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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 2/31 2. Wahlperiode 22. Februar 1996 31. Sitzung Donnerstag, den 22. Februar 1996 Erfurt, Plenarsaal Thüringer Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die 2334 Schiedsstellen in den Gemeinden Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/707 - dazu: Beschlußempfehlung des Justiz- und Europaausschusses - Drucksache 2/890 - ZWEITE BERATUNG Nach Berichterstattung und Aussprache wird die Beschlußempfehlung des Justiz- und Europaausschusses - Drucksache 2/890 - mit Mehrheit angenommen. Der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/707 - wird unter Berücksichtigung der Annahme der Beschlußempfehlung - Drucksache 2/890 - in ZWEITER BERATUNG und in der Schlußabstimmung jeweils einstimmig angenommen. Thüringer Gesetz über die staatliche Anerkennung sozialpädagogischer 2336 Berufe Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/867 - ERSTE BERATUNG Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/867 - an den Ausschuß für Soziales und Sport - federführend -, den Bildungsausschuß und den Ausschuß für Wissen- schaft, Forschung und Kultur überwiesen. Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Justiz- und Europaausschuß wird mit Mehrheit abgelehnt. Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes 2339 Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/908 - ERSTE BERATUNG Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/908 - an den Ausschuß für Wissenschaft, Forschung und Kultur - federführend - und den Haushalts- und Finanz- ausschuß überwiesen. Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Justiz- und Europaausschuß und den Bildungsausschuß wird jeweils mit Mehrheit abgelehnt. Landesentschädigung für Zwangsausgesiedelte 2355 Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Drucksache 2/880 - dazu: Alternativantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 2/916 - Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Druck- sache 2/880 - mit Mehrheit angenommen.

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Thüringer Landtag Plenarprotokoll 2/31 2. Wahlperiode 22. Februar 1996

31. Sitzung

Donnerstag, den 22. Februar 1996

Erfurt, Plenarsaal

Thüringer Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die 2334Schiedsstellen in den GemeindenGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/707 -dazu: Beschlußempfehlung des Justiz- und Europaausschusses

- Drucksache 2/890 -ZWEITE BERATUNG

Nach Berichterstattung und Aussprache wird die Beschlußempfehlung des Justiz- und Europaausschusses- Drucksache 2/890 - mit Mehrheit angenommen.

Der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/707 - wird unter Berücksichtigung der Annahmeder Beschlußempfehlung - Drucksache 2/890 - in ZWEITER BERATUNG und in der Schlußabstimmungjeweils einstimmig angenommen.

Thüringer Gesetz über die staatliche Anerkennung sozialpädagogischer 2336BerufeGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/867 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/867 - anden Ausschuß für Soziales und Sport - federführend -, den Bildungsausschuß und den Ausschuß für Wissen-schaft, Forschung und Kultur überwiesen.

Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Justiz- und Europaausschuß wird mit Mehrheit abgelehnt.

Zweites Gesetz zur Änderung des Thüringer Hochschulgesetzes 2339Gesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/908 -ERSTE BERATUNG

Nach Begründung und Aussprache wird der Gesetzentwurf der Landesregierung - Drucksache 2/908 - anden Ausschuß für Wissenschaft, Forschung und Kultur - federführend - und den Haushalts- und Finanz-ausschuß überwiesen. Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Justiz- und Europaausschuß undden Bildungsausschuß wird jeweils mit Mehrheit abgelehnt.

Landesentschädigung für Zwangsausgesiedelte 2355Antrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/880 -dazu: Alternativantrag der Fraktion der PDS

- Drucksache 2/916 -

Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Druck-sache 2/880 - mit Mehrheit angenommen.

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2322 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Der Alternativantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 2/916 - wird mit Mehrheit abgelehnt.

Die beantragten Ausschußüberweisungen des Antrags der Fraktionen der CDU und SPD - Drucksache2/880 - und des Alternativantrags der Fraktion der PDS - Drucksache 2/916 - an den Justiz- und Europa-ausschuß und den Haushalts- und Finanzausschuß werden jeweils mit Mehrheit abgelehnt.

Sicherstellung der Arbeit der Sozialpädiatrischen Zentren (SPZ) in 2363Thüringen zur ambulanten sozialpädriatischen Behandlung von KindernAntrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/874 -

Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Druck-sache 2/874 - mit Mehrheit angenommen.

Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Ausschuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit, den Haus-halts- und Finanzausschuß, den Bildungsausschuß und den Ausschuß für Soziales und Sport wird jeweilsmit Mehrheit abgelehnt.

Forderungen des Thüringer Landtags an die Regierungskonferenz 1996 der 2368Europäischen Union (Maastricht II)Antrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/889 -dazu: Alternativantrag der Fraktion

der PDS- Drucksache 2/918 -

Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Druck-sache 2/889 - sowie der Alternativantrag der Fraktion der PDS - Drucksache 2/918 - jeweils an denJustiz- und Europaausschuß überwiesen.

Fragestunde 2378

a) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Dr. Klaus (SPD) 2378 Nachförderung von Wasserversorgungs- und Abwasseranlagen - Drucksache 2/839 -

wird von Minister Dr. Sklenar beantwortet. Zusatzfragen.

b) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Lemke (PDS) 2380 Inanspruchnahme von Bundesmitteln für Straßenbauin- vestitionen in Thüringen - Drucksache 2/841 -

wird von Minister Schuster beantwortet. Zusatzfrage.

c) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fiedler (CDU) 2381 Polizeirevier Erfurt-Süd - Drucksache 2/846 -

wird von Minister Dr. Dewes beantwortet. Zusatzfrage.

d) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Friedrich (SPD) 2382 Gründung einer Thüringer Tourismus GmbH - Drucksache 2/850 -

wird vom Abgeordneten Pohl vorgetragen und von Minister Schuster beantwortet. Zusatzfrage.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2323

e) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Scheringer (PDS) 2383 Umwandlung der Bodenverwertungs- und -verwaltungs GmbH (BVVG) - Drucksache 2/858 -

wird von der Abgeordneten Frau Beck vorgetragen und von Minister Dr. Sklenar beantwortet.

f) Die Mündliche Anfrage der Abgeordneten Frau Arenhövel (CDU) 2385 Zukunft der Plattenbauten in Thüringen - Drucksache 2/862 -

wird von Minister Schuster beantwortet. Zusatzfrage.

g) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Mäde (SPD) 2386 Förderung der gewerblichen Tierhaltung - Drucksache 2/866 -

wird von Minister Dr. Sklenar beantwortet. Zusatzfrage.

Der Antrag der Fraktion der SPD, im Ausschuß für Landwirtschaft und Forsten gemäß § 92 GO eineAussprache zu der Mündlichen Anfrage des Abgeordneten Dr. Mäde - Drucksache 2/866 - durchzuführen,wird von mehr als einem Drittel der anwesenden Mitglieder des Landtags unterstützt.

h) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Fiedler (CDU) 2388 Struktur der Beihilfestellen im Freistaat Thüringen - Drucksache 2/869 -

wird von Minister Dr. Dewes beantwortet.

i) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (SPD) 2388 Güterverkehrszentrum Erfurt - Drucksache 2/875 -

wird von Minister Schuster beantwortet.

j) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dr. Müller (SPD) 2389 Wirtschaftsplan der Thüringer Talsperrenverwaltung - Drucksache 2/876 -

wird von Minister Dr. Sklenar beantwortet.

k) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dittes (PDS) 2390 Beschäftigte bei Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfe- gruppen in Thüringen - Drucksache 2/877 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet. Zusatzfrage.

l) Die Mündliche Anfrage des Abgeordneten Dittes (PDS) 2391 Förderung von Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfe- gruppen in Thüringen - Drucksache 2/878 -

wird von Ministerin Frau Ellenberger beantwortet. Zusatzfragen.

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2324 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Aktuelle Stunde 2393

a) auf Antrag der Fraktion der SPD zum Thema: 2393"Rentenanpassung in den neuen Bundesländern"Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags- Drucksache 2/856 -

b) auf Antrag der Fraktion der CDU zum Thema: 2400"Neuere Entwicklungen in den Finanzbeziehungenzwischen Bund und Ländern und deren Auswirkungenauf den Freistaat Thüringen"Unterrichtung durch den Präsidenten des Landtags- Drucksache 2/857 -

Aussprache

Konzept für nachwachsende Rohstoffe 2409Antrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/884 -

Ohne Begründung und nach Aussprache wird der Antrag der Fraktionen der CDU und SPD - Druck-sache 2/884 - an den Ausschuß für Landwirtschaft und Forsten - federführend -, den Wirtschaftsaus-schuß, den Haushalts- und Finanzausschuß und den Ausschuß für Wissenschaft, Forschung und Kulturüberwiesen.

Eine beantragte Ausschußüberweisung an den Umweltausschuß wird mit Mehrheit abgelehnt.

Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur" 2416Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/913 -

Nach Begründung des Antrags der Fraktion der PDS - Drucksache 2/913 - und nach Berichter-stattung durch die Landesregierung zu dem Antrag, der ein Berichtsersuchen zum Gegenstand hat,findet auf Verlangen der Fraktion der PDS gemäß § 106 Abs. 1 GO eine Aussprache zu dem Berichtder Landesregierung statt.

Nach der Aussprache wird eine beantragte Überweisung an den Wirt-schaftsausschuß zur Fortsetzung der Aussprache zu dem mündlichen Bericht mit Mehrheit abge-lehnt.

Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird aufgrund Widerspruchts durch die Fraktion der PDSgemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 GO mit Mehrheit festgestellt.

Stand der Arbeitsplatzsicherung für die Kalibergleute in Bischofferode 2440Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/863 -

Nach Begründung des Antrags der Fraktion der PDS - Drucksache 2/863 - und Berichterstattungdurch die Landesregierung zu dem Antrag, der ein Berichtsersuchen zum Gegenstand hat, findetauf Verlangen der Fraktion der PDS gemäß § 106 Abs. 1 GO eine Aussprache zu dem Bericht derLandesregierung statt.

Die Erfüllung des Berichtsersuchens wird aufgrund Widerspruchs durch die Fraktion der PDSgemäß § 106 Abs. 2 Satz 2 GO mit Mehrheit festgestellt.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2325

Am Regierungstisch:

Ministerpräsident Dr. Vogel, die Minister Althaus, Dr. Dewes, Frau Ellenberger, Kretschmer,Frau Lieberknecht, Dr. Schuchardt, Schuster, Dr. Sklenar, Trautvetter

Rednerliste:

Vizepräsident Friedrich 2327, 2328, 2329, 2330, 2331, 2332, 2333, 2335, 2336, 2337, 2338, 2339, 2341,2342, 2344, 2345, 2346, 2347, 2348, 2350, 2351, 2352, 2354, 2379, 2380, 2381,2382, 2383, 2384, 2385, 2386, 2387, 2388, 2389, 2390, 2391, 2392, 2393, 2394,2395, 2396, 2397, 2398, 2399, 2400, 2401, 2402, 2403, 2404, 2405, 2406, 2408,

2441Vizepräsident Dr. Hahnemann 2348, 2355, 2356, 2357, 2358, 2359, 2360, 2361, 2362, 2366, 2367, 2368, 2370, 2373, 2374, 2375, 2376, 2378, 2409, 2410, 2412, 2413, 2415, 2416, 2417, 2420,

2423, 2426, 2427, 2428, 2429, 2433, 2435, 2436, 2437, 2438, 2439, 2440, 2442,2443, 2444, 2447, 2448, 2449, 2450, 2451, 2452

Frau Arenhövel (CDU) 2385, 2386, 2395Bauch (CDU) 2357, 2359, 2397Frau Bechthum (SPD) 2333Frau Beck (PDS) 2383, 2409, 2442, 2443, 2444Frau Becker (SPD) 2447Böck (CDU) 2444, 2447, 2448Bonitz (CDU) 2359Dr. Dr. Dietz (CDU) 2370Dittes (PDS) 2390, 2391, 2392Enkelmann (SPD) 2346Fiedler (CDU) 2381, 2382, 2388Frau Dr. Fischer (PDS) 2328, 2333, 2354, 2363, 2368, 2417, 2438, 2440, 2452Friedrich (SPD) 2438, 2439Gerstenberger (PDS) 2383, 2417, 2420, 2442, 2448Goedecke (SPD) 2426, 2427, 2428, 2429Dr. Häfner (CDU) 2439Harrer (PDS) 2369, 2376Frau Heymel (SPD) 2399, 2400Höpcke (PDS) 2342, 2344, 2345, 2352, 2450Kachel (PDS) 2330, 2331, 2358, 2359, 2396Kallenbach (CDU) 2348Frau Dr. Klaubert (PDS) 2328, 2329, 2330, 2339, 2347, 2348, 2354, 2368, 2433Frau Dr. Klaus (SPD) 2378, 2379, 2380, 2451Köckert (CDU) 2355, 2400, 2401Kretschmer (CDU) 2415, 2423, 2437Frau Künast (SPD) 2393Lemke (PDS) 2380, 2381, 2440Dr. Mäde (SPD) 2386, 2387, 2388, 2412Dr. Müller (SPD) 2388, 2389Frau Neudert (PDS) 2402Neumann (CDU) 2341Frau Nitzpon (PDS) 2350, 2351Dr. Pidde (SPD) 2403Pohl (SPD) 2327, 2379, 2382, 2406, 2438Preller (SPD) 2435, 2437Frau Raber (SPD) 2337, 2357Schröter (CDU) 2334Schütz (CDU) 2338Schwäblein (CDU) 2361Sonntag (CDU) 2333

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2326 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Stauch (CDU) 2328, 2331, 2438, 2440Frau Thierbach (PDS) 2337, 2394Ulbrich (CDU) 2403, 2404Frau Vopel (CDU) 2366, 2368, 2398Weyh (SPD) 2373, 2415Frau Dr. Wildauer (PDS) 2405Wunderlich (CDU) 2410, 2428, 2429Dr. Zeh (CDU) 2342, 2344, 2345Frau Zimmer (PDS) 2332

Dr. Dewes, Innenminister 2382, 2388Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales und Gesundheit 2336, 2360, 2367, 2368, 2390, 2391, 2392, 2397Kretschmer, Minister für Justiz und Europaangelegenheiten 2335, 2374, 2375, 2376Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft, Forschung und Kultur 2339, 2341, 2351, 2352, 2354Schuster, Minister für Wirtschaft und Infrastruktur 2380, 2381, 2383, 2385, 2386, 2389, 2417, 2436,

2437, 2441, 2449Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft, Naturschutz und Umwelt 2379, 2380, 2384, 2387, 2390, 2413, 2415Trautvetter, Finanzminister 2407Dr. Vogel, Ministerpräsident 2429

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2327

Die Sitzung wird um 9.05 Uhr vom Vizepräsidentendes Landtags eröffnet.

Vizepräsident Friedrich:

Ich möchte Sie zur 31. Plenartagung des Thüringer Land-tags begrüßen. Ich darf die Damen und Herren Ab-geordneten, die Regierungsvertreter und unsere Gäste be-grüßen. Als Schriftführer haben Herr AbgeordneterBraasch und Frau Abgeordnete Becker Platz genommen.Die Rednerliste führt Frau Abgeordnete Becker. Fürdie heutige Sitzung haben sich entschuldigt HerrPräsident Dr. Pietzsch, Frau Abgeordnete Köhler, HerrAbgeordneter Mehle, Herr Abgeordneter Lippmann,Herr Abgeordneter Gentzel, Herr Abgeordneter Dietl.Gestatten Sie mir noch Hinweise auf eine Präsentationund einen parlamentarischen Abend. Im Zusammen-hang mit der Ausstellung "90 Jahre Wintersport inOberhof" im Thüringer Landtag präsentiert sich derVerkehrsverband und die beiden Wintersportvereine derStadt Oberhof an den beiden Plenarsitzungstagen. DieArchitektenkammer Thüringens hat heute zu einemparlamentarischen Abend eingeladen, der nach Ende derPlenarsitzung gegen 19.30 Uhr stattfinden wird.

(Zuruf Abg. Fiedler, CDU: Reden Sie vomselbständigen Ort Oberhof?)

Herr Abgeordneter Fiedler, wissen Sie, es ist noch sehrfrüh am Tag, um mir darüber Gedanken zu machen. Esist noch nicht an der Reihe.

Wir kommen zu Hinweisen zur Tagesordnung. DieTagesordnung, die Ihnen vorliegt, wird wie folgt er-gänzt:

Zu Tagesordnungspunkt 1: Die angekündigte Beschluß-empfehlung des Justiz- und Europaausschusses zu dem"Thüringer Gesetz zur Änderung des Gesetzes über dieSchiedsstellen in den Gemeinden" hat die Druck-sachennummer 2/890.

Zu Tagesordnungspunkt 3: Der angekündigte Gesetz-entwurf der Landesregierung, "Zweites Gesetz zur Än-derung des Thüringer Hochschulgesetzes", hat dieDrucksachennummer 2/809. Umgekehrt, das war einZahlendreher - Drucksache 2/908 -. Es hatte doch Er-folg, meine Damen und Herren, ich wollte nur einmalIhre Aufmerksamkeit testen.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU)

Aber da diese genannte Vorlage nicht in der gesetzlichvorgeschriebenen Zeit eingegangen ist, müssen wir ei-ne Fristverkürzung vornehmen. Ich verweise insoweitauf § 51 Abs. 1 Geschäftsordnung. Wir müssen also die

Fristverkürzung nach § 66 Abs. 1 Geschäftsordnung be-schließen. Gibt es Einspruch gegen eine Fristverkürzung?Das ist offensichtlich nicht der Fall. Dann gilt die Frist-verkürzung als beschlossen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 4: Der ange-kündigte Antrag der Fraktionen der CDU und SPD,"Landesentschädigung für Zwangsausgesiedelte", hatdie Drucksachennummer 2/880. Dazu liegt auch einAlternativantrag der Fraktion der PDS mit der Druck-sachennummer 2/916 vor. Der wird, das höre ichgerade, in der nächsten Zeit noch verteilt.

Zu Tagesordnungspunkt 8, "Einsatz von ozonschicht-schädigenden Substanzen", wurde ein Alternativantragder Fraktionen der CDU und SPD in der - Drucksache2/911 - verteilt.

Zu Tagesordnungspunkt 10, "Erstellung eines Sport-stättenleitplans für den Freistaat Thüringen", wird nochein Alternativantrag der Fraktion der SPD - Druck-sache 2/915 - verteilt werden.

Zu Tagesordnungspunkt 11, "Neuwahl eines stellver-tretenden Mitglieds des Beirats beim Landesbeauftrag-ten für Datenschutz", wurde eine Unterrichtung durchden Präsidenten des Landtags - Drucksache 2/886 -verteilt.

Zu Tagesordnungspunkt 12, "Fragestunde", kommenfolgende Mündlichen Anfragen für die heutige Sitzunghinzu: - Drucksachen 2/875, 2/876, 2/877, 2/878,2/881, 2/882, 2/883, 2/885, 2/887, 2/891, 2/892, 2/893,2/894, 2/897, 2/898, 2/899 und 2/900; für die 32. Ple-narsitzung am 23. Februar 1996 - Drucksache 2/906 -.

Die Mündliche Anfrage der Frau Abgeordneten Bechthum- Drucksache 2/870 - wurde auf Wunsch der Fragestellerinin eine Kleine Anfrage umgewandelt. Dazu liegt Ihneneine Unterrichtung des Präsidenten des Landtags- Drucksache 2/902 - vor.

Wird der Ihnen vorliegenden Tagesordnung und denErgänzungen, die ich Ihnen eben vorgetragen habe, wi-dersprochen bzw. werden Ergänzungen gewünscht? HerrAbgeordneter Pohl bitte und dann Frau AbgeordneteDr. Fischer. Ich hatte zuerst nach links und dann nachrechts geschaut. Bitte, Herr Abgeordneter Pohl.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Herr Präsident, ich bitte um die Aufnahme der nach-folgenden Drucksachen in die Tagesordnung: - Druck-sache 2/889 -, "Forderung des Thüringer Landtags andie Regierungskonferenz 1996 der Europäischen Union(Maastricht II)", und - Drucksache 2/884 -, "Konzept

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2328 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

für nachwachsende Rohstoffe". Ich würde vorschlagen,die eben von mir genannten Tagesordnungspunkte alsTagesordnungspunkte 6 und 7 einzuordnen. Danke.

Vizepräsident Friedrich:

Danke schön. Also Maastricht II als 6 und nachwach-sende Rohstoffe als 7? Ich frage nur noch einmal nach.Danke schön. Frau Abgeordnete Dr. Fischer.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt erstens, den Antrag "Ge-meinschaftsaufgabe Verbesserung der regionalen Wirt-schaftsstruktur" - Drucksache 2/913 - in die Tagesord-nung aufzunehmen und als Tagesordnungspunkt 4 ein-zuordnen. Die Begründung für diesen Punkt wird dieFraktionsvorsitzende Birgit Klaubert geben. Als zwei-tes den Antrag, "Thüringens Haltung im Bundesrat zurbeabsichtigten Verzinsung des Darlehensteils der Aus-bildungsförderung für Studierende" - Drucksache 2/823 -hinter dem jetzigen Tagesordnungspunkt 7 - Drucksa-che 2/863 -, Antrag zu Bischofferode, aufzunehmen.Die Begründung wird der Abgeordnete Steffen Kachelgeben. Und als dritten Punkt, den Antrag "Landesmittelfür Frauenbeschäftigung" - Drucksache 2/901 -, wo zu-sätzlich Fristverkürzung beantragt wird, in die Tages-ordnung aufzunehmen, ebenfalls hinter den jetzigenTagesordnungspunkt 7 - Drucksache 2/863 -. Die Be-gründung wird die Abgeordnete Gabi Zimmer geben.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Stauch, bitte.

Abgeordneter Stauch, CDU:

Herr Präsident, ich bitte darum, den Tagesordnungs-punkt 7 der vorläufigen Tagesordnung, "Stand der Ar-beitsplatzsicherung für die Kalibergleute in Bischof-ferode", falls er bis dahin nicht zur Beratung gelangtsein sollte, heute in jedem Fall als letzten Tagesord-nungspunkt noch aufzurufen. Ich verweise dabei aufein Schreiben des Wirtschaftsministers an den Präsi-denten des Landtags, in dem er darlegt, daß er ammorgigen Tag nur ganz kurzfristig an der Plenarsitzungteilnehmen kann, da er im Auftrag des Ministerpräsi-denten einen Termin mit Bundesminister Töpfer wahr-nimmt. Und der Wirtschaftsminister muß zur Beratungdieses Tagesordnungspunkts in jedem Fall anwesendsein. Wie gesagt, falls er bis dahin nicht zur Beratunggelangt sein sollte, ihn als letzten Tagesordnungspunktder heutigen Tagesordnung aufzurufen. Und ich bitteSie, die - Drucksache 2/913 -, "Gemeinschaftsaufgabe'Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur'", alsvorletzten Punkt der heutigen Tagesordnung aufzuru-fen. Ich denke, das ist einsichtig, da dieser Antrag erst

am gestrigen Tage, am Nachmittag, eingegangen ist.Nach meiner Information ist die Landesregierung ge-willt, den Bericht heute zu geben, hierfür ist aber nochetwas Zeit vonnöten.

Vizepräsident Friedrich:

Bevor wir zu diesen ganzen Fragen kommen, könnenwir uns dahin gehend verständigen, Frau Dr. Fischer:Würde das für Ihre Fraktion hinsichtlich des Letztge-nannten akzeptabel sein? Da brauchen wir nicht abzu-stimmen, daß dieser Tagesordnungspunkt "Gemeinschafts-aufgabe 'Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur'"heute als vorletzter Tagesordnungspunkt drankommt. Esist an der Argumentation etwas dran, Ihr Antrag ist jaerst gestern gekommen.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Es kommen andere Anträge natürlich genauso kurzfri-stig in Schriftform usw., aber darauf will ich jetzt nichteingehen. Wir möchten aber die Anträge alle begrün-den.

Vizepräsident Friedrich:

Das ist völlig klar. Da kommen wir noch hin. Ich willnur versuchen etwas auszuräumen, um möglicherweiseAbstimmungen zu sparen.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Damit sind wir einverstanden.

Vizepräsident Friedrich:

Damit würden Sie einverstanden sein. Herr Stauch,dann brauchen wir diese Frage nicht abzustimmen.Vorausgesetzt, es wird auf die Tagesordnung genom-men, würde dieser Tagesordnungspunkt dann als vor-letzter Tagesordnungspunkt beginnen. Ich schlage vor,wir fangen jetzt erst einmal an mit den Begründungender Anträge seitens der PDS und kommen dann zurAbstimmung. Zuerst bitte ich Frau Dr. Klaubert, zurAufnahme des Tagesordnungspunkts "Gemeinschafts-aufgabe 'Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruk-tur'" in die heutige Tagesordnung zu sprechen. Ichweise nur noch einmal allgemein darauf hin - ich seheSie gar nicht persönlich an, Frau Dr. Klaubert -, wasbei Antragsbegründungen nicht sein soll und was seinsoll.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Danke schön. Herr Präsident, meine Damen und Her-ren, unser Antrag zur Berichterstattung gründet sichauf § 105 der Geschäftsordnung und ist damit zulässig.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2329

Wir haben die Signale empfangen. Wir halten die der-zeit eingetretene Situation, die mehrfachen öffent-lichen Berichterstattungen und vor allem die unklarenAussagen über Gründe und Folgerungen aus dem Nicht-abfließen der Fördermittel für so gewichtig, daß wir denAntrag auf ein Berichtsersuchen gestern nachmittag for-mulierten und ihn heute auf die Tagesordnung setzten.Ich möchte hier gleich erklären: Es geht keinesfalls umeine Personaldebatte, es geht um das Aufdecken vonZusammenhängen.

(Beifall bei der PDS)

Es ist unstrittig, daß Mittel zur Förderung nach derGemeinschaftsaufgabe nicht in Anspruch genommenwurden. Wir werden aber sehr hellhörig, wenn sowohlder Wirtschaftsminister als auch in der gestrigen Pres-severöffentlichung der Ministerpräsident davon ausge-hen, daß die Unternehmer gar nicht investieren wollenund es eigentlich keine hausgemachten Gründe imWirtschaftsministerium geben soll.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:So ist es nicht gesagt worden).

Wir wundern uns schon sehr, wenn der Wirtschafts-minister und neuerdings auch der Finanzminister erklä-ren: Es gehen, weil die Bewilligungen erteilt wurden,keinerlei Mittel verloren. Ja, wem gehen sie nicht ver-loren, muß man sich hier fragen. Unstrittig ist wohl, siegehen nicht den Investoren verloren, die haben mitt-lerweile die Zuwendungsbescheide. Gehen sie aberdem Land hinsichtlich des Bundesanteils verloren?Wie sind die Landeskomplementärmittel des Jahres1995 verwendet worden? Wie wird eine Erhöhung desfinanziellen Ansatzes im Haushaltsjahr 1996 in den Ti-telgruppen 83 bis 87 des Einzelplans 07 "Wirtschafts-förderung im Rahmen der GA" zur Abdeckung der be-reits bewilligten Vorhabenzuschüsse aus 1995 und denVorjahren ...

Vizepräsident Friedrich:

Frau Dr. Klaubert, lassen Sie sich bitte einmal unter-brechen. Ich sage es noch einmal deutlich: Bei einerAntragsbegründung geht es lediglich darum, daß imGrunde die Eilbedürftigkeit des Antrag begründet wird,warum er heute auf dieTagesordnung soll.

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

Selbst beim besten Willen, würde ich sagen, kann ichin Ihrem Vortrag Elemente entdecken der Eilbedürftig-keit, aber wesentlich mehr Elemente zum sachlichenInhalt - und genau die nicht. Ich würde also bitten, sichdaran zu halten.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Das ist ja nun das Problem, daß die sachlichen Gründedafür sprechen, daß es eine Eilbedürftigkeit gibt.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Dann kann man zum Beispiel sagen, ohne daß ich esvorschreiben will: Die von unserer Fraktion noch imnachhinein darzustellenden Sachgründe zwingen zurEilbedürftigkeit und zur Aufnahme in die heutige Ta-gesordnung. Aber ich möchte nicht in den Disput ver-fallen, sondern ich möchte das in Zukunft berücksich-tigt wissen. Bitte fahren Sie fort.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Das wäre ja schon die Andeutung der Chance, daß dietatsächlichen Gründe in dieser Plenarsitzung noch ge-nannt werden dürften. Aber da wissen Sie natürlichauch, wie man da mit manchen Dingen umgeht.

Vizepräsident Friedrich:

Sehen Sie, Frau Dr. Klaubert, das war so ein Schnell-schuß, der immer nach hinten losgeht, denn jetzt be-gründen Sie mir, daß Sie damit möglicherweise rech-nen, daß der Tagesordnungspunkt nicht draufkommtund Sie die Sachdebatte aus diesen Gründen vorher indie Antragsbegründung bringen wollen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Wir können natürlich jetzt ein Zwiegespräch darüberführen, ich möchte aber die Antragsbegründung fort-setzen.

Vizepräsident Friedrich:

Richtig. Aber in dem Sinne wie ich es meine.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir erachtenes als Recht dieses Parlaments und der Öffentlichkeit,eindeutige Aussagen zu erhalten. Denn, meine Damenund Herren, es ist doch nicht so, daß die Unternehmerin Thüringen nicht investieren wollen. Die Presse hatdoch das Beispiel des Unternehmers Volker Wille ausNordhausen gebracht. Es gibt Hochrechnungen desDGB

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2330 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Also, diePDS ist nicht lernfähig, Herr Präsident.)

zum Verlust von indirekt 10.800 Jobs im Lande Thü-ringen. Wir möchten Konsequenzen in diesem Bericht,und wir möchten Konsequenzen in folgenderlei Hin-sicht. Wir möchten, daß erklärt wird

1. daß die im Haushalt 1996 vorgesehenen Mittel sichbereits um 84 Mio. DM verringert haben.

