold, AfD 9785, 9787,

9787,Herrgott, CDU 9787, 9788,Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN 9787,von Ammon, Staatssekretär 9790,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9691

Page 8: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Anwesenheit der Abgeordneten:

Fraktion der CDU:

Bühl, Carius, Emde, Fiedler, Floßmann, Geibert, Grob, Gruhner, Herrgott,Heym, Holbe, Holzapfel, Kellner, Kowalleck, Lieberknecht, Liebetrau,Malsch, Meißner, Mohring, Rosin, Scherer, Schulze, Tasch, Thamm,Tischner, Prof. Dr. Voigt, Walk, Walsmann, Wirkner, Worm, Wucherpfennig,Zippel

Fraktion DIE LINKE:

Berninger, Blechschmidt, Dittes, Engel, Hande, Harzer, Hausold,Hennig-Wellsow, Huster, Jung, Kalich, König-Preuss, Korschewsky, Kräuter,Kubitzki, Kummer, Kuschel, Leukefeld, Lukasch, Dr. Lukin, Mitteldorf, Müller,Schaft, Dr. Scheringer-Wright, Skibbe, Stange, Wolf

Fraktion der SPD:

Becker, Dr. Hartung, Helmerich, Hey, Lehmann, Mühlbauer, Pelke, Dr.Pidde, Scheerschmidt, Taubert, Warnecke

Fraktion der AfD:

Henke, Herold, Höcke, Kießling, Möller, Muhsal, Rietschel, Rudy

Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN:

Adams, Henfling, Kobelt, Müller, Pfefferlein, Rothe-Beinlich

fraktionslos:

Gentele, Reinholz

Anwesenheit der Mitglieder der Landesregierung:

Ministerpräsident Ramelow, die Minister Taubert, Prof. Dr. Hoff, Holter,Lauinger, Maier, Siegesmund, Werner

9692 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 9: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Beginn: 9.01 Uhr

Vizepräsidentin Jung:

Meine Damen und Herren, bevor wir in die heutigeSitzung eintreten, freue ich mich, Herrn Prof. Man-fred Aschke zu seinem 68. Geburtstag zu gratulie-ren. Er ist heute nicht anwesend, aber ich denke,wir sind lange Zeit mit ihm verbunden gewesen undsind es vielleicht auch noch. Mit seinem Geburtstagscheidet Herr Aschke aus seiner Tätigkeit als Präsi-dent des Thüringer Verfassungsgerichtshofs ausund tritt nach über 35 Jahren im Richteramt in denRuhestand ein. Herr Prof. Aschke kam 1993 nachThüringen, wo er seit 1995 Vorsitzender Richterbeim Thüringer Oberverwaltungsgericht war. Erleistete dabei wichtige Aufbauhilfe für die noch jun-ge Thüringer Verwaltungsgerichtsbarkeit. Für vieleBürger brachten die Entscheidungen des Oberver-waltungsgerichts Klarheit und Rechtssicherheit.Hierzu zählen gerade die schwierigen Verfahrenzur Gleichstellung von Bildungsabschlüssen oderzu den offenen Vermögensfragen nach dem Endeder DDR. Ich danke Herrn Prof. Aschke für seineDienste in der Thüringer Justiz,

(Beifall im Hause)

insbesondere in seiner Stellung als Präsident desThüringer Verfassungsgerichtshofs. In seine Zeitfallen die Verfahren zur Gebietsreform, zur Finan-zierung von Schulen in freier Trägerschaft oder zurNeutralitätspflicht der Mitglieder der Landesregie-rung. Erst gestern fiel eine Entscheidung zumWahlalter auf kommunaler Ebene.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Eine unabhängige Justiz und eine starke Verfas-sungsgerichtsbarkeit sind unerlässlich für unsereDemokratie und den Rechtsstaat. Manfred Aschkehat den Gerichtshof würdig repräsentiert. Vielewichtige und weitreichende Entscheidungen diesesVerfassungsorgans werden mit Herrn Aschkes Na-men verbunden bleiben. Er hat sich um unserenFreistaat und um unsere Verfassung verdient ge-macht. Herzlichen Glückwunsch noch mal, HerrAschke, zu Ihrem Geburtstag.

(Beifall im Hause)

Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich heiße Sie herzlich willkommen zu unse-rer heutigen Sitzung des Thüringer Landtags, dieich hiermit eröffne. Ich begrüße auch unsere Gästeauf der Zuschauertribüne, die Zuschauer am Live-stream sowie die Vertreterinnen und Vertreter derMedien.

Für diese Plenarsitzung hat als Schriftführer HerrAbgeordneter Gruhner neben mir Platz genommenund die Redeliste führt Frau Abgeordnete Mühlbau-er.

Für die heutige Sitzung haben sich entschuldigt:Herr Abgeordneter Krumpe, Frau Abgeordnete Leh-mann, Frau Abgeordnete Marx, Herr AbgeordneterPrimas, Frau Ministerin Keller.

Ich möchte am Anfang noch einige allgemeine Hin-weise geben. Die UNICEF-Arbeitsgruppe Erfurtführt heute im Foyer ihren traditionellen Verkaufvon Osterkarten sowie Grußkarten zugunsten derUNICEF-Kinderhilfsprojekte durch.

Aufgrund der Eilbedürftigkeit ist für Herrn MartinPfützenreuter vom ZDF für diese Plenarsitzung ei-ne Genehmigung für Bild- und Tonaufnahmen ge-mäß der Regelung für dringende Fälle nach § 17Abs. 4 Satz 1 der Geschäftsordnung erteilt worden.Außerdem ist Herrn Martin Lejeune, SABAH tv, fürdie heutige Plenarsitzung eine Genehmigung fürBild- und Tonaufnahmen gemäß der Regelung fürdringende Fälle erteilt worden.

Noch einige Hinweise zur Tagesordnung: Wir sindbei der Feststellung der Tagesordnung am gestri-gen Tage übereingekommen, Tagesordnungs-punkt 4 am Donnerstag als ersten Punkt und denGesetzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPDund Bündnis 90/Die Grünen, Gesetz über die Regu-lierungskammer des Freistaats Thüringen, inDrucksache 6/4816 als neuen Tagesordnungs-punkt 5 a aufzunehmen.

Zu Tagesordnungspunkt 3 wurde ein Entschlie-ßungsantrag der Fraktion der CDU in Drucksa-che 6/5460 verteilt.

Zu Tagesordnungspunkt 14 wurde ein Alternativan-trag der Fraktion der AfD in Drucksache 6/5461 ver-teilt.

Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung zuzüg-lich der von mir genannten Ergänzungen widerspro-chen? Das kann ich nicht erkennen.

Dann steigen wir in die Tagesordnung ein und ichrufe auf den Tagesordnungspunkt 3

Siebtes Gesetz zur Änderungdes Thüringer Blindengeldge-setzesGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/4802 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Soziales,Arbeit und Gesundheit- Drucksache 6/5439 -

dazu: Nachteilsausgleich undBarrierefreiheit für Men-schen mit Sinnesbehinde-rungen in ThüringenEntschließungsantrag derFraktion der CDU- Drucksache 6/5460 -

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9693

Page 10: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

ZWEITE BERATUNG

Ich möchte Sie noch darauf hinweisen, dass dieseBeratung in Gebärdensprache übersetzt wird undüber Monitor im Raum F125 sowie über „PlenumOnline“ übertragen wird.

Das Wort hat Frau Abgeordnete Meißner aus demAusschuss für Soziales, Arbeit und Gesundheit zurBerichterstattung.

(Beifall CDU)

Abgeordnete Meißner, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnetenkollegen, sehr ge-ehrte Zuschauer und Zuhörer, durch die Novellie-rung des Thüringer Blindengeldgesetzes erhaltenerstmals alle sinnesbehinderten Menschen in Thü-ringen einen finanziellen Nachteilsausgleich. Derzugrunde liegende Gesetzentwurf zur Änderungdes Thüringer Blindengeldgesetzes wurde vomLandtag in seiner 103. Sitzung am 13. Dezember2017 erstmals beraten und an den Ausschuss fürSoziales, Arbeit und Gesundheit federführend undden Haushalts- und Finanzausschuss überwiesen.

Der federführende Ausschuss für Soziales, Arbeitund Gesundheit hat den Gesetzentwurf in seiner40. Sitzung am 14. Dezember 2017, in seiner43. Sitzung am 22. Februar 2018 und in seiner44. Sitzung am 15. März 2018 beraten sowie einschriftliches Anhörungsverfahren durchgeführt. Auf-grund eines Änderungsantrags in Vorlage 6/3671wurde noch ein ergänzendes schriftliches Anhö-rungsverfahren durchgeführt.

Der mitberatende Haushalts- und Finanzausschusshat den Gesetzentwurf in seiner 55. Sitzung am16. März 2018 beraten.

Letzte Woche, in seiner 44. Sitzung am 15. März2018, wurde der Gesetzentwurf im Ausschuss fürSoziales, Arbeit und Gesundheit abschließend be-raten. Die Empfehlung lautet, den Antrag mit denÄnderungen gemäß Beschlussempfehlung inDrucksache 6/5439 anzunehmen. Vielen Dank fürIhre Aufmerksamkeit.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Ich danke Frau Meißner für die Berichterstattungund frage: Wünscht die Fraktion der CDU das Wortzur Begründung zu Ihrem Entschließungsantrag?Frau Abgeordnete Meißner, Sie haben das Wort.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren, wir haben heute hier zu diesemGesetzentwurf einen Entschließungsantrag vorge-

legt, denn wir denken, der finanzielle Nachteilsaus-gleich für Menschen mit Sinnesbehinderung kannnicht alles sein. Wir wollen ihnen eine umfassendeBarrierefreiheit und damit gesellschaftliche Teilhabeermöglichen. Deswegen haben wir in unseren dreiPunkten auf Beratungsangebote, Begleitungsmög-lichkeiten und Barrierefreiheit Bezug genommen.Wir wollen Menschen mit Sinnesbehinderungen dieumfassende Teilhabe am gesellschaftlichen Lebenermöglichen. Deswegen ist es zu diesem Antraggekommen, der von Gesprächen getragen wird, un-ter anderem mit den Betroffenen, aber auch bei-spielsweise mit dem Blinden- und Sehbehinderten-verband Thüringen, mit der Thüringer Stiftung Hilfefür blinde und sehbehinderte Menschen und auchmit dem Behindertenbeauftragten des Landes Thü-ringen.

Im Punkt a) fordern wir eine finanzielle Absicherungder Beratungsstellen. Dazu muss man wissen, dassdie Beratungsstellen über die GFAW nur noch mit70 Prozent über die Richtlinie zur Förderungnichtinvestiver sozialer Maßnahmen an Vereineund Verbände für Aufgaben der Betreuung vonMenschen mit Behinderung sowie zur Förderungvon Beratungsstellen für Menschen mit Behinde-rung im Freistaat Thüringen gefördert werden. Dasführt dazu, dass Beratungsstellen des BSVT vonWeimar und Heiligenstadt, aber auch der THEPRA,zwar gefördert werden, aber ein übriger Teil von30 Prozent nicht getragen wird, auch nicht die Lan-desgeschäftsstelle des BSVT. Diese restlichen Mit-tel werden häufig über die Stiftung für blinde Men-schen beantragt. Da ist jetzt wieder ein Antrag für30.000 Euro gestellt worden, die können aber nichtkomplett übernommen werden, weil die Stiftungselbst nicht so viele freie Mittel zur Verfügung hat.Die Stiftung leistet eine hervorragende Arbeit. Bei-spielsweise kann sie Menschen mit Behinderungüber Einzelanträge eine Unterstützung bieten. Soist das vor vier Jahren geschehen, als man ein Mo-bilitätstraining für eine Schülerin förderte, die mitt-lerweile die Beste ihrer Klasse ist. Das heißt, mankann dort mit wenig Geld viel erreichen. Aber es istzu wenig Geld da, um die Beratungsstellen voll-ständig zu finanzieren.

Deswegen ist es wichtig, diese Richtlinie zu ändern.Das hat die Landesregierung getan. Allerdings hatsie die Änderungsvorschläge des BSVT nicht auf-genommen, die da zum Beispiel lauteten, die För-dersätze zu erhöhen, die Landesgeschäftsstelle indie Förderung aufzunehmen oder eben auch – unddamit komme ich zum zweiten Punkt unseres An-trags – für ehrenamtlich arbeitende Blinde Honora-re für Assistenzkräfte vorzusehen. Ehrenamtbraucht für diese betroffenen Menschen Begleitungund Unterstützung. Deswegen hatten wir das be-reits im Jahr 2016 mit einem Antrag hier gefordertund greifen es an dieser Stelle mit auf, weil es auchzu dieser Thematik gehört.

9694 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Vizepräsidentin Jung)

Page 11: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Im dritten Punkt unseres Antrags fordern wir end-lich die Umsetzung der EU-Richtlinie aus dem Jahr2016 über den barrierefreien Zugang zu Websitesund mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen. Ichmöchte ergänzen: Die Nichtumsetzung, die bisSeptember dieses Jahres eigentlich noch erfolgenmuss, ist strafbewehrt. Ich erkenne nicht wirklich,dass die Landesregierung an einer Umsetzung ar-beitet. Deswegen haben wir dies erneut hier in die-sem Antrag niedergeschrieben. Wir wollen, dassdie Landesregierung die Umsetzung der Richtlinieernst nimmt. Wenn sie das getan hätte – das mussman an dieser Stelle sagen –, dann hätte diesesThema auch deutlichen Niederschlag in der Digitali-sierungsstrategie des Landes Thüringens gefun-den, die letztes Jahr veröffentlicht wurde.

(Beifall CDU)

Gibt man dort das Wort „Behinderte“ oder „Sinnes-behinderung“ ein, findet man keinen einzigen Tref-fer. Deswegen möchten wir uns an dieser Stelleauch den Forderungen des Behindertenbeauftrag-ten anschließen, der sagt, dass für die Umsetzungeine Aufsichtsstelle geschaffen werden muss, umdie inhaltsgleiche Umsetzung der Richtlinie in Thü-ringen zu gewährleisten. Diese Überwachungsstellein der Landesregierung und damit eine unabhängi-ge Durchsetzungsstelle über die Landesfachstelleüber Barrierefreiheit wäre eine Möglichkeit, dieserRichtlinie endlich Rechnung zu tragen und damit inThüringen Barrierefreiheit für die gleichberechtigteTeilhabe von Menschen mit Behinderungen undSinnesbehinderungen insbesondere zu schaffen.

(Beifall CDU)

Die Begründung unseres Entschließungsantragsmöchte ich mit einem Satz schließen, der mich sehrberührt hat und der vielleicht auch noch mal deut-lich macht, warum das Parlament heute hier die-sem Antrag nur zustimmen kann: Eine barrierefreieHomepage ist für mich wie Sehen. Das sagt eigent-lich alles. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Ich eröffne die Beratung und als erste Rednerin hatAbgeordnete Stange, Fraktion Die Linke, das Wort.

Abgeordnete Stange, DIE LINKE:

Werte Präsidentin, werte Kolleginnen und Kollegen,werte Zuhörer und Zuschauer – egal an welcherStelle –, wir haben heute einen Gesetzentwurf zuverabschieden, auf den ich mich zuerst konzentrie-ren möchte. Das ist der Gesetzentwurf der Landes-regierung zur Änderung des Siebten Gesetzes desThüringer Blindengeldgesetzes. Eine sehr sperrigeGesetzesüberschrift, aber sie beinhaltet wunderba-re Dinge, die seit Langem durch die Behinderten-

verbände von den Landesregierungen in den letz-ten Legislaturen gefordert wurden. Er beinhaltetnämlich – und das will ich hier ausdrücklich sagen –die Einführung des Thüringer Gehörlosengeldserstmals seit 28 Jahren hier im Thüringer Landtag.Das haben wir Rot-Rot-Grün zu verdanken.

(Beifall DIE LINKE)

Rückwirkend zum 01.07.2017 werden circa1.900 Menschen mit einem Merkzeichen Gl – dassteht für Gehörlosigkeit – 100 Euro pro Monat alsNachteilsausgleich erhalten. Diese 100 Euro sindsicher nicht allzu viel, aber sie sind ein erster Schrittfür zusätzliche Aufwendungen für Elektronik, Com-putertechnik etc. Wir haben uns in den Beratungenzu dem Gesetzentwurf dahin gehend verständigt –das wurde bereits in der Beschlussempfehlungdargelegt –, dass wir keine Klassifizierung odernoch einmal eine Differenzierung der unterschied-lichsten Grade der Behinderung bei gehörlosenMenschen einführen, sondern dass alle Thüringe-rinnen und Thüringer, die Gehörlose sind, mit demMerkzeichen Gl ausgestattet sind, diesen Nach-teilsausgleich bekommen. Ich denke, da haben unsdie Gehörlosenverbände und der Verband derSchwerhörigen noch mal mit guten Argumentenausgestattet, um hier eine Änderung vorzunehmen.

(Beifall DIE LINKE)

Wir als Rot-Rot-Grün sind in den Diskussionen mitden Verbänden darauf eingegangen und haben ge-nau dies geändert. Wir haben den Gesetzentwurfdahin gehend angepasst, dass das Thema derTaubblinden nochmals verändert wird. Mit Einfüh-rung des Bundesteilhabegesetzes im letzten Jahrwurden die Merkzeichen von taubblinden Men-schen noch mal angepasst, sodass perspektivischalle Menschen in Thüringen, die bereits blind sindund ein Merkzeichen Gl bzw. einen Grad der Behin-derung von 70 Prozent haben, Anspruch auf dasTaubblindengeld haben.

Wir sagen auch – und das will ich hier noch maldeutlich für die Koalition und vor allem auch fürmeine Fraktion darlegen –, dass das Sinnesbehin-dertengeld, das perspektivisch so heißen wird, nichtals Einkommen angerechnet wird. Das war den Be-troffenen und uns besonders wichtig, dass diesnicht angerechnet wird – eventuell bei Wohngeldoder bei Bezügen, falls Menschen im SGB-XII-Be-zug sind. Es ist also einkommens- und vermögens-unabhängig und darum wirklich für den Nachteil,den sie aufgrund der Behinderung haben, voll um-fänglich zu nutzen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, wir werden unsmit diesem Gesetzentwurf auch in die Reihe derBundesländer einreihen, die bereits viele Jahre voruns dieses Merkzeichen Gl genutzt haben, um Ge-hörlosengeld auf den Weg zu bringen. Wir werdendieses Thema für Menschen mit Behinderungen,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9695

(Abg. Meißner)

Page 12: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

mit Sinnesbehinderungen, erst einmal gemeinsamzur Zufriedenheit geklärt haben. An dieser Stellesage ich aber auch – und das ist in den zurücklie-genden Monaten auch schon bereits mehrfach dis-kutiert worden –: Das ist für diese Legislatur an die-sem Punkt des Nachteilsausgleichs der Abschluss.Aber in einer neuen Legislatur, in einer neuen Lan-desregierung wird man sicher auch schauen müs-sen, wie man diese Thematik weiterhin begleitet.

Lassen Sie mich jetzt, werte Kolleginnen und Kolle-gen, zu dem Antrag der CDU-Fraktion kommen. Ichbin schon etwas irritiert, werte Kolleginnen und Kol-legen der CDU-Fraktion, dass Sie noch mal alteAnträge aufwärmen, die bereits vor Monaten hierbesprochen und auch anders beschlossen wordensind. Das macht es nicht besser, wenn man aufge-wärmte Anträge hier noch mal zur Diskussion stellt,das will ich auch ausdrücklich formulieren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Seien Sienicht so bissig, Frau Stange!)

Ich werde gleich sagen, warum sie aufgewärmtsind. Ich glaube, uns einte in den letzten Monatenimmer die Thematik, und an der Thematik solltenwir uns weiter orientieren, denke ich. Oder?

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Anträge darfman aufwärmen und aufrechterhalten!)

Ich sage ausdrücklich, ja, uns ist bewusst, dass eseine schwierige finanzielle Problematik gibt, wasdie Absicherung der Beratungsstellen der Landes-geschäftsstelle des Blinden- und Sehbehinderten-verbands Thüringen anbelangt. Nicht nur bei Ihnen,werte Kolleginnen der CDU, waren die Vertreterin-nen des Verbands und haben zur Situation vorge-sprochen, sondern auch bei uns. Und ich weiß, imMinisterium wird an der Klärung dieser Situation ge-arbeitet.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Dasstimmt doch gar nicht!)

Woher wollen Sie denn das wissen?

Ich weiß auch, dass vor allen Dingen …

Vizepräsidentin Jung:

Frau Abgeordnete Stange, gestatten Sie eine Zwi-schenfrage?

Abgeordnete Stange, DIE LINKE:

Nein, jetzt nicht.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Solche Be-hauptungen und dann die Frage nicht malbeantworten!)

Hören Sie sich doch erst mal die Argumente zu En-de an und dann können wir in Ruhe darüber disku-tieren.

Ich weiß auch – und das sollte man einfach an derStelle noch mal so formulieren –, die Blindenstif-tung, die heute in einer schwierigen finanziellen Si-tuation ist, ist zu einer Zeit gegründet worden, alsdas Blindengeld abgeschafft worden war, als klei-nes Zubrot für an Blindheit und hoher Sehbehinde-rung erkrankte Menschen, um sie einfach ruhigzu-stellen. Das muss man in dieser Situation und indieser Auseinandersetzung auch noch mal sagen.Heute kann die Stiftung, weil einfach die Zinslageist, wie sie ist, nicht mehr so viel Geld zur Verfü-gung stellen, wie sie das noch vor sieben oder achtJahren gemacht hat. Hier braucht es eine ordentli-che Lösung. Frau Ministerin wird, denke ich, nach-her noch darauf eingehen, welche Möglichkeiten imGespräch sind.

Lassen Sie mich auch Punkt b) Ihres Antrags einbisschen kritisch sehen. Wie soll denn geprüft wer-den, wie sich Menschen mit einer Sinnesbehinde-rung ehrenamtlich einbringen können? Ich sage Ih-nen: Ehrenamtlich sind ganz viele Menschen mit ei-ner Sinnesbehinderung unterwegs – ganz viele. Alldiese Kreisverbände und Kreisorganisationen inThüringen, wo es blinde und sehbehinderte Men-schen, wo es schwerhörige Menschen, wo esSelbsthilfegruppen von taubblinden Menschen gibt,das sind alles ehrenamtlich tätige Bürgerinnen undBürger. Da muss ich nicht prüfen, wie die sich ein-bringen können. Die machen es, weil ihnen ihreThemen eine Herzensangelegenheit sind. Damit sieauch gewürdigt werden – das haben Sie vielleichtselber miterlebt –, hat zum Beispiel Ralf Lindemannerst am 4. Dezember 2017 aus der Hand des Minis-terpräsidenten das Bundesverdienstkreuz bekom-men. Ich sage mal, das sind doch alles Themen,weil ehrenamtlich gearbeitet wird.

An der Stelle würde ich den Ball gerne zu Ihnen,Kolleginnen und Kollegen der CDU, und ein Stück-chen auch zur SPD zurückspielen und sage: Siehaben im Bund die Möglichkeit, in den nächstendreieinhalb Jahren Dinge zu klären, die für ehren-amtliche Arbeit hinderlich sind. Ich nenne nur dasThema „Kfz-Hilfe-Verordnung“. Es ist mittlerweileunerträglich geworden, dass Menschen, die nichtmehr im Arbeitsprozess sind, sich aber ehrenamt-lich einsetzen wollen, keinen Zuschuss für ein neu-es Kfz bekommen, denn das gilt nur für Menschen,die im Arbeitsprozess sind. Hier muss eine Bundes-verordnung geändert werden. Das wäre Ihre Aufga-be vor Ort.

Ich nenne das Thema „Ehrenamtsassistenz“, einealte Forderung der Behindertenverbände. Auch dasmuss auf Bundesebene geklärt werden. Hier habenSie die nächsten dreieinhalb Jahre die Möglichkeit,endlich die Weichen genau so zu stellen, damit Eh-

9696 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Stange)

Page 13: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

renamt in der ganzen Bundesrepublik besser geför-dert werden kann.

Lassen Sie mich noch einen letzten Satz sagen.Wäre in dem Bundesteilhabegesetz, welches hochund runter diskutiert worden ist, auch ein ordentli-cher Nachteilsausgleich für Menschen mit Behinde-rung – egal welcher Behinderung – wenigstensstückchenweise schon mal andiskutiert und einge-führt worden, dann hätten wir heute nicht das Aus-einanderdividieren, was Sie hier gerade mitma-chen.

(Beifall DIE LINKE)

Darum – das sage ich auch ausdrücklich – ist die-ser Entschließungsantrag heute von uns abzuleh-nen, weil wir genau an dieser Thematik dran sind.

(Unruhe CDU)

Einen letzten Punkt sage ich hier an der Stelle auchnoch: Wir haben im Dezember letzten Jahres hiereinen großen breiten Antrag beschlossen. Da ginges darum, wie die UN-Behindertenrechtskonventionnach zehn Jahren in Thüringen umgesetzt wird undwie das Thema „Gleichstellung, Integration“ geklärtwird.

(Beifall DIE LINKE)

Da haben wir noch mal gemeinsam geklärt, wieBarrierefreiheit und die Umsetzung der Barrierefrei-heit auf den Internetseiten perspektivisch noch bes-ser dargestellt werden muss. Ja, ich gebe Ihnenrecht, es ist noch nicht alles gut. Aber es ist in denletzten drei Jahren im Vergleich zu den Jahren da-vor besser geworden. Damals ging gar nichts, FrauMeißner.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Lesen Siedoch mal die EU-Richtlinie!)

Heute wird die Umsetzung des Themas „Barriere-freiheit“ schon begonnen und es geht immer bes-ser. Dieser Antrag wird abgelehnt. Ich bitte, demGesetzentwurf der Landesregierung zur Einführungdes Gehörlosengelds zuzustimmen. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Für die Fraktion der CDU hat Abgeordneter Zippeldas Wort.

Abgeordneter Zippel, CDU:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr ge-ehrte Frau Präsidentin, der Gesetzentwurf der Lan-desregierung könnte unter dem Motto „Gut ge-meint, aber zu kurz gesprungen“ stehen. Das Sin-nesbehindertengeld ist erstmals ein finanzieller Bei-

trag zum Ausgleich von Mehraufwendungen für alleschwer sinnesbehinderten Menschen. Der größteMehraufwand für gehörlose Menschen ist zum Bei-spiel der Gebärdensprachdolmetscher. Deswegenfreue ich mich umso mehr, dass wir heute hier dieMöglichkeit haben, dass diese Beiträge übersetztwerden. Ich möchte an der Stelle einen besonderenGruß an die Zuhörer, an unsere besonderen Gästeheute, richten. Ich möchte auch ganz besonderseinen Gruß an den Landesbehindertenbeauftragtenrichten – Herr Leibiger, schön, dass Sie heute an-wesend sind.

(Beifall CDU, SPD)

Die Begleitung bei Behördengängen, Arztterminen,Bildungs- oder kulturellen Veranstaltungen ist eben-falls ein Punkt, der mitberücksichtigt werden muss,der unter diesen Aspekt des Mehraufwands fällt.Aber auch Lichtsignale für Türklingeln, Wecker oderauch Rauchmelder sind ein Mehraufwand, der denBetroffenen eine zusätzliche Last bedeutet. Die Ge-hörlosen sind im Gegensatz zu den blinden Men-schen eben nicht von einer bundeseinheitlichenLeistung entsprechend der Blindenhilfe betroffen.Das Sinnesbehindertengeld erleichtert deswegeneine selbstbestimmte Lebensführung und es wirddie Eigenverantwortung gestärkt. Das alles begrü-ßen wir als CDU sehr.

Allerdings – und das sollte nicht unerwähnt bleiben– sagte der Gemeinde- und Städtebund kritisch,dass aus seiner Sicht die zusätzlich angesetzteFallkostenpauschale ein Problem ist. Der Land-kreistag wiederum äußerte sich, dass der Ände-rungsantrag weitere Leistungsausweitungen ent-hält, aber ein zusätzlicher Verwaltungsmehrauf-wand nicht refinanziert wird. Jetzt ist die Frage:Sind die von der Landesregierung angesetztenPauschalen tatsächlich auskömmlich? Wir werdenals CDU-Fraktion ein Auge darauf haben, wie sichdies in der Praxis gestaltet.

(Beifall CDU)

Kommen wir aber zu dem Punkt, warum wir sagen,zu kurz gesprungen, und warum hier schon dieEmotionen hochgekocht sind. Der finanzielle Aus-gleich für das Sinnesbehindertengeld ist zwar gutund richtig, aber der Nachteilsausgleich muss wei-tergedacht werden. Es müssen Barrieren abgebautwerden, die einem selbstbestimmten Leben im Wegstehen. Gerade von links, muss ich sagen – undFrau Stange, Sie waren da auch immer eine Vorrei-terin bis zum heutigen Tag –, gab es immer sehrviele und sehr lautstarke Forderungen. Wenn ichsage „bis zum heutigen Tag“, muss ich sagen, binich schon ein bisschen enttäuscht von Ihrem Rede-beitrag, auch, mit welchen Begründungen Sie ge-gen unseren Antrag gesprochen haben.

(Beifall CDU)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9697

(Abg. Stange)

Page 14: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Man kann ja gute Argumente finden. Ich bin daauch ganz ehrlich: Wenn man mit Betroffenenspricht, hatten Sie bis zum heutigen Tag aucheinen guten Ruf bei den Betroffenen.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Derwird auch immer gut sein!)

Die Betroffenen haben wirklich gesagt, Sie habensich oftmals für die Problematiken eingesetzt. Abermit den Begründungen, die Sie heute angebrachthaben, befürchte ich, werden Sie etwas von diesemguten Ruf verloren haben. In der Regierungsverant-wortung gehen Sie plötzlich ganz anders und wer-den beim Thema „Barrierefreiheit“ plötzlich dochsehr kleinlaut. Wir als CDU-Fraktion möchten Ihnenmit unserem Antrag etwas unter die Arme greifen.

Ich will Ihnen vielleicht noch mal etwas ausführli-cher erklären, worum es dabei geht. Vielleichtverstehen Sie es dann doch und vielleicht könnenSie, wenn Sie sich die Fakten anhören, dann dochnoch überzeugt werden, insbesondere, weil Sie be-hauptet haben, es würde hier um ein „Aufwärmen“gehen. Ich weiß nicht, wo hier Dinge aufgewärmtwerden. Also wir könnten darüber sprechen, dassPunkt 3 unseres Antrags vielleicht in der Formschon mal vorlag. Aber bei aller Liebe, wenn esnicht umgesetzt wird, dann müssen wir eben dieAnträge einreichen.

(Beifall CDU)

Aber kommen wir mal der Reihe nach zum erstenPunkt, dem Beratungsangebot für Menschen mitBehinderung. Sie haben zu Recht betont, dass derBlinden- und Sehbehindertenverband um Hilfe ge-rufen hat. Diese wichtige Selbsthilfeorganisation imFreistaat ist Stimme und Anwalt der Betroffenen.Wenn Sie aber ebenso von diesen Betroffenen an-gesprochen wurden, ist mir unklar, wie Sie hier ineinem gewissen Maß herzlos sagen können, na ja,wir werden uns darum kümmern usw. und wir sol-len doch vertrauen, wie das alles funktioniert. Ichbin Mitglied des Landtags in der Blindenstiftung,über die Sie so frei gesprochen haben. Ich weiß,wie die Situation aussieht. Ich will Ihnen aber auchklar und deutlich sagen, dass es nicht Kernaufgabeder Blindenstiftung ist, den Blindenverband in sei-nem Hauptmaße zu finanzieren. Wir haben das alsBlindenstiftung natürlich immer gemacht, das istauch eine wichtige Verknüpfung, die es da gibt.Aber es kann auch in der aktuellen Situation nichtAufgabe sein – und so ist es auch nicht ange-dacht –, dass die Blindenstiftung den Verband fi-nanziert. Also müssen wir andere finanzielle Mög-lichkeiten

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Werhat denn das eingebracht? Die CDU undnicht wir!)

für den Blindenverband finden. Wenn wir einen An-trag einreichen, in dem eine Unterstützung für den

Blindenverband, der tatsächlich in einer schwieri-gen Situation ist, gefordert wird, und Sie hier sagen,ja, das Ministerium wird das schon machen, wirvom Ministerium aber nicht hören, dass da was ge-macht wird, hier Richtlinien veröffentlicht werden,wo man dazu gar nichts mitbekommt – Sie könnensich ja gern darauf berufen, dass hier alles in Arbeitist. Aber mit Verlaub, wenn wir als Abgeordnete da-von nichts mitbekommen, wir in der Öffentlichkeitdavon nichts mitbekommen, ich weiß nicht, wie Siehier so frei behaupten können, dass sich das Minis-terium darum kümmern wird. Ich bin schon mal ge-spannt, was die Ministerin ausführen wird. Veröf-fentlichen Sie die entsprechenden Dokumente,wenn Sie mehr machen als das, was hier drinsteht!Ich bin gespannt, das zu hören. Aber, wie gesagt,in der schriftlichen Form haben wir es vom Ministe-rium nicht. Der Arbeitsnachweis fehlt an der Stelle.

(Beifall CDU)

Wir sehen unsere Aufgabe darin, den Blindenver-band mit seinen wichtigen Angeboten zu stabilisie-ren und zu stärken, und ich sage, wir stärken auchdiejenigen, die sich für sehbehinderte Menschenstarkmachen. Die Landesregierung ist, wie gesagt,in der Verantwortung.

Aber kommen wir mal zum zweiten Teil, der unsauch ganz wichtig ist: die gesellschaftliche Teilha-be. Wie Sie so etwas einfach so wegwischen kön-nen! Auch das war nichts Aufgewärmtes. Natürlichsprechen wir im Landtag regelmäßig auch über die-se Thematik. Aber in der Form hatten wir das nochnicht eingereicht, dass sich Betroffene ehrenamtlichengagieren wollen und dass diese Bürger auch ge-nauso eine Unterstützung brauchen, damit siedurch ihre Einschränkung davon nicht abgehaltenwerden. Es gibt auch hier unterschiedlichste Barrie-ren, die dieser gesellschaftlichen Teilhabe entge-genstehen. Dort ist es ebenfalls nötig, eine Assis-tenz zur Verfügung zu stellen und diesen besonde-ren Fall zu berücksichtigen. Wenn wir in unseremAntrag schreiben, es soll geprüft werden, dannkann man doch so etwas prüfen, Frau Stange. Beialler Liebe, das hier wegzuwischen und zu fragen:Wie setzt man das in der Praxis um, wie soll daswerden? Prüfen! Was ist denn das …

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Ichhabe Ihnen doch die Antwort gegeben!)

Sie haben sich hier beschwert und gesagt, wie dasin der Praxis aussehen soll, wie man so was danneventuell feststellen soll, dass Ihnen das unklar ist.Sie haben hier gefragt, was ehrenamtliches Enga-gement ist. Das wollen wir hier nicht klären. Es gehtdarum, zu prüfen. Wie man einen einfachen Prüf-auftrag so wegwischen kann, das zeigt mir einfachnur, dass Sie Angst vor dem Thema haben, dasses Ihnen unangenehm ist, dass Sie das Themaselbst nicht auf dem Schirm haben.

9698 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Zippel)

Page 15: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

(Beifall CDU)

Dann kommen wir zu drittens, zu dem barrierefrei-en Zugang zu Informationen. Ja, das ist ein Thema,das wir schon hatten. Daran jetzt festzumachen,dass das alles aufgewärmt ist, ist jetzt Ihre eigenepersönliche Meinung, die gönne ich Ihnen, auchwenn sie falsch ist. Aber auf den Internetseiten desLandtags, der Landesverwaltungen, der Ministerienmuss es für Betroffene möglich sein, unkompliziertInformationen abzurufen. Der Landtag ist hier na-türlich als unser Gremium auch ganz besonders inder Verantwortung. Ich möchte an der Stelle auchdie Chance nutzen, alle Verantwortlichen aufzuru-fen, aktiv daran mitzuarbeiten, diese Barrieren her-unterzusetzen.

Ich will das noch mal klar und deutlich sagen: DieEU-Richtlinie von 2016 zur Barrierefreiheit im Lan-desrecht muss umgesetzt werden.

(Zwischenruf Abg. Stange, DIE LINKE: Rich-tig!)

Wir würden Sie ja nicht dazu auffordern, wir würdensolche Anträge nicht einreichen, wenn wir merkenwürden, es würde vorangehen. Aber Frau Stange,es geht eben nicht voran. Auch hier bin ich ge-spannt, was die Ministerin gleich sagen wird. Aberdas Land ist zur Umsetzung bis zum 23. September2018 verpflichtet. Da möchten wir schon langsammal was sehen, aber wir merken nicht, dass hier ir-gendwas passiert. Deswegen haben wir die Not-wendigkeit gesehen, das noch mal als Antrag ein-zureichen. Wenn Sie daran arbeiten, dann bin ichmal gespannt, wie Sie das trotzdem hier ablehnenwollen, weil so eine Aufforderung tut Ihnen ja trotz-dem nicht weh.

(Beifall CDU)

Die digitale Barrierefreiheit ist ein wesentliches Ele-ment. Ich denke, den Thüringer Behörden würde esgut zu Gesicht stehen, hier mit gutem Beispiel vo-ranzugehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Ein-führung des Sinnesbehindertengelds ist ein richti-ger Schritt. Die CDU-Fraktion wird dem zustimmen.Die Stoßrichtung des Gesetzentwurfs der Regie-rung ist richtig, aber eben nicht konsequent genug.Deshalb gibt es unseren Antrag und ich werbe umZustimmung zu unserem Antrag. Ich sage, wer demGesetzentwurf der Landesregierung zustimmt undwer es mit Gleichstellung ernst meint, kann unse-rem Antrag die Zustimmung schlichtweg nicht ver-weigern. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Pfefferlein,Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, das Wort.

Abgeordnete Pfefferlein, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolleginnen undKollegen, sehr geehrte Zuhörerinnen und Zu-schauerinnen, ich finde, heute ist ein guter Tag fürdie Menschen in Thüringen. Es ist ein guter Tag füralle Menschen, die eine Sinnesbehinderung, kon-kret eine Hörbehinderung, haben. Heute beratenwir abschließend über einen Gesetzentwurf derLandesregierung zum Sinnesbehindertengeld, auchbekannt als Blindengeldgesetz. Darüber bin ichsehr froh.

Die Landesregierung hat den Gesetzentwurf im De-zember 2017 eingereicht. Wir haben auch schon oftdarüber gesprochen. Wir hatten eine umfangreicheAnhörung im Sozialausschuss, wir haben mit kom-munalen Spitzenverbänden und Verbänden gespro-chen und zahlreiche Gespräche mit Betroffenen ge-führt. Wir haben dabei auch erfahren, dass es auszahlreichen Gründen besser ist, das MerkzeichenGl als Kriterium für den Nachteilsausgleich von100 Euro im Monat zu nehmen, anstelle des Merk-mals 100 als Grad der Behinderung.

Das Merkzeichen Gl wird hörbehinderten Men-schen zuerkannt, bei denen Taubheit beidseits oderbeidseitig eine an Taubheit grenzende Schwerhö-rigkeit vorliegt, wenn daneben schwere Sprachstö-rungen vorliegen. Diese Definition stellt sicher, dassauch Personen, die einen Mehrbedarf, insbesonde-re für Gebärdensprachdolmetscherleistungen, ha-ben, mit einem Sinnesbehindertengeld für Gehörlo-se einen Nachteilsausgleich erhalten. Aus denoben genannten Gründen haben wir Koalitionsfrak-tionen diesen wichtigen Änderungsantrag einge-bracht.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Weiterhin wollen wir den Begriff „Blindengeld“ durch„Sinnesbehindertengeld“ ersetzen, da es in diesemGesetz mittlerweile um blinde, taubblinde und ge-hörlose Menschen geht und nicht mehr nur um blin-de Menschen. Es geht um Menschen, die eine Sin-nesbehinderung haben. Wichtig ist zu sagen, dassNachteilsausgleiche wie für blinde, taubblinde undgehörlose Menschen keine Luxusleistungen sind.Es erlaubt den Betroffenen lediglich eine halbwegsgleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichenLeben. Das ist unser Ziel. Wir wollen diese Teilha-be möglichst gleichberechtigt gestalten.

In dieser Legislatur wurde beschlossen, in einemmehrstufigen Verfahren – das haben wir hier auchschon mehrfach diskutiert – endgültig ab dem 1. Ju-li 2018 400 Euro für blinde Menschen und noch ein-mal 100 Euro mehr für taubblinde Menschen zuzahlen.

(Zwischenruf Abg. Huster, DIE LINKE: Sehrgut!)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9699

(Abg. Zippel)

Page 16: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Dazu kommen die Mittel für gehörlose Menschenmit dem Merkzeichen Gl, wenn Sie dem Ände-rungsantrag von Rot-Rot-Grün zustimmen. Wir ha-ben als Land Thüringen für den zusätzlichen Nach-teilsausgleich für gehörlose Menschen circa 2,2 Mil-lionen Euro im Jahr eingeplant.

Nicht nur blinde, taubblinde und gehörlose Men-schen haben einen unvermeidbaren Mehrbedarf,der vom Staat vor dem Hintergrund der internatio-nalen Verpflichtung Deutschlands aus Artikel 28 derUN-Behindertenrechtskonvention auszugleichenund nicht länger von einer Bedürftigkeitsprüfung imRahmen der Sozialhilfe abhängig zu machen ist.

Unser Wunsch ist natürlich seit Langem eine bun-deseinheitliche Lösung. Dazu komme ich nachherauf den Entschließungsantrag der CDU zurück, dersicherstellt, dass benachteiligte Menschen in allenBundesländern in den Genuss eines gleichen undangemessenen Nachteilsausgleichs kommen.

Es ist nicht nachvollziehbar, dass sinnesbehinderteMenschen in einem Bundesland mehr und in einemanderen Bundesland weniger oder gar keinenNachteilsausgleich erhalten. Unser Wunsch wärenatürlich ein Bundesteilhabegeld gewesen. Viel-leicht kommt es ja noch als Nachbesserung zumBundesteilhabegesetz. Wir als Grüne werden dieEntwicklung auf Bundesebene sehr genau beob-achten und dann natürlich auch aktiv darauf hinwir-ken, dass hier in Thüringen Verbesserungen fürMenschen mit Behinderungen eintreten.

Das uns heute hier in Thüringen vorliegende Ge-setz ist eine wirkliche Verbesserung eines Zu-stands, der viele Menschen in diesem Land sehraufgebracht hat. Auch aus diesem Grund arbeitetdie rot-rot-grüne Koalition intensiv an der Verbesse-rung der Lebensverhältnisse für alle Menschen, be-sonders für die Schwächeren in der Gesellschaft.

Jetzt noch mal zu Ihrem Entschließungsantrag: Siehaben hier die Gründe aufgeführt. Frau Stange hates schon gesagt, wir arbeiten schon sehr lange da-ran und uns ist das sehr bewusst. Wir haben dieseGespräche mit den Betroffenen auch geführt. Wirbrauchen Ihren Antrag dazu nicht, um das zuverstehen. Wir haben das schon lange verstanden.

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Dann ma-chen Sie doch was!)

Natürlich werden wir immer Sachen haben, die wirnoch nicht fertig haben. Das ist doch ganz normalin diesem Prozess. Aber das, was wir heute be-schließen, ist doch ein guter Anfang.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Wir werden es nicht schaffen – das gehört zurWahrheit dazu –, es in dieser Legislaturperiode al-len Menschen recht zu machen.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: WerdenSie doch mal konkret!)

Wir haben mit diesem Sinnesbehindertengesetz inThüringen einen Meilenstein vorangebracht. Ich ha-be es schon mal gesagt: Ich bin kein Freund davon,von gestern zu sprechen und alten Kaffeesatz wie-der aufzuwärmen, aber dieses Blindengeld wurdemal unter Ihrer Regierung abgeschafft und wir ha-ben es wieder eingeführt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Das muss man an dieser Stelle auch mal sagen. Esgab noch nie in diesem Land Thüringen einenNachteilsausgleich für gehörlose Menschen. Dasmuss an dieser Stelle auch mal zur Kenntnis ge-nommen werden. Ich kann natürlich sagen, ehren-amtliches Engagement, natürlich haben wir da nochwas zu tun. Das sehe ich doch auch völlig ein, dasstreite ich doch auch gar nicht ab. Aber man mussdoch auch mal anerkennen, was hier für Menschenmit Behinderungen in den letzten drei Jahren ge-leistet worden ist.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Aus diesem Grund, um uns nicht von Ihnen diktie-ren zu lassen, was wir noch zu tun haben – dennwir machen unsere Hausaufgaben –, lehnen wirdiesen Antrag ab. Aber nur aus diesem Grund, weilich das nicht mag. Wir waren uns immer einig, ge-rade bei diesem Thema, wir arbeiten auch im Aus-schuss zusammen.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Dann stim-men Sie zu!)

Ich finde es auch ein Stück unfair, dass Sie heutemit diesem Entschließungsantrag kommen und unshier damit ein Stück vorführen wollen, obwohl wirzusammen immer ordentlich unsere Hausaufgabenzu diesem Thema gemacht haben. Aus diesemGrunde hoffe ich, dass wir wieder zur Sachlichkeitzurückkommen

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

und uns daran entlanghangeln, was wir hier in dennächsten zwei Jahren noch vorhaben. Wir werdenauch immer etwas im Sinne der Menschen mit Be-hinderung voranbringen. Ich glaube, heute habenwir mit diesem Gesetz etwas Gutes vorangebracht.Wir werden weiterhin daran arbeiten. HerzlichenDank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Für die Fraktion der AfD hat Abgeordnete Heroldjetzt das Wort.

9700 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Pfefferlein)

Page 17: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Abgeordnete Herold, AfD:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, sehr geehrte Damenund Herren auf der Zuschauertribüne und im Inter-net! Ganz besonders möchte ich an dieser Stelle je-ne grüßen, die heute der Sitzung gebärdensprach-lich folgen. Ich möchte gern Herrn Leibiger grüßen,der der Debatte ebenfalls interessiert folgt. Ich hattegar nicht gedacht, dass so ein trockenes und büro-kratisches Thema, wie 100 Euro für Menschen mitbesonderen Bedarfen, solche Leidenschaftenweckt. Der uns heute zur Diskussion stehende Ent-wurf zum Siebten Gesetz zur Änderung des Thürin-ger Blindengeldgesetzes ist ein typisches Beispielfür gut gemeinte und sicherlich auch angebrachte,aber kleinkrämerisch und ambitionslos gemachtePolitik, die im Wesentlichen auf eine positive Au-ßenwirkung angelegt ist und sinnesbeeinträchtigtenPersonen eher zusätzlichen unnötigen Papierkriegaufnötigt, als einen wirklichen bedarfsorientiertenNachteilsausgleich bereitstellt.

(Beifall AfD)

Sieht man einmal davon ab, dass auch diese zwei-felsohne längst überfällige sozialpolitische Initiativezum Nachteil der Betroffenen im Schneckentempoabgehandelt wurde, beinhaltet der heute zur Ab-stimmung stehende Gesetzesentwurf für den infor-mierten Betrachter doch einige Unzulänglichkeiten,auf die ich im Folgenden kurz eingehen möchte.Ganz zentral ist hierbei das Missverhältnis von Ver-waltungsaufwand des Gesetzes und seinem docheher bescheidenen Effekt für den Adressatenkreis.Auskunft hierüber bieten dem interessierten Leserzum Beispiel die im Rahmen des Anhörungsverfah-rens eingegangenen Antwortschreiben der Spitzen-verbände und Betroffenenvertreter, die ihre Kritikan Verbesserungsvorschlägen zum Gesetz wieder-holt zum Ausdruck gebracht haben. So moniert bei-spielsweise der Thüringische Landkreistag in seinerStellungnahme vom 13.03.2018, also nach Kennt-nisnahme des jüngsten Änderungsantrags der re-gierungstragenden Fraktionen, dass die im Gesetz-entwurf veranschlagte Fallkostenpauschale von42,18 Euro je Antrag auf Sinnesbehindertengeld fürgehörlose Menschen völlig unzureichend sei. DerLandkreistag selbst kalkuliert hingegen mit einerMindestpauschale in Höhe von 219,55 Euro pro An-trag auf Sinnesbehindertengeld. Ich frage Sie da-her: Wie erklärt sich diese krasse Diskrepanz dererrechneten Beträge? Taugen nur die Daten derSpitzabrechnung beim Blindengeld als Grundlagefür eine Berechnung der für das Sinnesbehinder-tengeld zu erwartenden Verwaltungskosten oderbleiben die Kommunen und Landkreise auf denKosten jener Leistungen sitzen, die die Landesre-gierung zu verantworten hat, wie wir es schon an-dernorts bereits erlebt haben?

Die hierzu von der Landesregierung in der letztenSitzung des Sozialausschusses vom 15.03.2018vorgetragenen Erläuterungen waren aus unsererSicht zwar sachlich nachvollziehbar, jedoch bleibenZweifel. Wir hoffen natürlich, dass die Landesregie-rung ihrer Zusage hinsichtlich einer obligatorischenÜberprüfung der tatsächlichen Verwaltungskostenzu gegebener Zeit auch wirklich nachkommt undgegebenenfalls eine Anhebung der Fallkostenpau-schale nach oben erfolgt, sodass die ausführendenKommunen und Landkreise eben nicht auf den an-fallenden Mehrkosten sitzenbleiben.

(Beifall AfD)

Ich verspreche Ihnen, wir werden speziell die Frageder Kostenentwicklung kritisch beobachten. Auchdie Behauptung der Landesregierung, dass derVerwaltungs- und Personalaufwand für die Gewäh-rung des Sinnesbehindertengelds für gehörloseMenschen nur einmalig und zudem deutlich gerin-ger anfallen wird, harrt der Verifizierung in praxi.

Erwähnenswert und ausdrücklich zu begrüßen ist indiesem Zusammenhang, dass mit dem Änderungs-antrag das Merkzeichen Gl als entscheidendes Zu-gangskriterium definiert und so der Kreis der An-spruchsberechtigten erweitert wurde. So fand zu-mindest ein Teil der Änderungsvorschläge Eingangin den vorliegenden Regierungsentwurf. Vergessenwir bitte nicht: Blinde, gehörlose und taubblinde Mit-bürger werden diese auch wichtigen Details ver-ständlicherweise nur nachrangig interessieren. Viel-mehr erwarten die Betroffenen zu Recht unbürokra-tische Hilfe und einen angemessenen Nachteils-ausgleich im Bereich fehlender Mobilität, einge-schränkter Kommunikationsfähigkeit, sodass end-lich gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaft-lichen Leben möglich wird. Es wird in nahezu allenLebensbereichen, seien es nun Feierlichkeiten oderganz alltägliche Situationen, unterstützende Hilfebenötigt, von der persönlichen Assistenz zur Ge-währleistung einer uneingeschränkten Fortbewe-gung bis hin zum Gebärden- oder Schriftdolmet-scher, der bei Amts- und Behördengängen barriere-freie Kommunikation sicherstellen muss. Geradediese alltagsrelevanten Dolmetscherdienstleistun-gen sind erfahrungsgemäß sehr kostenintensiv, so-dass sich die geplanten zusätzlichen 100 EuroTaubblindengeld als finanzielle Unterstützungschnell erschöpfen werden. Ein Zusatzbeitrag inHöhe von 100 Euro monatlich reicht schlichtwegnicht zur Deckung des behinderungsbedingtenMehraufwands bei Blindheit oder Taubblindheit. Sogeht unsere Frage an die Regierungsfraktionen:Warum waren Sie an dieser Stelle nicht mutigerund haben das Blinden- und Taubblindengeld kon-sequent an dem realen Bedarf notwendiger Assis-tenz orientiert,

(Beifall AfD)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9701

Page 18: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

der angesichts steigender Marktpreise weit überden von Ihnen kalkulierten Beiträgen liegt? Wennes darum geht, Ihnen genehme ideologische Pro-jekte zu finanzieren, finden Sie im Thüringer Haus-halt auch immer schnell und unbürokratisch die be-nötigten Millionen.

(Beifall AfD)

Nach intensiven Diskussionen, langwierigen Anhö-rungsphasen und in Anbetracht des beträchtlichenAufwands, der in das gesamte Verfahren investiertwurde, bleibt der Gesetzentwurf aus unserer Sichtweit hinter seinen Möglichkeiten zurück. Wir hättenuns gewünscht, dass ausnahmslos alle sinnesbe-hinderten Bürger in Thüringen einen deutlich höhe-ren und an die allgemeine Preissteigerung ange-passten Nachteilsausgleich – Stichwort „Dynamisie-rung“ – erhielten und der Verwaltungsaufwanddeutlich geringer ausfällt, als der Regierungsent-wurf erwarten lässt.

In dem Zusammenhang möchte ich noch anmer-ken, dass wir nach Prüfung des eingereichten An-trags der CDU auch diesem zustimmen, weil wirglauben, dass er grundsätzlich in die richtige Rich-tung weist und wir dem zu gegebener Zeit mit eige-nen Initiativen beitreten werden.

(Beifall AfD)

Weil das Siebte Gesetz zur Änderung des Thürin-ger Blindengeldgesetzes sinnesbehinderten Perso-nen schließlich eine kleine Besserstellung gewährt,stimmen wir dem Gesetzentwurf im Interesse derBetroffenen heute zu. Vielen Dank für Ihre Auf-merksamkeit.

(Beifall CDU, AfD)

Vizepräsidentin Jung:

Für die SPD-Fraktion hat Abgeordnete Pelke dasWort.

Abgeordnete Pelke, SPD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kol-legen, auch ich begrüße alle Gäste, die schon be-grüßt worden sind und darf mich auch bei dieserGelegenheit noch mal herzlich bedanken, dassauch heute Gebärdendolmetscherinnen im Einsatzsind, um diese Debatte zu begleiten. HerzlichenDank dafür.

Lassen Sie mich ganz kurz zur direkten Vorrednerineigentlich nur einen Satz sagen. Ich bin immer wie-der verwundert, wie man sich im Ausschuss nichtbeteiligt und welche guten Ideen dann hier im Ple-num vorgetragen werden. Ich wünschte es mir an-dersrum, aber das kann ja vielleicht noch kommen.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Vielleicht gehe ich erst mal auf diesen Entschlie-ßungsantrag der CDU-Fraktion ein. Herr Zippel, alswertgeschätzter Kollege, Sie haben einiges in Rich-tung Frau Stange gesagt, was ihre Argumentatio-nen vor der rot-rot-grünen Regierung angeht, gera-de im Bereich auch der betroffenen Verbände, wasden Behindertenbereich angeht. Ja, Herr Zippel, ichstimme Ihnen zu, Regierung ist eben doch was an-deres als Opposition, und ich stelle fest: Sie lernenim Moment gerade Opposition, denn das, was Siehier vorgelegt haben, ist ein typischer Oppositions-antrag. Da hätte ich mehr erwartet und ich bin sehrenttäuscht darüber, weil wir bei dieser Thematik ei-gentlich immer verdammt gut miteinander gearbei-tet haben,

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Sie sich auch bei der Diskussion um die Verände-rungen im Blindengesetz sehr gut eingebracht ha-ben, mitgetan haben und dann bin ich doch schonsehr enttäuscht. Sie haben die Gespräche mit demBlinden- und Sehbehindertenverband Thüringen zuder Frage der finanziellen Absicherung der Bera-tungsstellen und der Landesgeschäftsstelle genauwie wir am 22. Februar geführt. Ja, wir waren auchdarüber informiert, dass Sie diese Gespräche ge-führt haben. Insofern weiß jeder, wovon man redet.Dann bin ich sehr verwundert, dass heute Morgenvon Ihnen ein solcher Antrag auf dem Tisch liegtund Sie sich nicht in der letzten Sozialausschusssit-zung oder auf anderem Wege mal über diese An-gelegenheit mit uns konkret verständigt haben.Schade.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Wer es ernst meint, hätte das getan. Das finde ichsehr bedauerlich. Nicht nur wir, die Koalition, auchich selbst habe direkt in Heiligenstadt noch mitHerrn Lindemann über die Thematik gesprochen.Wir haben von allen die Zusicherung und das Ver-ständnis dafür entgegengebracht bekommen, dasswir uns dieser Problematik genau wie Sie anneh-men. Das haben wir in den Gesprächen auch fest-gestellt und gesagt, dass Sie das auch unterstützenwerden und dass jetzt das Ministerium an dieserStelle am Arbeiten ist. Es tut mir wirklich leid, HerrZippel, dass Sie nicht immer darüber informiert wer-den, was die Ministerin und die Staatssekretärinund das Ministerium gerade tun. Tut mir sehr leid.Ich weiß aber auch nicht, wo das steht, dass sichdas Ministerium vorher mit Ihnen ins Benehmensetzen muss. Das tut mir ganz leid.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Zippel, CDU: Besser wärees mal!)

Dann sage ich, was die Frage auf Bundesebeneangeht: Ja, da gibt es noch eine andere Konstella-

9702 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Herold)

Page 19: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

tion und jetzt eine andere Regierungszusammenar-beit. Ich bin gespannt, wie intensiv wir jetzt in dieserKoalition auf Bundesebene umsetzen können, dassaus dem Bundesteilhabegesetz, was hin und herdiskutiert worden ist – Frau Stange hat es schongesagt, Frau Pfefferlein hat es schon gesagt –, et-was Vernünftiges machen bis hin zu einem Bun-desteilhabegeld, und wie sehr Sie sich dafür einset-zen und mittun. Dann haben wir etwas geschafft,was wir auf Bundesebene machen können, geradein den Bereichen zur Unterstützung von Menschenmit Behinderungen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Und ja, wir haben auch noch in Thüringen genug zutun. Wir werden uns intensiv – und das haben wirauch schon gemacht, ist ja alles nichts Neues – mitdem Thüringer Gleichstellungsgesetz beschäftigen,weiterhin selbstverständlich, darüber haben wirschon oftmals diskutiert. Natürlich müssen wir da-ran weiterarbeiten und dann kann man ja auchdurchaus überlegen, ob das eine oder andere vonIhren Themen, die Sie in diesem Entschließungsan-trag aufgeschrieben haben, möglicherweise auchEingang findet in die Diskussion oder möglicherwei-se sogar in das Gleichstellungsgesetz. Im Übrigen,was den Bereich der Digitalisierung angeht, auchda haben wir als SPD und CDU im Bundeskoali-tionsvertrag vereinbart, dass wir im Bereich der Di-gitalisierung im Rahmen des Nationalen Aktions-plans in diesem Themenfeld einen Schwerpunkt se-hen. Insofern, glaube ich, liegen wir eigentlich garnicht so weit auseinander. Ich hätte mir eine andereUmgangsweise gewünscht und ich finde es schade,dass wir das, was wir heute an Gesetzesgrundlageauf dem Tisch liegen haben, damit im Prinzip weni-ger positiv bewerten von Ihrer Seite, als es tatsäch-lich ist. Und ja, in einer Regierung, wo man auchunter haushalterischen Aspekten eins nach demanderen machen muss – Frau Pfefferlein hat daraufhingewiesen –, es werden auch nicht alle Dinge,die im Koalitionsvertrag auf Bundesebene stehen,sicherlich in einer Legislatur umgesetzt werdenkönnen. Wir müssen auch immer die Geldvariantenim Blick haben. Insofern bin ich sehr froh, was unsheute an Gesetzesgrundlage auf dem Tisch liegt.Zudem möchte ich mich jetzt auch noch mal zudem einen oder anderen Punkt äußern.

Mit der Einführung des Sinnesbehindertengelds fürgehörlose Menschen in Höhe von 100 Euro monat-lich rückwirkend zum 1. Juli 2017 schließen wir inThüringen eine Lücke beim finanziellen Nachteils-ausgleich für sinnesbehinderte Menschen. Gehörlo-se Menschen in Thüringen erfahren so eine Unter-stützung für ihre – es ist angesprochen worden –behinderungsbedingten Mehraufwendungen, wie esim Übrigen die Behindertenverbände seit Langemgefordert haben. Wir sind diesem Anliegen jetzt ge-recht geworden.

Das Sinnesbehindertengeld wird unabhängig vomEinkommen und Vermögen mit dem Ziel gezahlt,die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben für rund1.900 Thüringerinnen und Thüringer zu erhöhen.Damit helfen wir beispielsweise bei der Finanzie-rung – es ist auch schon angesprochen worden –der kostenintensiven Einsätze von Gebärden-sprachdolmetscherinnen oder Schriftsprachdolmet-scherinnen.

Wir wollen dafür Sorge tragen, dass Menschen teil-haben können, denn die individuelle Teilnahme anVeranstaltungen, der Besuch von Behörden, dieNutzung von Dienstleistungen und eine barriere-freie Kommunikation sind Ausdruck der Selbstbe-stimmung. Vor allem wollen wir mit der Einführungdieser Unterstützung die vielen Mehrbelastungen,die Betroffene und ihre Familien tagtäglich zu be-wältigen haben, anerkennen und wollen unterstüt-zen. Dafür haben wir im Landeshaushalt bis 2019zusätzlich 2,8 Millionen Euro bereitgestellt.

Heute behandeln wir diesen Gesetzentwurf in zwei-ter Lesung. Es waren eine Reihe von Anhörungenim Ausschuss für Arbeit, Soziales und Gesundheitvorausgegangen und ich möchte mich an dieserStelle noch mal ganz herzlich für die Zuschriftenund für die Beiträge von denen bedanken, die wirangehört haben. Ich glaube, wir haben einiges mit-nehmen können und den Gesetzentwurf entspre-chend geändert und im Sinne der Betroffenen ver-bessert. Ich bedanke mich auch ausdrücklich beidenen für die Diskussion im Ausschuss, die sich ander Diskussion beteiligt haben.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Ich glaube, das war eine sehr gute Grundlage fürdieses Gesetz.

Wir konnten uns für die Betroffenen einsetzen undhaben uns darauf verständigt, den Kreis der An-spruchsberechtigten – auch das ist schon gesagtworden – auf alle Menschen festzulegen, die dasMerkzeichen für Gehörlose, also Gl, im Schwerbe-hindertenausweis zuerkannt bekommen haben. Da-mit haben wir – so denke ich und auch die Kollegin-nen und Kollegen – eine eindeutige Regelung füralle hörbehinderten Menschen gefunden.

Wir vereinfachen – es ist wieder von einem Büro-kratiemonster geredet worden – damit das Antrags-verfahren. Insofern kommt dieses weniger Bürokra-tische den Bürgerinnen und Bürgern als auch denVerwaltungen selbst zugute.

Wir haben uns auch in der letzten Sitzung für dieBeibehaltung der im Gesetzentwurf vorgesehenenRegelungen zum Mehrbelastungsausgleich fürLandkreise und kreisfreie Städte verständigt. Unserscheint die von der Landesregierung dargelegteKostenberechnung nachvollziehbar. Wir haben dasim letzten Ausschuss aufgrund der vorliegenden

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9703

(Abg. Pelke)

Page 20: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Briefe der kommunalen Spitzenverbände noch malsehr deutlich diskutiert. Wir halten diese Kostenbe-rechnung für nachvollziehbar, weil die Erweiterungdes Verwaltungsaufwands für den hinzukommen-den Adressatenkreis oftmals einmalig ist und die Fi-nanzierungsströme aus unserer Sicht ausreichendsind. Jetzt haben die Kollegen von der CDU gesagt,dass sie ein Auge darauf haben werden. Selbstver-ständlich werden auch wir ein Auge darauf haben,dass alles funktioniert und dass die Berechnungs-modelle auch praxistauglich sind. Sollte das nichtsein, werden wir noch mal darüber reden, aber wirgehen davon aus, dass es so funktioniert.

Mir ist bewusst, dass mit der Einführung dieses Sin-nesbehindertengelds nicht alles abgeleistet wordenist. Darauf haben die Vorrednerinnen der Koali-tionsfraktionen schon hingewiesen. Nein, wir habennicht alle Barrieren abgebaut, wir haben nicht allesan Selbstbestimmung und Teilhabe umgesetzt, wirhaben nicht alle Hemmnisse aus dem Weg geräumt– dem ist so. Trotzdem haben wir eine erfolgreicheEntwicklung des Nachteilsausgleichs in Thüringenhinbekommen. Die Erhöhung des Blindengelds –ich will nicht erneut darauf verweisen, das hat FrauPfefferlein sehr deutlich gemacht, wer es damalsabgeschafft hat, nein, da will ich jetzt auch gar nichtmehr diskutieren – auf das Niveau des bundeswei-ten Durchschnitts von 270 Euro im Monat bzw. auf400 Euro im Monat, das haben wir hingekriegt. Wirhaben das Taubblindengeld eingeführt, 100 Euroim Monat. Wir haben auch den Nachteilsausgleichfür hörbehinderte Menschen von 100 Euro im Mo-nat umgesetzt. Damit können circa 17.000 Bürge-rinnen und Bürger bessere Teilhabe erleben und ihrMitdabeisein in der Gesellschaft erleichtern. Ich sa-ge den Begriff „stolz“ ganz selten, aber an diesemPunkt bin ich wirklich stolz darauf, was die Koalitiongemeinsam mit dem Ministerium geschaffen hat.Danke dafür.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Zum Selbstbefassungsantrag der CDU habe ichschon alles gesagt. Nur noch einen Satz dazu, wasdie finanzielle Absicherung der Beratungsstellendes Blinden- und Sehbehindertenverbands angeht;die Ministerin wird noch einiges dazu sagen. Ich fin-de, wir brauchen Lösungen und keine Appelle. Da-für setzen wir uns ein und das haben wir in den Ge-sprächen versprochen, was ich auch an dieser Stel-le hier noch mal wiederhole. Da braucht es keinenEntschließungsantrag, der morgens früh vor Beginnder Sitzung vorgelegt wird. Deshalb bitte ich Sie umZustimmung zum Gesetz in der Fassung der Be-schlussempfehlung des Ausschusses für Soziales,Arbeit und Gesundheit. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Herr Abgeordne-ter Zippel, Fraktion der CDU.

Abgeordneter Zippel, CDU:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine sehr geehr-ten Damen und Herren, wenn man diese Reden sohört und auch die Zuhörer das so hören, könntensie ja denken, die CDU-Fraktion wird dem Gesetz-entwurf nicht zustimmen. Frau Stange, Frau Pelke,vielleicht haben Sie es nicht mitbekommen, aberdie Emotionalität, die Sie in Ihre Reden legen, wür-de dies suggerieren. Aber nein, ich will es Ihnengern noch mal sagen: Die CDU-Fraktion wird demGesetz so zustimmen.

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Das habe ichnicht gesagt!)

Was Sie nicht ganz verstanden haben, ist, dass Sieeine klare Trennung herbeiführen müssen zwischendem Gesetz und unserem Antrag, den wir vorgelegthaben. Sie haben sich in einer Art und Weise ge-riert, als ob wir hier alle Leistungen abschaffen wür-den, als ob wir uns dagegengeschmissen hättenoder irgendwas. Ich sage Ihnen ganz klar: Was Siehier geäußert haben, waren bisher schlichtweg nurBefindlichkeiten. Sie haben kein einziges Wort in-haltlich zu unserem Antrag gesagt.

(Beifall CDU)

Der einzige Punkt, der Sie aufregt, ist, dass Sie er-kennen, dass das wesentliche Punkte sind, die wireingereicht haben und Sie schlichtweg inhaltlichkeine Gegenargumente finden. Ich will Ihnen dasmal an einer einzigen Stelle zusammenfassen. Ander Stelle möchte ich mich gerne darauf berufen,was Frau Pfefferlein gesagt hat. Sie sagte: Weil esunfair ist, dass wir diesen Antrag eingereicht haben,deswegen werden wir diesen Antrag ablehnen.Was ist denn das bitte schön für eine Begründung?Weil es unfair ist, dass wir einen Antrag einreichen?Es ist unser gutes Recht als Opposition, als Abge-ordnete in diesem Landtag einen Antrag einzurei-chen.

(Beifall CDU)

Weil Sie das als unfair empfinden, stimmen Sie ge-gen einen guten Antrag. Also entschuldigen Sie bit-te mal, das müssen Sie den Betroffenen draußenaber mal ganz in Ruhe erklären. Wie kann mandenn noch ferner von den Betroffenen sein als mitsolchen Argumentationen – also bei aller Liebe.

(Beifall CDU)

Und eins will ich auch noch mal klarstellen, ich willjetzt ein für allemal einen Strich darunter machen:Ja, die Abschaffung des Blindengelds war ein Feh-ler – unbenommen, das war ein Fehler. Das würde

9704 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Pelke)

Page 21: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

mit mir hier im Landtag so nicht passieren, das willich Ihnen klar und deutlich sagen. Das war ein Feh-ler und ich entschuldige mich auch jedes Mal, wennich da vor Betroffenen stehe. Aber, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren, …

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Das warenauch andere Zeiten!)

Das waren auch andere Zeiten, natürlich. Abertrotzdem war es in dem Moment sicherlich ein Feh-ler. Aber das ist 13 Jahre her, meine sehr geehrtenDamen und Herren. 13 Jahre! Sie können uns dasgern auch die nächsten 50 Jahre noch vorhalten.Aber bei aller Liebe, wir stimmen heute diesem Ge-setz zu. Wir reichen Anträge ein, die noch darüberhinausgehen, die den Betroffenen helfen wollen,die verstanden haben, was draußen die Problemesind. Da wollen Sie uns erzählen, was vor 13 Jah-ren passiert ist, dass da vielleicht manches nichtoptimal gelaufen ist.

(Beifall CDU)

Wir haben verstanden, wie die Probleme aussehen.Sie haben es nicht verstanden. Wir haben mit denBetroffenen gesprochen. Und natürlich, Sie habenzu Recht gesagt: Wir haben mit dem Blindenver-band gesprochen. Sie hätten den Antrag doch ge-nauso einreichen können. Wenn Sie die Problemegenauso wie wir vom Verband vorgelegt bekom-men, warum machen Sie denn dann keine Pro-blemlösung? Sie sind doch Abgeordnete genau wiewir. Unsere Aufgabe ist, die Probleme der Men-schen da draußen zu lösen.