Vizepräsident Friedrich:

Frau Abgeordnete, lassen Sie sich bitte unterbrechen.Ich muß Sie nochmals dringendst, auch unter Hinweis,daß ich sonst Ihre Rede beenden muß, auffordern, nichtzur Sache zu sprechen. Nochmals, ich bin auch bereit,das noch mal ausführlich im Ältestenrat zu diskutieren,aber ich bin nicht mehr bereit hinzunehmen, daß trotzmeiner Hinweise immer wieder zur Sache gesprochenwird. Bitte berücksichtigen Sie das. Konzentrieren Siesich auf die Eilbedürftigkeit Ihres Antrags zur Auf-nahme in die Tagesordnung. Und ich sage das auchdeshalb noch mal allgemein, daß Ihre nächsten Frak-tionskollegen sich daran halten. Ich bin also jetzt wirk-lich konsequent und entziehe Ihnen sonst das Wort.Bitte, setzen Sie fort.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Die Dringlichkeit unseres Antrags ergibt sich auch dar-aus, daß die im Jahr 1995 nicht ausgeschöpften Bun-desmittel für das Jahr 1996 nur in dem Maße erneut zurVerfügung stehen wie das Land zusätzlich Komple-mentärmittel einstellt. Und die Dringlichkeit unseresAntrags begründet sich auch daraus, daß in der Abtei-lung I C 2 im Bundeswirtschaftsministerium für dieNichtausschöpfung der 1995 zur Verfügung stehendenMittel genannt werden, ich zitiere: "verwaltungsinterneOrganisationsprobleme und landesseitig selbst aufer-legte Einschränkungen der Fördermöglichkeiten". Mei-ne Damen und Herren, unsere Fraktion, und ich hoffeauch Sie, Abgeordnete der SPD und der CDU, sind aneindeutigen Aussagen in diesem Zusammenhang inter-essiert, so daß unsere Einflußnahme auf den Prozeßgeltend gemacht werden kann und dem Berichtsersu-chen heute noch stattgegeben wird. Ich danke für IhreAufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Ich würde vorschlagen, wir entscheiden gleichüber die Aufnahme in die Tagesordnung. Wer der Auf-nahme des Antrags der PDS - Drucksache 2/913 - indie heutige Tagesordnung, und ich würde hier gleich

einfügen, als vorletzten Punkt, weil da Einverständnisherrscht, zustimmt, den bitte ich um sein Handzeichen.Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen?Danke.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaubert, PDS:Die große Koalition ist lernfähig.)

(Heiterkeit im Hause)

Frau Dr. Klaubert, jetzt zwingen Sie mich zu einemSatz: Man sollte nicht von sich auf andere schließen.

(Beifall bei der CDU)

Gut. Wir kommen noch, da das für diesen Antrag gilt,was ich auch vorhin für das Gesetz gesagt habe, zurFristverkürzung. Widerspricht jemand dieser Fristver-kürzung? Das ist offensichtlich nicht der Fall, dann istdie Fristverkürzung gewährt und wir verfahren wievorhin beschlossen.

Wir kommen nun zum nächsten Antrag "ThüringensHaltung im Bundesrat zur beabsichtigten Verzinsung..."usw., Antrag der Fraktion der PDS - Drucksache 2/823 -.Als Begründer war Herr Abgeordneter Kachel genanntworden. Und aus gutem Grund wiederhole ich das nocheinmal, was ich vorhin gesagt habe.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Fraktionder PDS bemüht sich heute zum zweiten Mal darum,das Thema Bafög-Novellierung auf die Tagesordnungdieses Hohen Hauses zu setzen. Unser Antrag aufFristverkürzung der letzten Sitzung wurde, wie Siewissen, mit den Stimmen der Mehrheit in diesemHause abgelehnt. Was diese Sitzung aber betrifft, somuß ich Sie fragen: Mit welchem Recht und auf wel-cher Grundlage maßen Sie sich im Ältestenrat an, ei-nen fristgemäß eingegangenen Antrag von der Tages-ordnung zu nehmen?

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Nach meiner Kenntnis der Geschäftsordnung darf dasAntragsrecht der Fraktionen durch keinen Entschei-dungsträger des Landtags ...

Vizepräsident Friedrich:

Herr Abgeordneter Kachel, lassen Sie sich bitte unter-brechen. Ich sage es auch nur noch einmal: Eine Kritikan der Haltung des Ältestenrats sei Ihnen gestattet, aber

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2331

nicht bei der Begründung der Eilbedürftigkeit einesAntrags, damit hat es nichts zu tun.

(Zwischenruf Abg. Frau Thierbach, PDS:Doch, ...)

Meine Dame von mir rechts gesehen, Frau TamaraThierbach,

(Heiterkeit im Hause)

auch Sie müssen sich daran gewöhnen, daß ganz zufäl-ligerweise ich diese Fragen hier entscheide.

(Beifall bei der PDS)

Bitte setzen Sie fort, Herr Kachel, und ich mache nocheinmal darauf aufmerksam, sonst zwingen Sie mich,daß ich Ihnen das Wort entziehe.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, hier gibt es aus meiner Sicht natürlicheinen Zusammenhang, der auch die Tagesordnung be-trifft,

(Beifall bei der PDS)

denn wenn sich die Entscheidungsträger dieses Land-tags rechtskonform verhalten hätten, dann wäre dieserAntrag auf der Tagesordnung und ich müßte überhauptnicht hier sprechen.

(Beifall bei der PDS)

Insofern muß man schon fragen, ob es den Rechten derOpposition und den Grundsätzen einer bürgerlichenDemokratie entspricht, so zu verfahren.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Bür-gerliche Demokratie kommt aber schwer vonIhren Lippen.)

Und, Herr Fiedler, es ist natürlich richtig, wenn aufdiese Art und Weise inhaltliche Debatte weggedrücktwird, daß Tagesordnungspunkte von der Tagesordnunggenommen werden, dann ist es natürlich klar, daß dieinhaltliche Debatte notwendigerweise hier in der Dis-kussion zur Tagesordnung verlagert wird. Dann ist esdoch unredlich, wenn man sich darüber wundert.

(Beifall bei der PDS)

Ich will natürlich auch gern noch einmal wiederholen,warum aus unserer Sicht eine ausdrückliche Stellung-

nahme des Thüringer Landtags in dieser Sache alszweckmäßig erscheint. Das haben wir bereits vor ei-nem Monat begründet. Zwei Mitglieder des ThüringerKabinetts haben sich als Minister gegen die Rückzah-lung mit Zinsen geäußert. Es ist aber nicht auszu-schließen, daß aus der Meinungsbildung in der Landes-regierung auch andere Vorschläge als Sieger hervorge-hen könnten, etwa die Verzinsung zu einem niedrige-ren Zinssatz. Eine Meinungsäußerung des Landtags istdaher von höchstem Interesse für die PositionierungThüringens im Bundesrat. Wir sollten durch eine Auf-nahme dieses Punktes auf die Tagesordnung, auf der ereigentlich sein müßte, zeigen, daß für dieses HoheHaus die Probleme Thüringer Studierender sehr wohlwichtig genug sind und durch eine die Ministeräuße-rung unterstützende Entschließung, daß wir bereit sind,das Unsrige zu tun, um ein weiteres Umsichgreifen ei-nes sozialen Numerus clausus an unseren Hochschulenzu verhindern.

(Beifall bei der PDS)

Thüringen sollte sich in dieser Frage unzweideutig ver-halten, in diese Richtung geht unser Antrag. Ich hoffenatürlich auch hier auf die Lernfähigkeit der großenKoalition, obgleich ich da,

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Siewiederholen sich.)

zugegebenermaßen, skeptisch bin. Ich danke Ihnen fürdie Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kachel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Stauch zu diesemAntrag zu sprechen.

Abgeordneter Stauch, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, ich will zu der zweiten Antragsbegründung, alsozu der Bafög-Verzinsung kurz etwas sagen.

Meine Damen und Herren, ich war ja bisher der Mei-nung, daß Dinge, die offensichtlich sind, auch für diePDS-Fraktion irgendwann einsichtig sind, aber ich ha-be hier offensichtlich weit gefehlt. Sie haben geradedarüber gesprochen, daß die CDU und die SPD mit ih-ren Mehrheiten im Ältestenrat angeblich einen Antragvon der Tagesordnung genommen hätten. Das ist janun schlecht möglich, er war ja gar nicht drauf.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, SPD)

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Aber zwei sachliche Hinweise hier noch einmal zurGeschäftsordnung selbst: Es gibt natürlich keinen An-spruch darauf, daß ein Antrag zu einem bestimmtenZeitpunkt auf die Tagesordnung kommt. Das haben wirversucht, Ihnen schon im Ältestenrat zu erläutern, dasist Ihnen auch in einem Schreiben des Präsidenten auf-grund Ihrer beiden Anschreiben an den Präsidenten er-läutert worden. Ich weiß nicht, warum Sie es noch malbringen. Der § 55 Abs. 3 der Geschäftsordnung sagt ganzdeutlich, spätestens nach sechs Sitzungswochen muß einAntrag beraten werden. Selbstverständlich muß er beratenwerden, aber spätestens nach sechs Sitzungswochen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Das Thürin-ger Hochschulgesetz haben Sie aber eiligstauf die Tagesordnung gesetzt.)

Nun kann man ja nur nach der Sinnhaftigkeit fragen,daß er heute beraten wird. Dazu ist doch ganz eindeu-tig zu sagen: Wenn ein Gegenstand, über den wir hierberaten wollen, noch nicht einmal den zweiten Kabi-nettsdurchgang in Bonn erlebt hat, das heißt überhauptnicht im Bundestag ist, und somit überhaupt kein Pa-pier vorliegt, über was wir diskutieren können, machtes natürlich überhaupt keinen Sinn, heute dieses Themahier anzusprechen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Aus diesen beiden genannten Gründen bleiben wir da-bei, daß dieser Antrag heute nicht beraten wird.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Wir passenunsere Meinung dann fertigen Papieren an.)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es weitere Wortmeldungen? Das ist nichtder Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung über dieAufnahme dieses Tagesordnungspunkts in die heutigeTagesordnung. Wer der Aufnahme der - Drucksache2/823 - "Thüringens Haltung im Bundesrat zur beab-sichtigten Verzinsung des Darlehensteils der Ausbil-dungsförderung für Studierende", Antrag der Fraktionder PDS, in die heutige Tagesordnung zustimmt, denbitte ich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen?Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist dieserAntrag mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zum letzten Antrag der Fraktion der PDS,der liegt Ihnen in der - Drucksache 2/901 - vor, "Lan-desmittel für Frauenbeschäftigung". Das ist eine Neu-fassung. Frau Abgeordnete Zimmer, ich bitte Sie umAntragsbegründung.

Abgeordnete Frau Zimmer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Fraktionder PDS beantragt, die - Drucksache 2/901 - in ihrerNeufassung "Landesmittel für Frauenbeschäftigung"auf die heutige Tagesordnung zu setzen. Ich möchtekurz die Eilbedürftigkeit der Behandlung dieses An-trags begründen. Die Existenz von Frauenarbeitsplät-zen, insbesondere von freien und auch von kleinenTrägern ohne Eigenmittel, steht zum wiederholten Ma-le in Thüringen in Frage. Seit dem 1. Januar 1996 wur-den ohne Begründung keine Landesfördermittel anMitarbeiterinnen von Frauenhäusern und Frauenzentrenausgereicht. Löhne und Mieten, ganz zu schweigen vonden Sachkosten, konnten seit über sieben Wochen ent-weder nicht oder nur mittels der Kreise gezahlt werden.Im Unterschied zu 1995, als der Haushaltsplan nochnicht beschlossen war, wie für dieses Jahr ja bereits imDezember 1995, wurden noch nicht einmal vorläufigeBewilligungsbescheide für Personalkosten bzw. antei-lige Sachkosten, z.B. Miete, ausgereicht. Allein mit derAufzählung der Frauenzentren, der betroffenen Ein-richtungen, möchte ich deutlich machen, wie dringlichdieser Antrag ist und wie notwendig hier Handlungs-bedarf durch das Parlament geboten ist. Davon betrof-fen sind u.a. Mitarbeiterinnen des Ilmenauer Frauen-zentrums "Regenbogen". Hinzu kommt hier, daß trotzZusage 95 seitens der Landesfrauenbeauftragten dieRestfinanzierung von 20 Prozent im Rahmen desStammkräfteprogramms 96 mit dem Argument derDoppelfinanzierung jetzt für eine Stelle abgelehntworden ist. Das betrifft die Fördermittel des Landes fürdas Frauenhaus Marlishausen sowie Sachkosten für dasArnstädter Frauenzentrum. Das betrifft die 90 ProzentPersonalkostenzuschüsse aus dem Etat der Landes-frauenbeauftragten für das Frauenhaus Eisenach, fürdie vier Teilzeitstellen des Frauenhauses Gera sowiedie jeweils anteilige Sachkostenfinanzierung für dieFrauenzentren. Das betrifft die Mitarbeiterinnen inApolda und Bad Salzungen. Auch den beiden Mitarbei-terinnen der Frauenschutzwohnungen in Bad Langen-salza konnte seit 01.01.1996 kein Lohn gezahlt wer-den. Offensichtlich können nur diejenigen Mitarbeite-rinnen von Frauenprojekten noch von Glück reden, diewenigstens noch über § 242s-Maßnahmen beschäftigtsind, wie z.B. im Frauenzentrum Großbreitenbach.

Aus all den genannten Gründen bitte ich, dem Antragder PDS-Fraktion zuzustimmen, daß wir heute indiesem Plenum in der Tagesordnung den vorliegendenAntrag behandeln können. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2333

Vizepräsident Friedrich:

Ich frage noch einmal zurück: Hatten Sie noch einenkonkreten Plazierungswunsch?

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Nach dem jetzigen Tagesordnungspunkt 7 - Drucksa-che 2/863 -, Bischofferode.

Vizepräsident Friedrich:

Also als Tagesordnungspunkt 8. Frau AbgeordneteBechthum wollte noch zu diesem Antrag sprechen.

Abgeordnete Frau Bechthum, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordneten,ich möchte zu dem Dringlichkeitsantrag der PDS-Fraktionfolgendes sagen: Ich war vor einer Woche in Hild-burghausen zu einer Beratung des Runden Tisches, derTradition hat, von der kommunalen Gleichstellungsbe-auftragten eingeladen. Es waren dort Frauenprojekte ausder ganzen Umgebung vertreten. Wir haben über Ar-beitsplätze gesprochen, über die Möglichkeiten derFörderung von Frauenprojekten, über die Fördermög-lichkeiten des Ministeriums für Soziales und Gesund-heit. Ich muß sagen, hier ist nicht eine dieser Klagengekommen, über die Sie, Frau Zimmer, jetzt berichtethaben. Wir haben dort sehr lange zusammengesessenund haben alle Möglichkeiten auch hier versucht, waskann man noch mehr machen, wie kann man nochmehr helfen. Es ist davon nichts gesagt worden. Siewissen selbst, dort sind auch Frauen, die Ihrer Parteisehr nahestehen, die hätten bestimmt gesagt, FrauBechthum, hier ist einiges im argen, sie müssen hieretwas machen. Da kann ich sagen, das ist dort nichterfolgt.

Ich habe gestern Frauenhäuser angerufen, erst einmaldie zwei in Erfurt, und habe mit den Leiterinnen ge-sprochen, habe sie befragt, ob sie von diesen Befürch-tungen, die hier geäußert werden, gehört haben, ob ih-nen da etwas bekannt ist. Sie haben mir nichts darübersagen können. Zur Zeit läuft alles in den Bahnen, dieGehälter werden gezahlt, und sie haben auch noch kei-ne Einschränkungen hier irgendwie hinnehmen müs-sen. Sie wissen selbst, über Gera werden wir uns näch-ste Woche informieren. Ich muß sagen, sicherlich ist eswichtig, darüber zu sprechen. Aber um einen genauenStand zu haben, möchte ich mich schon informieren,wie sieht das in den Einrichtungen in Thüringen aus.Ich habe jetzt nur von einigen erfahren, und ich würdeauch hier vorschlagen, diesen Antrag auf eine spätereSitzung, vielleicht schon auf die nächste, zu setzen. Dahaben wir schon mehr Informationen. Denn das ist hiersehr kurzfristig. Danke schön.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Sie sind doch Abgeordnete, Frau Bechthum.)

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Eigentlichsollten Sie als Ausschußvorsitzende die Si-tuation kennen.)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Ein weiterer Gesprächswunsch liegt von HerrnAbgeordneten Sonntag vor. Das war eben von Frau Ab-geordneten Bechthum ein Antrag gegen die Eilbe-dürftigkeit.

Abgeordneter Sonntag, CDU:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsi-dent, der Arbeitskreis Gleichstellung der CDU-Fraktionhat sich im Vorfeld mit den in dem Antrag, allerdingsin der ersten Fassung, formulierten Vorwürfen befaßt.Wir haben uns mit der Frauenbeauftragten kurzge-schlossen. Sie wissen, daß es in der Bearbeitung vonAnträgen, und das ist nicht erst in diesem Jahr der Fall,das ist nicht nur bei der Frauenbeauftragten der Fall,mitunter Probleme gibt, weil Anträge unzureichendoder falsch ausgefüllt sind. Wir sind daher der Mei-nung, daß das ein Thema ist, was ohne weiteres, unddas ist bei anderen Ministerien ebenso, ministeriellgeklärt werden kann, können uns aber mit dem Vor-schlag meiner Vorrednerin anfreunden.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Sonntag. Gibt es weite-re Gesprächswünsche? Das ist nicht der Fall. Dannstimmen wir ebenfalls diesen Antrag ab. Wir stimmenzunächst darüber ab, ob er Aufnahme in die heutigeTagesordnung findet. Wer dem Antrag der Fraktion derPDS "Landesmittel für Frauenbeschäftigung" hinsicht-lich der Aufnahme in die heutige Tagesordnung zu-stimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke.Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke.Damit ist dieser Antrag nicht aufgenommen.

Wir kommen nun zu den weiteren Anträgen. Da war zu-nächst der Antrag, die - Drucksache 2/889 -, Maastricht IIin die heutige Tagesordnung aufzunehmen, und zwar alsTagesordnungspunkt 6. Wir stimmen erst über die Auf-nahme und dann über die Reihenfolge ab. Gibt esAntragsbegründungswünsche? Das ist nicht der Fall,dann stimmen wir sofort über die Aufnahme in dieheutige Tagesordnung ab. Wer dem Antrag der Frak-tionen der CDU und SPD "Forderung des ThüringerLandtags an die Regierungskonferenz 1996 der Euro-päischen Union (Maastricht II)" - Drucksache 2/889 -

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hinsichtlich der Aufnahme in die heutige Tages-ordnung seine Zustimmung gibt, den bitte ich um seinHandzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimm-enthaltungen? Danke. Damit ist die Aufnahme be-schlossen. So, wir kommen noch zur Fristverkürzung,bevor wir dann über die konkrete Plazierung abstim-men. Gibt es hinsichtlich der Fristverkürzung Wider-spruch? Das ist nicht der Fall, dann wäre die Frist-verkürzung auch beschlossen, und wir würden nur nochüber die Plazierung abstimmen. Wer dafür ist, daß dersoeben aufgenommene Tagesordnungspunkt - Druck-sache 2/889 - in der heutigen Tagesordnung als Tages-ordnungspunkt 6 plaziert wird, den bitte ich um seinHandzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimm-enthaltungen? Danke. Damit ist dieser Tagesordnungs-punkt als Tagesordnungspunkt 6 aufgenommen.

Wir kommen zum nächsten Antrag "Konzept für nach-wachsende Rohstoffe", Antrag der Fraktionen der CDUund SPD - Drucksache 2/884 -. Gibt es Antragsbegrün-dungswünsche? Das ist nicht der Fall. Dann stimmenwir über die Aufnahme dieses Punkts in die heutigeTagesordnung ab. Wer dafür ist, daß die - Druck-sache 2/884 -, "Konzept für nachwachsende Rohstoffe",Antrag der Fraktionen der CDU und SPD, in die heu-tige Tagesordnung aufgenommen wird, den bitte ichum sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist dieser Tages-ordnungspunkt aufgenommen. Das nächste ist die Fra-ge der Fristverkürzung. Gibt es Widerspruch gegen dieFristverkürzung? Das ist offensichtlich nicht der Fall.Dann ist die Fristverkürzung hiermit beschlossen, undwir stimmen noch über die Plazierung ab. Es war derAntrag, diesen als Tagesordnungspunkt 7 aufzuneh-men. Wer dafür ist, daß der Tagesordnungspunkt- Drucksache 2/884 - in der heutigen Tagesordnung alsTagesordnungspunkt 7 plaziert wird, den bitte ich umsein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist dieser Tagesord-nungspunkt als Tagesordnungspunkt 7 plaziert.

Wir kommen nunmehr noch zu dem Antrag, den Ta-gesordnungspunkt Bischofferode, der ursprünglich Tages-ordnungspunkt 7 war, sich aber jetzt auf mindestens,wenn ich richtig zähle, 9 verschiebt, daß wir diesenheute, unabhängig von der Erledigung der sonstigenTagesordnung, als letzten Tagesordnungspunkt behan-deln. Wer diesem Antrag, also den ehemaligen Tages-ordnungspunkt 7 Bischofferode heute in jedem Fall, fürden Fall, daß er vorher nicht behandelt wird, als letztenTagesordnungspunkt zu behandeln, zustimmt, den bitteich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen?Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist auch dieserAntrag angenommen, und wir verfahren wie geplant.

Nach meiner Übersicht haben wir alles, was beantragtwar, erledigt. Gibt es noch irgendwelche sonstigen Be-

merkungen, Widersprüche? Das ist nicht der Fall, dannwürden wir mit der soeben festgestellten Tagesordnungarbeiten und so verfahren.

Ich komme nunmehr zum Aufruf des Tagesordnungs-punkts 1

Thüringer Gesetz zur Änderung des Ge-setzes über die Schiedsstellen in denGemeindenGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/707 -dazu: Beschlußempfehlung des Justiz- und

Europaausschusses- Drucksache 2/890 -

ZWEITE BERATUNG

Ich bitte den Berichterstatter des Justiz- und Europa-ausschusses, Herrn Abgeordneten Schröter, um seinenBericht.

Abgeordneter Schröter, CDU:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren Abgeordneten, durch Beschluß desLandtags vom 8. Dezember 1995 ist der Gesetzentwurfan den Justiz- und Europaausschuß federführend undan den Innenausschuß überwiesen worden. Der Justiz-und Europaausschuß hat den Gesetzentwurf in seiner14. Sitzung am 12. Januar 1996 und der Innenausschußin der 22. Sitzung am 15. Februar 1996 behandelt. DerGesetzentwurf wurde im Justiz- und Europaausschußmit 11 Anträgen behandelt. Diese Anträge fanden alleZustimmung und den Niederschlag in der Beschluß-empfehlung. Die gründliche Bearbeitung ist damit ei-gentlich rechtfertig dokumentiert. Es gab keine zweiteBeratung im Justiz- und Europaausschuß, da aus demInnenausschuß, der mitberatend war, keine Ände-rungen an den vorgeschlagenen Beschlußempfehlungenvorlagen. Die Beschlußempfehlung selbst hat im Inhaltzu großen Teilen sprachliche und rechtsförmliche An-passungen vorgenommen - das können Sie selbst nach-lesen, das will ich nicht im einzelnen erläutern -, außerin Artikel 4. Der Artikel 4 hat die Klausel für die In-krafttretensregelung zum Inhalt. Es soll dort Zeit gege-ben werden, daß sich die Kommunen auf die Umset-zung des Gesetzes einstellen, daher diese Regelung.Der Justiz- und Europaausschuß hat einstimmig emp-fohlen, im Plenum den Gesetzentwurf der Landesregie-rung in der - Drucksache 2/707 - mit den in der- Drucksache 2/890 - beinhalteten Änderungen anzu-nehmen. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

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Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Schröter für seine Be-richterstattung. Ich eröffne die Aussprache in der zwei-ten Beratung und bitte den Minister für Justiz und Europa-angelegenheiten, Herrn Kretschmer, um seinen Vortrag.

Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten:

Vielen Dank. Herr Präsident, meine sehr geehrten Da-men und Herren, Ihnen liegt heute in zweiter Lesungder Entwurf zum Thüringer Gesetz zur Änderung desGesetzes über die Schiedsstellen in den Gemeindenvor. Wie eben bereits dargestellt, haben sich der Justiz-und Europaausschuß sowie der Innenausschuß mit demEntwurf ausführlich befaßt. Es sind lediglich einige ge-ringfügige Änderungen vorgenommen worden, die mehrden Bereich der Rechtsförmlichkeit betreffen. ErlaubenSie mir aber, daß ich, bevor Sie, meine sehr geehrtenDamen und Herren Abgeordneten, Ihr abschließendesVotum zu dem Entwurf der Landesregierung abgeben,auf die besondere Bedeutung dieses Schiedsstellenge-setzes hinweise. Ich messe der Einrichtung von Schieds-stellen in unserem Lande aus zwei Gründen ganz be-sondere Bedeutung zu. Zum einen geht es um die Ent-lastung der Justiz, der Gerichte und Staatsanwalt-schaften von Bagatellvorgängen, zum anderen geht esaber auch darum, die Rechtsprechung so bürgernah wiemöglich zu gestalten, denn - bitte erinnern Sie sich da-ran - Schiedspersonen sind üblicherweise Nichtjuristen.Nichtjuristen haben hier die Aufgabe der Rechts-gestaltung.

Lassen Sie mich auf einige Gesichtspunkte eingehen:Wir haben zwar in Thüringen in den vergangenen Jah-ren ein Rechtswesen aufgebaut, das demokratischen undrechtsstaatlichen Grundsätzen entspricht - die Justiz inThüringen braucht einen Vergleich mit der Justiz inanderen, insbesondere in den alten Bundesländern nichtzu scheuen -, oft wird die Justiz aber mit Streitigkeitenbelastet, die für die Staatsanwaltschaften und Gerichteeinen unangemessen großen Arbeitsaufwand erforder-lich machen. Denken Sie z.B. daran, bei wie vielenRechtsstreitigkeiten es allein um schlichte Geldfor-derungen geht von geringem Umfang oder um die Her-ausgabe ganz bestimmter Gegenstände. Dies betrifftvor allem die Fälle des Kaufs unter Eigentumsvor-behalt, in denen der Käufer den Kaufpreis insgesamtoder die fälligen Raten nicht bezahlt. Ich weise auchauf die unzähligen Streitigkeiten zwischen Nachbarnhin, wobei oft Nebensächlichkeiten zu Feindschaften unterden Bürgern führen. Diese weiten sich dann häufig zuBagatellstraftaten, wie z.B. zu Beleidigungen, aus. Auchbei anderen Straftaten mit geringer Schuld des Täters undohne nennenswerte Folgen für den Geschädigten, wiez.B. bei kleineren Diebstählen, bei denen die Gegen-

stände wieder zurückgegeben worden sind, ist der Rechts-frieden nur relativ geringfügig gestört. Sie können sich,meine Damen und Herren, sicherlich vorstellen, daß dieseBagatellkriminalität unsere Staatsanwälte unnötig be-lastet. Sie stimmen mir sicherlich auch zu, daß derenTätigkeit sich eher auf die Verfolgung der echt Krimi-nellen erstrecken sollte.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Naja, dieBagatellen dürfen wir aber nicht vergessen.)

Das vergessen wir auch nicht, deshalb haben wir einebesondere Lösung gefunden, Herr Abgeordneter.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Sie sind jaPraktiker.)

Ich bin Praktiker, deshalb meine ich, dazu auch einigesausführen zu sollen. In unserem Gemeinwesen werdendie echten Schädigungen durch die Schwerkriminellenbegangen. Die Staatsanwälte und die Gerichte solltensich um deren Verfolgung kümmern. In den dargestell-ten Fällen kann aber durch ein Sühneverfahren beimSchiedsmann oder durch ein Schlichtungsverfahren ei-ne außergerichtliche Erledigung der Strafsache erreichtwerden. Das gilt vor allem dann, wenn dem Täter auf-erlegt wird, den angerichteten Schaden wiedergutzu-machen, eine Einrichtung, die es übrigens in der DDRmit gutem Erfolg bereits gegeben hat.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe hierauf einige Bereiche hingewiesen, in denen unsereRichter und Staatsanwälte zukünftig entlastet werdensollen. Dies erscheint in Anbetracht der hohen Bela-stung der Justiz in Zivil- und Strafsachen zwingendnotwendig. Es ist dem Bürger nämlich nicht mehr zu-zumuten, daß er oft Monate und Jahre auf eine gericht-liche Entscheidung nur deshalb warten muß, weil dierichterliche Arbeitskraft durch Rechtsstreitigkeiten we-gen Lappalien blockiert ist. Ein vernünftiger Einsatzder Gerichte und Staatsanwaltschaften zur effektivenBekämpfung der mittleren und schwereren Kriminalitäterfordert es, daß die Möglichkeit geschaffen wird, eineaußergerichtliche Streitschlichtung zu ermöglichen. Ichdarf deshalb auf die allgemeine Lebenserfahrung hin-weisen, daß Schlichten natürlich immer besser ist alsRichten.

Das derzeit in Thüringen geltende Schiedsstellengesetzhat sich als unpraktikabel erwiesen. Die Gründe sinddarin zu suchen, daß die Schiedsstellen mit drei Perso-nen besetzt werden müssen und daß jede Schiedsstelleeinen Bezirk mit 10.000 Einwohnern umfassen soll.Diese Regelungen des bisherigen Gesetzes brachtenunsere Städte und Gemeinden in Schwierigkeiten. DieSchiedsstellen konnten dort häufig nicht eingerichtetwerden, weil sich nicht die erforderliche Anzahl von

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Bürgern für dieses Ehrenamt fand. Mit dem ThüringerSchiedsstellengesetz, dessen Entwurf Ihnen heute vor-liegt, sollen diese Hindernisse beseitigt werden. DieBesetzung wird von drei auf eine Schiedsperson ver-ringert, und die Schiedsstellenbezirke werden vergrö-ßert.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Landesre-gierung erhofft sich, durch diese Novellierung einenwesentlichen Beitrag zur Wiederherstellung des Rechts-friedens bei den Bürgern zu leisten. Ich sehe darinzugleich auch einen wichtigen Beitrag für die Akzeptanzdes Rechtsstaats bei allen Bürgerinnen und Bürgern un-seres Freistaats.

Lassen Sie mich zum Schluß noch auf einen weiterenGesichtspunkt hinweisen: Die Akzeptanz des Rechts-staats in Thüringen hängt weitgehend auch davon ab,wieweit wir den Bürger als Nichtjuristen dazu veran-lassen können, sich aktiv an der Rechtsprechung zu be-teiligen. Die Urteile ergehen im Namen des Volkes. Esist deshalb notwendig, daß wir den Bürger auch in dieRechtsfindung mit einbeziehen. Dies geschieht nebenden in Rede stehenden Schiedsstellen auch in derWeise, daß Schöffen an der Urteilsfindung in den Ge-richten mitwirken. Ich will bereits an dieser Stelle an-kündigen, daß noch in diesem Jahr die Schöffen beiden Thüringer Gerichten gewählt werden müssen. Dieswird in einer umfangreichen Kampagne in den kom-menden Wochen und Monaten vorbereitet und durch-geführt werden.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich darf Sie bitten, auch an Ihrer Stelle sich an dieserAktion zu beteiligen. Es ist wichtig, daß wir das Ver-trauen der Bürger in die Rechtsprechung weiter ver-stärken. Ich bitte Sie, meine Damen und Herren Abge-ordneten, diesem Gesetz, das sowohl der Bürgernähe,der Rechtsfindung als auch der Entlastung der Justizdient, Ihre Zustimmung zu erteilen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister. Weitere Redemeldungenliegen mir nicht vor, so daß ich die Aussprache schlie-ße. Wir kommen zur Abstimmung. Wir stimmen zuerstüber die Beschlußempfehlung ab.

Wer der Beschlußempfehlung des Justiz- und Europa-ausschusses - Drucksache 2/890 - seine Zustimmunggibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Gegen-stimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Damit istdie Beschlußempfehlung angenommen. Wir stimmen nun-mehr über den Gesetzentwurf der Landesregierung unter

Berücksichtigung der eben angenommenen Beschluß-empfehlung ab. Wer dem Gesetzentwurf der Landes-regierung unter Beachtung der soeben angenommenenBeschlußempfehlung seine Zustimmung gibt, den bitteich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen?Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist das auchangenommen.

Wir kommen zur Schlußabstimmung. Wer dem Gesetzin der Fassung der Beschlußempfehlung seine Zustim-mung gibt, den bitte ich, sich von den Plätzen zu erheben.Danke. Gegenstimmen? Stimmenthaltungen? Danke. Da-mit stelle ich fest, daß das Gesetz einstimmig ange-nommen ist und schließe diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 2

Thüringer Gesetz über die staatliche An-erkennung sozialpädagogischer BerufeGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/867 -ERSTE BERATUNG

Ich bitte für die Landesregierung Frau MinisterinEllenberger um Begründung dieses Gesetzentwurfs.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, Berufsabschlüsse an Fachhochschulen und Fach-schulen im sozialpädagogischen Bereich werden in derBundesrepublik Deutschland staatlich anerkannt, so-fern neben dem theoretischen Bildungsgang ein quali-fiziertes Berufspraktikum nachgewiesen wird. Diestaatliche Anerkennung für Berufe mit Fachhochschul-ausbildung ist in Thüringen noch nicht gesetzlich gere-gelt. Für Abschlüsse mit Fachschulausbildung wird diestaatliche Anerkennung gegenwärtig auf der Grundlageder vorläufigen Richtlinie zur Anerkennung sozialpä-dagogischer Berufe vom 10. November 1994 vergeben.Der vorliegende Gesetzentwurf regelt die staatlicheAnerkennung für sozialpädagogische Berufsabschlüssesowohl im Fachhochschulbereich als auch im Fach-schulbereich. In der Bundesrepublik gibt es aufgrundder Länderhoheit für den Bildungsbereich unterschied-liche Ausbildungsgänge auch für sozialpädagogischeBerufe. An den Thüringer Fachhochschulen ist zumBeispiel in den Studiengängen mit dem Abschluß So-zialpädagogin/Sozialarbeiterin bzw. Sozialpädagoge/So-zialarbeiter das Berufspraktikum integriert. Deshalbkann die staatliche Anerkennung mit der Vergabe desDiploms erfolgen. Bundesweit werden die Studiengän-ge zur Sozialpädagogin/Sozialarbeiterin aber auch oh-ne integriertes Berufspraktikum angeboten. Absolven-tinnen und Absolventen dieser Studiengänge müssendieses im Anschluß an die erfolgreich bestandene Dip-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2337

lomprüfung nachweisen, um die staatliche Anerken-nung zu ihrem Diplom zu erhalten. Die Verfahrenswei-se und die Voraussetzungen, unter denen die staatlicheAnerkennung zu erteilen ist, werden durch das vorlie-gende Gesetz geregelt. Innerhalb der Fachschulausbil-dungsgänge zur Erzieherin bzw. zum Erzieher, zur Fa-milienpflegerin/Familienpfleger, zur Heilerziehungspfle-gerin/zum Heilerziehungspfleger, zur Heilpädagogin bzw.zum Heilpädagogen und zur Fachkraft für sozialeArbeit wird in Thüringen das Berufspraktikum abge-leistet. Diese Ausbildungsform ist jedoch nicht in dergesamten Bundesrepublik gleich. Deshalb sind mitdem Gesetz die Voraussetzungen und das Verfahren zuregeln, unter denen die staatlichen Anerkennungen zudiesen Berufsabschlüssen erteilt werden können. Unterbestimmten Bedingungen ist es notwendig, die staat-liche Anerkennung zu einem Berufsbildungsabschlußzurückzunehmen oder zu versagen. Das ist immer dannder Fall, wenn das entsprechende Zeugnis, das nebendem Berufspraktikum Voraussetzung für die Anerken-nung ist, für ungültig erklärt wird. Eine Zurücknahmeoder der Widerruf der staatlichen Anerkennung istauch vorzunehmen, wenn sich nachträglich heraus-stellt, daß die erforderlichen Voraussetzungen zumZeitpunkt der Erteilung nicht vorlagen. Im Zusammen-hang mit Abschlüssen, die vor dem 3. Oktober 1991 er-worben wurden, gibt es Regelungen in den Übergangs-bestimmungen, die den bisher erbrachten beruflichenLeistungen Rechnung tragen. Die von dem jeweils zu-ständigen Bundesland ausgehändigte staatliche Aner-kennung zu einem sozialpädagogischen Berufsabschlußgarantiert, daß neben dem theoretischen Abschluß einqualifiziertes, in der Regel ein Jahr dauerndes, Berufs-praktikum nachgewiesen wird. Deshalb wird auch diestaatliche Anerkennung von den Bundesländern wech-selseitig anerkannt. Auch im Interesse der Gleichwer-tigkeit der in Thüringen abgeschlossenen Berufsausbil-dung und der Konkurrenzfähigkeit der betroffenen Per-sonen auf dem Arbeitsmarkt ist es notwendig, die staat-liche Anerkennung gesetzlich zu regeln. Arbeitgeberstellen Bewerberinnen/Bewerber mit staatlicher Aner-kennung bevorzugt ein; sie werden auch höher ent-lohnt. Gleichzeitig ist dieses Gesetz zur Gewährlei-stung der Gleichwertigkeit mit den Berufsabschlüssenin den anderen Bundesländern sowie in der Europä-ischen Union erforderlich. Deshalb ist auch vorgese-hen, daß Antragstellern aus einem Mitgliedsstaat derEuropäischen Union oder einem anderen Vertragsstaatdes Abkommens über den europäischen Wirtschafts-raum für den Fall, daß deren gleichartige Ausbildungvom Kultusministerium bzw. dem Ministerium fürWissenschaft, Forschung und Kultur anerkannt wurde,eine staatliche Anerkennung erteilt werden kann. Vie-len Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke, Frau Ministerin, für Ihre Begründung desGesetzentwurfs. Als nächste Rednerin bitte ich FrauAbgeordnete Raber von der Fraktion der SPD nachvorn.

Abgeordnete Frau Raber, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit demvorliegenden Gesetzentwurf in der - Drucksache2/867 - kommt der Freistaat Thüringen seiner Pflichtnach, die staatliche Anerkennung sozialpädagogischerBerufe mit Ausbildung an Fachschulen und Fachhoch-schulen gesetzlich zu regeln, wenn neben dem Theore-tischen ein qualifiziertes Berufspraktikum nachgewie-sen wird. Das Gesetz regelt die Voraussetzungen, unterdenen eine staatliche Anerkennung für sozialpädago-gische Berufe erteilt wird. Das heißt, Grundsätze derAusbildung werden hier festgelegt. Gleichzeitig enthältder Gesetzentwurf Regelungen betreffs Gleichstellungstaatlicher Anerkennung, das heißt Anerkennung vonvergleichbaren Berufsbezeichnungen, die in anderenLändern der Bundesrepublik erworben wurden bzw.außerhalb der Bundesrepublik, und zwar in der Euro-päischen Union. Im Interesse der Gleichwertigkeit derin Thüringen abgeschlossenen Berufsausbildung undeiner späteren Chancengleichheit der betroffenen Per-sonen auf dem Arbeitsmarkt ist es dringend erforder-lich, diese staatliche Anerkennung gesetzlich zu regeln.Ich denke, über den Regelungsbedarf gibt es in diesemHaus Einigkeit. Ich beantrage deshalb für meine Frak-tion die Überweisung des Gesetzentwurfs an den Aus-schuß für Soziales und Sport federführend und beglei-tend an den Bildungsausschuß und den Ausschuß fürWissenschaft, Forschung und Kultur.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Frau Abgeordneten Raber. Als nächste Red-nerin bitte ich Frau Abgeordnete Thierbach von derFraktion der PDS nach vorn.

Abgeordnete Frau Thierbach, PDS:

Werte Abgeordnete, sehr geehrter Herr Peter Friedrich,Präsident dieses Hohen Hauses, laut Geschäftsordnungsollen in der ersten Beratung einer Gesetzesvorlage nurderen Grundsätze besprochen werden. Und selbst daswill ich hier nur eingeschränkt tun. Das Gesetz hättesicher in der letzten Legislatur schon erscheinenmüssen. Es ist gut, daß es nun endlich da ist.

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU)

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Man muß auch einstecken können - vorhin mußte icheinstecken.

Von Brisanz ist es nach meiner Meinung,

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Füh-len Sie sich auf den Schlips getreten?)

einige Überlegungen anzustellen, und zwar zu § 5 indiesem Gesetzentwurf - Frau Ministerin war eben dar-auf eingegangen -, welcher sich mit der Versagung derRücknahme und dem Widerruf der staatlichen Aner-kennung beschäftigt. In dieser Regelung geht es umnichts weniger, als um die Beschränkung des in Artikel 12des Grundgesetzes geregelten Grundrechts auf Berufs-freiheit und um die landesverfassungsrechtliche Paral-lelregelung in Artikel 35 Abs. 1 unserer Verfassung. Es isteine Tatsache, daß die Versagung, Rücknahme oder derWiderruf einer staatlichen Anerkennung - auch einessozialpädagogischen Berufs - eine Einschränkung vonRechten der Bürger ist, Beruf, Arbeitsplatz oder auchAusbildungsstätte frei zu wählen. Nun gestattet derSatz 2 des Artikels 35 Abs. 1 Thüringer Landesverfas-sung eine Regelung von Berufswahl, Berufsausbildungsowie Berufsausübung aufgrund eines Gesetzes. Damitist dem Gesetzgeber eine Möglichkeit eröffnet, ohnezugleich die Prinzipien der gesetzlichen Regelung zunennen. Natürlich sind Kriterien der Verhältnismä-ßigkeit zu beachten. Diese hat das Bundesverfassungs-gericht formuliert. Ich möchte zitieren: "Der Gesetzge-ber darf die freie Berufsausübung nur im Interesse desGemeinwohls und nur zur Lösung solcher Sachaufga-ben beschränken, die ein Tätigwerden des Gesetzge-bers überhaupt zu rechtfertigen vermögen und derWertordnung des Grundgesetzes nicht widersprechen.Er muß den Eingriff in das Grundrecht mit sachge-rechten und vernünftigen Erwägungen des Gemein-wohls begründen können und darf seine Rechtsetzungs-macht nicht zu sachfremden Zwecken mißbrauchen ...Das vom Gesetzgeber eingesetzte Mittel muß geeignetund erforderlich sein, um den erstrebten Zweck zuerrichten. Das Mittel ist geeignet, wenn mit seinerHilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann. Esist erforderlich, wenn der Gesetzgeber nicht ein an-deres gleich wirksames, aber das Grundrecht nicht oderdoch wenig fühlbar einschränkendes Mittel hätte wählenkönnen ... Bei einer Gesamtabwägung zwischen derSchwere des Eingriffs und dem Gewicht und derDringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe muß dieGrenze der Zumutbarkeit noch gewahrt sein. Jeempfindlicher die Berufsausübenden in ihrer Berufs-freiheit beeinträchtigt werden, desto stärker müssen dieInteressen des Gemeinwohls sein, denen diese Rege-lung zu dienen bestimmt ist." Als Abgeordnete habenwir zu prüfen, ob der Entwurf in § 5 des uns heute inerster Lesung vorliegenden Gesetzes den angespro-chenen Erfordernissen entspricht. Dabei ist wirklich zu

prüfen, ob jede Verurteilung zum Beispiel zu einerFreiheitsstrafe, die "Nichteignung des Antragstellersfür die Ausübung eines sozialpädagogischen Berufs"bedeutet oder ob nicht besser formuliert werden solltein dem Gesetz, daß nur Freiheitsstrafen, die evident dieNichteignung zum sozialpädagogischen Beruf bedeu-ten, auch diese Konsequenz haben sollen. Auch dieTextstelle "aufgrund sonstiger Tatsachen" könne sichdie Nichteignung ergeben, gefällt mir nicht so recht. Esfehlt an dieser Aussage die unverzichtbare rechtsstaat-liche Bestimmtheit. Zwar bringt § 7 in dem uns vor-liegenden Gesetzentwurf eine Verordnungsermächtigungund schafft so die Möglichkeit, über eine VerordnungBestimmtheit zu erreichen, aber wir sind der Meinung,daß diese Bestimmtheit bereits im Gesetz formuliertsein sollte - zumindest in der Abstraktion. Hier wurdebereits erwähnt, daß viele gute Regelungen in dem Ge-setz enthalten sind, wie die Anerkennung der Zertifi-kate aus 1991 und 1992 oder die Bestimmung der ein-zelnen möglichen Berufe, die nun mit der staatlichenAnerkennung versehen werden sollen. Trotzdem soll-ten wir gerade diesen §§ 5 und 7 unsere große Auf-merksamkeit widmen. Deswegen möchte ich zusätzlichzu den von Frau Raber beantragten Ausschußüberwei-sungen dieses Gesetzentwurfs, den Justiz- und Europa-ausschuß beauftragen, sich mit diesem Gesetzentwurfzu beschäftigen. Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke der Frau Abgeordneten Thierbach. Als näch-sten Redner bitte ich Herrn Abgeordneten Schütz,Fraktion der CDU, nach vorn.

Abgeordneter Schütz, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, Frau Ministerin Ellenberger ist darauf eingegan-gen, daß es zur Regelung der Abschlüsse im sozial-pädagogischen Bereich keine bundeseinheitliche Rege-lung gibt, und deshalb ist dieses Landesgesetz unbe-dingt unerläßlich. Frau Abgeordnete Thierbach, ichgebe Ihnen recht, der wichtigste Paragraph in diesemGesetz ist der § 5. Ich gebe Ihnen allerdings nichtrecht, aber darüber werden wir im Ausschuß sichersprechen, die Probleme, die Sie angesprochen haben,ich sage es einmal an einem ganz anderen Beispiel, daswissen Sie genausogut wie ich: Es gibt auf dieserStrecke Tätige, die waren selbst einmal drogenabhän-gig und wurden eventuell rechtskräftig verurteilt, weilsie mit Drogen gedealt haben. Da besteht schon einegroße Gefahr, wenn sie wieder einmal mit Drogen dea-len, daß ich ihnen dann eventuell die Anerkennung ab-sprechen muß. Darum sollte es genau in diesem § 5gehen. Ich sage noch einmal: Dieser § 5 ist sicher der

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2339

Knackpunkt dieses Gesetzes, denn alles andere ist dochin vieler Beziehung nur ein rechtlich zu regelnderRahmen für den Freistaat Thüringen, denn bisher wa-ren bei uns nur geregelt die Abschlüsse als Diplomso-zialarbeiter und Diplompädagoge zum Beispiel. Hiergibt es jetzt die Möglichkeit, auch Fachabschlüsse z.B. fürHeilerziehungspflege, Heilpädagogen usw. als staatlichanerkannte sozialpädagogische Fachkräfte anzuerkennen.Ich plädiere dafür, daß die - Drucksache 2/867 - an denAusschuß für Soziales und Sport federführend, an denBildungsausschuß und an den Ausschuß für Wissen-schaft, Forschung und Kultur überwiesen wird. VielenDank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Schütz für seine Aus-führungen. Weitere Rednermeldungen liegen mir nichtvor, so daß ich die erste Beratung hiermit schließe. Wirkommen zur Abstimmung. Es waren Ausschußüberwei-sungen beantragt. Ich würde folgenden Abstimmungs-modus vorschlagen, wenn Einverständnis herrscht - offen-sichtlich von allen Fraktionen unstrittig - Soziales undSport; Bildung; Wissenschaft, Forschung und Kultur -,so daß wir komplex über die drei Ausschüsse abstim-men. Dann war noch von der Fraktion der PDS derJustiz- und Europaausschuß beantragt worden, das ma-chen wir extra, und dann legen wir den federführendenAusschuß fest. Einverstanden? Sehr gut. Wer der Über-weisung des Gesetzentwurfs der Landesregierung annachfolgende Ausschüsse, Soziales und Sport; Bildung;Wissenschaft, Forschung und Kunst, seine Zustimmunggibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Ge-genstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke. Da-mit einstimmig. Wir kommen nunmehr zu der Über-weisung dieser Drucksache an den Justiz- und Europa-ausschuß. Wer der Überweisung dieser - Drucksache2/867 - an den Justiz- und Europaausschuß seine Zu-stimmung gibt, den bitte ich um sein Handzeichen.Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Dan-ke. Damit ist diese Ausschußüberweisung nicht bestätigt.Wir kommen noch zur Festlegung des federführendenAusschusses. Dazu war der Ausschuß für Soziales undSport vorgeschlagen. Wer als federführendem Aus-schuß für die Behandlung der - Drucksache 2/867 -dem Ausschuß für Soziales und Sport zustimmt, denbitte ich um sein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen?Stimmenthaltungen? Danke. Damit ist die Federfüh-rung festgelegt. Ja, Frau Abgeordnete Dr. Klaubert?

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Sprachen Sie nicht von Bildung?

Vizepräsident Friedrich:

Nein, Soziales und Sport war beantragt als federfüh-rend.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Mitberatend?

Vizepräsident Friedrich:

Das haben wir schon abgestimmt. Danke. Damit schließeich diesen Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Aufruf des Tagesordnungspunkts 3

Zweites Gesetz zur Änderung des Thürin-ger HochschulgesetzesGesetzentwurf der Landesregierung- Drucksache 2/908 -ERSTE BERATUNG

Ich bitte für den Antragsteller die Begründung vorzu-nehmen. Die Begründung erfolgt durch Herrn MinisterDr. Schuchardt. Bitte.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, mit dem Entwurf des Zweiten Gesetzes zur Ände-rung des Thüringer Hochschulgesetzes, das schwer-punktmäßig die Aufhebung der Mathematisch-Natur-wissenschaftlichen Fakultät der pädagogischen Hoch-schule Erfurt/Mühlhausen regelt, reagiert die Landes-regierung auf die mittelfristig abzusehende unverändertgeringe Nachfrage zur Ausbildung von Regelschulleh-rern in den mathematisch-naturwissenschaftlichen Fä-chern. Sie resultiert u.a. aus dem äußerst geringen Ein-stellungskorridor für Absolventen dieser Fächer imFreistaat Thüringen. In Anbetracht der Haushaltslagedes Landes verbietet sich eine Doppelung des Ange-bots an diesen Lehramtsfächern. Da auch die Empfeh-lung des Wissenschaftsrats vorsieht, das Lehramt anRegelschulen in Mathematik und Naturwissenschaftenkünftig nicht an der Universität Erfurt anzubieten auf-grund des geringen Bedarfs, und da die gesamte Aus-bildung in diesen Fächern langfristig von der Universi-tät Jena geleistet werden kann, sah sich die Landesre-gierung zu einer entsprechenden Gesetzesinitiativeveranlaßt. Eine Verlagerung der gesamten Regelschul-lehrerausbildung nach Erfurt als Alternative zu diesemGesetzentwurf wäre nicht gerechtfertigt, weil an derFriedrich-Schiller-Universität Jena das gesamte Spek-trum der Diplomstudiengänge in Mathematik und Na-turwissenschaften und die Gymnasiallehrerausbildungohnehin vertreten sind. Damit ist es eine Frage des

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vernünftigen Umgangs mit den Haushaltsmitteln desLandes, diese Ausbildung dort durchzuführen, wo sieaufgrund vorhandener Ressourcen für die Diplomstu-diengänge ohne wesentlichen Mehraufwand erfolgenkann. Als Folge der Schließung sind Regelungen fürdie Studierenden und das Personal erforderlich. DenStudierenden der Pädagogischen Hochschule wird Ver-trauensschutz gewährt, ihr Studium in der Regelstu-dienzeit ordnungsgemäß beenden zu können. Professo-ren und Hochschuldozenten der Fakultät wird die Lan-desregierung an andere Hochschulen versetzen. DerGesetzentwurf sieht auch vor, den betroffenen Hoch-schullehrern an der aufnehmenden Hochschule nachMaßgabe des Landeshaushalts eine angemessene undan der jeweiligen Hochschule übliche personelle undsächliche Ausstattung zu gewähren. Das Ministeriumfür Wissenschaft, Forschung und Kultur ist bestrebt,auch für das übrige Personal Regelungen zu finden. Eswird in jedem Fall sichergestellt, daß begonnene Pro-motions- und Habilitationsverfahren beendet werdenkönnen. Eine eigens dafür eingesetzte Arbeitsgruppe,in der auch der Hauptpersonalrat vertreten ist, sucht inmeinem Auftrag nach Weiterbeschäftigungsmöglich-keiten für das betroffene Personal. Soweit Kündigun-gen bzw. Aufhebungsverträge unvermeidbar sind, ar-beitet diese Gruppe an sozialverträglichen Lösungen.Für eine Abfindungsregelung liegt bereits die Zustim-mung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vor. DieBeschäftigungsmöglichkeiten des Personals richtensich nach dem zu erstellenden Personalbedarfsplan derHochschule. Ein Teil des Personals wird insbesonderean die Erziehungswissenschaftliche Fakultät überge-hen, die in akademischen Angelegenheiten Rechts-nachfolgerin der zu schließenden Mathematisch-Na-turwissenschaftlichen Fakultät sein wird. Auf Antragkann im Rahmen der Projektförderung Personal befri-stet in entsprechend positiv begutachteten Forschungs-vorhaben beschäftigt werden.

Meine Damen und Herren, inzwischen hat die Hoch-schule ihren Teilstandort in Mühlhausen aufgegeben.Es ist daher folgerichtig, daß in der Gesetzesnovelleauch eine Präzisierung des Namens vorgenommenwerden soll, so daß die Hochschule künftig Pädago-gische Hochschule Erfurt hieße.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, für die bishe-rige Hochschule für Architektur und Bauwesen Wei-mar ist im Gesetzentwurf ebenfalls eine Namensände-rung vorgesehen. Entsprechend einem Senatsbeschlußwünscht die Hochschule künftig den Namen "Bauhaus-Universität Weimar" zu tragen. Die Bezeichnung Uni-versität hebt den wissenschaftlichen Charakter derHochschule hervor und erlaubt eine klarere Abgren-zung zu den Bezeichnungen von Fachhochschulen desalten Bundesgebiets. Zur Vermeidung von Wettbe-werbsnachteilen befürwortet die Landesregierung die

Bezeichnung "Universität", da heute in Deutschlandvon mehreren Hochschulen diese Bezeichnung geführtwird, obwohl auch sie kein Fächerspektrum aufweisen,das für eine Universitas im eigentlichen Sinne notwen-dig wäre. Ohne jeden Zweifel ist die Hochschule fürArchitektur und Bauwesen Weimar eine universitäreEinrichtung. Die Bezeichnung "Bauhaus" steht nachdem Verständnis der Hochschule für moderne Archi-tektur in Verbindung mit Ingenieurleistungen, für mo-dernes Design sowie für den kritischen Umgang mitProblemen der Industrie- und Informationsgesellschaft.Den Namen "Hochschule für Architektur und Bauwe-sen Weimar" erhielt die Hochschule im Jahr 1954,nachdem dort die Abteilung Bildende Kunst aufgelöstworden war. Inzwischen ist sie dabei, die vom Wissen-schaftsrat empfohlene Einheit von Kunst und Technikanzustreben, indem der künstlerische Zweig der Archi-tektur verstärkt und die neue Fakultätsgestaltung ge-gründet wurde. Die künstlerisch-gestalterische Erwei-terung des Lehr- und Forschungsprofils soll sich künf-tig im Namen der Hochschule widerspiegeln. Mit demBegriff "Bauhaus" wird das gemeinsame Dach charak-terisiert, unter dem sich Architektur, Technik, Bauin-genieurwesen, Design, die neuen Medien und dieKunst wiederfinden.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, der Gesetz-entwurf trifft darüber hinaus mit der rechtlichen Mög-lichkeit, in Ausnahmefällen einen dritten Prorektor zuwählen, eine Vorkehrung für den Fall einer häufigenAbwesenheit eines Rektors aufgrund von Verpflichtun-gen, z.B. in überregionalen Gremien, oder für den Fall,daß die Hochschule wegen ihrer Aufgabenfülle einesProrektors beispielsweise für größere Bauvorhaben be-darf. Der Entwurf soll zugleich die rechtliche Voraus-setzung dafür schaffen, daß bei weiteren Planungen ander Universität Erfurt die künftige Einrichtung vonMagisterstudiengängen Berücksichtigung finden kann.Hingegen spricht gegen die Zulassung von Magister-studiengängen an der PH Erfurt, daß hierdurch derUniversität Erfurt vorgegriffen würde. Es ist Auftragder Universität Erfurt, die Magisterausbildung in gei-steswissenschaftlichen Fächern zu übernehmen. Dabeisoll die Universität innovative Konzepte hinsichtlichInhalt und Gestaltung der Studiengänge erproben. Lie-ße man jetzt die Einrichtung von Magisterstudiengän-gen an der PH zu, würden diese konventionellen Stu-diengänge in Konkurrenz zu denen an der Universitättreten. An der Universität würden dann nach Integra-tion der PH pro Fach zwei verschieden konzipierte Ma-gisterstudiengänge existieren. Dies, meine Damen undHerren, ist aus haushaltsmäßiger Sicht nicht zu ver-treten. Darüber hinaus bestünde die Gefahr, daß dieDurchführung konventioneller Studiengänge an derUniversität Erfurt sich kontraproduktiv auf die innova-tive Struktur der neu konzipierten Studiengänge aus-wirken würde. Daher ist auch unter dem hochschulpoli-

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tischen Aspekt der Konzeption der Universität Erfurtals Reformuniversität die Einrichtung von Magisterstu-diengängen an der PH zum jetzigen Zeitpunkt abzuleh-nen.

Abschließend möchte ich noch einmal darauf hinwei-sen, daß die Aufhebung der Mathematisch-Naturwis-senschaftlichen Fakultät der Pädagogischen Hoch-schule einen Schritt darstellt, der zwar schmerzlich,aber angesichts der anhaltend geringen Nachfrage inden entsprechenden Studienfächern des Lehramts undvor dem Hintergrund der Haushaltslage des Landessowie unter Beachtung der sehr klar formulierten Emp-fehlungen des Wissenschaftsrats für die künftige Struk-tur der Universität Erfurt notwendig ist. Mit der Verla-gerung der Lehr- und Forschungskapazität in diesenFächern an andere Hochschuleinrichtungen sollte esgelingen, das Forschungspotential auf diesem Gebieteffektiver einzusetzen. Die Schließung der Fakultät istnur ein Teil der Umstrukturierung der Thüringer Hoch-schullandschaft, eine Umstrukturierung im Sinne vonModernisierung, im Sinne von Anpassung an den Be-darf, an die Aufgaben des Freistaats Thüringen. Imuniversitären Bereich wird es am Standort Erfurt durchdas ereignisorientierte Aufbaukonzept und durch deninnovativen Charakter der Universität Erfurt eine nach-haltige Verstärkung des geisteswissenschaftlichen Thü-ringer Forschungs- und Lehrpotentials geben. Darüberhinaus sieht die Landesregierung in dem weiterenAusbau des Fachhochschulbereichs einen entscheiden-den Schwerpunkt Thüringer Hochschulpolitik. DieSchließung der Mathematisch-NaturwissenschaftlichenFakultät ist ein Teilschritt, der dem Freistaat Thüringendie Spielräume eröffnen hilft, die zur weiteren Effekti-vierung und dem Ausbau des Forschungs- und Lehrpo-tentials ausgeschöpft werden müssen. Weitere Teil-schritte werden auf der Basis des am 20. Februar 1996verabschiedeten Landeshochschulplans folgen. Die Lan-desregierung plant nicht nur die Schaffung von 9.000flächenbezogenen Studienplätzen in dieser Legislatur-periode, sie wird auch mit der Einbringung einer spä-teren Novelle des Thüringer Hochschulgesetzes dierechtlichen Voraussetzungen schaffen, z.B. hinsichtlichgültiger Regelungen für den Hochschulzugang für Be-rufstätige, und sie schafft mit dieser Novelle die recht-lichen Voraussetzungen für eine effektive Gestaltungder Thüringer Hochschullandschaft. Ich bin froh, daßmit dem Landeshochschulplan, der am vergangenenDienstag die Zustimmung des Kabinetts gefunden hat,

(Beifall bei der SPD)

nun Planungssicherheit für die Hochschulen im enge-ren Sinne bis zum Jahr 2000 besteht und die hochschul-politischen Vorgaben bis zum Jahre 2005 und bis zumJahre 2010 vorgegeben sind. Dieser Landeshochschul-

plan ist eine gute Grundlage für weitere ThüringerHochschulpolitik.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke. Herr Minister, einen Augenblick. Herr Ab-geordneter Neumann würde Ihnen gern noch eine Fra-ge stellen. Gestatten Sie?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Ja.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Neumann, CDU:

Herr Minister, Sie wissen, ich war vor wenigen Mona-ten bei Ihnen wegen der Kunsterzieherausbildung amHügel vorstellig geworden. Wie beurteilen Sie die Auf-lösung der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fa-kultät unter dem Aspekt der Fächerkombinierung, be-sonders im Hinblick auf die Kunsterzieherausbildungam Hügel?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Es gibt hinsichtlich der Ausbildung in künstlerischenFächern - darauf bezieht sich ja wohl im engeren SinnIhre Frage, Herr Abgeordneter Neumann - eine Ar-beitsgruppe, die kurz vor Verkünden ihres endgültigenOptimierungsergebnisses steht, eine Arbeitsgruppe, diefür die gesamte Thüringer Hochschullandschaft diesenAusbildungsauftrag optimiert. Hier sind verschiedeneAspekte abzuwägen, hier spielen die Ausbildungskapa-zitäten an der Hochschule für Architektur und Bauwe-sen, an der Friedrich-Schiller-Universität Jena und ander Pädagogischen Hochschule Erfurt eine Rolle. Eswar Arbeitsauftrag dieser Arbeitsgruppe, diese Res-sourcen zu optimieren und hier dem Ministerium eineoptimale Lösungskonzeption vorzuschlagen. Ich erwar-te sie in den nächsten 14 Tagen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister. Ich eröffne nunmehr dieAussprache. Als ersten Redner bitte ich Herrn Abge-ordneten Dr. Klaus Zeh von der Fraktion der CDUnach vorn.