(Beifall CDU)

Dann nur zu sagen, es ist unfair, dass wir den An-trag einreichen und nicht Sie – na, bitte schön, wasist denn das für eine Begründung? Bei aller Liebe.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Welcher Liebe denn?)

Die Aufgabe der Politik ist es, die Probleme zu lö-sen. Wenn Sie nicht in der Lage sind, diese Proble-me zu lösen, und sich nur ärgern, dass wir die An-träge einreichen und nicht Sie, Entschuldigung, beialler Liebe, dann ist das einfach Ihr Problem undnicht unseres. Reden Sie mit dem Blindenverband,reden Sie mit den Leuten und die werden Ihnen er-klären, wo die Probleme sind. Wenn Sie nicht in derLage sind, die Anträge einzureichen, dann ist dasIhr Problem.

Ich will auch einen Punkt noch mal kurz anspre-chen, weil gesagt wurde, ja, das Ministerium istnicht in der Pflicht, uns zu informieren. Wir könnenuns aber trotzdem als Abgeordnete auf die offiziel-len Verlautbarungen und auf die offiziellen Ausar-beitungen des Ministeriums berufen. Wenn wirdann hier die Veröffentlichungen des Ministeriums,die Richtlinie zur Förderung nichtinvestiver sozialer

Maßnahmen an Vereine und Verbände haben,dann müssen wir ganz einfach sagen, das ist An-fang März veröffentlicht worden, da findet sichnichts von dem, was angeblich hier groß angekün-digt wird. Das wäre doch Ihre Chance gewesen,das alles einzuarbeiten.

(Beifall CDU)

Das ist auch ein Grund, warum wir – wenn solcheSachen veröffentlicht werden und Probleme darinnicht gelöst werden – dann natürlich hellhörig wer-den, dass wir uns dann in die Thematik hineinver-setzen, dass wir dann Gespräche führen. Das The-ma, dass wir mit dem Blindenverband gesprochenhaben, war eins. Aber wir reden natürlich noch mitmehr Leuten. Da können Sie uns nicht vorhalten,dass wir dann einen Antrag einreichen, wenn wirihn einreichen. Sie müssen sich mit den Anträgenschon so auseinandersetzen, wie wir sie einrei-chen. Auch das kann kein Grund sein, liebe FrauPelke, einen Antrag abzulehnen. Ja, wir haben beidem Thema gut zusammengearbeitet. Wir werdenbei dem Thema, wie wir unseren Sinnesbehinder-ten im Freistaat helfen können, auch weiterhin gutzusammenarbeiten. Aber wenn Sie nicht über IhrenSchatten springen können, einem guten Antrag zu-zustimmen, der für Sie tatsächlich keinerlei inhaltli-che Unannehmlichkeiten betrifft, sondern nur Pro-bleme löst, tut mir leid, dann weiß ich nicht, an wel-cher Stelle Sie meinen, hier gut zusammenzuarbei-ten. Danke.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Als nächste Rednerin hat Abgeordnete Stange,Fraktion Die Linke, das Wort. Frau AbgeordnetePelke, ich hatte erst die Abgeordnete Stange aufge-rufen.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Gehtdoch beide vor!)

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Wir könnenauch zusammen!)

Abgeordnete Stange, DIE LINKE:

Werte Frau Präsidentin, werte Kolleginnen und Kol-legen, werte Zuhörer oben auf der Tribüne, ein inte-ressantes Thema – emotional. So ist Politik und somuss Politik auch funktionieren, im fairen Aus-tausch der Argumente.

(Beifall DIE LINKE)

Herr Zippel, ja, die Regierung und Rot-Rot-Grün istdazu da, um Probleme zu klären. Ich will es Ihnengleich noch mal erklären. Sie haben es vielleichtnoch nicht so wirklich verstanden. Sie haben sichjetzt zwar entschuldigt, dass Ihre damaligen CDU-Fraktionskollegen hier im Landtag vor 13 Jahren

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9705

(Abg. Zippel)

Page 22: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

das Blindengeld abgeschafft haben, aber wir alsRot-Rot-Grün haben angefangen, die 270 Euro, dienoch 2014 die Ausgangslage waren, langsam wie-der zu erhöhen.

(Beifall DIE LINKE)

Thüringen war das Schlusslicht beim Landesblin-dengeld. Das ist die Ausgangslage. Wir als rot-rot-grüne Koalitionsfraktionen und Regierung habenmit der Erhöhung des Landesblindengelds zum01.07. dieses Jahres die 400 Euro erreicht und sindim Mittelfeld angekommen. Dass uns das gemein-sam noch nicht reicht, haben alle Rednerinnen vormir zum Ausdruck gebracht. Es hat keiner von unshier vorn gerade gesagt, dass wir enttäuscht sind,dass Sie diesem Gesetzentwurf nicht zustimmenwürden. Nein, im Gegenteil. Wir haben das wohl-wollend, auch im Ausschuss und in der Beratung,zur Kenntnis genommen. Sie würden sich dochselbst unglaubwürdig machen, wenn Sie genau beidiesem Gesetzentwurf nicht zustimmen würden.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das machtIhr, wenn Ihr unserem Antrag nicht zu-stimmt!)

Rot-Rot-Grün klärt das, was Sie in 25 Jahren Re-gierungsverantwortung nicht hingebracht haben.Sie haben keinen Nachteilsausgleich für Gehörlosehingebracht und Sie haben auch keinen Nachteils-ausgleich für taubblinde Menschen auf den Weggebracht. Das machen die Fraktionen von Rot-Rot-Grün und diese Landesregierung. Das ist jetzt erstmal festzuhalten und festzustellen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Ich mache noch eine Bemerkung zum Thema „Ge-bärdendolmetscher“ und zur Höhe der Ausgaben:Wenn sich die Kollegen ganz rechts außen auch inHaushaltsdiskussionen in den zurückliegenden Mo-naten intensiv beteiligt hätten, hätten sie mitbekom-men müssen, dass es im Doppelhaushalt2018/2019 eine Extrahaushaltsstelle gibt, wo pers-pektivisch die Kommunikation, sprich Gebärdendol-metscherleistungen oder Schriftdolmetscherleistun-gen oder die Braillesprache, also die Übersetzungin Brailleschrift, daraus bezahlt werden sollen –700.000 Euro. Auch das ist eine Leistung, die wirals Rot-Rot-Grün bringen, die es in den Jahren zu-vor nicht gab.

(Beifall DIE LINKE)

Gehörlose oder taubblinde Menschen müssen nichtaus ihrem Nachteilsausgleich diese Gebärdendol-metschersprachleistungen oder diese Schriftleistun-gen oder die Brailleschriftleistungen bezahlen, son-dern das ist für andere Nachteilsausgleiche ge-dacht – das will ich noch mal an der Stelle sagen.

Ich bin sehr froh, dass wir heute diesen Gesetzent-wurf verabschieden.

Herr Zippel, wenn Sie als CDU-Fraktion heute hiernicht populistisch einen Aufschlag hätten machenund uns diesen Gesetzentwurf hätten kleinredenwollen,

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Das ist ei-ne Unterstellung!)

dann hätten Sie im Sozialausschuss genau zu die-ser Thematik einen Selbstbefassungsantrag ge-schrieben.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: StimmenSie doch zu!)

Dann hätten wir darüber gesprochen, wie wir ganzoft über Ihre Anträge im Ausschuss reden. Ich binglücklich, dass wir den Gesetzentwurf in wenigenMinuten verabschieden werden.

(Beifall DIE LINKE)

Ich bin stolz, dass das Rot-Rot-Grün hinbekommenhat. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Als nächste Rednerin hat Frau Pelke, Fraktion derSPD, das Wort.

Abgeordnete Pelke, SPD:

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Werter Herr Zip-pel, erst mal herzlichen Dank dafür, dass Sie andieser Stelle hier am Rednerpult offen eingestehen,dass aus Ihrer Sicht die Abschaffung des Blinden-gelds ein Fehler war. Es ist nämlich nicht alltäglich,dass man zu solchen Dingen steht und die laut aus-spricht. Ich selbst habe das ja in Sachen Hartz IVbei der gestrigen Diskussion gemacht. Aber ichglaube, so was zeichnet dann auch jemanden aus,wenn man sich neue Gedanken darüber macht undauch dazu steht, einen Fehler gemacht zu habenund den dann auch versucht, zu verändern.

Wenn ich jetzt Ihnen gegenüber böse sein wollte,dann würde ich sagen: Wahrscheinlich mussten Sieauf die Schnelle diesen Entschließungsantrag ma-chen, weil es Sie ärgert, was die Koalitionsfraktio-nen, die Koalitionsregierung im Bereich „Blinden-geld, Taubblindengeld und Gehörlosengeld“ aufden Weg gebracht hat. Aber ich bin sehr ungernböse zu Ihnen, deshalb habe ich es jetzt einfachmal nur so gesagt. Wenn Sie dann auf Ihren so un-heimlich guten Entschließungsantrag kommen,dem eigentlich alle zustimmen müssten, dann willich jetzt noch mal sagen: Sie haben keinen Lö-sungsansatz vorgegeben, sondern Sie haben einenAppell festgeschrieben. Etwas anderes ist es nicht.

9706 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Stange)

Page 23: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Es steht da: „Der Landtag fordert die Landesregie-rung auf, 1. zeitnah Lösungsmöglichkeiten für einefinanzielle Absicherung der Beratungsstellen undder Landesgeschäftsstelle des Blinden- und Sehbe-hindertenverbands Thüringen e. V. zu finden undumzusetzen“. Das ist keine Lösung Ihrerseits, dasist eine Aufforderung an die Landesregierung. Wirhaben Ihnen jetzt ständig erklärt, dass genau die-ses schon passiert und dass darüber auch die Be-troffenenverbände informiert sind.

(Zwischenruf Abg. Meißner, CDU: Lesen Siemal die Begründung!)

Nun hören Sie doch erst mal zu, was die Ministerinzu sagen hat, was ihr Aufgabenfeld ist und was siein dieser Richtung tut. Die Behinderten- und Betrof-fenenverbände jedenfalls haben uns zugesichert,dass sie mit dieser Variante leben können. Wir neh-men uns des Themas an und jetzt werden Lö-sungsansätze vom Ministerium erarbeitet, die eineandere Struktur als bislang haben, das haben Sie jaselbst geschildert. Es geht um die Finanzierungnicht nur durch die Stiftung. Das ist eine andere Va-riante und jetzt muss es neue Möglichkeiten gebenund für die werden wir Sorge tragen.

Ich bleibe dabei: Das, was Sie gemacht haben, sindAppelle und keine Lösungen. Das brauchen wir ge-rade nicht. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Aus den Reihen der Abgeordneten liegen mir jetztkeine Wortmeldungen mehr vor. Frau MinisterinWerner, Sie haben das Wort für die Landesregie-rung.

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, ich habe mich natür-lich auch darauf gefreut, heute vor allem unserenGesetzentwurf mit Ihnen gemeinsam noch mal dis-kutieren zu können, der, das muss man sagen, eingroßer Schritt für Menschen mit Sinnesbehinderunghier in Thüringen ist. Bevor ich darauf noch mal ein-gehen werde, möchte ich natürlich gern auch aufden Entschließungsantrag eingehen. Ich will aberauch zunächst sagen, dass man, wenn man bösar-tig wäre – das sind wir natürlich nicht –, wirklich denEindruck gewinnen könnte, dass man hier einenGesetzentwurf, der wirklich ein Meilenstein für sin-nesbehinderte Menschen in Thüringen ist, schlecht-reden will. Ich glaube, das ist nicht so. Genau wieich wissen Sie natürlich, wenn man die sinnesbe-hinderten Menschen am Anfang der Legislatur ge-fragt hat, was das Problem ist, was sie am meistenbewegt, wo sie eine Lösung brauchen und wo sie

wirklich in der Teilhabe am allermeisten behindertsind, dann haben diese gesagt – zumindest habensie mir das gesagt –, dass es darum geht, endlichwieder das Landesblindengeld anzuheben, undzwar auf den Bundesdurchschnitt, für taubblindeMenschen hier endlich eine Lösung zu finden undauch Gehörlose in das Sinnesbehindertengeld ein-zubeziehen. Das waren die Aufträge, die wir vonden betroffenen Menschen am Anfang der Legisla-tur bekommen haben. Diese haben wir mit diesemGesetzentwurf jetzt endgültig umgesetzt.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Aber ich kann Sie auch verstehen, es geht ja umTeilhabe. Wir reden heute über Teilhabe und Siesehen zum einen, welche Baustellen uns die ver-gangenen Regierungen hinterlassen haben. Sie se-hen, was wir in den letzten drei Jahren alles aufden Weg gebracht haben, um hier die Teilhabe fürMenschen mit Behinderungen zu verbessern, umhier die UN-BRK tatsächlich auch umzusetzen. Siewollen teilhaben, deswegen haben Sie diesen Ent-schließungsantrag gestellt, der Dinge benennt, diewir natürlich derzeit im Ministerium auch prüfen, andenen wir arbeiten. Dazu sage ich auch gleich nochetwas. Aber insofern verstehe ich das. Man möchtegern dazugehören, Sie möchten eigentlich auchTeil dieser Regierung sein, die sich wirklich fürMenschen mit Behinderung einsetzt,

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Teilhaben,einfach nur teilhaben!)

anders als Sie das leider in den letzten Jahren ge-macht haben. Insofern habe ich zumindest mensch-lich, wie gesagt, sehr großes Verständnis.

Lassen Sie mich kurz zum EntschließungsantragFolgendes sagen: Frau Meißner, ich habe es schongesagt, es gibt natürlich eine ganze Menge Bau-stellen, die wir vorgefunden haben, wenn es um dieTeilhabe von Menschen mit Behinderungen geht.Wir arbeiten diese Baustellen kontinuierlich ab. Ichwerde jetzt eine ganze Reihe von Dingen benen-nen, wo es eben um Teilhabe, um ehrenamtlichesEngagement – um dies für Menschen mit Behinde-rungen umzusetzen – geht. Es kann sein, dass ichaus der Fülle der Dinge, die wir auf den Weg ge-bracht haben, etwas vergesse. Aber lassen Siemich das an der einen oder anderen Stelle zumin-dest beispielhaft benennen.

Zum einen will ich auf den Maßnahmenplan zurUmsetzung der UN-BRK eingehen. Es gab schoneinen Maßnahmenplan hier in Thüringen. Sie wis-sen auch, wir haben evaluieren lassen, wie Men-schen empfunden haben, dass ihre Teilhabe an derUmsetzung des Maßnahmenplans gesichert wurde,dass gefragt wurde, sind die Ergebnisse, die jetztvorgelegt wurden, tatsächlich die Ergebnisse, die

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9707

(Abg. Pelke)

Page 24: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Menschen mit Behinderungen so auch formulierenwürden oder auch als richtig empfinden würden.Deswegen haben wir eine ganz neue Methode ge-funden, um Menschen mit Behinderungen bei derErarbeitung des Maßnahmenplans mit einzubezie-hen. Wir haben zum Beispiel die Arbeitsgruppen,die jetzt getagt haben, natürlich mit einem Men-schen aus der Verwaltung, der das koordiniert.

Es gab einen Co-Vorsitz aus den Reihen der Zivil-gesellschaft, um zu verhindern, dass Vorschläge,die aus den Reihen der Zivilgesellschaft, die auchvon den Menschen mit Behinderungen kommen,vielleicht herunterfallen, nicht berücksichtigt wer-den, um auch sicherzustellen, dass die Menschenan diesem Prozess kontinuierlich teilhaben können.Wir haben auch beschlossen – und das ist andersals beim letzten Maßnahmenplan –, dass wir dieArbeitsgruppen weiter tagen lassen, nicht, wie esbeim letzten Maßnahmenplan gewesen ist, wodann die Arbeitsgruppen nicht mehr tagten unddann nur die Verwaltung die Maßnahmen umge-setzt hat oder auch nicht.

Die Arbeitsgruppen werden weiter kontinuierlich ta-gen. Das gibt die Möglichkeit zu überprüfen, wie dieMaßnahmen umgesetzt werden. Es gibt auch dieMöglichkeit zu überprüfen, ob an der einen oder an-deren Stelle nachgesteuert werden muss. Wir un-terstützen das Ganze natürlich, und es ist – FrauStange hat es schon benannt – eine hohe Summe,die dafür im Haushalt eingestellt ist. Wir unterstüt-zen das mit der entsprechenden Assistenz, wasGebärdensprache angeht. Wir wollen zukünftig inleichter Sprache hier viel mehr Menschen unterstüt-zen, die kognitive Einschränkungen haben. Wirwerden entsprechend den Maßnahmenplan inleichter Sprache veröffentlichen, er soll auch im Au-dioformat veröffentlicht werden. Wir wollen so denMenschen ermöglichen, gemeinsam mit uns zuschauen, welche Maßnahmen wirken, welche Maß-nahmen nicht wirken, um hier für Menschen mit Be-hinderungen Teilhabe in Thüringen tatsächlich um-zusetzen.

Natürlich gehört zu den Maßnahmen auch, wieehrenamtliches Engagement für Menschen mit Be-hinderungen, wie Partizipation sichergestellt wer-den kann. Da gibt es ganz viele Maßnahmen, diejetzt neu erarbeitet wurden. Wir werden uns imHerbst gemeinsam diesen Maßnahmenkatalog an-schauen. Er soll, wenn ich es richtig verstanden ha-be, auch im Landtag beschlossen werden. Wir wer-den uns auf jeden Fall im Kabinett damit auseinan-dersetzen. Es ist auch neu, dass sich das Kabinettjährlich mit der Umsetzung des Maßnahmenplansbeschäftigt, dass die Ressorts Rechenschaft able-gen müssen, wie sie die Aufgaben, die ihnengestellt wurden, umgesetzt haben. Das ist neu unddaran wollen wir uns messen lassen. Wie gesagt,es sind 140 neue Maßnahmen, die jetzt erarbeitetwurden. Ich freue mich schon auf die Fachtagung

und auf die gemeinsame Verabschiedung diesesMaßnahmenplans.

Frau Stange hat es schon gesagt, wir haben fürBarrierefreiheit im neuen Haushalt 700.000 Euroeingestellt. Das ist eine hohe Summe und die darfman auch nicht kleinreden. Da geht es genau umdiese Forderung, die Sie hier mit gestellt haben, zuprüfen, wie sich Menschen mit Sinnesbehinderun-gen – aber es geht natürlich um alle Menschen mitBehinderungen – ehrenamtlich einbringen können.Dazu gehört Kommunikation, dazu gehört, dassman sich verständigen kann, dass man sich ein-bringen kann. Deswegen sind diese Gelder, die fürBarrierefreiheit im umfassendsten Sinne bereit-gestellt werden sollen, ein großes und ein wichtigesMittel, um hier Barrierefreiheit zu ermöglichen unddie ehrenamtliche, die politische Partizipation zu er-öffnen.

Wir sind zurzeit in der Ressortabstimmung, wasdas Thüringer Gesetz zur Gleichstellung von Men-schen mit Behinderungen angeht. Da wird es vieleVerbesserungen für diese Menschen geben. Unteranderem – und das wissen Sie – haben wir imHaushalt auch Gelder eingestellt, um hauptamtlicheBehindertenbeauftragte in den Landkreisen undKommunen zu finanzieren, weil es natürlich not-wendig ist, dass sich die Menschen vor Ort infor-mieren können, dass sie die entsprechende Bera-tung bekommen, aber natürlich auch, dass die Inte-ressen, die die Menschen haben, die Barrieren, diesie immer wieder empfinden, dass sie diese vor Ortauch einbringen können, dass das Teil des politi-schen Prozesses in den Kommunen, in den Land-kreisen und in den Städten wird. Wir freuen uns,wenn wir dann das Gesetz verabschieden können.Das ist ja leider in der letzten Legislatur aufgrundhaushalterischer Unstimmigkeiten nicht gelungen.Auch das wird ein wichtiger Beitrag sein, die Partizi-pation von Menschen mit Behinderungen und ihreEinflussnahme zu verbessern.

Als Nächstes möchte ich ein weiteres Beispiel an-führen: Sie wissen, es gibt eine Förderrichtlinie, umArztpraxen im ländlichen Raum zu ermöglichen.Das ist eine Investitionsrichtlinie, um den Ärztinnenund Ärzten, die sich im ländlichen Raum niederlas-sen, entsprechend auch Investitionsmittel zur Ver-fügung zu stellen – also ein Anreiz. Wir haben dieRichtlinie so verändert, dass es jetzt auch möglichist, Investitionsmittel für Barrierefreiheit zu beantra-gen, um für Arztpraxen, die noch nicht barrierefreisind, zumindest eine Anschubfinanzierung zu ha-ben oder einen Beitrag zu haben, um Barrierefrei-heit in Arztpraxen zu ermöglichen.

Ein Nächstes, was wir angehen, ist natürlich zuschauen, wie die Beratungsangebote für Menschenmit Behinderungen insgesamt in Thüringen verbes-sert werden können. Herr Zippel hat unsere Richtli-nie angesprochen. Was Sie aber überhaupt nicht

9708 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Ministerin Werner)

Page 25: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

gesagt haben ist, dass a) für die Richtlinie jetzt si-gnifikant mehr Geld im Haushalt eingestellt ist unddass b) die Richtlinie geöffnet wurde, damit allenMenschen mit Behinderungen, egal welcher Behin-derung, entsprechende Beratungsangebote ermög-licht werden können. Wir haben Sie also geöffnet.Bisher war das nur eine Beratungsrichtlinie fürMenschen mit Sinnesbehinderungen. Jetzt könnenauch Menschen mit anderen Behinderungen, zumBeispiel Körperbehinderungen oder mit kognitivenEinschränkungen, entsprechende Beratungsange-bote wahrnehmen. Das ist, denke ich, etwas, wasunheimlich wichtig ist für Thüringen. Das ist auchetwas, was uns die Betroffenen gespiegelt haben,dass diese Richtlinie geöffnet werden muss. Dashaben wir getan. Ich freue mich, wenn es dannauch mehr Beratungsstellen geben wird.

Vizepräsidentin Jung:

Frau Ministerin, gestatten Sie eine Zwischenfrageder Abgeordneten Meißner?

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Ja.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Vielen Dank, Frau Ministerin. Darauf möchte ichkonkret noch einmal eingehen und frage: HabenSie eine Anhörung zu dieser neuen Richtlinie oderder Neufassung der Richtlinie durchgeführt? Wennja: Sind Anregungen des Blinden- und Sehbehin-dertenverbands Thüringen in die neue Richtlinieaufgenommen worden?

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Es wurde natürlich eine Anhörung durchgeführt. Ichkann jetzt nicht sagen – das habe ich jetzt wirklichnicht im Blick –, welche verschiedenen Verbändesich da zurückgemeldet haben. Ich weiß jetzt vorallem, dass es Menschen mit Behinderungen wa-ren, die bisher von der Beratungsrichtlinie nicht be-rücksichtigt wurden, dass die das sehr begrüßt ha-ben, dass das nun endlich auch möglich ist. Ichglaube, es geht darum, dass wir jetzt nicht ver-schiedene Behinderungsarten gegeneinander aus-spielen, sondern dass wir uns für alle öffnen. Ge-nau das leistet diese Richtlinie, sich allen Men-schen mit Behinderungen zu öffnen und entspre-chende Beratungsangebote zu ermöglichen.

(Beifall DIE LINKE)

Was jetzt den Blinden- und Sehbehindertenverbandangeht, ist das natürlich auch für uns kein neuesProblem. Es wurde sich an die Fraktionen, aberauch an das Ministerium gewandt. Wir haben jetzt

gemeinsam darauf geschaut, wie durch eine neueFinanzierung, die es vom Bund gibt, nämlich dieunabhängige, ergänzende Teilhabeberatung, be-stimmte Beratungsstellen des Blinden- und Sehbe-hindertenverbands Mittel erhalten können. Da sindverschiedene Beratungsstellen des Blinden- undSehbehindertenverbands berücksichtigt – ich habejetzt die genaue Zahl nicht dabei –, aber dadurchgibt es natürlich mehr Mittel für diesen Verband undauch eine Ausweitung der Beratungsstellen. Das isteine Bundesfinanzierung, die auf mindestens36 Monate angelegt ist und verlängert werden soll.Es ist eine hohe Summe, wo auch Sachmittel zurVerfügung stehen. Wir haben gesagt, dass wir erst,wenn wir wissen, welche Beratungsstellen des Blin-den- und Sehbehindertenverbands berücksichtigtsind – wir werden erst in diesem Monat die endgül-tigen Rückmeldungen dazu bekommen –, schauen,wie wir die anderen Beratungsstellen sichern kön-nen. Dazu sind wir gemeinsam im Gespräch.

Es wurde noch nach der EU-Richtlinie zum barrie-refreien Zugang zu Webseiten usw. gefragt. Daskann ich Ihnen jetzt leider nicht genau berichten,weil das in der Verantwortung der TSK liegt, dieTSK koordiniert sozusagen die Umsetzung derRichtlinie. Da laufen Gespräche auf Arbeitsebene.Insofern können Sie zumindest davon ausgehen,dass das im Fluss ist und dass wir uns damit ausei-nandersetzen.

Ich denke, jetzt habe ich Ihren Entschließungsan-trag abgearbeitet und konnte deutlich darauf hin-weisen, dass es des Antrags nicht braucht. Wir ar-beiten an diesen Prozessen. Die sind ja zum Teilauch schon abgearbeitet, weil sie zumindest imHaushalt finanziell untersetzt sind.

Lassen Sie mich jetzt zu dem kommen, was Betrof-fene, also Menschen mit Sinnesbehinderungen inThüringen, heute am allermeisten bewegt, dasszum einen jetzt endlich auch für gehörlose Men-schen ein entsprechender Nachteilsausgleich ein-geführt wird, aber auch, dass wir das Landesblin-dengeld stufenweise erhöht haben. Für die blindenMenschen wird jetzt ab Januar dieses Jahres end-lich das Blindengeld auf 400 Euro angehoben sein.

(Beifall DIE LINKE)

Das ist, glaube ich, ein wichtiges Zeichen für blindeMenschen, aber natürlich auch ein Zeichen dafür,dass es Rot-Rot-Grün ernst meint damit, tatsächlichNachteilsausgleiche zu schaffen. Wir haben auchein Geld für taubblinde Menschen eingeführt. Dieseerhalten zusätzlich 100 Euro. Das war, denke ich,dringend notwendig, weil diese natürlich einen er-heblichen Mehraufwand haben und insofern Teilha-be dadurch erst ermöglicht wird.

Wir waren auch durch den Koalitionsvertrag beauf-tragt, zu prüfen, inwiefern ein Gehörlosengeld ein-geführt werden kann. Dieses Gesetz haben wir ein-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9709

(Ministerin Werner)

Page 26: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

gebracht. Wir wollen damit einen Nachteilsaus-gleich für gehörlose Menschen von 100 Euro proMonat einführen und dies rückwirkend zum 1. Juli2017. Wir hätten uns natürlich auch gewünscht –das hat Frau Pfefferlein oder Frau Pelke schon an-gesprochen –, dass es einen Nachteilsausgleich füralle Menschen mit Behinderungen gibt. Das warlange Zeit, als es um die Erarbeitung des Bundes-teilhabegesetzes ging, auch Thema, einen Nach-teilsausgleich für Menschen mit Behinderungen ein-zuführen. Das ist leider nicht passiert, so wie einigeDinge leider nicht im Bundesteilhabegesetz gelöstwurden. Aber zumindest haben wir als Landesre-gierung gemeinsam mit den Koalitionsfraktionendiesen Gesetzentwurf jetzt hier vorliegen. Es ist,denke ich, ein Meilenstein für Menschen mit Behin-derungen. Ich bin froh, dass so aus diesem Lan-desblindengeldgesetz nun ein Sinnesbehinderten-geldgesetz wird. Das ist angemessen, weil Men-schen mit Sinnesbehinderungen einen erheblichenMehraufwand haben zu kommunizieren. Kommuni-kation ist fast das Wichtigste auf der Welt, um teil-haben zu können.

Ich will noch ganz kurz auf den Änderungsantrageingehen, den die Koalitionsfraktionen dankenswer-terweise gestellt haben. Der ist das Ergebnis einerAnhörung hier im Landtag. Wir haben, als wir unse-re Anhörung mit den Verbänden durchgeführt ha-ben, gute und positive Rückmeldungen bekommen.Das Problem mit der Definition, die wir in unseremGesetz hatten, dass wir uns an der Versorgungs-medizin-Verordnung orientiert haben und dadurchhier in Thüringen bestimmte Menschen aus demNachteilsausgleich fallen würden, ist leider erst inder Anhörung im Landtag öffentlich geworden oderan uns herangetragen worden. Insofern bin ichsehr, sehr froh, dass die Koalitionsfraktionen diesenÄnderungsantrag gestellt haben. Im vorliegendenAntrag sind nun alle hörbehinderten Menschen mitdem zuerkannten Merkzeichen Gl in den Kreis derAnspruchsberechtigten einbezogen. Es wurde auchschon gesagt: Damit wird sich der Verwaltungsauf-wand für die Kommunen erheblich verringern. Wirwerden auch das umsetzen, was wir im Ausschussversprochen haben, dass wir uns anschauen, wieder Verwaltungsaufwand dann tatsächlich ist, ob eswirklich höheren Verwaltungsaufwand gibt. Wirglauben nicht, dass es wirklich so sein wird. Dashaben wir im Ausschuss sehr ausführlich dargelegt,aber wir werden das evaluieren, wie wir das ver-sprochen haben.

Insofern herzlichen Dank vor allem an die Koali-tionsfraktionen für die Einbringung dieses Ände-rungsantrags. Ich glaube, es ist ein großer Schritt,den wir zur Teilhabe von Menschen mit Behinde-rung in Thüringen gegangen sind. Ich freue michnatürlich auch auf die gemeinsame Arbeit an denanderen Dingen, die wir jetzt noch umzusetzen ha-ben. Herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine weitere Wortmeldung. Frau Abgeord-nete Meißner, Fraktion der CDU.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Frau Ministerin, vielen Dank für die Ausführungen.Ich denke, ich darf mich da auch im Namen der Be-troffenen bedanken, die sehr gern hören, dass dieLandesregierung in diesem Bereich tätig wird. Aberich bin jetzt noch mal hier nach vorn gegangen, weiles tatsächlich einen Bereich gibt, bei dem ich ehr-lich gesagt enttäuscht bin, dass Sie so wenig Wortedazu verloren haben, nämlich zu Punkt c) unseresAntrags, die Umsetzung der EU-Richtlinie desEuropäischen Parlaments und des Rates vom26. Oktober 2016 über den barrierefreien Zugangzu den Websites und mobilen Anwendungen öffent-licher Stellen. Die Landesregierung ist verpflichtet,dies bis September dieses Jahres in Landesrechtumzusetzen. Wir haben dazu im Dezember vergan-genen Jahres einen Antrag hier im Plenum einge-bracht, um dieses Thema auf die Tagesordnung zuheben. Dieser Antrag ist abgelehnt worden. Jetzthabe ich gehofft, dass man seitens der Landesre-gierung arbeitet und uns zumindest bei diesem Ent-schließungsantrag Neuigkeiten mitzuteilen hat.Aber Frau Ministerin, wenn ich höre, Sie könnendazu nichts sagen, weil die zuständige Stelle dieThüringer Staatskanzlei ist und dort das Verfahrenumgesetzt wird, dann muss ich sagen, das ist zuwenig und das kann es auch vor dem Hintergrund,dass die Betroffenen wirklich auf Teilhabe in die-sem Bereich angewiesen sind und darauf auchschon viel zu lange warten, nicht sein.

(Beifall CDU)

Deswegen, muss ich ehrlich sagen, kann ich dasjetzt nicht so stehen lassen und will auch noch maldarauf verweisen, was Inhalt dieser Richtlinie ist.Inhalt ist, dass die Barrierefreiheit als Vorausset-zung für eine gleichberechtigte Teilhabe verpflich-tend umzusetzen ist, dass dazu ein wirksamesÜberwachungs- und Durchsetzungsverfahren ge-schaffen wird und dazu letztendlich auch entspre-chende Regelungen im Landesrecht zu finden sind.Da hätte ich jetzt schon gern mal gehört, wo dieseunabhängige Überwachungsstelle bei der Landes-regierung ist, welche Schritte sie eingeleitet hat, aufwelchem Stand die Homepages der Landesregie-rung sind, wie man Barrierefreiheit bereits umge-setzt hat und wie die Menschen mit BehinderungZugang zu Informationen, beispielsweise zu diesemSinnesbehindertengeld, bekommen. Deswegenkann ich an dieser Stelle nur sagen: Liebe Frau Mi-nisterin, sorgen Sie dafür, dass dieses Thema erns-ter genommen wird als bisher. Vielleicht wäre es

9710 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Ministerin Werner)

Page 27: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

sinnvoller gewesen, sich mit den Ministerien besserzu vernetzen, dann hätte nämlich dieses Themaauch schon Niederschlag in der Digitalisierungs-strategie der Landesregierung gefunden, wo sichdazu kein Wort findet. Vielen Dank.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Ich sehe jetzt keine weiteren Wortmeldungen. Dannkommen wir zur Abstimmung über den Gesetzent-wurf. Zunächst stimmen wir über die Be-schlussempfehlung des Ausschusses für Soziales,Arbeit und Gesundheit in der Drucksache 6/5439ab. Wer dieser Beschlussempfehlung zustimmt,den bitte ich um das Handzeichen. Das sind alleFraktionen des Hauses. Gegenstimmen? Stimm-enthaltungen? Das kann ich nicht erkennen. Dannist die Beschlussempfehlung einstimmig angenom-men.

Wir stimmen über den Gesetzentwurf der Landes-regierung in Drucksache 6/4802 in zweiter Bera-tung unter Berücksichtigung des Ergebnisses derBeschlussempfehlung ab. Wer dem zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. Das sind alle Frak-tionen des Hauses. Gegenstimmen? Stimmenthal-tungen? Das kann ich nicht erkennen. Damit ist derGesetzentwurf einstimmig beschlossen.

Wir kommen zur Schlussabstimmung. Ich bitte, sichvon den Plätzen zu erheben, wer dem Gesetzent-wurf die Zustimmung erteilt. Das sind alle Fraktio-nen des Hauses. Gegenstimmen? Keine. Stimm-enthaltungen? Auch keine. Damit ist der Gesetzent-wurf in der Schlussabstimmung einstimmig ange-nommen.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Wir kommen zur Abstimmung über den Entschlie-ßungsantrag. Herr Abgeordneter Emde?

Abgeordneter Emde, CDU:

Frau Präsidentin, bitte in namentlicher Abstimmung.

Vizepräsidentin Jung:

Es ist keine Ausschussüberweisung beantragt, des-wegen stimmen wir in namentlicher Abstimmungüber den Entschließungsantrag ab. Ich eröffne dieAbstimmung.

Hatten alle Gelegenheit, ihre Stimme abzugeben?Ich schließe die Abstimmung und bitte um Auszäh-lung.

Ich darf Ihnen das Ergebnis bekannt geben. Es sind87 Abgeordnete anwesend, es wurden 81 Stimmenabgegeben. Mit Ja stimmten 37, mit Nein 44 (na-mentliche Abstimmung siehe Anlage 1). Damit ist

der Entschließungsantrag der Fraktion der CDU ab-gelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt. Bevor ichden nächsten Tagesordnungspunkt aufrufe, möchteich noch bekannt geben, dass sich die AbgeordneteDr. Iris Martin-Gehl sowohl für die gestrige als auchfür die heutige Plenartagung entschuldigt hat, damitdas im Protokoll vermerkt wird.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 5

Thüringer Gesetz zur Aufhe-bung von Maßnahmen der ge-schlechterpolitischen Sprach-manipulation im Bereich deröffentlichen VerwaltungGesetzentwurf der Fraktion derAfD- Drucksache 6/4916 -ZWEITE BERATUNG

Ich eröffne die Beratung. Das Wort hat Abgeordne-te Herold, Fraktion der AfD.

Abgeordnete Herold, AfD:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, liebe Besucher aufder Tribüne und Zuschauer im Netz, unser Gesetz-entwurf zielt darauf, der Erzwingung eines ideolo-gisch motivierten und für unsere Sprachkultur ver-derblichen Sprachgebrauchs im Bereich der Ver-waltung ein Ende zu machen. Die sogenannte ge-schlechtergerechte Sprache dient nämlich keines-wegs der Gleichberechtigung von Frauen oder derÜberwindung von Diskriminierung. Wenn auch dieBefürworter staatlicher Sprachsteuerung immer undimmer wieder das Gegenteil behaupten, das gram-matische Geschlecht, das Genus, ist vom biologi-schen Geschlecht, dem Sexus, schlicht und einfachverschieden. Es gibt keine irgendwie kausalen Zu-sammenhänge zwischen beidem. Tatsächlich alsoist der Umstand, dass der Staat einen bestimmtenund sprachlich überwiegend widersinnigen Sprach-gebrauch durchzusetzen trachtet, ein Indiz dafür,dass es weniger um Gleichberechtigung als viel-mehr um die Durchsetzung einer ideologischenDoktrin durch den Staat geht. Um eine entspre-chende Politik der Bevormundung durchzusetzen,wiederholen die Vertreter von Rot, Grün und Dun-kelrot immer und immer wieder dieselben Kli-schees. Das konnten wir in der ersten Lesung desGesetzentwurfs verfolgen. Zu den Klischees gehörtetwa die auch von Frau Stange hier wieder aufge-tischte Behauptung, unsere Sprache diskriminiereFrauen. Da darf ich einmal auf eine empirische Stu-die verweisen, auf eine Studie von Frau Julia Wesi-an. Ich ziehe diese Studie heran, weil Frau Wesiandie sogenannte geschlechtergerechte Sprache be-fürwortet. Frau Wesian ist nun in ihrer wissen-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9711

(Abg. Meißner)

Page 28: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

schaftlichen Arbeit, die allerdings keine repräsenta-tiven Ergebnisse präsentieren kann, auch der Fra-ge nachgegangen, ob Frauen sich durch sogenann-te männliche Formulierungen diskriminiert fühlen,also ob sie sich etwa durch den Gebrauch des ge-nerischen Maskulinums zurückgesetzt fühlen. Sie-he da, 82,4 Prozent der Probandinnen gaben an,sich noch nie durch solche Formulierungen diskri-miniert gefühlt zu haben. Etwa ebenso groß ist derAnteil der befragten Frauen, die angaben, dass sienoch nie gezweifelt haben, ob sie auch angespro-chen sind, wenn zum Beispiel das generische Mas-kulinum verwendet wird. Die Argumente, die immerwieder ins Feld geführt werden, um die sprachpoliti-schen Diktate zu rechtfertigen, erweisen sich beinäherem Hinsehen mithin als ideologische Erzäh-lungen. Das zentrale Dogma von den Frauen alsdiskriminierten Opfern entbehrt doch längst jederGrundlage und stellt auch eine Beleidigung all derFrauen dar, die heute unter Bedingungen derGleichberechtigung ihren Weg gehen und sich nichtvorschreiben lassen wollen, was sie zu denken undwas sie zu tun haben. Es ist einfach nicht glaubwür-dig, diese alte Leier immer und immer wieder zubedienen.

Wie sieht es denn tatsächlich aus? Seit Langemschon besuchen Mädchen im Vergleich zu Jungenüberdurchschnittlich oft Schulen, die zu einem hö-heren Schulabschluss führen. Bei den Hochschul-abschlüssen liegen die Frauen ebenfalls vor denMännern. Das humanmedizinische Studium wird zuzwei Dritteln von Frauen absolviert, im Bereich derVeterinärmedizin ist der Frauenanteil noch höher,da sind Männer Mangelware. Das trifft übrigensauch für das zahnmedizinische Studium zu. Insge-samt muss man sagen, es sind Jungs und jungeMänner, die durch die politische Fokussierung aufFrauen und Mädchen unter anderem zu Bildungs-verlieren werden. Und weiter: Männer sind häufigerschwer erkrankt, verunglücken deutlich öfter, vor al-lem in der Arbeitswelt und vor allem gerade da, wodie frauenbewegten Damen sich vorrangig über-haupt nicht blicken lassen, nämlich in den Eckender Arbeitswelt, in denen es schmutzig zugeht, indenen Körperkraft verlangt wird und diese Tätigkei-ten gefahrgeneigt sind.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Das ist eine Frechheit!)

Ja, da können Sie kreischen, so oft Sie wollen, ichwerde das noch öfter erzählen.

(Beifall AfD)

Männer sind viel öfter von Obdachlosigkeit betrof-fen als Frauen. Sie werden viel häufiger Gewaltop-fer, einerseits durch Männer, aber andererseitsauch durch Frauen, wie wir letztens hier diskutierendurften. Die Liste der Benachteiligungen für Männerließe sich beliebig fortsetzen; sie bildet sich nochlange nicht im Sprachgebrauch ab. Es wäre übri-

gens auch mal ein Gerechtigkeitsprojekt, zu sagen,überall da, wo Männer Opfer sind, dies auch ganzbesonders zu kennzeichnen.

(Beifall AfD)

Das Bild von der Frau als Opfer, die Frau in der Op-ferrolle, das ist ein Schwindel.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Was ist denn in dem Wasser drin?)

Warum aber pflegen die Kollegen von Rot-Rot-Grün dieses Dogma und belegen es, wie man hierschon wieder erkennen kann, belegen diese Dis-kussion mit einem Tabu? Weil sie politisches Kapi-tal daraus schlagen wollen.

(Beifall AfD)

Es geht um zweierlei: Die rot-rot-grünen Koalitio-näre wollen sich zum einen als Retter und Anwälteder Frauen aufspielen, natürlich nur da, wo mandas gefahrlos machen kann. Auf der Straße, beiMesserattacken und anderen unangenehmen Gele-genheiten spielt es keine Rolle, dass die Frauen zuOpfern werden.

(Beifall AfD)

Ich kann dazu nur feststellen: Die Frauen in diesemLand sind durchaus mündig und selbstständig undmüssen überhaupt nicht gerettet werden, schon garnicht durch solche Retter und Anwälte. Wir könnenunsere Angelegenheiten selbst regeln.

(Beifall AfD)

Vor allem brauchen wir keine Sprachvorschriften fürFortkommen und für unseren Platz in der Gesell-schaft.

Die Sprachpolitik dient aber auf der anderen Seiteauch schlicht der obrigkeitlichen Machtausübung,das heißt der Durchsetzung einer bestimmten Dok-trin und der Ausgrenzung missliebiger Positionen.Das wurde bei der ersten Beratung in dankenswer-ter Klarheit von Frau Rothe-Beinlich auch knallhartgesagt, dass Sprache ein Instrument der Machtaus-übung und auch des Ausschlusses sei. Das heißt,ich kann mit diesen dauernden Unterstrichgen-dersternchen und so weiter Männer auch strikt ausder Debatte ausgrenzen.

(Beifall AfD)

Jetzt wähnen sich Frau Rothe-Beinlich und ihreGlaubensgenossen in der Position, dieses Instru-ment gegen die Überzeugungen der Bürger einset-zen zu können. Wie gestern Herr Kollege Fiedlerhier dankenswerterweise bemerkt hat, findet aucher, dass die Benutzung dieser angeblichen Gleich-stellungsinstrumente in der Sprache nur etwas fürLeute ist, die irgendwie – nun ja, ich fasse das malkurz zusammen – nicht richtig ticken.

9712 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Herold)

Page 29: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Die Logik einer solchen Sprachpolitik kann man üb-rigens in der Literatur nachverfolgen, beispielswei-se und insbesondere in George Orwells berühmtemRoman „1984“, den ich übrigens zu lesen – geradeunseren jungen Gästen heute – sehr ans Herz lege.

(Beifall AfD)

Es ist nicht so, dass lediglich Orwells Visionen ei-nes Überwachungsstaats Wirklichkeit gewordensind. Auch Orwells Neusprech, die totalitäre Spra-che des dystopischen Ozeaniens, schickt sich an,Wirklichkeit zu werden. Die Sprachkonstrukteuredes orwellschen Romans machen sich bekanntlichdaran, etwa die Werke Shakespeares in die Neu-sprache zu übersetzen.

(Beifall AfD)

Wir durften uns in der Vergangenheit schon übersolche wirklich bahnbrechenden Werke wie „Die Bi-bel in gerechter Sprache“ freuen. Das ist bei demeinen oder anderen vielleicht schon in Vergessen-heit geraten, aber es ist einer der ersten Versuchevon Gehirnwäsche gewesen, auch im religiösenBereich.

(Beifall AfD)

Wir haben jüngst den Vorschlag einer sogenanntenGleichstellungsbeauftragten vernehmen dürfen,dass man doch bitte schön den Text der National-hymne ändern müsse, damit sie endlich geschlech-tergerecht sei.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Das war jaIrrsinn!)

Da frage ich mich wirklich ganz besorgt, wofür die-se Dame Gleichstellungsbeauftragte im Bundesfa-milienministerium ihr Geld bekommt.

(Beifall AfD)

Das erinnert mich stark an die DDR. Da gab esauch ganz viele solcher ideologisch konnotiertenArbeitsplätze, die den ganzen Tag mit Rauchen,Kaffeetrinken und Rumsitzen beschäftigt waren,aber niemals irgendeinen sinnvollen Output produ-ziert haben.

(Beifall AfD)

Diese ganze Sprachmanipulation, meine Damenund Herren, nennt man Vergewaltigung von Kultur.Über die linguistische Seite der Problematik habeich beim letzten Plenum schon ausführlich gespro-chen. Zwei Punkte muss ich hier aber trotzdemnoch mal aufgreifen. Erstens wird immer wieder be-hauptet, bei der Verwendung des Maskulinumswürden Frauen nur mitgemeint. Das stimmt sonicht. Beim generischen Maskulinum werden Frau-en nicht mitgemeint – quasi als Anhängsel –, son-dern sie werden genauso gemeint, genauso wieMänner.

(Beifall AfD)

Außerdem werden dabei ganz neutral auch nochalle übrigen 58 – bis ich weiß nicht, wie viele – Ge-schlechter mitgemeint, die weder in der männlichennoch in der weiblichen Form abgebildet sind. Dasnur zur Beruhigung all der Geschlechter- und Gen-derbewegten, die glauben, dass man jeden Morgensein Geschlecht neu definieren könne.

(Beifall AfD)

Zweitens: Dass die angeblich männliche SpracheFrauen nicht abbilde – was auch immer wieder be-hauptet wird –, ist eine zwar schön klingende, aberansonsten wirre und ganz unklare Behauptung. Ichweise nur einmal darauf hin, dass die Abbildtheorieder Sprache von der Sprachphilosophie ganz über-wiegend verworfen wird. Selbst Ludwig Wittgen-stein, der in „Tractatus logico-philosophicus“ mögli-cherweise am prominentesten diese These vertre-ten hat, hat sie rasch wieder preisgegeben. Esheißt, Frauen werden von der Sprache nicht des-halb nicht abgebildet, weil sie Frauen sind, sondernweil Sprache schlichtweg gar nichts abbildet, auchMänner nicht.

(Zwischenruf Abg. Dittes, DIE LINKE: Witt-genstein hat auch gesagt: „Wovon man nichtsprechen kann, darüber muss man schwei-gen.“!)

Die Rede davon, dass unsere schöne SpracheFrauen nicht abbilde, ist also nichts anderes alsleeres Getöse.

(Beifall AfD)

Bleibt also, dass die Voraussetzungen, auf denendie sprachpolitischen Regelungen, namentlich desThüringer Gleichstellungsgesetzes, beruhen,schlicht falsch sind.

Die AfD-Fraktion ist der Überzeugung, dass die le-bendige Entwicklung der Sprache eine Sache derfreien Gemeinschaft der Schreibenden und Spre-chenden ist. Deshalb haben wir in unserem Entwurfformuliert: „In einer freiheitlichen Demokratie gilt,dass sich die Sprache im lebendigen und freien Ge-brauch durch diejenigen weiterentwickelt, die siesprechen und schreiben. Dazu bedarf es keiner ob-rigkeitlichen Sprachregeln.“

(Beifall AfD)

Dass es keiner solchen Sprachregeln bedarf, hatjetzt auch der Bundesgerichtshof im jüngst ergan-genem Urteil festgestellt.

(Beifall AfD)

Zur Frage, ob eine Bank auf ihren Formularen eineweibliche Ansprache benutzen muss, stellt dashöchste Zivilgericht Deutschlands fest, dass dieVerwendung des generischen Maskulinums nichts

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9713

(Abg. Herold)

Page 30: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

mit Diskriminierung zu tun habe, da es eben Frauenwie Männer bezeichnet.

(Beifall AfD)

Es ist schön, zu sehen, dass in deutschen Gerich-ten Bildung und gesunder Menschenverstand nocheine Rolle spielen. Das sollte im Thüringer Landtagnicht anders sein. Daher sollten Sie unserem Ge-setzentwurf zustimmen. Ich danke Ihnen.

(Beifall AfD)

Vizepräsidentin Jung:

Als nächster Redner hat Abgeordneter Worm, Frak-tion der CDU, das Wort.

Abgeordneter Worm, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren, wir sprechen heute über den Gesetzent-wurf der AfD „Aufhebung von Maßnahmen der ge-schlechterpolitischen Sprachmanipulation“. Was ichals Erstes anmerken möchte: Natürlich ist Sprachegrundsätzlich das wichtigste Kommunikationsmittelin unserer Gesellschaft, das steht völlig außer Fra-ge. Deshalb kann Sprache natürlich auch gesell-schaftliche Realitäten stabilisieren, verändern oderzumindest beeinflussen. Deshalb wird von Befür-wortern der gendergerechten Sprache auch immerwieder angeführt, dass man Frauen durch die ge-schlechtergerechte Sprache quasi sichtbar machenmuss und eine Nichtnennung von Frauen diskrimi-nierend sei. Bei allem Verständnis dafür sollte mei-nes Erachtens aber nicht die Verständlichkeit undKlarheit der Sprache darunter leiden. Deshalb leh-nen wir Schreibweisen wie den sogenannten Gen-derstern oder die von Frau Prof. Hornscheidt ent-wickelte x-Form ab, denn aus unserer Sicht sinddas künstliche Konstrukte, mit denen krampfhaftversucht werden soll, Geschlechtergerechtigkeitherzustellen. Ich denke, die größten Probleme ent-stehen dann, wenn Einzelne jedes Wort auf Gen-dergerechtigkeit untersuchen oder krampfhaft ver-suchen, extrem künstliche Formulierungen zu fin-den. Deshalb spreche ich mich dafür aus, Lösun-gen zu finden, die erstens mit der Grammatik ver-einbar sind und zweitens Texte nicht verkomplizie-ren. Die Benennung beider Geschlechter, also Bür-gerinnen und Bürger, halte ich daher für ein proba-tes Mittel, auch wenn ich persönlich kein Problemdamit habe, aus praktischen Gründen heraus imFolgetext auch nur die maskuline Form zu nennen.Die Ansicht der Fraktion der AfD, dass es Behördenund Dienststellen per Gesetz verboten werdenmüsse, geschlechtergerechte Sprachregelung zuverwenden, wie die Änderung des Thüringer Ver-waltungsverfahrensgesetzes in ihrem Gesetzent-wurf vorsieht, teile ich jedoch nicht.

Die beabsichtigte Änderung zur Verankerung derdeutschen Sprache in ihrer üblichen und bewährten

Form innerhalb des Verwaltungsverfahrensge-setzes halten wir ebenfalls für entbehrlich, denndass die Amtssprache Deutsch ist, ist bereits ge-setzlich verankert. Diese Regelung um den unbe-stimmten Rechtsbegriff „in ihrer üblichen und be-währten Form“ zu ergänzen, lehnen wir ab, denndas läuft dem Bestimmtheitsgrundsatz entgegenund verwässert letztendlich den Regelungsgehaltdes Gesetzes. Aus diesen Gründen werden wirdem Gesetzentwurf der AfD heute nicht zustimmen.Danke.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Für die Fraktion Die Linke hat Abgeordnete Stangedas Wort.

Abgeordnete Stange, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,werte Zuhörerinnen auf der Tribüne, was wir gera-de von Kollegin Herold hier noch mal in der Einbrin-gung ihres Gesetzentwurfs gehört haben, das warmeiner Meinung nach leeres Getöse. Das war mei-ner Meinung nach wieder ein Klischee, das hier be-dient wurde. Es sind keine Fakten auf den Tischgekommen. Ich will Ihnen noch eins mit auf denWeg geben: Sie haben Ludwig Wittgenstein zitiert,ich zitiere ihn auch und daran sollten Sie sich einBeispiel nehmen: „Wovon man nicht reden kann,darüber sollte man schweigen.“, Frau Herold.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren auf der Tribüne,sehr geehrte Frau Vizepräsidentin, sehr geehrteKolleginnen und Kollegen, in der heutigen Diskus-sion zum Gesetzentwurf der AfD möchte ich zu Be-ginn ebenfalls auf das Urteil des Bundesgerichts-hofs zur Klage von Marlies Krämer eingehen. Esist, wie es so oft im Leben ist: Jeder liest natürlichnur das heraus, was er gern möchte, und wir sehenin dem Urteil schon auch eine klare Ansage für Per-spektive. Die engagierte Frau klagte – wie ich dasbereits in der ersten Lesung hier nochmals betonthabe – gegen die Sparkasse, die Formulare undVorlagen nur in männlicher Sprache verwendet.Der Bundesgerichtshof geht in der Urteilsbegrün-dung auf die gesellschaftlichen Kämpfe gegen dieBenachteiligung von Frauen im Sprachgebrauchein und gesteht ein, dass das generische Maskuli-num perspektivisch nicht mehr so selbstverständ-lich als verallgemeinernd empfunden werden kann.Diese richtigen Einwände für die geschlechterge-rechte Sprache werden leider zugunsten einesganz lapidaren Verweises, es würde ja trotzdemnoch eine Vielzahl von Gesetzen geben, die nur inmännlicher Personenbezeichnung verwendet wer-den, über Bord geworfen. Auch wenn das auf den

9714 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Herold)

Page 31: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

ersten Blick nicht so scheint, können wir als rot-rot-grüne Koalition nachdrücklich daraus ableiten,warum § 28 des Thüringer Gleichstellungsgesetzesauch weiterhin wichtig und notwendig ist und diesesauch bleiben muss, werte Kolleginnen und Kolle-gen.

Der BGH geht darauf ein, dass Gesetzgebung undVerwaltung das Ziel der geschlechtergerechten Be-zeichnung für sich erkannt hat, und erwähnt weiter,dass der Sprachgebrauch des Gesetzgebers prä-gend und kennzeichnend für den allgemeinenSprachgebrauch ist. Das heißt, dass unser Gesetz– also das Gleichstellungsgesetz, um das es heutegeht – und die Anwendung in den Behörden undden Thüringer Dienststellen genau dazu beitragen,an den Normen der grammatikalisch männlichenForm zu rütteln. Das, glaube ich, ist auch lange not-wendig, damit das so oft vorgebrachte und ebensofadenscheinige Argument des Mitgemeinten endlichabgeschafft und aus der Welt gebracht wird.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Genau darum, werte Kolleginnen und Kollegen, ist§ 28 des Thüringer Gleichstellungsgesetzes mehrals notwendig. Genau das will ich noch mal aufgrei-fen und noch einmal ein paar Themen dazu heutesagen. Geschlechtergerechte Sprache hat sowohlEinfluss auf die Gleichstellung als auch Diskriminie-rung, wenn sie nicht angewandt wird. Dies habe ichbereits in der ersten Lesung zu diesem Gesetzent-wurf dargelegt. Wer es wissen möchte, kann esauch noch einmal in dem Protokoll nachlesen. Abernoch einmal mit Nachdruck unsere Argumente,warum wir genau diesen Gesetzentwurf ablehnen:Die AfD – das muss auch an dieser Stelle deutlichgesagt werden – will mit diesem Gesetzentwurf zu-rück zu einem dogmatischen Sprachgebrauch, zueiner dogmatischen Sprache.

(Beifall DIE LINKE)

Welche Dogmen in dieser Sprache folgen, will ichIhnen auch noch einmal aufzählen. Erstens wollenSie natürlich damit fest manifestieren, dass pers-pektivisch zukünftig nur die bipolare Geschlechter-ordnung gilt. Also es gibt nur Mann oder Frau. Ge-nau das ist falsch, werte Kolleginnen und Kollegen.Das wissen wir gemeinsam so gut, wie wir wissen,dass es eben nicht nur Mann und Frau gibt.

Zweitens: Mit diesem Dogma, welches ich bereitserwähnt habe, soll auch die männliche Gesell-schaftsordnung, die es seit über 2.000 Jahren gibt,weiter manifestiert werden.

(Beifall DIE LINKE)

Auch das ist nicht hinnehmbar. Sie ist längst über-holt und darum braucht es eine geschlechterge-rechte Sprache.

(Beifall DIE LINKE)

Drittens will man natürlich auch als Rechtsaußen-partei zurück zu dem alten Konservatismus. Esmuss alles so bleiben, wie es immer war und nichtsdarf sich ändern. Genau das ist Ihr Denkansatz –

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das habenSie gesagt!)

und auch darum werden wir uns gegen Ihren Ge-setzentwurf entscheiden.

Werte Kolleginnen und Kollegen, geschlechterge-rechte Sprache muss Stück für Stück – und mitdem Gesetzentwurf oder mit § 28 des Gleichstel-lungsgesetzes ist der erste Schritt gegangen –überall, in allen Gesetzen, in allen Verordnungen, inallen Formularen – das sage ich auch mit dem Blickauf die Sparkassen –, umgesetzt werden, denn ichals Frau möchte auch perspektivisch nicht als Mannangesprochen werden. Da haben wir gemeinsamviel zu tun, um hier in der Gesellschaft das Be-wusstsein dafür zu schaffen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Sie möch-ten doch als Mensch angesprochen werden!)

Wir wissen auch: Sprache bildet Bewusstsein ab.Ihre Sprache ist eine Sprache der Vergangenheit,werte Kollegen von Rechtsaußen!

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Frauen undMänner auf der Tribüne, eines will ich noch zumSchluss hier formulieren: Abgeordnete Herold stell-te in der Einbringung des Gesetzentwurfs zur letz-ten Sitzung ja sehr auf die befürchtete Zerstörungunserer Kultur und die Verwendung von geschlech-tergerechter Sprache ab. Als Beispiel führte sie dieUmbenennung des Studierendenwerks an. Deswe-gen sei an dieser Stelle hier noch einmal erinnert,dass die Stellungnahme des Instituts für DeutscheSprache – dem man nun nicht wirklich eine mutwilli-ge Zerstörung unserer Kultur vorwerfen kann – dieUmbenennung ausdrücklich befürwortete. WerterHerr Präsident, darf ich zitieren? Das Institut äußer-te sich wie folgt: Die Umbenennung ist eine zu be-grüßende Veränderung im Sinne der geschlechter-gerechten und diskriminierungsfreien Bezeichnungdieser Einrichtung. Es ist ganz generell wünschens-wert und zu fördern, Lösungen für die Benennungvon Institutionen und Gruppen zu finden, die genaudiesen Ansprüchen Genüge tun. – Dem ist, werteKolleginnen und Kollegen, nichts mehr hinzuzufü-gen. Ich sehe genau dieses Zitat als Aufforderungan Rot-Rot-Grün, an diese Thematik keine Luft zulassen, dass wir perspektivisch auch noch viel in-tensiver auf eine geschlechtergerechte Spracheachten und sie auch umsetzen.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9715

(Abg. Stange)

Page 32: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Ich hätte mich gefreut, wenn die CDU zu Beginnder gestrigen Sitzung sozusagen mit ihren Ausfäl-len hier das Thema nicht gleich infrage gestellt hät-te – ihr innenpolitischer Sprecher –, sondern dassman natürlich auch in einem etwas höheren Alteroffen ist für diese Thematik – das hätte ich mir ge-wünscht –, leider war es nicht so. Aber ich denke,die Frauen in der CDU-Fraktion werden an der Stel-le auch noch mal individuelle Gespräche mit demKollegen führen, damit er einfach auch auf dasNeue ausgerichtet werden kann. Danke schön. Dierot-rot-grüne Fraktion lehnt diesen Gesetzentwurfab.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

So, die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Jetzt ha-ben wir zunächst mal Frau Rothe-Beinlich noch inder Debatte. Bitte schön.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen!

Präsident Carius:

Na, na. So wollen wir es aber jetzt nicht halten.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Ich habe mich, ehrlich gesagt, eben an Ihrem Kolle-gen, Herrn Worm, orientiert. Der hat gesagt, wennausschließlich die männliche Form verwendet wird,hätte er kein Problem damit, so angesprochen zuwerden. Ich habe das jetzt einfach mal übertragenund werde ausschließlich die weibliche Form nut-zen. Ich bin sehr gespannt, ob sich bei dem einenoder der anderen Probleme aufzeigen werden.Denn anders, als manche meinen, ist es nämlichbeim generischen Maskulinum so, dass Frauen mit-nichten mitgemeint sind, andersrum aber beim ge-nerischen Femininum. Denn wenn ich „Präsidentin“sage, ist der Präsident tatsächlich im wahrsten Sin-ne des Wortes schon enthalten. Sie dürften also mitdieser Anrede nach der Logik von Herrn Worm ei-gentlich keine Probleme haben.

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Das verste-he ich jetzt nicht!)

Präsident Carius:

Ich muss dennoch widersprechen.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, vielleichtmacht dieser Exkurs einfach deutlich, worüber wirhier reden und was Sprache tatsächlich ausmacht.Sprache prägt Bewusstsein, das ist uns hier auchsehr deutlich geworden. Sprache ist eben nichtegal. Wenn es dann so oft, beispielsweise bei Ge-schäftsordnungen oder Gesetzen, heißt, dass ausPraktikabilitätsgründen ausschließlich die männli-che Form verwendet wird, macht man es sich ebenzu einfach. Ich sage es ganz deutlich: Ich fühlemich dann nicht per se mitgemeint. Ich glaube, esgeht sehr vielen Frauen so.

Sprache ist aber auch verräterisch. Warum sageich das? Weil ich dem Redebeitrag von Frau Heroldnatürlich sehr genau zugehört habe.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Donnerwet-ter!)

Frau Herold hat von „Vergewaltigung von Kultur“gesprochen, wenn es um geschlechtergerechteSprache geht. Ich weiß nicht, ob Ihnen von der AfDbewusst ist, was der Begriff „Vergewaltigung“ ei-gentlich bedeutet. Vergewaltigung ist eine Straftat,Vergewaltigung ist ein Eingriff in die Integrität vonMenschen, der niemals hinzunehmen ist. – Jetzthaben Sie endlich mal einen Versprecher gefundenund freuen sich Ihres Lebens. So ist das Niveau beiIhnen in der AfD. Es tut mir leid, Sie sind ja frei vonFehlern.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Wir wissen alle, dass der Begriff „Integrität“ gemeintwar.

Wenn Frau Herold dann auch noch hier vorn be-hauptet, Frauen würden nicht dort arbeiten, wo esbesonders schmutzig oder dreckig sei, dann weißich nicht, wo sich ihre Lebensrealität abspielt. Wersind denn die überwiegenden Reinigungskräfte –ich sage es mal so deutlich –, wer sind denn dieje-nigen, die im wahrsten Sinne des Wortes dieDrecksarbeit erledigen? Es sind überwiegend Frau-en, werte Frau Herold.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ganz genau!)

Vielleicht nicht Sie, das mag sein. Aber es sindFrauen, die sehr schwer, auch körperlich sehrschwer arbeiten, die sich durch den Dreck kämp-fen,

(Unruhe AfD)

die in der Altenpflege beispielsweise Menschen he-ben müssen, die oftmals sehr viel schwerer zu he-ben sind als beispielsweise ein Sack Zement, denein Maurer hebt. Deswegen hinkt der Vergleich an

9716 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Stange)

Page 33: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

dieser Stelle und zeigt, dass es Ihnen ganz offen-kundig nur um das Ideologische geht.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dann auch noch ein Letztes: Frau Herold, wenn Siesagen, das Bild von der Frau als Opfer sei einSchwindel, weiß ich nicht, wie Sie den Frauen ge-genübertreten wollen, die regelmäßig Opfer vonGewalt – überwiegend übrigens von Männergewalt– werden.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Von welchenMännern vor allem?)

Ja, von welchen Männern? Schauen Sie es sichdoch mal genau an. Wir nennen es im Deutschenso verniedlichend „Familiendrama“, wenn ein deut-scher Mann seine deutsche Frau und seine deut-schen Kinder umbringt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Sie haben ei-ne sehr selektive Wahrnehmung!)

Wir finden aber ganz andere Begriffe dafür, wennes Menschen aus anderen Kulturkreisen sind.Warum nennen wir es nicht immer einfach „Mord“,meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn einMann eine Frau tötet oder umgekehrt?

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Es ist kein Unterschied, es wird eine Frau, es wirdeine Familie getötet. Da spielt der Hintergrundüberhaupt keine Rolle, sondern es ist eine ab-scheuliche Tat, die es immer – und zwar immer –selbstverständlich abzuweisen gilt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Blenden Siees ruhig weiter aus, damit Sie in Ruhe lebenkönnen!)

Wie bitte?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Blenden Siees ruhig weiter aus, damit Sie in Frieden le-ben können mit Ihren ganzen Widersprü-chen!)

Mit meinen ganzen Widersprüchen leben? Ja, dieRedezeit ist wahrscheinlich wirklich zu schade, umdarauf genauer einzugehen. Blenden Sie die Le-bensrealität nicht auch aus?

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das machenSie aber!)

Schauen Sie sich an, welche Frauen beispielsweisein unseren Frauenhäusern Zuflucht suchen und vorwem Sie geflohen sind. Es sind leider überwiegendihre Partner, die ganz oft, und zwar überwiegend,auch von hier stammen. Aber wie gesagt, der ethni-sche Hintergrund sagt nichts darüber aus, dass ei-ne Tat verabscheuungswürdig ist. Das ist sie immerund sie muss verfolgt werden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wer dann mal leichtfertig von „Vergewaltigung vonKultur“ spricht, der verniedlicht Vergewaltigung undhat offenkundig überhaupt nicht verstanden, worumes hier eigentlich geht.

Sprache ist lebendig und ständig in Bewegung undauch in Veränderung. Das gefällt ewig Gestrigennatürlich naturgemäß niemals. Wir sprechen ebenheute auch nicht mehr wie Hildegard von Bingen imMittelalter, übrigens auch nicht wie Martin Lutherund Katharina von Bora zu Beginn der Neuzeit.Selbst die Gespräche des Geheimrats Goethe mitseiner Frau Christiane Vulpius wären uns heutevermutlich fremd, auch wenn es heute übrigenseinen sehr lesenswerten Beitrag in der „Thüringi-schen Landeszeitung“ über Goethe und sein Agie-ren im Umgang mit sexualisierter Gewalt am Thea-ter gibt. Den kann ich nur zum Nachzulesen emp-fehlen.

Dies wissen wir eigentlich auch alle und darum istmir unverständlich, warum Teile unserer Gesell-schaft, hier maßgeblich vertreten durch die AfD,sich so vehement gegen eine Veränderung vonSprache, die Frauen sichtbar macht, wehrt. Ich sa-ge bewusst „Teile der Gesellschaft“, denn es gibtsehr wohl Bereiche, in denen die geschlechterge-rechte Sprache bereits selbstverständlich ist. Ichdenke hier zum Beispiel an die Landeskirche undan die Mehrheit der Schulen.

Nun hat der Bundesgerichtshof – ich will mich da-rum nicht herumdrücken – in einem Urteil aus die-sem Monat die Auffassung vertreten, es gebe kei-nen Anspruch auf weibliche Personenbezeichnun-gen in Vordrucken und Formularen. Meine KolleginFrau Stange ist schon darauf eingegangen. Zur Be-gründung zieht er sich auf das sogenannte generi-sche Maskulinum zurück, welches angeblich nichtsmit dem biologischen Geschlecht zu tun hat undwelches Frauen mitmeinen soll. Übersetzt kannman also sagen, der Bundesgerichtshof kommt zuder etwas dünnen Meinung: Das war halt schon im-mer so.

Es gibt tatsächlich das Argument, diese Form desMaskulinums sei seit Jahrhunderten gewachsen.Dem ist aber gar nicht so. Lange existierte gar kei-ne feminine Form, die von einer männlichen abge-leitet werden konnte. Bis dahin wurden meist wirk-lich nur Männer angesprochen, etwa bei Wahlen.Wir können erst seit 100 Jahren über das Frauen-wahlrecht sprechen. Als dann auch Frauen wählendurften, hieß es, ab jetzt sind mit „Wähler“ auch siemitgemeint. Insofern ist diese vermeintliche Traditi-on erst entstanden, als Frauen mehr Rechte erhiel-ten. Nicht das generische Maskulinum ist Jahrhun-derte alt, sondern das Patriarchat. Daraus folgt,dass die Bezeichnungen für Männer einfach iden-tisch sind mit Bezeichnungen für Menschen. Eingroßer Teil unserer Gesellschaft hat jedoch ver-standen, dass Männern nicht der Anspruch zu-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9717

(Abg. Rothe-Beinlich)

Page 34: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

kommt, das Allgemeine zu repräsentieren. Leidergibt es jedoch auch Menschen, die diese Erkennt-nisse überhaupt nicht hören wollen und die sieauch gar nicht verstehen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Die Grünenvor allen Dingen!)

Zu dieser Gruppe gehört offenbar die AfD-Fraktion,die mit ihrem absurden Antrag völlig aus der Zeitgefallen ist und der für eine diskriminierungsfreieSprache schlicht die Übung fehlt.