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Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, es liegt heute das Zweite Gesetz zur Änderung desThüringer Hochschulgesetzes vor, vorgelegt von der Lan-desregierung. Neben einigen Namensänderungen wie Bau-haus-Universität bzw. Pädagogische Hochschule Er-furt/Mühlhausen in Pädagogische Hochschule Erfurt, wo-rauf ich hier nicht näher eingehen möchte, ist diewesentliche Änderung im Gesetz die Neustrukturierungder Lehrerausbildung im Freistaat Thüringen. Ein hei-ßes Eisen sicher, und wenn ich das Interesse auf derZuschauertribüne sehe, sagt es mir, daß es eine schwie-rige Sache wird. Der Freistaat Thüringen folgt mit die-sem Gesetz einerseits einer dringenden Empfehlungdes Wissenschaftsrates. Das Land folgt damit anderer-seits der Tatsache, daß die Nachfrage nach Studien-plätzen für Lehramtsstudiengänge im Hinblick auf einefehlende Beschäftigungsmöglichkeit für deren Absol-venten gesunken ist. Das hat der Minister sehr ausführ-lich begründet. Hier liegt meines Erachtens der Ent-scheidungsbedarf, und die Frage lautet: Wieviel Aus-bildungskapazität muß das Land vorhalten, damit derkünftige Bedarf des Landes an Lehrern gedeckt werdenkann? Diese Frage muß daher in erster Linie aus derSicht der Vorsorgepflicht des Freistaats zur Sicherungder Schulbildung gesehen werden. Dazu parallel gese-hen werden muß die Frage nach der Verantwortung desFreistaats gegenüber denen, die als Studenten ausge-bildet werden und als Absolventen dann auch Beschäf-tigungsmöglichkeiten im Lehrerdienst erwarten dürfen.

Meine Damen und Herren, Sie wissen, daß die Lehr-amtsausbildung wie kaum eine andere auf das Lehramtausgerichtet ist. Vermittlungsmöglichkeiten in der frei-en Wirtschaft sind kaum oder nur selten möglich. Alsozu gut deutsch, wir können nicht auf Teufel komm rausausbilden, ohne den Absolventen eine faire Chance füreine Anstellung im Lehrerdienst zu ermöglichen. Wenndiese Fragen im Ausschuß geklärt sind, dann, und erstdann, ist die Frage nach dem Standort der Ausbildungzu stellen. Ich denke, diese Frage ist in erster Liniekeine finanzielle Frage.

Da die Universität Erfurt eine nach derzeitiger Planungan geisteswissenschaftlichen Disziplinen orientierteUniversität sein soll, in die ja dann auch die Pädago-gische Hochschule integriert werden wird, ist eineKonzentration der Lehramtsausbildung für Mathematikund naturwissenschaftliche Fächer an der FSU Jenasinnvoll. Es bleiben dann natürlich die Fragen zu be-antworten:

1. Wie sichern wir das an der Pädagogischen Hoch-schule existierende hohe wissenschaftliche Potentialfür den Freistaat Thüringen? Wie nutzen wir das

Know-how? Es gibt dort ein beträchtliches Potential anKnow-how in naturwissenschaftlichen Disziplinen.

2. Welche Antworten geben wir den Mitarbeitern füreine sinnvolle und angemessene Weiterbeschäftigung?

Auch hier ist ein hohes Potential, eine hochmotivierteMannschaft vorhanden. Hier hat meines Erachtens derMinister für Wissenschaft, Forschung und Kultur in derEinbringung einige Möglichkeiten aufgezeigt. Ich den-ke, wir werden diese Fragen im Ausschuß sehr aus-führlich erörtern müssen. Ich beantrage für die CDUdie Überweisung des Gesetzentwurfs in der - Drucksa-che 2/908 - an den Ausschuß für Wissenschaft, For-schung und Kultur und begleitend an den Haushalts-und Finanzausschuß. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Zeh. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Höpcke, Fraktionder PDS, nach vorn.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Über-schrift des eingebrachten Gesetzentwurfs sagt nicht,worüber der Landtag entscheiden soll, sie klingt ganzharmlos. Insofern die Möglichkeit der Wahl von drittenProrektoren geschaffen wird, ist der Gesetzentwurf tat-sächlich harmlos, belangarm, marginal. Der neue Na-me Bauhaus-Universität für die Architektur- und Bau-wesenhochschule in Weimar ist doch schön und jeden-falls mehr gerechtfertigt, als die Inanspruchnahme desNamens "Universität" für die in Erfurt vorgeseheneSchmalspuranstalt.

(Beifall bei der PDS)

Die Brisanz der Gesetzesvorlage steckt in den Rege-lungen zur Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fa-kultät der Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhau-sen.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: SindSie Prophet?)

Diese Fakultät soll geschlossen werden. Es handelt sichum ein Schließungsgesetz, das Thüringen schadet.

(Beifall bei der PDS)

Nach dem Ende zahlreicher Fach- und Ingenieurschu-len, der Technikfakultät der Friedrich-Schiller-Univer-sität Jena, der Medizinischen Hochschule Erfurt steht

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erneut ein Fall des Dichtmachens einer akademischenEinrichtung in Thüringen an. Die Landesregierungwill, daß das Land auf ausgewiesene Kapazitäten undRessourcen, besonders in den mathematisch-naturwis-senschaftlichen Bereichen, verzichten soll, die überJahrzehnte national und international anerkannte Lei-stungen in der Lehrerausbildung erbrachten. Wir stim-men mit der Gewerkschaft Erziehung und Wissen-schaft sowie der ÖTV überein, die feststellen, die Lan-desregierung habe trotz Aufforderungen und Mahnun-gen bislang kein Konzept der Lehreraus- und Weiter-bildung vorgelegt, weswegen es auch aus diesem Grun-de geradezu leichtfertig und wissenschaftspolitischfalsch sei, unter diesen Prämissen die Mathematisch-Naturwissenschaftliche Fakultät zu schließen. Der wie-derholte Hinweis auf Nachfragerückgang, der ebenauch von Herrn Dr. Zeh kam, ersetzt ein solches Kon-zept nicht.

(Beifall bei der PDS)

Der Fakultätstod erzeugt viel Gift, so viel, daß es diePädagogische Hochschule im Ganzen bedroht. DieFortexistenz ihrer Reste bis zum Jahr 2002 wird ge-fährdet. Stellt man die Frage, wozu das nötig ist, dannergibt die zur Entscheidung anstehende Gesetzesvorla-ge im Punkt "D. Kosten" die Antwort. Es heißt dort:"Das Gesetz führt die Pädagogische Hochschule Er-furt/Mühlhausen betreffend zu einer Verminderung derPersonalkosten des Landes." Folgerichtig wäre deshalbim Punkt "E. Zuständigkeit" der Satz: "Federführendist der Minister für Wissenschaft, Forschung und Kul-tur." zu ergänzen durch die Worte "und der Ministerder Finanzen". Wenn die Schuldigen genannt werden,sollte man einen so wesentlich anstoßgebenden Betei-ligten nicht übersehen.

(Beifall bei der PDS)

Bleiben wir beim Argument des Sparenmüssens. Dawerden ca. 10 Mio. DM ausgegeben, um den Umzugder Institute für Biologie und Chemie von Mühlhausennach Erfurt sowie die Modernisierung und Sanierungder apparativen Ausrüstung zu bezahlen. Kaum sind sieam Zielort und leistungsfähiger als früher, werden dieInstitute liquidiert. Das soll Sparen sein?

(Beifall bei der PDS)

Da die noch nicht gebildete Universität Erfurt 1995schon 31 Stellen besetzt hat, und da 1996 nach Lan-deshaushaltsplan weitere 64 Stellen eingerichtet wer-den sollen, erscheint einleuchtend, daß die Ministerund das Kabinett auf der Suche sind, wie sie woandersStellen streichen können. Und wo meinen sie, die zufinden? An der Pädagogischen Hochschule. Also wirddie Fakultät zugunsten des von uns wegen seines nicht-

universitären Charakters kritisierten Prestigeprojektseiner Universität Erfurt geschlossen.

(Beifall bei der PDS)

Und das, obgleich es ständig hieß und heißt: Die Uni-versität Erfurt werde nicht zu Lasten anderer ThüringerHochschulen gegründet. Was zeigt uns das? Wer glaubt,was Mitglieder des Kabinetts Vogel beteuern, ist uner-fahren und gibt sich Täuschung und Selbsttäuschunghin.

(Beifall bei der PDS)

Ich frage die Landesregierung: Wie viele Stellen wer-den auf Grundlage der Zweiten Gesetzesnovelle zumThüringer Hochschulgesetz "abgebaut"? Wie vieleStellen werden 1996 an der Pädagogischen Hochschuleaußerhalb der aufzulösenden Fakultät "abgebaut"? Indiesem Zusammenhang muß auf etwas aufmerksam ge-macht werden, was in Erfurt die Spatzen von den Dä-chern pfeifen. Das Personal der Universität Erfurt sollweitgehend frei von Wissenschaftlern hiesigen Ur-sprungs sein - "ossifrei", wie manche sagen. Das istdoch für eine Thüringer Regierung ein stolzes Ziel.Und der Spareffekt ist auch garantiert; denn Thüringerwürden ja für höhere Gehälter eingestellt ...

(Zwischenruf Abg. Neumann, CDU: SagenSie mal was zu den Ursachen.)

Um des Erfurter Universitätsprojekts willen wird in diePädagogische Hochschule ein lebensbedrohliches Lochgeschlagen, obwohl das Personal dort auch jetzt drin-gend für Lehre und Forschung gebraucht wird und ob-wohl die Universität Erfurt, wenn es gutgeht, vielleichtin fünf Jahren beginnt, Leistungen für die Gesellschaftzu erbringen. Bekanntlich hat der Wissenschaftsrat, aufden hier mehrfach Bezug genommen wurde, eine zeit-liche Streckung des Aufbaus der Erfurter Universitätempfohlen. Damit entfällt der Grund für einen eiligenEingriff in die Struktur der Pädagogischen Hochschule.Man könnte in Ruhe eine schadensarme und sinnvolleVariante zur Lösung der Probleme suchen, statt erneuterst zu schneiden und dann zu messen.

(Beifall bei der PDS)

Bleibt man bei der mit dem Gesetzentwurf angepeiltenLösung, dann leiden viele darunter. Die Studenten: Ob-wohl sie Vertrauensschutz genießen, werden sie Ein-bußen im Lehrangebot hinnehmen müssen und ge-zwungen sein, zu Lehrveranstaltungen nach Jena zufahren. Die Erziehungswissenschaftliche Fakultät kann,fachlich gesehen, bei Promotion und Habilitation nichtRechtsnachfolger der Mathematisch-Naturwissenschaft-lichen Fakultät sein. Was mit den Promoventen wird, das

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ist ungeklärt. Was wird mit den Beschäftigten an derabzuwickelnden Fakultät? Bisher gibt es für die Profes-soren zwar Zusicherungen, aber diese sind nicht unter-setzt; denn die Thüringer Hochschulen an anderen Or-ten zeigten sich nicht bereit, Erfurter Kollegen aufzu-nehmen, bis jetzt.

Ich frage die Landesregierung: Für wie viele Beschäf-tigte der fraglichen Fakultät sind Ihrer Meinung nachdie anderen Thüringer Hochschulen überhaupt in derLage, Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen? Und istweiter an das Praktizieren einer Methode gedacht, diegewerkschaftlicherseits als "Selbstfeilbietung" apostro-phiert wurde? Minister Dr. Schuchardt sprach von"Versetzen", das wäre etwas anderes. Welche Zusagenerhalten Professoren bezüglich der Mitnahme von wis-senschaftlichen Mitarbeitern beim Wechsel der Hoch-schule? Das Wort vom "Üblichen" halte ich für ziem-lich unbestimmt.

Was mit dem sogenannten akademischen Mittelbauund den technischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiternwird, ist völlig ungeklärt, wie die Betroffenen versi-chern. Die Erläuterungen zu § 132 b Abs. 3 sind viel-leicht geeignet, gute Absichten auszudrücken. Aber al-le Erklärungen sind vage und unverbinlich. Bekannt-lich ist der Weg in die Hölle mit guten Absichten ge-pflastert. Von einem sozialdemokratischen Ministerhätte man erwartet, daß er demokratisch handelt, daßer kooperationsfreundlich zusammen mit den Betroffe-nen eine Lösung sucht, was aber nicht geschah, wor-über die Kollegen der PH wohl mit Recht klagen. Zuerwarten wäre von ihm wohl auch, daß er sozial ver-antwortungsbewußt agiert, was auch nicht der Fall ist;denn eine Gewährung und Gewährleistung von sozial-verträglichen Lösungen ist nicht in Sicht. Oder ist dieLandesregierung in der Lage, über Festlegungen zu-gunsten der Gekündigten, z.B. Abfindungen, Vorruhe-stand etc., Verbindliches zu sagen? Negative Auswir-kungen hat die Fakultätsabwicklung ferner auf dieVerwendung der Forschungskapazitäten sowie die Nut-zung der apparativen Ausstattung der Institute. DasRechenzentrum sollte auch nicht übersehen werden.

Soweit ich informiert bin, haben alle Institute der Ma-thematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät mehrereForschungsprojekte vorgestellt, die seitens der Landes-regierung Förderung und Unterstützung erhalten soll-ten. Diese Form der Weiterbeschäftigung ist nicht be-sonders günstig, da sie nur befristete Arbeitsverhältnis-se gestattet, aber sie könnte das Los der Betroffenenetwas erleichtern und ihnen gestatten, ihre Leistungs-fähigkeit zu zeigen und zu nutzen. Man sollte den inProjekte eingebundenen Kolleginnen und Kollegenauch die Nutzung vorhandener Geräte und Laborräumezusagen.

Will man aus den vorgetragenen Ausführungen Konse-quenzen ziehen, so muß man aus der Tatsache, daß dieVorlage keine befriedigende Lösung enthält, folgern:Es sind neue Bemühungen vonnöten, um bessere Lö-sungen zu finden. Da der Ausschuß für Wissenschaft,Forschung und Kultur selbst bei gutem Willen überfor-dert sein dürfte, wenn er allein in Vorbereitung derzweiten Lesung die Verbesserung zu erarbeiten hätte,ist ein Weg mit ergänzenden Hilfen sinnvoll. Zweck-mäßig wäre es, wenn der Ausschuß eine Anhörung ver-anstalten würde, in der Fakultätsangehörige sich zurNotwendigkeit und Funktion ihrer Fakultät äußern, inder weiter die anderen Thüringer Hochschulen Stellungnehmen, in der auch die Gewerkschaften und Personal-räte ihre Sicht vortragen könnten und in der die StadtErfurt Gelegenheit bekäme, ihre Position mitzuteilen.

(Beifall bei der PDS)

Es mag sein, daß ich nicht alle genannt habe, die anzu-hören wären, ich wollte nur verdeutlichen, eine Anhö-rung dürfte notwendig und erkenntnisbringend sein.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Abgeordneter Höpcke, Herr Abgeordneter Dr. Zehwollte Ihnen eine Frage stellen. Gestatten Sie? Oder? AmEnde wollen Sie?

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Gut, dann machen wir es dann.

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Ich wollte die Ausführungen nicht unterbrechen. Ichwürde dann am Ende die Frage stellen.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Wenn ich die Gesetzesvorlage der Landesregierung be-trachte - vielleicht können Sie dann gleich auf diesesBedenken noch mit eingehen, das ich jetzt vortrage -,erwachen bei mir Bedenken hinsichtlich der Verfas-sungsmäßigkeit der Schließung einer Fakultät durchein Gesetz, da dieses Gesetz in die verfassungsgaran-tierte Autonomie der Hochschule eingreift. Ich möchtemeine Bedenken kurz begründen: Vor allem ist daraufhinzuweisen, daß in Übereinstimmung mit Artikel 5,Abs. 3 des Grundgesetzes nach Artikel 27 Abs. 1 derLandesverfassung gilt: "Wissenschaft, Forschung undLehre sind frei." Zu diesem Freiheitsrecht der Wissen-schaftler und wissenschaftlichen Institutionen ergänztArtikel 28 Abs. 1: "Die Hochschulen genießen denSchutz des Landes und stehen unter seiner Aufsicht.Sie haben das Recht auf Selbstverwaltung, an der alleMitglieder zu beteiligen sind." Diese Sätze bedeuten,

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daß die Hochschulen einer Rechtsaufsicht unterliegen.Die hat das Wissenschaftsministerium zu leisten, wozugehört, für den Schutz der Freiheit von Wissenschaft,Forschung und Lehre zu sorgen. Alle Einschränkungendes verfassungsmäßigen Freiheitsrechts von Wissen-schaft, Forschung und Lehre müssen gesetzlich gere-gelt sein (vgl. Artikel 28 Abs. 4 der Landesverfassung).

Bis hierher, vermute ich, dürfte es keine Meinungsver-schiedenheiten geben. Möglich sind diese aber bezüg-lich § 1 Abs. 3 des Thüringer Hochschulgesetzes. Dortheißt es: "Die Errichtung, die Zusammenlegung unddie Aufhebung von Hochschulen des Landes erfolgtdurch Gesetz." Es dürfte keinem Zweifel unterliegen,daß die Aufhebung einer Hochschule etwas anderes istals die einer Fakultät oder eines Instituts. Im Falle derPädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhausen geht esnicht - polemisch gefragt: noch nicht? - um die Aufhe-bung der Hochschule, sondern um die Schließung einerFakultät. Nach dem gesunden Menschenverstand sinddas unterschiedliche Sachverhalte. Auch juristisch istdie Regelung verschieden. Während die Schließungwie die Errichtung einer Hochschule per Gesetz er-folgt, ist die Schließung wie Errichtung von Fakultätenanders geregelt. Über die innere Struktur einer Hoch-schule entscheidet nicht der Landtag durch Gesetz,sondern die Hochschule selbst. Eine Fakultät wird in§ 83 Abs. 1 Thüringer Hochschulgesetz als Fachbe-reich mit Habilitationsrecht bestimmt. Über die Glie-derung der Hochschule, soweit nicht die Fachbereicheselbst zuständig sind, entscheidet nach § 79 Abs. 2Punkt 8 Thüringer Hochschulgesetz der Senat einerHochschule und niemand anderes. Das bedeutet: Nachdem geltenden Recht Thüringens gibt es für den Ge-setzgeber kein subsidiäres Regelungsrecht zur innerenStruktur der Hochschulen und damit keine gesetzlicheBefugnis zur Auflösung von Fakultäten.

(Beifall bei der PDS)

Möglicherweise will man einen Bogen um diese Rechts-vorschrift machen und spricht deswegen im vorliegen-den Gesetzentwurf (Abschnitt "A. Problem und Rege-lungsbedürfnis") von einer "Teilaufhebung einer Hoch-schule". Aber, meine Damen und Herren, die Worte"Teilaufhebung einer Hochschule" kommen im Thürin-ger Hochschulgesetz überhaupt nicht vor. Es ist einezweifelhafte Erfindung, die möglicherweise nur denZweck verfolgt, die Regelungen über die Fakultätsauf-lösung durch den Senat der Hochschule auszuhebeln.Es ist nicht erkennbar, welche Sachverhalte als Teil-aufhebung einer Hochschule gelten sollen im Unter-schied zu denen, die eine Fakultätsschließung bildenwürden. Ich bin der Meinung, daß hier die Gefahr einesrechtswidrigen Eingriffs in die verfassungsgeschützteHochschulautonomie vorliegen könnte und deshalbzwischen erster und zweiter Lesung zum Gesetzent-

wurf eine Prüfung der Rechts- und Verfassungsmäßig-keit unverzichtbar ist.

(Beifall bei der PDS)

In der zur Debatte stehenden Gesetzesvorlage wird inArtikel 1 Punkt 2 durch eine Änderung von § 26 Abs. 1Satz 1 der Pädagogischen Hochschule das Recht, denMagistergrad zu verleihen, entzogen. Betroffen sind dieKultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät und diePhilologische Fakultät. Eine Begründung fehlt. Was derMinister dazu vorgetragen hat, konnte meiner Meinungnach nicht überzeugen. Die betroffenen Fakultäten pro-testieren, und die Abgeordneten rätseln weiter. Ich fra-ge die Landesregierung: Wie erklärt das zuständigeFachministerium die Paradoxie, daß die Fakultätenzwar das Recht zur Promotion und zur Habilitationbesitzen, nicht aber das zur Verleihung eines ge-ringeren akademischen Grades, des Magisters? Warumwird zeitgleich die genannte Berechtigung der Univer-sität Erfurt verliehen, obgleich diese noch nicht in derLage ist, Leistungen zu erbringen? Abschließend bean-trage auch ich die Überweisung der Vorlage an denAusschuß für Wissenschaft, Forschung und Kultur so-wie an den Justiz- und Europaausschuß, und ich wäreauch einverstanden, wie Herr Dr. Zeh das vorgeschla-gen hat, an den Ausschuß für Haushalt und Finanzen.Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Abgeordneter Dr. Zeh, Ihre Frage bitte.

Abgeordneter Dr. Zeh, CDU:

Herr Abgeordneter Höpcke, da Sie das für mich wich-tige Argument der Absolventen einfach vom Tisch ge-fegt haben, frage ich Sie: Welche Antworten geben Sieden Absolventen, die in der guten Hoffnung, dann eineAnstellung als Lehrer zu erhalten, im Lehramtsbereichausgebildet werden und hinterher aber keine Anstel-lung bekommen können?

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Ich habe dieses Argument nicht vom Tisch gewischt,sondern ich habe nur gesagt, daß mit diesem sich stän-dig wiederholenden Hinweis nicht die Notwendigkeitausgehebelt ist, die Entwicklung auf diesem Gebietgründlich zu erforschen und danach festzulegen, inwelcher Zahl Absolventen voraussichtlich gebrauchtwerden.

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2346 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU:Ja, unterstellen Sie dann dem Minister, daßer das nicht macht?)

(Zwischenruf Abg. Dr. Häfner, CDU: DasLeben hat Sie längst überholt.)

Wenn Sie Ihre Frage, Herr Dr. Zeh, auf andere Diszi-plinen, die in anderen Einrichtungen vorgesehen sind,anwenden würden, würden Sie möglicherweise auch zueinigen Fragen kommen, die Sie sich bis jetzt nochnicht gestellt haben im Hinblick auf Leute, die da stu-dieren und dann nachher nichts zu arbeiten haben.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Höpcke. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Enkelmann vonder Fraktion der SPD nach vorn.

Abgeordneter Enkelmann, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, das Gesetz, das wir jetzt in erster Lesung zu bera-ten haben, stellt aus meiner Sicht eine äußerst verant-wortliche Entscheidung der Landesregierung dar. Aberdas haben verantwortliche Entscheidungen ja wohl soan sich. Sie haben auch unangenehme Seiten, denn werdie Verantwortung für das Ganze wahrnehmen will, indem Fall für die Hochschulen des Landes, wird nichtallen Wünschen und Blütenträumen gerecht werdenkönnen. Mein Vorredner hat es mir leicht gemacht,noch einmal auf einige seiner Argumente einzugehen.Ich will aber vorher festhalten, daß die verantwortlicheEntscheidung zur Schließung der Mathematisch-Natur-wissenschaftlichen Fakultät der Pädagogischen Hoch-schule sowohl durch die Studentenzahlen als auchdurch den Lehrerbedarf gedeckt sind. Oder meinen Sieernsthaft, daß wir als Landesparlament in Thüringenglaubhaft machen können, daß etwa im Durchschnittsechs Studierende pro Jahr an der Pädagogischen Hoch-schule in der zur Rede stehenden Fakultät es rechtferti-gen, den gesamten Apparat einer Fakultät aufrechtzu-erhalten? In den 90er Jahren ist dies die durchschnitt-liche Studienanfängerzahl, 5, 6, mal 4, und in Jena istdie Zahl derer, die diesen Studiengang angetretenhaben in den 90er Jahren bisher auch nicht größer. Wirhaben im Durchschnitt in Thüringen in diesen Fach-bereichen zehn Studierende zu verzeichnen pro Jahr-gang. Deshalb, meine ich, kann man bei den knappenMitteln und den großen Bedürfnissen der Hochschulenin Thüringen an dieser Tatsache nicht vorübergehen.Herr Höpcke, es heißt also, Verantwortung wahrzu-nehmen, nicht nur auf ein Partikelchen zu sehen, son-dern auf das Ganze den Blick zu wagen und auch

denen an den Hochschulen in die Augen sehen zu kön-nen bei der Lesung dieses Gesetzes, die nicht dieserFakultät angehören und allen Grund haben, beim LandMittel und Anstrengungen abzuverlangen, die Kapazi-täten für Lehre und Forschung zu verbessern. Zweitens,ich gebe zu, es ist schwierig, etwas Neues zu wagen,und in den Augen der PDS, dem konservativsten Mo-ment, das wir hier im Landtag diesbezüglich haben, istes sicherlich sehr schwierig, deutlich zu machen, daßdas Wagnis einer Universität Erfurt im Vergleich zumBeharren auf dem sicher jahrzehntelangen bewährtenModell der DDR hier eine Kaderschmiede zu unterhal-ten, schwierig erscheint.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Sehrgut.)

(Beifall bei der CDU)

Aber, meine Damen und Herren, ich will es nicht beibilliger Polemik lassen. Das soll nicht die Art der De-batte sein, sondern ich bin der Meinung, daß die sicheranerkennenswerten wissenschaftlichen Kapazitäten dieserFakultät nicht wie Perlen vor die Säue geworfen wer-den, sondern im Gegenteil ihre Möglichkeiten und Fä-higkeiten sonderlich da, wo sie Lebenszeitbeamte sind,dem Lande zur Verfügung stellen werden, so wie sie esbisher getan haben und damit großen Nutzen bringenkönnen. Dieser Nutzen ist aber bei Wissenschaftlern,die ja, wie ich meine, kreativ und beweglich sind,Neues nach vorn bringen, nicht darauf beschränkt, ineiner ganz bestimmten Fakultät und unter ganz be-stimmten Bedingungen, nämlich denen, der geringstenBelastung in der Lehre ausgesetzt zu sein, nur Fruchtträgt. Nein, das ist an anderen Fakultäten, in anderenForschungsinstituten und Einrichtungen durchaus auchmöglich und unter bestimmten Umständen sogar bessermöglich. Jahrzehntelange gute Leistung ist, Herr Höpcke,überhaupt gar kein Argument, den Fortbestand einerFakultät zu fordern, deren studentischer Auftrag weg-laufenden Erfolg hat. Das haben zuallererst nicht dieProfessoren zu verantworten, sondern das ist dem Um-strukturierungsprozeß des Landes nun einmal zuzu-schreiben.

Ich bin auch der Meinung, daß mit dem Beschluß desLandeshochschulplans dem Finanzminister nicht mehrdie Verantwortung für das Wissenschaftskonzept zuge-schrieben werden muß. Wir haben keine kw-Vermerkedes Finanzministers, die hier "wild und blind" in dieHochschullandschaft hineinwirken, sondern wir habenjetzt ein von allen Hochschulen getragenes Konzeptzur Entwicklung der Thüringer Hochschullandschaft.Da sind die anderen Hochschulen Thüringens sehrwohl der Meinung, daß es wissenschaftspolitisch ver-antwortbar ist, diese Mathematisch-Naturwissenschaft-liche Fakultät zu schließen. Diese Schließung ist eine

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2347

Integration und keine Liquidation, wie Sie behauptethaben, Herr Höpcke. Es geht nicht darum, zu überle-gen, wie man noch ein paar Jahre diese Situation derPH hinhalten kann, wohl wissend, daß eine Umstruktu-rierung nötig ist, sondern wir wollen die Zeit, die unsbleibt, nutzen, die wissenschaftlichen und pädago-gischen Kapazitäten der Naturwissenschaftlichen Fa-kultät der PH zu integrieren. Ich beantrage für unsereFraktion nicht nur die Überweisung des Gegenstandsan den Ausschuß, sondern kündige auch an, daß wir ei-ne Anhörung aller Beteiligten an diesem Prozeß derSchließung der Fakultät beantragen werden und gehedavon aus, daß dann erstmals die Rechtsgrundlage ge-schaffen ist, über die sogenannten Unklarheiten überdie Zukunft der Mitarbeiter dieser Fakultät zu reden,denn ohne Rechtsgegenstand, ohne Gesetzesänderungwäre eine solche Diskussion gegenstandslos gewesen.Insofern wird dann wohl der Beweis angetreten wer-den, daß diese Umwandlung und Schließung sozialverantwortlich und sehr wohl demokratisch vonstattengeht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß Forschungska-pazitäten für das Land Thüringen verlorengehen ange-sichts einer Forschungsoffensive, wie sie durch dasMinisterium für Wissenschaft, Forschung und Kulturhier vertreten wird, die sperrangelweit offene Scheu-nentore jedem nur Interessierten, Willigen und mit Ein-fällen versehenem Wissenschaftlicher die Möglichkei-ten gibt, anwendungsorientiert zu forschen und damitzum Wohle des Landes, sonderlich zur Entwicklungneuer technologisch interessanter Arbeitsprozesse undArbeitsplätze zu wirken.

(Beifall bei der SPD)

Es ist keine Schande für einen Wissenschaftler, mit ei-nem befristeten Arbeitsvertrag ausgestattet zu sein.Wer, wenn nicht Wissenschaftler, wird im Wettbewerbum gute Leistungen, locker seine Leistung bringenkönnen. Wir verlangen es jedem Arbeitnehmer ab, daßer im Wettbewerb um seine Arbeit steht und gute Lei-stungen bringt. Warum ist ein solcher Arbeitsplatznicht für einen Wissenschaftler eine hinnehmbare Her-ausforderung. Was Sie über die Verfassungsgemäßheitdieses Gesetzes vorgetragen haben, Herr Höpcke, dasmöchte ich gern im Detail im Ausschuß für Justiz ge-klärt wissen. Ich gehe davon aus, daß die Auflösung alsRechtsakt gleichzeitig auch die Teilauflösung ermög-licht, in einem Prozeß, der ja insgesamt auf die Auflö-sung der Pädagogischen Hochschule hinausläuft undderen Integration in die Universität Erfurt vorsieht. Nurwer mit bewußter Begrenzung seines Blickes einenTeilprozeß herauslöst, kann, wenn man will, das Ge-genteil vermuten.

Noch zum angenehmen Teil dieses Gesetzentwurfs: Ichfreue mich für die Weimarer Hochschule, wenn ihreNamensänderung hier beschlossen wird. Sie wählt sich

halt nicht nur einen der berühmten Architekten aus derBauhausschule, der an ihr gewirkt hat, sondern sie ver-sucht, so gerecht wie möglich zu sein, indem sie denNamen "Bauhaus" über ihre Pforten schreibt. Ich den-ke, die Entwicklung, die die Hochschule für Architek-tur und Bauwesen in Weimar in den letzten Jahren ge-nommen hat, rechtfertig allemal, ihr diesen Namenzum Schmucke zu geben. Ich danke Ihnen für IhreAufmerksamkeit und bin gespannt auf die Beratungenim Ausschuß.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Enkelmann. Als näch-ste Rednerin bitte ich Frau Abgeordnete Dr. Klaubert,Fraktion der PDS, nach vorn.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mein Vor-redner macht es mir auch leicht, auf einige Dinge hin-zuweisen, die man an dieser Stelle mit einiger Deut-lichkeit aussprechen muß. Und zwar möchte ich michganz gern auf das beziehen, was er damit umschreibt,daß man das Ganze im Blick haben soll. Als Abgeord-nete eines Landtags sollen wir heute einer Gesetzesno-velle der Landesregierung zustimmen, die nach ande-ren Hochschulen, mein Kollege Höpcke wies bereitsdarauf hin, die Mathematisch-NaturwissenschaftlicheFakultät der Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühl-hausen erdrosselt.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU:Evaluieren lassen.)

Als in der Entscheidungsverantwortung Stehende fragtman sich, ist eine solche Entscheidung im ganzen ver-nünftig? Der Wissenschaftsminister bekennt selbst, daßfür ihn die Entscheidung schmerzlich ist. Ich stelle dieFrage: Ist das Mögliche zur Abwendung der Fakultäts-schließung von der Regierung getan worden? WelchenWert haben die Worte seitens der Landesregierung?Ich frage weiter: Ist bis heute endlich ein Gesprächdarüber geführt worden, was seitens der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät als eigene Stellung-nahme zu diesem Gesetz formuliert worden ist? Ist biszum heutigen Tag mit Vertretern der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät ein Gespräch darübergeführt worden, was sie nach eigener Vorstellung fürdie weitere Entwicklung bis zum Einbinden in dieUniversität Erfurt leisten können. Diese Fragen, meineDamen und Herren, berühren Zusammenhänge und Pro-bleme von grundsätzlicher Natur. Herr Präsident, gestat-ten Sie mir in diesem Zusammenhang ein Zitat?

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Vizepräsident Friedrich:

Bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

"... wahrlich auf / Zwei Herrschaftsweisen ist der Staatgegründet. / Auf Staatsvernunft, die das Vorhandeneregelt. / Und Staatskunst, die ins Mögliche sich dehnt. /Doch was dem Staat den Grund entzieht, ist Staats-schlaubergerei: dies selbstverliebten Lügen. / Dies allesdulden und zu alles kränken. / Dies immer eins tun unddas andere auch. / Und keines folglich ganz, dies nichtden ärmsten / Gewinn ausschlagen und am Ende jeden/ Verpassen: So entsteht der Ekel und der Niedergang."Es sind die Worte des Hofrats Jona aus Jerusalem undihr Bekanntwerden ist Peter Hacks zu verdanken. PeterHacks hat sie kurz vor der sogenannten Wende denauch damals noch nicht vereinigten deutschen Öffent-lichkeiten und ihren damaligen politischen Führungenzugänglich gemacht. Nachzulesen in Jona, Trauerspielin fünf Akten, 1. Auflage 1989, Aufbauverlag Berlinund Weimar, Printed in the GDR.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Wermuß sich jetzt betroffen fühlen?)

(Beifall bei der PDS)

Die Entscheidung zur Auflösung einer Fakultät verrätdoch weder Staatsvernunft noch Staatskunst. Sie er-zeugt nicht nur bei den betroffenen Hochschulangehö-rigen, sondern allgemein bei den Thüringern Verdros-senheit über eine solche Politik. Welche Auswirkungenwird die Fakultätsschließung haben? Ich möchte hiernoch einmal auf ein kleines Moment eingehen, welchesim Zusammenhang mit den Absolventen der Einrich-tung gesagt worden ist, immer mit der Begründungversehen wird, wir brauchen in diesem Land in abseh-barer Zeit nicht mehr in dieser Größenordnung Lehrer.Die Frage, welche Bedarfsermittlung in anderen Beru-fen da ist, haben wir des öfteren gestellt. Aber wennschon die PDS als das konservativste Element in diesenFragen in diesem Landtag bezeichnet worden ist, dannmuß ich schon einmal die Frage nach einem bildungs-politischen Ansatz in diesem Land stellen. Wer diktiertheute die hohe Pflichtstundenzahl an unseren Schulen?Wer diktiert heute die hohen Klassenfrequenzen?

(Beifall bei der PDS)

Wer diktiert überfüllte Berufsschulklassen? Wer dik-tiert Unterrichtsausfall? In der Praxis haben wir hierein Diktat der Vernunft, der Finanzen, welches wir am

Ende noch als vernünftig erkennen sollen. Das ist kon-servative Politik.

(Beifall bei der PDS)

Schaffen Sie in Thüringens Schulen endlich die Bedin-gungen, die wir in diesen Schulen brauchen, damit dieLehrer gute Arbeit leisten können.

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU:Also, das ist ja.)

Dafür fehlen noch viele Lehrer, und die können wir na-türlich auch gut ausbilden.

(Beifall bei der PDS)

Ein letztes Wort: Seitens der Pädagogischen Hochschu-le, das heißt, vom Dekan unterschrieben, ging einSchreiben an den Vorsitzenden des Ausschusses fürWissenschaft, Forschung und Kultur. Dort bat man umeine Anhörung. Mein Kollege Höpcke hat darauf hin-gewiesen, daß diese Anhörung erforderlich ist. DerAbgeordnete Enkelmann hat hier versichert, daß er fürdiese Anhörung sorgen wird. Er mag auch zu demWort stehen, welches er in Anbetracht der Leute, dievorhin hier draußen vor dem Landtag standen, ihnen indie Hand versprochen hat. Also beraten wir dieses Ge-setz im Ausschuß für Wissenschaft, Forschung undKultur, beraten wir es in den anderen Ausschüssen undversichern wir hier, daß in der Zeitspanne zwischen er-ster und zweiter Lesung diese Anhörung erfolgt. Da-nach hat es keinen Zweck mehr. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Frau Abgeordneten Dr. Klaubert. Als näch-sten Redner bitte ich Herrn Abgeordneten Kallenbachvon der Fraktion der CDU nach vorn.

Abgeordneter Kallenbach, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, unstrittig ist, daß geringe Geburtenzahlen geringeSchülerzahlen nach sich ziehen und damit auch derLehrerbedarf im Lande sinkt. Da ist es zwangsläufig,daß auch die Studienkapazitäten zu verringern sind.Andererseits ist es aber auch richtig, daß die ThüringerLehrerschaft nicht über Jahre und Jahrzehnte von derSubstanz allein zehren kann. Es muß also das richtigeMaß der Dinge gefunden werden, es müssen die richti-gen Studienzahlen auf dem richtigen Niveau gefundenwerden. Die Diskussion nun um die Sinnhaftigkeit undNotwendigkeit der Mathematisch-NaturwissenschaftlichenFakultät hat ja schon eine Weile in der Öffentlichkeit

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2349

angehalten. Von daher ist es natürlich nicht verwunder-lich, daß dann geringe Studienanfängerzahlen gerade indiesen Bereichen zu verzeichnen sind. Es ist nicht ge-rade attraktiv oder ein Lockmittel für Studenten, ge-rade an dieser Fakultät, an dieser Hochschule zu begin-nen. Von daher kann man die heute geringen Studen-tenzahlen nicht als Maßstab für die Attraktivität derPädagogischen Hochschule oder für den StudienplatzErfurt hernehmen. Aber ein Problem ergibt sich, wasmeines Erachtens auch nicht lösbar ist, durch dieSchließung der Mathematisch-NaturwissenschaftlichenFakultät - das Fächerspektrum der PH verringert sich umeinen ganz wesentlichen Teil.

(Beifall bei der PDS)

Lehrer müssen nun einmal zwei Studienfächer belegen.Wenn da ein wesentlicher Teil wegfällt, ist eben dieAuswahl ganz erheblich eingeschränkt.

(Beifall bei der PDS)

Es ergeben sich aber noch eine ganze Reihe von Fra-gen, die meines Erachtens gegenwärtig noch nicht ge-löst sind. Im Gesetz steht, daß allen Studenten, die sicheingeschrieben haben, das Ende des Studiums, also dieHinführung bis zum Examen, in einem ordentlichenStudiengang garantiert wird. Und das ist auch gut so.Andererseits ist es so, daß natürlich die Stellen mög-lichst schnell wegfallen sollen, also die Lehrkräfte, dieProfessoren, die diese Ausbildung vornehmen. Hiermuß eine Übereinstimmung erbracht werden, hier müs-sen Übergangslösungen gefunden werden, meine Da-men und Herren, denn sonst ist das nicht möglich, washier als Zusicherung für die Studenten aufgeschriebenwurde. Hier muß der Ausschuß noch nachfragen undsehen, wie es zu Festlegungen kommt, daß tatsächlichdie Studenten auch ihr Studium ordnungsgemäß zu En-de führen können.

Zur Zukunft der Mitarbeiter: Erst am 20.02.1996, alsovorgestern, war eine erste Beratung mit der UniversitätIlmenau. Diese Beratung führte zu einem positiven Er-gebnis. Es wurde die Zusicherung gegeben, daß 16Mitarbeiter von der Pädagogischen Hochschule über-nommen werden können, darunter auch fünf technischeMitarbeiter. Hier wird ein Stück Solidarität zwischenden Thüringer Hochschulen deutlich. Aber eine ähn-liche Beratung mit der Universität Jena hat meinesWissens noch nicht stattgefunden, und es liegen keiner-lei Ergebnisse in dieser Frage bis zur Stunde vor.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ilmenaunimmt notfalls noch mehr auf.)

Ja, die Ilmenauer sind auch gut, Herr Jaschke.

(Zwischenruf Abg. Enkelmann, SPD: HerrJaschke kennt sich da aus.)

Er ist aber dafür zuständig. Er kennt sich da schon aus,Herr Enkelmann.

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ich bininformiert, Sie nicht.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Meine Damen und Herren, aber was wird nun aus denanderen Mitarbeitern? Hier wird gesagt, es werden so-zialverträgliche Lösungen angestrebt. Meines Erach-tens ist es damit nicht getan. Es kann nicht heißen, ihrbekommt eine Abfindung oder eine sozialverträglicheLösung, sondern, meine Damen und Herren, es gehtdoch darum, hier diese Kapazitäten, die unstrittig dasind, für die Forschungslandschaft in Thüringen wei-terhin zu nutzen. Das muß doch das Ziel sein.

(Beifall bei der CDU)

Unstrittig ist - allen, die sich damit beschäftigt haben,ist das bekannt -, daß hier kompetente Forschungska-pazitäten da sind in der Biologie, Chemie, Physik, inder Mathematik, Informatik. Nun geht es doch darum,diese Potenzen zu nutzen. Hat man es denn schon ein-mal ernsthaft geprüft, das Teilinstitut, was in Erfurt-Kühnhausen für Biologie angesiedelt ist, in ein lei-stungsfähiges, selbständiges Institut zu überführen? Esist ja immerhin auf der "Blauen Liste". Hier gibt esdoch einen Ansatz, der zu nutzen wäre. Das ist meinesErachtens ebenfalls durch den Ausschuß ernsthaft zuprüfen. Oder, meine Damen und Herren, ist denn ernst-haft geprüft worden, ein Aninstitut zu gründen, was lei-stungsfähig ausgebaut werden könnte und dann viel-leicht auch Bundesfördermittel erhalten könnte? Siewissen doch, daß Thüringen pro Einwohner die gering-ste Bundesförderung für Forschungsinstitute hat. Nichtweil zu wenig interessierte oder kompetente Leute hierim Land wären, sondern weil wir zu wenig solcheInstitute haben. Hier ist doch ein Ansatz, der genutztwerden könnte, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Oder was ist denn unternommen worden, wirtschafts-nahe Forschungsinstitute hier zu gründen? Sie wissen,es gibt eine Reihe von Forschungsprogrammen, aberdie sind alle projektbezogen. Der Thüringer Landtaghat im Juni 1995 die Landesregierung gebeten, ein För-derprogramm zu erstellen, was die Grundfinanzierung vonwirtschaftsnahen Forschungseinrichtungen garantiert. Ichkenne dieses Förderprogramm bisher noch nicht. Es wäreaber notwendig und es wäre eine Chance für solchewirtschaftsnahen Forschungsinstitute, die aus der PH

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herauswachsen könnten, aber auch für andere. Also ichmahne dieses Förderprogramm an.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen ja, daß im letzten Jahr eine ganze ReiheMittel leider nicht ausgegeben werden konnten, ob-wohl der Bedarf da ist. Es geht nun darum, die kompe-tenten Leute, die zweifellos da sind, und das Geld, waszweifellos da ist, zusammenzubringen und hieraus lei-stungsfähige Strukturen für den Wirtschaftsstandort Thü-ringen zu entwickeln.

Meines Erachtens, meine Damen und Herren, muß aberauch am Ende der Diskussion hier im Landtag zu die-sem Hochschuländerungsgesetz ein klares Bekenntnisdes Landtags zur Pädagogischen Hochschule stehen.Sie wissen ja, eine Hochschule ist eine sensible Ein-richtung, und wenn sie öffentlich über längere Zeit inTeilen oder in Gänze in Frage gestellt wird, dann istdas dem Image der Hochschule abträglich. Es muß die-ser Negativtrend umgekehrt werden, denn es ist nuneinmal so, wenn eine Hochschule in Frage gestelltwird, dann kommen nur noch weniger Studenten, dannkommen nicht die besten Professoren des Landes hier-her oder die guten gehen. Dieser Trend muß umgekehrtwerden. Es muß deutlich gemacht werden, daß derLandtag zur Pädagogischen Hochschule steht, vorläu-fig noch als selbständige Hochschule und später alsintegraler Bestandteil der Erfurter Universität. VielenDank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kallenbach. Als näch-ste Rednerin bitte ich Frau Nitzpon, Fraktion der PDS,nach vorn.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Herr Präsident, werte Abgeordnete, die PädagogischeHochschule wird gegen die Universität Erfurt, die Uni-versität Jena gegen die Pädagogische Hochschule Er-furt ausgespielt. Die Gründe zur Schließung der Ma-thematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät in Erfurtkönnen nämlich irgendwann ganz schnell Gründe ge-gen die Jenaer pädagogische Ausbildung sein. Wer istdann der lachende Dritte? Ich jedenfalls kann Ihnenkeinen Grund zur Schließung der Mathematisch-Na-turwissenschaftlichen Fakultät der Pädagogischen Hoch-schule sagen, jedoch eine Menge Gründe dagegen.

Der erste: Ältere Lehrer warten dringend auf Alters-übergangsregelungen, und schneller, meine Damen und

Herren, als Sie glauben, entsteht dann ein Bedarf anLehrern, auch an Lehrern in Naturwissenschaften.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Dr. Schuchardt, Minister fürWissenschaft, Forschung und Kultur: WennSie glauben.)

Der zweite: Thüringer Lehrer nutzen vielfältige Wei-terbildungsmöglichkeiten. Die kann die Jenaer Fakultätnicht allein leisten. Wie soll es die PH Erfurt aber ohnedie Naturwissenschaften leisten? Die Zahlen liegen Ih-nen ganz eindeutig vor.

Der dritte Grund: Wie soll ohne Naturwissenschaftendie Lehrerausbildung in Erfurt überhaupt funktionieren- schmalspurig, nebensächlich, halbherzig?

(Beifall bei der PDS)

Der vierte: Dürfen so gefährliche Niveaueinschränkun-gen für die Lehrerausbildung überhaupt zugelassen wer-den oder steckt dahinter das Konzept "Heute die Mathe-matisch-Naturwissenschaftliche Fakultät, morgen wegenQualitätsmangel die anderen Fakultäten Erfurts"?

(Beifall bei der PDS)

Und ein fünfter: Die Forschungskapazitäten der Mathe-matisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät können einguter Grundstock für die Forschungsvorhaben der ErfurterUniversität sein. Jetzt Forschungskapazitäten verschrotten,um sie in fünf Jahren wieder einzurichten, ist unver-antwortlich, nicht nur fachlich. Dies, Herr Schuchardt, istfinanziell nicht zu vertreten.

(Beifall bei der PDS)

Und falls es einigen Abgeordneten hier im Raum nichtbekannt ist, ich bin auch Stadtabgeordnete in Erfurt.Der Erfurter Stadtrat hat im Mai 1995 einen Beschlußzur Entwicklung der Erfurter Universität gefaßt, derunter anderem auch die Integration der PH einschließ-lich der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Abtei-lung/Fakultät in diese Universität beinhaltet. Die Ab-geordneten Dr. Müller von der SPD und Herr Kallenbachvon der CDU haben diesem Stadtratsbeschluß zuge-stimmt, und Herr Kallenbach hat diesen Beschluß so-gar mit erarbeitet. Ich muß sagen, ich bin sehr erfreutüber die Position, die Sie hier noch einmal vertretenhaben, Herr Kallenbach, denn ich finde, die Fragen, dieSie aufgeworfen haben, sind sehr sinnvoll für einenweiteren Umgang mit dem Gesetzentwurf im zustän-digen Ausschuß.

(Beifall bei der PDS)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2351

Ich möchte Ihnen, meine Damen und Herren, zwei ent-scheidende Beschlußpunkte dieses Beschlusses desStadtrats Erfurt, der einstimmig gefaßt wurde, nichtvorenthalten. Der Punkt 6 heißt dort: "Umgehende Ent-scheidung für die Integration der Pädagogischen Hoch-schule Erfurt in die Universität Erfurt entsprechend derEmpfehlung der Strukturausschüsse der Gründungs-kommission der Universität Erfurt, Erhalt und Bewah-rung der materiell-technischen Basis sowie der Res-sourcen der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fa-kultät der Pädagogischen Hochschule Erfurt/Mühlhau-sen für die Universität Erfurt am Hochschulstandort Er-furt." Und der Punkt 7 heißt: "Konzentration der Regel-schullehrerausbildung für Thüringen am Hochschul-standort Erfurt."

Ich frage Sie, Herr Dr. Müller, können Sie auch Ihre inErfurt im Stadtrat vertretenen Positionen mit diesemBeschluß hier so deutlich darlegen? Und ich erwarte esganz einfach von Ihnen, denn dieser vorliegende Ge-setzentwurf widerspricht Ihrer damaligen Entscheidungim Stadtrat in Erfurt. Und die anderen Abgeordneten,egal welcher regionalen Lobby, möchte ich ganz ein-fach darauf hinweisen: Wer diesem Gesetzentwurf zu-stimmt, ist verantwortlich für eine mangelhafte Lehrer-ausbildung in Thüringen. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Frau Abgeordnete Nitzpon. Aus der Mitte desHauses sind mir keine Redemeldungen mehr zugäng-lich, so daß ich Herrn Minister Dr. Schuchardt nocheinmal das Wort erteile.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich darfmich zunächst für das Verständnis der Herren Abge-ordneten Enkelmann und Dr. Zeh bedanken, mit demsie auf meine Ausführungen eingegangen sind. Natür-lich ist es eine sehr viel schwierigere Aufgabe, verant-wortungsvoll Politik zu betreiben, wenn man auch einebei Betroffenen unpopuläre Entscheidung zu treffenhat. Das ist ganz klar. Es macht mehr Spaß, eine Uni-versität zu gründen als eine Fakultät zu schließen. Undich habe volles Verständnis, wenn der Herr Abgeord-nete Kallenbach sagt, es ist wichtig, die Studentenmüssen ihr Studium ordentlich zu Ende bringen kön-nen. Ich habe das zugesichert. Wir werden uns im Aus-schuß darüber verständigen.

Nur, Herr Abgeordneter Kallenbach, ich möchte Ihneneinmal ein paar Zahlen nennen, um noch einmal dasHauptargument, die Frage des Bedarfs, zu untermau-

ern. Schauen Sie, an der Pädagogischen HochschuleErfurt gab es folgende Studienanfänger für das Lehr-amt an Regelschulen ohne besondere Studienformen.Ich betone das noch einmal, als noch keine Rede davonwar, daß dort eine Fakultät wohl zu schließen sei. Ichsage das ausdrücklich, um anderen Argumenten - ja, dasist ja erst jetzt, seit nun diese Fakultät in Gefahr ist, so -entgegenzuwirken: 1992/93 7 Studienanfänger; 1993/94 4Studienanfänger; 1994/95 6 Studienanfänger; 1995/96 -und diese Zahl bin ich bereit in Klammern zu setzen - 3Studienanfänger.

Insgesamt in ganz Thüringen gibt es folgende Zahlenfür Studienanfänger für das Lehramt an Regelschulenim mathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich - fürganz Thüringen: 1992/93 7; 1993/94 5; 1994/95 10 und1995/96 5 - in ganz Thüringen. Vor diesen Zahlen kannman nicht die Augen verschließen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ich gebe Ihnen recht, Herr Abgeordneter Kallenbach,es gilt, diese Potentiale dort - und ich habe mich anläß-lich eines Besuchs an der Pädagogischen HochschuleErfurt überzeugt, daß es dort Potentiale gibt im wissen-schaftlichen Bereich, im mathematisch-naturwissenschaft-lichen Bereich - für Forschung zu nutzen.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, gestatten Sie eine Zwischenfrage derFrau Abgeordneten Nitzpon?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Ja.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Frau Abgeordnete Nitzpon.

Abgeordnete Frau Nitzpon, PDS:

Herr Minister, können sie dem Hohen Haus den Bedarfin den nächsten vier bis sieben Jahren an Lehrern immathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich sagen?Können Sie auch darstellen, wieviel Lehrer aus diesemBereich, die tätig sind in diesen Fächern, in den näch-sten Jahren die Schule aus Altersgründen verlassenwer-den?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Frau Nitzpon, es gibt hier zuverlässige Analysen, dievorliegen. Die haben etwas mit Demographie zu tun

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und nicht, wie Sie sagten, schneller als Sie glauben.Das ist also keine Glaubensfrage, hier muß man sichmit der demographischen Entwicklung

(Beifall bei der CDU, SPD)

und mit Zahlen beschäftigen. Und es ist völlig klar,daß in den nächsten 10 Jahren nur künstlich ein Ein-stellungskorridor aufrechterhalten wird, um überhauptjunge Lehrer, um überhaupt innovatives Potential inden Schulbereich zu bringen. Es ist kein Bedarf in dennächsten zehn Jahren zu erkennen, der Studienanfängerermuntern würde, das Lehramt für Regelschulen immathematisch-naturwissenschaftlichen Bereich zu er-greifen, der wesentlich über die genannten Zahlen hin-ausgeht. Ich komme zurück auf die Anregung des Ab-geordneten Kallenbach: Forschungspotentiale nutzen, ausPotentialen Leistungen gewinnen - völlig einer Meinung -und diese Gründung von Aninstituten. Ich möchte in allerBescheidenheit darauf hinweisen, daß das Anregungensind, daß das Entwicklungslinien sind, die von mirbesonders präferiert und hier im Thüringer Landtag seitgeraumer Zeit entsprechend empfohlen werden unddiese Linie auch umgesetzt wird. Ich erinnere daran,daß sehr erfolgreich inzwischen ein Aninstitut gegrün-det wurde für Microelektronik- und Mechatroniksyste-me.

(Beifall Abg. Enkelmann, SPD)

Ich bin jederzeit offen, wenn hier geeignete Projektvor-schläge kommen. Man kann dann auch über Institu-tionalisierung reden, aber zunächst muß das Projekt dasein, das wissenschaftliche Thema, das Thema, das derIndustrie dieses Landes, das der Wirtschaft, das denKlein- und mittelständischen Unternehmen Innova-tionsschübe bringt, und auf diesem Gebiet stehen dannauch ausreichend Fördermöglichkeiten zur Verfügung.Frau Dr. Klaubert, ausnahmsweise brauche ich heutekaum auf Sie einzugehen, denn Sie haben gegenüberdem Herrn Abgeordneten Höpcke nicht viel Konkretesvorgebracht. Ich werde mich deshalb darauf beschrän-ken, auf die Argumentationen des Herrn AbgeordnetenHöpcke weiter einzugehen. Wissen Sie, Herr Höpcke,Sie haben hier zu mir gesagt: Wissenschaft, Forschungund Lehre sind frei.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Er hat dieVerfassung zitiert, die Sie beschlossen ha-ben.)

Wenn Sie so etwas vor zehn Jahren zu mir gesagt hät-ten, dann hätte ich vermutlich

(Beifall bei der CDU, SPD)

gedacht, oh Gott, was ist denn jetzt gerade wieder ver-boten worden und mit welchem dialektischen Saltomortale soll das jetzt auch noch unter diesem Begriffbegründet werden.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, der Herr Abgeordnete Höpcke würdeIhnen gern eine Zwischenfrage stellen.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Aber bitte.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Herr Abgeordneter Höpcke.

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Herr Minister, Sie haben eben gesagt, ich hätte Ihnendas gesagt. Erinnern Sie sich, daß das nicht der Fallwar, sondern daß ich die Thüringer Landesverfassungzitiert habe?

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Ja, ich habe diese Worte aus Ihrem Munde gehört. DieThüringer Landesverfassung, die ist ja nicht mit IhrerStimme auf den Weg gebracht worden,

(Beifall bei der CDU, SPD)

sondern unter den Jastimmen zu dieser Verfassung desFreistaats Thüringen steht unter anderem mein Name,allerdings nicht Ihrer.

(Beifall bei der PDS)

Aber ich komme zurück zu Ihren Ausführungen. Ichhabe ja Verständnis, daß eine moderne geisteswissen-schaftliche, kulturwissenschaftliche Universität mitneuem, modernem, innovativem Konzept Ihnen einDorn im Auge ist. Ich kann es ja verstehen. Ich kannnicht verstehen, daß Sie auch noch mit Verunglimpfungenund Beschimpfungen hier zu Werke gehen und diesesUniversitätskonzept Erfurt mit dem Wort "Schmal-spuranstalt" zu verunglimpfen versuchen.

(Beifall bei der CDU)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2353

Ihr Wort "ossifrei" kann ich nur als Hetze betrachten.Auf diese Weise einen Ost-West-Konflikt zu schüren,nützt niemandem.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Es wird ordnungsgemäße Ausschreibungen geben, wiesich das gehört. Wenn im geisteswissenschaftlichenBereich - gerade im geisteswissenschaftlichen Bereich- hier eine geringere Zahl von Bewerbern vorliegensollte, ich hoffe, das nimmt zu, aber wenn es noch sosein sollte, dann ist das auch Ihrem Wirken in der Ver-gangenheit zu verdanken.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ihr Vorwurf, hier würde auf Ressourcen verzichtet, istabsurd. Ich habe gerade dem Abgeordneten Kallenbachbestätigt, die Forschungspotentiale sollen erhalten blei-ben. Der Freistaat bietet hierfür breite Fördermöglich-keiten, und selbstverständlich wird auch vorhandendeAusrüstung genutzt, insofern sie modern ist und denAnsprüchen genügt. Selbstverständlich werden diese Din-ge in entsprechenden Verträgen, in entsprechenden Ver-einbarungen dann einer vernünftigen Verwendung imForschungsbereich zugeführt. Das steht ja außer Frage,darüber müssen wir uns im Thüringer Landtag nunkaum unterhalten. Das ist ja wohl das Selbstverständ-lichste.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Nun haben Sie eine Reihe Fragen gestellt, und der in-teressierte Zuhörer hat natürlich sofort erkannt, daßhier die vorgesehenen Mündlichen Anfragen des HerrnAbgeordneten Dr. Hahnemann, die dann wohl in derMündlichen Anfrage nicht erfolgen sollen oder dürfen,hier in Ihrem Beitrag mit untergebracht wurden. Ichbin aber gern bereit, auf diese Fragen zu antworten,denn sie sind sehr leicht und, ich glaube, auch sehr gutzu beantworten. Sie haben gefragt: Wie viele Stellenwerden auf der Grundlage des Gesetzes abgebaut? DerMathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der PHsind derzeitig 94 Stellen zugeordnet. Hiervon werden zehnStellen auf das Institut für Grundschulpädagogik an derErziehungswissenschaftlichen Fakultät übergehen, umdie bisher von der Mathematisch-Naturwissenschaft-lichen Fakultät erbrachten Mehrleistungen in mathe-matisch und naturwissenschaftlichen Fächern abzudecken.Die fünf Stellen für Verwaltungspersonal der Fakultät sindfür eine weitere Verwendung in anderen Bereichen derPH vorgesehen. Es wird daher insgesamt ein Abbauvon 79 Stellen diese Fakultät betreffend erfolgen. Wieviele Stellen 1996 an der PH außerhalb der genanntenFakultät abgebaut werden sollen, fragen Sie noch an.Bis zum 31.12.1996 müssen insgesamt 98 Stellen abge-baut werden. Somit entfällt auf Bereiche außerhalb der

Fakultät ein Abbau von insgesamt 19 Stellen. Imübrigen hätten Sie diese Zahl, die ich genannt habe, dieinsgesamt abzubauenden 98 Stellen, sehr leicht auchdem von Ihnen hier mit behandelten Thüringer Haus-haltsgesetz entnehmen können. Nun die Frage: Sind dievorgesehenen Personalentscheidungen mit den Betrof-fenen vorbereitet? Ich habe eine Arbeitsgruppe von Ver-tretern des Hauptpersonalrats und der PädagogischenHochschule eingesetzt, die sich zusammen mit meinenMitarbeitern um eine sozialverträgliche Gestaltung desPesonalabbaus bemühen. Derzeit ist diese Arbeits-gruppe vorrangig mit der Prüfung von Weiterbeschäfti-gungsmöglichkeiten befaßt. In diesem Zusammenhangbetrachte ich auch Ihre Aufforderung, Herr Abgeord-neter Höpcke, für etwas Gegenstandsloses, es würdenicht demokratisch gehandelt. Zunächst einmal ist dieBehandlung in diesem Thüringer Landtag ein Prozeßvon Demokratie, die Behandlung im Ausschuß. Eswird Anhörungen geben, wurde hier in Aussicht ge-stellt, ich weiß nicht, wie das entschieden wird, es liegtnicht in meiner Kompetenz. Aber in meiner Kom-petenz lag es, z.B. wiederholt über diese Fragen zumTeil in stundenlangen Gesprächen mit Vertretern derGEW, der ÖTV im Hauptpersonalrat zu beraten undauch eine Arbeitsgruppe einzusetzen, von der ichgerade sprach. Nun fragen Sie: Wie viele Beschäftigteder Fakultät sind andere Hochschulen bereit oder in derLage aufzunehmen? Ich gehe davon aus, daß mehr alsdie Hälfte der vom Stellenabbau im Bereich Mathe-matik und Naturwissenschaft Betroffenen eine Weiter-beschäftigungsmöglichkeit an Thüringer Hochschulenerhalten werden. Die Zusagen, die hinsichtlich derProfessoren und Hochschuldozenten hier erfolgten -der Gesetzentwurf sieht vor, daß Hochschullehrer anden Hochschulen, in denen sie zum Einsatz kommen,die dort übliche Ausstattung erhalten. Das ist doch eineklare Bestimmung, die Ausstattung, die andere Pro-fessoren an diesen Hochschulen haben, das ist dieübliche Ausstattung an Hochschulen. Ich glaube, soschwer ist das doch eigentlich nicht zu verstehen. Sieführen den Begriff "Teilaufhebung" an und stellen inFrage, daß dieser Weg juristisch exakt sei. Wissen Sie,Herr Abgeordneter Höpcke, das Thüringer Hochschul-gesetz gewährt den Hochschulen Autonomie soweit essich um Selbstverwaltungsaufgaben handelt. Stellenbe-wirtschaftung ist staatliche Angelegenheit. Insoweitobliegt dem Ministerium nicht nur die Rechts-, sondernauch die Fachaufsicht. Und selbstverständlich ist derrechtliche Weg ausgiebig geprüft, und wir können unsim Ausschuß darüber gern detailliert noch unterhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ein letztesArgument, das hier auftauchte, die Frage der Magister-ausbildung - ich glaube, ich habe so ausführlich inmeiner Rede darauf Bezug genommen, daß es über-flüssig ist, das noch einmal zu wiederholen für Abge-ordnete, die dort anscheinend nicht genau zugehört ha-

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ben und hier noch mal nach der Magisterausbildungfragen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister, einen Moment, Frau Dr. Klauberthätte Ihnen gern noch eine Frage gestellt. Bitte, FrauAbgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Minister, Sie haben eingangs genannt, daß Sie aufdie Ausführungen von mir nicht eingehen. Aber ichhätte doch erwartet, daß Sie auf wenigstens zwei Fra-gen antworten, nämlich auf die Fragen, wie die Lan-desregierung mit den Stellungnahmen der Mathema-tisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zum Gesetzent-wurf umgegangen ist, und wie mit den Materialien ausder Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät zuihrer weiteren Perspektive umgegangen wurde. Undzum dritten, da uns nur bekannt ist, daß es eine Ana-lyse im Bereich Grundschullehrer gibt und wir nichtwissen, ob es weitere gibt, können Sie uns die weiterenzur Verfügung stellen? Sie konnten sie ja vorhin nichtausführlich erläutern.