Sprache ist – wie ich schon eingangs ausführte –immer in Bewegung. Vielleicht werden sich dieMenschen in 100 Jahren über die Anwendung derFälle wie Genitiv, Dativ oder Akkustativ wundernund über Artikel vor den Substantiven.

Der Freistaat Thüringen bringt jedenfalls mit derAnwendung geschlechtergerechter Sprache zeitge-mäße Bewegung in die Sprache und nimmt denAuftrag aus Artikel 2 Abs. 2 der Thüringer Verfas-sung zur Gleichstellung von Frauen und Männernernst. Den Gesetzentwurf der AfD lehnen wirselbstverständlich auch heute ab. Ich habe Ihnendas letzte Mal schon viele Handreichungen ausVerwaltungen und aus öffentlichen Institutionen zi-tiert, die gute Wege für geschlechtergerechte Spra-che gefunden haben. Ich möchte auch noch einmaldie Universität Leipzig benennen, die sich schon2013 für die grundsätzliche Anwendung des generi-schen Femininum ausgesprochen hat. Vielen herz-lichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Weitere Wortmeldungen sehe ichjetzt nicht, vonseiten der Regierung auch nicht, so-dass ich die Aussprache schließe.

Wir kommen damit zur Abstimmung über den Ge-setzentwurf der Fraktion der AfD in der Drucksache6/4916 in zweiter Beratung. Wer dafür ist, den bitteich jetzt um das Handzeichen. Das sind die Stim-men der AfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus denKoalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Damitist dieser Gesetzentwurf mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufeauf den neuen Tagesordnungspunkt 5

a) Gesetz über die Regulie-rungskammer des FreistaatsThüringen

Gesetzentwurf der FraktionenDIE LINKE, der SPD und BÜND-NIS 90/DIE GRÜNEN- Drucksache 6/4816 -dazu: Beschlussempfehlung des

Ausschusses für Umwelt,Energie und Naturschutz- Drucksache 6/5440 -

ZWEITE BERATUNG

Das Wort hat zunächst Frau Abgeordnete Skibbezur Berichterstattung aus dem Ausschuss.

Abgeordnete Skibbe, DIE LINKE:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Ge-setzentwurf der Fraktionen Die Linke, der SPD undBündnis 90/Die Grünen über die Regulierungskam-mer des Freistaats Thüringen wurde durch Be-schluss des Landtags in seiner 103. Sitzung am13. Dezember 2017 an den Ausschuss für Umwelt,Energie und Naturschutz – federführend – und anden Ausschuss für Migration, Justiz und Verbrau-cherschutz überwiesen.

Der federführende Ausschuss für Umwelt, Energieund Naturschutz hat den Gesetzentwurf in seiner37. Sitzung am 17. Januar 2018, in seiner 38. Sit-zung am 14. Februar 2018 und in seiner 39. Sit-zung am 14. März 2018 beraten und eine schriftli-che Anhörung durchgeführt. Diese Anhörung wurdein der 39. Sitzung ausgewertet, also in der vergan-genen Woche.

Der Gesetzentwurf wurde mit vier Änderungen ein-stimmig angenommen. Ich möchte nur auf die ersteeingehen, denn die ist wohl die grundlegende. Hierwurde sich von der Mindestzahl der Mitglieder derRegulierungskammer verabschiedet. Diese Ände-rung findet sich in § 3 Abs. 1 Satz 1 wieder. Die an-deren Änderungen finden wir in § 5 und in § 9 undes wurde ein § 10 angefügt.

Die Beschlussempfehlung lautet, dass mit den vor-liegenden Änderungen der Gesetzentwurf ange-nommen wird. Das ist übrigens in der 39. Sitzungeinstimmig und in der Sitzung des mitberatendenAusschusses für Migration, Justiz und Verbraucher-schutz am 16. März ebenfalls ohne Gegenstimmeerfolgt. Ich danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Damit eröffne ich die Beratung. AlsErster hat Abgeordneter Gruhner für die CDU-Frak-tion das Wort.

Abgeordneter Gruhner, CDU:

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, wirwollen heute das Gesetz für eine Regulierungskam-

9718 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Rothe-Beinlich)

Page 35: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

mer des Freistaats Thüringen beschließen. Wir ha-ben von Anfang an gesagt und deutlich gemacht,dass auch wir das im Interesse der Thüringer Gas-und Stromnetzbetreiber für eine sinnvolle Entschei-dung halten. Deswegen will ich zunächst mal sa-gen: Wenn wir heute zu dem Beschluss kommen,ist das, glaube ich, ein guter Tag für die Gas- undStromnetzbetreiber. Es ist vor allem eine Erleichte-rung für das Geschäft der Gas- und Stromnetzbe-treiber in Thüringen und damit letzten Endes auchim Interesse der Verbraucherinnen und Verbrau-cher in Thüringen.

Zweitens will ich anmerken, dass dieses Gesetzdurchaus ein gutes Beispiel dafür ist, dass manauch in energiepolitischen Fragen konstruktiv zu-sammenwirken kann. Es gab an vielen Stellen auchvom Verband kommunaler Unternehmen immerwieder das Ansinnen, dass man sich hier in dieserSachfrage fraktionsübergreifend verständigt. Ich willausdrücklich noch mal sagen, das ist keine Fragevon großer parteipolitischer Unterschiedlichkeit,sondern am Ende eine sehr pragmatische Sache.Deswegen war es richtig, dass wir hier fraktions-übergreifend vorgegangen sind,

(Beifall SPD)

auch im zuständigen Ausschuss noch mal sehrkonstruktiv das Für und Wider abgewogen habenund dann noch mal zu Änderungen gekommensind. Dafür will ich herzlich danken, denn die Ände-rungen, die wir im Gesetz aufgenommen haben,waren auch Vorschläge unserer Fraktion gewesen.

Vielleicht noch mal kurz, auch wenn wir schon um-fänglich diskutiert haben, zum Thema: Wir habenimmer gesagt, wir sind für diese Regulierungskam-mer, weil wir erstens eine wichtige Kompetenz indieser Frage ins Land zurückholen, weil wir damitauch Ansprechbarkeit in der Verantwortung desLandes erreichen können. Wir haben gesagt, dasist eine richtige Entscheidung, weil es für die Gas-und Stromnetzbetreiber kürzere Wege bedeutet,weil es Ansprechpartner vor Ort bedeutet, weil es –das ist die Erwartung – dann auch hoffentlich fürdie Betroffenen am Ende weniger Bürokratie be-deutet.

Wir haben immer wieder in der Anhörung gehört,dass viele Gas- und Stromnetzbetreiber in Thürin-gen – 56 an der Zahl, die jetzt von dieser Regelungbetroffen sind – gesagt haben, sie fühlen sich vonder Bundesnetzagentur nicht ausreichend gehört,und die deutlich gemacht haben, das ist ein Mo-loch, der nicht immer das in den Fokus rückt, wasden kleinen Thüringer Gas- und Stromnetzbetreibertatsächlich umtreibt. Deswegen ist es, glaube ich,gut, dass sich künftig die Strom- und Gasnetzbe-treiber nicht mehr mit diesem Moloch Bundesnetz-agentur auseinandersetzen müssen, sondern dassdann tatsächlich Thüringer Interessen mehr Gehörbekommen.

Wir sind auch der Überzeugung, dass mit dieserRegelung, mit diesem Gesetz, mit diesem Über-gang der Verantwortung von der Bundesnetzagen-tur auf den Freistaat Thüringen die Reaktionsfähig-keit in wichtigen Fragen erhöht wird, denn natürlich– und das liegt in der Tat in der Natur der Sache –kann so eine große Behörde wie die Bundesnetz-agentur oftmals nicht so schnell reagieren, wie eseine Landesregulierungskammer in der Verantwor-tung des Landes tun kann. Deswegen sind wir derÜberzeugung, dass wir hier am Ende schnellereProzesse haben werden. Deswegen ist es gut,dass wir heute zu diesem Gesetz kommen werden.Letztlich geht es auch darum, dass wir organisato-risch all das bündeln können, was mit der Fragedes Verteilnetzes bzw. mit der Frage des Ausbausdes Verteilnetzes zusammenhängt. Gerade dieserBereich ist für die Umsetzung der Energiewendewichtig. Wenn wir hier ein Stück weit Bündelungund Kompetenz im Land erreichen, kann das nurvon Vorteil sein.

Abschließend will ich noch mal sagen, natürlich istdiese Regulierungskammer unabhängig, sie arbei-tet unabhängig. Das ist auch richtig so und dasmuss so sein. Trotzdem bin ich der Überzeugung,dass dann, wenn dort Leute sitzen, die auch insbe-sondere die Thüringer Gas- und Stromnetzbetreiberim Fokus haben, Thüringer Interesse stärker be-rücksichtigt wird. Deswegen, glaube ich, ist das amEnde eine Entscheidung, die insgesamt im Interes-se des Landes ist. Deswegen werden wir auch heu-te dem Gesetz so zustimmen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Harzerfür die Fraktion Die Linke das Wort.

Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnenund Kollegen der demokratischen Fraktionen, ichdenke, heute ist ein wichtiger Tag für Thüringenund für die Thüringer Netzbetreiber im Strom- undGasbereich, indem wir eine wichtige Aufgabe, näm-lich die Regulierung der Strom- und Gasnetze, wie-der zurückholen, zurückholen nach Thüringen. HerrGruhner hat schon auf einige Punkte hingewiesen,dass wir Kompetenzen nach Thüringen zurückho-len, dass wir uns Kompetenzen für die Zukunft auf-bauen, Kompetenzen in den Fragen der Regulie-rung, die ja immer mehr Einfluss gewinnt, immermehr zunimmt, gerade in der Zeit einer Dezentrali-sierung, eines tief greifenden Strukturwandels inder Energiewirtschaft, der uns begleitet und immermehr zu dezentralen Lösungen in Energieerzeu-gung und Energieverbrauch führen wird, und dassnatürlich auch entsprechende Netzlösungen ge-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9719

(Abg. Gruhner)

Page 36: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

braucht werden und dass damit auch die Regulie-rung möglichst dezentral hier vor Ort in Thüringengeführt werden kann.

Wichtig ist auch der Zeitpunkt, den wir jetzt haben.Die dritte Regulierungsperiode für Strom beginntzum 01.01.2019. Von der Warte aus ist es also not-wendig, die entsprechende gesetzliche Vorausset-zung jetzt zu schaffen, dass wir also ausreichendZeit haben, die Regulierungsbehörde aufzubauen,mit fachkompetentem Personal zu besetzen undsomit auch die dritte Regulierungsperiode imStrombereich vorzubereiten. Bei Gas läuft sie seit1. Januar 2018. Der Aufruf wird jetzt im April veröf-fentlicht für die Datenübernahme bei der Bundes-netzagentur. Dort sind über eine Vereinbarung mitder Bundesnetzagentur die entsprechenden Vorar-beiten zu übernehmen und hier auf Thüringer Seitefortzuführen.

Ich denke, ganz wichtig ist hier in Bezug auf die Si-tuation in Thüringen, dass wir diese zukünftig beider Regulierung stärker berücksichtigen. Das istauch die Hoffnung vieler kommunaler Unterneh-men, die sich aufgrund ihrer Größe von der Bun-desnetzagentur in ihrer Tätigkeit nicht ausreichendgewürdigt sahen und die oftmals der Meinung wa-ren – das haben auch die Auswertungen der Anhö-rung ergeben –, dass sie in dem Portfolio der Bun-desnetzagentur als kleine Unternehmen nicht be-rücksichtigt werden, weil dort hauptsächlich dieGroßen der Branche reguliert werden und dass sienicht die entsprechende Priorität haben. Das hatsich vor allem auch im Vorfeld ergeben – manmuss deutlich sagen, wir haben nicht einfach ge-sagt, wir machen jetzt mal das Gesetz und schauenmal, was rauskommt, sondern wir haben im Vorfelddieses Gesetzes viele Gespräche geführt. Ichselbst habe auf Veranstaltungen vor Ort über dieseProblematik mit einigen Stadtwerke-Chefs hier inThüringen gesprochen und wir haben im zuständi-gen Ausschuss im vergangenen Jahr im April eineAnhörung durchgeführt, wo wir die Thüringer Stadt-werke, Netzagenturen, Landesnetzagenturen ausDeutschland, aus anderen Bundesländern undauch die Bundesnetzagentur entsprechend vor Orthatten und angehört haben. Das Ergebnis war: Bisauf die Bundesnetzagentur haben alle gesagt,okay, wir wollen, macht es. Ich denke, das zeigtauch, dass es notwendig ist, wenn dies so eindeu-tig in der Anhörung kommt. Ich glaube, wir schaffenetwas Gutes für die Thüringer Unternehmen, diedann mit ihren Terminen leichter Zugriff haben, diein der Priorisierung einer Landesnetzagentur ent-sprechend besser aufgestellt sind und die wissen,dass diese Landesnetzagentur die entsprechendenBerücksichtigungen für ihre mittelständischen Pro-bleme, für ihre mittelständischen Marktzugänge undauch die notwendige Kompetenz und die notwendi-ge Berücksichtigung hat.

Von der Warte aus bitte ich um Zustimmung für die-ses Gesetz, damit wir dieses heute verabschiedenund damit die Landesregulierungsbehörde entspre-chend ihre Tätigkeit aufnehmen darf. Wenn mansich manche Zuschrift aus der schriftlichen Anhö-rung zum Gesetz anschaut, zum Beispiel von derTEN Energienetze, die schreibt, wir haben im ver-gangenen Jahr alles geschrieben, das Gesetz ent-hält alle notwendigen Regelungen, ist dem nichtshinzuzufügen. Danke für Ihre Aufmerksamkeit mitder Bitte um Zustimmung zum Gesetz.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Mühl-bauer für die SPD-Fraktion das Wort.

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, werte Kolleginnenund Kollegen, sehr geehrte Interessierte auf der Zu-schauertribüne, ich darf als Ingenieurin – das „-in“ist mir ganz wichtig – im Anschluss an diese Debat-te zwischen den Herren, die sich hier an der Debat-te vor und nach mir beteiligen, meinen Standpunktzu dem Thema hier beitragen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, nachdemich nicht gern alles wiederhole, was die Kolleginnenund Kollegen vor mir gesagt haben, will ich Ihnengenerell noch ein, zwei, drei zusätzliche Informatio-nen geben. Im Januar 2006 hat der Freistaat Thü-ringen die Bundesnetzagentur damit beauftragt, dieRegulierung der Netze zu übernehmen. Das ist ei-ne Übertragung einer hoheitlichen Aufgabe. Dashat die Bundesnetzagentur nicht umsonst, sondernfür Kosten gemacht. Im Unterschied zu den ande-ren Flächenländern waren wir in diesem Jahr einesder wenigen Flächenländer, die sich überhauptnoch von der Bundesnetzagentur haben regulierenlassen. Da muss man dann als Landespolitiker ein-fach auch mal darüber nachdenken, warum dasdenn so ist, warum sich Flächenländer wie zumBeispiel Sachsen, Mecklenburg-Vorpommern – diewaren hier die Letzten – nicht mehr über die Bun-desnetzagentur regulieren lassen. Dann noch ein-mal die Erklärung – Was ist die Regulierung, wasbedeutet das? – für Sie: Das sind im Prinzip dieKosten, die auf das Netzentgelt des Stroms aufge-schlagen werden, als Grundlage nicht nur für denprivaten Stromverbraucher, sondern natürlich auchfür jedes Wirtschaftsunternehmen, das zur Produk-tion seines Produkts einen Strom braucht, zur Kos-tenberechnung geregelt werden.

Da hatten wir natürlich Probleme. Wir haben im In-dustriegebiet „Erfurter Kreuz“ Firmen gehabt, diehaben erst nach drei, vier, fünf Jahren von der Bun-desnetzagentur ihre Bescheide bekommen, große

9720 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Harzer)

Page 37: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Unternehmen im Bereich der solarthermischen An-lagen, Fotovoltaikanlagen, die sehr viel Strom zurProduktion brauchten. Die haben dann, nachdemihr Anteil ermittelt worden ist, von ihrem Stromver-sorger, einem lokalen Energieversorger, im Prinzipnachträglich eine Kostenerhöhung bekommen. Dasverursacht bei so einem Betrieb natürlich Schwie-rigkeiten beim Verkauf der Produkte, meine sehrgeehrten Damen und Herren.

Aus dem Grunde haben die Stadtwerke – 57 übri-gens an der Zahl, um das noch einmal zu ergän-zen –, die hier lokal reguliert werden, das Gesprächmit uns geführt und gebeten, ob wir es nicht selbstmachen können, damit wir schneller sind, sichererin den Kalkulationen sind, unsere Kompetenz ha-ben und dass wir kurze Wege haben. Meine sehrgeehrten Damen und Herren, bitte vergessen Sieeines nicht: Die Bundesnetzagentur sitzt in Bonn.Nichts gegen Bonn, aber Bonn ist weiter weg für je-den Thüringer als vielleicht der neue Sitz in Erfurt.Das heißt, ich komme als Stadtwerk schneller zudem Regulierer in Arnstadt, Erfurt oder sonst wo alsnach Bonn.

Der zweite Punkt ist, dass in jedem Stadtwerk zu-sätzlich circa 80.000 bis 100.000 Euro jährlich An-walts- und Beratungskosten angefallen sind. Da wirkommunale Stadtwerke haben, führt das natürlichauch dazu, dass am Schluss weniger Gewinn beiden Kommunen übrig bleibt. Aus dem Grunde binich froh, dass wir uns diesem Kernthema der Ener-giewende zuwenden. Ich bin froh, dass wir das jetztzeitnah machen. Ich bin froh, dass wir das frak-tionsübergreifend machen, weil – ich darf noch maldeutlich sagen – das kein Projekt unseres Koali-tionsvertrags ist, sondern das ist ein Projekt, das –wie uns allen bewusst geworden ist zu Zeiten, wodie Energiewende immer schneller neue Themenvor uns her trägt – ein deutliches Thema ist, demwir uns widmen müssen. Für jeden hier im Raumeist der SuedOstLink ein Thema, jedem ist bewusst,was das bedeutet. Wir brauchen die Kompetenz,wir müssen dort auf Augenhöhe mit dem Bund re-den und regeln und wir müssen hier zeitnah dieseKompetenzen mit aufbauen. Frau Ministerin, da ha-ben Sie meine volle Unterstützung.

Alle noch mal angeschriebenen Stadtwerke – ichhabe hier die Zusammenfassung der Anhörung mit-gebracht – können unser Vorgehen nur bestätigen,freuen sich, bitten darum, es zeitnah anzugehen.Die Regulierungsphase für Gas hat schon 2018 be-gonnen, Strom fängt am 01.01.2019 an. Ich habemir auch sehr intensiv die Stellungnahme des Thü-ringer Rechnungshofs angesehen und betrachtet.Diesbezüglich würde ich mich sehr freuen, wennder Präsident des Rechnungshofs sich noch malmit mir, mit uns ins Gespräch vertieft, weil die Re-gulierungskammer natürlich auch noch andere Fi-nanzierungsrahmen hat als vielleicht der kameralis-tische Aufbau. Ich darf hier – das ist nämlich aus

der Anhörung, wie finanziert sich Mecklenburg-Vor-pommern – darauf hinweisen, dass die Finanzie-rung über den kompletten Regulierungszeitraumvon fünf Jahren stattfindet.

Diesbezüglich, denke ich, sollten wir in die ganzeSache positiv reingehen. Ich freue mich, dass wirgemeinsam darüber geredet haben, und möchtenoch mal darauf hinweisen, dass zu der Änderung,die wir im Ausschuss besprochen haben, letztend-lich immer der Haushaltsgesetzgeber die Verant-wortung über Personal und über Kosten trägt. Dasheißt, das ist eine Verantwortung, die dieses Parla-ment beginnend und dauerhaft ausführen soll. Ichwürde mich sehr freuen, wenn unsere neu gegrün-dete Regulierungsbehörde uns regelmäßig, viel-leicht jährlich über den Stand ihrer Arbeiten, überdie neuesten Projekte informiert. Ich denke, wir ha-ben gemeinsam etwas Gutes für Thüringen, für dieEnergiewende, für unsere Fachkompetenz und fürdie Verhandlung auf Augenhöhe erreicht. Ich be-danke mich für die fachlich sehr fundierte Debatte,die wir in den Ausschüssen führen konnten, undfreue mich auf die Abstimmung.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Weitere Wortmeldungen aus denReihen der Abgeordneten liegen mir nicht vor.Doch, Herr Kießling. Dann bitte.

Abgeordneter Kießling, AfD:

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrter HerrPräsident, sehr geehrte Abgeordnete, liebe Gästeauf der Besuchertribüne und auch im Netz! KurzeRichtigstellung: Frau Mühlbauer, die Bundesnetz-planung hat mit der hier neu zu gründenden Regu-lierungsbehörde nichts zu tun. Denn die Trassen-führung – weil sie SuedLink angesprochen hatten –wird von der Bundesnetzagentur gemacht, hat alsomit dem hier zu Gründenden nichts zu tun. Das nurmal kurz zur Richtigstellung.

(Beifall AfD)

Wie wir als AfD-Fraktion bereits in den ersten Bera-tungen zum Ausdruck gebracht haben, haben wirgrundsätzlich nichts gegen das Ansinnen, eine Lan-desregulierungsbehörde für den Freistaat Thürin-gen zu schaffen, wenn die Kosten nicht über denbisherigen Lösungen liegen. Diese Forderung wur-de auch in den zahlreichen Stellungnahmen derBetroffenen zu dem Gesetzentwurf aufgemacht.Das hat auch die Handwerkskammer bis hin zu denSWE Erfurt in Stellungnahmen entsprechend zumAusdruck gebracht. Die Regulierungspraxis der bis-her in der Organleihe tätigen Bundesnetzagenturbleibt weiterhin kritikwürdig. Auch praktische Vortei-le machen die Gründung einer solchen Landesre-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9721

(Abg. Mühlbauer)

Page 38: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

gulierungsbehörde durchaus attraktiv. Wir freuenuns auf bessere Kommunikation, wenn die entspre-chende Behörde für unsere Gas- und Stromnetzbe-treiber vor Ort ist, dass es entsprechend besserwird und natürlich auch – nicht zu vergessen – einAbbau von Bürokratie damit einhergeht.

Eine solche Landesregulierungsbehörde muss aberzwingend politisch und wirtschaftlich unabhängigsein, um ordentlich arbeiten zu können. Doch auchnach zahlreichen Beratungen im Ausschuss fürUmwelt, Energie und Naturschutz und im Aus-schuss für Justiz und Verbraucherschutz konntenunsere bereits geäußerten Bedenken nicht ausge-räumt werden. Gerade die politische Unabhängig-keit der geplanten Kammer konnte nach unsererAuffassung nicht zufriedenstellend gelöst werden.Es geht der Landesregierung immer noch primärum eine ideologisch begründete politische Ein-flussnahme zur Durchsetzung ihrer Prämissen imRahmen der Regulierung. So bleibt weiterhin zu be-fürchten, dass Personen installiert werden, die auchnach dem Ende der Landesregierung 2019 weiterrot-rot-grüne Energiewende in der Position exeku-tieren werden. Das ist für uns nicht akzeptabel, ins-besondere, da das vorsitzende Mitglied und die bei-sitzenden Mitglieder der Regulierungskammerdurch den für Energie zuständigen Minister und da-durch letzten Endes durch die Landesregierung er-nannt werden sollen. Dies läuft dem Begriff der Un-abhängigkeit letztendlich zuwider. Hierzu gibt es einRechtsgutachten von Dr. Sarah Thomé aus demJahr 2016 mit dem Titel „Länderpraxis in der Aus-gestaltung der Unabhängigkeit von Landesregulie-rungsbehörden“. Danach kommt die EU-Kommis-sion zu der Auffassung, dass die organisatorischeSelbstständigkeit nur gegeben ist, wenn weder Per-sonal noch Diensträume mit einem Ministerium ge-teilt werden. Frau Ministerin, eine Benennung wür-de ja reichen, Sie müssen ja nicht alle drei gleichbenennen. Auch Herr Dr. Dette hatte da einen Vor-schlag gemacht, dass eben nicht alle Mitarbeiterder Behörde von Ihnen benannt werden sollen.

Der Landesrechnungshof, Herr Dr. Dette, hat auchin seinen Ausführungen explizit zum GesetzentwurfStellung genommen und entsprechend darauf hin-gewiesen. Die AfD-Fraktion bittet um entsprechen-de Beachtung und Anpassung des Gesetzentwurfs.

Auch die von uns bereits vorgebrachten Bedenkenbezüglich der Haushaltsmittel und des von uns er-warteten Kostenaufwuchses bei den Sachverstän-digen- und Gerichtskosten konnten nicht vollständigausgeräumt werden. Auch den Landesrechnungs-hof überzeugte der Gesetzentwurf in diesem Punktnicht. In der Erläuterung zum Gesetzentwurf heißtes, dass dem Landeshaushalt keine zusätzlichenKosten entstehen werden. In der Begründung zumGesetzentwurf liest man jedoch weiterhin, dass esmöglich ist, dass steigende Personal- und Sachkos-ten entstehen. Damit werden wieder die Endver-

braucher und unsere mittelständische Wirtschaftdie steigenden Kosten zu zahlen haben, wenn dieUmstellung der Regulierungsbehörde nicht gut ge-macht wird. Hier hätten wir uns als AfD-Fraktion ge-nauso wie auch der Landesrechnungshof eine Wirt-schaftlichkeitsberechnung nach § 7 Abs. 3 der Thü-ringer Landeshaushaltsordnung gewünscht, umKosten und Nutzen der bisherigen Organleihe mitder geplanten Landesregulierungskammer zu ver-gleichen.

Wie jedoch bereits eingangs erwähnt, hat die AfD-Fraktion grundsätzlich nichts gegen die Einrichtungeiner Landesregulierungskammer, wenn die Kritik-punkte noch ausgebessert werden oder dann künf-tig entsprechend hier eine Nachbesserung des Ge-setzentwurfs erfolgt. Da werden wir uns dieses Malenthalten. Die Art und Weise der Besetzung derStellen in den beabsichtigten Landesregulierungs-behörden werden wir uns jedoch ganz genau anse-hen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Danke schön. Ich habe jetzt noch eine weitereWortmeldung von Herrn Abgeordneten Kobelt fürdie Fraktion Bündnis 90/Die Grünen.

Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren, erlauben Sie mir, ganz kurz auf diePunkte der AfD-Fraktion einzugehen. Einen ent-scheidenden Satz haben Sie gesagt: Wir vermuten,dass die Mitarbeiter dies und das tun, oder wir ver-muten, dass sie die Energiewende vorantreibenoder diese nicht mehr rückgängig machen werden.Meine sehr geehrten Damen und Herren, wenn wirals Abgeordnete unsere Einschätzung auf Vermu-tungen oder Schätzungen beruhen lassen unddann einem Gesetzentwurf – der meiner Meinungnach wirklich sehr gut ist – nicht zustimmen, dannzeigt das doch eigentlich, dass Sie uns in der Sa-che zustimmen und sich nur nicht getrauen, dasheute hier zu sagen.

(Unruhe AfD)

Zu dem Punkt der Kosten des Personals und derSachleistungen ist in der Anhörung und auch in derAusschussbefassung ganz deutlich geworden, dasswir mit diesem Vorschlag, der heute als Gesetz hiervorliegt, im Vergleich zu anderen Bundesländernam unteren Bereich liegen, das, obwohl, nachdemdie anderen Bundesländer das beschlossen haben,die Aufgaben der Regulierung immer mehr steigen.Eine Aufgabe ist natürlich auch, die Stadtwerke inihren Beratungsmöglichkeiten, in ihren Klagemög-lichkeiten zu unterstützen. Die Stadtwerke und dieBürgerinnen und Bürger – auch wenn das der AfD

9722 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Kießling)

Page 39: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nicht passt – machen sich immer mehr auf denWeg, sich von großen Energielieferanten aus Russ-land oder aus Saudi-Arabien unabhängig zu ma-chen, die Sie wahrscheinlich eher unterstützen wol-len.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sie wollen sich unabhängig machen, wollen sich ei-ne eigene Solaranlage bauen, wollen möglichst we-nig Strom oder möglichst wenig Energie noch vongroßen Energielieferanten beziehen oder importie-ren, sondern wollen das mit den Stadtwerken vorOrt gemeinsam gestalten. Genau dieses Ziel habenwir als Bündnis 90/Die Grünen auch. Wir wollen dieBürgerinnen und Bürger und die Stadtwerke bei ei-ner lokalen Energiewende unterstützen, die geradehier in der Region Arbeitsplätze schafft,

(Beifall SPD)

die Unabhängigkeit gestaltet und die letztendlichauch für große Preissenkungen sorgt. Das wollenSie von der AfD nicht wahrhaben. Aber kleine de-zentrale Anlagen, Investitionen von Stadtwerken,das wird den Energiemarkt revolutionieren. Wir sindda als Thüringen mit unseren Stadtwerken und denBürgerinnen und Bürgern gut aufgestellt und wollendies unterstützen. Zu dieser Unterstützung gehörtauch eine Regulierung, und zwar, dass wir in Thü-ringen eine Regulierungskammer, eine Landesre-gulierung aufbauen. Denn die Erfahrungen in derBundesnetzagentur – das haben Sie in Ihrer Redeauch nicht erwähnt – waren ja gerade die, dass dieStadtwerke und Investoren teilweise zwei, drei Jah-re auf eine Bearbeitung warten mussten. Das gehtnatürlich gar nicht. Was in der Energiewirtschaftjetzt schon ein halbes Jahr an Veränderungen daist, kann man nicht erst in zwei Jahren regulieren.Das ist ein Service für die Stadtwerke und Bürgerin-nen und Bürger und die Investoren, die wir bessergestalten wollen.

(Unruhe AfD)

Deswegen ist eine Landesregulierungsbehörde gutund richtig. Wir freuen uns, dass wir uns zusammenmit der CDU-Fraktion verständigt haben, dass die-se unser Ansinnen unterstützt und die Organleihezum 30.06.2018 gekündigt und zum 01.01.2019losgelegt werden kann.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Regu-lierung als eigene Aufgabe in Thüringer Hand istgerade nicht teurer, sondern verbessert den Ser-vice. Wir können die regionale Energiewende zu-sammen mit den Stadtwerken, mit den Bürgerinnenund Bürgern besser gestalten. Deswegen sind wirdavon überzeugt, dass das ein sehr guter Gesetz-entwurf ist, der von vier Fraktionen getragen wurde.Das ist ein Grund, warum wir um Zustimmung bit-ten. Wir freuen uns sehr, dass wir in den Ausschüs-sen so konstruktiv gearbeitet haben, dass wir dieAnregungen der Anzuhörenden aufgenommen ha-

ben. Ich bitte namens unserer Fraktion um Zustim-mung. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Weitere Wortmeldungen? Frau Sie-gesmund, wenn Sie noch eine Wortmeldung ausden Reihen der Abgeordneten gestatten? Das istder Fall. Dann, Herr Abgeordneter Möller, habenSie das Wort. – Die Landesregierung hat immerdas Recht, zu reden. Deswegen muss ich fragen.

Abgeordneter Möller, AfD:

Das wollte ich gar nicht bezweifeln, Herr Präsident.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Gäste, sehrgeehrter Herr Präsident, mich hat es trotzdem nochmal vorgetrieben, weil der Redebeitrag von HerrnKobelt gerade wieder einzigartig klargemacht hat,dass er nicht verstanden hat, was eine Regulie-rungsbehörde, eine Landesregulierungsbehördeüberhaupt tut. Da hat er also ausgeführt, dass erunter anderem erreichen möchte, dass Sie, wennsich Einwohner von Thüringen mit einer Photovol-taikanlage von der Energieversorgung unabhängigmachen wollen, das unterstützen wollen. Aber,mein lieber Herr Kollege Kobelt, das ist nicht Aufga-be der Regulierungsbehörde. Die Regulierungsbe-hörde kümmert sich ums Netz, sie kümmert sichnicht um die Erzeugung von Energie.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Das ist relativ entscheidend fürden Aufbau der Erneuerbaren!)

Das ist ziemlich entscheidend, weil sie in demPunkt schlicht und ergreifend keine behördlicheKompetenz hat. Wenn sie keine behördliche Kom-petenz hat, können Sie mit diesem Gesetzentwurf,über den wir hier gerade reden, diesen Punkt auchüberhaupt nicht fördern. Dasselbe betrifft natürlichauch die Frage, ob wir jetzt unsere Energieerzeu-gung beispielsweise auf der Basis von Gas mit ei-ner entsprechenden Anbindung an Russland si-cherstellen – so, wie es die AfD-Fraktion bevor-zugt –, oder ob man eben den Weg der erneuerba-ren Energien geht, was Sie alle bevorzugen. Dashat mit der Regulierungsbehörde nichts zu tun. Wiegesagt, die Regulierungsbehörde ist für das Netzzuständig und für sonst nichts, nur für das Netz.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ja!)

Das sollten Sie eigentlich verstehen, wenn Sie inder zweiten Beratung über Ihren eigenen Gesetz-entwurf reden und abstimmen lassen wollen.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9723

(Abg. Kobelt)

Page 40: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Lassen Sie mich noch eine Bemerkung machen,Herr Kobelt. Sie sagten, Sie wollen auch, dass dieStadtwerke schön auskömmlich wirtschaften, damitsie was für die Kommunen tun können. Das ist si-cherlich ein Thema, da kann die Regulierungsbe-hörde etwas tun. Aber all das, was die Regulie-rungsbehörde dafür tun kann durch eine entspre-chend günstige Netzentgeltgenehmigungspraxis,das räumen Sie auf der anderen Seite wieder ab,indem Sie beispielsweise hier einen Kurs bei derEnergiewende weiterfahren, indem Sie weiterhin er-neuerbare Energien subventionieren. Raten Siemal, zu wessen Lasten das geht? Es geht zulastender Stadtwerke mit ihren Gaskraftwerken, die kaumnoch einspeisen können, die das Geld, was Gas-werke kosten, schlicht nicht mehr erwirtschaftenkönnen. Ich sage es immer wieder gern, das ist einKlassiker hier im Plenum: Daran sind die Stadtwer-ke Gera pleitegegangen. Daran ändert Ihre Regu-lierungsbehörde nichts, gar nichts.

(Beifall AfD)

Das sollten Sie einfach berücksichtigen.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Dann machen Sie vielleicht demnächst irgendwannein allumfassendes, in sich schlüssiges energiepoli-tisches Konzept für Thüringen, wo Sie das alles mitberücksichtigen. Dann finden Sie vielleicht auch un-sere Zustimmung. Solange das nicht der Fall ist,kriegen Sie die Zustimmung eben nicht. Dankeschön.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ich glaube, Sie haben das nichtverstanden!)

Präsident Carius:

Ich habe noch zwei weitere Wortmeldungen ausden Reihen der Abgeordneten. Das ist einmal FrauMühlbauer für die SPD-Fraktion. Bitte schön. Da-nach Herr Hartung.

Abgeordnete Mühlbauer, SPD:

Werte Kollegin Becker, es tut mir leid. Natürlichsind die, die Fach- und Sachverstand hier in diesesPlenum einbringen, überwiegend. Da sind Die Lin-ke, die Grünen, wir und die Kollegen der CDU einerMeinung. Aber es tut mir leid, Herr Möller versuchtjede Gelegenheit zu nutzen, um sein Lieblingsthe-ma hier aufzureißen. Ich wollte eigentlich bitten,dass die Kolleginnen und Kollegen das Protokollzum Klimawandel nachlesen, 103. Sitzung, 13.12.,die Diskussion war eine ähnliche. Da ist dann Kolle-ge Harzer sehr erklärend reingegangen. Sie kön-nen es nachlesen, ich kann Ihnen die Seitenzahlen

benennen, das wären die Seiten 181 ff. – fast wört-licher Wortlaut.

Aber bitte diesmal eine Anmerkung von mir, weil eseinfach der Unwahrheit entspricht: Erster Punkt, dieStadtwerke Gera – erstmalig und letztmalig von mir,weil ich war in dieser Legislatur schon in Verant-wortung, ich war damals auch vor Ort, ich habe da-mals sowohl mit Bürgermeistern und Verantwortli-chen darüber gesprochen –: Mit dem damals amtie-renden Wirtschaftsminister und dem Kollegen, derfür Arbeit und Wirtschaft zuständig ist, WolfgangLemb, mit unserem Fraktionsvorsitzenden – zudem Zeitpunkt Uwe Höhn – hatten wir mehrere Ge-spräche vor Ort, wie wir die Stadtwerke Gera unter-stützen. Mir ist sehr wohl bekannt – und das ist eseigentlich jedem, der sich fachlich dafür interes-siert –, es war nicht die Energiewende.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine werten Damen und Herren, ich muss Ihnendas in der Deutlichkeit sagen: Das sind wieder Fa-ke News. Herr Möller, Sie dürfen sich ganz tiefen-entspannt wieder hinsetzen. Nein, ich werde IhreFrage nicht beantworten, weil ich auch in der Öf-fentlichkeit diesen wirtschaftlichen Hintergrund nichtoffenlegen darf. Aber ich darf Ihnen versichern:Glauben Sie ihm kein Wort. Das ist total danebenund es ist peinlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Es ist vor allem peinlich für die Geraer und für denLandeshaushalt, der nach wie vor dafür in Verant-wortung steht, dass diese Stadt eine positive Ent-wicklung nimmt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, da Sieeinen Bundestagsabgeordneten haben, der ausdieser Kante kommt, sollten Sie sich dauerhaft bes-ser informieren, um den Menschen vor Ort endlichmal die Wahrheit zu sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Jetzt lassen Sie mich noch zwei, drei, vier Anmer-kungen machen. Es nützt nichts, Herr Kießling,wenn Sie versuchen, mir in den Mund zu legen,dass ich hier suggeriere, dass der LeitungsbauSuedOstLink über eine Landesregulierung zu be-einflussen wäre. Das habe ich nicht gemacht.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Ich auchnicht!)

Bitte, dann hören Sie mir zu und legen Sie mir nichtetwas in den Mund. Denn das lasse ich mir auchdauerhaft nicht mehr von Ihnen bieten und gefallen.Das muss man korrigieren, man muss Sie stellen.Mit Ihren Unwahrheiten, Unsauberkeiten, mit IhrenGrauzonen muss man Sie stellen, damit die Bürger

9724 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 41: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

und Bürgerinnen wissen, was Sie hier für einen Un-sinn verbreiten.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Sie behaupten ja immer, in jeder Publikumsdiskus-sion, der gebürtige Arnstädter – gehen Sie zu unse-rem Arnstädter Stadtwerk, lesen Sie die Stellung-nahme,

(Unruhe AfD)

fragen Sie die in Verantwortung Stehenden, wie vieles sie kostet, wie viele Jahre sie dafür gekämpft ha-ben, dass dieser Weg hier frei gemacht wird.

(Unruhe AfD)

Glauben Sie mir: Dort wird kein gutes Wort über Ih-re Art der Politik gesprochen.

(Zwischenruf Abg. Kießling: Das ist Ihre Mei-nung!)

Last but not least: Meine sehr geehrten Damen undHerren, es ist ein großer Schritt für uns, für unsereStadtwerke, für die kommunalen Strukturen, die ichimmer schon haben wollte, die wir 2010 gemein-sam mit Ihnen auch umgesetzt haben, Kolleginnenund Kollegen aus der CDU-Fraktion. Wir stärkendie Kommunen, wir stärken unsere Stadtwerke, wirstärken unser Know-how. Am Ende des Tages stär-ken wir auch die Bedeutung in energiepolitischenFachgesprächen in der Bundesrepublik – und das,Gott sei Dank, ohne Sie, meine sehr geehrten Da-men und Herren der AfD-Fraktion, denn Sie leistenkeinen positiven Beitrag in dieser Debatte.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Als Nächster hat Abgeordneter Harzer für die Frak-tion Die Linke das Wort.

Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:

Die Kollegen von der AfD zeichnen sich wiederdurch große Unkenntnis aus. Das kommt davon,Herr Kießling, wenn man in den Ausschuss einfacherst zum Ende des Tagesordnungspunkts kommtund die ganze Diskussion und Argumentation nichtmitverfolgt. Dann kommt man zu falschen Aussa-gen. Ich will nur mal die Stadtwerke Arnstadt zitie-ren – Frau Mühlbauer hat schon darauf hingewie-sen –: „Unabhängig davon begrüßen wir – ebensowie unsere Tochtergesellschaft Stadtwerke Arn-stadt Netz GmbH & Co. KG – die Schaffung einerthüringeneigenen Thüringer Regulierungskammer.Den größten Vorteil einer eigenen Regulierungsbe-hörde sehen wir darin, dass im Freistaat eigeneFachkompetenz in Regulierungsfragen erhaltenund ausgebaut werden kann und dass die betroffe-

nen Netzbetreiber Diskussionen mit Ansprechpart-nern vor Ort führen können, denen die Sach- undProblemlage des Netzbetriebes im Freistaat besserbekannt sein dürften als dem Personal einer zentra-len Bundesbehörde.“ Herr Kießling, wenn Sie sichmal vor Ort erkundigt hätten, wüssten Sie das undwürden hier nicht so einen – erzählen. Ich darf dasWort ja leider nicht sagen. Vielleicht kurz dazu.

Ansonsten, Herr Möller, ist es nicht immer von Vor-teil, wenn man nur juristische und nicht ingenieur-technische Kenntnisse hat. Frau Mühlbauer hatschon darauf verwiesen. Aber wenn man schon Ju-rist ist, dann sollte man zumindest wissen, wasdenn die Aufgabe einer Regulierungsbehörde ist.Da kann ich Ihnen auch mal was aus der Bundesre-gulierungsbehörde vorlesen – ich zitiere hier dieBundesnetzagentur –: „Das Stromversorgungssys-tem in Deutschland befindet sich mitten im größtenUmbau seiner Geschichte. Die Bundesnetzagenturunterstützt mit ihren Entscheidungen konsequentdie Umsetzung der Energiewende und wacht da-rüber, dass die hohe Qualität der Stromversorgungin Deutschland gesichert bleibt. Als Wettbewerbs-behörde regelt sie die Öffnung der Netze für neueAnbieter und sichert den Wettbewerb.“ Und bitteschön: Jede Photovoltaikanlage, die ans Netz an-geschlossen wird, ist ein neuer Anbieter. Über die-se Regulierungsbehörde werden natürlich die Rah-menbedingungen geschaffen, dass diese Anbieteram Netz teilnehmen können. Am Anfang war näm-lich das Problem, dass die Netzbetreiber die erneu-erbaren Energien nicht in ihre Netze gelassen ha-ben, dass es dort zu Klagen kam, dass es da zugesetzlichen Initiativen kam, dass das überhaupterlaubt worden ist. Dafür gibt es jetzt diese Regulie-rungsbehörde,

(Beifall DIE LINKE)

dass das auch in Zukunft so ist. Da sollten Sie sichmal kundig machen. Vor allem sollten Sie dannauch das, was Sie lesen, verstehen und nicht nurinterpretieren, so wie Sie es denken – wenn Siedenken. Danke.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Herr Möller, Sie haben noch mal die Gelegenheitfür die AfD-Fraktion.

Abgeordneter Möller, AfD:

Nur ganz kurz zu unserem Evergreen, warum dieStadtwerke doch wegen der Energiewende pleite-gegangen sind: Das können Sie eigentlich in Se-kundenschnelle mit Ihren Smartphones nachgoo-geln. Sie brauchen einfach nur mal eingeben „Son-derabschreibung Stadtwerke Gera“. Da finden Siezum Beispiel einen Zeitungsartikel oder einen Bei-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9725

(Abg. Mühlbauer)

Page 42: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

trag im Onlineportal der Zeitschrift „Der Westen“.Ich darf mit der Genehmigung des Präsidenten zi-tieren: „Hintergrund [der Pleite] ist eine Sonderab-schreibung auf das Gaskraftwerk, das wegen dergeringeren Marge infolge des hohen Gaspreisesund des Vorrangs der Erneuerbaren Energien anWert verloren hat.

(Beifall AfD)

Aus den korrigierten Bilanzwerten ergab sich eineForderung von 18 Millionen Euro an die Stadtwer-ke.“

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Wie erklären Sie, dass keine wei-teren Stadtwerke insolvent sind?)

Wenn Sie in dem Zusammenhang weiterlesen,dann werden Sie nachlesen, dass aufgrund desEinspeisevorrangs die Benutzungsdauer diesesKraftwerks von ehemals 5.500 Stunden im Jahr aufdie Hälfte geschrumpft ist

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Hiergeht es um mehr!)

wegen des Einspeisevorrangs, ein zentrales Ele-ment Ihrer Energiewendepolitik.

(Beifall AfD)

Ihre Energiewendepolitik hat dafür gesorgt, dassdas Kraftwerk kaum noch läuft, und sie hat dafürgesorgt, dass auf der anderen Seite der Strompreiszu sehr gesunken ist,

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: HerrMöller, Sie haben das System nicht verstan-den!)

um in der kurzen Zeit, wo es noch laufen darf, über-haupt die Kosten zu erwirtschaften. Deswegen,meine Damen und Herren – da hilft Ihr ganzes Ge-brüll und Reingerede nichts –,

(Beifall AfD)

ist Ihre Energiewendepolitik schuld an der Pleiteder Stadtwerke Gera.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Siehaben keine Ahnung!)

Das lässt sich für jeden – auch für jeden Dritten,der oben auf der Tribüne sitzt – sofort nachlesen.Danke.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Vielen Dank, Herr Möller. Jetzt sehe ich keine wei-teren Wortmeldungen aus den Reihen der Abge-ordneten und gebe Frau Ministerin Siegesmunddas Wort für die Landesregierung.

Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energieund Naturschutz:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren Abgeordneten, ja, ein guter Tag für Strom-und Gasnetzbetreiber in Thüringen, übrigens eben-so wie für Verbraucherinnen und Verbraucher,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

eben weil die Energiewirtschaft auch bei uns inThüringen vor einem tief greifenden Strukturwandelsteht. Wir haben uns dazu bekannt, dass wir dieStrukturen in Thüringen dezentral ausbauen wollen.Wer dezentral ausbauen will, also auch von derEnergiewende profitieren will, der muss auch de-zentrale Lösungen anbieten, gerade übrigens auchin komplexen Fragen der Regulierung. Weil unsereVerteilnetzbetreiber – die 56 angesprochenen, dieunter 100.000 Anschlüsse bereitstellen – darauf an-gewiesen sind, Know-how vor Ort zu haben, weilsie darauf angewiesen sind, wenn sie sicher undzuverlässig das Netz regulieren wollen, dass siehier auch einen Ansprechpartner haben, deswegenist das ein ausdrücklich guter Tag für jene, abereben auch für Verbraucherinnen und Verbraucher.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir spre-chen darüber, dass die Netzregulierung immerkomplexer wird, gerade eben für die Verteilnetzbe-treiber. Unsere Stadtwerke haben in ihren vorhan-denen Strukturen immer mehr und immer komple-xere Aufgaben zu lösen. Der Unterschied, HerrMöller, ist, dass die regierungstragenden Fraktio-nen und die CDU erkannt haben, wie man kommu-nale Unternehmen stärken kann,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Hat Gera ge-merkt!)

indem man sie nämlich unterstützt. Sie, der hier nurden Thüringer Landtag als Wahlkampfarena nutzt –übrigens zulasten einer Stadt in Ostthüringen, diedas gar nicht verdient hat,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

dass Sie sie für sich im Nachgang mit Märchen ver-wenden – haben eben nicht erkannt, worum esgeht. Wenn Sie sich zum Lakaien von Putin ma-chen wollen, dann tun Sie das. Es gibt andere Frak-tionen und Parteien, die sehr genau wissen, worumes geht und dass wir energiepolitisch die Weichenanders stellen müssen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, seit nun-mehr fast 13 Jahren werden die Aufgaben der Lan-desregulierungsbehörde in Thüringen – theoretischjedenfalls – von der Bundesnetzagentur im Wegeder Organleihe ausgeübt. Natürlich hat sich das Ka-binett auch mit der Frage beschäftigt, was denn an-

9726 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 43: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

gesichts der beispielsweise vom AbgeordnetenHarzer, Herrn Kobelt oder Herrn Gruhner und auchFrau Mühlbauer angesprochenen neuen Aufgabender richtige Weg ist. Und ja, der richtige Weg ist,dass wir im Kabinett gesagt haben, wir können unsvorstellen, diese Aufgabe zurück auf Landesebenezu ziehen. Ich bin Ihnen allen sehr dankbar, auchden Fraktionsvorsitzenden, dass Sie den Weg er-öffnet haben, dass das Kabinett und unser Hausnun zum 30.06. den Vertrag mit der Bundesnetz-agentur kündigen und zum 01.01.2019 eine eigeneLandesregulierungsbehörde auf den Weg bringenkann. Ich will mich ausdrücklich bedanken, weil dasauch eine gute, fachlich fundierte Debatte im Aus-schuss war, die durchaus dazu beiträgt, dass wirvor Ort nicht nur Vertrauen gewinnen können, son-dern auch Handlungsfähigkeit an der richtigen Stel-le herstellen. Vielen Dank dafür.

Es ist ein großer Mehrwert – nicht nur für den Ver-band der kommunalen Unternehmen und auch alljene, die darin versammelt sind – unter anderemdeswegen, weil wir alle wesentlichen Rechts- undVerfahrensfragen zwar bundesweit einheitlich gere-gelt sehen, es dann aber vor Ort trotzdem immernoch nicht nur Handlungsspielräume gibt, sondernauch detaillierte Einzelfragen, die wir hier vor Ortklären können. Ich denke, dass wir mit dem Zuge-hen auf die Energieversorgungsunternehmen, in ih-rem Willen, dass wir ihre Anliegen sehr ernst neh-men, ihnen die Wege nach Bonn ersparen, zeigen,wie wichtig es uns ist, gemeinsam am Ausbau desEnergie- und Verteilnetzes in Thüringen weiterzuar-beiten. Wir legen uns das nötige Quäntchen Know-how zusätzlich zu, um die Thüringer Interessen inGesetzgebungs-, Regulierungs- und Verfahrensfra-gen künftig auch autark einspeisen zu können.Deswegen verwende ich mich seit vielen Monatendafür, dass wir heute hier zu diesem Tag kommen,und bin sehr froh, dass es nun gelingt, die Kündi-gung des Organleiheabkommens mit der Bundes-netzagentur auf den Weg zu bringen und die Lan-desregulierungsbehörde in Thüringen durch Gesetzzu errichten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich glau-be, dass das der richtige Weg ist, weil wir die Ent-scheidung im Kammerprinzip, so wie der Gesetz-entwurf sie vorsieht, dadurch untersetzen können,dass eine Arbeitsweise entsteht, die nicht nur neu-tral, sondern höchst effizient ist. In diesem Gre-mium werden einem gerichtsähnlichen Verfahrendie Punkte geklärt, die bislang im Verfahren derOrganleihe bei der BNetzA liegen. So können wirauch den Tätigkeiten der Regulierungsbehörden –die wir uns übrigens in anderen Bundesländernsehr genau angeschaut haben, um zu prüfen, wasfür uns das beste Verfahren ist – auch am bestenRechnung tragen. Natürlich sind die Aufgaben, sowie die EU das gefordert hat – und nicht wie dasvorhin im Raum stand und unrichtig behauptet wur-

de –, selbstverständlich nicht nur gerichtsfest, son-dern auch neutral zu entscheiden. Dafür legt derGesetzentwurf die Grundlage. Die EU fordert nichtnur die Neutralität, sondern sie fordert auch – unddas ist für uns natürlich wichtig – eine ausreichendefinanzielle, sächliche und personelle Ressourcen-ausstattung. Da will ich auch ganz offen sagen: Ei-ne angemessene Personalausstattung heißt ebenauch, dass mindestens ein Vorsitz und drei Beisit-zer das absolute Minimum sind, weil eines uns al-len klar sein muss: Diese Landesregulierungsbe-hörde muss vom ersten Tag an handlungsfähigsein. Das wird unsere Aufgabe, wenn der ThüringerLandtag dem Gesetzentwurf so zustimmt. Dafürwollen wir uns verwenden, diese Personalausstat-tung muss stehen. Das heißt, meine sehr geehrtenDamen und Herren, wenn Sie jetzt dem Gesetzent-wurf zustimmen, können wir zum 30.06. den Ver-trag mit der Bundesnetzagentur kündigen, dannzum 01.01.2019 die Landesregulierung mit einementsprechenden Übergabeverfahren durch dieBNetzA anberaumen. Damit stärken wir das Know-how vor Ort, wir handeln energiewirtschaftlich ver-nünftig und wir sind vor allen Dingen bürgerfreund-lich unterwegs. Deswegen bitte ich Sie, dem Ge-setzentwurf zuzustimmen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Ich habe jetzt keine weiteren Wortmel-dungen. Damit schließe ich die Aussprache und wirkommen zur Abstimmung, zunächst über die Be-schlussempfehlung des Ausschusses für Umwelt,Energie und Naturschutz in der Drucksache 6/5440.Wer dafür ist, den bitte ich jetzt um das Handzei-chen. Das sind die Stimmen der Koalitionsfraktio-nen, der CDU-Fraktion. Gegenstimmen? Enthaltun-gen? Aus der AfD-Fraktion. Damit mit Mehrheit an-genommen.

Nun stimmen wir ab über den Gesetzentwurf derFraktionen Die Linke, SPD und Bündnis 90/DieGrünen in Drucksache 6/4816 in zweiter Beratungunter Berücksichtigung des Ergebnisses der Ab-stimmung zur Beschlussempfehlung. Wer dafür ist,den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sinddie Stimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Enthaltun-gen? Aus der AfD-Fraktion. Damit mit Mehrheit an-genommen.

Wir stimmen nun über den Gesetzentwurf in derSchlussabstimmung ab. Wer dafür ist, den bitte ich,sich von den Plätzen zu erheben. Das sind dieStimmen der Koalitionsfraktionen und der CDU-Fraktion. Danke schön. Gegenstimmen? Enthaltun-gen? Bei Enthaltungen aus der AfD-Fraktion mitMehrheit angenommen. Vielen Dank. Damit schlie-ße ich diesen Tagesordnungspunkt.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9727

(Ministerin Siegesmund)

Page 44: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 6

Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisseder Richter und Staatsanwälteim Landesdienst sowie zur An-passung besoldungs- und ver-sorgungsrechtlicher Vorschrif-tenGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/5376 -ERSTE BERATUNG

Ich frage die Landesregierung, ob Sie das Wort zurBegründung wünscht? Herr Minister Lauinger, wün-schen Sie das Wort zur Begründung?

(Zuruf Lauinger, Minister für Migration, Justizund Verbraucherschutz: Ja!)

Bitte, dann haben Sie das Wort.

Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Ver-braucherschutz:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren Abgeordneten, ich freue michsehr, Ihnen heute eines der bedeutendsten Vorha-ben des Justizressorts vorstellen zu dürfen: die No-vellierung des Thüringer Richtergesetzes durch denEntwurf eines Gesetzes über die Regelung derRechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte.

Das Thüringer Richtergesetz hat im Bundesver-gleich anders als die Richtergesetze der anderenLänder seit seinem Inkrafttreten im Jahr 1994 gera-de erst einmal zwei nennenswerte Änderungen er-fahren, zuletzt eine Änderung im Jahr 2003, alsovor anderthalb Jahrzehnten. Seitdem war jedochdas allgemeine Dienstrecht vielfältigsten Verände-rungen unterlegen. Die 2006 beschlossene Födera-lismusreform, die Änderung in der Mitbestimmung,die allzeitigen Bestrebungen zur Vereinbarkeit vonBeruf und Familie, sie alle haben unsere Rechts-landschaft verändert. Das Thüringer Richtergesetzist seit 2003 – ich habe es erwähnt – nie reformiertworden. Im Unterschied zu den meisten anderenBundesländern liegt die Regelaltersgrenze für denRuhestandseintritt für die Thüringer Richterinnenund Richter noch bei 65 Jahren, was – das mussman auch einmal klar betonen – zu einer Ungleich-behandlung im Vergleich zu anderen Landesbe-diensteten, insbesondere auch zu Staatsanwältin-nen und Staatsanwälten, führt. Im System der Be-teiligungsrechte der Thüringer Richter- und Staats-anwaltschaftsvertretungen hinkt das ThüringerRichtergesetz ebenfalls den Beteiligungsrechtender Personalvertretungen der Beamtinnen und Be-amten deutlich hinterher. Die Verfahrensweise beider Besetzung von Beförderungsämtern ist ein be-reits langjähriger, wirklich langjähriger, Streitpunkt,

in dessen Fokus die Abschaffung des bisherigenministeriellen Letztentscheidungsrechts steht. Alldies, meine sehr geehrte Damen und Herren, ge-hen wir jetzt mit diesem Gesetzentwurf erstmals an.Die Koalitionsfraktionen haben sich im Koalitions-vertrag für diese Legislaturperiode zu einer Novel-lierung des Thüringer Richtergesetzes verständigt,insbesondere zu einer Stärkung der richterlichenund staatsanwaltschaftlichen Mitbestimmungsrech-te.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die unab-hängige Justiz als Garantin für einen demokra-tischen Rechtsstaat genießt bei den Bürgerinnenund Bürgern einen besonderen Vertrauensstatus –und das zu Recht. Denn Richterinnen und Richterdes Freistaats leisten eine ebenso hervorragendeArbeit wie Staatsanwältinnen und Staatsanwälte.Ihr täglicher Einsatz ist für das Funktionieren unse-res Rechtsstaats und damit unserer freiheitlichendemokratischen Grundordnung absolut elementar.Um diese hervorragende Arbeit weiter zu ermögli-chen, bedarf es vor allem einer guten Personalaus-stattung der Gerichte und Staatsanwaltschaften.Zugleich haben wir für eine angemesseneSachausstattung Sorge zu tragen, wozu es auchgehört, den elektronischen Rechtsverkehr in derJustiz auf die Beine zu stellen. Beide Aufgaben sindvorrangig und erklärte Ziele meines Hauses. Beibeiden Aufgaben haben wir in den letzten drei Jah-ren Beachtliches erreicht. Der elektronischeRechtsverkehr ist seit dem 1. Januar 2018 in derThüringer Justiz gestartet. Im Personalbereich, wowir insbesondere bei Richtern und Staatsanwältenund Richterinnen und Staatsanwältinnen eine teil-weise verheerende demografische Situation haben,haben wir die Trendwende mit insgesamt mehr als75 Neueinstellungen in dieser Legislaturperiode ge-schafft. Wir treffen damit wichtige Vorkehrungen fürdie zukünftigen ruhestandsbedingten Personalab-gänge. Damit zeichnen wir uns aktuell – auch nacheiner in der vergangenen Woche von dem ZDF-Ma-gazin „Frontal 21“ ausgestrahlten Reportage –deutlich von dem Bundestrend ab. Mir ist bei alle-dem selbstverständlich bewusst, dass wir bei die-sem Ergebnis nicht stehen bleiben dürfen und wei-terhin für Thüringen auch aufgrund des immer stär-keren Konkurrenzdrucks um gute Assessorinnenund Assessoren werben müssen. Wir sind in vielfäl-tiger Weise unterwegs, es ist uns in den letzten Mo-naten immer stärker gelungen, auch junge Kollegin-nen und Kollegen aus anderen Bundesländern da-zu zu bewegen, nach Thüringen zu kommen. Unsist es gelungen, einige der Thüringerinnen und Thü-ringer, die wir in den letzten zehn Jahren verlorenhaben, die in andere Bundesländer gegangen sind,weil es hier keine Chancen auf eine Neueinstellunggab, zu bewegen, wieder nach Thüringen zurückzu-kommen. All das sind für die personelle Entwick-lung der Justiz ganz hervorragende Ergebnisse.

9728 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Präsident Carius)

Page 45: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Meine sehr geehrten Damen und Herren, Richterin-nen und Richtern, Staatsanwältinnen und Staatsan-wälten gebührt als Repräsentanten und Entschei-dungsträgern der Justiz nicht nur rechtlich eine be-sondere Stellung, vielmehr genießen sie – ich hattedas bereits erwähnt – aufgrund des ihnen verliehe-nen Amtsauftrags eine besonders hohe Vertrauens-stellung in der Gesellschaft allgemein und bei deneinzelnen Bürgerinnen und Bürgern. Vertreter ein-zelner Berufsverbände kritisieren in den letzten Wo-chen vor allem die Abhängigkeit der Justiz von derExekutive. Nur eine personell und haushalterischvöllig eigenständige Justiz könne, so wird argumen-tiert, ihre verfassungsrechtlich gebotene Unabhän-gigkeit wahren. Plakativ äußert sich das immer wie-der in dem Zitat eines preußischen Justizministersaus dem 19. Jahrhundert, das die Vermutung nahe-legt, die Politik wolle die Justiz am Gängelband hal-ten, und mit einer zweiten sehr plakativen Äuße-rung des Thüringer Richterbunds, dass die Thürin-ger Justiz mit dem Richtergesetz nicht einmal in dieEU aufgenommen werden könnte. Lassen Sie michan dieser Stelle deutlich sagen: Diese Auffassungwerde ich nicht so stehen lassen und immer ganzdeutlich widersprechen, weil sie von der Justiz inder Öffentlichkeit ein völlig falsches Bild zeichnet.Sie zeichnet das Bild, dass nur dieses eine Modellin der EU greifen würde. Das ist falsch, meine Da-men und Herren. Die EU sagt ganz eindeutig, na-türlich gibt es zwei Modelle, die für die EU akzepta-bel sind. Das ist das Modell einer unabhängigenJustiz, es ist aber auch das Modell, dass die Ver-waltung durch die Exekutive ausgeübt wird, wennsichergestellt ist, dass Richter in Thüringen und inDeutschland unabhängig sind. Wer das tatsächlichmit einer solchen Formulierung anzweifelt, der be-gibt sich, glaube ich, in ein sehr gefährliches Fahr-wasser, weil Richterinnen und Richter in Deutsch-land und in Thüringen unabhängig sind.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Es ist nicht nur so, dass dies in Deutschland so ge-sehen wird, sondern auch in europäischen Nach-barländern. Wenn damit versucht wird, auch inDeutschland Justiz in die Nähe zu tatsächlich pro-blematischen Zuständen zu bringen – und das willich nicht verhehlen, auch ich sehe Zustände, wiesie in Ungarn oder in Polen für die Justiz tatsächlichherrschen, als sehr problematisch an –, aber damiteine Verbindung zu Zuständen in Deutschland oderin Thüringen zu schaffen, halte ich für komplett in-akzeptabel.

Wir haben – auch das will ich noch einmal betonen– gerade die Unabhängigkeit der Staatsanwalt-schaft durch den Erlass, auf den ich später nocheinmal zu sprechen kommen werde, in Thüringenausdrücklich gestärkt. Die Antwort auf die Frage, obeine selbstverwaltete Justiz nach dem bisherigenOrganisationsmodell vorzusehen ist, entscheidet

daher keineswegs – nach meiner Einschätzung –über die Frage der Unabhängigkeit der Judikative.Vielmehr sprechen – und das muss man an dieserStelle auch mal klar betonen – gewichtige Gründegegen eine vollständig selbstverwaltete Justiz. Sieist weder mit dem Grundgesetz noch mit der Lan-desverfassung vereinbar, noch kann sie im Rah-men des bundesrechtlich vorgegebenen Systemserrichtet werden. Keines der anderen Bundesländer– und sehr viele Bundesländer haben sich in denletzten Jahren aufgemacht und ihre Richter- undStaatsanwältegesetze reformiert – hat ein solchesSelbstverwaltungsmodell im Rahmen der Novellie-rungen umgesetzt, und zwar unabhängig davon,wie die parteipolitische Ausrichtung der jeweiligenLandesregierung war. Und das sage ich an dieserStelle auch klar: Auch eine rot-rot-grüne Landesre-gierung könnte dies nicht, denn Grundgesetz undBundesrecht lassen dies nicht zu.

Ich bedaure es in diesem Zusammenhang, unge-achtet der bereits längeren Diskussion. Ich habe esausgeführt, dass es vonseiten des Richterbunds dateilweise verkürzende und falsche Darstellungengegeben hat. Ich habe in den letzten Tagen wiedergehört, dass der Richterbund enttäuscht wäre, daman ihm im Koalitionsvertrag etwas anderes ver-sprochen hätte. Jetzt lese ich den Koalitionsvertragan dieser Stelle noch mal vor, ich habe es mir aus-drücklich rausgesucht. Da haben wir nämlich ver-einbart: „Die Mitbestimmung von Richterinnen undRichtern, Staatsanwältinnen und Staatsanwältensoll durch ein neues Richter- und Staatsanwältege-setz gestärkt und die Mitwirkungsmöglichkeiten derrichterlichen und staatsanwaltschaftlichen Gremienerhöht werden.“ Das ist exakt das, was diese Lan-desregierung im Koalitionsvertrag versprochen hat.Nicht versprochen haben wir, wie jetzt suggeriertwird, wir wollen eine komplette Unabhängigkeit derJustiz. Es ist also falsch, wenn gesagt wird, manhätte den Thüringer Richterinnen und Richtern indiesem Zusammenhang etwas anderes verspro-chen.

Ein zweiter Punkt, der mich persönlich auchdurchaus sehr geärgert hat, ist eine Darstellung, dieda lautet, man hätte das Letztentscheidungsrecht,um das es ja im Wesentlichen gehen wird, auchnicht aufgegeben. Natürlich haben wir es aufgege-ben. Bisher war es so, dass im Streitpunkt letztend-lich der Justizminister entschieden hat. Wenn die-ses Gesetz so kommt, wie es jetzt vorgelegt ist,wird es der Justizminister nicht mehr entscheidenkönnen, sondern es ist so, dass wir im Konsensentscheiden müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

(Zwischenruf Abg. Kräuter, DIE LINKE: Sehrgut!)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9729

(Minister Lauinger)

Page 46: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Aber es ist auch nicht der Fall – weil es so sugge-riert wird –, dass dieses Letztentscheidungsrechtauf die gewählten Gremien der Richter übergeht.Das ist auch nicht der Fall, sondern es ist derZwang zum Konsens – ein Modell, das übrigensandere Länder ganz erfolgreich an dieser Stelle soangewandt haben. Ich habe diesen Job sehr langegemacht und habe immer noch sehr viele Kollegin-nen und Kollegen, die ich aus der Zeit, in der ichselbst 22 Jahre Richter war, kenne. Ich glaube, esist wirklich nicht so, dass diese Ansicht, die teilwei-se geäußert wird, die Ansicht der großen Mehrheitder Thüringer Richterinnen und Richter ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Lan-desregierung hat sich im vorliegenden Gesetzent-wurf auch und sehr bewusst an Regelungen ande-rer Länder orientiert, insbesondere an den Rege-lungen im Richter- und Staatsanwältegesetz desLandes Baden-Württemberg, aber auch an Novel-lierungen, wie sie in Nordrhein-Westfalen undMecklenburg-Vorpommern vorgenommen wordensind. Auch an dieser Stelle hier noch einmal derHinweis, dass dies Landesregierungen von ganzunterschiedlichen parteipolitischen Konstellationensind, was zeigen soll, dass solche Novellierungenoftmals keine Frage von Parteipolitik sind, sondernvon sinnvollen Regelungen. Ebenso wie in Baden-Württemberg und ganz aktuell auch in Bayern solldie Stellung der Staatsanwaltschaft als Garant füreine objektive Strafrechtspflege durch ein Richter-und – ich betone ausdrücklich „und“ – Staatsanwäl-tegesetz betont werden.

An dieser Stelle möchte ich ganz bewusst den Zu-sammenhang – ich habe es eben schon einmal er-wähnt – mit meiner im vergangenen Jahr vorge-nommenen Selbstverpflichtung herstellen, nämlichder Selbstverpflichtung, das Weisungsrecht gegen-über den Staatsanwaltschaften zu begrenzen.Kernziel des Ihnen vorliegenden Gesetzentwurfs istdie Erweiterung und Ausgestaltung der Beteili-gungsrechte der Richter- und Staatsanwaltschaf-ten. Bislang sieht das Thüringer Richtergesetz füreine begrenzte Zahl von Beteiligungstatbeständenein im Wesentlichen einheitliches Beteiligungsver-fahren für die Richter- und Staatsanwaltschaftsver-tretungen ohne volle Mitbestimmung vor. Mit denNeuregelungen werden eine an den personalvertre-tungsrechtlichen Beteiligungsrechten orientierteMitbestimmung und ein entsprechend gestuftes Mit-bestimmungsverfahren eingeführt. Für die landes-rechtlichen Regelungen zu den Beteiligungsrechtender Richtervertretungen ist zu beachten, dass derLandesgesetzgeber auch an Rahmenvorschriftenim Bundesrecht gebunden ist. Für die Beteiligungder Richterschaft an allgemeinen, sozialen, perso-nellen Angelegenheiten gibt es deshalb nicht nur ei-ne Personalvertretung, sondern die Richter- und diePräsidialräte. Die Aufgabenzuweisungen an diese

Vertretungen ist unter Berücksichtigung der ihnenbundesrechtlich vorgegebenen Funktionen erfolgt.

Im Gesetzesvorhaben haben wir bewusst daraufverzichtet, weitere Beteiligungsrechte der Vertre-tungen für die Einstellung von Proberichterinnenund Proberichtern und deren Ernennung in ein Amtauf Lebenszeit einzuführen. Der Verfassungsgeber– und das haben wir natürlich zu beachten – hat inArtikel 89 Absatz 2 Satz 1 der Thüringer Verfas-sung die alleinige Zuständigkeit des Justizministersfür die Einstellung festgelegt und für die Lebenszei-ternennung nur die Zustimmung des Richterwahl-ausschusses vorgesehen.