Dr. Schuchardt, Minister für Wissenschaft,Forschung und Kultur:

Also, Frau Dr. Klaubert, selbstverständlich wird jedesMaterial, das an das Ministerium in diesem Zusam-menhang gesandt wurde, selbstverständlich auch alleStellungnahmen der Mathematisch-Naturwissenschaft-lichen Fakultät der PH Erfurt, gründlich analysiert undbei allen Entscheidungen berücksichtigt. Übrigens, die-se Argumente, die dort vorgetragen sind, haben selbst-verständlich auch in den Gremien, die hier Empfehlun-gen abgegeben haben, eine Rolle gespielt. Selbstver-ständlich sind all diese Argumente letztendlich auch demWissenschaftsrat bekannt, der zu eindeutigen Emp-fehlungen gekommen ist. Selbstverständlich sind dieseArgumente auch der Thüringer Hochschulkonferenz be-kannt, die zu eindeutigen Bewertungen gekommen ist.Und ich darf Ihnen hier an dieser Stelle mitteilen, daßdie Thüringer Hochschulkonferenz den Landeshoch-schulentwicklungsplan hinsichtlich seiner hochschulpoli-tischen Zielstellung ausdrücklich unterstützt und daß indiesem Landeshochschulplan eben diese Regelschul-lehrerausbildung für mathematisch-naturwissenschaftlicheFächer an der Universität Erfurt und im Vorgriff an derPädagogischen Hochschule nicht durchgeführt werdensoll.

Ihre Frage: Bedarf an Grundschullehrern. Diese Ausar-beitung hinsichtlich dieser Bedarfszahlen - das tangiert

natürlich in erheblicher Weise auch das Kultusministe-rium, hier geht es nicht um Ausbildungszahlen, son-dern um Bedarfszahlen. Ich würde Ihnen empfehlen,sich an den zuständigen Ressortminister, Herrn Mini-ster Althaus, zu wenden. Ich nehme an, Sie werdendort Bedarfszahlen erhalten können. Das ist kein Ge-genstand des Hochschulbereichs.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaubert, PDS:Das haben Sie aber vorhin anders gesagt.)

Haben Sie noch eine Frage? Nein.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister Dr. Schuchardt. Weitere Re-demeldungen liegen mir nicht vor, so daß ich die Aus-sprache zu diesem Tagesordnungspunkt schließe, undwir kommen zur Abstimmung. Es war, ich glaube, bittekorrigieren Sie mich, übereinstimmend die Ausschuß-überweisung an den Ausschuß für Wissenschaft, For-schung und Kultur federführend beantragt worden, anden Haushalts- und Finanzausschuß und von der Frak-tion der PDS dann noch in Überweisung dieser Druck-sache an den Justiz- und Europaausschuß beantragtworden. Gehe ich richtig? Bitte?

(Zwischenruf Abg. Höpcke, PDS: Finanzenauch.)

Haushalt und Finanzen hatte ich bereits gesagt, HerrAbgeordneter Höpcke. Das war übereinstimmend vonallen drei Fraktionen. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt noch zusätzlich die Über-weisung an den Bildungsausschuß.

Vizepräsident Friedrich:

Bildungsausschuß - gut.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: UndGleichstellungsausschuß.)

Da unstrittig ist, würden wir erst einmal über die Über-weisung an den Ausschuß für Wissenschaft, Forschungund Kultur und an den Haushalts- und Finanzausschußkomplex abstimmen. Wer der Überweisung des Ge-setzentwurfs der Landesregierung "Zweites Gesetz zurÄnderung des Thüringer Hochschulgesetzes" - Druck-sache 2/908 - an die Ausschüsse Wissenschaft, For-schung und Kultur und Haushalts- und Finanzausschußseine Zustimmung gibt, den bitte ich um sein Hand-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2355

zeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen?Danke. Damit an beide überwiesen.

Wir kommen nunmehr zum Justiz- und Europaaus-schuß. Wer der Überweisung der - Drucksache 2/908 -an den Justiz- und Europaausschuß seine Zustimmunggibt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke. Ge-genstimmen? Danke. Enthaltungen? Danke. Bei einerZahl von Enthaltungen ist diese Überweisung abge-lehnt worden.

Wir kommen zum Bildungsausschuß. Wer der Über-weisung der - Drucksache 2/908 - an den Bildungsaus-schuß seine Zustimmung gibt, den bitte ich um seinHandzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke. Stimm-enthaltungen? Danke. Damit ist auch diese Überwei-sung nicht erfolgt.

Wir müssen nunmehr noch über den federführendenAusschuß abstimmen. Es war vorgeschlagen Wissen-schaft, Forschung und Kultur. Wer für die Behandlungder - Drucksache 2/908 - als federführendem Ausschußdem Ausschuß für Wissenschaft, Forschung und Kulturstimmt, den bitte ich um sein Handzeichen. Danke.Gegenstimmen? Danke. Stimmenthaltungen? Danke.Damit ist als federführender Ausschuß dieser Ausschußfür Wissenschaft, Forschung und Kultur bestätigt unddamit dieser Tagesordnungspunkt erledigt.

Bevor wir einen Wechsel vornehmen, ist mir noch fol-gendes zugegangen: Es wird mehrheitlich gewünscht,daß wir heute auch aufgrund der Fülle der Tages-ordnung ohne Mittagspause durchmachen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Aus medizinischen Gründen ...)

Ja, wir sind alle klinisch tot. Wird seitens Ihrer Frak-tion, Frau Abgeordnete Fischer, eine förmliche Ab-stimmung gewünscht zu diesem Punkt oder können wires als so gegeben ansehen?

(Zwischenruf aus der PDS-Fraktion: Ja,förmliche Abstimmung.)

Förmliche Abstimmung, gut. Sie reflektieren - es ist janicht falsch, es wird auf die Bestimmung in § 21Abs. 1 letzter Satz unserer Geschäftsordnung hingewie-sen, wo gesagt wird, daß die Fragestunde nach derMittagspause, spätestens aber 14.00 Uhr - und aus die-ser Bestimmung heraus wird die Mittagspause abge-leitet. Wer also dafür ist, daß die heutige Plenartagungohne Mittagspause durchgeführt wird, den bitte ich umsein Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Stimmenthaltungen? Danke. Wir würden dann so ver-

fahren, daß wir ohne Mittagspause weitermachen. Wirnehmen jetzt einen Wechsel im Präsidium vor.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Meine Damen und Herren, wir kommen zu Tagesord-nungspunkt 4

Landesentschädigung für Zwangsausge-siedelteAntrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/880 -dazu: Alternativantrag der Fraktion der PDS

- Drucksache 2/916 -

Wird von den einbringenden Fraktionen das Wort ge-wünscht zur Begründung? Das ist ganz offensichtlichnicht der Fall. Wir treten damit in die Aussprache ein.Das Wort hat der Herr Abgeordnete Köckert, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, heute hat das Hohe Haus über den Antrag "Lan-desentschädigung für Zwangsausgesiedelte" zu befin-den. Im Leben eines Menschen gibt es oft Ereignisse,welche unvorhergesehen, unerwartet oder plötzlich ei-nen Umbruch oder gar einen Zusammenbruch seinerLebensbahn herbeiführen. Dies kann ein Schicksals-schlag sein, z.B. Unfall oder Tod eines Angehörigen,unbeeinflußbar durch Planung, und solch ein Ereignishinterläßt dann Spuren. Tiefgreifende Veränderungenim Leben eines Menschen, geplant und ausgeführtdurch staatliche Gewalt und Willkür, schlagen Wundenim Herzen der Betroffenen, die lebenslang nachwirken.Ohne Zweifel waren die durch die Behörden der DDRim Rahmen der Aktion "Ungeziefer" 1952 und "Korn-blume" 1961 eine eklatante Verletzung aller rechts-staatlichen Normen.

(Beifall im Hause)

In Thüringen allein wurden bei diesen Aktionen ca.5.300 Menschen von der innerdeutschen Grenze ausge-siedelt und verloren Heimat, Freunde und Vertrauteund verloren fast alles, was sie an Vermögen besaßen.Die Opfer waren Menschen wie Sie und ich. Sie hattenoft kein anderes Makel, als Unsicherheitsfaktor odernegative Personen zu sein. So wurden diese Menschenjedenfalls in den jetzt zugänglichen Akten definiert.Viele Jahre mußten die zwangsausgesiedelten Väter,Mütter und Kinder das unsägliche Unrecht erdulden,ja, sie durften nicht einmal darüber sprechen. Erst nachder Wiedervereinigung Deutschlands konnte in denneuen Ländern durch gesetzgeberische Vorgaben desBundes ein gangbarer Weg der Rehabilitation beschrit-

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ten werden. Die Leistungen nach dem Zweiten SED-Unrechtsbereinigungsgesetz, welches am 1. Juli 1994in Kraft getreten ist, umfassen die Regulierung vonVermögensschäden, und es regelt auch die außerstraf-liche Rehabilitation, welche sich in verwaltungsrecht-liche und berufliche Rehabilitation untergliedert. Auchim Falle von Zwangsaussiedlung wie in anderen Fällendes Verlustes von Grund und Boden oder sonstigenVerwaltungsunrechts in der ehemaligen DDR bestehenAnsprüche auf Regulierung der eingetretenen Vermö-gensschäden nach verschiedenen Gesetzen, die in denletzten fünf Jahren auf Bundesebene beschlossen wur-den. Mit diesen Gesetzen wurde den Verordnungen derehemaligen DDR von 1952 und 1961 über Maßnahmenan der Demarkationslinie zwischen der DDR und denwestlichen Besatzungszonen Deutschlands bzw. überdie Aufenthaltsbeschränkungen Rechtsstaatswidrigkeitkraft Gesetzes unterstellt.

Damit, meine Damen und Herren, wurden die Zwangs-aussiedlungen aus den grenznahen Gebieten der ehe-maligen DDR, welche ihr größtes Ausmaß 1951 undim Herbst 1961 annahmen, eindeutig und unwiderruf-lich als Unrechtstatbestand und Verwaltungswillkür derBehörden und Machthaber der ehemaligen DDR defi-niert.

Der Weg zur Rehabilitierung und Wiedergutmachungwird durch das Thüringer Landesamt in Hildburghau-sen geebnet. Rahmenbedingungen für die materielleEntschädigung wurden somit von der Thüringer Lan-desregierung geschaffen. Aber lassen Sie mich an die-ser Stelle fragen: Genügt ein Geldbetrag, kann eine ma-terielle Entschädigung eine Verletzung der Menschen-würde wiedergutmachen? Kann überhaupt wiedergutge-macht werden, was im Namen des werktätigen VolkesMenschen aus diesem Land angetan wurde? Wie sahdenn das Leben der Zwangsausgesiedelten in der Frem-de aus? Ein Beispiel: Ernteeinsatz Ende der fünfzigerJahre in Mecklenburg: Bei Einführung sagt der LPG-Vorsitzende den Studenten: "Mit dem dort, demTraktoristen, mit dem könnt ihr nicht sprechen, derwurde von der Grenze umgesiedelt." Was war wohl dasVerbrechen dieses Traktoristen? Was war sein Verbre-chen, daß dieser Mann wie ein Aussätziger behandeltwerden sollte? Wie steht es in den Unterlagen? Perso-nen, die Gefährdung darstellen. Oder ein weiteres Zitataus diesen Unterlagen: "Er sowie seine Frau traten vorder sozialistischen Umgestaltung und danach nur nega-tiv in Erscheinung, indem er die freie Wirtschaft inWestdeutschland verherrlichte und die LPG als unren-tabel dahinstellt." Eine andere Begründung: "X hat bis1951 laufend Zeitschriften, meist Fachschriften aus derWestzone bezogen. Er hat trotz Aufforderung durch diePost und die Volkspolizei, die Bestellung in der West-zone einzustellen, keine Notiz davon genommen." Die-ser Herr X war von Beruf selbständiger Verlagsbuch-

händler. Erlauben Sie mir, daß ich weiter zitiere, wiedie hier Betroffenen in den Akten kategorisiert werden:Grenzgänger, Grenzschieber - sechs Personen; SS, Ge-stapo - 20 Personen; unverbesserlicher Nazi - 22 Perso-nen; Asoziale, HWG-Personen - 12 Personen (HWG,das sind die Personen mit dem häufig wechselnden Ge-schlechtsverkehr); Unsicherheitsfaktor - 17 Personen; Zu-wanderer - 12 Personen; Rückkehrer aus Westdeutschland- 35 Personen; reaktionär negative Personen - 29 Personen;Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit - 41Personen."

Ich denke, sehr geehrte Damen und Herren, das genügt.Willkür, Machtmißbrauch, Unrecht und in der Folgeoft ein zerstörtes Leben. Meine Fraktion, die CDU-Fraktion, weiß sich in der Pflicht. Wir setzen uns fürRückgabe von Eigentum, für Rehabilitierung der Op-fer, für das Öffentlichmachen von Willkür und Gewalt,für Dokumentation der Hintergründe und für die Be-kanntmachung der Täter ein.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Unser Antrag vermag zwar nicht das Rad der Ge-schichte zurückzudrehen und vergangenes Unrecht un-geschehen sein zu lassen, unser Antrag erhebt auchnicht den Anspruch, daß sich hieraus eine allumfas-sende Entschädigung ableitet, aber wir wollen mit un-serem Antrag auch etwas anderes ausdrücken. Wir stre-ben eine finanzielle Entschädigung an, aber uns geht esauch um moralische Rehabilitation der Betroffenen. ImBewußtsein auch der Menschen von heute muß veran-kert werden, daß die Zwangsaussiedlung ein unverzeih-liches Unrecht war und ist, und daß ein Regime, wel-ches zu solchen Praktiken fähig war, von keinem de-mokratisch denkenden Menschen, auch nicht im nach-hinein akzeptiert werden kann.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wir fordern deshalb die Thüringer Landesregierungauf, unserem Antrag entsprechend Zeichen zu setzen,Zeichen des guten Willens gegen Willkür und Diktatur.Ich bitte Sie deshalb, dem Antrag der Koalitionspartei-en Ihre Zustimmung zu geben.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Herr Abgeordneter. Um das Wort hatHerr Abgeordneter Bauch, CDU-Fraktion, gebeten. Bitte,Herr Abgeordneter.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2357

Abgeordneter Bauch, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der BegriffZwangsaussiedlungen verhüllt den eigentlichen Tatbe-stand. Bei den Zwangsaussiedlungen, von den DDR-Staatsorganen als Aufenthaltsbeschränkung bezeichnet,handelt es sich um stabsmäßig vorbereitete Deportatio-nen ganzer Familien aus dem Grenzgebiet entlang derGrenze zur Bundesrepublik in das Landesinnere derDDR. Diese Deportationen waren Terrorakte. Sie tru-gen selektiven Charakter und wurden für die Betroffe-nen selbst völlig unverhofft nachts und in den frühenMorgenstunden unter Waffengewalt durchgeführt. Da-bei wurden weder Kinder, Alte noch Schwangere oderSchwerkranke verschont. Die Versetzung in katastro-phale Wohnverhältnisse, völlige Mittellosigkeit, vor-programmierte berufliche und soziale Schwierigkeitenstürzten viele Familien und Menschen über Nacht inNot und Verzweiflung. Nicht genug damit, Verleum-dungen, unmenschliche Behandlungsweise, Repressa-lien, Diskriminierung quälten die Familien auf Jahreund Jahrzehnte. Selbstmorde waren keine Seltenheit.Besonders viele Kinder trugen psychische Schäden aufLebenszeit davon.

Mit dem vorliegenden Antrag wollen wir, wie schonmein Vorredner sagte, und können wir, also wir kön-nen nicht das Unrecht wiedergutmachen, aber wir wol-len ein Zeichen setzen, daß wir diesen Menschen einwenig Gerechtigkeit zukommen lassen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Meine Damen und Herren, seit einem Jahr beschäftigenwir uns intensiv damit, wie wir das tun können. Wirwollen nicht, daß uns gesagt wird, wie es nicht geht,sondern wir wollen endlich, daß uns gesagt wird, wiees geht und wie wir es im Land Thüringen

(Beifall bei der CDU)

schaffen, diesen Zwangsausgesiedelten Gerechtigkeitzukommen zu lassen und eine Entschädigung in derHöhe - darüber kann geredet werden -, aber etwa in derHöhe zukommen zu lassen. Ich denke, daß wir, und vorallen Dingen die Landesregierung, uns in kürzesterZeit einen Gesetzentwurf vorlegen, in dem diesemRechnung getragen wird. Ich bitte Sie, stimmen Siediesem Antrag zu, damit schnellstens die Zwangsaus-gesiedelten auch das Gefühl kriegen, wir kümmern unsum sie; denn wir haben in Thüringen mit die größteWelle der Zwangsausgesiedelten hier erlebt, weil wirauch die längste Grenze hatten. Ich bitte Sie noch ein-mal, geben Sie diesem Antrag Ihre Zustimmung. Dan-ke schön.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Das Wort hat die Frau Abgeordnete Raber,SPD-Fraktion. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Raber, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, wir alle wissen, in der ehemaligen DDR hattenunzählige Menschen unter den verschiedensten Will-kürmaßnahmen zu leiden. Menschen, die ihren Unwil-len durch offenen Widerspruch bzw. offene Kritik amSED-Staat zeigten und nicht zu den vielen DDR-Bür-gern zählten, die sich aus Angst vor der Willkür desStaates angepaßt und untergeordnet haben, hatten mitden unterschiedlichsten Repressalien zu rechnen. AufKritik und Auflehnung gegen das DDR-Regime wurdemit Bespitzelung, Benachteiligung im Bereich Bil-dung, im Berufsleben, Entlassung aus dem Beruf bishin zu Gefängnisstrafen reagiert. Besonders betroffenvon der Willkür durch den SED-Staat waren die Men-schen, die durch die Teilung Deutschlands im grenzna-hen Bereich an der sogenannten Demarkationsliniewohnten und lebten. Eine durch das SED-Politbüro am13. März 1952 erlassene Verordnung und eine weitereVerordnung vom 9. Juni 1952 schafften die sogenannteRechtsgrundlage, um politisch mißliebige Bürger auseiner etwa 5 km breiten Sperrzone auszusiedeln. DieZwangsaussiedlung aus den Grenzgebieten der DDRzur Bundesrepublik hat im Mai/Juni 1952 mit der"Aktion Ungeziefer" begonnen. Ein Terminus, der vomMfS als Deckname benutzt wurde. Dieser Terminus istfür mich schon menschenunwürdig und menschenver-achtend.

(Beifall im Hause)

Zumindest in Thüringen ist dieses auch durch Aktender Gauck-Behörde nachzuweisen. Weiterhin wurdeam 3. Oktober 1961 durch die "Aktion Kornblume"dieser Beschluß gefestigt. Tausende von Zwangsaus-siedlungen gab es allein in Thüringen, die oft sehr bru-tal durchgeführt wurden. Oft wurden Familien inner-halb von 48 Stunden aus ihren Häusern und Wohnun-gen vertrieben und im Hinterland der DDR angesiedelt.Viele der Zwangsausgesiedelten mit Grund und Bodenwurden einfach enteignet und nicht entschädigt. Vieleder mit der Vertreibung verbundenen Enteignungendienten aber auch materiellen Interessen anderer. Au-ßer einer politischen und moralischen Rehabilitierungdurch den Deutschen Bundestag haben viele derZwangsausgesiedelten bis zum heutigen Tag weder ei-ne Entschädigung erhalten, noch ihr Eigentum zurück-erhalten. Die Menschen sind im sechsten Jahr nach derWiedervereinigung zu Recht enttäuscht. Der Verwal-tungsaufwand ist oft viel zu zeitaufwendig und lang-wierig, um die Forderungen der Zwangsausgesiedelten

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2358 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

schnell durchzusetzen. Der vorliegende Entschließungs-antrag der CDU- und SPD-Fraktion in der - Druck-sache 2/880 - fordert deshalb die Landesregierung auf,zur Beschleunigung der Entschädigung von Zwangs-ausgesiedelten Vorstellungen zu entwickeln und zuprüfen, ob dem Landtag kurzfristig ein entsprechenderGesetzentwurf vorgelegt werden kann. Ich denke, es istrichtig, daß die CDU- und SPD-Fraktion hier aktivgeworden sind und in diesem Antrag endlich einpolitisches Signal setzen. In erster Linie gilt es, dafürSorge zu tragen, daß zur Beschleunigung des Rehabili-tierungs- und Restitutionsverfahrens Maßnahmen durchdie Landesregierung ergriffen werden, auch wenn eszeitweise eventuell notwendig sein sollte, für die zügi-ge Bearbeitung der Anträge mehr Personal einzustel-len. Die Einmalzahlung von 4.000 DM als Entschädi-gungsleistung durch den Freistaat Thüringen sehe ichpersönlich und auch meine Fraktion nur als eine sym-bolische Wiedergutmachung an; denn bei der Zwangs-aussiedlung haben Familien nicht nur durch ihre Ent-eignung von Grundstücken materielle Verluste erlitten.Die Zwangsausgesiedelten wurden gleichzeitig stigma-tisiert und in die Isolation gedrängt. Wir haben einfachdie moralische Verpflichtung zur Unrechtsbeseitigung.Darüber sind wir uns sicher alle einig. Aber ist esüberhaupt in jedem Fall möglich? Herr Köckert ging javorhin schon insbesondere darauf ein. Sicher kann Un-recht nicht mit Geld ausgelöscht werden und trägt des-halb doch einen sehr hohen symbolischen Wert für dieOpfer. Dem sollten wir eigentlich Rechnung tragen.Ich bitte im Namen meiner Fraktion um Annahme die-ses Antrags. Dabei sollte eine exakte verfassungsrecht-liche Prüfung diesem Gesetzentwurf vorausgehen. Ichdanke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Frau Abgeordnete. Das Wort hat derHerr Abgeordnete Kachel, PDS-Fraktion. Bitte, HerrAbgeordneter.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, sehr geehrte Abgeordnete, im Sommer1994 trat das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetzin Kraft, welches es allen Zwangsausgesiedelten er-möglicht, die Rückgabe von Grundstücken sowie ent-sprechende Entschädigungen für entgangene Vermö-genswerte unter den Bedingungen des Vermögensge-setzes zu beantragen. Mit der Lage und Zukunft derZwangsausgesiedelten hatte sich dieses Haus bereitswenige Wochen zuvor, im Februar 1994, in einer, wieich nachlesen konnte, sehr interessanten Debatte be-schäftigt. Übereinstimmend wurde festgestellt, daßZwangsaussiedlungen und -umsiedlungen mit elemen-

taren rechtsstaatlichen und humanistischen Grundsät-zen nicht zu vereinbaren sind und damals auch nachden Rechtsmaßstäben der DDR einen klaren Verfas-sungsbruch darstellten. Die PDS-Fraktion hat bei derBesprechung der Großen Anfrage der CDU vor zweiJahren ihre prinzipielle Auffassung deutlich gemacht,daß die Zwangsaussiedlungen zu den dunkelsten Kapi-teln der DDR-Geschichte gehören. Wir bekennen unszu einer besonderen Verantwortung bei der Aufarbei-tung dieser negativen Seiten unserer gemeinsamen Ge-schichte gerade deshalb, weil die Partei, aus der vielevon uns kommen, dabei eine verhängnisvolle Rolle ge-spielt hat. Eine Rolle, die den Idealen, die diese Parteiverkündete und für die viele ihrer Mitglieder ehrlich zuarbeiten glaubten, Hohn sprach. An dieser Bewertunghat sich nichts, aber auch gar nichts verändert. Einemoralische und materielle Rehabilitierung der Betrof-fenen ist zutiefst gerechtfertigt und notwendig.

Meine Damen und Herren von den Koalitionsfraktio-nen, Sie haben in der erwähnten Debatte vor zwei Jah-ren wie auch heute eindringlich die Größe des Unrechtsder Zwangsaussiedlung dargestellt und das Recht derBetroffenen auf moralische und finanzielle Rehabilitie-rung bekräftigt. Einige aus Ihrer Mitte haben sich ganzbesonders für die Rechte der Zwangsausgesiedelteneingesetzt. Um so mehr würde es mich verwundern, HerrKollege Weyh, Herr Kollege Bonitz, Herr Köckert, HerrBauch, wenn Sie heute einem Antrag zustimmen würden,der die Betroffenen vor die Alternative stellt, entwedereine einmalige Entschädigung von 4.000 DM bald zuerhalten oder aber an den ihnen vielfach versichertenvermögensrechtlichen Ansprüchen weiter festzuhalten,auch wenn die Prüfung dieser Ansprüche noch an-dauert. Aus unserer Sicht ist eine solche Alternative,die besonders die Betagten unter den Betroffenen dahindrängt, ihren Ansprüchen zu entsagen, gelinde gesagt,eine Zumutung angesichts der bedeutungsschwerenWorte, die hier mit Recht gesprochen wurden. Da dieEmpörung über das Unrecht der Zwangsaussiedlung indiesem Hohen Haus selbstverständlich nicht partei-taktischen Motiven, sondern allein dem Anliegen ent-springt, ein solches Unrecht nicht wieder zuzulassenund den Geschädigten zu helfen, gehe ich davon aus,daß wir hier im Interesse der Betroffenen schnell zueiner Nachbesserung kommen werden.

Meine Damen und Herren, in den Punkten 2 und 3 Ih-res Antrags "Beschleunigung der Restitutionsverfahren"und "Bereitstellung vergünstigter Sanierungskredite" ge-hen wir mit Ihren Vorstellungen konform. Aber, meinesehr verehrten Damen und Herren, ein Verzicht auf diePrüfung von berechtigten Ansprüchen ist aus unsererSicht weder angemessen noch notwendig. Meine Frak-tion schlägt in Ihrem Alternativantrag statt dessen vor,die 4.000 DM zunächst an jeden Antragsteller auszu-zahlen, der einen offensichtlich begründeten Anspruch

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2359

geltend machen kann. Diese Summe sollte als zinslosesDarlehen gewährt und später auf den in vielen Fällendoch erheblich höher zu erwartenden Entschädigungs-betrag angerechnet werden. Wir sollten auch, wie dasHerr Abgeordneter Bonitz bereits im Februar 1994 an-geregt hat, die Einsetzung der Nachkommen in alleRechte verankern.

(Beifall bei der PDS)

Lassen Sie uns also diese Einzelheiten im Ausschußberaten. Namens meiner Fraktion beantrage ich dieÜberweisung beider Anträge an den Justizausschuß fe-derführend und an den Finanzausschuß begleitend. Ichdanke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit, eine Frage zu be-antworten? Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Bauch, CDU:

Herr Abgeordneter Kachel, haben Sie denn das nichtverstanden, was wir wollen? Wir wollen das nicht imAusschuß beraten, sondern ich frage Sie: Wissen Siedenn was wir wollen? Wir wollen, daß die Landesre-gierung uns einen Gesetzentwurf vorlegt, und der wirddann beraten, aber doch jetzt nicht, um die Anträge zuberaten.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Man könnte doch in den Auftrag, den dieser Landtagder Landesregierung gibt, diese Punkte, die ich ebenskizzierte, mit aufnehmen. Das wäre doch nur im In-teresse der Betroffenen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke, Herr Abgeordneter. Um das Wort hat gebetenHerr Abgeordneter Bonitz, CDU-Fraktion. Bitte, HerrAbgeordneter.

Abgeordneter Bonitz, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und HerrenAbgeordneten, ich möchte in meinem Beitrag zu- Drucksache 2/880 - aus der Sicht der Zwangsausge-siedelten wie folgt Stellung nehmen: Die Betroffenensind erleichtert darüber, daß der fünfjährige Kampf umWiedergutmachung und Rehabilitierung nicht umsonstwar und zur Verabschiedung des Verwaltungsrehabili-

tationsgesetzes, d.h., zur Verabschiedung des ZweitenSED-Unrechtsbereinigungsgesetzes am 23. Juni 1994,geführt hat. Dieses Gesetz versucht, die Belange derZwangsausgesiedelten zu regeln. Zahlreiche Rehabili-tationsbescheide sind durch die Ämter und die Justiz-behörden erlassen. Die eigentums- und vermögens-rechtlichen Rückgaben für Zwangsausgesiedelte sindangelaufen. Die Betroffenen sind aber auch in Sorgeüber die Lücken und Hürden, die das Zweite SED-Unrechtsbereinigungsgesetz in sich birgt. Es stellt sichhier die Frage, in welchem Maß die Vollständigkeitdieses Gesetzes gegeben ist, wenn z.B. ein Teil derBetroffenen von der Rehabilitation gemäß § 1 Abs. 1 desVerwaltungsrehabilitationsgesetzes ausgegrenzt wird.

Ich will das im einzelnen darlegen. Rehabilitiert wirddanach auch nicht, wer keinen Gesundheits-, Vermö-gens- oder beruflichen Schaden nachweisen kann. Eswird vom Gesetzgeber nicht geklärt, daß derjenige, derinnerhalb von Stunden mit Gewalt von Haus, Hof undHeimat vertrieben und aus seiner vertrauten Umgebungherausgerissen wurde, einen Schock und einen psy-chischen Schaden erlitten hat, von dem er sich Zeit sei-nes Lebens nicht wieder erholt hat. Weiterhin vermagdieses Gesetz durch seine einschränkenden Wiedergut-machungsregelungen nicht die mildtätige Behandlungder Täter und Systemträger, also der Verantwortlichenfür das Schicksal der Zwangsausgesiedelten, dieserSED-Opfer, in die richtige Relation zu setzen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Wenn man immer wieder betont, daß mit rechtsstaat-lichen Mitteln eine Aufarbeitung der Vergangenheitund die rechtmäßige Bestrafung der Täter nicht mög-lich ist, muß dies, verehrte Damen und Herren, zumin-dest durch eine mehr von Akzeptanz und Verständnisgetragene Opfergesetzgebung aufgefangen werden, wennman nicht will, daß bei den Betroffenen Resignation undEnttäuschung über manches rechtsstaatliche Verhaltenim Lande sich verbreitet.

Im einzelnen liegen die Gesetze vor. Sie haben aber fürdie Betroffenen auch eine erhebliche Einschränkung.Ich will das in Kürze einmal darlegen:

1. Es besteht für Vermögenslose, und das ist der Un-terschied, den wir hier in diesem Antrag formulieren,und Personen ohne nachhaltigen Schaden keine An-tragsberechtigung.

2. Zahlreiche Betroffene sind verstorben. Die dazu not-wendigen erblichen Regelungen sind unzureichend.

3. Resignation der Betroffenen durch den langjährigenKampf um ein kompliziertes Gesetz haben sich ge-zeigt.

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2360 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

4. Erschwerung der Rehabilitationen durch das zwei-stufige Rehabilitationsverfahren mit einem für uns un-verständlichen, hohen bürokratischen Antragsverfahren.Hier sind vor allem ältere Menschen trotz der angebo-tenen Hilfestellungen durch Rehabilitationsämter, Ju-stizbehörden und Verbände überfordert.

Nach § 1 Abs. 1 des Zweiten SED-Unrechtsbereini-gungsgesetzes wird die Rehabilitation eingeschränkt.Ich frage: Mit welchem Recht wird das Schicksalderer, die eben vermögenslos waren oder Schwierig-keiten haben, berufliche Benachteiligungen oder Ge-sundheitsschäden nachzuweisen, ignoriert? Das istnicht im Sinne der Betroffenen und ist auch ein Wider-spruch zu Artikel 3 unseres Grundgesetzes. Wenn reha-bilitiert wird, darf diese Gruppe nicht vergessen wer-den. Für den erlittenen Schaden sollte den Zwangs-ausgesiedelten - und hier wiederhole ich aus meinemBeitrag aus dem Jahr 1992 - aus dem SED-Altvermö-gen

(Beifall bei der CDU)

analog der Zahlungen der Vetriebenenzuwendungsge-setzgebung oder wie es in dem Bundeslastenaus-gleichsgesetz geregelt ist, die Entwurzelungszulage ge-zahlt werden. Mit diesem Anliegen, das in unseremAntrag - Drucksache 2/880 - enthalten ist, wird eineangemessene Regelung gefunden, die den Betroffeneneinen gerechteren Ausgleich zugesteht. Zu lange hatdas Gesetzgebungsverfahren gedauert, aber auch zu un-terschiedlich waren die Ergebnisse. Deshalb sollten dieMittel für die Landesentschädigung für Zwangsausge-siedelte allein des Symbolcharakters willen nicht ausirgendeinem Fonds gezahlt werden, sondern aus demVermögen der SED-Altvermögensregelung genommenwerden. Ich möchte auch noch betonen, daß es demGrundsatz des Verursacherprinzips geschuldet ist, einesolche Regelung durchzusetzen.

Meine Damen und Herren, der Antrag der PDS-Frak-tion in - Drucksache 2/916 - ist eigentlich kommentar-los abzulehnen. Sie sind als Nachfolgepartei der SEDzu keinem Zeitpunkt der Legislaturperiode 1990/1994einmal hier aufgetreten und haben sich für ihr Unrechtvor der Bevölkerung, vor den Betroffenen entschuldigt

(Beifall bei der CDU, SPD)

oder in einer anderen Weise erkenntlich gezeigt. Ichbitte Sie, verehrte Damen und Herren, unserem Antragin - Drucksache 2/880 - Ihre Zustimmung zu geben, umdem berechtigen Anliegen im Lande Thüringen nach-zukommen. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Gibt es weitere Wortmeldungen? Bitte,Frau Ministerin.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir alle wis-sen, daß die Zwangsaussiedlungen einen besonders ek-latanten Fall politischer Verfolgung durch das SED-Regime bilden mit all den Folgen für die Opfer, diemeine Vorredner, insbesondere Herr Köckert, so ein-drucksvoll geschildert haben. Vor allen Dingen in denJahren 1952 und 1961 kam es im Grenzgebiet der ehe-maligen DDR zur Bundesrepublik Deutschland zu zweigroßangelegten Zwangsaussiedlungsaktionen, in derenVerlauf dem DDR-Regime politisch mißliebige Bürgerregelmäßig unter Verlust ihres Grund und Bodens indas Landesinnere umgesiedelt wurden. Nach den Er-kenntnissen der Thüringer Landesregierung wurden inThüringen bei der Zwangsaussiedlungsaktion im Jahre1952 ungefähr 3.500 und bei der Aktion 1961 ungefähr1.750 Personen zwangsausgesiedelt. Das am 1. Juli 1994in Kraft getretene verwaltungsrechtliche Rehabili-tierungsgesetz stellt ausdrücklich fest, daß Zwangsaus-siedlungen mit tragenden Grundsätzen eines Rechts-staates unvereinbar und demzufolge als Akt individuel-ler politischer Verfolgung aufzuheben sind. Als Rechts-folge werden den Zwangsausgesiedelten bisher ge-währt,

1. die Rückübertragung enteigneter Vermögenswertedurch Verweisung auf das Vermögensgesetz;

2. die Versorgung wegen einer erlittenen gesundheit-lichen Schädigung unter Verweisung auf das Bundes-versorgungsgesetz und

3. die Wiedergutmachung von beruflichen Benachteili-gungen in der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im Landesamt für Rehabilitierung und Wiedergutma-chung liegen mit Stand vom 31.01.1996 902 Anträgeauf Aufhebung von Zwangsaussiedlungsmaßnahmen vor.Von diesen Willkürmaßnahmen der Zwangsaussied-lung waren in der Regel Familien betroffen. Bei derAnnahme einer durchschnittlichen Familiengröße von4 Personen ist insgesamt von mindestens 3.600 Per-sonen auszugehen, die von Zwangsaussiedlungen inThüringen unmittelbar betroffen waren und bisher miteinem Antrag auf Rehabilitierung einbezogen sind.Circa 50 Prozent der Anträge auf Aufhebung vonZwangsaussiedlungsmaßnahmen sind bisher abschlie-ßend bearbeitet. Unter Beachtung der Tatsache, daßumfangreiche Recherchen in den Archiven und Grund-buchämtern über Vorgänge, die zum großen Teil über

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2361

40 Jahre zurückliegen, entsprechend den gesetzlichenVorgaben erforderlich sind, ist der gegenwärtige Bear-beitungsstand auch im Vergleich zu den anderen neuenBundesländern als angemessen und gut einzuschätzen.Besonders komplizierte erbrechtliche Fragen bzw.Nachweise erschweren und verzögern die Arbeit in vie-len Fällen. An der jetzigen bundesgesetzlichen Rege-lung ist sicher kritisch anzumerken, daß z.B. nur beisolchen Zwangsausgesiedelten Zwangsaussiedlungenaufgehoben werden, bei denen die Folgen noch unmit-telbar schwer und unzumutbar fortwirken, das heißt,wenn mit der Zwangsaussiedlung gleichzeitig Eingriffein Vermögenswerte verbunden waren. Zwangsausge-siedelte, die z.B. in Mietwohnungen wohnten und kei-nen Vermögenseingriff erfahren haben, erhalten nachbisher geltender Rechtslage meist keine Leistungen.Das Anliegen des Entschließungsantrags der Frak-tionen der CDU und SPD, auch den Zwangsausgesie-delten, die bisher keine Folgeansprüche geltend ma-chen können, eine Einmalzahlung von 4.000 DM zugewähren als Ausgleich für erlittenes Leid und oftmalsjahrelang fortwirkendes Unrecht, wird durch die Lan-desregierung in vollem Umfang unterstützt,

(Beifall bei der CDU, SPD)

auch wenn dieses über Jahrzehnte währende Leid - dasist heute schon mehrfach gesagt worden - wohl kaummit Geld ausgeglichen werden kann. Es wird aber zuprüfen sein, ob die rechtliche Umsetzung des Ent-schließungsantrags der verfassungsrechtlichen Prüfungstandhalten kann. Insbesondere im Hinblick auf dieGesetzgebungsbefugnis der Länder im Verhältnis zumBund wird gutachterlich zu klären sein, ob nicht diekonkurrierende Gesetzgebungsbefugnis des Bundes einTätigwerden des Landes hierzu ausschließt, denn derBund hat ja durch die Verabschiedung des gesamtenGesetzeswerkes zur Wiedergutmachung von seiner Ge-setzgebungsbefugnis Gebrauch gemacht.

Ich möchte auch noch einen territorialen Gesichtspunktansprechen. Aus der bisherigen Erfahrung der Rehabi-litierungsbehörde ergibt sich, daß viele Personen, dieaus dem Grenzgebiet im Bereich Thüringens ausgesie-delt wurden, z.B. in Sachsen den neuen Wohnort neh-men mußten und diesen bis heute dort innehaben.Gleichzeitig wurden z.B. Personen aus Sachsen-Anhaltnach Thüringen ausgesiedelt und haben ihren Wohnsitzin Thüringen beibehalten. Dieser Personenkreis ist bis-her nicht in Thüringen, sondern in Sachsen-Anhalt an-tragsberechtigt. Durch ein ergänzendes Gesetz, das nurin Thüringen gelten wird, dürfen keine neuen Unge-rechtigkeiten entstehen, wie ich meine. Die Bedenkensind übrigens auch für den Alternativantrag der PDSzutreffend.

Meine Damen und Herren, Anregungen die es ermög-lichen, das Anliegen des Entschließungsantrags zügigumzusetzen, nehme ich gern auf. Unter Beachtung deserreichten Bearbeitungsstandes von ca. 50 Prozent inder Thüringer Rehabilitierungsbehörde und im Hin-blick auf die besondere Bedeutung des Antrags ist eineschnelle Umsetzung geboten, um den Betroffenen nocheine echte ergänzende Alternative und Anerkennung zugewähren. Ich hätte mir allerdings gewünscht, den An-trag in den Ausschüssen sehr schnell zu behandeln,denn wenn die Prüfung ergibt, daß ein Thüringer Ge-setz, wie im Antrag gefordert, nicht möglich ist, dannmüssen wir andere Möglichkeiten und Wege finden,um den betroffenen Menschen mehr Gerechtigkeit wi-derfahren zu lassen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie sinddoch Abgeordnete, setzen Sie sich doch inden Saal und stimmen mit ab.)

Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Um das Wort hat der Herr AbgeordneteSchwäblein, CDU-Fraktion, gebeten. Bitte, Herr Abge-ordneter.

Abgeordneter Schwäblein, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, die CDU-Fraktion hat sich bezüglich des jetzt vor-liegenden Antrags - wobei wir dankbar zur Kenntnisnehmen, daß die SPD ihn unterstützt - sehr lange Ge-danken gemacht, ob wir tatsächlich die rechtlichen Be-denken entsprechend gewürdigt haben, wie sie ebenvon der Sozialministerin vorgetragen wurden. Gleich-zeitig mußten wir Überlegungen anstellen, ob wir nichteine neue Verteilungsdebatte initiieren, die wir garnicht wollen, daß nämlich ein Land, das sehr große fi-nanzielle Engpässe hat, hier zu einer Leistung freiwil-lig bereit ist, die vom Bund nicht gewährt wird und zuder auch die anderen neuen Länder noch nicht bereitsind. Hier, glaube ich, ist die Entscheidung richtig ge-fallen, einzuschätzen, daß man mit den 4.000 DM Un-recht nicht wiedergutmachen kann, wohl aber ein Zei-chen setzen soll. Mehr wollen wir nicht, als mit denEinmalzahlungen mehr oder weniger eine moralischeAnerkennung des Unrechts zu erreichen, das nichtdurch uns, sondern durch die SED gesetzt wurde. Ichwürde unser Verfahren auch den anderen neuen Län-dern anempfehlen, um die mögliche Ungerechtigkeit,die sich, wenn man es so sieht, einstellen könnte, garnicht erst aufkommen zu lassen. Wir möchten die Lan-

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desregierung bitten, den rechtlichen Rahmen offensivim Sinn der Betroffenen auszulegen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist etwas, was wir ja nun in den Jahren, die wirhier im Parlament sind, erfahren haben, Rechte werdenausgelegt, auch Gesetze werden ausgelegt. Das kannman restriktiv oder offensiv tun, und wir bitten Sie imSinne der Betroffenen, hier die Auslegung sehr offensivvorzunehmen. Um auch dem Zeitfaktor zu genügen,möchten wir darum bitten, den Antrag gar nicht erst nocheinmal in Ausschüsse zu schicken, sondern mit der Ge-setzgebungsarbeit in der Regierung zu beginnen. Solltesich dort in dieser Gesetzgebungsarbeit tatsächlich ausverfassungsrechtlichen Gründen, die auch zu prüfensind, ergeben, daß das Gesetz so nicht funktionierenkann, dann ist es jederzeit möglich, mit einem Berichtim Landtag den Stand kundzutun, und dann werden wirgemeinsam beraten, wie es weitergeht. Aber ein zwi-schenzeitliches Parken durch Behandlung in den Aus-schüssen bringt einen Zeitverlust, der in Anbetracht desfortgeschrittenen Alters einer Vielzahl der Betroffenenals nicht gerechtfertigt erscheint, meine Damen undHerren.

(Beifall bei der CDU)

Noch ein Wort zu dem Alternativantrag der PDS. Eshat mich, ähnlich wie meinen Kollegen Bonitz, schontief berührt, daß die PDS auf einmal versucht, auchdieses Feld, das sich natürlich auch in einem begrenz-ten Rahmen von Betroffenen populistisch ausloten läßt,zu besetzen. Ich halte es für moralisch nicht gerechtfer-tigt, daß Sie zu diesem Problem die Stimme erheben,wie ich es auch nicht für moralisch gerechtfertigt finde,daß Sie sich heute für die 1972 Zwangsenteignetenstark machen. Beides ist so fehl am Platz, daß ichkaum noch Worte finde dafür.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS)

Wohl hätten Sie aber die Chance - und ich bringe dasThema zum wiederholten Male, Herr Kachel -, durchoffensive Aufarbeitung der Vermögensverschleppung derSED hier einen finanziellen Beitrag zur Entschädigung zuleisten. Und das Verfahren, das gerade in Gera wiederbegonnen wird, zeigt auf, wie viele Millionen zweck-entfremdet geparkt wurden,

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: WendenSie sich doch an Herrn Papier von der Unab-hängigen Kommission.)

aus denen Sie heute wieder Ihre Parteispenden speisen.

(Beifall bei der CDU)

Hier können Sie sich engagieren, hier können Sie Gel-der einbringen, die über die Kommission zur Verwer-tung des Vermögens der Parteien und Organisationensehr wohl für SED-Geschädigte eingesetzt werden kön-nen. Werden Sie dort Ihrer moralischen Pflicht gerecht,ich glaube, dann ist allen geholfen. Vielen Dank.

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Alles alteKamellen.)

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Eine weitere Wortmeldung liegt nichtvor. Ich schließe damit die Aussprache, und wir kom-men zur Abstimmung über die Frage der Überweisungder Anträge an den Ausschuß. Es war Ausschußüber-weisung an den Justiz- und Europaausschuß federfüh-rend und an den Ausschuß für Haushalt und Finanzenbeantragt. Ich frage, wer dem Antrag der Fraktionender CDU und SPD in - Drucksache 2/880 - an den Ju-stizausschuß ...

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Nein.)

(Unruhe bei der CDU)

Bitte? Entschuldigen Sie bitte, der Abgeordnete Kachelhatte für beide Anträge die Überweisung an den Aus-schuß beantragt. Ich wiederhole die Frage. Wer diesemAntrag auf Überweisung an den Justiz- und Euro-paaausschuß seine Zustimmung gibt, den bitte ich umdas Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Dan-ke. Enthaltungen? Keine. Damit ist der Antrag nicht anden Justiz- und Europaausschuß überwiesen. Ich stelledie gleiche Frage für den gleichen Antrag, aber denHaushalts- und Finanzausschuß. Wer dem zustimmt,den bitte ich um das Handzeichen. Danke. Gegen-stimmen? Danke. Enthaltungen? Auch keine. Damit istdieser Antrag nicht an die Ausschüsse überwiesen.

Ich stimme demzufolge über den Antrag selbst ab. Werdem Antrag der Fraktionen der CDU und SPD in- Drucksache 2/880 - seine Zustimmung gibt, den bitteich um das Handzeichen. Danke schön. Gegenstim-men? Enthaltungen? Danke. Der Form halber muß ichjetzt natürlich auch über den zweiten Antrag abstim-men.

(Zwischenruf Abg. Schwäblein, CDU: Derist doch alternativ.)

Der ist alternativ, richtig. Wir müssen diese Abstim-mung nicht mehr vornehmen. Es ist ein Alternativan-

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trag, dessen Beratung in Ausschüssen angesichts desBeschlusses über den anderen Antrag im Grunde ge-nommen keinen Sinn ergibt. Teilt die Fraktion dieseAuffassung?

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Haben wireine Geschäftsordnung, oder fragen wir ab?)

Gut. Ich könnte das förmliche Abstimmungsverhältnismachen. Es ist kein Änderungsantrag, es ist ein Alter-nativantrag. Das Plenum könnte durchaus eine Ausschuß-überweisung beantragen. In diesem Ausschuß würdepraktisch ein Gegenstand beraten, über den schon andersgearbeitet wird. So sinnlos ist es nicht. Deswegen hätteman jetzt schon einmal einen Widerspruch der Fraktionerfragen können. Das habe ich gemacht. Es gibt keinenWiderspruch.

Meine Damen und Herren, wir müssen uns alle beleh-ren lassen. Ich habe mich jetzt auch belehren lassenmüssen.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wirnicht.)

Nein? Aber ich reiche es an Sie weiter. Ich denke, abund zu kann man einmal etwas dazulernen. Der Antragmuß jetzt im Abstimmungsverfahren als eigenständigerAntrag behandelt und abgestimmt werden. Also stelleich die Frage: Wer der Ausschußüberweisung des An-trags der Fraktion der PDS in - Drucksache 2/916 - anden Justiz- und Europaausschuß zustimmt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Enthaltungen? Keine. Damit ist diese Überweisung ab-gelehnt. Ich stelle die Frage hinsichtlich des gleichenAntrags, aber an den Haushalts- und Finanzausschuß.Wer dem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen?Keine. Danke schön, damit ist auch diese Ausschußüber-weisung abgelehnt. Ich schließe den Tagesordnungs-punkt 4.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Der An-trag muß doch auch noch abgestimmt wer-den.)

Entschuldigung. Ja danke, Herr Fiedler.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wir pas-sen eben auf.)

Da freue ich mich, Sie wissen das. Wir müssen jetztnoch über den Antrag der PDS-Fraktion abstimmen.Wer dem Antrag seine Zustimmung gibt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen?

Danke. Enthaltungen? Danke. Damit ist dieser Antragabgelehnt. Nun können wir den Tagesordnungspunkt 4korrekt schließen.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5

Sicherstellung der Arbeit der Sozialpädia-trischen Zentren (SPZ) in Thüringen zurambulanten sozialpädriatischen Behand-lung von KindernAntrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/874 -

Wird zur Begründung das Wort gewünscht? Das ist of-fensichtlich nicht der Fall. Ich eröffne die Aussprache.Das Wort hat die Frau Abgeordnete Dr. Fischer vonder PDS-Fraktion. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, da ich in-zwischen weiß, daß dieser Antrag nicht an Ausschüsseüberwiesen werden soll, sondern auch abgestimmt wer-den soll, bleibt es auch mir nicht erspart, weil ich gernan anderer Stelle darüber geredet hätte, an dieser Stelleetwas zu sagen. Aber mir liegt es am Herzen, HerrSchwäblein ist zwar nicht mehr hier, einen Satz zurvorangegangenen Debatte zu ihm zu sagen: Ob er sichdenn vorstellen kann, daß auf dieser anderen Seite, wieer es immer so schön nennt, auch Leute sitzen, woentsprechende Verwandte eventuell ausgesiedelt wor-den sind?

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Umso unverständlicher bei Ihrer Parteizugehö-rigkeit.)

Das sollte er sich möglicherweise überlegen. Aber nunzu dem vorliegenden Antrag, den ich sehr gut finde.Allerdings, Frau Arenhövel, wenn ihn die PDS einge-bracht hätte, wäre mit Sicherheit gesagt worden, das isteine Bundesangelegenheit. Aber trotzdem bin ich na-türlich sehr froh, daß es diesen Antrag gibt. Sollten Siedaran auch beteiligt gewesen sein, dann bedanke ichmich natürlich selbstverständlich auch bei Ihnen. Ichdachte, Herr Döring wäre das gewesen.

Meine Damen und Herren, eine gemeinsame Finanzie-rungslösung für die in Thüringen bestehenden sozial-pädiatrischen Zentren herbeizuführen und sinnvoller-weise in Form einer Regelfinanzierung für die verant-wortlichen Leistungsträger ins Auge zu fassen, ist einesehr anspruchsvolle Aufgabe. Aber der Antrag derSPD/CDU, die Umkehr in der Antragstellung ist be-wußt gewählt, geht eigentlich noch weit darüber hin-aus. Ich will Ihnen sagen warum. Zu überprüfen, in-wieweit ein bedarfsgerechtes Angebot für sozialpädia-

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trische Behandlungen überhaupt besteht, und Schluß-folgerungen zu ziehen, dies dürfte doch letztendlichSinn und Zweck der Forderung im Antrag sein, istwohl mindestens genauso kompliziert wie schwierig.Ich befürchte, und ich möchte aus einer Kleinen An-frage an dieser Stelle zitieren, daß es aus meiner Sichtbesser gewesen wäre, im Ausschuß konkrete Kriterienfür sein Anliegen zu benennen.

Ich will jetzt nur ganz kurz zu einer Kleinen Anfragekommen. Ich sage auch gleich, zwar ist das Ganzenicht identisch, aber hat unwahrscheinlich viel damitzu tun. Die Anfrage in - Drucksache 2/814 -, Kinderund Jugendliche mit Teilleistungsstörung. Auf dieFrage, wie hoch schätzt die Landesregierung die Zahlder betroffenen Kinder und Jugendlichen in Thüringenein, erfolgt die Antwort durch das Ministerium: "DieZahl der betroffenen Kinder und Jugendlichen inThüringen wird nicht erfaßt. Ebenso werden auch keineTeilerhebungen durchgeführt, so daß Schätzungen oderHochrechnungen ebenfalls nicht vorgenommen werdenkönnen." Ich lasse jetzt einmal ein paar Dinge weg.Auf die Frage, ob denn die Bevölkerung, sprich auchLehrer usw., über diese Fragen genügend aufgeklärtsind, antwortet im gleichen Zusammenhang die Lan-desregierung: Die Landesregierung ist der Auffassung,daß der Aufklärungsgrad der Bevölkerung hinsichtlicheiner Teilleistungsstörung bei Kindern und Jugend-lichen grundsätzlich ausreichend ist. Sie werden ver-stehen, ich bin Kinderärztin, daß ich das nicht ganznachvollziehen kann an mancher Stelle. Ich kenne dieganzen Schwierigkeiten, aber gerade darüber hätte ichgern an anderer Stelle ausführlicher geredet.

Meine Damen und Herren, die Rechtsunsicherheit hin-sichtlich der Finanzierung der Sozialpädiatrischen Zen-tren dauert an, und das seit Jahren. Seit Jahren ist dieFinanzierung strittig. Die alten Bundesländer könnenein altes Lied davon singen aufgrund andauernder Kon-troversen zwischen den Kostenträgern bezüglich derAuslegung der gesetzlichen Bestimmungen. Leidtra-gende dieser durch Rechtsunsicherheit gekennzeichne-ten Lage sind vor allem die betroffenen Kinder bzw.deren Eltern, aber natürlich ebenso die Träger der Zen-tren. Wir haben ja drei in Thüringen: im Eichsfeld, wodie Situation etwas besser ist, in Suhl und in Erfurt.Die Situation der Sozialpädiatrischen Zentren stehtdamit beispielhaft für die aus unklar formulierten ge-setzlichen Regelungen resultierenden Folgen. Daß aufder Bundesebene Defizite der bestehenden Gesetzlich-keiten erkannt wurden, ist an sich für mich schon be-merkenswert, aber genauso bemerkenswert und auchtypisch ist, daß eine Abstimmung und Koordination derLeistungsträger sich bisher als unmöglich erwies. Thü-ringen könnte also hier in positiver Weise, die Finan-zierung offensichtlich ausschließlich betreffend, einesehr gute Rolle spielen. Eine Regelfinanzierung zu er-

reichen, wäre ein Unikat und ist aber vor allen Dingenim Sinne der Betroffenen - und hier meine ich alle -,Kinder, Eltern, Jugendliche, und vor allen Dingen auchfür die Gesellschaft.

Aber, meine Damen und Herren, einige Bemerkungenmuß ich machen zum "historischen" Verlauf, der die-sem Antrag zugrunde liegt. Die Deutsche Gesellschaftfür Sozialpädiatrie hat zusammen mit der kassenärztlichenBundesvereinigung und den Spitzenverbänden der Kran-kenkassen 1989 gemeinsame Empfehlungen zur Ermäch-tigung im Rahmen der ambulanten sozialpädiatrischenBehandlung von Kindern nach § 119 SGB V heraus-gegeben. Trotz dieser Empfehlungen entstanden in FolgeFinanzierungsprobleme. Deshalb wurden die Empfeh-lungen von der Deutschen Gesellschaft für Sozial-pädiatrie 1991 fortgeschrieben und in dieser modifi-zierten Form abschließend von der Akademie fürKinderheilkunde und Jugendmedizin e.V. einstimmigangenommen. Nach diesen Empfehlungen dienen Dia-gnostik und Therapie in Sozialpädiatrischen Zentrendazu, Krankheiten, Manifeste oder drohende Behin-derungen zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu erken-nen, zu verhindern, zu heilen oder in ihren Auswir-kungen zu mildern. Sozialpädiatrische Zentren arbeitenmit Ärzten, Psychologen, Therapeuten, Frühförderstel-len sowie Kindergärten und anderen kommunalen Stel-len eng zusammen. Sozialpädiatrische Zentren führeneine umfassende Analyse der Schädigungen durch undentwickeln ein Konzept, das in interdisziplinärer Zu-sammenarbeit verschiedener Therapeutengruppen undflankierender Dienste Grundlage der Behandlung undRehabilitation ist. Folgt man den gemeinsamen Emp-fehlungen, so haben die Sozialpädiatrischen Zentrenpersonelle und apparative Voraussetzungen zu erfüllen,um eine leistungsfähige, vor allen Dingen aber auchwirtschaftliche sozialpädiatrische Behandlung zu ge-währleisten oder das zu können. SozialpädiatrischeZentren müssen eine interdisziplinäre Zusammenarbeitmedizinischer, psychologischer, pädagogischer und so-zialer Dienste in Teamarbeit gewährleisten. Ich werdedann noch erklären, warum ich das sage. Ein vollstän-diges Team setzt sich aus einem besonders qualifizier-ten Kinderarzt, einem Psychologen und mindestensdrei Therapeuten zusammen, dazu eine medizinisch-technische Assistentin EEG und ein Sozialarbeiter.Und sozialpädiatrische Zentren sollen eigentlich übermindestens zwei vollständige Teams verfügen. Daß daswoanders auch nicht so ist, weiß ich auch.

Der Deutsche Bundestag hat am 30. Oktober 1991 auf-grund der Beschlußempfehlung des Berichts des Aus-schusses für Gesundheit den Entwurf eines ZweitenGesetzes zur Änderung des SGB V angenommen, wel-ches zum 1. Januar 1993 in Kraft trat und für die So-zialpädiatrischen Zentren zwei neue Regelungen ge-bracht hat, den § 43 a, wie im Antrag genannt, und die

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Streichung des § 119 Abs. 2. Der neu eingeführte§ 43 a entspricht aber nicht qualitativ dem weggefalle-nen Absatz 2 des § 119, in dem neben ärztlichen undnichtärztlichen diagnostischen Leistungen, also eineKrankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu er-kennen, auch die therapeutischen Leistungen, dasheißt, eine Krankheit zu verhindern, zu heilen undderen Auswirkungen zu mildern, als Bestandteilesozialpädiatrischer Behandlung definiert waren. Bereitsin ersten Verhandlungen legten die Krankenkassen denneuen § 43 a sehr restriktiv aus und erkannten Lei-stungsverpflichtungen im Bereich der nichtärztlichentherapeutischen Leistungen zur Umsetzung des Be-handlungsplans weiterhin nicht an. Die Verhandlungenzwischen den Sozialpädiatrischen Zentren und denKostenträgern verlaufen weiterhin unbefriedigend. Esist wohl sehr positiv einzuschätzen, daß gestern dieErmächtigung erfolgt ist für Eichsfeld bis 2001 und fürSuhl und auch für Erfurt bis 2000, aber auch das warsicher schwierig, aber sehr begrüßenswert.

Meine Damen und Herren, eine Klarstellung wurdedurch die neue gesetzliche Regelung also wiederumnicht erreicht. Und davon ganz abgesehen, daß § 43 aund § 119 Abs. 1 sich gar nicht miteinander vereinba-ren lassen, wirft grundsätzlich der § 43 a zwei zusätz-liche Fragestellungen auf, das ist sehr wichtig für die-jenigen, die dort arbeiten:

1. Was gehört zur Aufstellung eines Behandlungs-plans?

2. Wo verläuft die Schnittstelle zwischen Diagnostikund Aufstellung eines Behandlungsplans einerseits undder Behandlung andererseits?