Die seinerzeitige Einschätzung, dass bei der Ein-stellung geeigneter Bewerberinnen und Bewerbereine schnelle Entscheidung erforderlich ist, ist gera-de heute angesichts sinkender Absolventenzahlenund dem bundesweiten Wettbewerb um die klüg-sten Köpfe aktueller denn je. Damit meine ich nichtnur die Konkurrenzsituation zwischen den einzel-nen Bundesländern, sondern vor allem auch undgerade die Konkurrenzsituation zwischen dem öf-fentlichen Dienst und der Wirtschaft, eine Konkur-renzsituation – das wissen wir alle –, die wir im Mo-ment nicht nur in der Justiz haben, sondern in ganzvielen Bereichen im öffentlichen Dienst. Es wäredeshalb nicht förderlich, für das Einstellungsverfah-ren zusätzliche Verfahrenshürden zu errichten. DieThüringer Verfassung ist an dieser Stelle eindeutig.Dann müsste man erst mal zu einer Verfassungs-änderung kommen.

Zur Steigerung der Transparenz von Entscheidun-gen wird flankierend das Instrument des Interes-senbekundungsverfahrens unter anderem für dieVerwendung und den Wahlvorschlag zum Bundes-richterverfahren gesetzlich verankert – auch einPunkt, der in der Richterschaft immer sehr sehrkontrovers diskutiert wurde. Wie komme ich über-haupt dazu, möglicherweise für ein Amt als Bun-desrichter vorgeschlagen zu werden? Jetzt habenwir das gesetzlich verankert, dass es ein transpa-rentes Interessenbekundungsverfahren zu diesemPunkt gibt.

Mit dem Landesrichter- und Staatsanwaltsrat wollenwir ein für den gesamten Geschäftsbereich desJustizressorts zuständiges, zentrales Gremium er-richten. Die Interessen aller Thüringer Richterinnenund Richter, aller Staatsanwältinnen und Staatsan-wälte können auf diese Weise effektiver koordiniertund wahrgenommen werden. Ein Mitglied diesesRates wird auch an den Auswahlgesprächen für dieEinstellung von Proberichterinnen und Proberich-tern teilnehmen – eine Forderung explizit aus derRichterschaft, die wir in den Gesetzesentwurf nochaufgenommen haben.

Auch das Präsidialratssystem wird neu gestaltet.Für alle Gerichtsbarkeiten wird ein gemeinsamerPräsidialrat errichtet. Diese neue Struktur wird nicht

9730 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Minister Lauinger)

Page 47: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nur Synergieeffekte bewirken, wir erhoffen uns hier-von vor allem auch eine größtmögliche Transpa-renz und allseitige Akzeptanz bei Gerichten undübergreifenden Personalverwendungen. Das Ge-setz sieht für das Beteiligungsverfahren des Präsi-dialrats bei Beförderungen eine mir sehr wichtigeund nach meinem Empfinden auch die bedeutends-te Stärkung der Beteiligungsrechte vor. Denn zu-künftig kann das Verfahren auch im Falle eines Ge-genvotums des Präsidialrats nach gescheiterterEinwendung nicht mehr durch die abschließendeMinisterentscheidung enden. Das ist das Entschei-dende, dass ich sage, natürlich wird das Letztent-scheidungsrecht aufgegeben, weil so, wie es bishergeregelt war, ist es in Zukunft nicht mehr möglich.Vielmehr soll in diesen Fällen der Nichteinigungnunmehr der Richterwahlausschuss eingebundenwerden. Von seiner Zustimmung ist die Ernennungdes Ausgebildeten abhängig. Zwar muss aus ver-fassungsrechtlichen Gründen – das ist auch unum-stritten – weiterhin ein ministerieller Entscheidungs-spielraum verbleiben, ob einem übereinstimmen-den, abweichenden Ernennungsvotum des Präsidi-alrats und des Richterwahlausschusses entspro-chen werden kann oder nicht. Es ist jedoch im Un-terschied zur bisherigen Rechtslage nunmehr nichtmehr möglich, den vom Justizminister zur Ernen-nung Ausgewählten gegen die ausdrücklichen Vo-ten des Präsidialrats und des Richterwahlausschus-ses durchzusetzen. Dies bedeutet natürlich undselbstredend eine enorme Stärkung der Stellungdes Präsidialrats als Richtervertretung, da das Vo-tum des Präsidialrats eine völlig neue Bedeutunggewinnt und die Auswahlentscheidung einer weite-ren Kontrolle unterzogen wird. Auch hiervon erhof-fen wir uns eine größere Transparenz und Akzep-tanz.

Eine wesentliche Neuerung sieht der Gesetzent-wurf schließlich durch eine erstmalige gesetzlicheRegelung für dienstliche Beurteilungen von Rich-tern und Staatsanwälten vor. Dienstliche Beurtei-lungen sind – das wissen wir alle – die maßgebli-che Grundlage für Personalentscheidungen nachdem verfassungsrechtlich verbürgten Grundsatzder Bestenauslese. Transparenz und einheitlicheMaßstäbe sind an dieser Stelle unverzichtbar. DerGesetzentwurf setzt hier durch die gesetzliche Vor-gabe regelmäßiger Beurteilungen zu festen Stichta-gen neue Maßstäbe. Bisher war es so, wir hattenganz oft nur Regelbeurteilungen, die dann immerdem Vorwurf ausgesetzt waren, dass man genaudiejenigen Personen so beurteilt hat, die auch be-fördert werden sollen. Genau ein solches Modell istnicht mehr möglich, wenn es zu regelmäßigen Be-urteilungen zu festen Stichtagen kommt.

Da wir davon ausgehen, dass die Fortschreibungmoderner Justizstrukturen eine andauernde Aufga-be bleiben wird, ist es zielgerecht, das Gesetz auffünf Jahre zu befristen. Das ist vorgesehen. Das

zwingt uns gerade dazu, zu überschauen, ob wirmit diesem Gesetz tatsächlich die Dinge positiv aufden Weg bringen konnten und ob sie sich in derPraxis bewähren. Wenn man dann nach fünf Jah-ren feststellt, dass man weitere Schritte in RichtungUnabhängigkeit gehen sollte, kann man dies tunund dann ist es auch ein guter Moment, wenn manfünf Jahre gesehen hat, wie sich das in der Praxisbewährt hat.

Wie immer ist es so, dass es sich im Leben lohnenwird, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Ar-gumente aller, die daran beteiligt sind, noch mal ge-nau anzuhören und zu untersuchen. Betrachten Siedaher den vorgelegten Gesetzentwurf als eine langund wohl überlegte Entscheidung, unterschiedlicheInteressen zu berücksichtigen. Dessen ungeachtetbin ich auch weiterhin in den Ausschussberatungenbereit, in einen Diskurs einzutreten, denn auch hiergilt ein Satz von Kurt Tucholsky: Streitende solltenwissen, dass nie der eine ganz recht und der ande-re ganz unrecht hat.

Gemeinsames Ziel bleibt sicherlich am Ende derAusschusssitzungen, dass wir in Thüringen nachmehr als eineinhalb Jahrzehnten ein neues Richter-und Staatsanwältegesetz bekommen, welchesmodern ist und welches wir – das wäre meine Hoff-nung – dann nach der Sommerpause verabschie-den können. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Damit eröffne ich die Beratung und alsErster hat Abgeordneter Scherer für die CDU-Frak-tion das Wort.

Abgeordneter Scherer, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen undKollegen, ich will zum Thema „Richtergesetz“ einesvoranstellen: Die richterliche Unabhängigkeit – dashat der Justizminister eben eigentlich auch schonbetont – ist ein hohes Gut unserer Demokratie unddeshalb sollte man bei Änderungen von rechtlichenRegelungen sehr verantwortungsvoll damit umge-hen. Ich habe eben bewusst „die richterliche Unab-hängigkeit“ gesagt. Das ist Artikel 97 Grundgesetz,Absatz 1. Da steht nämlich drin: „Die Richter sindunabhängig und nur dem Gesetze unterworfen.“Von einer unabhängigen Justizverwaltung – da sindwir auf einer Linie, Herr Minister – steht da nichts.So viel dann zum Grundsatz.

Nun zum vorgelegten Gesetzentwurf: Es gibt ja be-reits öffentliche Äußerungen der Richtervertretun-gen. Ich will die nicht noch mal zitieren, sie standenin der Zeitung. Offenbar gibt es da noch immer Pro-bleme und ich weiß nicht, ob ein sachbezogenerDiskurs mit den Richtervertretungen nicht zu Ergeb-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9731

(Minister Lauinger)

Page 48: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nissen führen könnte. Vielleicht kann der Ministerdazu noch was sagen.

Zum Inhalt der vorgesehenen Änderungen will ich –weil es die erste Lesung ist – nur kurz Stellung neh-men. Wir könnten durchaus mit einigen Änderun-gen im Richtergesetz mitgehen. Ich will als Beispieleine der in meinen Augen wichtigsten Änderungenansprechen, das ist die Verfahrensweise bei Beför-derung. Die bisherige Regelung ist so: Der Justiz-minister schlägt jemanden zur Beförderung vor, derPräsidialrat ist entweder einverstanden oder nichteinverstanden. Wenn er nicht einverstanden ist,gibt es dieses berühmte Einigungsgespräch undwenn es in dem Einigungsgespräch keine Einigunggibt, entscheidet der Minister – Punkt. Das ist diebisherige Regelung. Sie entspricht – die ist auchnicht falsch – dem Demokratieprinzip, der Verant-wortung des Justizministers für die Justiz. Da gibtes jetzt natürlich auch andere Ansichten, denen ausmeiner Sicht ein grundsätzlich anderes Verständnisvom Demokratieprinzip und von der Gewaltentei-lung zugrunde liegt. Ich hatte es ja eben angespro-chen, unsere Verfassung regelt nicht die Unabhän-gigkeit der Justiz, sondern – und das ist ein essen-zieller Unterschied – die Unabhängigkeit des Rich-ters in seinen Entscheidungen. Damit es bei dieserUnabhängigkeit des Richters bleibt, gibt es daSchutzmaßnahmen für den Richter. Er ist auf Le-benszeit ernannt im Gegensatz zu anderen Län-dern, er ist nicht versetzbar und er wird – kann manso sehen – zunächst mal automatisch durch eineBesoldungsdurchstufung sogar befördert, nämlichmindestens bis zum Regierungsdirektor, wenn manes mal vergleicht. Das sind alles Regularien, die dieUnabhängigkeit des Richters schützen und die sindauch gut so.

Es bleibt allerdings dabei, dass der Justizministerdie Verantwortung für nicht richterliche Entschei-dungen in der Justiz trägt. Deshalb haben wir unszum Beispiel 2011, als es um eine Änderung desRichtergesetzes ging, ganz konsequent dagegenausgesprochen, die Letztverantwortung in ein Gre-mium zu legen, das letztlich keinerlei politische Ver-antwortung hat bzw. das auf der politischen Ebeneverantworten muss.

Wie sieht jetzt die Neuregelung aus? Sie wurde ge-rade angesprochen. Es bleibt zunächst bis zu demThema „Einigungsgespräch“ alles beim Alten.Wenn es beim Einigungsgespräch keine Einigunggibt, ist dann aber nicht diese Entscheidung des Mi-nisters da, sondern dann entscheidet der Richter-wahlausschuss. Entscheiden tut er auch nicht, son-dern er ist dann entweder auch mit dem Vorschlagdes Ministers einverstanden – dann ist alles gut –oder er ist nicht damit einverstanden. Dann – unddas ist jetzt wirklich der neue Schnitt – ist keine derbeiden Seiten im Recht, sage ich mal. Dann kannder Richterwahlausschuss seinen Kandidaten nichtdurchsetzen, wenn der Justizminister nicht damit

einverstanden ist, aber auch der Justizministerkann seinen Kandidaten nicht durchsetzen, wennder Richterwahlausschuss damit nicht einverstan-den ist. Die Folge ist: Der Justizminister bringteinen neuen Kandidaten und das Ganze geht vonvorne los – wenn man so will, auch eine Art Letzt-entscheidung, er muss nämlich nicht ernennen.Aber das ist sprachlich egal, wie man das bezeich-net. Das ist jedenfalls eine Regelung, mit der wirdurchaus mitgehen können.

(Beifall CDU)

Das ist eine Regelung, die wir für vernünftig halten.In Baden-Württemberg ist es so ähnlich. Der Minis-ter hat Baden-Württemberg vorhin ja als eines derLänder erwähnt, an denen sich der Gesetzentwurfjedenfalls zum Teil orientiert. Das finden wir in demBereich gut so.

Allerdings komme ich dann auch gleich, wenn wirüber den Richterwahlausschuss reden, zu einemPunkt, den wir kritisch sehen, und das ist die Erwei-terung des Richterwahlausschusses bzw. desStaatsanwaltswahlausschusses auf zehn Landtags-abgeordnete und einen Vertreter der Rechtsanwalt-schaft. Das muss aus unserer Sicht nicht sein unddas ist auch sachlich – sehe ich jedenfalls nicht – inkeiner Weise begründet, dieses Gremium so aufzu-blähen.

Ein weiteres Beispiel, über das wir im Ausschussnoch reden sollten, ist der gemeinsame Präsidial-rat, in dem auch lediglich nur noch ein Gerichtsprä-sident vertreten ist, während die anderen Präsiden-ten der Obergerichte dann lediglich noch ein Anhö-rungsrecht haben. Ich sehe auch nicht so recht,warum man unbedingt den einzelnen Fachgerichts-barkeiten ihren Präsidialrat wegnehmen muss undeinen gemeinsamen Präsidialrat macht, wo, wennes dann tatsächlich um Personalentscheidungengeht, aus meiner Sicht der entsprechende Sachver-stand bei Weitem nicht mehr so gut vertreten ist wievorher.

Lassen Sie mich zum Abschluss noch ein positivesBeispiel zum Thema „Staatsanwaltschaften“ nen-nen: Wir begrüßen, dass der Gesetzentwurf dieRechtsverhältnisse von Richtern und Staatsanwäl-ten weitgehend angleicht, soweit das nach dem Be-amtenstatus der Staatsanwälte möglich ist.

Das waren Beispiele, mit denen ich zeigen wollte,dass es schon noch einiges im Ausschuss zu be-sprechen und zu diskutieren gibt. Lassen Sie michzum Schluss noch etwas sagen: Vonseiten desRichterbunds wird immer die Selbstverwaltung her-vorgehoben, die es in anderen Ländern gibt. DerMinister hat vorhin Ungarn als ein Land erwähnt, indem die Justiz nicht so gut funktioniert. Ungarn hateine solche Selbstverwaltung der Justiz. Manbraucht gar nicht nach Ungarn zu blicken, mankann auch nach Italien schauen. In Italien gibt es

9732 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Scherer)

Page 49: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

schon seit Jahrzehnten eine Selbstverwaltung derJustiz. Ich möchte es keinem, der hier im Saal sitzt,wünschen, dass er mal versuchen wollte, in Italieneinen zivilrechtlichen Anspruch durchzusetzen.Wenn überhaupt, wartet er dann mindestens zehnJahre. Da ist sein Vertragspartner, von dem er dasGeld will, wahrscheinlich schon gestorben. Also daszeigt: Die Selbstverwaltung ist nicht unbedingt dietolle Lösung und kann sich genau auch ins Gegen-teil auswirken.

Deshalb mein letzter Satz hier: Wir haben ein her-vorragend funktionierendes Justizsystem, das in ei-nem Ranking mit anderen Staaten an einer der vor-dersten Stellen steht. Mehr: Nur eine maßvolleModernisierung des Dienstrechts gewährleistet,dass dies dann auch so bleibt und dafür wollen wireintreten. Danke schön.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Blech-schmidt für die Fraktion Die Linke das Wort.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident. Liebe Zuhörerinnen und Zu-hörer und – mit Blick in den Raum – liebe Freundeund Sympathisanten der Justizpolitik, die noch hiersind!

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Was gibt esSpannenderes?)

Was gibt es Spannenderes? Es ist wohl wahr, es istmanchmal scheinbar ein bisschen trocken, aber esist ein wichtiges Moment in unserer Gesellschaft.Ich bin dem Minister ausdrücklich dankbar für dieumfangreiche Begründung, die er hier an den Taggelegt hat, weil er damit einerseits deutlich gemachthat, wie notwendig eine Modernisierung der Justiz-politik ist, und andererseits eben auch auf die eineoder andere Problematik hingewiesen hat, die –und da knüpfe ich an Kollegen Scherer sofort an –im Ausschuss durchaus noch zu besprechen ist.Trotzdem will ich grundsätzlich sagen: Der vorlie-gende Gesetzentwurf der Landesregierung zumRichter- und Staatsanwältegesetz wird von derFraktion Die Linke im Thüringer Landtag ausdrück-lich begrüßt. Dies schon deshalb, weil mit diesemGesetzentwurf auch eine langjährige zentrale For-derung der PDS- bzw. Linken-Fraktion im ThüringerLandtag zum Thüringer Richterrecht umgesetztwird. Das – und das ist ja schon angesprochen wor-den – sogenannte Letztentscheidungsrecht desJustizministers bei Personalentscheidungen, vor al-lem bei der Besetzung von Leitungsfunktionen beiGerichten, wird abgeschafft und die Mitbestim-mungsrechte im Bereich der Staatsanwaltschaftund Richterschaft werden gestärkt. Das ist ein wei-

terer Fortschritt bei der Demokratisierung der Justizund damit in allen gesellschaftlichen Bereichen.

Zur Abschaffung des Letztentscheidungsrechts undzur weiteren Stärkung der Rechte des Richterwahl-ausschusses hatte die Fraktion Die Linke in dervergangenen Wahlperiode einen eigenen Gesetz-entwurf im Thüringer Landtag eingebracht, der –bekanntermaßen – leider abgelehnt worden war.Die Linke wollte in diesem Gesetzentwurf so gutwie alle Personalentscheidungen im Bereich derRichterinnen und Richter in die Verantwortung desRichterwahlausschusses legen. Dieses Gremiumist nach unserem Verständnis besonders stark de-mokratisch legitimiert, weil darin die Abgeordnetenals direkte Repräsentantinnen und Repräsentantender Wählerinnen und Wähler in der Zweidrittelmehr-heit sind. Doch für die oben genannte deutlicheKompetenzerweiterung des Gremiums ist auch eineÄnderung des Artikels 89 der Thüringer Verfassungnotwendig. Auch dieser von der Linken vorgelegtenVerfassungsänderung wurde in der vergangenenWahlperiode im Landtag nicht zugestimmt. Es istauch jetzt scheinbar nicht ersichtlich, dass die CDUihre Haltung aufgeben wird. Die zur Änderung desArtikels 89 der Thüringer Verfassung notwendigeZweidrittelmehrheit steht also immer noch nicht zurVerfügung. Mit einer Änderung des Artikels 89 wä-ren auch weitere Überlegungen aus den Vereinenund Verbänden der Richterschaft nicht nur diskuta-bel, sondern gegebenenfalls veränderbar. Hier hof-fen wir im Rahmen – unabhängig von einer Verän-derung der Verfassung – der Ausschussarbeit – ichwiederhole mich – auf einen entsprechenden Dis-kussionsprozess.

Meine Damen und Herren, mit Blick auf die Rah-menbedingungen heißt das für den Gesetzentwurfder Landesregierung, er schöpft alle derzeit mit ein-fachgesetzlicher Mehrheit erreichbaren Gestal-tungsmöglichkeiten zur Stärkung von Mitbestim-mung und Selbstverwaltung aus. Wichtig an demGesetzentwurf, vor allem am Punkt der Abschaf-fung des Letztentscheidungsrechts ist: Damit wer-den endlich seit Langem bestehende verbindlicheVorgaben der europäischen Ebene – so wie es derMinister beschrieben hat – hinsichtlich der Unab-hängigkeit aufgegriffen und erfüllt. Schon vor Jah-ren wiesen der Thüringer Richterbund und dieNeue Richtervereinigung Thüringen öffentlich da-rauf hin, dass die Abschaffung des Letztentschei-dungsrechts des Justizministers zur Erfüllung die-ser europäischen Vorgabe notwendig ist. Vor allemdie CDU ließ sich aber durch diese fachlichen Hin-weise nicht beeindrucken. Der in der vergangenenWahlperiode geplante Gesetzentwurf der Landesre-gierung zur Novellierung des Richterrechts fielebenfalls dem Konflikt um das Letztentscheidungs-recht zum Opfer, soweit man dies als linke Opposi-tion damals über die Medien verfolgen konnte. Um-so besser ist, dass nun dieser Gesetzentwurf des

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9733

(Abg. Scherer)

Page 50: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Ministeriums für Migration, Justiz und Verbraucher-schutz hier auf dem Tisch liegt. Dieser Gesetzent-wurf beweist erneut, Rot-Rot-Grün liefert, Rot-Rot-Grün hält sich an seinen Koalitionsvertrag, Rot-Rot-Grün liefert auch inhaltlich gut.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Meine Damen und Herren, der Gesetzentwurf istumfangreich. Er nimmt auch ganz neue strukturelleWeichenstellungen vor, weil er auch die Staatsan-wältinnen und Staatsanwälte mehr in den Fokusrückt. Damit setzt er das Signal, auch die Staatsan-waltschaft ist Teil der unabhängigen Justiz, so wiedas strukturell schon in vielen anderen euro-päischen Ländern der Fall ist. Dass es in Deutsch-land mit der Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaf-ten leider praktisch noch nicht ganz so weit ist, liegtan einem Bundesgesetz, dem Gerichtsverfassungs-gesetz. Dieses Gesetz stammt noch aus den An-fängen oder mitten aus der Kaiserzeit. Damals wa-ren demokratisch soziale oder föderale Prinzipienfür einen Rechtsstaat eben noch Wunschtraum. So-lange die im Gerichtsverfassungsgesetz veranker-ten Weisungsrechte des Justizministers, vor allemdie im Einzelfall, noch fortbestehen, gibt es keinevöllige Unabhängigkeit von Staatsanwaltschaften.Hier Änderungen herbeizuführen, ist Aufgabe desBundesgesetzgebers. Mit der Einbeziehung derStaatsanwältinnen und Staatsanwälte in das Ge-setz – allerdings verfassungsrechtlich korrekt – miteigenem Vertretungsgremium schöpft der vorlie-gende Gesetzentwurf auch in diesem Punkt dieMöglichkeit der Landesgesetzgebung zu Reformenaus.

Auch bei dem oben angesprochenen Thema „Wei-sungsrecht“ hat das Thüringer Justizministerium,wenn auch durch den Bundesgesetzgeber begrenzt– und das hat der Minister selbst angesprochen –,seine Handlungsmöglichkeiten genutzt und in einerArt – ich bezeichne es jetzt mal so – Selbstbin-dungserklärung gegenüber der Thüringer Staatsan-waltschaft mitgeteilt: Der Minister wird die Wei-sungsrechte – so habe ich es verstanden – nursehr, sehr eingeschränkt nutzen. Das ist aus linkerSicht mit Blick auf die Stärkung der Unabhängigkeit– ich wiederhole mich – zu begrüßen. In diesemZusammenhang sei angemerkt, „Unabhängigkeit“heißt nicht, die Justiz schwebt völlig frei, sie kannmachen, was sie will. Der Gesetzgeber darf ihr im-mer noch inhaltlich gesetzliche Vorgaben machenund Rahmenbedingungen für ihr Alltagshandelnsetzen. Wenn Staatsanwaltschaften oder gar Ge-richte in ihrem Handeln entgleisen, gibt es für Be-troffene immer noch Rechtsbehelfe und Rechtsmit-tel, um sich zu schützen und zu wehren. Nach Ver-fassung muss es dieses Schutzinstrument auch ge-ben. Das zeichnet einen, das zeichnet unserenRechtsstaat aus.

Meine Damen und Herren, die Linke-Fraktion kannsich noch viel weitergehende unabhängige Prinzi-pien vorstellen. So gibt es seit Jahren Bedenkenoder Überlegungen, dass auch das Modell einerBudgetierung der Gerichte geprüft werden sollte,um die Unabhängigkeit im Rahmen des Haushalt-rechts auch unter finanziellen Gesichtspunkten ab-zubilden. Doch, wie schon am Beispiel des Wei-sungsrechtes dargestellt, können aus Gründen derVerteilung der Gesetzgebungskompetenz zwischenBund und Ländern in den Ländern nur bestimmte„Baustellen“ angegangen werden.

Der heute zur Beratung vorliegende Gesetzentwurf,der wichtige, strukturelle Entscheidungen enthält,verdient eine ausführliche Weiterbehandlung imAusschuss für Migration, Justiz und Verbraucher-schutz, dem entsprechenden zuständigen Fachaus-schuss, was ich hiermit beantrage. Die Linke-Frak-tion freut sich auf die umfangreiche und intensive –ich gehe davon aus – mündliche Anhörung zumGesetzentwurf. Wie schon zu anderen Gesetzent-würfen wird Rot-Rot-Grün auch diese Anhörungsehr ernst nehmen. Niemand sollte sich wundern,wenn nach der Anhörung aus der Koalition Ände-rungsanträge auf den Tisch kommen.

Meine Damen und Herren, zum Schluss: Die vomGesetzentwurf betroffenen Bediensteten in der Jus-tiz warten schon lange auf diese rechtliche Moder-nisierung. Diese Modernisierung hilft letztlich auchden Rechtsuchenden in Thüringen, die auf eine gutarbeitende Justiz angewiesen sind. So ist dieserGesetzentwurf, diese Gesetzesreform dem erstenAnschein nach zum Trotz gerade keine Angelegen-heit, die nur in ihrer Zahl überwiegende Berufsgrup-pen angeht und betrifft, sondern alle potenziellRechtsuchenden und damit alle Menschen in Thü-ringen. Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächster hat Abgeordneter Hel-merich für die SPD-Fraktion das Wort.

Abgeordneter Helmerich, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolle-ginnen und Kollegen, verehrte Zuschauer, liebeGäste! Zunächst darf ich dem Herrn Minister für dieumfangreiche und gute Darstellung der Novellie-rung des Thüringer Richter- und Staatsanwältege-setzes danken. Seit 1994 gilt in Thüringen das Thü-ringer Richter- und Staatsanwältegesetz. In diesenbald 24 Jahren wurde es dreimal geändert. ZumVergleich: Das Thüringer Beamtengesetz hat alleinseit 2014 – also nicht einmal seit vier Jahren – ge-nau so viele Änderungen erfahren, wie das Richter-gesetz in 24 Jahren. Allein an diesem Vergleich

9734 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Blechschmidt)

Page 51: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

wird deutlich: Das Thüringer Recht rund um dieRechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälteist ein Sanierungsfall. Der uns vorliegende Gesetz-entwurf ist nicht der erste Versuch, das ThüringerRichter- und Staatsanwältegesetz zu novellieren. Inder letzten Wahlperiode scheiterte ein Entwurf desJustizministers am Widerstand des damaligen Koa-litionspartners, der CDU, die zu umfangreichenModernisierungen nicht gewillt war.

Wir als rot-rot-grüne Koalition haben uns deswegenin unserem Koalitionsvertrag vorgenommen, dieÜberarbeitung neu anzugehen und ein modernesGesetz für die Justiz zu schaffen. Die Richterinnenund Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwältesollen den anderen Beamten in nichts nachstehen.Ein modernisiertes Beamtenrecht muss Vorbild fürdie Novelle des Richtergesetzes sein. Der Unab-hängigkeit der Richterschaft als dritte Gewalt imFreistaat muss dabei Rechnung getragen werden.Der Entwurf für ein neues Richter- und Staatsan-wältegesetz hält für dieses wichtige Vorhaben eini-ge gute Ansätze bereit. So wird beispielsweise dieMitbestimmung durch die Teilnahme der Personal-vertretungen an Auswahlgesprächen sowie durchregelmäßige Beteiligungsgespräche mit dem Minis-terium gestärkt. Außerdem soll die Anlassbeurtei-lung einer Regelbeurteilung weichen, um das sowichtige System der Beurteilungen fairer zu gestal-ten. Diese Verbesserung für die Richter und Staats-anwälte möchte ich ausdrücklich begrüßen.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber der vorliegende Gesetzentwurf der Landesre-gierung ist nicht frei von Kritik der Berufsverbände.Diese müssen wir als Parlamentarier ernst nehmenund überprüfen, ob es im weiteren Verfahren nochNachbesserungen geben muss, zum Beispiel beider Besetzung des Präsidialrats. Laut Entwurf kön-nen die Mitglieder der betroffenen Gerichtsbarkeitim Präsidialrat maximal einen Patt hervorrufen. Fürzielführender halte ich es jedoch, wenn sie die je-weilige Mehrheit im Präsidialrat stellen würden, umBeförderungsentscheidungen innerhalb ihrer Ge-richtsbarkeit durchzusetzen.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Man hat jaden Eindruck, als wären Sie mit der Regie-rung gar nicht einig!)

Auch bei der Besetzung des Richterwahlausschus-ses sehe ich noch Möglichkeiten zur Veränderung.Ist eine Zweidrittelmehrheit von Abgeordneten indem Gremium wirklich notwendig? Welche Vor-und Nachteile kann es haben, einen anwaltlichenVertreter oder eine anwaltliche Vertreterin im Rich-terwahlausschuss zu haben? Diese Fragen solltenwir als Abgeordnete gemeinsam im Rahmen derBeratung des Justizausschusses diskutieren.

Ein wichtiger Punkt ist sicher auch das Beurtei-lungswesen. Es gilt, der Richter oder die Richterin

mit den besten Beurteilungen wird bei Beförderun-gen berücksichtigt. Deswegen ist das Zustande-kommen von Beurteilungen ein sensibles Thema.Die wesentlichen Grundsätze der Beurteilung, ins-besondere Beurteilungskriterien, müssen demnachim Gesetz geregelt sein und können nicht vollstän-dig auf eine Verordnung abgewälzt werden. Die ge-naue Überprüfung im Justizausschuss wird zeigen,ob wir hier als Gesetzgeber die Verordnungser-mächtigung noch ergänzen oder konkretisierenmüssen.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Rahmen einerAnhörung sollten wir ganz besonders darauf acht-geben, dass die Richterschaft und Staatsanwalt-schaft in Sachen Mitbestimmung den anderen Be-amten im Freistaat in nichts nachstehen. DiesesThema werden wir sicher im Laufe unserer Bera-tung im Justizausschuss vertiefen.

Zuletzt möchte ich noch einmal daran erinnern, einGesetz für Richter und Staatsanwälte, das klingt füralle, die nicht gerade diesen Beruf ausüben, sehrweit weg. Aber das ist es nicht. Wir alle erwarten ef-fiziente und leistungsfähige Gerichte und Staatsan-waltschaften. Dafür braucht es die notwendigenRahmenbedingungen in einem zeitgemäßen,modernen Thüringer Richter- und Staatsanwältege-setz. Ich freue mich auf eine gute Beratung im Jus-tizausschuss und auf eine spannende Anhörung.Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Als Nächster hat Abgeordneter Möllerfür die AfD-Fraktion das Wort.

Abgeordneter Möller, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen undKollegen, liebe Gäste! Also zunächst mal, lieberKollege Helmerich, hoffe ich, dass die Debatte imJustizausschuss spannender wird als Ihre Redevon eben. Ansonsten möchte ich noch anmerken,dass man im Grunde zu dem Gesetzentwurf, derhier debattiert wird, gar nicht so viel sagen muss,denn er soll ja die Verhältnisse der Richter undStaatsanwälte, die entscheidenden Rahmenbedin-gungen des Landes setzen, wurde aber bereits vorder ersten Debatte im Landtag vom Thüringer Rich-terbund, also von den Betroffenen, in der Luft zer-rissen. Man muss sich nur mal die Kritikpunkte, dieKernpunkte der Kritik des Thüringer Richterbundesdurchlesen, die übrigens zentrale Aspekte des ver-fassungsrechtlichen Gewaltenteilungsprinzips be-treffen, wo es also um die Frage geht, wie viel Ein-fluss sollen die Exekutive und die Legislative aufdie Judikative haben. Der Richterbund stellt aus un-serer Sicht zu Recht fest: Dieser Einfluss ist auch

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9735

(Abg. Helmerich)

Page 52: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

bei diesem Entwurf immer noch zu hoch. Man hatihn nur besser versteckt.

(Beifall AfD)

Ich will das am Beispiel der Debatte zwischen demChef des Thüringer Richterbundes, Holger Pröb-stel, und dem Justizminister klarmachen, am Rechtdes Ministers, Personalentscheidungen, zum Bei-spiel Beförderungen, mitzuentscheiden: Bei beab-sichtigten Beförderungen ist nach dem Regelungs-entwurf die Beteiligung des Präsidialrats, also einervon zwei Richtervertretungen erforderlich. Dasklingt ja erst mal gut. Nun wird es sicherlich aber abund an mal vorkommen, dass der Präsidialrat alsRichtervertretung der vorgeschlagenen Beförde-rungsmaßnahme nicht zustimmt, weil er zum Bei-spiel die Motive des Justizministers im Einzelfallnicht nachvollziehen kann. Da muss grundsätzlichein Einigungsversuch nach diesem Gesetzentwurferfolgen. Wenn der scheitert, dann kommt der Rich-terwahlausschuss zum Zug. Dieser Richterwahl-ausschuss – das ist ja auch schon zum Teil ange-sprochen worden – ist übrigens mehrheitlich durchAbgeordnete des Landtags besetzt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Aber Sie verweigern sich!)

10 von 15 Mitgliedern des Richterwahlausschussessind Abgeordnete, mindestens die Hälfte davon,eher mehr, durften also in der Regel schon malVertreter der jeweiligen Regierungskoalition sein,deren Vorstellungen natürlich bei Auseinanderset-zungen mit der Richterschaft von denen des Justiz-ministers in der Regel nicht wesentlich abweichenwerden. Allein deshalb ergibt sich bereits über denRichterwahlausschuss eine Hausmacht des Justiz-ministers oder der Regierungskoalition mit absolu-ter Blockadewirkung gegenüber allen Meinungen,die der Regierungskoalition bei Besetzungsfragenoder Beförderungsfragen zuwiderlaufen. Denn soll-te sich im Richterwahlausschuss, trotzdem die Po-sitionen im Grunde genommen schon so verteiltsind, mal eine signifikante Position gegen eineMaßnahme des Justizministers herausgebildet ha-ben, so braucht diese Gegenposition eine Zweidrit-telmehrheit, also nach Adam Riese zehn Stimmen.Selbst wenn diese Anzahl an Stimmen erreichtwird, müsste der Justizminister zum Wirksamwer-den einer abweichenden Entscheidung immer nochzustimmen. Daran sieht man, die Macht bei der Be-setzung von Richterämtern oder bei Beförderungenliegt nach wie vor konzentriert aufseiten der Regie-rungsfraktion und damit in der Hand des Justizmi-nisters. Da hat sich nichts wesentlich verbessert,

(Beifall AfD)

egal was Sie dazu sagen. Das hat der ThüringerRichterbund auch gut herausgearbeitet, weshalbwir uns in dem Punkt auch der Opposition in denRegierungsfraktionen – für die der Sprecher Oskar

Helmerich eben vorgetragen hat – anschließen undentsprechend Nachbesserungen zwingend für er-forderlich halten. Denn diese Abhängigkeit der Judi-kative vom Einvernehmen der jeweiligen Landesre-gierung und der Regierungsfraktionen spricht demGewaltenteilungsgrundsatz Hohn und ist weit vonden demokratischen, rechtsstaatlichen Standards,auch innerhalb der Europäischen Union, entfernt.Es spricht für das schlechte Gewissen der Landes-regierung, dass sie diese Missachtung des Gewal-tenteilungsprinzips ganz tief im Regelungswirrwarrdes Gesetzentwurfs versteckt hat, sodass man siesich eigentlich nur als Jurist erschließen kann. Viel-leicht soweit zu diesen Kernanliegen.

(Beifall AfD)

Ansonsten wollte ich noch mal ganz kurz auf dieRede von Herrn Kollegen Scherer von der CDUeingehen. Herr Scherer, ich habe überhaupt keinProblem damit, wenn im Richterwahlausschussauch Vertreter der Rechtsanwaltschaft sitzen, denndie sind auch Organe der Rechtspflege, die gehö-ren also aus unserer Sicht durchaus da mit rein. Dakann man durchaus auch über eine größere Beteili-gung nachdenken.

Ihr Argument, dass die Selbstverwaltung der Justizdes Teufels wäre, weil in Italien die Prozessdauerdoch so ewig lang ist: Also, mein lieber Herr Sche-rer, das ist unglaublich weit hergeholt. Wenn Siesich mit den Vorfällen in Italien oder mit dem Pro-zess in Italien beschäftigen – mit dem Zivilpro-zess –, müssen Sie wissen, dass der an ganz vie-len Stellen krankt, was sicherlich nicht zwingendausschließlich darauf beruht, wer da befördert wirdoder wie da die Einstellungspraxis ist. Eins sage ichIhnen auch in dem Zusammenhang: Was die Re-form des Zivilprozesses angeht, was zum Beispieldie elektronische Aktenführung angeht, ist Italienschon wesentlich weiter als wir. Wenn ich auf dasDesaster schaue, das wir hier in Deutschland mitdem „besonderen elektronischen Anwaltspostfach“haben, wenn ich an dieses Desaster nur denke unddie Unfähigkeit, elektronische Aktenführung hinzu-bekommen, da sollten wir in Sachen „Italien“ ganzvorsichtig sein und bloß nicht arrogant wirken,

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Scherer, CDU: Keine Ah-nung! Null Ahnung!)

bloß nicht arrogant auf die Italiener schauen. Daswürde ich Ihnen in dem Punkt wirklich raten.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Hater jetzt ein Herz für Ausländer?)

Dann schauen Sie sich das doch mal an. Lesen Siesich doch mal die entsprechenden Kommentarevon beispielsweise deutsch-italienischen Anwalts-kanzleien durch, die sich mit der Materie ausken-

9736 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 53: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nen. Die stecken offensichtlich tiefer im Stoff alsSie, Herr Scherer.

Aber kommen wir zurück zum Gesetzentwurf derLandesregierung, der einen, wie gesagt, nicht wun-dern muss, was diese Defizite angeht. Sie werdensich sicherlich nicht wundern, dass wir dem Gesetz-entwurf auch nicht zustimmen können, wenn er sozum zweiten Mal vorgelegt würde.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Wirbitten darum!)

Wir meinen, dass es schon schwierig ist, zu sagen,dass er bereits den Reifegrad hat, um ihn in einemAusschuss zu debattieren. Es wäre eigentlich bes-ser, wenn Sie ihn noch mal einpacken, noch maldemütig in sich gehen

(Heiterkeit DIE LINKE)

und vielleicht auch noch mal mit den Vertretern derJudikative sprechen, die sehr gute Vorschläge ge-macht haben, insbesondere was die Stärkung desSelbstverwaltungsrechts der Justiz angeht. Viel-leicht kann man dann einen brauchbareren Gesetz-entwurf abliefern, als den, der jetzt vorliegt. VielenDank.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Vielen Dank, Herr Möller. Als Nächste hat sich Ab-geordnete Rothe-Beinlich für die Fraktion Bündnis90/Die Grünen gemeldet.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren, ich muss zu Beginn doch et-was zu dem letzten Redebeitrag sagen, von demHerrn, der sich jetzt hier hinter mich stellt.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Er stärkt Ih-nen den Rücken!)

Wenn das eine Rückenstärkung sein soll, wenn dieRückenstärkung übrigens genauso aussieht wie dieRückenstärkung des Richterwahlausschusses, indem Sie beispielhaft Ihre Mitarbeit verweigern,dann mag das irgendwie zusammenpassen.

(Beifall DIE LINKE)

Es entbehrt schon nicht einer gewissen Ironie, dassausgerechnet Herr Möller hier über den Richter-wahlausschuss spricht und sich darüber beklagt,welche Mehrheiten sich darin wiederfinden, sichselber aber mit seiner Fraktion konsequent der Mit-arbeit in diesem Ausschuss verweigert.

(Beifall DIE LINKE)

Es ist nun mal so, dass es nicht nur Rechte für Ab-geordnete gibt, sondern auch Pflichten.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wir meinen, eine der Pflichten beinhaltet ebenauch, entsprechende Entsendungen für bestimmteGremien vorzunehmen. Leider obliegt es nicht uns,einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Wir habenschon ernsthaft überlegt, dass wir Sie vorschlagen,aber Sie wollen sich verweigern, Ihnen geht es nurum Vorführung von Parlamentarismus. Der Auftrittvon Herrn Möller hier war auch eher ein schlechterShowauftritt mehr.

Nun aber zum vorgelegten Gesetz: Der MDR titeltheute „Thüringer Justizminister will auf Macht ver-zichten“, und diese Überschrift hat tatsächlich einensehr ernsthaften Hintergrund. Das finden wir viel-leicht nicht allzu oft in der politischen Debatte, viel-leicht ist Ihnen auch deshalb nichts anderes einge-fallen, als unqualifiziert zu spotten, weil es ein ganzwichtiger Punkt ist und weil es ein Punkt ist, den wiruns tatsächlich als rot-rot-grüne Koalition schon imKoalitionsvertrag vorgenommen haben. Da heißt esnämlich unter der Überschrift „Eigenverantwortlich-keit und Unabhängigkeit der Justiz stärken“ – ich zi-tiere –: „Die Koalition ist sich einig, die Unabhängig-keit der Gerichte und Staatsanwaltschaft zu stär-ken. Hierzu sollen neue Regelungen der Selbstver-waltung der Judikative geprüft werden. Wir wollendie Eigenverantwortlichkeit der Justiz durch dieAusweitung eigenverantwortlicher personal- undbudgetrechtlicher sowie haushaltswirtschaftlicherHandlungsspielräume der Gerichte und Staatsan-waltschaften stärken. Eine unabhängige Justiz um-fasst auch eine objektiv und konsequent ermitteln-de Staatsanwaltschaft.“

Es findet sich noch ein zweites Zitat – das verleseich jetzt nicht noch einmal, das hat der Ministerschon bei seiner Einbringung des Gesetzes vorge-tragen – zur Novellierung des Richter- und Staats-anwältegesetzes. Ich kann nur sagen: Rot-Rot-Grün handelt, Rot-Rot-Grün liefert und es liegt jetztein Gesetzentwurf auf dem Tisch. Und Herr Emde,weil Sie fragten, stützen Sie jetzt Ihren Ministeroder nicht, nur weil noch weitere Punkte vorgetra-gen wurden, beispielhaft von Herrn Blechschmidt,der Punkte benannte, die er gern noch mit in dieAnhörung bringen möchte, aber auch von HerrnHelmerich: Was haben Sie denn für ein Staatsver-ständnis oder was haben Sie denn auch für einVerständnis von parlamentarischen Debatten? DerMinister selbst hat in seiner Einbringungsrede ge-sagt, dass sicherlich auch im parlamentarischenVerfahren noch Änderungen möglich sind und dasser offen dafür ist. Das ist ein parlamentarischesVerfahren.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Es wird eben nicht von oben nach unten verordnet,auch nicht dieses Gesetz, sondern es soll eine An-hörung stattfinden – auch ich plädiere für einemündliche Anhörung – und natürlich werden wir die

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9737

(Abg. Möller)

Page 54: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Ergebnisse dieser Anhörung dann abwägen undprüfen, ob und welche Punkte gegebenenfalls imGesetz noch aufgenommen werden. Das ist ein völ-lig normales Verfahren. Genau das unterscheidetuns übrigens von Staatsformen, die eben nicht de-mokratisch sind und wo einfach durchdirigiert wird.Das ist auch gut so, dass wir wissen, wie Machtund Verantwortung geteilt werden.

Auch ich möchte aber selbstverständlich auf diePunkte eingehen, die der Richterbund, vorgetragendurch Herrn Pröbstel, unlängst in den Zeitungendargelegt hat, weil es natürlich wichtig ist, aufHauptvorwürfe einzugehen. So heißt ein Vorwurfbeispielsweise, der Justizminister würde nur demSchein nach sein Letztentscheidungsrecht abge-ben. Richtig ist, dass der Justizminister in Zukunftkeine Personalentscheidungen bei Beförderungenmehr gegen den Willen der Richter treffen kann,vielmehr müssen sich beide Seiten einigen. Wirmeinen, das ist auch gut so. Das Letztentschei-dungsrecht darf aber aus verfassungsrechtlichenGründen nicht bei einer Vertretung liegen, sondernmuss der Landesregierung oder einem ihrer Vertre-ter zustehen. Nach den verfassungsrechtlichenVorgaben in Artikel 98 Abs. 4 Grundgesetz und Ar-tikel 89 Abs. 2 Satz 1 Thüringer Verfassung ist esjedoch nicht ausgeschlossen, die Umsetzung derbeabsichtigten Maßnahme im Falle der Nichteig-nung an eine Zustimmung des Richterwahlaus-schusses zu binden – in dem man dann natürlichauch mitarbeiten muss, muss ich an dieser Stellenoch einmal sagen. Bei Nichteinigung über eineBeförderung zwischen Justizminister und dem Prä-sidialrat wird in Zukunft der Richterwahlausschussbeteiligt. Das Beteiligungsverfahren ist in § 63 Rich-ter- und Staatsanwältegesetz geregelt. Die vorge-schlagene Regelung und das damit verbundenekonsensorientierte Verfahren bei Beförderungenzwischen Justizminister, Präsidialrat und Richter-wahlausschuss wird also den verfassungsrechtli-chen Anforderungen gerecht und schafft faktischdas Letztentscheidungsrecht des Justizministersab. Damit stärkt Rot-Rot-Grün die Unabhängigkeitder Justiz sehr deutlich. Das war und ist unser Ziel,und das wollen wir gern auch zur Debatte in derAnhörung stellen.

Ein zweiter Vorwurf lautet, dass die Angleichung imBereich der Mitbestimmungsrechte im Verhältnis zuanderen Beamten weiterhin unzureichend sei. Ichwill das jetzt nicht ganz umfänglich ausführen, ichwill aber ganz deutlich sagen, dass wir durchaussehen, dass der Gesetzentwurf eine deutliche Wei-terentwicklung bei den Mitbestimmungsrechten derRichter und Staatsanwältinnen und Staatsanwältemit sich bringt. Wir haben aber auch registriert,dass der Richterbund hier noch ein, zwei Schritteweitergehen will und genau hier – das hat HerrBlechschmidt hier schon ausgeführt, Herr Helme-rich auch noch einmal – machen wir deutlich, dass

wir diese im Rahmen der Anhörung natürlich imAusschuss entsprechend abwägen, zur Kenntnisnehmen, diskutieren werden, Nachfragen stellenund Anregungen grundsätzlich offen gegenüberste-hen. Das heißt, wir sehen hier durchaus noch Po-tenziale für Veränderungen nach mehr Mitbestim-mung.

Zum Dritten äußert der Richterbund, dass die For-derung nach Aufnahme von Beurteilungskriterienins Gesetz nicht erfüllt würde. Ich kann dazu nursagen, erstmals wird mit dem Gesetzentwurf einegesetzliche Grundlage für das Beurteilungswesenüberhaupt geschaffen. Es differenziert nämlich zwi-schen Regelbeurteilungen und Anlassbeurteilun-gen, unter anderem zur Beurteilung vor der Le-benszeiternennung, und es orientiert sich damit amüblichen Beurteilungswesen von Beamtinnen undBeamten. Die Idee der Einführung von Beurtei-lungsgremien nach dem Vorbild Österreichs, wiesie hier auch ins Gespräch gebracht wurden, findenwir durchaus spannend. Auch das können wir unse-rer Auffassung nach gern und intensiv im Anhö-rungsprozess debattieren.

Mein vorläufiges Fazit zu dieser Einbringung lautet:Die vom Thüringer Richterbund erhobenen Vorwür-fe lassen sich aus unserer Sicht so nicht bestäti-gen. Der vom Justizminister und vom Kabinett vor-gelegte Gesetzentwurf entspricht den Vorgabenund Vereinbarungen des Koalitionsvertrags – ichhatte eingangs daraus zitiert.

Dass der Richterbund darüber hinaus Anregungenund Wünsche hat, ist vollkommen nachvollziehbar– ich habe es schon gesagt. Als Interessenverbandist es übrigens auch völlig legitim, Maximalforderun-gen aufzustellen. Es sollte aber nicht darüber hin-wegtäuschen, dass es im Politischen ja selten da-mit endet, dass Maximalforderungen umgesetztwerden, sondern dass Kompromisse den demokra-tischen Regelfall darstellen. Insoweit wollen wir imparlamentarischen Verfahren weiter an einer gutenLösung arbeiten. Ich bin Herrn Scherer da für sei-nen sachlichen Beitrag sehr dankbar.

Im Bereich der Mitbestimmungsrechte – auch dashabe ich schon erwähnt –, dem zentralen Anliegendes Richterbunds, scheint es nach unserem Dafür-halten durchaus noch Spielraum zu geben. Insge-samt bedeutet der vorgelegte Gesetzentwurf abereine deutliche Verbesserung für die Richterinnen,Richter und Staatsanwältinnen und Staatsanwälteim Vergleich zum Status quo, den der Richterbundauch nicht für erhaltenswert erachtet. Hervorzuhe-ben ist dabei die Abschaffung des Letztentschei-dungsrechts des Justizministers bei Beförderungenzugunsten eines konsensorientierten Verfahrensunter Beteiligung des Präsidialrats und des Richter-wahlausschusses.

Es ist aus unserer Sicht daher ein guter Gesetzent-wurf, der im Wege der Anhörung im Ausschuss

9738 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Rothe-Beinlich)

Page 55: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

noch besser werden kann. Am Ende wird das neueRichter- und Staatsanwältegesetz die Eigenverant-wortlichkeit der Justiz deutlich stärken. Nicht zuletztwerden erstmals besondere Regelungen für dieStaatsanwältinnen und Staatsanwälte geschaffen,womit ihrer besonderen Rolle Rechnung getragenwird, unter anderem durch die Schaffung eines ei-genen Staatsanwältewahlausschusses. Ich bedan-ke mich für die Aufmerksamkeit und beantrage dieÜberweisung an den Ausschuss für Migration, Jus-tiz und Verbraucherschutz. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Dann schließe ich damit die Ausspra-che und wir kommen zur beantragten Überweisungan den Ausschuss für Migration, Justiz und Ver-braucherschutz. Wer dafür ist, den bitte ich jetzt umdas Handzeichen. Das sind Stimmen aus allenFraktionen. Gegenstimmen sehe ich nicht, Enthal-tungen auch nicht. Damit einstimmig an den Aus-schuss für Migration, Justiz und Verbraucherschutzüberwiesen.

Wir treten damit in die Mittagspause ein und neh-men die Sitzung dann um Viertel vor zwei wiederauf. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Vier-tel vor zwei: Ist das jetzt etwas anderes alsdrei viertel zwei?)

Präsident Carius:

Drei viertel zwei – ich wollte einfach nur, dass jederversteht, was ich sage.

Vizepräsidentin Jung:

Meine Damen und Herren, wir setzen die Plenarta-gung fort. Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt18

Fragestunde

Ich rufe die Mündlichen Anfragen auf und bitte dieAbgeordneten, ihre Fragen vorzutragen.

Die erste Anfrage hat Frau Abgeordnete Meißner,Fraktion der CDU, in Drucksache 6/5386.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Geplante Richtlinie zur Förderung der sozialen Be-ratung und Betreuung von anerkannten Flüchtlin-gen in Thüringen

Eine Förderung qualifizierter migrationsspezifischersozialer Beratung und Betreuung für anerkannteFlüchtlinge ist dringend erforderlich und die ange-dachte Richtlinie, die vom Thüringer Ministerium für

Migration, Justiz und Verbraucherschutz mit Standvom 2. Februar 2018 im Entwurf nach meinemKenntnisstand den Thüringer Landräten vorliegt,generell zu begrüßen. Es besteht schon lange aku-ter Handlungsbedarf, da sich mit dem Übergangder Flüchtlinge ins Jobcenter die Problemsituationdramatisch verstärkt. Ein eigenständiges Handelnder Flüchtlinge hinsichtlich Wohnungs- und Arbeits-suche ist aufgrund von Sprachbarrieren und kompli-zierten Verwaltungsregularien ohne Sozialberatungunmöglich.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann tritt diese Förderrichtlinie in Kraft?

2. Kann das aufwendige Antragsverfahren verein-facht werden, indem eine Pauschalbereitstellungder Mittel an die Landkreise erfolgt?

3. Sind in der statistischen Anteilsberechnung fürdie Landkreise auch Geflüchtete nach § 60 Abs. 5und 7 Aufenthaltsgesetz und deren Familienange-hörige mit einbezogen, welche auch im Besitz einesAufenthaltstitels sind?

4. Wie plant die Landesregierung die Problematik,dass das Land den Kommunen die Kosten teilweisenur für Einzelarbeitsplätze des Wachpersonals er-stattet und damit dessen Schutz nach § 3a Arbeits-stättenverordnung nicht gewährleistet wird, zu lö-sen?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Migration, Justiz und Verbraucherschutz,Herr Minister Lauinger.

Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Ver-braucherschutz:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge der Abgeordneten Meißner beantworte ich fürdie Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Richtlinie tritt mit Unterzeichnungrückwirkend zum 1. Januar 2018 in Kraft. Die Richt-linie wird zeitnah unterzeichnet, nach derzeitigemSachstand noch im März.

Zu Frage 2: Ein aufwendiges Antragsverfahren istgerade nicht vorgesehen. Die Förderung kann aufeinem Formblatt beantragt werden, das den Land-kreisen und kreisfreien Städten bereitgestellt wird.Die Fördermittel können pauschal, ohne weitereNachweise beantragt werden und werden an einemTermin pro Kalenderjahr ausgezahlt.

Zu Frage 3: Geflüchtete nach § 60 Abs. 5 bis 7 Auf-enthaltsgesetz mit Aufenthaltserlaubnis (§ 25Abs. 3 Aufenthaltsgesetz) sind in der statistischenAnteilsberechnung nicht berücksichtigt. Für den

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9739

(Abg. Rothe-Beinlich)

Page 56: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Verteilschlüssel sind nur die Personengruppennach § 25 Abs. 1 und Abs. 2 des Aufenthaltsge-setzes zugrunde gelegt, da es sich hierbei um diezahlenmäßig stärkste und relevanteste Gruppe inBezug auf die Ziele der Richtlinie handelt. Die Höheder zu verteilenden Fördermittel ermöglicht einequalifizierte, migrationsspezifische, soziale Bera-tung und Betreuung, auch für aufgenommene Fa-milienangehörige und weitere Geflüchtete mit Auf-enthaltserlaubnis.

Zu Frage 4: Das Land erstattet den Landkreisenund kreisfreien Städten die für die Bewachung vonGemeinschaftsunterkünften anfallenden Kosten aufder Grundlage einer Verwaltungsvorschrift und vor-gelegter Nachweise. Die Verwaltungsvorschrift staf-felt die Kostenerstattung ausdrücklich nach derGröße einer Gemeinschaftsunterkunft und erlaubtEinzelfallentscheidungen nach Gefahrenlage sowieden konkreten örtlichen Verhältnissen. Vielen Dank.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage der Antragstellerin.

Abgeordnete Meißner, CDU:

Ich habe eine Nachfrage zur letzten Frage, zur Er-stattung für Einzelwachpersonal. Ich kenne dieseVerwaltungsvorschrift und da ist es so, dass dasLand auch nur Kosten für einzelne Personen erstat-tet. Dieses einzelne Personal, also eine einzelneWachperson, ist aber nicht entsprechend dem Ar-beitsschutz. Deswegen ist die Frage: GedenkenSie, über diese Einzelförderung bzw. Förderung fürEinzelpersonen hinaus das Ganze auszuweiten?

Lauinger, Minister für Migration, Justiz und Ver-braucherschutz:

Da will ich noch mal so antworten, wie ich ebengeantwortet habe. Je nach Einzelfallentscheidungund konkreter Gefahrenlage und den örtlichen Ver-hältnissen haben wir immer gesagt, dass wir auchbereit zu Einzelfallentscheidungen sind.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt jetzt keine weiteren Nachfragen. Dann rufeich die nächste Mündliche Anfrage der Abgeordne-ten Astrid Rothe-Beinlich, Bündnis 90/Die Grünen,in Drucksache 6/5387 auf.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Vielen Dank.

Ökumenische Bahnhofsmission Erfurt e. V. weiterohne Räume am ICE-Knoten Erfurt

Die Bahnhofsmission ist deutschlandweit mit ihrenHelferinnen und Helfern, den „Engeln am Zug“, auf

Bahnhöfen unterwegs. Auf den meisten Bahnhöfenhat sie auch einen festen Sitz in Form einer Räum-lichkeit, in welchem sich die Helfenden und Hilfesu-chenden aufhalten, Probleme klären und Unterstüt-zung organisieren können. Der Erfurter Hauptbahn-hof ist auch Dank der neuen Funktion als ICE-Kno-ten ein zentraler Umsteigeort in Deutschland.

In Erfurt gab es leider bis zum Jahr 2017 keineBahnhofsmission. Im Juli 2017 gründete sich derVerein Ökumenische Bahnhofsmission Erfurt e. V.,der nunmehr seit knapp einem Jahr ehrenamtlichfreitags von 14.00 bis 18.00 Uhr Reisende unter-stützt und begleitet. 14 Ehrenamtliche sind seitdemWoche für Woche als „Engel am Zug“ im Einsatzund das Bahnhofsmanagement weiß den Einsatzdurchaus zu würdigen. Auch mit der Stadt Erfurtgibt es immer wieder Gespräche, da es dem Vereinzwar gelungen ist, finanzielle Unterstützung von derEvangelischen Kirche in Mitteldeutschland (für Per-sonal zur Koordinierung) und vom Bonifatiuswerk(für notwendige Sachkosten) einzuwerben, es aberan einer Räumlichkeit auf dem Bahnhof oder zu-mindest in unmittelbarer Nähe fehlt, um die Arbeitauf weitere Tage auszuweiten und eine Anlaufstelleauch für Betroffene zu haben.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Auffassung vertritt die Landesregierungzur Notwendigkeit und zum Engagement der Öku-menischen Bahnhofsmission Erfurt e. V. am ICE-Knoten Erfurt?

2. Gibt es aus Sicht der Landesregierung die Mög-lichkeit, möglichst zeitnah Räumlichkeiten in unmit-telbarer Bahnhofsnähe zur Verfügung zu stellenund – wenn ja – wo?

3. Wäre die Landesregierung bereit, mit der Deut-schen Bahn gemeinsam nach Lösungen zu suchen,um beispielsweise auf den Gleisen 3 bis 5 – imÜbergang, denn dort sieht die Deutsche Bahndurchaus Kapazitäten – Räumlichkeiten, zum Bei-spiel in Form eines Bürocontainers, zu schaffenund – wenn nein – warum nicht?

4. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung,um der ehrenamtlichen Initiative die Unterstützungzukommen zu lassen, die ein kontinuierliches Ar-beiten als „Engel am Zug“ am ICE-Knoten Erfurt er-möglicht?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Infrastruktur und Landwirtschaft, Staatsse-kretär Dr. Sühl.

Dr. Sühl, Staatssekretär:

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen undHerren Abgeordneten, die Mündliche Anfrage der

9740 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Minister Lauinger)

Page 57: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Abgeordneten Frau Rothe-Beinlich beantworte ichfür die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die Thüringer Landesregierung hält dieArbeit der Bahnhofsmission in Deutschland fürwichtig und wertvoll. Die Bemühungen des VereinsÖkumenische Bahnhofsmission Erfurt e. V. zur Ein-richtung einer Bahnhofsmission in Erfurt werdenbegrüßt. Eine zentrale Anlaufstelle für Hilfesuchen-de am ICE-Knoten Erfurt wird unterstützt.

Zu Frage 2: Im Ergebnis der Gespräche zwischender Deutschen Bahn AG und dem Verein wurde ei-ne Interimslösung gefunden. Der Verein soll über-gangsweise in Räumen der DB Station&Service AGim Bahnhofsgebäude untergebracht werden.

Zu Fragen 3 und 4: Die Landesregierung ist in denGesprächsprozess eingebunden. Eine baulicheDauerlösung, beispielsweise in Form eines Contai-ners, wird unterstützt. Die Beteiligten haben erfolg-reich an einer Lösung gearbeitet. Die Landesregie-rung ist zuversichtlich, dass die ehrenamtliche Ar-beit im Interesse aller Betroffenen erfolgreich aucham Bahnhof Erfurt durchgeführt werden kann. Dan-ke schön.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage der Antragstellerin.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Ich hätte eine Nachfrage zu der Interimslösung.Meinen Sie mit der Interimslösung den 13 Quadrat-meter großen Raum ohne Fenster, in dem sichauch die Sicherheitstechnik vom Bahnhof befindet?Das kann – jedenfalls aus meiner Sicht – kein An-gebot sein. Wenn ich auch eine zweite Frage stel-len darf: Sie haben gesagt, eine Dauerlösung wirdunterstützt. Wann ist damit zu rechnen, dass sicheine Dauerlösung auf dem Bahnhof wiederfindet?

Dr. Sühl, Staatssekretär:

In der Tat, diese Interimslösung ist eine Interimslö-sung und kann nicht als befriedigend für die Unter-bringung der Bahnhofsmission angesehen werden.Wir gehen davon aus, dass eine Dauerlösung inForm eines Containers in nicht allzu ferner Zukunftrealisierbar ist. Nähere Auskünfte dazu habe ich imMoment nicht.

Vizepräsidentin Jung:

Ich sehe keine weiteren Nachfragen. Dann rufe ichdie nächste Mündliche Anfrage des AbgeordnetenZippel, Fraktion der CDU, in Drucksache 6/5393auf.

Abgeordneter Zippel, CDU:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Am 8. März 2018 teilte die Thüringer Ministerin fürArbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen und Familieüber den Kurznachrichtendienst Twitter unter@Min_HeikeWerner Folgendes mit: „Die Abschaf-fung der § 218 bis § 219b Strafgesetzbuch istlängst überfällig.“ Bei einer ersatzlosen Streichungder §§ 218 bis 219b Strafgesetzbuch wäre einestraffreie Abtreibung bis zum neunten Schwanger-schaftsmonat generell möglich, auch wenn keineGefahr für das Leben bzw. den körperlichen oderseelischen Gesundheitszustand der Schwangerenbesteht.

Ich frage die Landesregierung:

1. Teilt die Landesregierung die Ansicht der Thürin-ger Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesundheit,Frauen und Familie, dass die §§ 218 bis 219bStrafgesetzbuch abzuschaffen seien und – falls ja –wie begründet die Landesregierung dies?

2. Ist die Landesregierung der Ansicht, dass jegli-cher rechtliche Schutz für das ungeborene Lebenunnötig sei und – falls ja – wie begründet die Lan-desregierung dies?

3. Welche konkreten Maßnahmen plant die Landes-regierung gegebenenfalls, um eine Abschaffung der§§ 218 bis 219b Strafgesetzbuch herbeizuführen?

Danke.

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen undFamilie, Frau Ministerin Werner.

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Herzlichen Dank. Sehr geehrte Frau Präsidentin,sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, na-mens der Landesregierung beantworte ich dieMündliche Anfrage wie folgt:

Zu Frage 1: Die Landesregierung als Kollegialorganhat sich zu der mit der im Zusammenhang mit derFragestellung stehenden Thematik noch nicht be-fasst und sich somit keine umfassende und ab-schließende Meinung gebildet. Insofern kann siedie erfragte Ansicht weder teilen noch ablehnen.Der in Rede stehende Tweet wurde auch nur durchmich als zuständige Frauenministerin im Kontext indem alljährlich am 8. März stattfindenden Interna-tionalen Frauentag getätigt und ist als Postulatnach mehr Selbstbestimmung aller Frauen undMädchen über ihren eigenen Körper zu verstehen.Im Übrigen darf ich natürlich auch auf die speziellenverfassungsrechtlichen Erfordernisse, die das Bun-desverfassungsgericht im Hinblick auf Schwanger-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9741

(Staatssekretär Dr. Sühl)

Page 58: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

schaftsabbrüche aufgestellt hat, hinweisen. Hierzuzählen ja insbesondere auch die Notwendigkeit,staatlicherseits genügend Maßnahmen zu ergrei-fen, und das Untermaßverbot zum Nachteil desnoch nicht geborenen Lebens nicht zu verletzen.Der Landesregierung ist natürlich auch bekannt,dass es an diesen Entscheidungen in der FachweltKritik gibt und gab. Diese reichen von Sondervotenvon Verfassungsrichtern, die an den betreffendenEntscheidungen beteiligt waren, bis hin zu dennach wie vor in den rechtlichen wie politischen De-batten zu vernehmenden Argumente. Insofern istalso der Tweet als Statement zu verstehen, wel-ches die politische Diskussion um dieses Themabenennt und Bezug nimmt auf Debatten, die es jain der Frauenbewegung seit der „Weimarer Repu-blik“ zu diesem Thema gibt, wieder nach der Wen-de, aber auch heute, wenn es um diesen § 219aStrafgesetzbuch geht.

Im Kern jedoch muss alles dafür getan werden, da-mit die §§ 218 ff. Strafgesetzbuch auf ihr verfas-sungsrechtlich unbedingt erforderliches Maß redu-ziert werden, um den Frauen so viel Freiheit zu ge-ben, wie es unser Grundgesetz in diesem Bereichnur hergibt. Das bedeutet, die Abschaffung der Pa-ragrafen in der derzeitigen Form; dazu gehört ebenauch die Streichung des Werbeverbots nach§ 219a Strafgesetzbuch, wer auf die Vornahme vonAbbrüchen unsachlich und reißerisch aufmerksammacht, dem ist standesrechtlich und wettbewerbs-rechtlich beizukommen. Aber hierzu bedarf es nichteines generellen oder strafrechtlich bewehrten Ver-bots. Genauso gehört für mich dazu, die derzeitigeHöhe der Strafandrohung für die gesetzlich vorge-sehene Form und den Inhalt der Beratung und wei-tere Umstände, die den Beteiligten unwillige Härtenauferlegen, zu debattieren und diese so weit zu-rückzufahren, wie es unsere Verfassung gestattet.

Zu Frage 2: Hier möchte ich noch mal grundsätzlichauf die Beantwortung in der Frage 1 verweisen. DerSchutz des ungeborenen menschlichen Lebens istnatürlich in dem verfassungsrechtlich zwingend er-forderlichen Maß zu gewähren, aber eben auch nurin diesem und gerade nicht darüber hinausgehend.

Zu Frage 3: Die Landesregierungen von Berlin,Hamburg und Thüringen haben bereits im Dezem-ber 2017 beschlossen, eine Initiative im Bundesrateinzubringen, die die Aufhebung des § 219a StGBanstrebt. Die Strafvorschrift des § 219a verbietet –wie bereits erwähnt – Werbung für den Abbruch derSchwangerschaft sowie für Mittel, Gegenständeund Verfahren, die zum Abbruch einer Schwanger-schaft geeignet sind. Ein solches Werbeverbot wur-de zunächst als 1933 § 219 in das damaligeReichsstrafgesetzbuch eingeführt und im Folgen-den grundgesetzlich beibehalten, während sich dieRegelungen zur Straffreiheit des Abbruchs derSchwangerschaft grundlegend veränderten. DasSanktionieren des Anbietens von sachlichen Infor-

mationen zu Schwangerschaftsabbrüchen ist wederzeitgemäß noch rechtspolitisch sinnvoll. Dadurchwird die faktische Inanspruchnahme der Möglich-keiten zum Schwangerschaftsabbruch, wie es§ 218 StGB in bestimmten Konstellationen ermög-licht, wegen mangelnder Information über ausfüh-rende Ärztinnen und Ärzte begrenzt. Auch das Bun-desverfassungsgericht hat vor zehn Jahren ausge-führt: „Wenn die Rechtsordnung Wege zur Durch-führung von Schwangerschaftsabbrüchen durchÄrzte eröffnet, muss es dem Arzt auch ohne negati-ve Folgen für ihn möglich sein, darauf hinzuweisen,dass Patientinnen seine Dienste in Anspruch neh-men können.“ Deshalb widerspricht unseres Erach-tens die Vorschrift des § 219a StGB den Erforder-nissen an Informationsfreiheit und Selbstbestim-mung, wie freie Arztwahl, und ist auch hinsichtlichder Ausübung der Berufsfreiheit nicht unkritisch.Schwangere sollen durch Informationen in die Lageversetzt werden, selbstständig zu entscheiden, wieund bei welcher Ärztin oder bei welchem Arzt sie ih-ren Schwangerschaftsabbruch vornehmen lassenwollen. Ärztinnen und Ärzte müssen ihrer Aufklä-rungspflicht gegenüber Patientinnen nachkommenkönnen. Sie dürfen mit dem bloßen Hinweis auf dieVornahmen von Schwangerschaftsabbrüchen nichtstrafrechtlich zur Verantwortung gezogen werden.Darüber hinaus gibt es keine konkreten Planungenoder Maßnahmen der Landesregierung, die auf ei-ne Änderung der §§ 218 ff. StGB abzielen.

Danke.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Zippel.

Abgeordneter Zippel, CDU:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich hätte genauergesagt zwei Nachfragen, wenn ich darf. Die eineist: Sie haben betont, Frau Ministerin, dass es sichum eine Einzelmeinung Ihrer Person handelt. Daszwingt mich zu der Nachfrage: Wenn Sie als Minis-terin in einer Pressemitteilung vom 7. März ebendiese Abschaffung der §§ 218 bis 219b fordern, tunSie das natürlich insbesondere, wenn Sie das alsPerson „Ministerin“ tun, natürlich nicht als getrenntePerson, sondern Sie sind Teil der Landesregierung.Deswegen muss ich Sie schon fragen, ob das So-zialministerium – also wenn Sie so argumentieren –nicht Teil der Landesregierung ist oder warum Siediese Trennung nicht herbeigeführt haben, wenn esIhre Einzelmeinung ist. Natürlich wirkt es sonst so,als wenn die Landesregierung diese Meinung ver-tritt. Das wäre die erste Nachfrage.

Frau Präsidentin, wenn ich darf, würde ich gleichdie zweite Nachfrage stellen. Die zweite Nachfragewäre: Sie haben gerade Ihre persönliche Meinungnoch mal dargelegt. Da würde mich mal interessie-ren: Ist Ihnen denn insoweit auch der Artikel 1

9742 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Ministerin Werner)

Page 59: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Grundgesetz bekannt, in dem noch mal klar formu-liert wird, „Die Würde des Menschen ist unantast-bar“? Ist der Landesregierung auch das Urteil desBundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 1993 be-kannt oder ist es vielmehr auch Ihnen persönlichbekannt, das feststellt, dass die Menschenwürdebereits dem ungeborenen menschlichen Leben zu-kommt und das Grundgesetz somit den Staat ver-pflichtet, auch das ungeborene menschliche Lebenzu schützen? Inwieweit meinen Sie mit Ihren aktu-ellen und jetzigen Äußerungen, nicht gegen diesenGrundsatz zu verstoßen? Danke.

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Ich kann nur noch mal wiederholen, ich habe michin der Debatte zu 100 Jahre Frauenwahlrecht undzum 8. März dahin gehend geäußert und eine De-batte, die seit der Weimarer Republik geführt wird,aufgegriffen und mich dazu geäußert. Ich habeaber jetzt auch dargelegt, dass natürlich die verfas-sungsrechtlich zwingenden Grundsätze zu beach-ten sind, um auf Ihre Frage 2 zu antworten. Inso-fern kann ich jetzt meinen Ausführungen gar nichtsweiter hinzufügen, außer, dass natürlich die Rege-lungen genauso bekannt sind.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

(Unruhe CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Ich sehe jetzt keine Nachfragen mehr. Ich rufe aufdie Anfrage des Abgeordneten Walk, Fraktion derCDU, in Drucksache 6/5394.

Abgeordneter Walk, CDU:

Versammlung am 12. Februar 2018 in Eisenach

Medienberichten zufolge fand am 12. Februar 2018eine von einem NPD-Mitglied angemeldete Ver-sammlung mit bis zu 250 Teilnehmern in Eisenachstatt. Eine zweite Versammlung dieser Art fandnach meiner Kenntnis am 26. Februar 2018 statt.Eine weitere Versammlung war nach meinen Infor-mationen für den 12. März 2018 angemeldet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Erkenntnisse hat die Landesregierungüber die Anmelder und die Teilnehmerstruktur derVersammlungen, zum Beispiel hinsichtlich der Ver-bindungen von Versammlungsteilnehmern zu Par-teien beziehungsweise politischen Gruppierungen?

2. Welchen Ablauf nahmen die Versammlungen?

3. Wurden im Zusammenhang mit den genanntenVersammlungen Straftaten- oder Ordnungswidrig-keitsanzeigen aufgenommen? Bitte dazu auch auf-führen, ob die Anzeigen sich gegen von Teilneh-

mern verwendete Transparente, Spruchbänder,Banner und Ähnliches bzw. gegen im Laufe derVersammlung gerufene Parolen wendeten oder an-dere Anlässe hatten?

4. Mit welchen, auch medialen, Aktivitäten wurdenund werden nach Kenntnis der LandesregierungTeilnehmer für die Versammlungen geworben?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Inneres und Kommunales, StaatssekretärGötze.

Götze, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge des Abgeordneten Walk beantworte ich für dieLandesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Am 12. und 26. Februar dieses Jahresfanden in Eisenach zwei rechtsextremistische Ver-sammlungen unter dem Motto „Deutschland denDeutschen – Wir sind das Volk!“ statt. Die Ver-sammlungen waren durch den Vorsitzenden derNPD-Fraktion des Stadtrats Eisenach als Einzelper-son angemeldet und als überparteilich beworbenworden. Nach vorliegenden Erkenntnissen nahmenan der Veranstaltung am 12. Februar etwa 250 Per-sonen und am 26. Februar bis zu 270 Personenteil. Dem Teilnehmerkreis gehörten neben Angehö-rigen der rechtsextremistischen Szene aus Thürin-gen vermutlich aus dem NPD- und örtlichen Neona-zi-Spektrum auch Bürgerinnen und Bürger aus Ei-senach und Umgebung an. Am 12. März 2018 fandin Eisenach keine Versammlung der rechtsextre-mistischen Szene statt, jedoch wurde vom gleichenAnmelder für den 19. März 2018 eine Versammlungunter dem Motto „Deutschland den Deutschen –Wir sind das Volk!“ angemeldet. An dieser Ver-sammlung nahmen nach Polizeierkenntnissen biszu 200 Personen teil. Die Veranstaltung fand von17.00 Uhr bis 18.30 Uhr statt.

Zu Frage 2: Die Versammlung am 12. Februar be-gann 16.35 Uhr mit einer Auftaktkundgebung desAnmelders. Gegen 16.55 Uhr setzte sich der De-monstrationszug in Bewegung und endete gegen17.14 Uhr wieder auf dem Eisenacher Marktplatz.Die Versammlung am 26. Februar begann17.00 Uhr mit einer Auftaktkundgebung des Anmel-ders. Gegen 17.33 Uhr setzte sich der Demonstrati-onszug in Bewegung und endete gegen 17.55 Uhrwieder auf dem Eisenacher Marktplatz.

Zu Frage 3: Straftaten- oder Ordnungswidrigkeits-anzeigen wurden nicht aufgenommen.

Zu Frage 4: Mobilisierungsaufrufe fanden sich aufeinschlägigen regionalen Internetseiten der NPD.Unter anderem warb der Anmelder für die Ver-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9743

(Abg. Zippel)

Page 60: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

sammlung am 26. Februar mit einer verlinkten Vi-deobotschaft auf seiner Facebook-Seite.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es Nachfragen? Herr Abgeordneter Walk, bitte.

Abgeordneter Walk, CDU:

Ja, zunächst danke an den Staatssekretär. Ich ha-be zwei Nachfragen. Zum einen: Sind der Landes-regierung vergleichbare Versammlungsanmeldun-gen bzw. -durchführungen in Thüringen bekannt?Wenn ja: Mit welchen Erkenntnissen?

Götze, Staatssekretär:

Diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. DieAntwort reiche ich aber schriftlich nach.

Abgeordneter Walk, CDU:

Danke. Die zweite Frage: Rechnet die Landesregie-rung mit weiteren entsprechenden Anmeldungenbzw. liegen schon diesbezügliche Anmeldungenvor? Weil wir ja immer den Zweiwochenrhythmushaben, vielleicht gibt es schon Erkenntnisse.

Götze, Staatssekretär:

Also, derartige Erkenntnisse habe ich hier nicht.Aber auch da bekommen Sie noch eine schriftlicheAntwort.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es weitere Nachfragen? Das kann ich nicht er-kennen. Dann rufe ich die nächste Anfrage der Ab-geordneten Holbe, Fraktion der CDU, in Drucksa-che 6/5407 auf.

Abgeordnete Holbe, CDU:

Herzlichen Dank, Frau Präsidentin.

Beachtung der geltenden Thüringer Kommunalord-nung bei Gemeindeneugliederungen

Im Rahmen der parlamentarischen Beratung zudem Gesetzentwurf der Landesregierung zum Thü-ringer Gesetz zur freiwilligen Neugliederung kreis-angehöriger Gemeinden im Jahr 2018 und zur Än-derung des Thüringer Gesetzes über die kommuna-le Doppik in Drucksache 6/5308 brachten die Koali-tionsfraktionen einen Änderungsantrag ein, welcherdie Aufnahme von zwei zusätzlichen Neugliederun-gen zum Gegenstand hat. Beide Neugliederungs-maßnahmen haben gemeinsam, dass jeweils eineMitgliedsgemeinde aus einer Verwaltungsgemein-schaft ausgegliedert werden soll. Im Einzelnen han-delt es sich um die Gemeinden Wittgendorf undSchillingstedt, die aus den Verwaltungsgemein-

schaften „Mittleres Schwarzatal“ bzw. „Kölleda“ he-rausgelöst und in andere Gebietskörperschaften in-tegriert werden sollen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Liegen dem Austritt der Gemeinde Wittgendorfaus der VG „Mittleres Schwarzatal“ übereinstim-mend gefasste Beschlüsse zugrunde, welche denAnforderungen des § 46 Abs. 1 Satz 2 der gelten-den Thüringer Kommunalordnung entsprechen und– falls nein – wie bewertet dies die Landesregie-rung?

2. Liegen dem Austritt der Gemeinde Schillingstedtaus der VG „Kölleda“ übereinstimmend gefassteBeschlüsse zugrunde, welche den Anforderungendes § 46 Abs. 1 Satz 2 der geltenden ThüringerKommunalordnung entsprechen und – falls nein –wie bewertet dies die Landesregierung?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Inneres und Kommunales, Herr Staatsse-kretär Götze.

Götze, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge der Abgeordneten Holbe beantworte ich für dieLandesregierung wie folgt: Aufgrund des Um-stands, dass hier zu zwei Sachverhalten die gleicherechtliche Fragestellung aufgeworfen wird, erlaubenSie mir bitte, zusammenfassend zu antworten.

Die Anfrage greift die Änderungsanträge der Frak-tionen Die Linke, der SPD und Bündnis 90/Die Grü-nen zum Entwurf des Thüringer Gesetzes zur frei-willigen Neugliederung kreisangehöriger Gemein-den im Jahr 2018 und zur Änderung des ThüringerGesetzes über die kommunale Doppik auf. Es han-delt sich einmal um die Erweiterung der Regelungin § 1 des Gesetzentwurfs zur Ausgliederung derGemeinde Wittgendorf aus der Verwaltungsge-meinschaft „Mittleres Schwarzatal“ sowie derenAuflösung und Eingliederung in die Stadt Saalfeldan der Saale im Landkreis Saalfeld-Rudolstadt.

Zum anderen handelt es sich um die Regelung imneu einzufügenden § 8 des Gesetzentwurfs zurAusgliederung der Gemeinde Schillingstedt aus derVerwaltungsgemeinschaft „Kölleda“ im LandkreisSömmerda sowie deren Auflösung und Eingliede-rung in die Stadt Sömmerda.

Zu beiden Neugliederungsfällen liegen übereinstim-mende Beschlüsse der antragstellenden Gemein-den bzw. Städte vor, die für eine freiwillige Neuglie-derung erforderlich sind. Die in diesem Zusammen-hang entscheidenden Gemeinderatsbeschlüsse be-ruhen auf Artikel 91 der Verfassung des FreistaatsThüringen und Artikel 28 des Grundgesetzes. Da-

9744 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Staatssekretär Götze)

Page 61: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nach haben die Gemeinden das Recht, alle Angele-genheiten der örtlichen Gemeinschaft im Rahmender Gesetze in eigener Verantwortung zu regeln.Dies konkretisiert sich in § 1 Abs. 2 Thüringer Kom-munalordnung.

Aus diesem Recht zur kommunalen Selbstverwal-tung steht jeder Gemeinde unabhängig von einerMitgliedschaft in einer Verwaltungsgemeinschaftdas Recht zu, ihren eigenen Bestand zu prüfen undbei Bedarf eine Neugliederung auf den Weg zubringen. In diesem Zusammenhang stellt § 46Abs. 1 Satz 2 der Thüringer Kommunalordnung le-diglich ein Formerfordernis dar. Letztlich ist es demGesetzgeber jederzeit möglich, Neugliederungenaus Gemeinwohlgründen heraus zu beschließen.

Im Übrigen darf ich an dieser Stelle auf die Geneseder sogenannten doppelten Mehrheit verweisen.Diese wurde mit dem Gesetz zur Weiterentwicklungder gemeindlichen Strukturen im Freistaat Thürin-gen vom 9. Oktober 2008 in die Thüringer Kommu-nalordnung aufgenommen. Sie diente dazu, einenersten Schritt zur Erleichterung der Neugliederungvon Verwaltungsgemeinschaften zu Einheits- oderLandgemeinden zu gehen. Vor dieser Änderung imJahr 2008 war für die Beantragung der Bildung, Er-weiterung, Änderung oder Auflösung einer beste-henden Verwaltungsgemeinschaft ein übereinstim-mender Antrag aller Mitgliedsgemeinden, also Ein-stimmigkeit, erforderlich. Mit dem Entwurf des Ge-setzes zur Weiterentwicklung der Thüringer Ge-meinden haben die regierungstragenden Fraktio-nen nunmehr in einem zweiten Schritt die Strei-chung des § 46 Abs. 1 Satz 2 Thüringer Kommu-nalordnung vorgesehen.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten Holbe.

Abgeordnete Holbe, CDU:

Sie haben jetzt die Bewertung für beide Neuzusam-menschlüsse, Neugliederungen vorgenommen.Noch mal ganz konkret die Frage: Hat die Gemein-schaftsversammlung der VG „Mittleres Schwarza-tal“ und der VG „Kölleda“ den Antrag der auszutre-tenden Kommunen behandelt und gibt es eine Be-schlussfassung dazu, vielleicht sogar einen mitdoppelter Mehrheit getroffenen Beschluss?

Götze, Staatssekretär:

Ich habe Ihnen jetzt nur vortragen können, dass zuden Neugliederungsfällen übereinstimmende Be-schlüsse der antragstellenden Gemeinden bzw.Städte vorliegen. Die von Ihnen jetzt gestellte Fragemöchte ich Ihnen gern schriftlich beantworten.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es weitere Nachfragen? Herr Staatssekretär,es gibt eine weitere Nachfrage vom AbgeordnetenKuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, kön-nen Sie noch mal darstellen, dass die Bildung, Er-weiterung und Veränderung von Verwaltungsge-meinschaften ausschließlich Angelegenheiten desLandtags sind und das von der Fragestellerin be-schriebene Problem ausschließlich eine Antragstel-lung betrifft, aber nicht das Neugliederungsverfah-ren von Verwaltungsgemeinschaften, sodass dieseZustimmung im Gesetzgebungsverfahren mit Zwei-drittelmehrheit, wenn sie dann noch bestehen soll-te, durch den Gesetzgeber noch einholbar wäre,aber nicht Voraussetzung für eine Antragstellungist?

Götze, Staatssekretär:

Das hatte ich bereits dargestellt. Ich würde davonabsehen, die Antwort zu wiederholen. Ich hatte dieNachfrage der Abgeordneten Holbe so verstanden,ob hier konkret ein Beschluss der Verwaltungsge-meinschaft vorliegt, und hatte zugesagt, dass ichdiese Frage schriftlich beantworten werde.

Vizepräsidentin Jung:

Es liegen jetzt keine weiteren Fragen vor. Ich rufeauf die Anfrage der Abgeordneten Herold, Fraktionder AfD, in Drucksache 6/5412, vorgetragen durchden Abgeordneten Kießling.

Abgeordneter Kießling, AfD:

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Winterversorgung von Obdachlosen in Thüringen

Einem Artikel der „Thüringer Allgemeine“ vom27. Februar 2018 zufolge zeigen sich Erfurter Bür-ger zunehmend besorgt, dass Obdachlose in Erfurtbei Eiseskälte ihr Schlafquartier unter freiem Him-mel einrichten und so den Minusgraden schutzlosausgeliefert sind. Bei den WitterungsbedingungenEnde Februar von etwa minus 10 Grad Celsius Au-ßentemperatur in der Nacht sind Obdachlose akutgesundheitsgefährdet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie viele Obdachlose leben nach Kenntnis derLandesregierung seit dem Jahr 2014 in Thüringen?Bitte nach Jahresscheiben seit dem Jahr 2014 bisheute aufschlüsseln.

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Esfehlt nur noch, dass die AfD auch nach Blut-gruppen fragt!)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9745

(Staatssekretär Götze)

Page 62: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

2. Wie gestaltet sich nach Kenntnis der Landesre-gierung aktuell die gesundheitlich-medizinischeVersorgung von Obdachlosen in Thüringen, insbe-sondere bei Kälteeinbruch?

3. Stehen nach Kenntnis der Landesregierung inThüringer Kommunen bei Kälteeinbruch sogenann-te Kältebusse zur akuten und mobilen Versorgungvon Obdachlosen bereit? Wenn ja: In welchenKommunen stehen ab welcher Temperatur Bussebereit? Wenn nein: Plant die Landesregierung an-gesichts von Unterkühlung gefährdeter Obdachlo-ser den Einsatz von Kältebussen aus ihrem Fuhr-park?

4. Inwieweit erachtet es die Landesregierung fürnotwendig, eine mit öffentlichen Mitteln finanzierteObdachlosenpoliklinik nach Hamburger Vorbild ein-zurichten? Welche Bemühungen wurden in dieseRichtung bereits unternommen?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen undFamilie, Frau Ministerin Werner.

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, im Namen der Lan-desregierung beantworte ich die Mündliche Anfragewie folgt:

Gestatten Sie mir zunächst eine Vormerkung. Dievon Ihnen gestellten Fragen können von der Lan-desregierung nicht beantwortet werden, da die Lan-desregierung hier der falsche Ansprechpartner ist.Die Fragen sollten in den kommunalen Vertretun-gen gestellt werden,

(Beifall DIE LINKE)

da im Bedarfsfall nur dort die entsprechenden An-gebote zur Verfügung gestellt werden können. Eshandelt sich also um Maßnahmen, die in der Regeldem Bereich der kommunalen Selbstverwaltung zu-zuordnen sind. Nun zu Ihren Fragen:

Zu Frage 1: Die Zahl der in Thüringen lebendenObdachlosen ist der Landesregierung nicht be-kannt. Diese sind nicht zur Meldung in den kommu-nalen Gebietskörperschaften verpflichtet und nichtan einen bestimmten Ort gebunden.

Zu Frage 2: Sofern, was bei längerer Zeit obdachlo-sen Menschen möglich ist, kein Krankenversiche-rungsschutz besteht, wird Hilfe zur Gesundheitnach Maßgabe der §§ 47 ff. SGB XII geleistet. Da-bei ist die Hilfe unabhängig von der Jahreszeit.

Zu Frage 3: Nach Kenntnis der Landesregierungstehen den verschiedenen größeren Städten desFreistaats Thüringen Obdachlosenunterkünfte zur

Verfügung. Der Landesregierung ist nicht bekannt,ob es, wie in der Fragestellung formuliert, Kältebus-se gibt, die von den Kommunen bereitgestellt wer-den. Die Landesregierung wird derzeit hierfür keineInitiative starten, zumal die Landesregierung auchkeinen Fuhrpark unterhält.

Zu Frage 4, das war die Frage nach einer Obdach-losenpoliklinik: Hier sei vorausgeschickt, dass derLandesregierung keine Defizite bei der medizini-schen Versorgung Obdachloser bekannt sind. Da-her wird keine Veranlassung gesehen, eine Polikli-nik speziell für die Versorgung dieser Menschen zuetablieren.

Danke.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Kießling.

Abgeordneter Kießling, AfD:

Nur kurze Nachfrage: Ist der Landesregierung be-kannt, dass es Obdachlose generell gibt? Wenn ja– Sie sagen zwar, es ist Kommunensache –: Aberwill die Landesregierung das Thema nicht irgend-wie mal sich zu eigen machen?

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Ich weiß gar nicht, wie ich die Frage beantwortensoll, weil sie doch von Unkenntnis zeugt, wie ebendie Regelungen in Thüringen sind. Insoweit verwei-se ich noch mal auf die Verantwortung der Kommu-nen, die wir natürlich auch unterstützen, wenn siesich an uns wenden. Aber, dass wir das Thema„Obdachlosigkeit“ sozusagen von uns abwehrenwürden, das ist eine bösartige Unterstellung.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt keine weiteren Nachfragen. Deswegen rufeich die nächste Anfrage des Abgeordneten Kieß-ling, Fraktion der AfD, in Drucksache 6/5413 auf.

Abgeordneter Kießling, AfD:

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Ich meine, das wirddann sicherlich ähnlich sein wie hier oder bei dervorhergehenden Anfrage.

Winterversorgung von Obdachlosen in Thüringen

Auch derselbe Artikel. Soll ich den noch mal vortra-gen, den Artikel?

Vizepräsidentin Jung:

Bitte.

9746 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Kießling)

Page 63: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Abgeordneter Kießling, AfD:

Gut.

Einem Artikel der „Thüringer Allgemeine“ vom27.02.2018 zufolge zeigen sich Erfurter Bürger zu-nehmend besorgt, dass Obdachlose in Erfurt bei Ei-seskälte ihr Schlafquartier unter freiem Himmel ein-richten und so den Minusgraden schutzlos ausge-liefert sind. Bei den Witterungsbedingungen EndeFebruar von etwa minus 10 Grad Celsius Außen-temperatur in der Nacht sind Obdachlose akut ge-sundheitsgefährdet.

Ich frage die Landesregierung:

1. Besitzt die Landesregierung Kenntnis darüber,ob und wie viele Obdachlose in Thüringen Tierhal-ter sind?

2. In welchen Obdachlosenheimen in Thüringen istnach Kenntnis der Landesregierung das Halten vonwelchen Haustieren gestattet?

3. Besitzt die Landesregierung Kenntnis darüber,wie vielen Obdachlosen aufgrund ihrer Tierhaltungdie Aufnahme in einem Thüringer Obdachlosen-heim verwehrt wurde? Wenn ja: Welche Obdachlo-senheime haben die Aufnahme verwehrt?

4. In welcher Höhe stellen nach Kenntnis der Lan-desregierung Thüringer Kommunen und LandkreiseFinanzmittel für die Versorgung und Unterbringungvon Obdachlosen im Winter zur Verfügung?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Arbeit, Soziales, Gesundheit, Frauen undFamilie, Frau Ministerin Werner.

Werner, Ministerin für Arbeit, Soziales, Gesund-heit, Frauen und Familie:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, namens der Landes-regierung beantworte ich die Mündliche Anfragedes Abgeordneten Kießling wie folgt:

Noch mal, damit das auch klar wird, die Vorbemer-kung: Die von Ihnen gestellten Fragen können vonder Landesregierung nicht beantwortet werden, dadie Landesregierung der falsche Ansprechpartnerist. Die Fragen sollten den kommunalen Vertretun-gen gestellt werden, da im Bedarfsfall nur dort dieentsprechenden Angebote zur Verfügung gestelltwerden können. Ich habe gerade noch mal dieRückmeldung bekommen, dass das in den Aus-schüssen auch intensiv diskutiert wird.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Da muss man aber auchmal kommen!)

Es handelt sich also um organisatorische Maßnah-men, die in der Regel dem Bereich der kommuna-

len Selbstverwaltung zuzuordnen sind. Nun zu Ih-ren Fragen.

Zu Frage 1: Nein.

Zu Frage 2: Der Landesregierung ist nicht bekannt,ob und welche Haustiere in welcher Einrichtung fürObdachlose gestattet sind.

Zu Frage 3: Der Landesregierung ist nicht bekannt,ob Obdachlosen die Aufnahme in einer entspre-chenden Herberge wegen eines gehaltenenHaustiers verweigert wurde.

Zu Frage 4: Eine umfassende Antwort auf die kon-krete Fragestellung ist aufgrund von Abgrenzungs-schwierigkeiten nicht möglich. Es kann lediglich sta-tistisch ausgewiesen werden, in welcher Höhe dieThüringer Kommunen Ausgaben für soziale Einrich-tungen für Wohnungslose gemäß der Jahresrech-nungsstatistik des Thüringer Landesamts für Statis-tik getätigt haben. Die Thüringer Kommunen habendanach für soziale Einrichtungen für Wohnungsloseim Jahr 2015 Ausgaben in Höhe von1.982.838 Euro und im Jahr 2016 in Höhe von2.186.305 Euro getätigt. Eine Differenzierung nachder Jahreszeit, zu welcher die Ausgaben jeweilsangefallen sind, ist nicht möglich. Weiterhin sind inden aufgeführten Angaben keine Ausgaben für Ob-dachlose außerhalb von Einrichtungen erfasst.

Danke schön.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es Nachfragen? Das kann ich nicht erkennen.Dann rufe ich die Anfrage des Abgeordneten Har-zer, Fraktion Die Linke, in Drucksache 6/5417 auf.

Abgeordneter Harzer, DIE LINKE:

Rechts- und Eigentumsformen von Sparkassen inThüringen

In der Kreistagssitzung am 7. März 2018 im Land-kreis Hildburghausen gab es die Nachfrage, warumder Landkreis Hildburghausen unter den Beteiligun-gen des Landkreises nicht die Kreissparkasse Hild-burghausen aufführt. Daraufhin kam die Antwort,dass das ein Sonderstatus sei und die Sparkassenicht dem Landkreis gehören würde und das, ob-wohl der Landkreis Hildburghausen den Verwal-tungsrat wählt, der Landrat geborener Vorsitzenderdes Verwaltungsrats ist und die Gebührenabführun-gen der Sparkasse an den Landkreis erfolgt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie ist die Rechts- und Eigentumsform der Spar-kassen in Thüringen nominiert und woraus ergibtsich diese?

2. Sollte die Landesregierung die Auffassung desLandkreises Hildburghausen bestätigen: Wie be-gründen sich dann die eingangs genannten Rechte

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9747

Page 64: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

des Landkreises über die Verwaltungsorgane derSparkasse und die Gewinnabführung?

3. Ist die Sparkasse als Beteiligung des Landkrei-ses im Beteiligungsbericht und im Haushaltsplandes Landkreises aufzuführen?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Finanzmi-nisterium, Frau Ministerin Taubert.

Taubert, Finanzministerin:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen undHerren, ich beantworte die Mündliche Anfrage desAbgeordneten Harzer wie folgt:

Zu Frage 1: Die Rechtsform der Sparkassen ist in§ 1 Abs. 1 des Thüringer Sparkassengesetzes nor-miert. Danach sind alle Sparkassen rechtsfähigeAnstalten des öffentlichen Rechts. Sparkassen sindalso mit Personal und Sachmitteln ausgestatteteOrganisationen zur Erfüllung öffentlicher Aufgabendes oder der Träger. Es handelt sich bei den Spar-kassen nicht um Rechtssubjekte in einer Rechts-form des privaten Rechts. An den Sparkassen alsAnstalten des öffentlichen Rechts gibt es dement-sprechend kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinne.

Zu Frage 2: Die genannten Rechte des Landkreiseshat der Gesetzgeber im Thüringer Sparkassenge-setz geregelt. Danach ist Vorsitzender des Verwal-tungsrats und damit auch Mitglied im Verwaltungs-rat gemäß § 10 Abs. 1 des Thüringer Sparkassen-gesetzes der Leiter der Verwaltung des Trägers.Sollten mehrere Träger vorhanden sein – oder beiZweckverbandssparkassen –, kann der Vorsitz imVerwaltungsrat wechseln. Die Vorsitzenden derVerwaltungen der Träger, die nicht den Vorsitz in-nehaben, sind Verwaltungsratsmitglieder. Dies er-gibt sich aus § 10 Abs. 2 des Thüringer Sparkas-sengesetzes. Zwei Drittel der Mitglieder des Ver-waltungsrats einer Sparkasse werden aus demKreis der zur Vertretungskörperschaft des Trägerswählbaren Personen von der Vertretungskörper-schaft des Trägers gewählt. Dies ergibt sich aus§ 11 Abs. 1 des Thüringer Sparkassengesetzes.Der Leiter der Verwaltung des Trägers ist demnachder geborene Vorsitzende des Verwaltungsrats,was seiner in der Kommunalverfassung vorgesehe-nen überparteilichen Stellung entspricht. Demzufol-ge müssen auch seine Vertreter aus dem Kreis dervon der Vertretungskörperschaft des Trägers ge-wählten Personen kommen.

Durch diese Regelung wird zugleich das Gewichtder bürgerschaftlichen Selbstverwaltung betont.Das verbleibende Drittel der Mitglieder des Verwal-tungsrats einer Sparkasse wird gemäß § 11 Abs. 2des Thüringer Sparkassengesetzes von den Be-schäftigten der Sparkasse gewählt. Die Verwen-dung des Jahresüberschusses ist in § 21 des Thü-

ringer Sparkassengesetzes geregelt. Danach kannder Verwaltungsrat auf Vorschlag des Vorstandsbeschließen, dass der ausschüttungsfähige Teildes Jahresüberschusses an den Träger zur Ver-wendung für gemeinnützige Zwecke abgeführt wird,soweit er nicht zur Stärkung des haftenden Eigen-kapitals benötigt wird. Es entspricht der Aufgaben-stellung der öffentlich-rechtlichen Sparkassen, dassder ausgeschüttete Gewinn gemeinnützigenZwecken zugeführt wird. Über die Verwendungselbst steht dem Träger das alleinige Entschei-dungsrecht zu.

Zu Frage 3: Das Thüringer Sparkassengesetz re-gelt in § 1 Abs. 2, dass Landkreise oder kreisfreieStädte oder von diesen gebildete kommunaleZweckverbände Sparkassen errichten können. AlsEinrichtungen der Landkreise oder kreisfreien Städ-te, als gemeinschaftliche Einrichtung von Landkrei-sen und kreisfreien Städten oder als Einrichtungvon ihnen gebildeter kommunaler Zweckverbändesind Sparkassen gemäß § 1 Abs. 1 des ThüringerSparkassengesetzes rechtsfähige Anstalten des öf-fentlichen Rechts. Ein Landkreis hat gemäß § 75ain Verbindung mit § 114 der Thüringer Kommunal-ordnung jährlich zum 30. September einen Beteili-gungsbericht über jedes Unternehmen in einerRechtsform des privaten Rechtes, an dem er unmit-telbar beteiligt ist, zu erstellen. Als rechtsfähige An-stalt des öffentlichen Rechts genießt die Sparkasseeinen rechtlichen Sonderstatus. Eine Aufführung imBeteiligungsbericht ist somit nicht verpflichtend undobliegt der freien Entscheidung des Landkreises.Da gemäß den Ausführungen zu Frage 1 an Spar-kassen kein Eigentum im zivilrechtlichen Sinnebesteht, sondern die Landkreise lediglich Trägerder Sparkassen sind, handelt es sich um keine imHaushaltsplan zu berücksichtigende Beteiligung derLandkreise.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es Nachfragen? Das kann ich nicht erkennen.

(Zuruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Hier ich!)

Herr Abgeordneter Kuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Frau Ministerin, es gibt ei-ne Vereinbarung der Bundesregierung mit derEuropäischen Union zur Sonderstellung der Spar-kassen. Dort ist vereinbart, dass das Verhältnis derSparkasse zum Träger so ausgestaltet sein musswie zwischen Gesellschafter und Gesellschaft. Hatdas möglicherweise Auswirkungen darauf, dass eszwar eine Sonderstellung im Eigentum darstellt,aber zur Information der Öffentlichkeit verbindlichsein könnte? Dazu dient ja der Beteiligungsbericht.

9748 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Harzer)

Page 65: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Taubert, Finanzministerin:

Ich sehe das momentan nicht so, dass das eineAuswirkung hat. Ich sage mal, ein professionellerLandrat oder eine Landrätin würde in jedem Falldem Gremium alles mitteilen, weil natürlich Interes-se daran besteht, wie es mit der Sparkasse steht.

Vizepräsidentin Jung:

Ich rufe auf die Anfrage des Abgeordneten Kuschel,Fraktion Die Linke, in Drucksache 6/5418.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin.

Verstoß gegen § 23 Abs. 4 Thüringer Kommunal-ordnung in der Gemeinde Bad Liebenstein (Wart-burgkreis)?

Der Leiter der Parkverwaltung in Bad Liebenstein/Altenstein ist zugleich Gemeinderatsmitglied in BadLiebenstein. Die Stelle des Leiters der Parkverwal-tung ist Bestandteil des Stellenplans der GemeindeBad Liebenstein. Die Gemeinde Bad Liebensteinunterliegt der Rechtsaufsicht des Landes.

Ich frage die Landesregierung:

1. Inwieweit besteht zwischen der Mitgliedschaft imGemeinderat von Bad Liebenstein und der Aus-übung der Stelle des Leiters der Parkverwaltung inBad Liebenstein/Altenstein eine Unvereinbarkeit imSinne des § 23 Abs. 4 Thüringer Kommunalord-nung?

2. Wie begründet die Landesregierung ihre Auffas-sung?

3. Welche Rechtsfolgen entstehen daraus gegebe-nenfalls?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Inneres und Kommunales, StaatssekretärGötze.

Götze, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge des Abgeordneten Kuschel beantworte ich fürdie Landesregierung wie folgt und gestatten Siemir, dass ich die Antworten zu den Fragen 1 bis 3zusammenfasse:

Nach § 23 Abs. 4 Nr. 1 Thüringer Kommunalord-nung können die zu Gemeinderatsmitgliedern ge-wählten Personen ihr Amt nicht antreten oder ver-lieren ihr Amt, falls sie gleichzeitig als Beamter oderAngestellter der Gemeinde tätig sind. Durch die Un-vereinbarkeitsbestimmungen soll verhindert wer-den, dass die Objektivität der Entscheidungen ein-

zelner Gemeinderatsmitglieder durch Interessenkol-lisionen gefährdet wird. Die Zuständigkeit für dieFeststellung eines Amtsantrittshindernisses liegtgemäß § 30 Abs. 6 Thüringer Kommunalordnungbei der örtlich zuständigen Kommunalaufsichtsbe-hörde.

Die Prüfung, ob im nachgefragten Fall eine Unver-einbarkeit im Sinne des § 23 Abs. 4 Thüringer Kom-munalordnung vorliegt, ist eine Einzelfallentschei-dung der zuständigen Rechtsaufsichtsbehörde. DasLandratsamt des Wartburgkreises ist bereits mit derPrüfung des Falles befasst, hat diese aber nochnicht abgeschlossen.

Das Landratsamt wird im Rahmen seiner Prüfungdie Maßgaben im Urteil des Bundesverwaltungsge-richts vom 14. Juni 2017 zur Wahl von Kreisbe-diensteten zum Kreistag zu beachten haben. Da-nach sind solche Arbeitnehmer von den Unverein-barkeitsregelungen nicht umfasst, die nach ihremdienstlichen Tätigkeitsbericht keine Möglichkeit ha-ben, inhaltlich auf die Verwaltungsführung desLandkreises oder der Gemeinde Einfluss zu neh-men. In solchen Fällen drohe typischerweise keinInteressenkonflikt zwischen der Aufgabe als Man-datsträger, die Verwaltung zu kontrollieren, und derberuflichen Tätigkeit für die Verwaltung. DiesenMaßgaben entsprechend hat das Landratsamt imvorliegenden Fall die von dem betroffenen Gemein-deratsmitglied vertraglich zu erbringenden Tätigkei-ten darauf zu prüfen, ob und gegebenenfalls in wel-cher Weise diese der Kontrolle des Gemeinderatesunterliegen und ob die Gefahr von Interessenkon-flikten droht. Das Ergebnis der Prüfung bleibt abzu-warten.

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage des Abgeordneten Kuschel.

Abgeordneter Kuschel, DIE LINKE:

Danke, Frau Präsidentin. Herr Staatssekretär, dieKommunalwahlen waren ja nun schon 2014. Jetzthaben wir 2018. Können Sie mal erläutern, wie lan-ge die Rechtsaufsichtsbehörde braucht, um soeinen Fall zu prüfen? Das war die erste Frage.

Die zweite Frage: Der Betroffene hat eine Entgelt-gruppe 11, wie es aus dem Stellenplan zu ermittelnist, also kein Geheimnis. Entgeltgruppe 11 ist nachmeinem Kenntnisstand gehobener Dienst und inso-fern ist doch schon daraus ableitbar, inwieweit erEntscheidungskompetenz hat oder nicht. Oder irreich da? Früher war ja die Unterscheidung zwischenArbeiter und Angestellten. Jetzt kennt der Tarifver-trag diese Unterscheidung nicht mehr, sondern nurnoch Beschäftigte.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9749

Page 66: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Es gibt dieses Amtsantrittshindernis. Ergibt sichnicht bereits aus der Entgeltgruppe ein hinreichen-der Hinweis darauf, dass hier ein Amtsantrittshin-dernis vorliegt?

Götze, Staatssekretär:

Eine unwiderlegbare Vermutung ergibt sich darausnach meiner Auffassung nicht. Die Rechtsaufsichts-behörde ist aufgefordert, jeden Einzelfall konkretanhand der Vorgaben des Bundesverwaltungsge-richts zu prüfen. Diese Prüfung sollte in sechs Wo-chen abgeschlossen sein. Ich weiß nicht, wann dieRechtsaufsichtsbehörde hier vom konkreten Sach-verhalt erfahren und die Gemeinde aufgeforderthat, die prüfungserheblichen Unterlagen vorzule-gen.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es weitere Nachfragen? Das kann ich nicht er-kennen. Dann rufe ich auf die Anfrage des Abge-ordneten Rudy, Fraktion der AfD, in Drucksache6/5420.

Abgeordneter Rudy, AfD:

Sehr geehrte Parlamentspräsidentin, sehr geehrteAbgeordnete, ich habe die folgende Anfrage, undzwar:

Nutzung der Räumlichkeiten der Thüringer Landes-vertretung beim Bund

Die Räume der Landesvertretung des FreistaatsThüringen beim Bund in Berlin werden auch für ver-schiedene Veranstaltungen genutzt. Landesvertre-tungen anderer Bundesländer stellen ihre Räumeunter anderem für Sitzungen von Bundestagsabge-ordneten ihrer Länder, die sogenannten Landes-gruppen, zur Verfügung.

Ich frage die Landesregierung:

1. Fanden in dieser Thüringer LegislaturperiodeVeranstaltungen oder Treffen beziehungsweise Sit-zungen von Thüringer Bundestagsabgeordneten inden Räumen der Thüringer Landesvertretung beimBund in Berlin statt?

2. Wenn solche Veranstaltungen bzw. Treffen oderSitzungen stattfanden: Welche waren dies?

3. Nach welchen Kriterien wird über die Vergabevon Räumen der Landesvertretung und von wementschieden?

Vielen Dank.

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung die Staats-kanzlei, Minister Prof. Dr. Hoff.

Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- undEuropaangelegenheiten und Chef der Staats-kanzlei:

Frau Präsidentin, sehr geehrter Herr Fragesteller!

Zu Frage 1: Ja.

Zu Frage 2: Es waren einzelne Treffen oder Veran-staltungen Thüringer MdBs, im Jahr 2015 eine Ver-anstaltung von den Thüringer Abgeordneten Len-kert, Renner, Hupach, Steinke und Tempel zur Thü-ringer Tischkultur; 2016 Landesgruppe Thüringender CDU, Beratung gemeinsam mit INNOVENTe. V. Jena, das ist eine gemeinnützige Forschungs-einrichtung. Die Thüringer Abgeordnete Göring-Eckhardt hat eine Podiumsdiskussion zur gesell-schaftlichen Lage, insbesondere in Thüringen,durchgeführt. Die Landesgruppe Ost der SPD hateine Landesgruppensitzung zum Thema „Ost-Ren-ten“ durchgeführt, die Bundestagsfraktion Die Linkeeine Anhörung zur Situation in Ostdeutschland.Auch im Jahr 2016 fand die von den genanntenBundestagsabgeordneten durchgeführte Veranstal-tung zur Thüringer Tischkultur statt, die auch in2017 stattgefunden hat. Darüber hinaus hat dieLandesgruppe Thüringen der Fraktion Die Linke einTreffen mit ehemaligen Thüringer Bundestagsabge-ordneten durchgeführt.

Zu Frage 3 nach den Kriterien der Vergabe: Es istdeutlich geworden, dass Sitzungen von sogenann-ten Landesgruppen die Ausnahme darstellen, denngrundsätzlich geht die Landesregierung davon aus,dass der Deutsche Bundestag seinen Mitgliedernund den Fraktionen ausreichend Räumlichkeiten fürSitzungen, auch der Landesgruppen, zur Verfügungstellt. So befinden sich – ohne die Büroräume – imJakob-Kaiser-Haus mit seinen acht Teilgebäuden43 Besprechungsräume, im Paul-Löbe-Haus 21 Sit-zungssäle für Ausschüsse, im Marie-Elisabeth-Lü-ders-Haus insbesondere ein Veranstaltungsfoyermit 140 Quadratmetern, das von den Fraktionengenutzt werden kann und genutzt wird. Des Weite-ren stehen den Abgeordneten und Fraktionen dieBürogebäude in der Wilhelmstraße 65, das Matthi-as-Erzberger-Haus und das Otto-Wels-Haus zurVerfügung. Unabhängig von diesen auskömmlichenRäumen des Verfassungsorgans Deutscher Bun-destag steht die Thüringer Landesvertretung beimBund in Abhängigkeit von zeitlicher und personellerVerfügbarkeit für Veranstaltungen zur Verfügung.Es hat sich aber insbesondere die Landesvertre-tung als ein Ort herausgestellt, der als ThüringerBotschaft für Institutionen aus Thüringen, Vereineetc. zur Verfügung gestellt wird und dafür auch einoffenes Haus entsprechender Gespräche ist.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es Nachfragen? Das kann ich nicht erkennen.Dann rufe ich als letzte Anfrage die Anfrage der

9750 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Kuschel)

Page 67: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Frau Abgeordneten König-Preuss, Fraktion Die Lin-ke, in Drucksache 6/5421 auf.

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:

Durchsuchungsmaßnahmen gegen die „Euro-päische Aktion“ in Thüringen

Im Juni 2017 fanden in Thüringen und Niedersach-sen Durchsuchungsmaßnahmen bei Personen derextrem rechten Szene statt. Laut Presseberichtenwurden insgesamt 14 Objekte durchsucht, die Maß-nahme richtete sich gegen die „Europäische Akti-on“, eine europäische Sammlungsbewegung vonHolocaustleugnern, wegen des Verdachts der Bil-dung einer kriminellen Vereinigung. Zwischenzeit-lich hat sich laut Eigenangaben die „EuropäischeAktion“ Thüringen aufgelöst, ein Transparent der„Europäischen Aktion“ wurde jedoch weiterhin aufdiversen Rechtsrock-Konzerten und Versammlun-gen der extrem rechten Szene gezeigt. Die Auflö-sung verkündete der Thüringer Gebietsleiter der„Europäischen Aktion“ in einem Video mit dem Thü-ringer NPD-Chef. In einem am 28. Januar 2018 aufder Homepage der NPD Thüringen veröffentlichtenBeitrag ist der Gebietsleiter, der selbst Ziel der Raz-zia 2017 war, als Teilnehmer einer Klausurtagungdes NPD-Landesvorstands zu sehen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Gegen wie viele Personen aus welchen Kommu-nen bzw. Bundesländern und welchen Alters wer-den nach Kenntnis der Landesregierung im Zusam-menhang mit der „Europäischen Aktion“ in Thürin-gen Ermittlungen geführt?

2. Ist der Landesregierung bekannt, wie der Standder Ermittlungen ist und nach welchen Straftatenermittelt wird?

3. Gibt es nach Kenntnis der Landesregierung eineNachfolgeorganisation der „Europäischen Aktion“bzw. welchen Gruppierungen haben sich die inThüringen lebenden Personen, gegen welche imZusammenhang mit der „Europäischen Aktion“ er-mittelt wird, angeschlossen?

4. Vertrat nach Einschätzung der Landesregierungdie „Europäische Aktion“ gegen die Grundsätze ei-nes demokratischen Verfassungsstaats gerichteteZiele und wie bewertet die Landesregierung vordiesem Hintergrund die jüngste Teilnahme des Ge-bietsleiters der „Europäischen Aktion“ bei einerKlausurtagung des Thüringer NPD-Landesvor-stands?

Vizepräsidentin Jung:

Es antwortet für die Landesregierung das Ministe-rium für Inneres und Kommunales, Herr Staatsse-kretär Götze.

Götze, Staatssekretär:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Da-men und Herren Abgeordnete, die Mündliche Anfra-ge der Abgeordneten König-Preuss beantworte ichfür die Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Im Zusammenhang mit der sogenann-ten Europäischen Aktion werden derzeit im Landes-kriminalamt Thüringen Ermittlungen gegen insge-samt 14 Beschuldigte geführt, von denen elf Perso-nen in Thüringen wohnen. Ein Beschuldigter ist der-zeit ohne festen Wohnsitz. Darüber hinaus warenzwei Beschuldigte in Nordrhein-Westfalen bzw. Nie-dersachsen amtlich gemeldet. Die Beschuldigtensind zwischen 23 und 55 Jahre alt.

Zu Frage 2: Die Ermittlungen gegen die 14 Be-schuldigten wegen des Verdachts der Bildung einerkriminellen Vereinigung dauern an. Des Weiterenwurden im Zuge von Durchsuchungsmaßnahmenwaffenrechtliche Verstöße festgestellt und diesbe-züglich Ermittlungsverfahren gegen mehrere Be-schuldigte eingeleitet. Ein Beschuldigter hat Polizei-beamte während der Durchsuchung tätlich ange-griffen. Aus diesem Grund wurde ein weiteres Er-mittlungsverfahren wegen Widerstands gegen Voll-streckungsbeamte und Körperverletzung eingelei-tet.

Zu Frage 3: Der Landesregierung ist derzeit keineNachfolgeorganisation der sogenannten Euro-päischen Aktion bekannt. Ob und inwieweit sich dieBeschuldigten selbstständig anderen Gruppierun-gen angeschlossen haben, ist jedenfalls momentannicht bekannt. Aufgrund wieder zunehmender aktu-eller Aktivitäten einzelner ehemaliger Führungsper-sonen der Bewegung in Thüringen kann eine Fort-führung in anderer Form allerdings auch nicht gänz-lich ausgeschlossen werden.

Zu Frage 4: Die Ideologie der „Europäischen Akti-on“ setzt sich aus einer Mischung rassistischer so-wie antisemitischer Elemente zusammen. Darüberhinaus zeigte sich eine Wesensverwandtschaft zurnationalsozialistischen Ideologie mit gelegentlichaggressiv kämpferischem Auftreten. Eine Nähe ein-zelner ehemaliger EA-Mitstreiter zur NPD erscheintdaher wahrscheinlich, wie die Teilnahme an der ge-nannten Klausurtagung der NPD zeigt. Prägnantsind zudem antisemitische Argumentationsmuster,bei denen Juden für negative politisch-historischeEreignisse verantwortlich gemacht und diffamiertwerden. Die „Europäische Aktion“ fordert die Ab-schaffung des § 130 Strafgesetzbuch – das ist derVolksverhetzungsparagraf – sowie ähnlicher Straf-vorschriften in Europa zur vermeintlichen Wieder-herstellung der Meinungsfreiheit. Insgesamt war sieauf Systemumsturz ausgerichtet. Ihr strategischesZiel bestand in der Bildung einer politischen Mas-senbewegung im europäischen Maßstab zur – wiesie selbst sagt – Befreiung Europas. Nach Ein-schätzung des Amts für Verfassungsschutz stehen

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9751

(Vizepräsidentin Jung)

Page 68: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

die Ziele und Forderungen der „Europäischen Akti-on“ nicht im Einklang mit den Grundsätzen einesdemokratischen Rechtsstaates. Ich danke für IhreAufmerksamkeit.

Vizepräsidentin Jung:

Es gibt eine Nachfrage der Abgeordneten König-Preuss.

Abgeordnete König-Preuss, DIE LINKE:

Danke für die Antwort. Ich hätte zwei Nachfragen.Die erste wäre: Aus welchen Kommunen stammendenn die unter 1. genannten Personen? Da wurdennur Bundesländer genannt.

Und die zweite Nachfrage: Nun gibt es ja in regel-mäßigen Abständen den sogenannten Thing-Kreisin Themar, bei dem unter anderem der Gebietslei-ter der ehemaligen „Europäische Aktion“ oder dersich angeblich aufgelösten „Europäische Aktion“auftritt. Ist denn der Landesregierung bekannt, un-ter welcher politischen Organisation das stattfindet,oder wie ordnet die Landesregierung die Organisa-toren ein, und sieht sie darin Nachfolgeaktivitätender „Europäischen Aktion“?

Götze, Staatssekretär:

Die letzte Frage würde ich Ihnen gern schriftlich be-antworten.

Die erste Frage – das hatte ich in der Tat nicht er-wähnt – möchte ich in Ergänzung meiner Antwortzu Frage 1 wie folgt beantworten: Die Tatverdächti-gen wohnen in den Gemeinden Sonneberg, Ta-barz, Guthmannshausen, Römhild, Neuhaus amRennweg, Suhl, Benzhausen, Neuhaus-Schier-schnitz und Arnstadt.

Vizepräsidentin Jung:

Gibt es weitere Nachfragen? Dann schließe ich fürheute die Mündlichen Anfragen und wir setzen dieTagesordnung fort.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 7

Gesetz zur Änderung des Thü-ringer Gesetzes über die Auf-gaben und Befugnisse derOrdnungsbehörden – Einfüh-rung effektiver Alkoholverbotezur GefahrenvorsorgeGesetzentwurf der Fraktion derAfD- Drucksache 6/5395 -ERSTE BERATUNG

Herr Möller, Sie haben das Wort zur Einbringung.

Abgeordneter Möller, AfD:

Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Kolle-ginnen und Kollegen, liebe Gäste, wer wie die AfD-Fraktion oft mit den Thüringern ins Gesprächkommt, weiß, wie stark der Verlust an Sicherheitund Ordnung die Menschen mittlerweile umtreibt.Immer wieder bekommt man Hinweise, dass auchunterhalb der Schwelle schwerer Straftaten dieFreiheit des öffentlichen Raums nicht mehr als sol-che empfunden und wahrgenommen werden kann,weil man an bestimmten Plätzen – vor allem in denStädten – mit Aggressionen und Pöbeleien gerade-zu rechnen muss und diese dann logischerweiseauch meidet. Solche Aggressionen und Pöbeleienstehen regelmäßig im Zusammenhang mit demMissbrauch von Alkohol in der Öffentlichkeit. Es istallgemein bekannt, dass Alkoholgenuss – vor allemin bestimmten Situationen, zum Beispiel bei auf öf-fentlichen Plätzen herumlungernden Menschen-gruppen – in direktem Zusammenhang steht mitRegelverletzungen, Aggressionen, Pöbeleien,sonstigen Anstandsverletzungen und auch sonsti-gen Verwahrlosungssymptomen wie zum BeispielAnsammlungen von Unrat, zerbrochenen Bierfla-schen und Urinlachen. All das geschieht nicht nur inabgelegenen Ecken, sondern man kann das auchauf dem Erfurter Anger beobachten, der zum Zen-trum unserer Landeshauptstadt gehört. Mal abge-sehen von der Störung von Ordnung und Sicherheitist es auch eine Katastrophe für Gewerbetreibende,deren Laufkundschaft ausbleibt, und natürlich auchfür das Tourismusgeschäft.

(Zwischenruf Abg. Becker, SPD: Na ja!)

Bevor mir nun jemand den Vorwurf macht, dass ichhier nur Wahlkampf als Oberbürgermeisterkandidatbetreiben möchte, kann ich Ihnen eines sagen:

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ach, wenn Sie es schon selbst sa-gen!)

Ja, ich weiß, der Vorwurf kommt. – Ich war vorges-tern in Schlotheim bei einer Bürgerinitiative. Dawurde mir genau dasselbe berichtet, dass nämlicheine bestimmte Haltestelle sehr stark von jungenMigranten aufgesucht wird, die dort – sage ich jetztmal – rumlungern und betrunken Passanten anpö-beln. Der völlig überforderten Polizei bleibt nichtsweiter übrig, als festzustellen, dass es sich dort umeinen Hotspot handelt. Das ist also kein spezifi-sches Problem der Landeshauptstadt, sondern vonganz Thüringen.

(Beifall AfD)

Natürlich treibt mich das auch als Erfurter um, dasist ganz klar. Es treibt mich um, dass auch alkohol-bedingte Enthemmungen mit dazu beigetragen ha-ben, dass der Erfurter Anger zum „gefährlichen Ort“erklärt wurde. Natürlich ärgert es mich als Erfurterauch maßlos, dass ein Alkoholverbot der Stadt vom

9752 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Staatssekretär Götze)

Page 69: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Thüringer Oberverwaltungsgericht für unwirksamerklärt wurde, weil es die hohen Anforderungen aneine wirksame Begründung schlicht nicht erfüllenkonnte. Es ärgert mich auch, dass sich daran nichtsgeändert hat. Zwar haben Sie von den Altparteien,sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, im Landtagnach dem Urteil den § 27a Thüringer Ordnungsbe-hördengesetz neu gefasst, aber an den bürokra-tisch kaum überwindbaren Hürden haben Sie nichtsgeändert. Nach wie vor kann eine Gemeinde einwirksames Alkoholverbot nur dann erlassen, wennes im fraglichen Bereich oft genug zu Straftaten ge-gen Bürger gekommen ist. In diesem Punkt, meineDamen und Herren, unterscheiden sich der An-spruch der AfD und unser Gesetzentwurf, der hiervorliegt, fundamental. Wenn die von uns entworfe-nen Neuregelungen in Kraft treten, muss das Kindnämlich nicht erst in den Brunnen fallen, damit Ge-meinden tätig werden können.

(Beifall AfD)

Dann reicht bereits der Kinder- und Jugendschutzfür ein Alkoholverbot aus, wenn das beispielsweisefür einen Umkreis von 300 Metern einer Einrich-tung, die regelmäßig von Kindern und Jugendlichenaufgesucht wird, beschlossen wird, zum Beispielauch Haltestellen des öffentlichen Personennahver-kehrs. Dann brauchen Gemeinden für ein Alkohol-verbot zur Kriminalitätsprävention nicht mehr ab-warten, bis genügend Bürger an betreffenden Ortenalkoholbedingten Straftaten oder Ordnungswidrig-keiten zum Opfer gefallen sind – das dann natürlichauch statistisch vermerkt worden ist. Nein, unseremGesetzentwurf reicht dann schon das Ziel, ein Alko-holverbot zur Gefahrenvorsorge zu erlassen, bevorBürger zu Opfern werden.

Meine Damen und Herren, es ist Kommunalwahl-kampf, das haben wir ja schon erwähnt. Auch IhreKandidaten, Herr Adams, reden davon, man müssedie Ängste der Menschen ernst nehmen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Heute, Herr Adams, werden wir sehen, wie ernstSie es damit meinen. Wir machen Ihnen den Vor-schlag, geben Sie Gemeinden die Möglichkeit, ef-fektive Alkoholverbote zum Schutz von Ordnungund Sicherheit zu erlassen, wenn es nötig ist. Dasentscheiden ja Gemeinden und nicht wir. Oder,Herr Adams, Sie reden sich raus, zum Beispiel da-mit, dass es ja anderswo in Thüringen Alkoholver-bote gibt, weil dort im Gegensatz zu Erfurt noch kei-ner dagegen geklagt hat, dem das Recht auf öffent-liches Besäufnis an allen Orten grundrechtlich wich-tiger ist als der Schutz von Kindern und Jugendli-chen vor den Gefahren des Alkohols und von allen

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Im Gegensatz zu Ihnentrinken wir gar nicht!)

Bürgern vor Kriminalität, vor Pöbeleien und sonsti-gen alkoholbedingten Aggressionen. Deswegen bit-te ich Sie, Herr Adams, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, wie auch immer Sie sich entscheiden, überle-gen Sie es sich gut, denn ich verspreche Ihnen, Ih-re Botschaft wird draußen beim Wähler ankommen.Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Vizepräsidentin Jung:

Ich eröffne die Beratung und als erster Redner hatder Abgeordnete Fiedler, Fraktion der CDU, dasWort.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen undHerren! Herr Kollege Möller, Sie können zwar beto-nen, es ist kein Wahlkampf für Erfurt, aber esglaubt Ihnen sowieso niemand.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Aber deswegen, nichtsdestotrotz – wenn ich dem,was Sie hier gesagt haben – ich gehe dann nochauf ein paar Punkte ein – folge, dann werden wirvorausschauend alles verbieten. Dann haben wirunsere Ruhe. Ich könnte das auch weiter fortfüh-ren: Verbieten wir doch den Alkohol, dann habenwir Ruhe. Das könnte man einfach weiterführen.Aber so einfach geht die Welt nicht, wie Sie sichdas hier zurechtzulegen versuchen.

Aber trotzdem will ich hier noch mal einige Punktebenennen. Die AfD will das Ordnungsbehördenge-setz zum Schutz von Kindern und Jugendlichen än-dern, was wir gemeinsam mit der SPD erst im Jah-re 2013 in dem § 27a OBG novelliert haben. Dashaben wir erst damals eingeführt, weil natürlich dieBeschwerden auch aus Erfurt und anderen Eckendes Landes kamen, dass es dort Probleme gibt. Ichwill vorwegnehmen, meine Damen und Herren, dieCDU-Fraktion wird Ihrem Gesetzentwurf nicht zu-stimmen, da wir die Notwendigkeit für eine solcheÄnderung nicht erkennen können. Ich will dort nureinige Punkte nennen. Ich möchte der AfD jadurchaus zugestehen, dass die Intention des Ge-setzentwurfs vom Grundsatz her nicht verwerflichist. Aber das „nicht verwerflich“ heißt noch langenicht, dass er gut ist. Allerdings stellt sich mir diegroße Frage, ob die von der AfD vorgetragene Not-wendigkeit für die bestehende Gesetzeslage tat-sächlich besteht.

Lassen Sie mich zunächst etwas zu der Absichtser-weiterung, zu § 27a Abs. 1 OBG sagen: Nach demWillen der AfD soll es künftig auch an Haltestellendes öffentlichen Personennahverkehrs möglichsein, Alkoholverbote zum Schutz von Kindern undJugendlichen auszusprechen. Zwar ist zutreffend,dass sich Kinder und Jugendliche auf dem Weg zur

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9753

(Abg. Möller)

Page 70: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

oder von der Schule zum Teil an öffentlichen Halte-stellen aufhalten, es mag auch vorkommen, dasssie in diesem Bereich mittelbar oder unmittelbar mitdem Konsum von Alkohol in Berührung kommen.Jedoch vermag ich nicht zu erkennen, ob und wiedie geplante Erweiterung des Gesetzes tatsächlichzu einer nachhaltigen Problemlösung beitragen soll.Dagegen spricht meines Erachtens zunächst, dassmögliche Verbote wohl nur zu einer Verlagerungdes Problems führen würden.

Ungeachtet dessen sind Haltestellen des öffentli-chen Personennahverkehrs auch jetzt schon nach§ 27a Abs. 1 OBG umfasst, wenn und soweit sie inräumlicher Nähe von Einrichtungen liegen, die vonKindern und Jugendlichen aufgesucht werden, alsozum Beispiel Haltestellen an Schulen, Horten undKindergärten, aber auch Freizeitparks und Ähnli-ches. Auch muss man sich in diesem Zusammen-hang die Frage stellen, wie bzw. wer die Verboteüberwachen soll, wenn die OrdnungsbehördenDienstschluss haben. Ein Rückgriff auf die dann zu-ständige Polizei ist sicherlich kaum zu realisierenbzw. der richtige Ansatz.

Meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen undKollegen, lassen Sie mich auch zwei Sätze zu dergeforderten sogenannten Gefahrenvorsorge in § 2Abs. 1 OBG sagen. Die AfD definiert den Gefahren-vorsorgebegriff wie folgt: „die Aufgabe der Ord-nungsbehörden, bereits vor dem Entstehen ab-strakter oder konkreter Gefahren oder Störungender Ordnung und Sicherheit vorzubeugen und nachder allgemeinen Lebenserfahrung begründetem Be-sorgnispotenzial entgegenzuwirken“. Mir erschließtsich insoweit allerdings nicht, anhand welcher kon-kreten Kriterien die Ordnungsbehörden hier Maß-nahmen ergreifen können oder sollen. Zwar kanndie allgemeine Lebenserfahrung zum Erkennen ei-ner Gefahr geeignet sein, allerdings erfordert dieGefahrenvorsorge nach meinem Kenntnisstand ei-ne hoheitliche Maßnahme, wenn sie schon der Ab-wehr einer konkreten Gefahr im Vorfeld dient. Dasheißt: Es bedarf Anzeichen für eine konkrete oderwenigstens abstrakte Gefahr.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich erkläre esIhnen dann!)

Ja, Sie können ja anderer Meinung sein. Sie sind jabei der Rechtsprechung immer aktiv dabei. Die AfDwill hier aber, dass die Ordnungsbehörden quasinach dem Bauchgefühl Maßnahmen einleiten kön-nen.

Das Hauptproblem des Gesetzentwurfs sehe ichaber in der personellen Umsetzung. Die AfD sprichtselbst den unzureichenden Personalbestand beiOrdnungsbehörden und Polizei an. Wie soll dennaber bei möglichen Alkoholverboten im Bereich vonöffentlichen Haltestellen die Überwachung realisiertwerden, wenn nicht hinreichend Personal vorhan-den ist? Der Handlungsbedarf liegt meines Erach-

tens nicht in der Eingrenzung und Verschärfungdes Alkoholverbots, sondern bei der Stärkung vonPolizei und Ordnungsbehörden. Ziel muss es sein,diese Tätigkeitsfelder attraktiver zu machen, umhinreichend Personal zu akquirieren. Für den Be-reich der Polizei hatte meine Fraktion im Plenumhier bereits Vorschläge unterbreitet. Ich erinnere andie Forderung, eine Ausbildungshundertschaft beider Polizei zu schaffen, auch an unsere Forderungnach mindestens 300 Neueinstellungen bei der Po-lizei im Jahr 2018 und 2019. Bei der Haushaltsbe-ratung ist darauf verwiesen worden und ich will dasin Erinnerung rufen: Erst durch hinreichendes Si-cherheitspersonal, aber auch und vor allem durchgesellschaftliche Erziehungs- und Bildungsmaß-nahmen kann dem Problemfeld Alkohol bzw. Dro-gen insgesamt erfolgreich begegnet werden. Des-wegen lehnen wir das ab.

Und ich will noch eines sagen, Herrn Möller und Ih-rer Fraktion: Sie sind ja immer die Vertreter desVolkes, wie Sie sagen,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da sprechenSie ein wahres Wort gelassen aus!)

die anderen sind ja alle irgendwo auf der Wolke sie-ben und unterhalten sich mit niemanden, habenkeine Ahnung und sind weltfremd. Den Rest lasseich alles weg. Fakt ist nur eines: Wissen Sie, wasdie Leute überhaupt nicht mögen – und das machtdie große Politik, und das macht die mittlere Politikund teilweise auch die untere Politik? Viele Dingesuggerieren, wir können das und bekommen dasdoch in Griff. Wenn es an die Umsetzung geht, ha-ben wir weder Leute noch Möglichkeiten, das Gan-ze zu kontrollieren und das Ganze im Griff zu be-halten. Wir sollten nur das versprechen, was auchdurchführbar ist.

Wir sehen hier die Durchführbarkeit überhaupt nichtund wir verweisen darauf, was wir damals 2013 da-zu gesagt haben, Sie haben es selbst erwähnt. Esgibt – neben dem hochwohllöblichen Parlament undallem, was es noch dazu gibt – auch noch eine Ge-richtsbarkeit. Eine Gerichtsbarkeit urteilt nicht nachBauchgefühl, sondern sie urteilt nach ordentlichenKriterien und den Dingen, die auch anwendbarsind. Das erscheint uns hier überhaupt nicht. Wirhaben genügend Möglichkeiten und Regularien.Vor allen Dingen ist und bleibt es natürlich ein ge-sellschaftliches Problem, bei dem alle Gruppierun-gen darauf hinwirken müssen, dass eben – ich sa-ge es mal deutlich – da nicht gesoffen und gekifftwird, sondern dass man darauf aufpasst, dass inder Schule, in der Gesellschaft die Dinge entspre-chend auch so besprochen werden, dass man hierzu einem bestimmten Konsens kommt.

Immer wieder nur Einzeldinge herauszunehmen –ich erinnere mich an die ganzen Dinge, die vor Kur-zem in Jena waren und was sich da alles so ab-spielt. Das ist ärgerlich hoch drei, aber das ändert

9754 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Fiedler)

Page 71: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

noch lange nichts daran, dass wir jetzt bestimmteGesetze abändern und am Ende wissen, wir sindgar nicht in der Lage dazu. Ob sie vor Gericht Be-stand haben, wissen wir erst recht nicht.

(Zwischenruf Abg. Muhsal, AfD: Deswegenmachen wir jetzt keine Gesetze mehr?)

Deswegen lehnen wir Ihren Entwurf ab.

(Beifall CDU)

Vizepräsidentin Jung:

Für die Fraktion Die Linke hat sich AbgeordneterDittes zu Wort gemeldet.

Abgeordneter Dittes, DIE LINKE:

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! HerrFiedler, ich rede eigentlich immer gern nach Ihnen,weil ich mich dann praktisch orientierend an IhremRedebeitrag so langsam durchhangeln kann. Aberich habe dem, was Sie gesagt haben, gar nicht soviel zu widersprechen, deswegen werde ich michtatsächlich auch auf den eigentlichen Inhalt konzen-trieren.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jetzt mussich vorsichtig sein!)

(Heiterkeit DIE LINKE)

Da, wo ich Ihnen widersprechen will, Herr Fiedler,das machen wir vielleicht außerhalb dieses Dialogshier, der ja auch ein ungleicher ist.

Ich will aber als Erstes sagen: Wenn sich ein AfD-Abgeordneter hier vorn hinstellt und sagt, er nimmtmit dem Antrag die Ängste der Bürger ernst, undgehört ausgerechnet zu denen, die erst die Ängstein diesem Land schüren, dann müssen wir dieseVerlogenheit, die dahintersteht, tatsächlich auchentlarven und hier in aller Deutlichkeit benennen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Ich will es Ihnen auch sagen. Das Motiv dieses Ge-setzentwurfs ist nicht, wie Herr Abgeordneter Fied-ler auch deutlich gemacht hat, Alkoholmissbrauchin der Öffentlichkeit zu begegnen, weil da brauchenwir tatsächlich Instrumente der Aufklärung, Instru-mente der Suchthilfe, Instrumente der Beratung,aber keine ordnungsrechtlich präventiven Instru-mente, sondern wir brauchen im Sozialbereich dieInstrumente. Der Ausgangspunkt der AfD ist ebennicht, dem Alkoholmissbrauch zu begegnen, son-dern der Ausgangspunkt dieses Gesetzentwurfs –und Herr Möller hat uns das hier in seiner Einbrin-gung verschweigen wollen – ist nachweislich imersten Satz des Gesetzentwurfs nachlesbar: „Infol-ge massenhafter illegaler Migration hat sich die Si-cherheitslage in Thüringen allgemein verschärft.“Das ist doch das, was tatsächlich zur Angst in die-

ser Bevölkerung führt, weil immer wieder etwassuggeriert wird, was eigentlich den Tatsachen nichtentspricht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Schauen Siemal Ihre Statistiken an!)

Dann stellt sich die AfD hier vorn hin: Wir nehmendie Ängste der Bürger ernst, die wir erst schüren.

Jetzt will ich es mal deutlich sagen, auch in Rich-tung der AfD: Alkoholmissbrauch – und da nehmeich sogar die Argumentation in Richtung Flücht-lingspolitik der AfD sehr ernst – steht doch eher inIhrer Traditionslinie und nicht in der Traditionslinieder Flüchtlinge, denen Sie

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

immer wieder eine muslimisch-fundamentalistischePosition unterstellen. Also das, was Sie hier zumAusgangspunkt der Gesetzeseinbringung gemachthaben, ist einfach entlarvend.

Aber was will die AfD mit ihrem Gesetzentwurf: Siewill die Möglichkeiten erweitern, mit denen dieKommunen flächendeckend Alkoholverbote erlas-sen können, auch wenn sie zur Gefahrenabwehrnicht begründet herangezogen werden. Sie könnenbehaupten – und das hat Herr Möller hier vorn auchgetan –, dass das Ordnungsbehördengesetz, ins-besondere auch in der von Herrn Fiedler zitiertenForm des § 27a dazu nicht ausreichend ist. Ichschließe mich Herrn Fiedler hier an und sage, es istausreichend. Ich werde das auch noch mal im Ein-zelnen ausführen.

Aber was ich dem Antrag der AfD noch entnehmenkann, ist folgende Formulierung – und ich will Ihnendas mal kurz vortragen, falls Sie nicht alle den An-trag gelesen haben –: „Öffentlicher Alkoholkonsumaußerhalb von Schankeinrichtungen begründet zumeinen ein berechtigtes Besorgnispotenzial bei An-wohnern und Passanten, da er nach der allgemei-nen Lebenserfahrung regelmäßig bei entsprechendanfälligen Personen zum Verlust der Selbstkontrolleund zu Regel- und Anstandsverletzungen führt.“Mal ganz abgesehen davon, dass in diesem Hausauch Abgeordnete sitzen, und zwar auf dieser rech-ten Seite, wo Regel- und Anstandsverletzungenauch schon ohne Alkoholgenuss eintreten,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Welches Ni-veau haben Sie denn?)

muss man doch die Frage stellen, was unterschei-det Alkoholmissbrauch, wenn er im öffentlichenRaum stattfindet, von dem Alkoholmissbrauch,wenn er in einer öffentlichen, zugelassenenSchankeinrichtung stattfindet. Warum soll denn imPrinzip – und da zitiere ich erneut den Abgeordne-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9755

(Abg. Fiedler)

Page 72: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

ten Fiedler – saufen beim Weihnachtsmarkt, beiStadtfesten und in Einrichtungen, wo der Liter Bieroder der halbe Liter Bier 4,80 Euro kostet, praktischkulturell akzeptierter sein als diejenigen, die sicheben diesen Konsum sozial nicht leisten könnenund den öffentlichen Raum dafür nutzen? Ich glau-be, darüber müssen wir diskutieren, dass diesemAlkoholverbot im öffentlichen Raum auch eine öko-nomische und soziale Komponente inneliegt. Erspaltet tatsächlich in der Gesellschaft, er unter-scheidet zwischen dem kulturell akzeptierten Alko-holkonsum und dem kulturell und öffentlich ebennicht akzeptieren Alkoholkonsum. Das ist auch keinwirksamer Beitrag, um Alkoholmissbrauch tatsäch-lich zu begegnen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Es geht umMissbrauch, nicht um den Konsum!)

Herr Möller, seien Sie einfach still!

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich habe dochgar nichts gesagt!)

Die AfD hat doch selbst auch ein ambivalentes Ver-hältnis zum Alkohol. Wissen Sie, wenn man überdie AfD googelt, ich weiß nicht, wie viele Bilder ichvon Herrn Höcke gefunden habe, wo der mit einemGlas Bier in der Öffentlichkeit steht. Das Letzte,was ich gesehen habe, ist mit Herrn Poggenburg.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Aschermitt-woch, Herr Dittes!)

Ich will nur mal darauf hinweisen, dass der AfD-Schatzmeister in Niedersachsen mit Blick auf diemiserable Kassenlage des AfD-Landesverbandssüffisant bemerkt hat, das Loch sei wohl durch dieexorbitanten Mehrkosten für Alkohol und Verpfle-gung entstanden.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Also Sie diskutieren hier auch noch bigott und dasist das, was sich durch Ihre gesamte Politik durch-zieht.

Der Abgeordnete Fiedler hat darauf hingewiesen,das aktuelle Ordnungsbehördengesetz kennt in§ 27a bereits Instrumente, um ein Alkoholverbotzum Schutz von Kindern und Jugendlichen durch-zusetzen, und das im Übrigen ja nicht nur an Ein-richtungen, die nach ihrer Art von Kindern und Ju-gendlichen genutzt werden, sondern die praktischauch tatsächlich von Kindern und Jugendlichen ge-nutzt werden. Das heißt, hier hat die kommunaleOrdnungsbehörde sehr weitreichende Prüfungsbe-fugnisse, im Prinzip auch Haltestellen, Bahnhöfemit zu prüfen, ob hier Maßnahmen des Kinder- undJugendschutzes notwendig sind.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Überwiegend!Das unterschlagen Sie!)

Ich komme darauf zurück. Bleiben Sie doch ganzruhig und hören Sie zu! Da können Sie – das sagenIhnen andere von dieser Stelle aus auch immerwieder – noch einiges lernen.

Dann sagen Sie aber zweitens, es ist eine Gefah-rensituation in Thüringen eingetreten, Straftatenwerden unter dem Einfluss von Alkohol begangen,es finden Pöbeleien statt, es wird in die Rechte vonBetroffenen im öffentlichen Raum eingegriffen. Siestreichen dann mit Ihrem Antrag in § 27a Abs. 2 ge-nau diese gefahrenabwehrende Befugnis für dieOrdnungsbehörden, weil Sie sagen, die reicht nichtaus, sondern sie brauchen im Prinzip auch ohne ei-ne tatsächliche Gefahr für die öffentliche Sicherheiteine Befugnis, um Alkohol im öffentlichen Raum zuverbieten. Jetzt überlegen Sie mal, welchen logi-schen Widerspruch Sie mit dieser Argumentationtatsächlich aufrollen. Entweder es bestehen die Ge-fahren, die Sie in Ihrer Antragsbegründung, in IhrerEinbringungsrede hier dargestellt haben, dann ha-ben wir tatsächlich für diesen Bereich eine ausrei-chende gesetzliche Voraussetzung, um Alkoholver-bote durchzusetzen, nämlich die gefahrenabweh-renden Befugnisse in § 27a Abs. 2. Oder aber Siesagen, die gefahrenabwehrenden Befugnisse rei-chen nicht aus, weil wir eigentlich gar keine konkre-te Gefahr haben. Dann aber stimmt Ihre Begrün-dung und die Zuschreibung nicht, dass die Men-schen permanent praktisch Gefahr laufen, Opfervon Straftaten infolge von Alkoholkonsum zu wer-den. Sie müssen sich schon entscheiden, wollenSie Ihre politische Ideologie hier tatsächlich vortra-gen und begründen, oder wollen Sie auf eine Rege-lungslücke hinweisen, die eigentlich gar nichtbesteht.

Was ich daran ein Stück weit offenbarend finde fürdie Politik der AfD, ist, dass Sie sich hier tatsächlichzu einer Verbotspartei entwickeln. Sie wollen dasKonsumverhalten von Menschen im öffentlichenRaum begrenzen und einschränken. Wir haben hierschon andere Gesetzentwürfe gehabt. Ich will dieAbgeordneten nur mal daran erinnern. Die AfDwollte im Prinzip schon verbieten, dass sich dieLeute nach ihren Wünschen kleiden und mit Klei-dung versehen. Sie wollten schon die falsche Spra-che in diesem Landtag gesetzlich verbieten. Siewollten auch schon den Aufenthalt von Menschen,die nicht hier geboren sind, verbieten. Sie sind imPrinzip eine Partei, die permanent in die Rechtevon Menschen durch versuchte gesetzliche Verboteeingreift.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Das tun Sie dann auch noch unter Missachtung je-der verfassungsrechtlichen Rechtsprechung. Denndas Urteil vom 21. Juni 2012, auf das Sie mit IhremAntrag Bezug nehmen, hat hier nicht nur zur Sat-zung in Erfurt geurteilt, sondern hat in drei Leitsät-

9756 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Dittes)

Page 73: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

zen auch dem Gesetzgeber Grenzen gesetzt. Ichwill mal auf zwei eingehen; Herr Fiedler hat dasauch genannt. „Ein bloßes ‚subjektives Unsicher-heitsgefühl‘ kann für sich besehen nicht Schutzgutder öffentlichen Sicherheit sein.“ Das ist natürlichein Leitsatz, der nicht nur für die Stadt Erfurt und fürderen ordnungsrechtliche Satzung gilt, sondernauch für den Gesetzgeber.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ganz genau!)

Das OVG führt darüber hinaus weiter aus: Der Ge-setzgeber unterliegt hinsichtlich seiner Kompetenz,eine Rechtsgrundlage für die Aussprache von Alko-holverboten im öffentlichen Raum zu schaffen, denSchranken der verfassungsmäßigen Ordnung. –Diese Schranken haben Sie hier verletzt.

Dann will ich noch einen Punkt aus dem Urteil desOberverwaltungsgerichts benennen, wo exempla-risch wird, welches schändliche Spiel Sie hier trei-ben, gerade auch in Bezug auf die gewollte sozialeSpaltung in diesem Land. Das Oberverwaltungsge-richt Weimar verweist nämlich in seiner Begrün-dung in dem genannten Urteil darauf, dass das vor-getragene „[...] Argument kaum die Differenzierungzwischen dem grundsätzlichen Alkoholverbot imräumlichen Geltungsbereich der Regelung einer-seits und der Ausnahme ‚innerhalb zugelassenerFreischankflächen‘ andererseits [...]“ rechtfertigenkönne. Das ist doch etwas, womit man sich hierauseinandersetzen muss, womit man sich auch imGesetzesvorschlag auseinandersetzen muss, wenner denn tatsächlich die Rechtsprechung des Ober-verwaltungsgerichts ernsthaft zur Kenntnis nehmenwill. Nach dieser Rechtsprechung nämlich ist IhrGesetzesvorschlag allein schon unzulässig.

(Beifall DIE LINKE)

Aber nun wollen Sie mit Ihrem Gesetzentwurf imPrinzip das gesamte Ordnungsbehördenrecht aus-weiten, nämlich vom Gefahrenabwehrrecht hin zumGefahrenvorsorgerecht entwickeln. Da wird es na-türlich gefährlich. Sie wollen es nicht nur für diesenBereich in dieser Weite ausdehnen, sondern – HerrFiedler ist auch darauf eingegangen – durch eineErweiterung in § 2 wollen Sie im Prinzip das ge-samte Ordnungsbehördenrecht öffnen für die Ge-fahrenvorsorge. Was Sie damit machen, ist, Befug-nisse, die im Ordnungsbehördenrecht der Gefah-renabwehr zugeschrieben worden sind, zu Befug-nissen im Bereich der Gefahrenvorsorge zu ma-chen. Da widersprechen Sie tatsächlich auch wie-der verfassungsrechtlichen Grundsätzen und fühlensich eben nicht mehr an die verfassungsrechtlicheOrdnung gebunden. Ich will auf den Verwaltungs-gerichtshof in Mannheim verweisen, der im Jahr2012 genau zu diesem Spannungsfeld urteilte. Ichwill hier nicht alles vorlesen, wir können sicherlichalle im Haus das noch mal nachlesen, aber viel-leicht auf den einen entscheidenden Satz eingehen:In der Regel ist zwar die verhältnismäßige Reaktion

auf einen Gefahrenverdacht ein Gefahrerfor-schungseingriff; die auf Gefahrenabwehr gerichteteMaßnahme ist meist noch unverhältnismäßig unddamit rechtswidrig. – Aber das ist genau das Anlie-gen dieses Gesetzentwurfs. Sie wollen eine Befug-nis zur Gefahrenabwehr zu einer Befugnis der Ge-fahrerforschung, der Gefahrvorsorge machen. Daurteilen höchste Gerichte in diesem Land, dass einsolches Vorgehen dem Gesetzgeber nicht offen-steht, weil es rechtswidrig ist.

Deswegen fasse ich noch mal zusammen: Die AfDbringt einen Gesetzentwurf in den Landtag ein, derzum Ausgangspunkt und zum alleinigen Motiv ihreAblehnung von Flüchtlingen in diesem Land hat.Sie unterbreitet einen Verbotsvorschlag, der nichtwirksam dem Alkoholmissbrauch begegnet undauch nicht wirksam den damit verbundenen Gefah-ren entgegentritt, sondern der sozial spaltet, Men-schengruppen ausgrenzt und kriminalisiert. Die AfDwill mit ihrem Gesetzentwurf sogar eine wirksameRegelung zur Gefahrenabwehr aus dem Ordnungs-behördengesetz streichen. Sie wollen rechtswidrigund verfassungswidrig ein Instrument der Gefah-renvorsorge schaffen, das nicht zulässig ist. Des-wegen werden wir diesen Gesetzentwurf ablehnen.Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Vizepräsidentin Jung:

Für die Fraktion der SPD hat Abgeordneter Dr. Har-tung das Wort.

Abgeordneter Dr. Hartung, SPD:

Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren,liebe Besucher, Kollege Dittes hat vieles schon ge-sagt. Wieder finden wir uns hier zusammen, umeinen sinnfreien Law-and-Order-Antrag der AfD zudiskutieren. Sinnfrei deswegen, weil die meistenRegelungen, die die AfD möchte, in einer rechts-staatskonformen Art und Weise bereits enthaltensind.

Wir haben jetzt schon die Möglichkeit, im Umkreisvon 200 Metern um Einrichtungen, die üblicherwei-se von Kindern frequentiert werden, ein Alkoholver-bot auszusprechen, übrigens auch um Einrich-tungen der Suchthilfe. Das ist ganz wichtig, dasswir im Prinzip nicht nur diese besonders schützens-werte Klientel der Kinder, sondern auch die Men-schen im Auge haben, die sich ihrer Sucht stellenund versuchen, dort einen Ausweg zu finden. Auchdas ist sehr bedeutsam. Diese Bannmeile von200 Metern auf 300 Meter auszuweiten, ist Kosme-tik. Da hat man einfach das Gesetz genommen undgesagt, wo können wir überall noch einen draufset-zen, machen wir aus 200 Metern eben 300 Meter.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9757

(Abg. Dittes)

Page 74: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Die Sinnhaftigkeit dieser Entfernung ist, glaube ich,schwierig nachzuweisen.

Der nächste Punkt: Ich weite das auf die Haltestel-len des ÖPNV aus. Das ist eigentlich an sich völli-ger Blödsinn, weil, indem ich sage, die Leute, dieihren Alkohol mitbringen, dürfen den dort nicht trin-ken, mache ich eine Unterscheidung – Herr Ditteshat es eben schon angesprochen –, die eigentlichperfide ist. Ich gehe davon aus, wenn ich die Leuteaus dem öffentlichen Raum verbanne, sind sie weg,ich sehe sie nicht mehr. Ich will denen den Alkoholnicht wegnehmen, ich will sie nur nicht sehen, wäh-rend sie ihn trinken. Ich habe aber kein Problem,den Leuten zuzugucken, die im Biergarten sitzenund den Alkohol trinken.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist genau der Punkt von Perfidie, der sagt,nein, ich will Menschen, die sich vielleicht den Bier-garten nicht leisten können, sich einfach irgendwoein Bier holen, nicht sehen, und die Menschen, diesituiert irgendwo sitzen und das Bier trinken, habeneinen Bestandsschutz. Das ist völlig widersinnig.Nehmen wir den Erfurter Anger, da gibt es eineÖPNV-Haltestelle und – wenn ich mich richtig erin-nere – einen Italiener, der im Sommer dort sicherwieder einen Freiausschank machen wird. Dannsoll das achtjährige oder neunjährige oder zehnjäh-rige Kind unterscheiden, ob der Obdachlose oderPassant, der ein Bier trinkt, besser oder schlechterist als derjenige, der sich da reinsetzt und das Biertrinkt. Das ist doch völliger Blödsinn.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

In Weimar gibt es solche Stellen auch, beispiels-weise den Goetheplatz als zentrale Haltestelle inWeimar, da ist 50 Meter weg der Kasseturm. Sollich den jetzt zumachen? Vis-à-vis ist im Prinzip derRussische Hof, wo ich durch eine Scheibe guckenkann, wie die Leute an der Bar sitzen und ihr Ge-tränk genießen. Und da soll jetzt das sieben- oderacht- oder neunjährige Kind unterscheiden: Was istder gute und was ist der schlechte Alkoholkonsum?Das ist doch Quark!

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Wer meint, wenn das Kind jetzt irgendwo jemandenAlkohol trinken sieht, dass das einen größeren Ein-fluss auf die Entwicklung dieses Kindes ausübt, alswenn es zum Beispiel sieht, wie sich der Vater je-den Abend eine Flasche Bier aufmacht oder einGlas Wein ausschenkt – das ist doch widersinnig.Alkoholkonsum ist Teil unserer Gesellschaft, dasfinde ich in diesem Maße nicht gut, dazu späternoch, aber es zu verbieten, ist doch widersinnig. Esist ein Teil einer kulturellen Entwicklung. Wenn ichmeine Arbeit darauf konzentriere, dass ich die Leu-

te nur nicht mehr sehe und sie woanders trinkenlasse, dann habe ich gar nichts erreicht.

Das Nächste, was Sie – Herr Dittes hat das sehrausführlich dargestellt – einführen wollen, ist einohne Anlass zu erteilendes Alkoholverbot auf öf-fentlichen Plätzen. Entschuldigen Sie, das ist einschönes Musterbeispiel der unterschiedlichenSichtweise auf die Gesellschaft. Ich glaube – undich denke, die Mehrheit hier im Haus sieht das ge-nauso –, Freiheitsrechte darf man nur unter sehr,sehr großen Schwierigkeiten und Bedingungen ein-schränken. Das heißt, ich muss einen Anhaltspunktdafür haben, dass das Ausüben dieses Freiheits-rechts regelhaft zu Problemen, zu Verbrechen, zuOrdnungswidrigkeiten usw. führt. Ich darf das Frei-heitsrecht eben nicht präventiv einschränken. Dasunterscheidet eine freiheitliche Gesellschaft von ei-ner – ja, sagen wir mal – totalitären Gesellschaft,indem ich jede Möglichkeit einschränke, dass eseventuell zu so einer solchen Situation kommt.

Der nächste Schritt ist im Prinzip das Verbannenvon missliebigen Kleidungsstücken – Herr Ditteshat das schon angesprochen –, von Rauchern ausFreiflächen usw. usf. und am Ende …

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wer hat denndas Rauchverbot erlassen? Also sorry, HerrHartung!)

Lesen Sie im Protokoll mal nach, was ich dazu ge-sagt habe, bevor Sie hier reden, und dann werdenSie hören – viele waren hier schon da –, dass ichdiese Meinung, die ich jetzt vertrete, auch damalsschon vertreten habe. Die Finanzministerin lächelt,der eine oder andere hier wird sich möglicherweiseerinnern. Insofern habe ich mir überhaupt nichtsvorwerfen zu lassen. Am Ende bleibt es dabei. Wirwollen, dass man anlassbezogen ein Verbot aus-sprechen kann, das haben wir damals gesetzlichgeregelt. Herr Fiedler hat darauf hingewiesen. Wirwollen auch, dass es nach fünf Jahren evaluiertwird, ob es nämlich den Erfolg gebracht hat odernicht. Das wollen Sie auch nicht. Sie wollen präven-tiv solche Verbote einführen. Das ist mit unsererRechtsauffassung nicht vereinbar, denn es öffnetnicht dem Rechtsstaat, dem mit Augenmaß einge-schränkten Freiheitsrecht den Weg, sondern derstaatlichen Willkür. Das wollen wir nicht. Insofernlehnen wir Ihren Antrag ab.

Ich glaube außerdem – und jetzt darf ich vielleichtmal als Mediziner reden – nicht, dass Alkoholverbo-te irgendetwas an dem gesellschaftlichen Problemlösen. Das haben die Amerikaner in einem großenFeldversuch festgestellt. Die hatten ein totales Al-koholverbot und hatten am Ende mehr Problemeals vorher, weil zu der Frage des Alkoholkonsumsnoch die Kriminalität dazu kam. Soweit sind wir mitdem Antrag noch nicht. Sie wollen kein komplettesAlkoholverbot, Sie wollen sie nur nicht sehen, die

9758 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Dr. Hartung)

Page 75: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Leute, die Alkohol außerhalb von entsprechendenEinrichtungen konsumieren.

Viel besser wäre es doch, wenn wir Geld in dieHand nehmen, anstatt es in die Ordnungsbehördenund in einen Law-and-Order-Staat zu stecken, undden Menschen helfen, den Menschen Angebotemachen, indem wir aufklären, indem wir die Aus-stiegsangebote, die Entzugsangebote stärken. Da-von lese ich in Ihrem Antrag nichts.

Wovon ich aber etwas lese – und das ist wiederklassisch AfD –, ist Ihre rassistische Einleitung:

(Beifall DIE LINKE)

Es sind die vielen Flüchtlinge, die herkommen, diejetzt diese Situation mit Alkohol bei uns auslösen.Das ist ziemlicher Blödsinn. Ich glaube, wir habenAlkoholexzesse, solange Alkohol frei verkäuflich ist,immer gehabt. Wenn man mal ein bisschen in dieGeschichte zurückgeht: Sie werden bereits in der„Weimarischen Zeitung“ von 1810 Beschwerdenvon gut situierten Bürgern über Jugendliche finden,die an öffentlichen Plätzen wie vor dem damaligenTheater Alkohol konsumieren. Das ist im Prinzip soalt wie der Alkoholausschank insgesamt. Insofernhat das nichts mit Flüchtlingen zu tun.

Ich nehme aber zur Kenntnis, dass Sie ganz offen-sichtlich von diesen Flüchtlingen lernen. Denn ichglaube, den Einzigen, denen eine Gesellschaft, inder man in der Öffentlichkeit keinen Alkohol konsu-mieren kann, bekannt ist, sind die meisten dieserFlüchtlinge. Insofern wollen Sie wahrscheinlich,dass sie sich hier wohler fühlen. – Das war Ironie.Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Vizepräsidentin Jung:

Herr Abgeordneter Möller für die Fraktion der AfD.

Abgeordneter Möller, AfD:

Sehr geehrte Damen und Herren, liebe Gäste, nunhabe ich eine ganze Menge zu entgegnen. Denn dawurde ja wirklich wieder mal mit dem Holzhammernur so um sich gehauen. Vielleicht fange ich erstmal mit dem Kollegen Hartung an. Die Erinnerungist ja noch frisch. Was ich jetzt erst mal festhalte,ist, dass es für Sie sinnfrei ist und – ich glaube, Siehaben auch gesagt – grundrechtswidrig und verfas-sungswidrig,

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: So ha-be ich es nicht gesagt! Bitte zitieren Sie kor-rekt, Herr Möller!)

wenn man Belange des Kinder- und Jugendschut-zes und Belange des Schutzes der körperlichenUnversehrtheit – übrigens auch ein Grundrecht derBürger, körperliche Unversehrtheit vor Kriminalität

–, wenn man diese Grundrechte – und genau da-rum geht es in unserem Gesetzentwurf – höherwertet als das jederzeitige mögliche Recht, sichüberall zu besaufen. Das ist nämlich der Grundte-nor Ihrer Verteidigungsrede für das öffentliche Be-säufnis, an jedem Ort. Das gilt auch für die weiterenVorredner.

(Beifall AfD)

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das ist ein Armutszeugnis, meine Damen und Her-ren, weil der Gesundheitsschutz von Kindern undJugendlichen und der Schutz der Bevölkerung vorden Gefahren von Kriminalität, auch vor alkoholin-duzierter Kriminalität, der Schutz der körperlichenUnversehrtheit selbstverständlich höherrangig ist,als sich jederzeit überall zu besaufen. Das sollte ei-gentlich in einer aufgeklärten Gesellschaft CommonSense sein, aber offensichtlich ist es das nicht.

Dann muss ich auch ganz ehrlich sagen, Herr Har-tung, Sie sprechen davon, Sie wollten Ihre altenGesetze evaluieren. Wann denn? Ist doch längstfünf Jahre her, die Geschichte, die Sie da erlassenhaben. Hat es irgendetwas bewirkt? Ich habe mal indie Satzung der Stadt Erfurt geschaut. Da stehtheute noch kursiv ein Alkoholverbot drin. WissenSie, warum es kursiv steht? Weil es nach wie vornicht wirksam in Kraft treten konnte, weil man näm-lich die Bedingungen, um es an bestimmten Ortenin Kraft zu setzen, obwohl der Bedarf in Erfurt ohneWeiteres da ist, nicht erfüllen kann. Und warumkann man sie nicht erfüllen? Weil die Statistikenentsprechend schlecht geführt sind, weil die Polizeinicht mit der Ermittlung hinterherkommt. Wenn siees tut, kommt es nicht zu einer Verurteilung. Dannfällt es ihnen als Stadt unglaublich schwer, nachzu-weisen, dass es genügend Straftaten gegeben hat,die mit Alkohol in Verbindung stehen.

(Beifall AfD)

All das wissen Sie und trotzdem ist Ihnen dasRecht auf öffentliches Besäufnis wichtiger als derSchutz von Kindern, Jugendlichen und der Allge-meinheit vor Gefahren der Ordnung und Sicherheit.

Nun zu Herrn Kollegen Dittes: Also da muss icherst mal ganz vorn anfangen. Sie beschäftigen sichja mit dem Thema „Ängste schüren“. Da muss ichIhnen eins sagen: Ängste schüren nicht die, die aufMissstände hinweisen. Ängste schüren die, die bei-spielsweise Hunderttausende junge Männer insLand gelassen haben, die dann im Anschluss ver-sucht haben, jeden Hinweis zu kriminalisieren undzu diffamieren, dass von diesen Menschen doch ineinem erheblich höheren Umfang als von der ange-stammten Bevölkerung, Kriminalität ausgeht. Da-durch schüren Sie Ängste. Denn die Angst kommtnicht dadurch zustande, dass wir irgendwas be-haupten. Die Angst kommt dadurch zustande, dasswir anhand von Tatsachen

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9759

(Abg. Dr. Hartung)

Page 76: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Doch,die kommt durch Ihre Lügen!)

den Menschen erklären, warum die Kriminalstatistikmittlerweile bei ganz bestimmten Delikten ansteigt,warum es Messerstechereien gibt. Es war neulichdie „Bild“-Schlagzeile in der Zeitung, dass die unge-fähr um das Dreihundertfache angestiegen sind. Ichmeine, woher kommt das denn? Das sind doch Tat-sachen. Wenn man Tatsachen benennt, schürt mandoch keine Ängste,

(Beifall AfD)

da nennt man erst mal nur Tatsachen. Die Tatsa-chen gefallen Ihnen nicht, weil sie mit Ihrer Politikzusammenhängen, Herr Dittes, das ist mir schonklar. Aber das können Sie nicht einfach so diffamie-ren. Damit kommen Sie auch nicht weiter, außervielleicht bei Ihren Anhängern. Damit werden Sie si-cherlich niemanden überzeugen können.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Also mich hat es überzeugt!)

Dazu: Das Alkoholverbot wäre rassistisch; da mussich dann doch noch mal auf den Kollegen Hartungzurückkommen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: LesenSie doch mal Ihre Gesetzeseinleitung!)

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: In der Einführung nachles-bar!)

Also nehmen Sie es mir nicht übel. Das Alkoholver-bot, so wie wir es vorsehen, das unterscheidet nichtzwischen Rassen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Siebegehen Straftaten mit jedem Wort hier!)

Das unterscheidet einfach nur, ob Straftaten mit ei-nem gewissen Alkoholbezug oder eben Störungender Ordnung und Sicherheit mit Alkoholbezug statt-gefunden haben oder nicht. Wer sie begeht, ist völ-lig egal. Da ist nicht ein Körnchen Rassismus da-bei, nehmen Sie es mir nicht übel. Die Einleitungunseres Gesetzesentwurfs, dass es zu einer Erhö-hung von Straftaten gekommen ist, im Zuge derAsylkrise: Entschuldigung, dann lesen Sie doch ein-fach die polizeiliche Kriminalstatistik, wenn Sie mirnicht glauben. Da steht es doch genau so drin.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Stehtes nicht!)

Da können Sie es genau so nachlesen, und zwarbei allen Delikten.

(Beifall AfD)

Rechnen Sie sich einfach mal aus, wie hoch derAnteil der Tatverdächtigen beispielsweise bei sexu-eller Nötigung oder bei Diebstahl oder bei Körper-verletzung oder sonstigen Gewaltdelikten bei Aus-

ländern, vor allem bei Flüchtlingen, und wie er beider autochthonen Bevölkerung ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Unter Alkohol!)

Dann werden Sie es ganz schnell mitkriegen, dassdas schlicht und ergreifend ein Fakt ist, an dem Sieeben nicht vorbeikommen.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Den darf man selbstverständlich auch in eine Ein-leitung eines Gesetzentwurfs schreiben.

(Beifall AfD)

Das macht den Gesetzentwurf keineswegs rassis-tisch.

(Unruhe DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Dann hilft es Ihnen auch überhaupt nicht weiter,sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn Sieversuchen, unseren Gesetzentwurf zu überzeich-nen. Hier ist nicht von einem Alkoholverbot die Re-de. Natürlich kämen wir nie auf die Idee, Alkohol zuverbieten, erstens, weil dann die meisten Kollegenhier im Landtag

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Niemand hat die Absicht!)

und besonders laute Kollegen im Landtag ein mas-sives Problem hätten, wenn wir den Alkohol verbie-ten – das zum einen – und zum Zweiten, weil esnatürlich eine Reaktion im Übermaß wäre. Das istauch gar nicht notwendig. Deswegen sagen wir,nach diesem Gesetzentwurf besteht diese Möglich-keit für die Gemeinden, die können es einschätzen.Nicht die AfD-Fraktion, die böse rechtspopulisti-sche, entscheidet, wo es ein Alkoholverbot gibt,sondern die Gemeinden tun es. Also ich versteheIhr Problem überhaupt nicht. Wenn die Gemeindesagt, ich habe da kein Problem, wird sie kein Alko-holverbot erlassen.

Zu Herrn Fiedler: Herr Fiedler, Sie haben gesagt,Gefahrenvorsorge braucht eine abstrakte Gefahr.Dazu muss ich Ihnen sagen, da haben Sie einfachdas Urteil des Oberverwaltungsgerichts nicht gele-sen. Denn das Oberverwaltungsgericht hat fest-gestellt, dass das große Manko der ordnungsbe-hördlichen Regelung zum Zeitpunkt des Urteils undauch jetzt noch ist – denn an dem Fakt hat sichnichts geändert –, dass sie allein Maßnahmen zurGefahrenabwehr zulässt. Genau das ist ja das Pro-blem. Wenn Sie erst für die Gefahrenabwehr zu-mindest eine abstrakte Gefahr benötigen, dannmüssen Sie erst mal in Kauf nehmen, dass es nachdieser Regelung, die bisher im Gesetz steht, dasses eine gewisse Anzahl an Verstößen, an Strafta-ten gegeben hat, die alkoholbedingt sind. Dasheißt, es muss erst mal Täter geben, es muss erstmal Opfer geben. Das kann doch nicht der An-

9760 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 77: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

spruch eines Rechtsstaats sein. Der Anspruch ei-nes Rechtsstaats kann doch nicht sein, dass icherst mal eine gewisse Anzahl an Straftaten über dieBevölkerung ergehen lasse, bevor ich dann irgend-wann mal tätig werde. Und es wird ja keiner tätig.Erfurt wird seit Jahren nicht tätig.

(Beifall AfD)

Erfurt hat den Anger, das ist ein „gefährlicher Ort“.Es geschieht dort nichts – Entschuldigung. Warumgeschieht dort nichts? Weil die Anknüpfungstatsa-chen, die bewiesen werden müssen, viel zu kompli-ziert sind, weil man diese Voraussetzungen schlichtnicht erfüllen kann.

Dann gehe ich auf Ihr zweites Argument ein, HerrFiedler. Sie sagen, das wäre ja auch alles gar nichtzu realisieren, weil es fehlt ja die Polizei.

(Unruhe DIE LINKE)

Da haben Sie sogar recht. Es fehlt die Polizei. Aberdie Polizei oder auch die Ordnungsbehörden, de-nen fällt es viel einfacher, jemanden mit einer Fla-sche Bier festzustellen, wo er nicht sein darf, unddem einen Platzverweis zu erteilen, als beispiels-weise Straftaten zu verhindern, weil man dannnämlich permanent überwachen müsste. Dannbräuchte man Videoüberwachung, wogegen auchdie Hälfte des Hauses ist. Man bräuchte viel mehrPolizisten, wo die Bereitschaft zur Finanzierung hierim Haus nicht vorhanden ist, man bräuchte vielmehr Geld für die Kommunen, um entsprechendeOrdnungsbehörden auf die Beine zu stellen, woauch der politische Wille hier im Haus nicht vorhan-den ist.

(Beifall AfD)

Daran krankt doch überhaupt diese Gesellschaft.Sie wissen ganz genau, welche Prämissen Sie set-zen müssten, um so ein Alkoholverbot zu verhin-dern. Aber Sie haben nicht den politischen Willen,um diese Prämissen vorher dann auch politisch indie Tat umzusetzen. Deswegen bleibt uns nach die-sen Haushaltsverhandlungen – so wie sie abge-schlossen worden sind – natürlich nur die Möglich-keit, mit den vorhandenen Mitteln umzugehen.Dann ist es nun mal für eine Ordnungsbehörde ein-facher, sie setzt inhaltlich neue Prämissen, sie kon-zentriert sich nicht mehr so sehr auf die Verfolgungvon Blitzern und von Parkverstößen, sondern siekonzentriert sich zum Beispiel auf die Durchsetzungvon ordnungsbehördlichen Satzungen, wie zumBeispiel auch räumlichen Alkoholverboten im Be-reich „gefährlicher Orte“ wie zum Beispiel dem An-ger. Also das wäre durchaus eine realistische Mög-lichkeit und ist vor allem einfacher, als Straftaten,sage ich mal, aufzuklären oder dann überhaupt malrechtzeitig wahrzunehmen, damit man da noch ein-schreiten kann.

Natürlich haben Sie recht, ich verlagere damit nurein Problem. Aber selbst das ist ein legitimes Zielordnungsbehördlichen Handelns. Wenn ich aus ei-ner besonders sensiblen Zone, Fußgängerzonezum Beispiel, wo besonders viele Menschen vonbestimmtem kriminellen oder ordnungsbehördlichproblematischem Verhalten betroffen sind, dann istes doch legitim, wenn ich diese Vorfälle aus diesemBereich herausdränge in Bereiche, wo das ebennicht so eine Rolle spielt. Wenn ich zum Beispiel Al-koholkonsum bei einem Kinderspielplatz oder ei-nem „gefährlichen Ort“, der viel frequentiert wird,verhindere und den beispielsweise zur nächstenTankstelle verlagere, dann ist das auf jeden Fallauch ordnungsbehördlich eine akzeptable Rich-tungsentscheidung in der Gemeinde. Wie gesagt,nicht wir treffen die Entscheidung, es treffen am En-de immer noch die Gemeinden die Entscheidung,wie groß die ordnungsbehördliche Alkoholverbots-zone ist.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Genau!)

Ganz zum Schluss noch mal zum Kollegen Dittes:Er hat gesagt, die Gerichte würden es überhauptnicht zulassen, dass man die Gefahrenvorsorge be-reits als Schwelle des ordnungsbehördlichen Han-delns für zulässig erklärt. Das ist offensichtlichfalsch, denn gerade der Verwaltungsgerichtshof inWeimar hat das explizit festgestellt, dass das Pro-blem beim OBG, beim Thüringer OBG, nach wievor – damals und heute immer noch – ist, dass kei-ne Eingriffsschwelle zur Gefahrenvorsorge vorge-sehen ist. Logischerweise, wenn das Gericht dasso anmerkt, dann braucht es nur eine entsprechen-de Änderung und dann können sie natürlich auchzur Gefahrenvorsorge tätig werden, was Sie ja nichtmachen im Bereich der Gefahrenvorsorge, dassSie irgendwelche konkreten Maßnahmen gegen be-stimmte Leute ergreifen, sondern Sie versuchen,mit einem Alkoholverbot eine abstrakt-generelleRegelung zu schaffen für alle Leute, für alle Men-schen, die sich in der Zone aufhalten, um die es dageht, und dadurch, sage ich mal, Gefahrenpotenzialzu unterbinden. Es ist doch geradezu eine absurdeVorstellung, dass die Unterbindung von Gefahren,also vor dem Entstehen, für die öffentliche Sicher-heit und Ordnung verfassungswidrig sein soll. Nunsagen Sie mal: In was für einem Land leben wirdenn, wenn die Unterbindung von Gefahren für dieOrdnung und Sicherheit verfassungswidrig seinsoll?

(Beifall AfD)

Also nehmen Sie es mir nicht übel, das ist wirklicheine sehr, sehr absurde Vorstellung und sie zeigtauch ganz klar, dass Sie ein generelles Problemmit Eingriffsbefugnissen für Ordnungsbehörden undPolizeien haben. Das mag in Ihrer Biografie veran-kert sein, da will ich jetzt gar nicht tiefer gehen,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9761

(Abg. Möller)

Page 78: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

aber es erklärt, warum Sie da so eine sehr, sehr re-striktive Meinung vertreten. Vielen Dank.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächster hat AbgeordneterAdams für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen dasWort.

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren, liebe Gäste hier im ThüringerLandtag, liebe Thüringerinnen und Thüringer, einekleine Vorbemerkung kann ich mir natürlich nichtverkneifen. Mehrfach ist schon die Einleitung derAfD zu diesem Alkoholverbotsgesetz zitiert worden,in der sie im ersten Satz darauf hinweist, dass esdurch eine – wie Sie, glaube ich, geschrieben ha-ben – massenhaft illegale Einwanderung zu Proble-men gekommen ist. In dem Zusammenhang mitmassenhafter Einwanderung, wie Sie es immernennen, haben Sie oft auch schon vor der Islami-sierung unserer Gesellschaft gewarnt. Wenn manjetzt beides zusammennimmt und ganz kurz nach-denkt, dann müsste Ihnen auffallen, dass das ei-gentlich eher etwas ist, was Ihnen hier zur Hilfekommen würde, weil gerade Menschen muslimi-schen Glaubens natürlich dem Alkohol aus theolo-gischer Begründetheit eben gar nicht, nicht in derÖffentlichkeit und auch nicht im Privaten, zuspre-chen. Insofern würde das im Prinzip Ihren Reg-lungsbedürfnissen zuwiderlaufen und natürlichauch das Problem minimieren, das Sie mit Ihremharten Gesetz hier voranbringen wollen.

Präsident Carius:

Verzeihung, Herr Abgeordneter Möller hat eine Fra-ge und Sie, Herr Adams, lassen sie offensichtlichzu?

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Klar doch.

Präsident Carius:

Bitte.

Abgeordneter Möller, AfD:

Vielen Dank, Herr Kollege Adams. Was mich inte-ressieren würde: Ist Ihnen denn bekannt, dass dasAlkoholverbot für Muslime im Koran sogar relativhäufig von Muslimen verletzt wird, dass sich alsoauch Muslime nicht immer hundertprozentig an denWortlaut des Korans halten?

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Duhältst dich auch nicht ans Grundgesetz!)

Abgeordneter Adams, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Da haben Sie vollkommen recht. Mir sind sogar Ka-tholiken bekannt, die

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: … die Fastenzeit nicht einhal-ten!)

die Fastenzeit nicht ordnungsgemäß halten und

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Außerehelicher Sex bei Katholiken!)

auch im Oktober Rosenkranzandachten eben nichtin der gebotenen Form halten. Das soll es geben.Aber die klare Aussage, dass es bei Menschenmuslimischen Glaubens eine gewisse Sperre gibt,zum Alkohol zu greifen, das werden selbst Sie nichtverneinen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich kannes aber ganz kurz machen: Diesen Gesetzentwurfwerde ich ablehnen und ich werde ihn auch nichtan einen Ausschuss überweisen.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Damit spreche ich für die gesamte Fraktion vonBündnis 90/Die Grünen.

Wir haben im Verlauf der Debatte hier schon vielegute juristische Darlegungen dazu gehört, warumdieses Gesetz nicht nötig ist und warum dieses Ge-setz auch das Kind mit dem Bade ausschüttet, esalso überflüssig ist. Ich will versuchen, das nochmal mit ganz einfachen Gedanken zu unterstrei-chen. Die erste Frage ist und bleibt – und das hat jadie Debatte auch gezeigt –: Was wollen Sie dennverbieten? Ich frage Sie wirklich: Wollen Sie demLiebespaar, das den Sonnenuntergang genießendin einem Thüringer Park auf einer Bank sitzt undein Piccolöchen trinkt, das verbieten? Ich glaube,wohl nein. Aber was ist, wenn dieses gleiche Lie-bespaar knutschend dann doch ein wenig mehraufeinanderliegt? Dann wollen Sie es wieder ver-bieten, weil es nämlich eine alkoholbedingte Stö-rung der öffentlichen Ordnung ist. Das ist doch ab-surd.

Sie wollen – das haben Sie hier gesagt – ja offen-sichtlich nicht das Biertrinken in Biergärten und inFreisitzen verbieten. Auch dort changiert Alkoholge-nuss vom Genießen alkoholischer Getränke als ge-schmackliches Erlebnis bis hin zum kräftigen Be-chern. Das ist doch – egal, ob es im öffentlichenRaum oder in der Gaststätte stattfindet – immer einfließender Wechsel. Und Sie wollen sich hinstellenund irgendwann sagen, hier ist genug und da dür-fen wir es nicht? Sie wollen im Biergarten das Trin-ken erlauben und es den Menschen auf der Mauer

9762 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 79: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

nebenan mit der Flasche Bier in der Hand verbie-ten.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ganz genau!)

Wie fies. Das ist doch einfach nur fies, wenn manso was macht, meine sehr verehrten Damen undHerren.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Einfach nur fies. Das wollen wir auf keinen Fall ma-chen.

(Unruhe AfD)

Sie sind damit verdammt nah an einer Sittenpolizei.Das ist, glaube ich, auch der tiefere Gedanke, denSie bei diesem Gesetz haben. Sie sagen ja immerwieder, das machen ja dann nicht wir, das machenwir ja nicht im Landtag, das macht ja die Ordnungs-behörde. Da machen Sie sich die Hände nichtschmutzig. Da machen sich die Damen und Herrender AfD-Fraktion die Hände nicht schmutzig.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, demPunker die Pulle Bier verbieten wollen, aber selbstbeim Picknicken Prosecco trinken. Das ist Ihre Poli-tik und das machen wir nicht mit, meine sehr ver-ehrten Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Das Einzige, was gegen Alkoholmissbrauch – unddarüber sind wir uns sicherlich einig – wirklich hilft,ist erstens eine Zukunftsperspektive für Menschen.Für denjenigen, für den es am Morgen immer wie-der weitergeht mit neuen interessanten Aufgaben,mit Herausforderungen, ist klar, wo es am Abendmit dem Alkohol aufhören muss. Aber für denjeni-gen, auf den am Morgen nichts wartet und amnächsten Morgen auch keine Aufgabe wartet, der inder Gesellschaft das Gefühl bekommt, nicht ge-braucht zu werden, für den liegt der Alkoholkonsumdann auch bis hin zum Missbrauch natürlich näher.Da müssen wir ran, Zukunftsperspektiven für alleMenschen, die bei uns leben.

Dann kommt noch Prävention und Aufklärung dazu.Weil die AfD immer so sagt, Aufklärung und Prä-vention, was bringt das schon, mal eine wunderba-re Zahl der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf-klärung. Und zwar haben die eine Studie gemachtzu Prävention und Aufklärung zum Thema „Alko-hol“: Von 2001 bis 2016 ist der Anteil von männli-chen Jugendlichen zwischen 12 und 17 Jahren, dienoch nie Alkohol getrunken haben, von 10 Prozentauf 35 Prozent gestiegen. Das, meine sehr verehr-ten Damen und Herren, ist ein Präventions- undAufklärungserfolg von erheblichem Maße. Das istder richtige Weg, um Alkoholmissbrauch zu verhin-dern, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Deshalb ist es natürlich immer richtig, dass es auchim Thüringer Landtag eine lange Debatte um Alko-holverbote gibt. Die CDU-Fraktion hat das immergefordert auch in unterschiedlicher Form, es hatauch ein Staatssekretär hier im Haus in einer frühe-ren Verwendung das in Erfurt energisch betrieben.Das Ergebnis war dann die Öffnungsklausel imOrdnungsbehördengesetz, so wie sie jetzt besteht,die ein solches Alkoholverbot für bestimmte Plätze,für das Umfeld von Kindergärten und Kinderspiel-plätzen ermöglicht.

Das ist, meine sehr verehrten Damen und Herren,eine lange Debatte, die wir geführt haben. Und da-ran will ich auch gar nichts kritisieren. Ich kritisiereIhre Verschärfung, meine sehr verehrten Damenund Herren. Deshalb ist die Position von Bündnis90/Die Grünen sehr klar: In Thüringen muss es er-laubt sein, zur Bratwurst auch ein Bier zu trinken,auch im öffentlichen Raum. In Thüringen muss eserlaubt sein, zum Boule auch ein Pastis zu trinken,wenn man es auch im öffentlichen Raum spielt, undes muss auch möglich sein, beim Picknick ein GlasWein zu trinken, wenn es im öffentlichen Raum ist.Ihrer kleinkarierten Spießigkeit, die sich in diesemGesetz manifestiert, erteilen wir eine Absage. Vie-len Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Der Abgeordnete Hartung hat nochmal um das Wort gebeten.

Abgeordneter Dr. Hartung, SPD:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren!Herr Möller, ich erspare mir jetzt, diese ganzenFalschzitate, die Sie mir untergeschoben haben,hier alle richtigzustellen. Das wäre nur ermüdend.Das machen wir dann vielleicht mal, wenn die Pro-tokolle vorliegen, dass man das einfach mal neben-einander stellt. Aber, was soll es.

(Unruhe AfD)

Ich verwahre mich aber dagegen, dass ich gesagthaben soll, der Schutz des Kindeswohls wäre ver-fassungswidrig. Das habe ich nicht gesagt. Ich ha-be gesagt, ich halte es für schwierig mit der Verfas-sung vereinbar bzw. in diesem Sinne, dass man oh-ne einen Anlass Freiheitsrechte einschränkt. Dashabe ich gesagt.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Es gibt docheinen Anlass!)

Nein, da müssen Sie erst einmal den Zusammen-hang herstellen. Zu sagen, wenn jemand keinen Al-kohol im öffentlichen Raum trinken darf, dann istdas Kinderschutz, das ist schon ziemlich weit her-geholt. Das werden Sie mir mal genauer erklären

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9763

(Abg. Adams)

Page 80: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

müssen. Deswegen bleiben Sie mal bitte bei derWahrheit. Wenn Sie behaupten, ich hätte hier ge-sagt, Kinderschutz wäre verfassungswidrig, ist daseine Lüge und Sie wären ein Lügner. Das habe ichnicht gesagt.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Zweitens finde ich es schon ziemlich heftig, wennSie sagen, Sie wollen nicht Alkoholkonzentration imBlut ab einem gewissen Promillegradbereich ver-bieten, sondern Sie wollen den generellen Genussvon Alkohol an bestimmten Orten verbieten bzw.prophylaktisch verbieten lassen. Da sagen Sie: Dashemmungslose Besäufnis darf nicht geschützt sein.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Was?)

Entschuldigung, wenn sich jemand einen Piccolomit jemandem teilt, ist das noch kein Besäufnis,denn dann trinkt man ein Glas Sekt. Oder wennman zur Bratwurst ein Bier trinkt. Beides wird beimir nicht passieren,

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Bei mir auch nicht!)

aber wenn, wäre das noch lange kein Besäufnis.Ich verstehe nicht, was Herr Möller für ein Konsum-verhalten hat. Es ist aber sehr tiefgründig, wenn je-der Griff zu einem Glas Alkohol gleich in ein Be-säufnis ausartet. Aber genau diese sprachliche Un-sauberkeit gemeinsam mit dieser sittenpolizeilichenAttitüde ist es, die da einfach immer sehr deutlichherauskommt.

Ich möchte noch was sagen. Sie sagen immer, dieAusländer sind gekommen und jetzt gibt es so vielKriminalität usw. Wissen Sie, ich bin seit 20 Jahrenregelmäßig bei der Polizei, mache Blutentnahmen,gucke mir Opfer von Gewalttaten an. Ich sage Ih-nen ganz ehrlich, ich habe in den 20 Jahren vondamals bis heute noch nie so viele Opfer von Ge-walttaten mit Migrationshintergrund gesehen wiejetzt. Oft war Alkohol im Spiel, das ist richtig, aberdie Täter sind fast immer Deutsche. Ich habe in die-ser gesamten Zeit noch nicht ein einziges Maleinen Gewalttäter gehabt, dem ich Blut abnehmensollte, der ein Ausländer war, nicht ein einziges Malin 20 Jahren.

(Beifall DIE LINKE)

Wenn Sie hier also erzählen – und ich habe mehre-re Tausend solcher Blutentnahmen gemacht –, seitdieser massenhaften illegalen Migration wäre dasalles so schlimm geworden, dann kann es sein,dass Sie irgendwelche Statistiken bringen, die sol-che Sachen sagen. Das reale Leben – tut mir leid –sieht ganz anders aus. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Ich habe jetzt keine weiteren Wort-meldungen, sodass ich …

(Zuruf Götze, Staatssekretär: Drei Wortenoch!)

Herr Staatssekretär Götze, ich habe Ihre Wortmel-dung nicht gesehen, tut mir leid. Selbstverständlich.Zum Alkohol dürfen Sie immer etwas sagen. Viel-leicht auch zu den Bratwürsten, wer weiß.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Wir haben noch gar nicht überHackfleisch gesprochen!)

Götze, Staatssekretär:

Das haben wir noch nicht, ist auch nicht Gegen-stand der Debatte.

Herr Möller, ich empfehle Ihnen zunächst die Lektü-re der Erfurter Stadtordnung, § 8a sieht durchaus inAbsatz 1 – und diese Regelung gilt – ein Alkohol-verbot vor, und zwar um Kindergärten, Schulen, aufKinderspielplätzen – Kindertageseinrichtungen ein-geschlossen – eine Umkreisfläche von 25 Metern.Diese Regelung hat Bestand und korrespondiert mitder Regelung des § 27a Ordnungsbehördengesetz.

Auf die Historie hatten Sie bereits Bezug genom-men. Es gab ursprünglich eine Regelung, die gingwesentlich weiter, die sah auch ein Alkoholverbotfür den Anger und für den Willy-Brandt-Platz vor,aber nicht so, wie Sie das hier kommunizieren unddarstellen, sondern eigentlich sehr abgestuft. Dortwar geregelt, dass das Lagern von Personengrup-pen zum Zwecke des Alkoholgenusses – ich tragees jetzt nur sinngemäß vor – über einen Zeitraumvon 25 Minuten hinaus verboten werden sollte.

Das Thüringer Oberverwaltungsgericht hat sich,nachdem diese Norm im Normenkontrollverfahrenangegriffen wurde, mit der Regelung beschäftigt.Ich selbst konnte dieses ganze Verfahren begleiten;ich habe sowohl die Norm geschrieben als auch dieVerhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht mitverfolgt und auch damals in meiner Funktion alsOrdnungsamtsleiter die Diskussion um die Neufas-sung des Thüringer Ordnungsbehördengesetzesmit verfolgt. Das Oberverwaltungsgericht hat da-mals gesagt, dass sich die Regelung – auch dieseDiskussion haben wir hier schon vor nicht allzu lan-ger Zeit geführt – auf eine Rechtsprechung desOberverwaltungsgerichts stützt, die ausdrücklichaufgegeben wurde, und zwar die Rechtsprechungvom 26.04.2007, wo das Gericht – und da konnteman wirklich den Eindruck bekommen, dass das fürdie Zukunft gelten soll – ausgeführt hat, dass dassubjektive Sicherheitsempfinden unserer Bürgerin-nen und Bürger im Rahmen der Prüfung, ob einetatsächliche Gefahr für die öffentliche Sicherheitund Ordnung vorliegt, zu berücksichtigen ist. Das

9764 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Dr. Hartung)

Page 81: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Gericht hat sich damit in seiner Entscheidung vom21.06.2012 auseinandergesetzt und hat ausdrück-lich gesagt, dass das missverständlich formuliertwar und diese Rechtsprechung nicht weiterverfolgtwird und für den Freistaat Thüringen auch nichtträgt. Das Gericht hat nicht gesagt, dass sich derGesetzgeber vom Gefahrenbegriff abwenden kannoder soll.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Er kann sehrwohl!)

Der ist aus gutem Grund eingeführt. Sie sind Jurist,Sie haben die Befähigung zum Richteramt, HerrMöller.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Richtig!)

Dann schauen Sie sich mal bitte die niedrigste Ein-griffsstufe an, die staatlichen Behörden zur Verfü-gung steht.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ich kennedas!)

Das ist die sogenannte abstrakte Gefahr. Das stehtjetzt schon in unserem Ordnungsbehördengesetz,was im Übrigen sehr gut ist, weil praxisgerecht:

(Beifall CDU)

„abstrakte Gefahr: eine nach allgemeiner Lebenser-fahrung oder den Erkenntnissen fachkundiger Stel-len mögliche Sachlage, die im Falle ihres Eintrittseine Gefahr gemäß den Buchstaben a bis d dar-stellt“. Wissen Sie, warum das normiert ist? Sie wis-sen das. Weil die Ordnungsbehörden, nachdem siedie Gefahr identifiziert haben, in die Freiheitsrechteunserer Bürgerinnen und Bürger eingreifen können.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Genau!)

Das können durchaus schmerzhafte Eingriffe sein.Auch wenn Sie bei den Ordnungsbehörden

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Darum gehtes nicht!)

– doch, darum geht es – nur bußgeldbewehrt sind.Das kann gravierende Folgen haben. Was machenSie denn in Ihrem Gesetz? Wenn ich zitieren darf:„Gefahrenvorsorge: die Aufgabe der Ordnungsbe-hörden, bereits vor dem Entstehen abstrakter oderkonkreter Gefahren oder Störungen der Ordnungund Sicherheit vorzubeugen und nach der allgemei-nen Lebenserfahrung begründetem Besorgnispo-tenzial entgegenzuwirken“. – Jetzt ist er weg, derHerr Möller.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Nein, nein!)

Was soll denn das sein, was machen Sie denn hierauf der Tatbestandsseite? Sie führen hier quasi fürstaatliche Behörden einen Willkürtatbestand ein,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

der aus gutem Grund, weil wir eine Verfassung imFreistaat Thüringen haben, in unser Ordnungsbe-hördengesetz gar nicht aufgenommen werdenkonnte. Unsere Aufgabe ist es, das Handeln unse-rer staatlichen Behörden im Rahmen der Verfas-sung und Gesetze zu reglementieren. Darauf ha-ben wir alle unseren Amtseid abgelegt.

(Beifall DIE LINKE)

Ihnen ist es beim besten Willen nicht möglich, einesolche Norm hier zu verabschieden, ohne – und da-für lege ich meine Hand ins Feuer – dass Sie sofortvom Verfassungsgerichtshof aufgehoben wird. Kurzund gut: Was Sie hier machen, das ist die pure Au-genwischerei.

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich empfehle Ihnen einen Betriebsausflug. Dafürmüssen Sie gar nicht weit gehen. Früh um 7.00 Uhrgehen Sie mal – Sie allein oder mit der Fraktion –hier an die Haltestelle des Thüringer Landtags undfahren mit allen Schülerinnen und Schülern dieserStadt auf den Anger. Das sind drei, vier Haltestel-len. Dann schauen Sie sich mal an, ob diese Kinder– die sind teilweise zehn Jahre, wenn sie in die5. Klasse gehen und ihren Weg in die Edith-Stein-Schule, ins Zentrum zum Beispiel nehmen – irgend-welche Anzeichen von Angst zeigen,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Früh um7.00 Uhr!)

ob dort Leute an Straßenbahnhaltestellen herum-lungern, wie Sie sagen, die diese Kinder anpöbeln.Das Ganze schauen Sie sich bitte am Nachmittagnoch mal an.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ja, genau!)

Dann werden Sie feststellen, dass dem nicht so ist,

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

dass die Kinder völlig unbesorgt und fröhlich wiedernach Hause fahren. Was ich nicht in Abrede stellenmöchte, ist, dass es solche Einzelfälle gibt unddass es durchaus Haltestellen in dieser Stadt oderin anderen Gemeinden dieses Landes geben mag,wo sich Personen aufhalten, die andere wirklich inübler Art und Weise belästigen.

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: AfD-ler!)

Wenn Sie dem begegnen wollen, auch in Form ei-ner Stadtordnung oder wie auch immer, wenn derPlatzverweis nicht reicht, den übrigens unsere Poli-zisten aussprechen, die in guter Zahl auch in Erfurtunterwegs sind – gehen Sie einfach nachts überden Anger, sehen Sie die Polizisten –, dann könnenSie sich auch sicher fühlen. Wenn Sie solche Sach-verhalte haben, dann nehmen Sie das Ordnungs-behördengesetz, lesen ganz in Ruhe § 27a Abs. 2,

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9765

(Staatssekretär Götze)

Page 82: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

dann wissen Sie, was Sie zu tun haben. Dann kön-nen Sie, nachdem Sie diesen Sachverhalt fest-gestellt haben, selbstverständlich Ihre Stadtord-nung anpreisen, das ist überhaupt kein Problem.Aber diese Arbeit, die haben Sie erst einmal zu leis-ten. Damit sind Sie in der Lage, wenn Sie den Kin-der- und Jugendschutz nehmen – § 27a Abs. 1 und2 –, auf alle relevanten Lebenssachverhalte alsOrdnungsbehörde zu reagieren. Mehr dürfen Sienicht tun.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Warum ge-schieht es dann nicht?)

Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön, Herr Staatssekretär. Weitere Wort-meldungen sehe ich jetzt nicht, sodass ich die Aus-sprache schließe. Sie haben beantragt, an den In-nen- und Kommunalausschuss zu überweisen?Dann stelle ich das zur Abstimmung. Wer dafür ist,den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sinddie Stimmen der AfD. Danke schön. Gegenstim-men? Aus den Koalitionsfraktionen, der CDU-Frak-tion. Damit mit Mehrheit abgelehnt.

Wollten Sie noch einen Wunsch äußern, Herr Möl-ler? Nein, das ist nicht der Fall. Dann stimmen wirjetzt über Ihren – nein, müssen wir auch nicht, dasist die erste Beratung, Entschuldigung. Dann schlie-ße ich diesen Tagesordnungspunkt, würde die Sit-zung kurz mal für zwei Minuten unterbrechen undbitte die PGFs nach vorn.

Dass die Kollegen im nächsten Punkt nicht so lan-ge reden sollen, war übereinstimmender Wunschder PGFs, aber das mache ich mir natürlich nichtzu eigen.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 8

Thüringer Gesetz zu demStaatsvertrag zur Änderungdes Staatsvertrages über denMitteldeutschen Rundfunk zumZwecke der Umsetzung derVerordnung (EU) 2016/679 desEuropäischen Parlaments unddes Rates vom 27. April 2016zum Schutz natürlicher Perso-nen bei der Verarbeitung per-sonenbezogener Daten, zumfreien Datenverkehr und zurAufhebung der Richtlinie 95/46/EGGesetzentwurf der Landesregie-rung- Drucksache 6/5414 -

ERSTE BERATUNG

Wir haben uns jetzt gerade darauf verständigt, dasswir ihn heute in erster Beratung und morgen inzweiter Beratung aufrufen. Wünscht die Landesre-gierung das Wort zur Begründung? Das ist der Fall.Herr Minister Prof. Hoff hat das Wort. Bitte schön.

Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- undEuropaangelegenheiten und Chef der Staats-kanzlei:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren,wie bereits in der Plenarsitzung im Februar ange-kündigt, soll dem heute vorliegenden Gesetzent-wurf zum Staatsvertrag zur Anpassung des MDR-Staatsvertrags an die europäische Datenschutz-Grundverordnung mit unserer Bitte die Zustimmunggegeben werden. Die EU-Datenschutz-Grundver-ordnung tritt am 25. Mai 2018 als unmittelbar gel-tendes Recht in Kraft. Über diesen geplanten MDR-Datenschutzstaatsvertrag hat die Landesregierungden Ausschuss für Europa, Kultur und Medien indessen Sitzung am 19. Januar 2018 informiert. Am1. Februar 2018 haben die Ministerpräsidenten derdrei mitteldeutschen Länder diesen Staatsvertragunterzeichnet. Die Öffnungsklauseln in der Daten-schutz-Grundverordnung bieten Raum für Ausnah-men und Abweichungen von Bestimmungen derDatenschutz-Grundverordnung im nationalen Da-tenschutzrecht. Der MDR-Datenschutzstaatsvertragmacht von diesen Öffnungsklauseln in gleicherWeise Gebrauch, wie der 21. Rundfunkänderungs-staatsvertrag, dem Sie in der Plenarsitzung im Fe-bruar bereits zugestimmt hatten.

Lassen Sie mich einige Ausführungen zu einzelnenRegelungstatbeständen machen. Für den Medien-bereich sind Ausnahmen und Abweichungen vonder Datenschutz-Grundverordnung zulässig, siesind aber auch erforderlich, um das bestehendeMedienprivileg vollumfänglich zu erhalten. DieseAusnahmen und Abweichungen sollen für den Mit-teldeutschen Rundfunk mit dem MDR-Datenschutz-staatsvertrag geregelt werden, denn ohne Medien-privileg bedürfte die namentliche Berichterstattungüber eine bestimmte Person jeweils einer Einwilli-gung des Betroffenen. Die Berichterstattung übernamentlich genannte Personen wird als Verarbei-tung personenbezogener Daten betrachtet. Einesolche Einwilligungslösung wäre aber mit der ver-fassungsrechtlich garantierten Stellung der Medienunvereinbar. Vielmehr müssen die Medien perso-nenbezogene Daten auch ohne Einwilligung der je-weils betroffenen Person verwenden können. Ande-renfalls wäre eine journalistische Arbeit schlechter-dings unmöglich und die Medien könnten ihre in Ar-tikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes verbrieftenAufgaben nicht wahrnehmen, wie wir auch in derAusschussdebatte dargestellt haben. Gleiches giltfür die unverzichtbare Wahrung des Informanten-

9766 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Staatssekretär Götze)

Page 83: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

schutzes, der ebenfalls vollumfänglich erhalten wer-den soll. Diese Regelung ist in § 40 des MDR-Da-tenschutzstaatsvertrags enthalten.

Weitere Regelungen, ich nehme hier die §§ 42, 42aund b, betreffen den Rundfunkdatenschutzbeauf-tragten beim MDR, namentlich dessen Ernennung,Unabhängigkeit sowie die Aufgaben und Befugnis-se. Das vorliegende Thüringer Gesetz zum MDR-Datenschutzstaatsvertrag enthält lediglich die Zu-stimmung zu diesem Drei-Länder-Regelungswerk.Weitergehende Bestimmungen sind nicht vorgese-hen.

Die geplante grundlegende Novellierung des MDR-Staatsvertrags ist aber ebenfalls vorangekommen.Das ist mir wichtig, weil das in der Debatte eineRolle gespielt hat. Sie wissen, dass wir alle ein Inte-resse daran haben, den nun schon fast anachroni-stisch zu nennenden MDR-Staatsvertrag endlich zuüberarbeiten, und ich bin froh, dass auch in unse-ren beiden Partnerländern des MDR Bewegung indie Sache gekommen ist; namentlich sei der Frei-staat Sachsen erwähnt.

Präsident Carius:

Herr Minister, Entschuldigung, einen Moment. Ichbitte die Kollegen mal um etwas mehr Ruhe imRaum. Es ist eine unheimlich hohe Unruhe. Jetzt istes schon ruhiger, wunderbar. Sie haben das Wort.

Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- undEuropaangelegenheiten und Chef der Staats-kanzlei:

Der MDR-Datenschutzstaatsvertrag ist ein Thema,das regt wirklich alle an. Ich kann das absolut nach-vollziehen. Auch auf meiner Seite ist eine regel-rechte Gänsehaut zu spüren.

Ich war gerade dabei, darüber zu reden, wie wir ei-ne jahrelang anhaltende Diskussion jetzt hoffentlichendlich zu einem Ergebnis bekommen, nämlich diegrundlegende Überarbeitung des schon historischanmutenden MDR-Staatsvertrags. Hier ist derSachstand so, dass es ein Gespräch der drei Chefsder Mitteldeutschen Staatskanzleien am Rande derostdeutschen Ministerpräsidentenkonferenz am 18.April 2018 geben wird, in dem wir den von denRundfunkreferenten vorgelegten Entwurf zu einerÄnderung des MDR-Staatsvertrags behandeln wer-den. Ich hoffe, dass damit endlich Bewegung in dieparlamentarischen Beratungen kommen wird undsich tatsächlich auch alle drei Landtage so wie derThüringer Landtag in der Bereitschaft zeigen, die-sen MDR-Staatsvertrag an die heutige Zeit anzu-passen.

Lassen Sie mich zum MDR-Datenschutzstaatsver-trag zurückkommen. Da im Vorfeld gefragt wurde,was geschehen würde, wenn dieser Staatsvertragnicht pünktlich zum 25. Mai 2018 in Kraft tritt, will

ich auf dieses Szenario kurz eingehen. Würde derMDR-Datenschutzstaatsvertrag verspätet in Krafttreten, so entstünde ab dem 25. Mai 2018 bis zudem Inkrafttreten des Staatsvertrags ein Schwebe-zustand, der aus unserer Sicht zu vermeiden seinsollte. Formal betrachtet wäre das Medienprivilegfür den MDR nicht geregelt, es bestünde keineGrundlage für einen Rundfunkdatenschutzbeauf-tragten des MDR, dessen Unabhängigkeit den Vor-gaben der Datenschutz-Grundverordnung genügt.In der Tat gibt es Anzeichen, dass in Sachsen-An-halt die parlamentarischen Beratungen über dasdortige Zustimmungsgesetz zum MDR-Daten-schutzstaatsvertrag möglicherweise nicht bis zum25. Mai 2018 abgeschlossen werden können. Vordiesem Hintergrund hatten sich die drei Landesre-gierungen auf Bitten von Sachsen-Anhalt kurzfristigentschlossen, die Regelung im MDR-Datenschutz-staatsvertrag zum Termin seines Inkrafttretens soanzupassen, dass der Staatsvertrag nicht insge-samt gefährdet wird. Auch das zeigt, dass die dreiLänder bei der Bearbeitung von Regelungstatbe-ständen im MDR trotz mancher politisch determi-nierter Kommunikationsschwierigkeiten handlungs-fähig sind. Nach § 2 Abs. 2 tritt der Staatsvertrag inKraft, sobald die letzte Ratifikationsurkunde bei derStaatskanzlei des Landes Sachsen-Anhalt hinter-legt ist. Zum Zeitpunkt der Unterrichtung des Land-tags über den geplanten Abschluss des Staatsver-trages nach Artikel 67 Abs. 4 der Thüringer Verfas-sung war noch vorgesehen, dass der Staatsvertraggenau am 25. Mai 2018 in Kraft treten sollte. Dieserein formale, geringfügige Änderung betrifft nichtden Inhalt des MDR-Datenschutzstaatsvertrags,sondern soll lediglich absichern, dass der Staats-vertrag in Kraft tritt, statt insgesamt einer Scheite-rungsdrohung zu unterliegen. Diese Änderung dürf-te also im allseitigen Interesse liegen und sollte je-denfalls nicht dazu führen, dass sich die Behand-lung des Zustimmungsgesetzes auch hier in Thürin-gen verzögern würde. Sollte sich der Staatsvertragnicht nur verzögern, sondern insgesamt scheitern,wäre das Medienprivileg – wir reden immer nochüber ein fiktives Szenario – bis auf Weiteres nichtmehr im MDR-Staatsvertrag verankert. Ferner wäredie Unabhängigkeit des Rundfunkdatenschutzbe-auftragten nicht gesichert. Sie können deshalbverstehen, dass ich hier vor Ihnen angesichts desdargelegten Szenarios um die Zustimmung bitte, in-haltlich wie auch aus formalen Gesichtspunkten.Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Vielen Dank. Damit eröffne ich die Aussprache undals Erster hat das Wort der Abgeordnete Wucher-pfennig für die CDU-Fraktion.

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9767

(Minister Prof. Dr. Hoff)

Page 84: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Abgeordneter Wucherpfennig, CDU:

Herr Präsident, meine Damen, meine Herren, nach-dem die medienrechtliche Umsetzung der EU-Da-tenschutz-Grundverordnung hier bereits vor vierWochen Tagesordnungspunkt im Plenum war, undzwar im Rahmen des 21. Rundfunkänderungs-staatsvertrags, folgt heute quasi Teil zwei, die No-vellierung des MDR-Staatsvertrags und damit dieentsprechende Transformation in Thüringer Lan-desrecht.

Novellierungsgegenstand sind die besonderen Re-gelungen der Datenschutzaufsicht für Medienschaf-fende und dabei insbesondere die Erneuerung dessogenannten Medienprivilegs, so wie es bereits fürARD, ZDF und Deutschlandradio erfolgt ist.

Wie beim 21. Rundfunkänderungsstaatsvertragknüpfen dabei die neuen Regelungen im Wesentli-chen an dem bestehenden Medienprivileg an, dasden Medien seit Langem schon Ausnahmen vomDatenschutzrecht gewährt, um die redaktionelle Tä-tigkeit nicht zu erschweren oder gar zu behindern.Mithilfe dieser Sonderregelungen für die Mediensoll vor allem der Informantenschutz und damit diegrundgesetzlich gesicherte und garantierte Presse-freiheit gewährleistet werden. Bereits bei der De-batte zum 21. Rundfunkänderungsstaatsvertragwies ich auf das Rechtsgutachten der LeipzigerUniversitätsprofessorin Schiedermair zum MDR-Datenschutzstaatsvertrag hin. Danach erlaubt dieDS-GVO den Mitgliedstaaten zum einen die Auf-rechterhaltung des Medienprivilegs für die Verarbei-tung zu journalistischen, wissenschaftlichen, künst-lerischen oder literarischen Zwecken. Zum anderenerweitert sie die medienrechtlichen Ausnahmemög-lichkeiten gegenüber denen in der bisherigen EU-Datenschutzrichtlinie.

Meine Damen, meine Herren, die DS-GVO wirddemnach das Medienprivileg, zumindest was denMDR und den sonstigen öffentlich-rechtlichenRundfunk betrifft, in keiner Weise beschneiden,sondern vielmehr erweitern und präzisieren. Soweit, so gut, wäre da nicht die generelle Benachtei-ligung bzw. Schieflage des MDR-Standorts Thürin-gen durch den MDR-Staatsvertrag schlechthin.Aber dieses Thema wird uns leider noch länger be-schäftigen, ist auch heute nicht Gegenstand derDiskussion. Wie dem auch sei, dem vorliegendenGesetzentwurf können wir als CDU-Fraktion zu-stimmen und werden das, wenn nicht heute, dannmorgen machen. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächste erhält AbgeordneteHenfling für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünendas Wort.

Abgeordnete Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Meine sehr geehrten Damen und Herren, sehr ge-ehrter Herr Präsident, ich kann es auch kurz ma-chen, weil wir im Wesentlichen hier etwas wieder-holen, was wir vor ein paar Wochen schon getanhaben mit dem 21. Rundfunkänderungsstaatsver-trag, dem wir hier zugestimmt haben. § 85 der Da-tenschutz-Grundverordnung öffnet den National-staaten die Regelung und damit die Abwägung zwi-schen den Fragen von Meinungs-, Presse- und In-formationsfreiheit und dem Schutz von persönli-chen Daten. Diese Abwägung und diese Regelungtreffen wir hier für den MDR-Staatsvertrag bzw. fürden MDR dann natürlich als Institution und führenunter anderem einen – wie das der Minister schonsagte – Rundfunkdatenschutzbeauftragten ein, derunabhängig agieren kann und dann sowohl nachaußen, also sozusagen auch in Bezug auf denSchutz beispielsweise der persönlichen Daten derRundfunkgebührenzahlerinnen und -zahler einenEinfluss hat. Das regeln wir hier und wir regeln vorallen Dingen die Unabhängigkeit dieses Rundfunk-datenschutzbeauftragten. Das sind Sachen, die so-zusagen aus unserer Sicht völlig unstrittig sind, wo,glaube ich, hier auch Einigkeit im Hause herrscht.

Was wir nicht regeln, sind die Sachen, die wirschon länger diskutieren. Aber ich habe vernom-men, wie der Minister sagte, dass es dort Bewe-gung gibt, insbesondere Sachsen war da ja in denletzten Monaten und Jahren nicht besonders ko-operativ. Wir haben aber generell Regelungsbedarfbeim MDR-Staatsvertrag, nicht nur im Bereich desDatenschutzes und der Datenschutz-Grundverord-nung, sondern auch bei Fragen der Digitalisierung,bei Fragen der Zusammensetzung der Gremienoder beispielsweise auch bei Fragen der Ressour-cenverteilung zwischen den Bundesländern. Dahoffen wir natürlich sehr, dass wir in den nächstenMonaten weiterkommen und hier vor allen Dingen,in dieser Legislatur vielleicht auch noch, nicht nurzu einer Diskussion, die haben wir nämlich schon,sondern tatsächlich zu Entscheidungen kommen.Es wäre wichtig, der Staatsvertrag ist einfach tat-sächlich historisch. Er ist von Anfang der 90er-Jah-re und hat hier keine grundlegende Veränderungerfahren – deswegen heute die erste Lesung. Wirwerden dann morgen noch mal sicherlich das Glei-che erzählen. Ich weiß nicht, ob sich bis dahin dieMeinung ändert, wir werden sehen. Die Daten-schutz-Grundverordnung wird sich bis morgen nichtändern. Von daher signalisieren wir hier erst malgrundsätzlich natürlich Zustimmung zu dem jetztvorliegenden Gesetz. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

9768 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 85: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächster hat AbgeordneterHöcke für die AfD-Fraktion das Wort.

Abgeordneter Höcke, AfD:

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte KollegenAbgeordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribü-ne! Sehr geehrter Herr Professor Hoff, Sie habenhier ja einen wahrlich rhetorischen Parforceritt hin-gelegt, um damit wahrscheinlich auch indirekt aufdie Dringlichkeit des Anliegens hinzuweisen, dieSie ja dann auch in den Ausführungen noch malunterstrichen haben.

Ich bedaure, dass wir uns in dieser Sache so be-schleunigen lassen und dass wir beide Beratungenletztlich hier in zwei Tagen durch das Hohe Hauspeitschen. Das zeigt mir auch so ein bisschen, dassjetzt diese Parlamentsdebatte und das Hohe Hausin gewisser Weise auch für eine parlamentarischeScheindebatte missbraucht werden. Denn, was wirhier als MDR-Staatsvertragsänderung beraten, istja letztlich schon von den Regierungschefs der zu-ständigen Länder beschlossen worden. Das Ganze,wie gesagt, könnten wir uns eigentlich jetzt hierauch schenken. Vor allen Dingen, weil diese Dring-lichkeit suggeriert wird, die ich nicht sehe.

(Beifall AfD)

Herr Prof. Hoff, es sei mir gestattet, das so deutlichauszudrücken. Denn, sehr geehrte Kollegen Abge-ordnete, sehr geehrte Besucher auf der Tribüne,auch ohne die immer wieder in den letzten Wochenund Monaten zu allen möglichen Anlässen themati-sierte EU-Datenschutz-Grundverordnung und derenUmsetzung in nationales Recht, in welchen Sphä-ren unseres öffentlichen Lebens auch immer, obdas jetzt – wie in dem heutigen Fall – Teile des öf-fentlich-rechtlichen Rundfunks sind oder andereBereiche der Privatwirtschaft oder des öffentlichenLebens, auch ohne diese EU-Vorgaben gebe eseinen funktionierenden Datenschutz in Deutsch-land. Machen wir uns nichts vor, ihn gebe es auchohne diese EU-Vorgabe. Deswegen verstehe ichnicht,

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Es geht aber auch um Pres-sefreiheit, Herr Höcke!)

dass wir uns alle in dieser Art und Weise beschleu-nigen lassen, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete.

Ich möchte eingangs auch durchaus noch einmalbetonen, dass ich persönlich und die AfD-Fraktionim Thüringer Landtag selbstverständlich überhauptnichts gegen einen vernünftigen Datenschutz ha-ben. Wir haben auch überhaupt nichts gegen dasnotwendige Medienprivileg, um das es hier undheute auch geht.

Aber, wie meine Eingangsworte sicherlich schonzum Ausdruck gebracht haben, und nicht nur mei-ne, sondern immer mehr Menschen in diesem Lan-de fragen sich, ob die EU-rechtlichen Rahmenbe-dingungen vernünftig sind, die die jetzigen Ände-rungen angeblich so notwendig machen. Wir fragenuns tatsächlich, ob diese EU-Datenschutzrichtliniebzw. die Überführung in nationales Recht im Inte-resse der Thüringer liegt. Wir bezweifeln, sehr ge-ehrter Herr Prof. Hoff, dass das so ist. Ich möchtedaran erinnern, weil das Thema, wie gesagt, immerwieder die EU-Datenschutz-Grundverordnung ist,Kollege Wucherpfennig hat auch auf die Beratun-gen im Hohen Hause zum 21. Rundfunkänderungs-staatsvertrag hingewiesen. Da ist das Thema auchschon einmal inhaltlich auseinandergesetzt worden.Zu dem, was diese Datenschutzregelungsbedarfeder EU und die Überführung in nationales Rechtangeht, hat gerade vor wenigen Tagen noch einmalder Thüringer Journalistenverband einige sehr kriti-sche Worte in die Öffentlichkeit gestoßen und unsals Abgeordnete noch einmal aufgefordert, diesesEU-Bürokratenmonster doch noch auf der Zielgera-den zu verhindern, was sicherlich aus formalenGründen gar nicht mehr möglich ist. Aber ich kanndas Ansinnen der Journalisten durchaus verstehen.Die Journalisten sorgen sich um den Quellen-schutz, der bei Umsetzung dieser Datenschutz-Grundverordnung in ihren Augen nicht mehr ge-währleistet ist. Jeder, der ein Interesse an freiemJournalismus in diesem Lande hat –

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Dagehört die AfD nicht dazu!)

und ich sage das als Politiker, der nun wahrlich oftgenug von den Journalisten auch gepiesackt wor-den ist –, der muss sehr kritisch auf diese EU-Da-tenschutz-Grundverordnung und ihre Umsetzung innationales Recht blicken, vor allen Dingen auch mitSorge.

(Beifall AfD)

Auf weitere negative Auswirkungen der EU-Daten-schutz-Grundverordnung habe ich bereits in derDebatte um den 21. Rundfunkänderungsstaatsver-trag hingewiesen. Sie bewirkt, wie ich an dieserStelle noch einmal betonen darf, unnötige und kost-spielige Fortbildungsbedarfe – ich erinnere in die-sem Zusammenhang gern auch noch einmal anden parlamentarischen Abend des Thüringer Hand-werks. Wenn man die Gespräche dort mitverfolgthat und die Gespräche geführt hat, die notwendigsind an so einem Abend, dann hat man die Sorgevieler Handwerker vor der Implementierung dieserDatenschutz-Grundverordnung gehört, vor allenDingen auch, was den Fortbildungsbedarf angeht.

Immer wieder wird auf den enormen Verwaltungs-aufwand und – das habe ich auch in der Rede zum21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag getan – nocheinmal auf die Ämterwucherung hingewiesen, die

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9769

Page 86: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

jetzt auch beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk wie-der vonstattengehen wird, um diese EU-Vorgabeneinzuhalten, und – auch das ist zum Schluss nocheinmal zu betonen und das ist auch wieder typischEU – die exorbitanten Bußgeldandrohungen für Un-ternehmen und natürliche Personen, die hier aus-gesprochen werden, in den Raum gestellt werden,gesetzlich fixiert werden, die tatsächlich existenzbe-drohend sein können.

Ich frage mich natürlich, meine Fraktion fragt sich,warum die verantwortlichen Politiker der Altfraktio-nen im Land, in den Ländern und im Bund für unse-re Unternehmen solche Risiken auf sich nehmen.Ja, sehr geehrte Kollegen Abgeordnete, ich forderetatsächlich mehr Zivilcourage gegenüber Brüsselund erinnere Sie gern noch einmal daran, dass wiruns nicht beschleunigen lassen müssen, denn wirsind der größte Nettozahler

(Beifall AfD)

dieser Veranstaltung namens EU mit ihren über40.000 hoch bezahlten Beamten. Nebenbei, sehrgeehrte Kollegen Abgeordnete, sei der Vollständig-keit halber noch einmal erwähnt, dass die EU-Da-tenschutz-Grundverordnung voller unbestimmterund vager Rechtsbegriffe steckt, die einem Rechts-staat eigentlich Hohn sprechen.

Summa summarum: Warum lassen wir uns in die-ser Art und Weise hier als Hohes Haus beschleuni-gen? Warum lassen Sie sich als Landesregierungin der Art beschleunigen? Ich verstehe es nicht.

(Zwischenruf Abg. Henfling, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Weil wir es im Gegensatz zuIhnen verstanden haben!)

Ich habe eingangs meiner Rede ausgeführt, Daten-schutz gab es vorher auch schon in Deutschland.Datenschutz hört nicht auf zu existieren, wenn die-se EU-Datenschutz-Grundverordnung von uns nichtin nationales Recht überführt wird. Die Fehler sindvon vielen Betroffenen ausführlich dargestellt wor-den, die diese EU-Datenschutz-Grundverordnunghat. Ich sehe das Ganze sehr skeptisch, meineFraktion sieht das sehr skeptisch. Wir werden uns,wie gesagt, nicht in dieser unerträglichen Art undWeise als Parlamentarier beschleunigen lassenund werden dieses Gesetzesvorhaben deswegenleider ablehnen müssen. Herzlichen Dank.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Dasind wir aber traurig!)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Wennman es nicht versteht, versteht man es nicht,Herr Höcke!)

Präsident Carius:

Eine weitere Wortmeldung von Minister Hoff für dieLandesregierung. Bitte, Herr Minister Prof. Hoff.

Prof. Dr. Hoff, Minister für Kultur, Bundes- undEuropaangelegenheiten und Chef der Staats-kanzlei:

Herr Abgeordneter Höcke, es ist jetzt eigentlichnicht meine Art, auf Redebeiträge von Ihnen direktzu reagieren. Aber Sie haben den Begriff verwen-det, dass die Landesregierung hier das Parlamentfür eine parlamentarische Scheindebattemissbraucht. Das möchte ich deutlich zurückweisen

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

und hoffe, mir an der Stelle auch mit den Fraktio-nen jenseits der AfD einig zu sein. Die Landesre-gierung ist überhaupt nicht in der Position, das Par-lament für eine Scheindebatte missbrauchen zukönnen. Hier entscheiden Abgeordnete, zu denenSie, Herr Abgeordneter Höcke, gehören, über dieTagesordnung und darüber, was und wie diskutiertwird. Wenn Sie glauben, dass eine Landesregie-rung ein Parlament kujonieren kann, dann kann ichnur hoffen, dass Ihre Partei nie in eine Regierungkommt. Punkt eins.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Kann manhoffen, ob es eintritt, ist eine andere Sache!)

Punkt zwei: Ihre Rede hat durch profunde Ah-nungslosigkeit, die Sie häufiger in diesem Parla-ment zur Schau stellen, geglänzt. Das ist aber, wiegesagt, etwas, was wir als Landesregierung häufigin Redebeiträgen von Ihnen zur Kenntnis nehmenmüssen. Aber, dass Sie diesen MDR-Datenschutz-staatsvertrag nutzen, um sozusagen mit einem „ar-gumentativen Pürierstab“ Medienpolitik, Parla-mentsbeschimpfung und antieuropäische Ever-greens hier darzustellen, ist der Debatte, die bisherniveauvoll im Ausschuss und im Übrigen auch mitden Fachverbänden geführt wurde, nicht angemes-sen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Herr Abgeordneter Blechschmidt, Sie haben dasWort.

Abgeordneter Blechschmidt, DIE LINKE:

Danke, Herr Präsident. Meine Damen und Herren,eigentlich wollte ich nicht hier vorgehen, HerrHöcke hat es noch mal provoziert.

9770 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Höcke)

Page 87: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

(Zwischenruf Abg. Kuschel, DIE LINKE: Lassdich doch nicht provozieren!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Keine Selbst-beherrschung!)

Ich will einen Punkt herausnehmen. Die Frage lau-tet: Warum ändern wir die Datenschutz-Grundver-ordnung, warum ändern wir sie? – Weil wir das Me-dienprivileg erhalten wollen,

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das war vor-her auch schon da!)

deshalb ändern wir das hier und deshalb reden wirhier über diesen MDR-Staatsvertrag und die Verän-derungen mit dem Datenschutz, nicht, weil wir ir-gendwelche bürokratischen Monster oder sonst ir-gendwas – das ist genau dieser Pürierstab, den derMinister eben angesprochen hat. Da wird alles zu-sammengeworfen. Das ist Ihre typische Argumen-tationspolitik. Wir fangen mal vorn an, was gar nichtvorn ist, und hören hinten auf, was gar nicht hintenist. Das wird dann als die Politik der AfD dargestellt,die die Sorgen und Probleme von Bürgerinnen undBürgern aufgreift und damit eben auch Punkte sam-meln will.

Ich will noch einen zweiten Gedanken aufgreifen,das ist die Frage des Datenschutzbeauftragten, derunabhängige Datenschutzbeauftragte, der jetztüber diesen Staatsvertrag zu Veränderungen desStaatsvertrags über den MDR eingerichtet werdensoll. Ich glaube schon, das ist ein wichtiger Punkt,weil es natürlich auch eine gewisse Gratwanderungist – und das habe ich vor vier Wochen im Zusam-menhang mit dem 21. Rundfunkänderungsstaats-vertrag auch versucht, deutlich zu machen – zwi-schen dem Grundrecht auf Information und auf in-formationelle Selbstbestimmung und der Fragejournalistischer Tätigkeit. Genau das muss natürlichPresse, freie Presse, öffentlich-rechtlicher Rund-funk oder auch privater Rundfunk berücksichtigen.Deshalb ist es wichtig, dass dort Gremien oder Be-auftragte tätig sind. Ich bin ausdrücklich dankbar,dass es hier in einer sehr genauen und zielorien-tierten Form geschehen ist, dass hier ein Daten-schutzbeauftragter eingerichtet wird und seine Auf-gaben ganz konkret beschrieben worden sind.

Wir haben noch eine zweite wichtige Aufgabe zutun – konkret die Kollegen im Innenausschuss, weilsie sich in unserem Auftrag grundsätzlich mit dieserThematik der Datenschutz-Grundverordnung ausei-nandersetzen müssen, weil wir es dahin überwie-sen haben –: Wir müssen uns natürlich auch – denBrief des Deutschen Journalistenverbands hat Kol-lege Höcke angesprochen – der Problematik derThüringer Privatmedienlandschaft zuwenden. Dortmüssen wir noch entsprechende Regelungen ein-bauen, weil wir da auch Gesetzlichkeiten haben.Auch dort wollen wir demzufolge das Medienprivi-leg schützen.

Ich kann nur darum bitten, dass wir morgen in derzweiten Beratung diesen für die öffentlich-rechtli-chen Anstalten wichtigen Staatsvertrag mittragenund verabschieden. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Eine weitere Wortmeldung. Herr AbgeordneterHöcke, bitte.

Abgeordneter Höcke, AfD:

Herzlichen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Kol-legen Abgeordnete, jetzt haben mich die beidenVorredner provoziert, noch mal hier vorn an dasRednerpult zu treten. Sehr geehrter Herr ProfessorHoff, auch wenn Sie es gerne machen – und ichkann es ja aus parteipolitischer Motivation herausdurchaus verstehen –, mich als Antieuropäer immerund immer wieder zu diffamieren, möchte ich nochmal klarstellen – Sie sind ja ein intelligenter und ge-bildeter Mann –: Ich bin kein Antieuropäer, sehr ge-ehrter Herr Prof. Hoff, sondern ich bin ein Politiker,der die EU sehr kritisch sieht und der der festenÜberzeugung ist, dass diese EU eben nicht Europaist, sondern letztlich ein Gegenentwurf von Europamit ihren Bürokratie- und Zentralisierungstenden-zen. Dass Sie das nicht verstehen, verstehe ich,ehrlich gesagt, nicht, gerade weil ich weiß, dass Siezu den Klügeren in Ihren Reihen gehören.

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Istfast eine Beleidigung!)

Herr Blechschmidt, das Medienprivileg retten wirmit der Änderung des MDR-Staatsvertrags? HerrBlechschmidt, gab es das Medienprivileg schonvorher, vor der EU-Grundverordnung?

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE:Ja, aber die wird aufgehoben!)

Na also, das gab es schon. Es gab den Quellen-schutz, den die Journalisten und der Verband derThüringer Journalisten anmahnen, auch vorherschon. Sie müssten gar nichts ändern, Sie müsstenkeine EU-Richtlinie in nationales Recht übersetzenund umsetzen, um dieses Medienprivileg zu erhal-ten. Lassen Sie doch einfach alles so, wie es ist!

(Zwischenruf Abg. Blechschmidt, DIE LINKE:Nein!)

Es hat funktioniert, es hat jahrzehntelang funktio-niert.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Man kann sie so nicht las-sen! Wenn ein Gesetz ausläuft, muss eineneue Regelung geschaffen werden!)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9771

(Abg. Blechschmidt)

Page 88: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Es besteht kein Änderungsbedarf. Herzlichen Dank.

Präsident Carius:

Gut, jetzt ist ziemlich viel in dieser Aussprache ge-sagt worden. Ich schließe die Aussprache und da-mit auch diesen Tagesordnungspunkt. Wir rufen ihnmorgen wieder auf.

Dr. Pidde, hatten Sie sich auch noch gemeldet?

(Zuruf Abg. Dr. Pidde, SPD: War ich nicht ge-meldet?)

Nein, bis jetzt nicht. Wir sind aber eigentlich schondurch, Herr Pidde. Wenn Sie jetzt noch wollen,dann bitte. Das war ein Versehen seitens des Prä-sidiums.

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

Herr Präsident, wenn Sie mir das Recht jetzt ein-räumen, dann erspare ich mir den Redebeitragmorgen bei der zweiten Lesung.

Meine Damen und Herren, die vorliegende Novellehat zwar einen ellenlangen Titel, aber im Grundegeht es darin nur um eines, nämlich um rundfunk-rechtliche Anpassungen beim MDR-Staatsvertrag,die aus dem Inkrafttreten der EU-Datenschutz-Grundverordnung am 25. Mai resultieren. Die in-haltliche Diskussion haben wir beim 21. Rundfunk-änderungsstaatsvertrag schon geführt. Der KollegeWucherpfennig hat darauf hingewiesen, dem brau-chen wir gar nichts hinzuzufügen.

Heute geht es um den MDR-Staatsvertrag, undzwar um die prinzipielle Abwägung zwischen zweibedeutenden Verfassungsgütern, auf der einen Sei-te das Grundrecht auf informationelle Selbstbestim-mung und auf der anderen Seite die Medien- undInformationsfreiheit. In diesem Abwägungsprozessbietet der vorliegende Gesetzentwurf ein vernünfti-ges Ergebnis. Frau Henfling hat darauf hingewie-sen, dass Artikel 85 der EU-Datenschutz-Grundver-ordnung den Ländern Gestaltungsmöglichkeitengibt. Diese werden genutzt und das Medienprivilegfür den MDR wird erhalten. Der MDR hat daherauch künftig das Recht, im Rahmen journalistisch-redaktioneller Arbeit, also bei der Recherche, derVorbereitung von Medienangeboten oder der allge-meinen Informationssammlung, personenbezogeneDaten auch ohne Einwilligung der Betroffenen so-wie unter Ausschluss von Auskunfts- und Berechti-gungsansprüchen zu erheben und zu verarbeiten.

Meine Damen und Herren, die etwas reißerischeSchlagzeile vom 14. Mai „Ist die Pressefreiheit inThüringen in Gefahr?“ können wir getrost mit Neinbeantworten. Dies gilt im Hinblick auf den21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag für den öffent-lich-rechtlichen Rundfunk und die privaten Rund-funkanbieter insgesamt sowie mit Blick auf die heu-tige Gesetzesnovelle für den MDR im Speziellen.

Aber – und da knüpfe ich an das an, was KollegeBlechschmidt gesagt hat –, wir werden den Erhaltder Medien- und Informationsfreiheit natürlich auchfür jene Medien sichern, die nicht von den beidenStaatsverträgen berührt werden, sondern unter dieBestimmungen unserer noch an das neue EU-Da-tenschutzrecht anzupassenden Landesmedienge-setzgebung fallen.

Meine Damen und Herren, ich habe gesagt, dieserBaustein des MDR-Staatsvertrags ist in Ordnung.Es ist aber nur ein Baustein. Ich will die Gelegen-heit noch mal nutzen, um darauf hinzuweisen, dassdie grundlegende Reform aussteht. Das ist hierschon angeklungen. Meiner Fraktion sind vierSchwerpunkte bei der Novellierung des MDR-Staatsvertrags wichtig und ich will diese noch malschlagwortartig nennen. Das wäre zum Ersten dieveränderte Besetzung der MDR-Gremien in Umset-zung des ZDF-Verfassungsgerichtsurteils und da-mit verbunden eine deutlich stärkere Vertretung derArbeitnehmerinteressen; zweitens, die verbessertePartizipation und Mitbestimmungsmöglichkeiten fürdie MDR-Mitarbeiter; drittens, die rundfunkrechtli-che Verankerung der neuen trimedialen Strukturdes MDR und last but not least natürlich auch dieseit Langem ausstehende Stärkung des MDR-Standorts Thüringen. Diese vier Punkte haben wirschon öffentlich gemacht und wollen versuchen,diese auch so weit wie möglich in die Beratungeneinzubringen.

Meine Damen und Herren, drei zuständige Aus-schüsse aus Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thürin-gen haben sich schon zweimal getroffen und ein-vernehmlich die Bitte an die drei Staatskanzleiengerichtet, bis zum 31.03.2018 zumindest einen Ar-beitsentwurf für eine entsprechende Staatsvertrags-novelle vorzulegen. Passiert ist bislang nichts. Des-halb bin ich da auch ein kleines bisschen frustriertund möchte das auch hier äußern. Jeder hier imRaum weiß, an wem das liegt – an den Bremsern inder Dresdner Landesregierung. Dort hat man nachwie vor wenig Interesse an einer verfassungskon-formen Besetzung der MDR-Gremien und an einemfairen Umgang mit berechtigten Arbeitnehmerinte-ressen. Wenn Minister Hoff jetzt gesagt hat, in derzweiten Hälfte des Aprils wird sich einiges tun undwir werden zumindest einen Diskussionsentwurfbekommen, in den wir uns dann auch einbringenkönnen, dann sage ich: Es wird Zeit. Wir werdendann rangehen und versuchen, zwischen den dreiLändern und den drei Landtagen einen Konsens zufinden, um eine vernünftige Lösung zu erreichen.

Noch mal zusammenfassend: Beim MDR ist eini-ges reformbedürftig. Das müssen wir angehen. In-sofern machen wir im Moment einen Bogen um diegesamte Baustelle und beschließen nur einen klei-nen, aber wichtigen Baustein. Den werden wir dannmorgen in der zweiten Lesung beschließen. Vonwegen durchgepeitscht, wie das Herr Höcke vorhin

9772 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Höcke)

Page 89: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

hier gesagt hat, davon kann ja nun überhaupt nichtdie Rede sein. Die vorliegende Gesetzesnovelle istim Ausschuss für Europa, Kultur und Medien vor-gestellt worden von der Landesregierung, wie dasüblich ist, und die Diskussion dazu ist geführt wor-den. Ich verstehe auch nicht, was er jetzt an Vorbe-halten vorbringen möchte, die nicht auch im Aus-schuss hätten genannt werden können. Also, sageich mal, es ist alles ausführlich beraten und derzweiten Lesung morgen steht nichts mehr im Weg.Falls ich da auf der Rednerliste stehen sollte, dannkönnen Sie mich schon streichen. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Das mache ich dann schon vorsorglich. VielenDank. Jetzt sehe ich keine weiteren Wortmeldun-gen – ich frage noch mal. Damit schließe ich dieAussprache.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11

Ausbreitung des Wolfes inThüringen – Gefahren für Be-völkerung und Nutztiere ab-wenden, den Wolf in das Jagd-recht überführenAntrag der Fraktion der AfD- Drucksache 6/5388 -

Ich frage, ob jemand aus der AfD-Fraktion das Wortzur Begründung wünscht. Das ist nicht der Fall.

Ich eröffne die Beratung und erteile dem Abgeord-neten Kobelt von der Fraktion Bündnis 90/Die Grü-nen das Wort.

Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren, wir debattieren nunmehr imLandtag und in den Ausschüssen seit 2015 dasThema „Wolf und dessen Ausbreitung“. Ich hättemich sehr gefreut, wenn die AfD zu dem Thema inden Fachausschüssen so aktiv gewesen wäre, wiesie hier im Plenum Anträge schreibt, und an kon-kreten Lösungssituationen mitgearbeitet hätte. Aberda ist leider in dem Bereich in den Ausschüssennicht viel zu hören. Deswegen beschäftigen wir unswieder mit einem Antrag, der in dem Titel und na-türlich auch in den Inhalten darauf setzt, Angst zuschüren, für Verwirrung zu sorgen und nicht für diekonkreten Probleme Lösungen aufzuzeigen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir spre-chen heute über ein Lebewesen, eine streng ge-schützte Art, den Wolf. Der Antrag der AfD liest sichallerdings so wie ein zu Papier gebrachtes Hornbla-sen zum Abschuss des Wolfes. Sie reden über An-

passung, über Einschränken des Schutzstatus desWolfs, über Maßnahmen von Abschüssen, überSchutzjagden, über Vergrämung. Wir als Grüne da-gegen wollen den Wolf als geschützte Art in Thürin-gen erhalten und wollen, dass Maßnahmen ergrif-fen werden, um das Zusammenleben zwischenWolf und Mensch zu verbessern. Sie wissen dochauch ganz genau, sehr geehrte Damen und Herren,dass das Jagen des Wolfs durch das Bundesnatur-schutzgesetz, durch die FFH-Richtlinien, durch dieEU-Artenschutzverordnung und das WashingtonerArtenschutzabkommen nicht gestattet ist. Trotzdemwollen Sie immer wieder und sagen es hier: DerWolf soll abgeschossen werden. Man kann ja inThüringen im Grunde auch nur von einer Wölfinsprechen. Aber Sie wiederholen es immer wieder:Der Wolf soll nicht als geschützte Art erhalten blei-ben, sondern in seinem Lebensraum eingeschränktund abgeschossen werden. Da haben wir als Grü-ne eine gänzlich andere Auffassung.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, der An-trag suggeriert auch, und es ist natürlich auch einewichtige Frage: Müssen wir uns als Menschen vordem Wolf fürchten? Das stellt der Antrag der AfDletztendlich in den Mittelpunkt. Sie sprechen vonwachsender Sorge, gravierenden Akzeptanzproble-men bei den Bürgern. Dazu sage ich ganz eindeu-tig: Wir müssen es nicht. Ich denke, wir brauchenden Wolf, Wölfe erfüllen als großer Beutegreifer ei-ne wichtige Funktion im Ökosystem. Beute undBeutegreifer haben sich abhängig voneinander inder Evolution entwickelt. Durch die Ausrottung desWolfs entstand eine Lücke, die eingespielte Wech-selbeziehungen innerhalb des Ökosystems beein-trächtigt hat. Nicht zu Unrecht wird der Wolf als Ge-sundheitspolizei des Waldes bezeichnet, da erauch häufig kranke und schwache Tiere frisst undsomit den Bestand seiner Beutetiere gesund hält.Es ist vollkommen klar, wenn der Wolf wieder auf-taucht, muss man natürlich erst mal damit umgehenlernen und dort zum Beispiel nicht, wie es in Einzel-fällen in anderen Bundesländern wie in Niedersach-sen passiert ist, den Wolf anfüttern. Der Wolf ist einscheues Tier und hat überhaupt kein Interesse da-ran, dem Menschen nahezukommen. Nur wenn erangefüttert wird, dann getraut er sich überhaupt indie Nähe von Siedlungen. Dort ist es in Niedersach-sen dann – mit bestehendem Naturschutzgesetzübrigens – dazu gekommen, als das vermehrt auf-getreten ist, dass dann auch ein Wolf im Einzelfallmal entnommen wird. Aber dazu brauchen wir keinJagdgesetz, dafür ist das Naturschutzgesetz voll-kommen ausreichend. Ich bin mir sicher, dass wirauch mit einem besseren Verständnis für die Le-bensweisen des Wolfs eine bessere Anpassung, ei-ne friedliche Koexistenz hinbekommen.

Allerdings sind als Grundlage für die Akzeptanz desWolfs eine gute Zusammenarbeit von Politik undVerwaltung mit den Schäfern und den Weidetierhal-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9773

(Abg. Dr. Pidde)

Page 90: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

tern und deren Unterstützung notwendig. ZumSchutz der Wildtiere stellen die noch einmal ver-besserten Maßnahmen des Umweltministeriumsdie richtigen Schritte dar. Dies sind mittlerweile:Ausweisung des Wolfschutzgebiets als Förderkulis-se für die Nutztierhalter, Finanzierung eines besse-ren Herdenschutzes mit immer weitgehenderenMaßnahmen – zum Beispiel flexible Zäune, aberauch schon Herdenschutzhunden –, ein umfassen-des Wolfsmonitoring und natürlich auch – wenn esin Einzelfällen mal zu einem Riss kommt, das ist jagar nicht ausgeschlossen, wenn zum Beispiel dieZäune noch nicht fachgerecht aufgebaut wordensind oder sich da auch Lücken bilden – eine unbü-rokratische und schnelle Hilfe. In allen Fällen, wodas in Thüringen aufgekommen ist, ist das durchdas Umweltministerium erfolgt und das ist auch beiden Schäferinnen und Schäfern gut angekommen.Denn wir brauchen unsere Tierhalter und ganz be-sonders unsere Schäfer. Die Schaf- und Ziegenhal-tung gehört zu den naturnahen und umweltverträg-lichsten Formen moderner Nutztierhaltung. Die Er-haltung naturschutzfachlich bedeutender Offenland-flächen und damit eines Teils der biologischen Viel-falt ist von der Haltung von Schafen und Ziegen ab-hängig; das wollen wir als Grüne natürlich auch ver-stärken.

Dagegen spricht, dass die Wirtschaftlichkeit geradedieser wichtigen Tierhaltungsform der Schaf- undZiegenhaltung am unteren Limit aller landwirtschaft-lichen Betriebszweige ist. Dieser grundsätzlicheMissstand ist das Ergebnis einer verfehlten Agrar-politik der letzten Jahre, welche die besonderenLeistungen der Schaf- und Ziegenhaltung nicht aus-reichend honoriert hat. Die eigentlichen Problemesind die geringe wirtschaftliche Attraktivität desSchäferberufs und fehlende landwirtschaftliche Flä-chen. Dem kann nur zum einen mit einer verbes-serten Vermarktung entgegengewirkt werden, aberauch mit veränderten Förderbedingungen.

Ich bin sehr stolz darauf, dass wir es zusammen mitden Kolleginnen und Kollegen von SPD, Linken undGrünen im Haushalt geschafft haben, ein neuesFörderprogramm aufzulegen. Das Förderprogrammwird vom Umweltministerium ab Anfang 2019 aus-gezahlt, die sogenannte SchaZie-Prämie, alsoSchaf- und Ziegenförderung. Das ist ein unbürokra-tischer Weg, mit dem die Schäferinnen und SchäferMittel beantragen können und dies gefördert wird.Bei Demonstrationen in Berlin haben die Schäferin-nen und Schäfer genau so etwas von der Bundes-regierung gefordert. Ich bin recht stolz darauf, dasswir aus dem kleinen Thüringen zusammen mit demUmweltministerium vorbildlich diese Prämie imHaushalt unterstützt haben.

Zum anderen gibt es zusätzliche Förderungen.Gestern konnten Sie es in der Zeitung lesen: FrauKeller hat mit dem Thüringer Ministerium für Infra-struktur und Landwirtschaft die Förderung für

schwer zugängliche Weideflächen erhöht. Da sageich auch noch mal ganz deutlich: Danke an dieLandwirtschafts- und Forstministerin, auch wennSie jetzt gerade nicht da sind. Das ist natürlich auchein wichtiger Schritt, um die Schäferinnen undSchäfer sowie die Ziegenhalter zu unterstützen.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Tasch, CDU: Ziegenhalte-rinnen gibt es auch!)

Diese konkreten Maßnahmen, die wir sowohl imHaushalt unterstützt haben, als auch die Ministerienumsetzen, werden den Schäfern und den Ziegen-haltern konkrete Hilfe bieten – und dies schneller,unbürokratischer als Ihre populistische Angstma-che, die Sie hier mit diesem Antrag verbreiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir wollenRealismus um den Wolf und seine Rückkehr nachMitteleuropa in die Diskussion einbringen. Wir wol-len die Akzeptanzprobleme nicht herbeireden, son-dern auflösen – das passiert bereits –, wir wollenden Wolf als bedrohte Tierart erhalten und gleich-zeitig mehr für die Schäfer im Freistaat tun. DieMaßnahmen in Ihrem Antrag stellen dagegen denSchutzstatus der bedrohten Art Wolf infrage. Des-wegen lehnen wir Ihren Antrag ab. Ich freue michauf die Kolleginnen und Kollegen, die so hoffentlichauch argumentieren. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Präsident Carius:

Als Nächste hat Abgeordnete Becker von der SPD-Fraktion das Wort.

Abgeordnete Becker, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich weißnicht, was es soll. Es ist verschenkte Lebenszeit.Wir reden seit Monaten im Ausschuss über denWolf, über die Wölfin in Ohrdruf, über die Hybriden.Wir kriegen im Ausschuss alles erklärt, jedes Mal.Wir können da alle Fragen stellen und können dasmiterleben, ob wir die Hybriden nun fangen odernicht. Wir haben sie noch nicht gefangen – das istschlimm genug. Aber, dass Sie hier einen Antragstellen, den Wolf in das Jagdrecht zu überführen,ist doch so ein – Entschuldigung –, das ist nicht ge-rade im Sinne dessen, was wir hier diskutieren, willich mal vorsichtig sagen.

Zweitens wissen Sie auch – das hat die Öffentlich-keit, glaube ich, wahrgenommen –, dass im Kabi-nett gerade ein neues Jagdgesetz in Arbeit ist. DieAnhörungen laufen, dann kommt der zweite Kabi-nettsdurchlauf, dann kommt das Jagdgesetz in denLandtag, dann gibt es eine Anhörung im Landtagdazu und dann hätten Sie einen Antrag zu demJagdgesetz stellen können. Ich halte das für rechts-

9774 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Kobelt)

Page 91: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

widrig, aber ist egal. Aber dann hätten Sie den An-trag stellen können und alles wäre harmonisch ineinem Verlauf. Wir hätten Sie weggestimmt, das istja klar.

(Heiterkeit AfD)

Aber hier einen Antrag zu stellen, eine Wölfin, diewir im Moment in Thüringen festgestellt haben, insJagdrecht aufzunehmen, das halte ich eigentlich fürüberflüssig und für nicht gerecht. Das muss ich Ih-nen so sagen. Sie hatten schon ein bisschen intelli-gentere Anträge als diesen. Es fällt einem wirklichschwer, dazu überhaupt etwas zu sagen. Ich weißnicht, alles das, was Sie hier aufgeschrieben ha-ben, manches geht nicht, aber das, was geht, wirdwirklich behandelt. Wir hatten es im Umweltaus-schuss. Herr Rudy, da müssen Sie mal in den Um-weltausschuss kommen, müssen sich von HerrnKießling abwechseln lassen. Oder Sie können auchdazukommen, wir sind Demokraten, da kriegen fastalle das Rederecht im Umweltausschuss, da sindwir auch immer ganz fair miteinander. Das ist so.Da können Sie Ihre Fragen stellen.

Es ist doch wirklich so, dass wir in jeder Sitzung inden letzten Wochen und Monaten den Wolf auf derTagesordnung hatten, weil es ein Problem gab, weildie Ziegen- und Schafzüchterinnen und -züchterProbleme hatten. Das ist vollkommen richtig, dasnehmen wir doch auch alles ernst. Wir haben dochauch Geld eingestellt, Herr Kobelt ist schon daraufeingegangen. Aber jetzt so zu tun, als ob wir mitdem Wolf im Jagdrecht alles von uns geben unddann alles in dieser Welt geklärt ist, ich weiß nicht.Ich habe extra Zahlen und Statistiken wegen Tö-tungsdelikten und so, aber das will ich in fortge-schrittener Zeit jetzt nicht mehr vorführen. Ich haltediesen Antrag für vollkommen überflüssig. Wir wer-den dem nicht zustimmen.

(Beifall SPD)

Präsident Carius:

Danke schön. Dann habe ich jetzt Herrn Abgeord-neten Malsch für die CDU-Fraktion.

Abgeordneter Malsch, CDU:

Werter Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kolle-gen, liebe Besucherinnen und Besucher, vielleichtauch am Livestream, zum Thema „Wolf“ – eigent-lich wollte ich mit der AfD anfangen. Aber dass wirjetzt auch noch eine zusätzliche Passage zu demMärchen „Rotkäppchen und der Wolf“ durch HerrnKobelt gekriegt haben, macht den Antrag jetzt wirk-lich nicht besser.

Werte Kolleginnen und Kollegen, es ist schon unge-heuerlich, wie dreist die selbst ernannte Alternativehier jetzt eins zu eins unseren Antrag als neu ver-kauft. Der Antrag ist eine unverschämte Kopie un-

seres Antrags vom November 2017, der in ersterLesung im Plenum selbst, in mehreren Sitzungenim Umweltausschuss sowie im Agrarausschuss be-raten wurde. Es scheint, als habe die AfD an keinerdieser Sitzungen teilgenommen.

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Na, dannkönnen Sie heute ja zustimmen!)

Das gehört nicht zum Inhalt der Berichterstattung.Wenn ich weiß, wie aktiv das Mitglied der AfD imAusschuss ist, dann ist es egal, ob er teilnimmtoder nicht. Das ist dann das Ergebnis, dass so einAntrag herauskommt, der von uns abgeschriebenwird.

Stattdessen besitzen Sie die Frechheit, die Arbeitanderer als Ihre zu verkaufen. Sie geben sich janoch nicht einmal Mühe, von unserem Antrag un-terscheidbar zu sein. Teilweise wort-, aber immerinhaltsgleich wird gefordert, das Wolfsmonitoring sozu intensivieren, dass unverzüglich valide Be-standszahlen für den Wolfsbestand ermittelt, pra-xistaugliche Regelungen im Wolfsmanagement ge-troffen werden, der Wolfsmanagementplan evaluiertund fortgeschrieben wird sowie eine Wolfsverord-nung erarbeitet wird, die analog zur Kormoranver-ordnung Ausnahmen von den Schutzvorschriftenfür den Wolf im Hinblick auf Maßnahmen zur Ver-grämung, zum Fang und zur Entnahme von Wölfenmit problematischem Verhalten regelt. Hierfür soll,ebenfalls korrespondierend mit unserer Forderung,das Instrument der sogenannten Schutzjagd eta-bliert werden.

Werte Kollegen der AfD, glauben Sie denn, dieMenschen beeindrucken zu können, wenn Sie ein-fach wiederholen, was hier seit Monaten vorliegtund beraten wird? Ich kann Ihnen sagen, was dasist. Das ist Trittbrettfahrerei!

(Zwischenruf Abg. Kießling, AfD: Das habenwir von der CDU gelernt!)

Werte Kollegen, im Umweltausschuss steht dem-nächst eine große Anhörung zu den Forderungenunseres Antrags an. Vielleicht kann einer Ihrer Tritt-brettfahrer auf diesen Zug mit aufspringen und dienötige Zeit erübrigen, um dort mal zuzuhören. Oderschicken Sie wenigstens einen Referenten hin, fallsder nicht mit Kopieren von fremden Anträgen be-schäftigt ist.

(Beifall CDU)

Werte Kolleginnen und Kollegen, der einzige Unter-schied zu unserem Antrag ist die Forderung, denWolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Bislang ist das le-diglich in Sachsen mit ganzjähriger Schonzeit ent-sprechend geregelt. Wir sehen diese isolierte For-derung und Übereinstimmung mit dem Landesjagd-verband derzeit skeptisch. Zunächst muss bundes-einheitlich geklärt werden, wie künftig mit dem Wolfumzugehen ist. Der Koalitionsvertrag regelt dazu –

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9775

(Abg. Becker)

Page 92: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

ich zitiere –: „Wir werden die EU-Kommission auf-fordern, den Schutzstatus des Wolfs abhängig vonseinem Erhaltungszustand zu überprüfen, um dienotwendige Bestandsreduktion herbeiführen zukönnen. Unabhängig davon wird der Bund mit denLändern einen geeigneten Kriterien- und Maßnah-menkatalog zur Entnahme von Wölfen entwickeln.“Nun wäre es natürlich vermessen, zu sagen, CDUund SPD im Bund haben da auch von unserem An-trag im November abgeschrieben, aber genau dashaben wir seinerzeit auch gefordert.

Werte Kolleginnen und Kollegen, die einzige, diesich aber um gar nichts schert – sorry –, ist unsereUmweltministerin. Anja Siegesmunds Plan, die lie-ben Wölfchen einzufangen und dann ins Ferienla-ger nach Worbis zu schicken, hat sich als Schnaps-idee erwiesen.

(Zwischenruf Abg. Pelke, SPD: Jetzt ist abergut hier, junger Mann!)

Der Wolfsnachwuchs befindet sich nach wie vor inFreiheit und hat sich wohl längst in aller Ruhe aufdie Suche nach einem neuen Revier begeben –Tatsache, Stand heute. Es ist ja auch nicht so, dassFrau Siegesmund Monate gebraucht hätte, die nöti-gen Genehmigungen für Fang oder Abschuss zuerwirken. Das ging ja auch superschnell, oder? Soist es aber eben, wenn über oberen und oberstenBehörden noch der NABU als höchstes Entschei-dungsgremium sitzt. Aber dieses Versagen will ichjetzt gar nicht weiter thematisieren, das weiß unse-re Umweltministerin selbst am besten.

Was mich aber schockiert, ist diese grüne Schizo-phrenie beim Umgang mit den Schäfern. Da stelltsich das Umweltministerium doch tatsächlich hinund erklärt sich zum Retter der Schäferei in Thürin-gen. Da bekommt das Wort „Schäferstündchen“ ei-ne ganz neue Bedeutung.

(Beifall CDU)

„Schäferei retten – Weidetierprämien jetzt“ ist derSlogan des Ministeriums, das mit seiner Wolfspoli-tik erst dazu beigetragen hat, dass sich die wirt-schaftlich schwierigen Bedingungen in der Schaf-halterei bis hin zur Existenzbedrohung verschlech-tert haben. Die Wiederkehr des Wolfs ist ein riesi-ger Feldversuch auf Kosten unserer Schafhalter,die es ohnehin schon schwer haben, wirtschaftlichzu arbeiten.

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Nur mal so: Für die Einfangaktionen hat das Um-weltministerium inzwischen über 100.000 Euro aus-gegeben. Die Schäfer haben bisher nur14.500 Euro an Ausgleichszahlungen erhalten. Daverbietet es doch schon der Anstand, sich als Ret-ter der Weidetierhaltung hinzustellen.

Werte Kolleginnen und Kollegen, zum Abschlussdeshalb noch einmal ganz klar zum Mitschreiben –

auch für die AfD, die kann das dann wieder als ei-genen Antrag einbringen –: Der Wolf passt nicht zuder für die Thüringer Kulturlandschaft so wichtigenWeidetierhaltung. Die Existenz des Wolfs musssich nach unserer Kulturlandschaft und dem Sicher-heitsgefühl der ländlichen Bevölkerung richten

(Zwischenruf Abg. Dr. Lukin, DIE LINKE: Wersagt das dem Wolf?)

und nicht umgekehrt. Vielen Dank.

Präsident Carius:

Herr Kollege Malsch, gestatten Sie eine Frage zumAbschluss Ihrer Rede vom Abgeordneten Kobelt?

Abgeordneter Malsch, CDU:

Ja, aber gern.

Präsident Carius:

Bitte schön, Herr Kollege Kobelt.

Abgeordneter Kobelt, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN:

Herr Malsch, wenn Sie uns unterstützen wollen, dieSchäferinnen und Schäfer, nicht nur in Ohrdruf,sondern in ganz Thüringen zu stärken, warum ha-ben Sie dann nicht dem Haushaltsantrag von unszugestimmt, dort Prämien einzuführen, was es20 Jahre lang nicht gegeben hat?

Abgeordneter Malsch, CDU:

Das kann ich Ihnen sagen. Weil das Plakativsum-men sind, die da im Haushalt stehen. Wenn wirklichdie Auswirkungen berücksichtigt werden, die beiSchafsrissen eintreten, kommen wir genau auf die-se Summe, die uns der Schäferverband hier in ei-ner öffentlichen Anhörung mitgeteilt hat. Das ande-re ist alles nur

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Und dann stellen Sie lie-ber gar nichts ein oder was?)

plakativ von Ihnen gewesen. Das zeigt die Aktion,die Sie jetzt führen, erst recht. Danke.

(Beifall CDU)

Präsident Carius:

Danke schön. Ich habe jetzt zwei weitere Wortmel-dungen. Herr Abgeordneter Rudy für die AfD-Frak-tion hat das Wort.

Abgeordneter Rudy, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Kolle-ginnen und Kollegen, liebe Gäste, wie Ihnen allen

9776 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Malsch)

Page 93: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

sicherlich bekannt sein dürfte, existieren derweilenin Thüringen eine Wölfin sowie sechs ihrer Hybrid-nachkommen, und vermutlich ist diese Wölfinschon wieder trächtig. Nach Schätzungen des Bun-desamts für Naturschutz leben in ganz Deutschlandcirca 150 bis 160 erwachsene Tiere. Ein Jahr zuvorwaren es noch 140. Nach Schätzungen des SPD-Umweltministers von Mecklenburg-Vorpommern TillBackhaus sollen es sogar 650 Exemplare in ganzDeutschland sein. Grundsätzlich kann man daherderzeit von 30 bis 35 Prozent jährlichen Nettozu-wachs des deutschen Wolfsbestands ausgehen,was bei einem Raubtier ohne natürliche Feinde fürein so dicht besiedeltes Land wie Deutschland eineerhebliche Zahl darstellt. Somit ist die Aussagedurchaus zutreffend, dass sich der Wolf in Deutsch-land nicht nur wieder angesiedelt hat, er hat sichseit seinem Auftauchen im Jahr 2000 in den letzten18 Jahren auch mehr als erfolgreich ausgebreitet.Dies belegen auch die zahlreichen Übergriffe vonWölfen auf Weidetiere in Thüringen und in ganzDeutschland. Allein bis zum August 2017 sind laut„Osnabrücker Zeitung“ den Wölfen im gesamtenBundesgebiet mehr als 3.500 Nutztiere zum Opfergefallen. In Thüringen waren es letztes Jahr über80 Schafe und Ziegen. Erst kürzlich wurden im Jo-nastal bei Gossel wieder zwei Mutterschafe geris-sen. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis nicht nurSchafe und Ziegen auf dem Speiseplan des Wolfsund seiner Hybridnachkommen stehen, sondernauch Rinder, Pferde und andere Haustiere. Dassdies keine Fantasie ist, zeigt der Fall eines erst vorKurzem in der Oberlausitz getöteten Jagdhunds,der grausam zugerichtet aufgefunden wurde. Siesehen also, meine Damen und Herren, der Wolf istbeileibe kein Kuscheltier, sondern ein Raubtier, dassich bei fehlender Regulierung zu einer ernsthaftenGefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnungund zu einem riesigen Schaden für die ländlicheBevölkerung in Thüringen und in ganz Deutschlandentwickeln kann.

Demgemäß ist es an der Zeit, endlich Konsequen-zen zu ziehen, entschlossen zu handeln und für diemögliche Entnahme von auffälligen Wölfen zukünf-tig einen eindeutigen und rechtssicheren Rahmenzu schaffen. Ein solcher Rahmen bietet sich mitdem Jagdrecht geradezu an. Eine rechtliche Grau-zone hingegen stellen die aktuellen Management-pläne der Länder und somit auch der derzeitigeThüringer Plan dar. Durch das Nebeneinander vonJagdsystemen und möglicher Wolfsentnahme in ei-nem Jagdbezirk rühren mit dem Jagdpächter, ver-schiedenen Naturschutzverbänden und -behördenviele Köche in einem Brei, was dazu führt, dass un-nötigerweise Reibungspunkte und überhöhte Kos-ten entstehen.

Dies ist letztlich auch der Sicherheit aller Beteiligtennicht zuträglich. Mit dem Wolf im Jagdrecht und ge-regelter Bestandskontrolle würden sich solche kom-

plizierten Planspiele erübrigen. Aber was unter-nimmt unsere rot-rot-grüne Landesregierung dies-bezüglich? Statt für konsequentes Vorgehen undRechtssicherheit zu sorgen, zahlt sie den betroffe-nen Weidetierhaltern zwar Entschädigungen, dochsind diese hinter einer hohen Wand aus Bürokratieund fast unerfüllbaren Auflagen verborgen unddecken nicht einmal die entstandenen Geburtenver-luste. Denn für die rund 1.000 Lämmer, die nichtgeboren wurden, weil Weideschafe nach Wolfsat-tacken dauerhaft gestresst waren, fließt kein einzi-ger Entschädigungscent. Dieser Folgeschaden kos-tete die Thüringer Schäfer bisher rund100.000 Euro. Dass diese Geburtenverluste aberim Zusammenhang mit den Wolfsattacken stehen,belegen unter anderem auch offizielle Stellen wiedie Umweltministerien in Kiel und Hannover.

Während die Weidetierhalter in Thüringen durchIsegrim und seine Hybridnachkommen also immergrößere wirtschaftliche Schäden zu beklagen ha-ben und damit in den Ruin getrieben werden, lässtsie die angeblich so ökologisch bewegte rot-rot-grü-ne Landesregierung de facto am langen Arm derBürokratie verhungern.

(Beifall AfD)

Darüber können auch die seit Monaten von derUmweltministerin halbherzig und unwillig betriebe-nen Fang- und Erlegungsversuche auf demÜbungsplatz Ohrdruf nicht hinwegtäuschen. Dennwären diese ernsthaft betrieben worden, wärenschon längst Ergebnisse vorhanden. So spielt dieLandesregierung aus ideologischen Gründen und inunverantwortlicher Art und Weise auf Zeit und da-mit auch mit der wirtschaftlichen Existenz von Wei-detierhaltern, nicht zuletzt auch mit der körperlichenUnversehrtheit der Bevölkerung.

Weiterhin sind passive Sicherheitsmaßnahmen fürkleinere Weideviehbetriebe oftmals nicht finanzier-bar. Zudem widerspricht die Umzäunung großerFlächen in der Offenlandschaft auch dem Konzeptder Verbindung von Lebensräumen für verschiede-ne Tierarten und läuft demzufolge auch dem Natur-schutz für andere Tierarten zuwider. Zusätzlichmuss man davon ausgehen, dass alle Wölfe inDeutschland, somit auch die Thüringer Wölfin, klareiner eurasischen Gesamtpopulation angehören.Diese Population ist in keiner Weise bedroht odergefährdet, sie war nie bedroht oder gefährdet undsie befindet sich in einem günstigen Erhaltungszu-stand im Sinne der FFH-Richtlinie, zumal eine Zahlan erwachsenen Wölfen, die eine Population imgünstigen Erhaltungszustand aufweisen sollte, nie-mals exakt in der FFH-Richtlinie angegeben ist.Diese Aussage lässt sich ja auch ungeachtet derTatsache treffen, dass Isegrim in einigen LändernEuropas und schon seit einiger Zeit planmäßig be-jagt wird. Die Forderung verschiedener Vereine,wonach sich deutsche Wolfsbestände oder gar

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9777

(Abg. Rudy)

Page 94: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Wolfsbestände einzelner Bundesländer in einemgünstigen Erhaltungszustand befinden müssten,hat demzufolge keine Grundlage in der FFH-Richtli-nie. Solche Forderungen beruhen einzig auf derverträumten Vorstellung, dass der Wolfsbestand inDeutschland ein eigenes Vorkommen im Sinne derFFH-Richtlinie darstellt, und wird von Personen pro-pagiert, die den Wolf als Lizenz zum Gelddruckensehen oder einem völlig falschen Bild dieses Raub-tiers anhängen. Die Wolfsbestände in Rumänien,die der gleichen Grundpopulation angehören wieunsere Wölfe in Deutschland, sind dort in Anhang Vder FFH-Richtlinie aufgelistet und können dort pro-blemlos bejagt werden, ohne dass Isegrim dabeiGefahr läuft, ausgerottet zu werden. In Frankreich,das wie Deutschland in Anhang IV der FFH-Richtli-nie vermerkt ist, werden jedes Jahr regelmäßig so-gar 30 bis 40 Wölfe erlegt, ohne dass der Wolf dortvor der Ausrottung steht. Schon allein demzufolgekann man guten Gewissens sagen, dass durcheinen geplanten und gesetzlich regulierten Ab-schuss über Instrumente wie das der Schutzjagdund später über die reguläre Jagd der Wolfsbe-stand zukünftig auf einem für Thüringen undDeutschland gesunden Niveau gehalten werdenkann. Denn wenn durch Bejagung der jährliche Zu-wachs abgeschöpft würde, bliebe die Zahl unsererWölfe etwa konstant, ohne dem Bestand oder garder Art insgesamt Schaden zuzufügen. Dies würdeauch der Hegeverpflichtung im Bundesjagdgesetzentsprechen, die ja gerade verhindern soll, dassdurch die Bejagung eine Tierart ausgerottet wird.Denn wohlgemerkt: Wir wollen den Wolf keines-wegs ausrotten,

(Unruhe BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

wir wollen ihn jedoch auf einem für alle verträgli-chen Bestandsniveau halten.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Ist das kleiner 1 oder größer 1?)

Zusätzlich ist es kaum vernünftig zu erklären, wes-halb wir in einem der bevölkerungsreichsten Länderder Welt mit einer enormen Verkehrswege- undOrtsdichte viele Bereiche des ländlichen Lebensändern sollen, weil nach dem ausschließlichenWunsch einiger sogenannter Naturschützer eine Artübermäßig geschützt werden soll, die anderenortsnahezu ohne menschliche Beeinflussung optimaleLebensräume besiedelt und große vitale Populatio-nen bildet.

Zusammenfassend und insgesamt weitergehendals in einem früheren Antrag der CDU – soweit zumPlagiat – plädieren wir daher dafür, zuerst und alsZwischenlösung das bereits in Schweden prakti-zierte Konzept der Schutzjagd im Rahmen einerWolfsverordnung einzuführen, um dann bei einerweiteren Ausbreitung den Wolf in das ThüringerJagdgesetz und in das Bundesjagdgesetz zu über-führen.

(Beifall AfD)

Nur so ist es möglich, Weidetierhalter vor weiterenSchäden zu bewahren, für alle Beteiligten Rechtssi-cherheit zu schaffen, die Akzeptanz für den Wolf inweiten Teilen der ländlichen Bevölkerung auch inZukunft zu erhalten und gleichzeitig den ansteigen-den Wolfsbestand später auf einem für sein Habitatverträglichen Niveau zu halten, denn schließlich ha-ben Rehwild, Schafe, Rotwild und Ziegen das glei-che Recht auf Leben wie der Wolf. Oder ist das Le-ben des Wolfs als Heiliger Gral und Spendenbrin-ger sogenannter Naturschützer wertvoller als dasvon Feldhamstern und Co.? Daher werben wir fürdie Zustimmung zu unserem Antrag und bitten umdie Überweisung an die Ausschüsse für Umwelt so-wie Infrastruktur unter Federführung des Umwelt-ausschusses. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Danke schön, Herr Abgeordneter Rudy. Als Nächs-ter hat Abgeordneter Kummer für die Fraktion DieLinke das Wort.

Abgeordneter Kummer, DIE LINKE:

Vielen Dank, Herr Präsident. Meine sehr verehrtenDamen und Herren! Herr Rudy, ich frage mich, zuwelchem Antrag Sie eben geredet haben. Da warensehr viele Forderungen dabei, die Sie aufgemachthaben, die ich aber im Antrag nicht finde. In IhremAntrag steht nichts von einer besseren Unterstüt-zung der Schäfer. Da steht nichts davon, dass derWolf in den Anhang V der FFH-Richtlinie sollte.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Hey, SPD: Gar nichtssteht da!)

Er steht bei uns im Anhang IV.

Wenn ich mir durchlese, was Sie aufgeschriebenhaben, wo wir heute zustimmen oder es an denAusschuss überweisen sollen, was Sie sich dawünschen, dann muss ich fragen, wo Ihr Rechts-verständnis ist. Sie sagen, wir sollen eine Wolfsver-ordnung erlassen, die Ausnahmen vom EU-Rechtregelt. Wie, bitte schön, soll denn das kleine Thürin-gen am Ende der Gesetzgebungskette mit einerVerordnung – noch nicht einmal mit einem Gesetz– Ausnahmen vom EU-Recht regeln? Man kannsich sicherlich mit der Bitte an die EU wenden, weilwir eine Wölfin in Thüringen haben, doch bitte eineAusnahme zu erlassen, dass wir die eine Wölfin ja-gen können, um einen von Ihnen gewünschtenWolfsbestand in Thüringen zu erhalten, der aberdafür sorgt, dass die Wölfe hier nicht ausgerottetwerden sollen. Aber wie das geht, weiß ich nicht.

9778 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Rudy)

Page 95: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Sie wünschen, dass wir uns an Bund und EU wen-den, um für ein verstärktes Wolfsmanagement zuwerben. Mit der einen Wölfin im Rücken haben wirjede Legitimation dieser Welt, uns an den Bund unddie EU zu wenden und zu sagen: Bei uns drücktder Schuh am allerschlimmsten. Es ist schwernachzuvollziehen, was Sie wollen.

Sie sagen – um weiter bei Ihrem Antrag zu blei-ben –, Sie wollen mit Blick auf die Populationsent-wicklung eine jährliche Abschussrate festlegen. Ichkann mir ja vorstellen, dass man sagt, wir legenfest, wie viele Wölfe für Thüringen verträglich sind.Aber eine jährliche Abschussrate? Wie viele Wölfewollen Sie denn bitte schön schießen im Jahr – vonder einen Wölfin?

(Heiterkeit und Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Siegesmund, Ministerin für Um-welt, Energie und Naturschutz: 20!)

Es erschließt sich so richtig nicht. Herr Rudy, wowollen Sie das Recht zum Abschuss hernehmen?Dadurch, dass Sie Wölfe in das Jagdrecht neh-men? Das kann man machen, das geht übrigens imGegensatz zu dem, was Sie schreiben. Sie sagen,die Details zur Umsetzung der Überführung in dasJagdrecht sollen rechtlich eindeutig, unbürokra-tisch, nachvollziehbar und praxistauglich formuliertwerden. Lesen Sie das Jagdgesetz. Darin steht,wie man das macht. Das ist ganz einfach, perRechtsverordnung, sehr unbürokratisch. Das kön-nen wir auch sofort ändern.

Das legitimiert aber den Abschuss eines Wolfs im-mer noch nicht. Denn wenn der Wolf im Jagdrechtsteht, Herr Rudy, dann ist er genauso geschützt,wie im Naturschutzrecht, weil nämlich das euro-päische Recht vorgibt, dass der Wolf dann ganzjäh-rig geschont ist. Wir haben dann aus meiner Sichtsogar noch einen besseren Schutz des Wolfs, weildas Jagdrecht noch ein paar strengere Regelungenkennt als das Naturschutzrecht. Von der Seite herkann man über die Aufnahme des Wolfs ins Jagd-recht sicherlich reden, weil dann auch klar ist, wennwir die Entnahme von Problemwölfen hätten, wiedas Jagdrecht dann entsprechend anzuwenden ist.Aber, Herr Rudy, so, wie Sie es machen, dass Siesagen, es soll dazu dienen, dass Wölfe in einer be-stimmten Zahl jedes Jahr geschossen werden kön-nen, geht es nicht, so verstößt es gegen euro-päisches Recht. Sie fordern uns mit Ihrem Antragzum Rechtsbruch auf. Dementsprechend könnenwir diesen Antrag nur ablehnen.

Das hat aber nichts damit zu tun, dass wir wirklichüber ein Management von Wölfen reden müssen,dass wir in der Kulturlandschaft Konflikte managenmüssen, die entstehen, dass wir klären müssen,wie der Einklang von Naturschutz, von Artenschutzund von menschlichem Wirken in der Natur in Ord-nung gebracht wird. All das sind Aufgaben, die

auch die Politik hat. All das sind Aufgaben, denenwir uns widmen. All das sind Aufgaben, die wirauch im Umweltausschuss mit unserer Anhörungangehen wollen, damit wir dafür sorgen können,dass in Thüringen weiterhin Grünland mit Schafenbewirtschaftet wird, dass Schäfer weiterhin aus-kömmliche Einkommen haben oder – besser ge-sagt – dass die Einkommen erst mal auskömmlichwerden, denn zurzeit sind sie es bei den Schäfernleider nicht. Das sind alles Dinge, die haben wir unsauf die Fahnen geschrieben, dafür brauchen wiraber diesen Antrag nicht, der keinem dieser Proble-me irgendwo Abhilfe verschafft. Danke schön.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Frau Ministerin Siegesmund, Sie haben das Wortfür die Landesregierung.

Siegesmund, Ministerin für Umwelt, Energieund Naturschutz:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen undHerren, der Antrag der AfD ist zweierlei: Er ist po-pulistisch und er fordert die Landesregierung zurechtswidrigem Verhalten auf. Beides ist etwas,was wir nicht teilen können. Herr Rudy, es wäreschon sinnvoll, wenn Sie sich wenigstens innerhalbder AfD-Fraktion miteinander austauschen würden.Es ist tatsächlich so, wie Abgeordnete Beckerdargelegt hat, in jeder – wirklich jeder – Aus-schusssitzung der vergangenen Monate haben wiruns mit dem Thema beschäftigt. Wenn die Binnen-kommunikation in Ihrer Fraktion so versagt, dannkönnen wir es nicht ändern. Ich will Ihnen wenigs-tens noch mal ein paar Fakten an die Hand geben,weil ich die Hoffnung nicht aufgegeben habe, dassSie zumindest anhand von einigen Sachinformatio-nen doch noch mal den Austausch wollen.

Erstens: Die Ministerin zeigt den Managementplanfür den Wolf in Thüringen. Das ist mein erster Fakt,sehr geehrte Abgeordnete. Mein zweiter Fakt ist,dass der Wolf nach internationalem und nationalemRecht streng geschützt ist. Und nein, nur weil einirrlichternder Antrag – sehen Sie es mir nach – unsdazu auffordert, gegen § 7 Abs. 2 Nr. 14 Bundesna-turschutzgesetz in Verbindung mit § 44 Bundesna-turschutzgesetz, plus FFH-Richtlinie Anhang II, plusWashingtoner Artenschutzübereinkommen, plusBerner Konventionen zu verstoßen, werden wir unsnoch lange nicht Ihre Argumentationen in irgendei-ner Form annehmen

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

und auch nur ernsthaft in Erwägung ziehen, wasSie da aufgeschrieben haben. Noch mal: Es ist irr-lichternd. Ja, seit 2014 gibt es in Thüringen eine

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9779

(Abg. Kummer)

Page 96: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Wölfin, ja, seit 2016 gibt es den eben gezeigtenManagementplan, seit 2017, dritter Fakt – lesen Siees sich einfach durch –, die Förderrichtlinie Wolf/Luchs. Damit unterstützen wir die Schäferinnen undSchäfer in Thüringen beim Schutz ihrer Tiere vorWolfsübergriffen. Sie sehen, dass der Schutz vonPersonen und Nutztieren vor dem Wolf an dieserStelle ernst genommen wird. Liegt ein möglichesGefahrenpotenzial eines Wolfs für den Menschenvor, kann dieser aufgrund bereits bestehender Ge-setze auch sofort getötet werden.

Der Schutz der Nutztiere und die Fortführung derWeidetierhaltung sind unverzichtbar für den Erhaltunserer wertvollen thüringischen Kulturlandschaft.Herr Malsch, es ist schon ein starkes Stück, dassSie sich dann hier hinstellen und meinen, dass dieschwierige Situation der Schäfer in erster Linie mitdem Wolf zu tun hat. Eine Wölfin! Ja, es gab dieseRisse. Aber wenn Sie sich mal anschauen, dassgerade mal noch 800 Schäfer in der ganzen Bun-desrepublik ihre Tiere auf die Weiden bringen, da-von 150 in Thüringen und sich der Bestand derSchäfer in den vergangenen Jahren halbiert hat,dann hat das nichts mit der Rückkehr des Wolfs zutun, sondern mit den schlechten landwirtschaftli-chen Rahmenbedingungen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Wenn Sie eine ehrliche Debatte über die Tatsache,dass dieser Beruf, der wirklich ehrbar ist und denwir brauchen, um unsere wertvolle Kulturlandschaftzu pflegen, am Ende des Tages Unterstützung er-fährt, dann finde ich es grotesk, dass Sie in denHaushaltsdebatten nicht eine einzige Geschichte,die wir vorgeschlagen haben, ob Schaf-Ziegen-Prä-mie oder Grünlandförderung oder Weidetierprämie,unterstützt haben. Das ist verlogen – das sage ichIhnen so offen –,

(Beifall SPD, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

sich dann hier hinzustellen und sich zum verlänger-ten Arm der AfD zu machen. Lesen Sie nach, waswir dazu gemacht haben.

Fakt Nummer 5: Freilich nimmt die Landesregie-rung ernst, dass es Sorgen und Nöte gibt. Abernoch mal: Rechtswidrig werden wir uns nicht ver-halten. Weil wir die Sorgen der Menschen ernstnehmen, haben wir das Wolfsmonitoring intensi-viert. Es gibt Kooperationsvereinbarungen sowohlmit dem Landesjagdverband als auch mit demNABU. Es gibt eine Kooperationsvereinbarung undeinen Dauervertrag mit dem Büro LUPUS – das istdas Bundeswolfskompetenzzentrum mit Sitz inSachsen –, um sich die Ohrdrufer Wölfin und ihrVerhalten näher anzuschauen. Ich behaupte mal andieser Stelle, die Ohrdrufer Wölfin ist eine der best-bewachtesten Wölfinnen in der ganzen Bundesre-

publik, weil wir auch den Bundesforst und die Bun-deswehr an dieser Stelle an unserer Seite wissen.

Der nächste Fakt: der Wolfsmanagementplan, der2016 erschienen ist und dann auch überarbeitetwurde. Er ist praxistauglich, er ist unbürokratischund er bietet bürgernahe Regelungen. Wir habennatürlich auch eine Arbeitsgruppe, die sich immerwieder mit der Fortentwicklung dieser Fragen aus-einandersetzt. In dieser Arbeitsgruppe sind Nutz-tierhalter ebenso anwesend wie Naturschutz- undJagdverbände. Deswegen ist auch die Überarbei-tung oder das Bedürfnis nach Überarbeitung einerFörderrichtlinie Wolf/Luchs permanent sicher-gestellt.

Sie sehen also, das Thüringer Ministerium für Um-welt, Energie und Naturschutz steht beim Wolfsma-nagement nicht nur in engem Austausch mit demBund, sondern auch mit all jenen Partnern, die wirbrauchen, um die Situation zu sichern. Sie alle wis-sen, dass wir das Expertenwissen der Dokumenta-tions- und Beratungsstelle des Bundes zum Wolf,der DBBW, intensiv genutzt haben, um auch dasHybridproblem lösen zu können. Erst im November2017 hat der Generaldirektor Umwelt der EU-Kom-mission gegenüber der Bundesrepublik deutlich ge-macht, dass die entsprechenden Rechtstexte undAnhänge der FFH-Richtlinie zweckmäßig und ziel-gerichtet sind. Solange die eingangs genanntenGesetze so bestehen, werden wir uns selbstver-ständlich auch innerhalb der eingangs genanntenGesetze und dem eingangs genannten Rechtsrah-men bewegen. Noch mal: Diese stellen sicher, dassin einer akuten Gefahrensituation selbstverständlichgehandelt werden kann.

Sie fordern nun, den Wolf in das Jagdrecht aufzu-nehmen. Tilo Kummer hat es auf den Punkt ge-bracht. Selbst wenn wir das genau so, wie Sachsendas tut, aufnehmen würden, besteht nichtsdesto-trotz – Ober schlägt Unter – eine entsprechendeRegelung, die so aussieht, dass aufgrund weitergeltender artenschutzrechtlicher Regelungen eineganzjährige Schonfrist festgelegt werden müsste.Es dürfte also trotzdem nicht gejagt werden. WennSie der Ansicht sind, dass Sie das brauchen, umsich symbolisch irgendetwas an das Revers zu hef-ten, können wir die Diskussion gern führen. Aberdieser Vorschlag führt am Ende zu gar keiner prak-tischen Veränderung. Er erzeugt nur eines, nämlichmehr Verwaltungsbürokratie infolge der entstehen-den Doppelzuständigkeit von Jagd- und Natur-schutzbehörden. Wenn Sie – als diejenigen, die ei-gentlich sonst, wenn es um die Bürokratie geht, im-mer den Zeigefinger ganz besonders schnell heben– meinen, dass wir das brauchen, kann ich nur sa-gen, da irren Sie sich. Das ist ein Irrweg, den wirnicht mitgehen wollen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich plä-diere sehr dafür, erstens die Debatte im Ausschuss

9780 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Ministerin Siegesmund)

Page 97: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

fortzusetzen, zweitens mal die Kirche im Dorf zulassen und drittens den Antrag der AfD abzulehnen.Besten Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Weitere Wortmeldungen sehe ichnicht. Ich habe Anträge auf Überweisung an denAusschuss für Umwelt, Energie und Naturschutzund an den Ausschuss für Infrastruktur, Landwirt-schaft und Forsten vernommen und das würde ichjetzt beides abstimmen.

Wer den Antrag an den Ausschuss für Umwelt,Energie und Naturschutz überweisen möchte, denbitte ich jetzt um das Handzeichen. Das sind dieStimmen der AfD-Fraktion. Danke schön. Gegen-stimmen? Aus dem Rest des Hauses – mit Mehr-heit abgelehnt.

Wer diesen Antrag an den Ausschuss für Infrastruk-tur, Landwirtschaft und Forsten überweisen möch-te, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. Dassind die Stimmen der AfD-Fraktion. Gegenstim-men? Aus dem Rest des Hauses – mit Mehrheit ab-gelehnt.

Wir stimmen jetzt über den Antrag in Drucksache6/5388 ab. Wer für diesen Antrag ist, den bitte ichum das Handzeichen. Das sind die Stimmen derAfD-Fraktion. Gegenstimmen? Aus dem gesamtenRest des Hauses – damit mit Mehrheit abgelehnt.

Ich schließe diesen Tagesordnungspunkt und rufeals letzten Tagesordnungspunkt für die heutige Sit-zung auf den Tagesordnungspunkt 12

Die Aushöhlung des Rechts-staats stoppen – keine Privile-gien für die Etablierung rechts-freier Räume in den KirchenAntrag der Fraktion der AfD- Drucksache 6/5389 -

Wünschen Sie das Wort zur Begründung? Bitte,Herr Möller, dann haben Sie das Wort.

Abgeordneter Möller, AfD:

Sehr geehrter Herr Präsident, liebe Kolleginnen undKollegen, liebe Gäste, vor ein paar Wochen gingdie Meldung durch die Medien, dass die Evangeli-sche Kirche mehr Schutz ihrer Räumlichkeiten vorRazzien fordere. Hintergrund der Forderung war,dass Räumlichkeiten des Pfarrers König in Jena –der ist ja auch allgemein bekannt – durchsucht wor-den waren und die Ermittlungsbehörden die Durch-suchung nicht vorher angekündigt hatten. Die Ver-treter der Kirche verwiesen in diesem Zusammen-hang auf ein Schreiben des Thüringer Justizminis-

teriums an das Landeskirchenamt in Erfurt aus demJahr 2013, wonach das Ministerium zugesagt habe,dass bei Durchsuchungen bei Pfarrern das zustän-dige Landeskirchenamt kurzfristig unterrichtet wer-de. Diese kurzfristige Unterrichtung, so die Kirchen-vertreter, sei im Fall des Pfarrers König nicht er-folgt.

Meine Damen und Herren, auf den Schutz desSeelsorgegeheimnisses im Zusammenhang mitstrafrechtlichen Ermittlungen zu drängen, ist völliglegitim, genauso legitim übrigens wie der Schutzder vertraulichen Beziehung zwischen Arzt und Pa-tienten, zwischen Anwalt und Mandanten und zwi-schen Journalisten und Quelle. Genau deshalb,meine Damen und Herren, gibt es strafprozessualeVorschriften, die diese Vertrauensbeziehungen un-ter besonderen Schutz stellen. Das ist klassischerechtsstaatliche Praxis, ein Gesetz regelt einenSachverhalt. Keine rechtsstaatliche Praxis ist es,wenn bestimmte Institutionen wie die Kirche auf-grund besonderer Näheverhältnisse zu anderenInstitutionen oder deren Vertretern, wie zum Bei-spiel der verflossenen Landesregierung, Sonder-rechte eingeräumt bekommen, die nirgendwo imGesetz stehen und sie besserstellen als vergleich-bar potenziell Betroffene.

Lassen Sie mich an dieser Stelle zwei Dinge ganzklar deutlich machen, denn das ist Kern unseresheutigen Anliegens: Sonderrechte kraft besondererBeziehung sind rechtsstaatsunwürdig. VereinbarteSonderrechte für religiöse Gemeinschaften erwar-ten wir von der AfD-Fraktion in einer Theokratie imIran, aber sicherlich nicht in einem demokratischenFreistaat.

Ob solche Sonderrechte angesichts der schriftli-chen Zusage von 2013 bereits vereinbart sind,möchten wir mit unserem Berichtsersuchen an dieLandesregierung herausfinden.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Siehätten vielleicht den Artikel mal zu Ende le-sen sollen!)

Aber der Anlass für unseren Antrag hat eben da-rüber hinausgehend noch eine weitere Dimension.So war in einem Beitrag der „Thüringischen Lan-deszeitung“ vom 27. Februar 2018 zu lesen, dasshochrangige Vertreter der Evangelischen KircheThüringens mit der Landesregierung vereinbarenwollen, welche Räume in kirchlichen Einrichtungengrundsätzlich gar nicht vom Staat durchsucht wer-den dürfen. Da muss ich sagen, dass hier mit einerziemlichen Dreistigkeit besondere Beziehungen ge-nutzt werden, um gegenüber allen anderen Bürgernund Institutionen in diesem Freistaat bessergestelltzu werden. Das ist inakzeptabel. Was da gefordertwird, meine Damen und Herren, ist keine Kleinig-keit. Faktisch geht es um die Vereinbarung rechts-freier Räume, die das Gesetz schlicht und ergrei-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9781

(Ministerin Siegesmund)

Page 98: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

fend nicht vorsieht. Dieses Gesetz gilt selbstver-ständlich auch für die Evangelische Kirche.

(Beifall AfD)

Jeder Demokrat im Amt, der es mit dem verfas-sungsrechtlichen Gebot der Gesetzmäßigkeit derVerwaltung ernst nimmt, muss diese Herausforde-rung mit aller Entschiedenheit umgehend zurück-weisen.

(Beifall AfD)

Und da habe ich ehrlich gesagt ein Wahrneh-mungsproblem gehabt. Ich weiß nämlich bis heutenicht, wie die Landesregierung gedenkt, mit dieserForderung der beiden Kirchenmänner umzugehen.Ich hoffe, dass die Landesregierung in dieser Sa-che im Interesse des Rechtsstaats den Vorrang desGesetzes achtet und die Forderungen nach rechts-freien Räumen – so wenig und so beschränkt dassein mag – zurückweist. Ich hoffe, dass geradeauch angesichts der zum Teil verstörenden Rück-meldungen aus dem Lager der Regierungsfraktio-nen, die in der Presse nachzulesen waren, denendie guten Beziehungen zur Kirche und eine über-moralische Attitüde offensichtlich wichtiger sind alsdie Gesetzmäßigkeit der Verwaltung,

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE: Siehaben ja wohl nicht alle Latten am Zaun!)

die Bewertung der Landesregierung klarer ausfällt,deutlicher ausfällt und rechtsstaatlicher ausfällt. Indiesem Sinne blicken wir gespannt auf die Äuße-rung der Landesregierung und freuen uns auf eineangeregte Debatte.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Frau Abgeordnete Berninger, ich bitte Sie, sich inIhrem Wortgebrauch etwas zu zügeln. Wir kommenjetzt, nachdem die Landesregierung angekündigthat, nicht von der Möglichkeit zum SofortberichtGebrauch zu machen, zur Beratung und ich rufeauf den Abgeordneten Helmerich von der SPD-Fraktion.

Abgeordneter Helmerich, SPD:

Sehr verehrter Herr Präsident, sehr verehrte Kolle-gen und Kolleginnen, sehr verehrte Zuschauer, dieAfD entlarvt sich mit diesem Antrag wieder einmalselbst.

(Zwischenruf Abg. Höcke, AfD: Das hattenwir gehofft!)

Sie stellt einen Antrag mit der Bitte um Information,gibt sich aber selbst schon die Antwort, die sie vonder Landesregierung gar nicht kennt, und versucht,die Landesregierung dann mit einer Art Vorwurf zuüberhäufen, es würde hier rechtsfreie Räume ge-

ben. Es gibt definitiv nirgends rechtsfreie Räume,die gibt es nicht. Es gibt aber geschützte Räume.Ein geschützter Raum ist beispielsweise eine Steu-erkanzlei, ein geschützter Raum ist eine Rechtsan-waltskanzlei, die auch durchsucht werden darf, al-lerdings

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ohne Vorin-formation!)

ist das so durchzuführen, dass die anwaltliche Ver-schwiegenheit, die geschützten Rechte der Man-danten nicht beeinträchtigt werden. Genauso ist esbei den Kirchen. Was Sie machen, ist ein General-angriff gegen die Kirchen. So sieht das aus, so istes.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ach! KönnenSie das näher ausführen?)

Ich freue mich auf die Berichterstattung der Lan-desregierung. Wir werden sehen, dass die Bedro-hungskulisse, die hier von Ihnen aufgeblasen wird,wie in vielen anderen Themen auch – Weltunter-gangsfantasien, Zusammenbrüche, alles, was mansich überhaupt vorstellen kann. Und nur so könnenSie im Übrigen auch Ihre Wählerklientel an sich bin-den, indem Sie diesen ständig Angst machen, hiereinen Popanz aufblasen,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das habe ichvon meinem ehemaligen Kreisvorsitzenden!)

der überhaupt nicht da ist.

Die Berufsgruppen der Pfarrer und der Dekane sindauch Berufsgruppen, die in einem Ermittlungsver-fahren und in Strafverfahren dem Strafrecht unter-worfen sind. Sie haben allerdings – wie ich bereitseingangs sagte – Verschwiegenheitsrechte. DieseVerschwiegenheitsrechte gegenüber ihrem Klientel,gegenüber der Mandantschaft, das ist der ge-schützte Raum, um den es hier geht. Hier bin ichfroh, dass ich in einem Rechtsstaat leben darf, derdas respektiert. Ich glaube, wenn Sie hier das Sa-gen haben, dann werden wir diese geschütztenRäume verlieren und mit einem Rechtsstaat wirddas nichts mehr zu tun haben. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Bernin-ger für die Fraktion Die Linke das Wort.

Abgeordnete Berninger, DIE LINKE:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren der demokratischen Fraktionen,mit dem vorliegenden Antrag betreibt die AfD dasübliche Spiel. Mit der Behauptung, den Rechtsstaatgegen die „Altparteien“ verteidigen zu wollen, ver-folgt die rechtspopulistische Fraktion genau dasZiel, ihn auszuhöhlen, meine Damen und Herren.

9782 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Möller)

Page 99: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Im vorliegenden Fall will die rechtspopulistischeAfD damit gleich zwei Fliegen mit einer Klappeschlagen: einmal das Kirchenasyl als rechtswidrigdiskreditieren und zum Zweiten die Kirche als mitsogenanntem „Linksextremismus“ verstrickt in Ver-ruf bringen. Beides weise ich namens meiner Frak-tion entschieden zurück, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist unsklar!)

Wie so oft wird dieses Ziel nicht vordergründig imAntragstext selbst, sondern in der Begründungdeutlich, die wie immer vor Falschbehauptungenund Unterstellungen nur so strotzt. Die AfD behaup-tet, „Mit einem ,Schriftwechsel‘ […] [sei] der Evan-gelischen Kirche eine ,kurzfristige‘ Unterrichtung imFalle von Ermittlungsmaßnahmen [zugesagt wor-den], die in Räumen der Kirche bzw. in Räumenvon Pfarrern durchgeführt werden“. Sie konstruiert,durch eine solche angebliche Vereinbarung sei„nicht auszuschließen, dass sie die Behinderungpolizeilicher Ermittlungsmaßnahmen oder gar Straf-vereitelung ermöglichen.“ Die Fake-News-Fraktionberuft sich dabei auf einen Beitrag in der „Thüringi-schen Landeszeitung“, lässt aber die dort ebenfallsberichtete Tatsache weg, dass diese Unterrichtungeben nicht vor Beginn der Ermittlungsmaßnahmenstattfindet. In dem Bericht wird der Superintendentdes Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Jena,Herr Neuß, zitiert: „Bei solchen Razzien sei dasLandeskirchenamt ,frühzeitig […] bei Eintritt der Er-mittlungsmaßnahmen‘ zu unterrichten, ,damit dasSeelsorgegeheimnis entsprechend geschützt‘ wer-den könne.“ Dass ein Vertreter der Kirchenverwal-tung informiert werden soll, dient nämlich genau da-zu: Es soll jemand den Ermittelnden – salopp ge-sagt – auf die Finger schauen, damit der Schutzdes Seelsorgegeheimnisses gewährleistet ist. Mei-ne Damen und Herren, dass Ermittlungen nicht ge-fährdet werden, belegen die bereits durchgeführtenRazzien in der Vergangenheit, von denen beispiels-weise auch in dem erwähnten Bericht in der TLZdie Rede ist.

Die Fraktion Die Linke im Thüringer Landtag teiltdie Auffassung, dass bestmöglicher Schutz desSeelsorgegeheimnisses von Pastorinnen und Pas-toren auch im Rahmen von Ermittlungs- und Straf-verfahren gewährleistet werden muss. Dieser sen-sible Bereich verlangt es, dass jede Person, diesich in einem Seelsorgegespräch einem Seelsorgeranvertraut, darauf vertrauen kann – vertrauen kön-nen muss –, dass diese Inhalte nicht gegen ihrenWillen Dritten bekannt werden. Unsere Fraktion un-terstützt daher die Bemühungen der EvangelischenKirche in Mitteldeutschland, eine entsprechendeVereinbarung mit dem zuständigen Thüringer Mi-nisterium zum Schutz der Seelsorgerinnen undSeelsorger zu erwirken. Darüber hinaus muss aus

Sicht der Linken im Zusammenhang mit Ermitt-lungs- und Strafverfahren auch bei anderen Berufs-geheimnisträgerinnen ein verantwortlicher Umgangseitens Polizei- und Justizbehörden erfolgen, wasMaßnahmen der Strafverfolgung und der Gefahren-abwehr betrifft. Gerade bei Journalisten und Jour-nalistinnen, Anwälten und Anwältinnen, Psychothe-rapeutinnen und Psychotherapeuten und Ärztinnenund Ärzten bedarf es einer sorgfältigen Abwägung.Der besonderen Schutzbedürftigkeit muss stetsRechnung getragen werden und es muss auchstets das Verhältnismäßigkeitsgebot beachtet wer-den. Dass eine Staatsanwaltschaft bei einem Seel-sorger in Thüringen eine Razzia durchführt, bei dersie vorgibt, dies nur aus Entlastungsgründen zutun, weckt bei uns zumindest Zweifel an der Ver-hältnismäßigkeit.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Da sind wiruns doch einig!)

Schließlich wird die betroffene Person gleich drei-fach belastet:

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Da müssenwir reinrufen: das Justizministerium!)

– Hören Sie zu, Herr Fiedler! Sie können sich danngern zu Wort melden. – einmal durch das Ermitt-lungsverfahren als solches, zum Zweiten durch dieöffentliche Berichterstattung und drittens durch einedamit einhergehende mögliche Vorverurteilung undeben den schweren Grundrechtseingriff mit derDurchsuchung in der eigenen Privatsphäre sowieder seelsorgerischen Diensträume, obwohl bekanntwar, dass der Verteidiger des Betroffenen angekün-digt hatte, ein gesuchtes Entlastungsvideo im Rah-men des Prozesses selbst einführen zu wollen.

Problematisch, meine Damen und Herren, wird esdann, wenn im Rahmen des Antragsverfahrens fürden Durchsuchungsbeschluss der Schutzstatus garnicht gewürdigt wird, sondern lediglich von Ge-schäftsräumen die Rede ist. Hier kommt eine be-sondere Verantwortung dann auch den Amtsgerich-ten zu, die entsprechend vorgelegten Durchsu-chungsanträge sorgfältig auf ihre Erforderlichkeitund Angemessenheit auch unter Berücksichtigungdes Schutzstatus der Berufsgeheimnisträgerinnenzu überprüfen und im Zweifel dies auch abzuleh-nen, meine Damen und Herren.

Die zweite Behauptung in der Begründung des An-trags der rechtspopulistischen AfD, Kirchenasylhöhle den Rechtsstaat aus, ist eine infame Un-terstellung, meine Damen und Herren.

(Beifall DIE LINKE)

In der Charta der neuen „Sanctuary-Bewegung“ inEuropa verpflichten sich die Beteiligten – Zitat –:„[…] dort, wo eine Abschiebung droht, und damitdie Würde und das Leben von Menschen in Gefahrist, Flüchtlinge in unseren Gemeinden aufzuneh-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9783

(Abg. Berninger)

Page 100: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

men und zu schützen […], bis eine annehmbare Lö-sung für sie gefunden ist.“

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Diese Charta erneuert die Charta von Groningenaus 1987, in der etwas deutlicher formuliert war,worum es beim Kirchenasyl geht, nämlich darum,Flüchtlinge, denen die Abschiebung droht, aufzu-nehmen und zu schützen, falls zu erwarten ist, dasssie keine menschliche Behandlung erfahren und dieQualität ihres weiteren Lebens ernsthaft beeinträch-tigt wird. Das ist in sehr vielen Fällen, in denen Kir-chenasyl, in sogenannten Dublin-Fällen, gewährtwird, der Fall, dass nämlich das Leben dieser Men-schen ernsthaft gefährdet ist, weil sie in unmensch-liche und menschenunwürdige Situationen zurück-geschickt werden sollen.

Es handelt sich quasi um eine Härtefallregelung,der sich die Kirchen aus ihrem Anspruch herausverpflichtet fühlen, für Menschen in Not, für Schutz-suchende Partei zu ergreifen. Es ist in der großenMehrzahl der Kirchenasyle keineswegs so, dassdamit Recht außer Kraft gesetzt würde. Im Gegen-satz zur Behauptung der rechtspopulistischen AfDsind die Kirchenasyl gewährenden Gemeinden an-ders als die Behörden davon überzeugt, dass diebetroffenen Menschen nach geltendem Recht nichtabgeschoben werden dürfen, da Gefahr für Leibund Leben oder eine sonstige unzumutbare Härtedrohen.

Ich möchte an dieser Stelle aus einer Handreichungfür die Evangelische Kirche in Mitteldeutschlandaus dem Jahr 2009 zitieren: „In diesem Zusammen-hang ist zu bedenken, dass ‚Kirchenasyl‘ sich nichtgegen die Rechtsordnung als solche richtet. ‚Kir-chenasyl‘ gewährende Gemeinden wollen im Ge-genteil dem Recht dort Geltung verschaffen, wo diestaatliche Handhabung diesem nicht gerecht zuwerden scheint, und eine Überprüfung der staatli-chen Anordnung erreichen. Sie entschließen sichaufgrund einer christlich motivierten Gewissensent-scheidung zu einem begrenzten und nicht intendier-ten Regelverstoß.

(Beifall BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Dabei berufen sie sich auf Artikel 4 des Grundge-setzes in Verbindung mit Artikel 140 GG, Arti-kel 137 Abs. 3 WRV, in denen die Freiheit desGlaubens, des Gewissens und des religiösen undweltanschaulichen Bekenntnisses und das Selbst-bestimmungsrecht der Kirchen garantiert werden.“

Meine Damen und Herren, die rechtspopulistischeFraktion behauptet in ihrem Antrag, es gebe – Zi-tat –: „[…] wie etwa im Falle der Jungen Gemeindein Jena - eine Vernetzung bestimmter Kirchenkreisebeispielsweise mit Linksextremisten […]“. Sie unter-mauert diese Verleumdung dadurch, dass sie be-hauptet, diese Behauptung sei eine Tatsache. Undsie geht noch weiter mit ihren Versuchen, die Kir-

chen in Verruf zu bringen. Es drohe nämlich, dasses infolge der behaupteten – Zitat – „[…] Sonder-vereinbarung zwischen dem Freistaat Thüringenund der Evangelischen Kirche zur Etablierung vonder Rechtsdurchsetzung sich entziehenden Rück-zugsräumen auch für Straftäter kommt.“ Das, mei-ne Damen und Herren, ist nicht nur üble Nachrede,wie sie in § 186 Strafgesetzbuch geregelt und mitStrafe bedroht ist, sondern ich nenne das übelsteNachrede, meine Damen und Herren. Meines Er-achtens sind wir hier auch ganz nah beim Tatbe-stand der Verleumdung. Ich würde den Kirchenempfehlen, das mal nachzuprüfen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Sehr geehrte Damen und Herren der demokra-tischen Fraktionen, was zahlreiche Kirchenvertre-ter/-innen und eben gerade auch die Junge Ge-meinde in Jena mit ihrem Jugendpfarrer Lothar Kö-nig machen, ist Unterstützung antirassistischen undantifaschistischen Engagements – ja, auch gegendie AfD. Es ist der Support von Menschen, dieSchutz suchen oder sich in einer Notlage befinden,und es ist das Engagement für die Einhaltung hu-manitärer Werte, die eben gleichzeitig auch christli-che Werte sind.

(Beifall CDU)

Dass diese Werte der AfD fremd sind, dass sie mitden Werten der Rechtspopulist/-innen, die ja häufigauch gleichzeitig Rassist/-innen und Ausländerfein-de sind, nicht vereinbar sind, das wird in einer Bro-schüre deutlich, die erst kürzlich vom katholischenEchter Verlag publiziert wurde. „Christliches in derAfD“ heißt sie und enthält fast ausschließlich leereSeiten. Von der letzten der 32 leeren Seiten möchteich zitieren: „Wir haben recherchiert und herausge-funden: da gibt es nichts, gar nichts [Christliches inder AfD]. Sie können blättern, so viel Sie wollen: Esgibt nichts.“

Meine Damen und Herren der demokratischenFraktionen, die üblen Nachredner/-innen von derrechtspopulistischen AfD behaupten, durch die Kir-chen und den Freistaat Thüringen würde „ein Legiti-mitätsanspruch über die Legalität des Rechtsgestellt“ und die Verfassung infrage gestellt. Das istabsurd und eine Frechheit. Ich empfehle diesen Ab-geordneten und ihren Mitarbeiter/-innen, mal fol-gende Begriffe nachzuschlagen und tatsächlichauch zu lesen: Rechtsstaat, Berufsgeheimnisträger,Zeugnisverweigerungsrecht, Seelsorgegeheimnis,Verhältnismäßigkeit. Und ich empfehle die Lektüredes Grundgesetzes. Vielen Dank.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

9784 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Berninger)

Page 101: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Heroldvon der AfD-Fraktion das Wort.

Abgeordnete Herold, AfD:

Vielen Dank, Herr Präsident. Sehr geehrte Damenund Herren Abgeordnete, liebe Besucher auf derTribüne und Zuschauer im Internet, ich hatte in denletzten paar Minuten wirklich so ein – Wie soll mansagen? – Déjà-vu, Flashback. Ich bin ja alt genug,um zu sagen, ich habe fast drei Jahrzehnte meinesLebens in der DDR verbracht. Ich habe mich gera-de just wieder so gefühlt wie im FDJ-Lehrjahr oderzu einer Pionierleiterschulung,

(Beifall AfD)

wo einem so richtig erst mal bewiesen wurde, wieman die Welt zu sehen hat. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kalich, DIE LINKE: In derKristallnacht mit Fackeln durch Erfurt!)

Was die AfD-Fraktion am heutigen Tag hier bean-tragt, ist nichts anderes als eine Selbstverständlich-keit. Ich finde es mehr als verwunderlich, dass sichderartige Widerstände gegen unseren Antrag bilden– verwunderlich, aber nicht überraschend. Die poli-tische Linke in diesem Haus – Herr Mohring, ichwäre so glücklich, wenn Sie mir auch zuhören wür-den. Danke schön.

(Heiterkeit DIE LINKE)

(Unruhe CDU)

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Man muss Frau Herold nicht zuhören, HerrMohring!)

Der politischen Linken in diesem Haus scheint esnicht möglich zu sein, mehr als die antragstellendeFraktion und die Überschrift unseres Antrags zurKenntnis zu nehmen. Dass es um die politischeKultur in diesem Haus schlecht bestellt ist und auchin diesem Land, merkt man daran, dass Marxistenund die Rechtsnachfolger der SED nun die größtenVerteidiger der Rechte der Kirchen in Deutschlandund Thüringen sein wollen. Die Linke hat wahr-scheinlich völlig vergessen, dass 70 Prozent derEinwohner Thüringens, und zwar der, die schonlänger hier leben, religiös überhaupt nicht mehr ge-bunden sind.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Was wohl nicht schön ist!)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Was wohlnicht schön ist? Das haben Sie gar nicht zubewerten!)

Zum Antrag selbst: Es wird beantragt, dass dieLandesregierung dem Landtag darüber Bericht er-stattet, erstens, welche Vereinbarungen, Verabre-dungen oder Zusagen es zwischen dem Freistaat

Thüringen und Religionsgemeinschaften im Zusam-menhang mit Hausdurchsuchungen oder mit demBetreten von Räumlichkeiten anlässlich von Ermitt-lungsverfahren oder zur Gefahrenabwehr existie-ren, zweitens, auf welcher Rechtsgrundlage ent-sprechende Vereinbarungen, Verabredungen oderZusagen basieren, und drittens, wer seitens derLandesregierung solche Erklärungen autorisiertoder abgegeben hat. Da sich herausstellen dürfte,dass solche Absprachen, sollte es sie tatsächlichgeben, nichts anderes sind, als eine nicht zu recht-fertigende Sonderbehandlung von Glaubensge-meinschaften, da eine entsprechende Rechtsgrund-lage fehlt, beantragen wir darauf aufbauend, solchebilateralen Vereinbarungen unverzüglich zu been-den.

(Beifall AfD)

Auslöser dafür war in der Tat eine der monatlichwohl stattfindenden Durchsuchungen in den Räum-lichkeiten der Jungen Gemeinde in Jena.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Hören Sie auf, hier solche Lügen zu verbrei-ten!)

Die Ermittlungsbehörden und die Thüringer Polizeihatten es nämlich tatsächlich gewagt, eine Durch-suchung durchzuführen, ohne vorher das Landes-kirchenamt zu informieren. Die Berichterstattung,die folgt, ist ein beispielloses Zeugnis für die Aufga-be wichtiger Grundpfeiler unseres Rechtssystemsim hilflosen Umgang des Freistaats Thüringen mitden Kirchen im Allgemeinen und der Jungen Ge-meinde in Jena insbesondere.

(Beifall AfD)

Der Superintendent des Evangelisch-LutherischenKirchenkreises Jena, Herr Sebastian Neuß, be-schwert sich in einem Gespräch mit der „Thüringi-schen Landeszeitung“ zunächst über die Haus-durchsuchung ohne Vorwarnung, um dann ausdem Nähkästchen zu plaudern. Nach seinen Anga-ben habe das Justizministerium bereits 2013 tat-sächlich zugesagt, dass im Zuge der Durchsuchungbei Pfarrern im Freistaat kurzfristig der für die Pfar-rer zuständige Personaldezernent im Landeskir-chenamt unterrichtet wird. Was dabei „kurzfristig“bedeuten soll, kann Herr Neuß ebenfalls sehr ge-nau sagen. Bei Razzien sei das Landeskirchenamtfrühzeitig, das heißt unverzüglich bei Eintritt der Er-mittlungsmaßnahmen, zu unterrichten.

Meine Damen und Herren, Sie werden sich allenoch gut daran erinnern, welcher schrecklicheSkandal vor ein paar Jahren Deutschland erschüt-tert hat, als es um die Aufdeckung systematischenund über Jahre verdeckten Kindesmissbrauchs inEinrichtungen der Katholischen Kirche ging. Dawurde genau das kritisiert, dass die Kirche an die-ser Stelle systematisch geschwiegen und die Ver-

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9785

Page 102: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

dächtigen gedeckt und geschont hat. An dieserStelle hätte ich gern gewusst, wie Sie darüber ge-dacht hätten, wenn jemand gefordert hätte, vorDurchsuchungen in kirchlichen Räumen hinsichtlichdieses Missbrauchsskandals die Betroffenen vorherüber die Durchsuchung zu informieren.

(Zwischenruf Abg. Emde, CDU: Sie vermi-schen schon wieder die Tatsachen!)

Die geradezu wahnwitzige Begründung, die HerrNeuß für seine Forderungen geliefert hat, heißt,dass damit das Seelsorgegeheimnis entsprechendgeschützt werden könne. Das muss man sich malauf der Zunge zergehen lassen. Ich bitte hier auchdie Zuhörer und Zuschauer noch mal um besonde-re Aufmerksamkeit.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Die können jetzt abschalten!)

Hier wird vom Superintendenten des Evangelisch-Lutherischen Kirchenkreises Jena bestätigt, dasses zwischen dem Thüringer Justizministerium undmindestens der Evangelischen Kirche, wenn nichtsogar mit weiteren Glaubensgemeinschaften, einemehr oder minder formelle Abmachung gibt, dassdie Kirchenverwaltung vorab informiert wird, wennes Hausdurchsuchungen in Räumlichkeiten der Kir-che geben soll.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Eben nicht!)

Es gab in Erfurt vor vielen Jahren auch mal den Falleiner Moscheegemeinde, die vom Verfassungs-schutz beobachtet wurde. Ich weiß nicht, ob diedurchsucht worden sind und ich weiß auch nicht, obdie vorher informiert worden sind,

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Sie wissen wahrscheinlich garnichts!)

aber interessant wäre das schon mal.

(Beifall AfD)

Die Abmachung soll dabei selbstverständlich demSchutz des Seelsorgegeheimnisses dienen. HerrNeuß entlarvt sich mit seiner nächsten Äußerung,dass es nach seiner Auffassung nicht im Ermessender Durchsuchungsbehörde, also der staatlichenOrgane, liegt, was das Seelsorgegeheimnis ist undwas nicht. Ja, wo leben wir denn? Leben wir dennschon in einem Gottesstaat?

(Beifall AfD)

Meine Damen und Herren, das Seelsorgegeheim-nis: Wer es glaubt, wird selig. Davon abgesehen,dass Herr Neuß offenbar ein mehr als problemati-sches Verhältnis zum Rechtsstaat pflegt, muss mansich vorstellen, was solche Aussagen in letzterKonsequenz eigentlich bedeuten. Sollte am morgi-

gen Tage den entsprechenden Behörden in Thürin-gen etwas bekannt werden, dass es Missbrauchs-fälle gibt – ich hatte das Beispiel gerade schon ge-bracht, das gibt es ja auch in evangelischen Ge-meinden –, müsste nach der wohl bestehenden Ab-machung

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Alles Mutmaßungen, alles Un-terstellungen!)

zwischen Justizministerium und Kirche bei Eintrittder Ermittlungsmaßnahmen, jedoch jedenfalls voreiner Durchsuchung der Räumlichkeiten des soge-nannten Seelsorgers die Kirchenverwaltung infor-miert werden.

(Zwischenruf Abg. Herrgott, CDU: VölligerUnfug!)

Dass bei solchen Benachrichtigungen immer ein Ri-siko existiert, dass Tatverdächtige bzw. Beschuldig-te vorab über Untersuchungen informiert werden,ist nicht von der Hand zu weisen. Wir hatten das jaauch vor ein paar Jahren auch irgendwo im Zusam-menhang im Bundestag mit einem gewissen Abge-ordneten einer gewissen Partei, der dem Bundes-tag heute nicht mehr angehört. Da gab es dannauch eine Serie von Rücktritten und wechselseiti-gen Beschuldigungen und irgendein Dienstlaptopist auf rätselhafte Weise beizeiten verschwunden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Was hat das mit Kirche zu tun?)

Sebastian Neuß und sein Kollege Christian Wagner

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Christhard! Wenigstensden Namen könnten Sie richtig ausspre-chen!)

– Ach, Frau Rothe-Beinlich, wenn einem die Bot-schaft nicht gefällt, schlägt man auf den Botenein. –, sein Kollege Christhard Wagner, Beauftrag-ter der Evangelischen Kirchen beim Landtag undder Landesregierung, fordern, dass es zwischendem Freistaat und den Kirchen eine Vereinbarunggeben muss, wonach ganze Räume in kirchlichenEinrichtungen dem Zugriff durch staatliche Behör-den entzogen werden. Wie muss man sich das vor-stellen? Als eine Art exterritoriales Gebiet? Gibt esda eine eigene Botschaft? Diese dürften danngrundsätzlich gar nicht vom Staat durchsucht wer-den, wie es in der TLZ vom 27. Februar heißt.

(Zwischenruf Abg. Rothe-Beinlich, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN: Darum geht es überhauptnicht!)

Angesichts der Tatsache, dass es, wie etwa im Fallder Jungen Gemeinde in Jena, eine Vernetzung be-stimmter Kirchenkreise beispielsweise mit Linksex-tremisten gibt oder mit der geduldeten Praxis, dasssich Migranten ohne Bleiberecht durch eine Flucht

9786 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Herold)

Page 103: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

in das Kirchenasyl dem Zugriff des Rechtsstaatesentziehen, darf es solche Vereinbarungen nicht ge-ben. Darum geht es nämlich genau, unter anderem.Ja, es kann nicht sein, dass irgendwo ein Staat imStaate existiert, wo die Regeln, die für alle gelten,für gewisse Leute nicht mehr gelten. Das erinnertmich schon wieder an George Orwell: „Alle Tieresind gleich, aber die Schweine sind gleicher.“

(Beifall AfD)

(Zwischenruf Abg. Dr. Hartung, SPD: Dakennen Sie sich aus!)

Eine Aushöhlung des Rechtsstaats durch dieSchaffung von de facto rechtsfreien Räumen mussunterbunden werden. Wo ein Legitimitätsanspruchirgendwelcher Religionen – und hier sind aus-nahmslos alle Glaubensgemeinschaften gemeint –über die Legalität des Rechts gestellt wird, wirdletztlich die Verfassung infrage gestellt. Für denVerfassungsstaat gilt, die Berufung auf religiöse,kirchliche Legitimität gegenüber der bloßen Legali-tät des Rechts zerstört die Grundlage des staatli-chen Gemeinwesens.

Präsident Carius:

Frau Abgeordnete Herold, gestatten Sie eine Zwi-schenfrage des Abgeordneten Herrgott?

Abgeordnete Herold, AfD:

Zum Schluss. Forderungen auch seitens der Kir-chen, die in eine entsprechende Richtung wirken,sind vom Rechtsstaat entschieden zurückzuweisen.

(Beifall AfD)

Präsident Carius:

Herr Abgeordneter Herrgott, ich glaube, der Rede-schluss ist schon da.

Abgeordneter Herrgott, CDU:

Frau Kollegin Herold, haben Sie gerade die großenKirchen in Deutschland mit Schweinen gleichge-setzt?

Abgeordnete Herold, AfD:

Nein! Herr Kollege Herrgott, habe ich nicht,

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Ja, hat sie!)

(Zwischenruf Abg. Harzer, DIE LINKE: Ja,hat sie!)

ich habe gesagt, das Vorgehen erinnert mich schonwieder an George Orwell und die „Farm der Tiere“.Ich habe einen Autor zitiert und der hat gesagt: „Al-le Tiere sind gleich!“, und das heißt auch, alle Tieresind vor dem Recht gleich, aber die Schweine, die

ja bekanntlich Milch und Äpfel gefressen haben, ha-ben sich in diesem System herausgenommen, glei-cher zu sein. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. König-Preuss, DIE LINKE:Sie haben es mit den beiden Kirchen vergli-chen!)

(Unruhe DIE LINKE)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Steigern Siesich nur rein!)

Präsident Carius:

Danke schön. Als Nächste hat Abgeordnete Rothe-Beinlich von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünendas Wort.

Abgeordnete Rothe-Beinlich, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr geehrtenDamen und Herren, ich glaube, argumentativer Pü-rierstab wäre noch eine freundliche Umschreibungfür das, was wir hier gerade erleben mussten.

Ich schäme mich, das will ich ganz deutlich sagen.Ich möchte mich im Namen des Thüringer Landtagsbeim Beauftragten der Evangelischen KircheChristhard Wagner dafür entschuldigen, wie hierohne jede Sachkenntnis über ihn vom Pult hergezo-gen wurde, anders kann ich es leider nicht sagen.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

(Zwischenruf Abg. Wolf, DIE LINKE: Dasmüsste doch der Präsident machen!)

Frau Herold, Sie haben ja überhaupt nichts verstan-den. Wenn Sie dann beispielhaft anführen, dass esmal eine Moscheegemeinde gab, die vom Verfas-sungsschutz überwacht wurde, und da – Sie wissenes ja nicht – vielleicht Durchsuchungen durchge-führt wurden, muss ich konstatieren, dass Sie janoch nicht mal verstanden haben, dass es einTrennungsgebot gibt, und zwar aus guten Gründen.Sie haben überhaupt nichts verstanden, weder wasdie Rolle von Kirche noch was die Verwendung be-stimmter Begrifflichkeiten anbelangt.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Dass wir hier vom „Staat im Staate“ hören müssen,wenn es um Religionsgemeinschaften geht – viel-leicht überlegen Sie wirklich noch mal, was Sie hiergerade gesagt haben. Eine derartige Verächtlich-machung von Religion habe ich nicht mal in derDDR erleben müssen.

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9787

(Abg. Herold)

Page 104: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die AfDhat hier einen Antrag eingereicht, den sie über-schrieben hat mit „Aushöhlung des Rechtsstaatsstoppen“. Der Schutz von Menschen vor Lebensge-fahr gehört zum kirchlichen Kernauftrag, sagte derdamalige Vorsitzende des Rates der EvangelischenKirche, Nikolaus Schneider, 2014. Sein katholischerKollege Kardinal Marx ergänzte: „Weit davon ent-fernt den Rechtsstaat in Frage zu stellen, könnenKirchenasyle einen Beitrag dazu leisten, das obers-te Ziel des Rechts zu verwirklichen: den Schutz derMenschenwürde.“

(Beifall DIE LINKE, BÜNDNIS 90/DIE GRÜ-NEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich werdedann auch noch näher darauf eingehen, Legalitätbedeutet nicht immer auch die Legitimität einer Ent-scheidung. Wenn sich Kirchgemeinden für dieSchutzgewährung aus Glaubens- und Gewissen-gründen entscheiden, dann tun sie das mit gutenGründen, weil sie einen Verstoß aus einer christli-chen Grundhaltung heraus wahrgenommen habenund sie Menschen in Not helfen wollen, aus Res-pekt übrigens vor dem Gebot der Nächstenliebe.

Ich kenne keine einzige Kirchengemeinde, dieleichtfertig mit dem Schutz von geflüchteten Men-schen umgeht, die von besonderer Härte betroffensind.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Wir schon!)

Es soll sich eben kein eigenständiges, neben demRechtsstaat stehendes Institut bilden, sondern essoll die christlich-humanitäre Tradition gewahrt wer-den. Daher zeigen Kirchengemeinden – Hören Siejetzt gut zu! – dem Bundesamt für Migration undFlüchtlinge stets den Fall an, wenn Menschen beiihnen Schutz gefunden haben. Ohne Anerkennungeiner Rechtspflicht, auf rein freiwilliger Basis kön-nen die zuständigen staatlichen Stellen die Angele-genheiten dann noch einmal prüfen. Den Kirchen-gemeinden, die sich derart für extreme Härtefälleengagieren, gebührt unsere Anerkennung und keinArgwohn.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Sie besitzen keinerlei rechtliche Handhabe und be-anspruchen keinen rechtsfreien Raum. Es wird derkirchlichen Beistandspflicht für bedrängte Men-schen nachgekommen oder um es mit DietrichBonhoeffer auszudrücken „dem Rad in die Spei-chen fallen“, eben ohne das Gewaltmonopol desStaates infrage zu stellen.

Aber es geht ja gar nicht nur um das sogenannteKirchenasyl. Es geht auch um die Frage der Seel-sorge und auch über die haben Sie sich ja verächt-lich in einer Art und Weise geäußert, dass es michschauert, sodass ich hoffe, dass Sie niemals Seel-

sorge in Anspruch nehmen müssen. Seelsorgerin-nen und Seelsorger haben zu Menschen, die ihnenpersönliche Informationen preisgegeben, ein recht-lich geschütztes Vertrauensverhältnis und könnensich auf das Beichtgeheimnis berufen. Dieses darfauch nicht dadurch ausgehöhlt werden, dass beiDurchsuchungen von Diensträumen Aufzeichnun-gen und Datenträger beschlagnahmt werden, diefür das laufende Verfahren nicht von Bedeutungsind oder die auch ohne Durchsuchung einfach derErmittlungsbehörde ausgehändigt werden können.Und – Jetzt hören Sie mir gut zu! – das Bundesver-fassungsgericht stellt extrem hohe Anforderungenan die Beachtung der Verhältnismäßigkeit beiDurchsuchung, Sicherstellung und Beschlagnahmevon Datenträgern und lässt bei besonders grobenVerstößen gegen diesen Verhältnismäßigkeits-grundsatz die gerichtliche Verwertung der Beweis-mittel nicht zu. Es bedarf also gar nicht irgendwel-cher Vereinbarungen zwischen dem Staat und Reli-gionsgemeinschaften, um diese unter Schutz zustellen, sondern dieser ergibt sich unmittelbar ausdem Gesetz. Die individuelle sowie gemeinwohlbe-zogene Bedeutung der rechtlich geschützten Ver-trauensverhältnisse zwischen Seelsorgerinnen bzw.Seelsorgern und Menschen, die sich ihnen anver-traut haben, hat Verfassungsrang, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren. Da können Sie jetzt la-chen oder feixen, aber es kommt schlichtweg einerVerhöhnung des Rechtsstaats gleich, werte Abge-ordnete der AfD, wenn Sie meinen, vor seiner Aus-höhlung im Zusammenhang mit kirchlichen Tätig-keiten warnen zu müssen. Das Gegenteil ist derFall. Es ist nämlich genau darauf zu achten, dassGrundrechte nicht eingeschränkt werden und Ein-griffe streng am Grundsatz der Verhältnismäßigkeitgemessen werden. Dem Antrag der AfD kann mannicht zustimmen. Vielen herzlichen Dank.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Nun hat Abgeordneter Herrgott vonder CDU-Fraktion das Wort.

Abgeordneter Herrgott, CDU:

Meine sehr verehrten Damen und Herren! VerehrteKollegen von der AfD-Fraktion, das war ja heuteschon mal wieder eine Glanzleistung hier.

(Zwischenruf Abg. Herold, AfD: Ja, das se-hen wir auch so!)

Wenn ich mir die Überschrift Ihres Antrags durchle-se „Die Aushöhlung des Rechtsstaats stoppen –keine Privilegien für die Etablierung rechtsfreierRäume in den Kirchen“ dann klingt das ja ziemlichdramatisch,

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Ist es auch!)

9788 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Rothe-Beinlich)

Page 105: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

hat aber leider extrem wenig Substanz. Der Po-panz, den Sie hier aufführen, fällt bei genauerer Be-trachtung aber recht schnell in sich zusammen. Daswill ich Ihnen auch gern noch in ein paar Sätzen mitauf den Weg geben. Denn, was wollen Sie unsheute hier eigentlich weismachen mit diesem Wort-beitrag von Ihnen, Kollege Möller, und von Ihnen,Frau Herold? Sie wollen uns weismachen, es gebehier Geheimabsprachen mit den Kirchen, dass die-se im Vorfeld von Durchsuchungen immer infor-miert würden und dass damit die Möglichkeit be-stünde, Beweise beiseitezuschaffen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Aber dassteht doch…!)

So viel zur Wunschvorstellung. Kollege Möller, Siemüssen dann die Texte auch richtig lesen und sichmal richtig informieren.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Helfen Sieuns mal bei der Exegese!)

Da helfe ich Ihnen gleich gern auf die Sprünge, einbisschen zuhören. Sie haben auch noch Redezeit,da können Sie noch mal vorkommen. Denn wiesieht es in der Realität aus, in der Realität abseitsIhrer Wunschvorstellungen, in Ihrem AfD-Dunst-kreis und Ihrem kleinen Spiegelzimmer, wo Sie sichgern selbst betrachten und beweihräuchern:

(Beifall CDU)

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Das ist eingroßes Spiegelzimmer!)

Die Realität ist leider ein bisschen anders. Es gibteine informelle Vereinbarung zum Schutz des Seel-sorgegeheimnisses. Was das Seelsorgegeheimnisist, muss ich Ihnen jetzt nicht noch einmal erklären.Das haben die Vorrednerinnen bereits ausführlichgetan. Diese Vereinbarung besagt – so auch die di-rekte Information von den Kirchen, die Sie sich imÜbrigen hätten auch holen können –, dass es beiDurchsuchungen eine zeitnahe Information zu demZeitpunkt gibt, zu dem eine Strafvereitelung nichtmehr möglich ist. Diese Information dient lediglichdazu, eine Teilnahme kirchlicher Vorgesetzter derentsprechenden Beschuldigten, bei denen durch-sucht wird, bei der Durchsuchung zu ermöglichen,um das Seelsorgegeheimnis zu wahren.

Kollege Möller, Sie haben entsprechende schutz-würdige Interessen, neben dem Seelsorgegeheim-nis das besondere Verhältnis zwischen Arzt undPatienten und Ähnliches, hier aufgezählt. Bei derBeschäftigung mit diesem Antrag hätten Sie sichdiese Frage eigentlich selbst beantworten können,haben Sie aber leider nicht getan. Das Seelsorge-geheimnis und der Schutz des Seelsorgegeheim-nisses sind nämlich in unserem Land zum Glückvöllig selbstverständlich.

(Beifall DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN)

Kollege Möller, wie hätte man das alles erfahrenkönnen, was ich Ihnen jetzt so kurz zusammenge-fasst erzählt habe? Sie hätten das erfahren könnenmit einem einfachen Anruf bei den Kirchen.

(Zwischenruf Abg. Möller, AfD: Also auf Zu-ruf!)

Dann hätte man Ihnen die Klarheit verschafft, Klar-heit darüber, dass es keinen formellen Vertrag gibt,wie Sie hier suggerieren, irgendwelche Geheimab-sprachen, Illuminati und Hinterzimmergeschichten –alles völliger Quark –, und Sie hätten auch Klarheitdarüber erlangt, wie das Seelsorgegeheimnis in derkonkreten informellen Absprache geschützt werdensoll. Hätten Sie alles erfahren mit einem einzigenAnruf, hätten Sie uns jetzt hier etwa eine dreiviertelStunde kostbare Lebenszeit erspart. Leider habenSie das nicht getan. Schade für unsere Lebenszeit.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Aber da die Lebenszeit leider schon einmal rum ist,meine Damen und Herren von der AfD, will ich Ih-nen gern auch noch einmal etwas zum Kirchenasylerklären und das noch ein bisschen einordnen,auch das, was meine Vorrednerinnen hier gesagthaben, was nicht alles so den Tatsachen entspricht.Das haben Sie jetzt zwar in Ihrem Antrag in der Be-gründung so als letzten Satz noch ein bisschen hin-tendran geklatscht. Es bedarf aber dennoch einerdeutlichen Erläuterung.

Die Notwendigkeit des Kirchenasyls wurde und wirdvon Kirchenvertretern bisher immer damit begrün-det, dass es in einem bestimmten Einzelfall einezusätzliche Überprüfungsmöglichkeit bei besonde-ren Härten geben muss. Für diese Fälle, die vonder reinen gesetzlichen Lehre und der Umsetzungin der Praxis eben leider nicht vollumfänglich er-fasst werden, sollte es eine zweite Prüfinstanz ge-ben – dazu gibt es auch eine Absprache vom Bun-desamt für Migration und Flüchtlinge –, ohneRechtscharakter – falls Sie dann von Ihren Kolle-gen im Bundestag demnächst eine Anfrage stellenwollen, erkläre ich es Ihnen gleich – besondere Fäl-le auf Anregung der Kirchen noch einmal einge-hend in einer Art zusätzlichen Prüfschleife überprü-fen zu lassen. Alles öffentlich einsehbar, alles mitdrei entsprechenden Google-Suchanfragen, auchfür Sie, sofort zu erahnen. Das ist jedoch nur ent-sprechend begründbar, diese zweite Prüfinstanz,auch durch das BAMF in den Ländern, wo es keinebesonderen Regelungen nach § 23a Abs. 2 desAufenthaltsgesetzes seit 2005 gibt. Was ist der Pa-ragraf? Er regelt die Einrichtung der sogenanntenHärtefallkommission. Auch diese Kommission sollteIhnen aus Thüringen heraus sehr gut bekannt sein,denn die Härtefallkommission stellt eine zusätzliche

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9789

(Abg. Herrgott)

Page 106: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Prüfinstanz neben den Prüfungen des BAMF inThüringen dar, wo Härtefälle noch einmal entspre-chend vorgelegt werden können. Da sitzen Parla-mentarier drin und da sitzen auch ausreichend Ver-treter der Zivilgesellschaft drin, auch der großenKirchen. Die nehmen dann eine Einzelfallprüfungvor.

Wie diese Prüfung vorgenommen wird, darüberkann man sich wahrlich streiten, ob dieses Gre-mium immer zu hart, zu leicht, zu weich oder zuwenig intensiv prüft. In Thüringen sagen uns aberdie Zahlen, dass ein sehr hoher Anteil dieser Härte-fälle, die dort vorgelegt werden, auch angenommenwird.

Hier in Thüringen ist das nämlich bewährte Praxismit der Härtefallkommission. Durch die Bildung die-ser Härtefallkommission wird die Prüfung der be-sonderen Härten in Thüringen mit einem ausrei-chenden Spielraum gewährleistet. Das ist gut so,dass hier der Einzelfall noch mal geprüft wird, aberdas sagt auch Folgendes: Denn mit dieser Härte-fallkommission – und das richtet sich jetzt an dieKollegen der drei regierungstragenden Fraktionen –fehlt einem Kirchenasyl in Thüringen nicht nur derrechtliche, sondern auch der inhaltliche Begrün-dungspunkt und die Voraussetzung.

(Zwischenruf Abg. Berninger, DIE LINKE:Nein, das stimmt nicht, das ist falsch!)

Denn wenn Sie so argumentieren, dann können Siesich noch 15 verschiedene Gremien ausdenken, wonach der Ablehnung im ersten, im zweiten, im drit-ten, im vierten immer wieder der Einzelfall noch malgeprüft werden könnte, egal aus welcher Gemein-schaft dieser Antrag kommt. Es gibt eine Instanz inThüringen, die nach der endgültigen Ablehnungnoch einmal den Härtefall prüft und diese Instanzist die richtige, die Härtefallkommission. Deswegenlassen Sie mich ganz deutlich sagen: Kirchenasyl inThüringen ist und bleibt ein nicht tolerierbarerRechtsbruch,

(Beifall CDU)

und Rechtsbrüche, meine Damen und Herren, leh-nen wir als CDU-Fraktion klar ab. Danke.

(Beifall CDU)

Präsident Carius:

Danke schön, Herr Abgeordneter Herrgott. Jetzt ha-be ich keinen weiteren Abgeordneten, sodass ichder Regierung, Herrn Staatssekretär von Ammondas Wort erteile.

von Ammon, Staatssekretär:

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damenund Herren Abgeordnete, ich sehe es als Aufgabeder Landesregierung an, auch nach einer emotio-

nalen Debatte immer wieder sachlich Stellung zunehmen. Ich gebe zu, nach dieser Aussprache undauch nach dem Wortlaut des Antrags fällt es mir alsevangelischer Christ schwer, die gebotene Sach-lichkeit zu wahren. Ich werde mich aber darum be-mühen.

Mit dem vorliegenden Antrag wird die Landesregie-rung um Berichterstattung dazu gebeten, welche –auch formlosen – Vereinbarungen, Verabredungenoder Zusagen zwischen dem Freistaat Thüringenund Religionsgemeinschaften im Zusammenhangmit der Durchsuchung und dem Betreten vonRäumlichkeiten anlässlich von Ermittlungsverfahrenoder zur Gefahrenabwehr existieren und was ge-nau deren Inhalt ist. Zu diesem schon sprachlich et-was unglücklich gefassten Antrag kann ich mittei-len, dass im TMMJV ein Fall einer entsprechendenVerständigung bekannt ist.

Sie wurde auf Bitte der Präsidentin des Landeskir-chenamts der Evangelischen Kirche in Mittel-deutschland mit dem damaligen Justizminister imJahr 2012 geschlossen. Diese Verständigung hatfolgenden Inhalt: Bei Ermittlungsmaßnahmen, vondenen ein Pfarrer betroffen ist, werde kurzfristig derzuständige Personaldezernent im Landeskirchen-amt unterrichtet. Diese Unterrichtung solle mög-lichst frühzeitig – und jetzt bitte ich um Aufmerk-samkeit –, jedoch nicht vor Beginn der Ermittlungs-maßnahme stattfinden. Klargestellt wurde weiter-hin, dass über die Frage, ob und wann die Staats-anwaltschaft das Landeskirchenamt über substan-ziierte Vorwürfe gegen Pfarrer bzw. über konkreteErmittlungsmaßnahmen bereits während des Er-mittlungsverfahrens unterrichten werden, nur je-weils im Einzelfall entschieden werden kann. Ent-scheidend hierbei ist immer, dass die strafrechtli-chen Ermittlungen nicht gefährdet werden. Eine Un-terrichtung des Landeskirchenamts werde dahererst dann in Betracht kommen, wenn die Beweis-mittel gesichert seien bzw. die Ermittlungsmaßnah-men, wie zum Beispiel eine Durchsuchung, bereitsangefangen hätten. Schließlich wurde seitens desThüringer Justizministeriums erklärt, dass gegendie Anwesenheit eines Personaldezernenten odereines anderen Vertreters des Landeskirchenamtsbei Durchsuchungsmaßnahmen keine grundsätzli-chen Einwände bestünden. Es müsse hierbei abergesichert sein, dass der Inhaber des Hausrechtsdes durchsuchten Objekts mit der Anwesenheit ei-ner dritten Person einverstanden sei. Soweit zumInhalt.

Der Präsidentin des Landeskirchenamts wurde da-mals zugesagt, die vorgenannten Grundsätze in dernächsten Dienstbesprechung mit dem General-staatsanwalt und den Leitenden Oberstaatsanwäl-ten vorzustellen und um entsprechende Sensibili-sierung der Staatsanwälte zu bitten, die derartigeErmittlungsmaßnahmen anordnen oder durchfüh-ren. Diese Zusage wurde eingehalten, das Thema

9790 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Abg. Herrgott)

Page 107: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

war Gegenstand der Tagung der Leitenden Ober-staatsanwältinnen und Leitenden Oberstaatsanwäl-te mit dem Generalstaatsanwalt und Vertretern desThüringer Justizministeriums, die am 18. und19. November 2013 in Erfurt stattfand. Mit Minister-schreiben vom 7. Januar 2014 wurde der Präsiden-tin des Landeskirchenamts mitgeteilt, dass die An-gelegenheit nochmals aufgegriffen und erörtert wor-den sei. Es sei daher gewährleistet, dass dieStaatsanwaltschaften bei der Wahrnehmung ihrerAufgaben die berechtigten Interessen der Evangeli-schen Kirche in Mitteldeutschland entsprechendden eben genannten Grundsätzen berücksichtigenwerden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, erlaubenSie mir noch ein paar Ausführungen zu dem rechtli-chen Rahmen, in dem sich diese Vereinbarung be-wegt. Ich denke, Ausführungen in rechtlicher Hin-sicht sind schon deswegen veranlasst, weil in demAntrag davon die Rede ist, dass der Rechtsstaatausgehöhlt werde, dass rechtsfreie Räume entstün-den und dass es rechtsstaatswidrige Privilegierun-gen gebe. Ich denke, es bedarf keiner weiteren Er-läuterung, dass ich solchen Unterstellungen vehe-ment entgegentrete. Ich denke auch, man sollte beisolchen Anträgen berücksichtigen, welchen Vorwurfman da impliziert, nämlich dass sich ThüringerRichter und Staatsanwälte, die einen Eid auf dieVerfassung geschworen haben, rechtsstaatswidrigverhalten würden.

(Zwischenruf Abg. Adams, BÜNDNIS 90/DIEGRÜNEN: Starker Tobak wäre das!)

Die geschilderten Verständigungen geben die gel-tende Rechtslage wieder und greifen nicht inGrundrechte ein. Sie sind vielmehr vor dem Hinter-grund des verfassungsrechtlich verankerten undstrafverfahrensrechtlich ausgestalteten SchutzesGeistlicher als Berufsgeheimnisträger zu sehen.Der Schutz des seelsorgerischen Gesprächs mit ei-nem Geistlichen ist Ausfluss des Schutzes derMenschenwürde. Geistliche sind berechtigt, überdas, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Seelsorgeranvertraut worden oder bekannt geworden ist, dasZeugnis zu verweigern. Sie genießen in diesemUmfang zudem Beschlagnahmeschutz. Auch ande-re Ermittlungsmaßnahmen sind grundsätzlich unzu-lässig, wenn sie sich gegen einen nicht selbst be-schuldigten oder sonst in bestimmter Weise in dieTaten anderer verstrickten Geistlichen richten undvoraussichtlich Erkenntnisse erbringen würden,über die der Geistliche das Zeugnis verweigerndürfte. So weit zum strafprozessualen und zum ver-fassungsrechtlichen Rahmen.

Auch unter dem Gesichtspunkt des Datenschutzesergeben sich gegen die Vereinbarung keine Beden-ken. Die Übermittlung personenbezogener Datendes Beschuldigten kann sich auf §§ 12, 14 Abs. 1Nummer 4 und 5 des Einführungsgesetzes zum

Gerichtsverfassungsgesetz stützen. Danach ist dieÜbermittlung unter anderem dann zulässig, wenndie Kenntnis der Daten aus Sicht der übermitteln-den Stelle für dienstrechtliche Maßnahmen oderMaßnahmen der Aufsicht, falls der BetroffeneGeistlicher oder Beamter einer Kirche ist, für dieEntscheidung über eine Kündigung oder eine ande-re arbeitsrechtliche Maßnahme oder für eine Ent-scheidung über eine Amtsenthebung erforderlich istund die Daten auf eine Verletzung von Pflichtenschließen lassen, die bei der Ausübung des Berufsoder der Wahrnehmung der Aufgaben aus demAmtsverhältnis zu beachten sind, oder in andererWeise geeignet sind, Zweifel an der eigenen Zuver-lässigkeit oder Befähigung hervorzurufen.

Was schließlich das grundsätzliche Einverständnismit der Anwesenheit eines Personaldezernentenangeht, gestattet die Strafprozessordnung in § 106Abs. 1 dem Inhaber der zu durchsuchenden Räumeoder Gegenstände, bei der Durchsuchung anwe-send zu sein. Der Inhaber kann einen anderen mitder Wahrnehmung dieses Rechts beauftragen. Fol-gerichtig hat die Vereinbarung das grundsätzlicheEinverständnis mit der Anwesenheit des Personal-dezernenten unter dem Vorbehalt des Einverständ-nisses des Wohnungsinhabers gestellt.

Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeord-neten, ich hoffe, es ist deutlich geworden, dass eskeine Vereinbarung mit Religionsgemeinschaftengibt, die außerhalb von Recht und Gesetz steht.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Der Antrag auf Aufhebung einer derartigen Verein-barung geht deswegen ins Leere. Vielen Dank.

(Beifall CDU, DIE LINKE, SPD, BÜNDNIS90/DIE GRÜNEN)

Präsident Carius:

Danke schön. Weitere Wortmeldungen sehe ichnicht. Damit schließe ich jetzt die Aussprache undwir kommen zur Abstimmung über den Antrag. EineAusschussüberweisung ist in der Debatte nicht be-antragt worden. Nein. Doch, Herr Möller?

Abgeordneter Möller, AfD:

Nein, aber ich beantrage die namentliche Abstim-mung.

Präsident Carius:

Gut, dann stimmen wir namentlich über den Antragder AfD-Fraktion ab und ich bitte, die Stimmkarteneinzusammeln.

Hatte jetzt jeder die Gelegenheit zur Stimmabgabe?Ich sehe keinen Kollegen mehr rennen, offensicht-lich scheint das der Fall zu sein. Ich schließe damit

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9791

(Staatssekretär von Ammon)

Page 108: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

den Abstimmungsvorgang und bitte um Auszäh-lung.

Wir haben ein Ergebnis. Es wurden 76 Stimmenabgegeben, davon 8 Jastimmen, 68 Neinstimmen,keine Enthaltungen (namentliche Abstimmung sie-he Anlage 2). Damit ist der Antrag mit Mehrheit ab-gelehnt.

(Beifall DIE LINKE)

Ich schließe damit diesen Tagesordnungspunkt undauch die heutige Sitzung. Ich darf Sie daran erin-

nern: Morgen werden wir mit Tagesordnungs-punkt 4 die Sitzung gegen 9.00 Uhr eröffnen. Herz-lichen Dank. Einen schönen Heimweg, bis morgen.

Ende: 18.11 Uhr

9792 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

(Präsident Carius)

Page 109: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Anlage 1

Namentliche Abstimmung in der 113. Sitzungam 21. März 2018 zum Tagesordnungspunkt 3

Siebtes Gesetz zur Änderung des ThüringerBlindengeldgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 6/4802 -hier: Entschließungsantrag der Fraktion der CDU- Drucksache 6/5460 -

1. Adams, Dirk(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nein

2. Becker, Dagmar (SPD) nein3. Berninger, Sabine (DIE LINKE) nein4. Blechschmidt, André (DIE LINKE) nein5. Bühl, Andreas (CDU) ja6. Carius, Christian (CDU) ja7. Dittes, Steffen (DIE LINKE) nein8. Emde, Volker (CDU) ja9. Engel, Kati (DIE LINKE) nein

10. Fiedler, Wolfgang (CDU) ja11. Floßmann, Kristin (CDU) ja12. Geibert, Jörg (CDU)13. Gentele, Siegfried (fraktionslos)14. Grob, Manfred (CDU) ja15. Gruhner, Stefan (CDU) ja16. Hande, Ronald (DIE LINKE) nein17. Hartung, Dr. Thomas (SPD) nein18. Harzer, Steffen (DIE LINKE) nein19. Hausold, Dieter (DIE LINKE) nein20. Helmerich, Oskar (fraktionslos) nein21. Henfling, Madeleine

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

22. Henke, Jörg (AfD) ja23. Hennig-Wellsow, Susanne

(DIE LINKE)nein

24. Herold, Corinna (AfD) ja25. Herrgott, Christian (CDU) ja26. Hey, Matthias (SPD) nein27. Heym, Michael (CDU) ja28. Höcke, Björn (AfD) ja29. Holbe, Gudrun (CDU) ja30. Holzapfel, Elke (CDU) ja31. Huster, Mike (DIE LINKE) nein32. Jung, Margit (DIE LINKE) nein33. Kalich, Ralf (DIE LINKE) nein34. Kellner, Jörg (CDU) ja35. Kießling, Olaf (AfD) ja36. Kobelt, Roberto

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

37. König-Preuss, Katharina (DIE LINKE) nein38. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) nein39. Kowalleck, Maik (CDU) ja40. Kräuter, Rainer (DIE LINKE) nein41. Krumpe, Jens (fraktionslos)42. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) nein43. Kummer, Tilo (DIE LINKE) nein44. Kuschel, Frank (DIE LINKE) nein45. Lehmann, Annette (CDU)

46. Lehmann, Diana (SPD) nein47. Leukefeld, Ina (DIE LINKE) nein48. Lieberknecht, Christine (CDU) ja49. Liebetrau, Christina (CDU) ja50. Lukasch, Ute (DIE LINKE) nein51. Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) nein52. Malsch, Marcus (CDU) ja53. Martin-Gehl, Dr. Iris (DIE LINKE)54. Marx, Dorothea (SPD)55. Meißner, Beate (CDU) ja56. Mitteldorf, Katja (DIE LINKE) nein57. Mohring, Mike (CDU) ja58. Möller, Stefan (AfD)59. Mühlbauer, Eleonore (SPD) nein60. Muhsal, Wiebke (AfD) ja61. Müller, Anja (DIE LINKE) nein62. Müller, Olaf

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

63. Pelke, Birgit (SPD) nein64. Pfefferlein, Babett

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

65. Pidde, Dr. Werner (SPD) nein66. Primas, Egon (CDU)67. Reinholz, Jürgen (fraktionslos)68. Rietschel, Klaus (AfD) ja69. Rosin, Marion (SPD)70. Rothe-Beinlich, Astrid

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

71. Rudy, Thomas (AfD) ja72. Schaft, Christian (DIE LINKE) nein73. Scheerschmidt,Claudia (SPD) nein74. Scherer, Manfred (CDU) ja75. Scheringer-Wright, Dr. Johanna

(DIE LINKE)nein

76. Schulze, Simone (CDU) ja77. Skibbe, Diana (DIE LINKE) nein78. Stange, Karola (DIE LINKE) nein79. Tasch, Christina (CDU) ja80. Taubert, Heike (SPD) nein81. Thamm, Jörg (CDU) ja82. Tischner, Christian (CDU) ja83. Voigt, Dr. Mario (CDU) ja84. Walk, Raymond (CDU) ja85. Walsmann, Marion (CDU) ja86. Warnecke, Frank (SPD) nein87. Wirkner, Herbert (CDU) ja88. Wolf, Torsten (DIE LINKE) nein89. Worm, Henry (CDU) ja90. Wucherpfennig, Gerold (CDU) ja

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9793

Page 110: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

91. Zippel, Christoph (CDU) ja

9794 Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018

Page 111: Thüringer Landtag Plenarprotokoll 6/113 6. Wahlperiode 21.03 · Thüringer Gesetz über die Re-gelung der Rechtsverhältnisse der Richter und Staatsanwälte im Landesdienst sowie

Anlage 2

Namentliche Abstimmung in der 113. Sitzungam 21. März 2018 zum Tagesordnungspunkt 12

Die Aushöhlung des Rechtsstaats stoppen –keine Privilegien für die Etablierungrechtsfreier Räume in den KirchenAntrag der Fraktion der AfD- Drucksache 6/5389 -

1. Adams, Dirk(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

nein

2. Becker, Dagmar (SPD) nein3. Berninger, Sabine (DIE LINKE) nein4. Blechschmidt, André (DIE LINKE) nein5. Bühl, Andreas (CDU) nein6. Carius, Christian (CDU) nein7. Dittes, Steffen (DIE LINKE) nein8. Emde, Volker (CDU) nein9. Engel, Kati (DIE LINKE) nein

10. Fiedler, Wolfgang (CDU) nein11. Floßmann, Kristin (CDU) nein12. Geibert, Jörg (CDU) nein13. Gentele, Siegfried (fraktionslos) nein14. Grob, Manfred (CDU) nein15. Gruhner, Stefan (CDU) nein16. Hande, Ronald (DIE LINKE) nein17. Hartung, Dr. Thomas (SPD) nein18. Harzer, Steffen (DIE LINKE) nein19. Hausold, Dieter (DIE LINKE) nein20. Helmerich, Oskar (SPD) nein21. Henfling, Madeleine

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

22. Henke, Jörg (AfD) ja23. Hennig-Wellsow, Susanne

(DIE LINKE)nein

24. Herold, Corinna (AfD) ja25. Herrgott, Christian (CDU) nein26. Hey, Matthias (SPD) nein27. Heym, Michael (CDU) nein28. Höcke, Björn (AfD) ja29. Holbe, Gudrun (CDU) nein30. Holzapfel, Elke (CDU) nein31. Huster, Mike (DIE LINKE) nein32. Jung, Margit (DIE LINKE)33. Kalich, Ralf (DIE LINKE) nein34. Kellner, Jörg (CDU) nein35. Kießling, Olaf (AfD) ja36. Kobelt, Roberto

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

37. König-Preuss, Katharina (DIE LINKE) nein38. Korschewsky, Knut (DIE LINKE) nein39. Kowalleck, Maik (CDU) nein40. Kräuter, Rainer (DIE LINKE) nein41. Krumpe, Jens (fraktionslos)42. Kubitzki, Jörg (DIE LINKE) nein43. Kummer, Tilo (DIE LINKE) nein44. Kuschel, Frank (DIE LINKE) nein45. Lehmann, Annette (CDU)46. Lehmann, Diana (SPD) nein47. Leukefeld, Ina (DIE LINKE)48. Lieberknecht, Christine (CDU)

49. Liebetrau, Christina (CDU)50. Lukasch, Ute (DIE LINKE) nein51. Lukin, Dr. Gudrun (DIE LINKE) nein52. Malsch, Marcus (CDU) nein53. Martin-Gehl, Dr. Iris (DIE LINKE)54. Marx, Dorothea (SPD)55. Meißner, Beate (CDU) nein56. Mitteldorf, Katja (DIE LINKE) nein57. Mohring, Mike (CDU) nein58. Möller, Stefan (AfD) ja59. Mühlbauer, Eleonore (SPD) nein60. Muhsal, Wiebke (AfD) ja61. Müller, Anja (DIE LINKE) nein62. Müller, Olaf

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

63. Pelke, Birgit (SPD) nein64. Pfefferlein, Babett

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

65. Pidde, Dr. Werner (SPD) nein66. Primas, Egon (CDU)67. Reinholz, Jürgen (fraktionslos)68. Rietschel, Klaus (AfD) ja69. Rosin, Marion (CDU) nein70. Rothe-Beinlich, Astrid

(BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)nein

71. Rudy, Thomas (AfD) ja72. Schaft, Christian (DIE LINKE) nein73. Scheerschmidt,Claudia (SPD) nein74. Scherer, Manfred (CDU) nein75. Scheringer-Wright, Dr. Johanna

(DIE LINKE)nein

76. Schulze, Simone (CDU) nein77. Skibbe, Diana (DIE LINKE)78. Stange, Karola (DIE LINKE) nein79. Tasch, Christina (CDU) nein80. Taubert, Heike (SPD) nein81. Thamm, Jörg (CDU)82. Tischner, Christian (CDU) nein83. Voigt, Dr. Mario (CDU)84. Walk, Raymond (CDU) nein85. Walsmann, Marion (CDU)86. Warnecke, Frank (SPD) nein87. Wirkner, Herbert (CDU)88. Wolf, Torsten (DIE LINKE) nein89. Worm, Henry (CDU) nein90. Wucherpfennig, Gerold (CDU) nein91. Zippel, Christoph (CDU) nein

Thüringer Landtag - 6. Wahlperiode - 113. Sitzung - 21.03.2018 9795