Die nunmehr seit einigen Jahren andauernden Schwie-rigkeiten bei der Finanzierung von SozialpädiatrischenZentren sind ein Musterbeispiel dafür, daß trotz er-kennbaren Einigungswillens Verhandlungen zwischenLeistungserbringern und Kostenträgern bzw. derenVerbänden immer dann erschwert bzw. unmöglich ge-macht werden, wenn der Gesetzgeber unklare oder insich widersprüchliche Regelungen erläßt. In diesemFall sind die Auswirkungen besonders fatal und wurdenvoll auf die neuen Bundesländer übertragen, und das,obwohl es andere positive Beispiele oder bessere Bei-spiele, Finanzierungsmodelle gab, ich erinnere anHamburg. Die sauberste Lösung, meine Damen undHerren, wäre eine Neuformulierung der Bestimmungendes SGB V, insbesondere des § 43 a. Einen Vorschlagfür eine Neuformulierung gibt es. Wir sollten uns viel-leicht darum bemühen, daß die Landesregierung initi-iert, daß im Bundesrat zumindest darüber gesprochenwird, daß das eingebracht wird in irgendeiner Art undWeise, damit diese Geschichte aufhört. Die Befürch-tung, daß aufgrund der weitreichenden Implementie-

rung neuer Kostendämpfungsinstrumente - und ichglaube, wir wissen alle, wovon wir reden - eine sinn-volle Regelung jedoch unterbleibt, ist möglicherweiserealistisch und deshalb auch eine Thüringer Lösungsinnvoll und notwendig.

Meine Damen und Herren, insbesondere im Interesseder betroffenen Kinder, ihrer Eltern, aber auch der ge-samten Gesellschaft sollten wir dies unternehmen. DerBedarf an Leistungen, die ein Sozialpädiatrisches Zen-trum erbringt, steigt kontinuierlich. Das hat vielfältigeUrsachen. Über diese Ursachen hätte ich auch ganzgern einmal an anderer Stelle geredet. Es könnte zumBeispiel sein, daß Risikokinder nicht mehr gemeldetwerden. Da weiß ich auch, wovon ich rede. Ich habeein Risikokind in Bonn entbunden, und ich weiß, wieman sich da verhalten hat, mit einer Bewegungsstörungusw. usf. Mein Sohn ist Epileptiker. Ich weiß also eini-germaßen, wovon ich rede. Werden die also später ge-meldet oder später erfaßt, erfaßt sie keine Frühförder-stelle, wovon wir ja 27 haben. Oder etwas anderes:Wofür liegen die Ursachen andererseits für das höhereAlter bei Beginn der Behandlung? Spielen der Lei-stungsdruck in den Schulen, die vorhandene Reizüber-flutung oder auch mangelnde pädagogische Grenzset-zung und/oder jeweils Überlastung, Überforderung derEltern in diesem ganzen Ursachengefüge eine wesent-liche Rolle? Und müssen wir die Wendeproblematikgerade in diesem Bereich nicht auch noch in Rechnungstellen?

Meine Damen und Herren, wie viele SozialpädiatrischeZentren braucht das Land Thüringen? Nun wollen wirja realistisch bleiben. Ich denke, am ehesten vier. Undam ehesten wäre aus Sicht der PDS-Fraktion der Ost-thüringer Bereich, sprich Gera oder Altenburg, speziellins Auge zu fassen, zumal die Entscheidung hinsicht-lich Jena - eine Kollegin erfüllt dort quasi die Funktioneines Sozialpädiatrischen Zentrums - für mich zumin-dest sehr unverständlich ist. Außerdem ist in diesemRahmen auch zu berücksichtigen, daß die Versorgungmit Kinderneuropsychiatern - da sind wir uns sicher ei-nig - im ambulanten Bereich natürlich noch nicht alsausreichend bezeichnet werden kann.

Meine Damen und Herren, die PDS-Fraktion hat ver-sucht, die mit dem Antrag aufgeworfenen Problemekurz zu skizzieren und schlägt trotzdem die Überwei-sung an den Ausschuß für Arbeitsmarkt und Gesund-heit federführend vor. Selbstverständlich müssen dieAusschüsse Haushalt und Finanzen, Soziales und Sportsowie der Bildungsausschuß eigentlich mitberaten. Mög-licherweise müssen auch gemeinsame Anhörungen zueiner guten Lösung, sprich einer dauerhaften und trag-baren Lösung durchgeführt werden. Die ganzen Auf-gaben der Landesregierung allein zu überlassen, ohnesich als Abgeordnete selbst intensiv zu beteiligen, hält

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unsere Fraktion nicht für angemessen. Deshalb wirdsich die PDS-Fraktion bei Ihrem Antrag enthalten, umdas Finanzierungsmodell zu gestatten, kündigt aber an,daß die aufgeworfenen Probleme damit nicht vomTisch des Landtags sind. Ich habe nicht gesehen, daßdie Vereinbarung zu einem bestimmten Zeitpunkt oderüberhaupt hier vorgelegt werden soll.

Meine Damen und Herren, ich fordere Sie trotzdemauf, sollte die Vereinbarung vorliegen, sollten wir unsals Abgeordnete dieses Themas noch einmal anneh-men, um zu sehen, ob der Antrag in Ihrem Sinne, FrauArenhövel, tatsächlich erfüllt worden ist. Ich bedankemich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat die Frau AbgeordneteVopel, CDU-Fraktion. Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Vopel, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Sozial-pädiatrischen Zentren sind Anlaufpunkte für Kinderund Jugendliche mit vielfältigen Behinderungen undEntwicklungsverzögerungen. Körperliche, geistige oderseelische Beeinträchtigungen werden durch eine tief-gründige Diagnostik erfaßt und einer umfassenden Be-handlung zugeführt. Frau Dr. Fischer hat das sehrausführlich erläutert, aber ich sage es trotzdem nocheinmal. Früherkennung und der frühzeitige Beginn ei-ner Behandlung, insbesondere bei Behinderungen undStörungen im Bereich des zentralen Nervensystemssind oft ausschlaggebend für den Erfolg einer Therapieund auch ausschlaggebend wie das weitere Leben die-ser Menschen beeinträchtigt oder weniger beeinträch-tigt sein wird. Auch die Eltern werden in diese The-rapie eingebunden. Die interdisziplinäre Arbeit in denSozialpädiatrischen Zentren wird zu einer Ergänzungin der Patientenbetreuung, welche wegen der Komple-xität der Störungen und vom Zeitaufwand her nichtvom niedergelassenen Arzt oder in einer Frühförder-stelle geleistet werden kann. Es ist ein gutes Zeichender Zusammenarbeit, daß niedergelassene Ärzte allermedizinischen Fachrichtungen Kinder mit Entwick-lungsfragen und Entwicklungsstörungen an diese Zen-tren überweisen. Wir haben drei, Frau Dr. Fischer hatsie genannt, Erfurt, Suhl und in Reifenstein. Alle dreiZentren sind in unterschiedlicher Trägerschaft, aberalle haben die gleichen Probleme.

In § 43 a, Sie haben ihn angesprochen, Sozialgesetz-buch V wird gesagt, daß versicherte Kinder Anspruchhaben auf nichtärztliche sozialpädiatrische Leistungen,insbesondere auf psychologische, heilpädagogische und

psychosoziale Leistungen, wenn sie unter ärztlicherVerantwortung erbracht werden und erforderlich sind,um eine Krankheit zum frühestmöglichen Zeitpunkt zuerkennen und einen Behandlungsplan aufzustellen. Daßdie Krankenkassen diesen § 43 sehr restriktiv auslegen,das haben wir alle erfahren, obwohl ein ausführlichesGutachten in dieser Sache von Herrn Professor Schulinvon der Universität Konstanz die generelle Lei-stungspflicht der Krankenkassen festgestellt hat, eben-so wie ein Schiedsverfahren in Niedersachsen, wo-gegen die Kassen aber Widerspruch eingelegt haben.Wie lange solche Widerspruchsverfahren zum Teildauern, das weiß ich auch. Die SozialpädiatrischenZentren bzw. ihre Träger sind sicherlich in bezug aufdie Fähigkeit, finanzielle Durststrecken zu überstehen,schwieriger dran als die Kassen in diesem Falle, wennes um Rechtsstreitfragen geht. Ich denke, das ist derAnsatzpunkt für uns gewesen, uns dieser Sache anzu-nehmen und zu einer Vereinbarung zu kommen bzw.die Regierung zu beauftragen, eine Vereinbarung zuversuchen. Ich sage es einmal ganz vorsichtig. Bisherwurden in Thüringen die nichtmedizinischen therapeu-tischen Leistungen durch eine Defizitfinanzierung desLandes abgedeckt. Das ist weder für die Mitarbeiternoch für die Träger dieser Einrichtung, aber auch nichtfür uns eine befriedigende Lösung. Innerhalb der So-zialpädiatrischen Zentren in den neuen Ländern, aberspeziell auch hier in Thüringen, ist in den zurücklie-genden Jahren eine beachtliche Aufbauleistung erfolgt undzum Teil eine Leistung auch der Mitarbeiter erfolgt, dieviel an persönlichem Engagement eingebracht haben,

(Beifall im Hause)

wo wirklich die innere Einstellung noch zählt und dieauf vieles verzichtet haben, um diese Dinge vorwärts-zubringen. Diese Arbeit muß jetzt konsolidiert werdenund darf nicht abbrechen. Wir wollen mit unserem An-trag nicht die Defizitfinanzierung festschreiben. Wirwollen auch nicht sagen, das Land Thüringen ist in derPflicht, diese Zentren müssen erhalten bleiben, und al-les was durch die Kassen oder die Leistungserbringernicht abgedeckt ist, wird vom Land Thüringen getra-gen. Deshalb unser Vorschlag, eine Vereinbarung ab-zuschließen und gegebenenfalls auch je nachdem, woes eventuell nötig sein wird, die Sozialhilfeträger mitins Brot zu nehmen.

Noch etwas zu Ihrer Sache Ostthüringen: Normalerweise,wenn man die Bevölkerungszahl Thüringens sieht, und wirvergleichen die drei Sozialpädiatrischen Zentren bundes-weit, ist es für die Zahl an sich, für die Einwohnerzahl,eigentlich ausreichend im Durchschnitt. Ich sehe aller-dings auch das Problem der regionalen Aufteilung.Deswegen sollte doch noch einmal überprüft werden,inwieweit in Ostthüringen ein Zentrum eingerichtetwerden sollte oder könnte. Das Problem Jena hat die

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Frau Dr. Fischer angesprochen. Ich bitte Sie um Zu-stimmung zu unserem Antrag. Selbstverständlich wer-den wir uns kundig machen, was daraus geworden ist.Wir trauen durchaus der Landesregierung zu, daß siemit den Kassen und den entsprechenden Leuten inVerhandlungen tritt.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Weitere Redebeiträge? Frau MinisterinEllenberger. Bitte, Frau Ministerin.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, das Problemder Finanzierung der Sozialpädiatrischen Zentren istmir natürlich bekannt und wurde bereits verschiedent-lich von meinem Hause, dem Referat Behindertenhilfespeziell, im Arbeitskreis Frühförderung oder bei ande-ren Gelegenheiten mit den Landesverbänden der Kran-kenkassen, dem Thüringischen Landkreistag und Ver-tretern der Sozialpädiatrischen Zentren besprochen.Nach unserer Einschätzung kommen die Krankenkas-sen ihrer Leistungsverpflichtung grundsätzlich nach.Lassen Sie mich aber zunächst die rechtliche Aus-gangssituation erläutern: Nach § 43 a SGB V habenversicherte Kinder Anspruch auf nichtärztliche sozial-pädiatrische Leistungen, insbesondere auf psycholo-gische, heilpädagogische und psychosoziale Leistun-gen, wenn sie unter ärztlicher Verantwortung erbrachtwerden und erforderlich sind, um eine Krankheit zumfrühestmöglichen Zeitpunkt zu erkennen und einen Be-handlungsplan aufzustellen. Der Anteil der Kassenlei-stungen in den Sozialpädiatrischen Zentren wird durchdie Zahlungen von jährlichen Pauschalen abgegolten,die im Verhandlungswege zwischen den Krankenkas-sen und den Zentren festgelegt werden. Es liegt daherauch am Verhandlungsgeschick des einzelnen Sozial-pädiatrischen Zentrums und an den vorzulegenden Be-legen, in welchem Umfange die Pauschalen von denKassen ausgereicht werden. Nach Auskunft des AOK-Landesverbandes kommen die Krankenkassen ihrerLeistungsverpflichtung gemäß § 43 a SGB V umfas-send nach. Eine restriktive Auslegung der gesetzlichenVorschrift wird von der AOK verneint. Ich habe die imvorliegenden Antrag vorgebrachte Einschätzung jedochzum Anlaß genommen, die Krankenkassen zu diesemVorwurf noch einmal ganz konkret und umfassend zubefragen. Von dieser Antwort mache ich die weitereVorgehensweise auch abhängig. Ich teile übrigens dieAuffassung, daß Interprätationsspielräume nicht zu La-sten der betroffenen Kinder gehen dürfen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Außerhalb der Diagnostik und zur Aufstellung des Be-handlungsplanes erforderliche psychologische, heilpä-dagogische und psychosoziale Maßnahmen fallen ganzregelmäßig nicht in den Zuständigkeitsbereich der ge-setzlichen Krankenkassen. Hierfür sind, soweit die El-tern nicht zur Begleichung dieser Leistungen aus ihremEinkommen und Vermögen in der Lage sind, die ört-lichen Sozialhilfeträger verantwortlich. Es handelt sichhierbei um Maßnahmen nach den §§ 39 und 40 Bun-dessozialhilfegesetz, für die die örtlichen Träger derSozialhilfe zuständig sind. Die Zuständigkeit für dieseLeistungen ist unstrittig. Deswegen kann es dort, alsoan dieser Stelle, auch keine Landesförderung geben. Indiesem Zusammenhang möchte ich ergänzend daraufhinweisen, daß die Sozialhilfegewährung eine Selbst-verwaltungsaufgabe der Kommunen ist und die Ein-flußmöglichkeiten des Landes gering sind. Im übrigenstellt sich die Problemlage der einzelnen Sozialpädia-trischen Zentren örtlich recht unterschiedlich dar. Ge-wisse Finanzierungsengpässe betreffen in erster Linie,soweit ich es einschätzen kann, vor allem das Sozial-pädiatrische Zentrum in Erfurt.

Meine Damen und Herren, seit Jahren werden an allendrei Sozialpädiatrischen Zentren freiwillige Zuwen-dungen des Landes zur Anschubfinanzierung ausge-reicht, obwohl es ja, wie gesagt, primäre Kostenträgergibt. Die Höhe der Zuwendungsbeträge betrug im ver-gangenen Jahr für Erfurt 218.148 Mark, für Suhl191.586 Mark und für das Zentrum in Reifenstein127.698 DM. Auch in diesem Jahr sind Zuwendungenzur Stützung und zum Aufbau der SozialpädiatrischenZentren vorgesehen. Allerdings gehen wir jetzt davonaus, daß die Aufbauphase weitgehend bewältigt ist. Ei-ne Beteiligung des Landes an den Gesamtkosten kannbis zu 10 Prozent, höchstens jedoch bis zu einem Be-trag von 100.000 DM erfolgen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Frau Ministerin, erlauben Sie ...

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Die im Antrag aufgeführte Vereinbarung kann mit demLand als direktem Vertragspartner nicht abgeschlossenwerden, da eine unmittelbare Zuständigkeit meinesHauses nicht gegeben ist. Ich bin natürlich gern bereit,die drei Sozialpädiatrischen Zentren auch weiter bei ih-ren Bemühungen zu unterstützen, um mit den verant-wortlichen Kostenträgern zu einer Vereinbarung zukommen, die ihre finanzielle Ausstattung und damit ih-re bedarfsgerechte Arbeitsfähigkeit auch langfristig si-chert. Vielen Dank.

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Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Vopel, CDU:

Frau Ministerin, können Sie mir zustimmen, daß es na-türlich ein Krankenhaus wie Suhl, das noch in Landes-trägerschaft ist, leichter hat diesbezüglich als ein Kran-kenhaus in der GmbH-Form oder ein freier Träger, derja eigentlich mit einer Defizitfinanzierung nicht wirt-schaften darf?

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Ich denke, es darf kein Krankenhaus mit Defizit wirt-schaften. Auch Suhl wirtschaftet nicht defizitär, inso-fern sind die Situationen überall gleich. Aber ich habeja schon gesagt, ich will durchaus helfen an der Stelle,damit diese Vereinbarung zustande kommt, weil, ichdenke schon, wir brauchen diese Vereinbarung, umlangfristig die Zentren abzusichern.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Eine weitere Redemeldung liegt nichtvor. Wir können demzufolge die Aussprache schließen.Es war beantragt die Überweisung des Antrags an denAusschuß für Arbeitsmarkt und Gesundheit als feder-führenden. Dann muß ich rückversichernd noch nachdem Haushalts- und Finanzausschuß, den für Sozialesund Sport und den für Bildung fragen, war es eine Be-antragung?

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Das war eine Beantragung.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Gut. Wir stimmen also ab über die Überweisung. Werder Überweisung des Antrags der Fraktionen CDU undSPD in - Drucksache 2/874 - an den Ausschuß für Ar-beitsmarkt und Gesundheit zustimmt, den bitte ich umdas Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Dan-ke. Enthaltungen? Der Antrag ist abgelehnt. Bitte, FrauAbgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Präsident, können Sie bitte einmal die Beschluß-fähigkeit feststellen?

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das ist soetwas von hirnrissig. Etwas Dümmeres fälltkeinem mehr ein.)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ich wiederhole die Abstimmung, und wir zählen zumZwecke der Feststellung der Beschlußfähigkeit aus.

(Zwischenruf Abg. Frau Heymel, SPD: WeilIhr zu spät gekommen seid, habt Ihr denSchaden.)

Einen Moment bitte. Das geht nach Geschäftsordnungnicht mehr. Der Antrag hätte vor der Abstimmung ge-stellt werden müssen. Bitte? Entschuldigung, das habeich nicht gesehen, das ist mir auch nicht signalisiertworden, inzwischen hat auch die Glocke ein Übrigesgetan.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Ohne Ab-stimmung geht nichts mehr.)

Diese Ausschußüberweisung war abgelehnt. Wir stim-men jetzt ab über die Überweisung des Antrags an denAusschuß für Haushalt und Finanzen. Wer dieser Über-weisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Gegenstimmen? Enthaltungen? Danke schön. Auchdiese Überweisung ist abgelehnt. Wir stimmen ab überdie Überweisung an den Ausschuß für Soziales undSport. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Enthaltungen? Danke schön. Diese Überweisung istauch abgelehnt. Letztlich war Bildungsausschuß bean-tragt. Wer dieser Überweisung zustimmt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke. Gegenstimmen? Danke.Enthaltungen? Auch diese Überweisung ist abgelehnt,damit stimmen wir über den Antrag der Fraktionen derCDU und SPD in - Drucksache 2/874 - ab. Wer demAntrag seine Zustimmung gibt, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Ent-haltungen? Einige Enthaltungen. Danke. Wir schließenden Tagesordnungspunkt.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 5 a

Forderungen des Thüringer Landtags andie Regierungskonferenz 1996 der Euro-päischen Union (Maastricht II)Antrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/889 -dazu: Alternativantrag der Fraktion der

PDS- Drucksache 2/918 -

Wird die Begründung durch die Antragsteller gewünscht?Zur Begründung Herr Abgeordneter Dr. Dr. Dietz, bitte

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schön. Bitte? Also zur Begründung nicht. Dann eröffne ichdie Aussprache. Es hat um das Wort gebeten Herr Ab-geordneter Harrer, PDS-Fraktion. Bitte, Herr Abgeord-neter.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Wirhaben es doch eingebracht.)

Ich bin davon ausgegangen, Herr Dr. Dr. Dietz, daß dieGeschäftsordnung vorschreibt, daß die Einbringer nicht... Darf ich Sie noch einen Moment um Geduld bitten,Herr Harrer, ich muß noch einen Nachtrag machen.Der zweite Gegenstand dieses Tagesordnungspunkts istein Alternativantrag der Fraktion der PDS in - Druck-sache 2/918 -. Er ist verteilt worden in einem Vorab-druck. Möchten Sie separat begründen dazu? Danngleich zur Aussprache. Bitte, Herr Harrer.

(Unruhe im Hause)

Seien Sie mir bitte nicht böse, der den Tagesordnungs-punkt tragende Antrag ist der der CDU und der SPD,und deswegen, dachte ich, müßte der Redner der PDS-Fraktion den ersten Platz in der Aussprache besetzen.Bitte, Herr Harrer.

Abgeordneter Harrer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich möchtekein Salz in offene Wunden streuen und deswegen zumAntrag von CDU und SPD nichts sagen.

(Zwischenruf Abg. Grünert, CDU: Oh!)

Hinweisen möchte ich nur auf die Positionen der PDS-Fraktion zu diesem Thema, die seit einem halben Jahrim Ausschuß bekannt sind. Die Forderungen der PDS-Fraktion zur Regierungskonferenz 1996 kann man ganzkurz in fünf Punkte fassen:

- der erste Punkt, die Umsetzung des Weißbuchs fürWachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Beschäftigung,sprich 15 Mio. Arbeitsplätze in Europa bis zum Jahr2000, davon 500.000 in Thüringen;

- der zweite Punkt, Aufnahme der Sozialunion undUmweltunion in den EG-Vertrag;

- der dritte Punkt, mehr Demokratie in Europa, z.B.durch ein einheitliches europäisches Wahlrecht in derRegion;

- der vierte Punkt, eine Reform der Institution, die auchbekannt ist, was auch im Antrag von CDU, SPD hierals einziger Punkt angeführt ist, die institutionellen Re-formen, was für uns zuwenig ist;

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Ichdachte, wir oder die PDS.)

- der fünfte Punkt, Inneres, Justiz, sprich Asyl- und Ein-wanderungsgesetz auf europäischer Ebene, und zwar nichtfür die Wirtschaft, sondern für die Menschen, das heißt,daß zu diesem Punkt hier die UN-Menschenrechtskon-ventionen usw. beachtet werden, die Flüchtlingskonven-tion.

(Zwischenruf Abg. Frau Jähnke, SPD: Wirhaben mehrere.)

Das waren die fünf zentralen Forderungen der PDS inVorbereitung. Ich hoffe, daß wir dann mit beiden An-trägen im Ausschuß dazu kommen, auch diesem Thü-ringer Landtag nachzuweisen, daß wir besser sind alsdieser Antrag von CDU und SPD, daß der Ausschußbesser als der Antrag ist. Ich glaube auch, daß ich damit den Ausschußmitglieder ziemlich einig bin.

Lassen Sie mich noch zu zwei Punkten etwas sagen,die besonders wichtig für den Freistaat sind, einmal dieOsterweiterung, das Lieblingskind von unserem HerrnMinister. Wir haben die Problematik, Herr Dr. Sklenarweiß das wahrscheinlich, was bei einer baldigen Auf-nahme der MOE-Staaten in die Europäische Unionpassieren würde, nämlich die Erhöhung des Agrar-haushalts in der EU, sofort mindestens 50 Prozent. Wirwüßten, was die Strukturförderung für Thüringen be-deuten würde, nämlich den gesamten Abbau der Struk-turförderung für die neuen Bundesländer, weil dieMOE-Staaten hier am Bruttoinlandsprodukt von 20 bis50 zum EU-Durchschnitt von 100 haben, das heißt,Thüringen wäre schon weit über allem. Wir wüßten,was das bedeuten würde für den Sozialabbau, Perso-nalabbau. Wir wüßten, was es für die Wirtschaft be-deuten würde. Deswegen sollten wir dieses Thema, dabitte ich doch darum, ganz sorgfältig angehen. Wirmüßten in der Europäischen Union eine wirtschaft-liche, eine soziale, eine ökologische, eine demokra-tische Vertiefung haben, bevor wir, und das sollten wirauch wirklich dann gründlich behandeln, so einen An-trag verabschieden. Im Alternativantrag der PDS wirdder Beschluß des Bundesrats vom 15.12.1995 begrüßtund als Grundlage für den Antrag auch für den Thürin-ger Landtag gemacht. Wir haben mit dieser Zustim-mung durch die PDS-Fraktion zum Beschluß des Bun-desrats natürlich einige Probleme gehabt, trotzdem hatdie PDS-Fraktion diesen Antrag eingebracht, nämlichschon als Kompromißformel für diesen Landtag, weiluns das Thema "Europa" viel zu wichtig ist, daß mandas parteipolitisch zerfleddert und nach außen ein zer-rissenes Bild abgibt. Das nützt uns nichts gegenüberder Kommission, gegenüber dem Rat und gegenüberdem Parlament. Deswegen bitte ich doch darum, daßwir uns eine einheitliche Meinung bilden, falls es im

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Ausschuß dann behandelt wird, daß wir auch zu einereinheitlichen Meinung für den Antrag kommen.

Lassen Sie mich vielleicht noch zu einem zentralenThema, was alle Thüringer Bürger und Bürgerinnen in-teressiert, etwas sagen, obwohl das nach dem Bundes-ratsbeschluß nicht Thema der Regierungskonferenzsein soll, nämlich die Währungsunion. Nach Aussagevon der SPD-Bundestagsfraktion werden Bund, Länderund Kommunen 1997 40 Mrd. DM einsparen müssen,um die Konvergenzkriterien zu erfüllen. Ich muß wohlniemanden in diesem Hohen Hause darauf hinweisen,was es auch für den Landeshaushalt bedeutet, was esfür die Kommunen bedeutet und für die Bundesrepu-blik insgesamt. Das heißt, unsere Ansicht, und diewerden wir auch dann im Ausschuß vertreten, ist, daßdieses Thema "Europäische Währungsunion" auf derRegierungskonferenz behandelt wird, weil sonst derFreistaat Thüringen wirklich in diese Zange kommt,die Zange der Osterweiterung und Währungsunion,was gleichbedeutend wäre mit einem riesigen Sozial-abbau und Personalabbau, den wir wahrscheinlich allenicht wollen. Danke.

(Beifall bei der PDS; Abg. Weyh, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat jetzt der Herr AbgeordneteDr. Dr. Dietz. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Dr. Dietz, CDU:

Meine sehr verehrten Damen und Herren, Herr Präsi-dent, im Gegensatz zu meinem Vorredner bin ich nichtin der Lage und möchte es auch nicht, bei der Komple-xität dieses Themas völlig frei vorzutragen. Er hat al-lerdings mit dem Einschwenken auf die Position desBundesrats eine interessante Gangart aufgezeigt. Wirwerden es verfolgen können, wieweit diese Linie imAusschuß eingehalten wird. Wenn nun, meine sehr ge-ehrten Damen und Herren, unsere beiden Fraktionen,CDU und SPD, den Ihnen vorliegenden Entwurf für ei-ne Stellungnahme des Landtags zur Regierungskonfe-renz einbringen, so handeln sie in höchster Aktualität.Am 29. März 1996 nämlich beginnt die EuropäischeRegierungskonferenz, auf der es um nicht weniger alsum die Zukunft Europas geht. Deshalb hole ich auchetwas weiter aus als mein Vorredner und gehe aufgrundsätzliche Fragen ein und schüre nicht irgendwel-che imaginären Ängste. Während auf der einen Seite inder Öffentlichkeit mittlerweile heftig über den Beginnder Währungs- und Wirtschaftsunion, also mehr derWährungsunion, diskutiert wird, das heißt über dieEinführung des EURO, wird die andere schwierigereund wichtigere Frage kaum thematisiert, nämlich dieRegierungskonferenz, die bis zum Sommer 1997 abge-

schlossen sein soll. Der Einsatz, um den es hier geht,ist hoch. Es geht um eine radikale Vereinfachung desgesamten institutionellen und rechtlichen Rahmens, dieeine gründliche Entrümpelung des Vertrags einschließt.Deshalb spreche ich auch lieber von der Folgekonfe-renz zu Maastricht und nicht, wie auf Ihrer Vorlage,von Maastricht II. Wir brauchen keine neue Union, wirbrauchen ihre Vervollkommnung und Fortentwicklung.Es geht um nicht weniger als um die Frage, ob derpolitische Reformwille der Europäer ausreicht, dieseKonferenz und damit eine bestimmte Vorstellung vonEuropa zu einem Erfolg zu führen. Die bisherigen Ar-beiten und Anstöße stimmen eher skeptisch. Zu zöger-lich - und da teilt Herr Harrer sicher meine Auffassung- setzen sich die politisch Verantwortlichen in manchenLagern bisher mit den neuen Herausforderungen aus-einander.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Regie-rungskonferenz beginnt unter folgenden Vorzeichen: Diezügige Osterweiterung ist ein unabweisbarer Grundsatzund Grundbestandteil der Idee "Europa" geworden.Gleichzeitig zeigt der gegenwärtige Status quo derIntegration deutliche Anzeichen einer Überforderung derInstitutionen und Entscheidungsprozesse. Daß es mitt-lerweile auf europäischer Ebene 37 unterschiedlicheEntscheidungsverfahren, davon 20 allein für die Recht-setzung, gibt, macht die Situation auch für Fachleutekaum noch unterscheidbar. Das gilt erst recht für densogenannten normalen Bürger. Daher fordern wir imRahmen der Regierungskonferenz eine Straffung derVerfahren. Wir brauchen mehr Transparenz und Bür-gernähe. In den Augen der Bürger gerät die europä-ische Integration zunehmend unter Begründungszwang.Die Europäische Union muß stärker als bisher die Fra-ge nach ihrem Sinn beantworten. Wir können es dahernicht oft genug wiederholen: Die Existenz der Euro-päischen Union findet ihre Legitimation ganz einfachdarin, daß sie die Freiheit und Freizügigkeit ihrer Bür-ger sichern, den Rahmen für ihre wirtschaftliche Wohl-fahrt bereitstellen und die innere und äußere Sicherheitgarantieren muß. Es ist richtig, die Stimme der Länderin der Europapolitik wird nur schwer gehört. Zwar istdas Mitwirkungsverfahren der Regionen am europä-ischen Entscheidungsprozeß differenziert ausgestaltet,sie können ihre Stimme auf verschiedenen Wegen zurGeltung bringen, doch enthält der Maastrichter Ver-trag, um dessen Fortentwicklung es geht, im Prinzipnur das Verhältnis Mitgliedsstaat - Gemeinschaft. DieStellung der regionalen Ebene wird zu wenig berück-sichtigt. Wir werden darauf hinzuwirken haben, daßdiese Ebene verstärkt zur Geltung kommt. Daß bisherdie Regionen und die Entwicklung des europäischenFöderalismus in der Debatte keine so große Rollespielten, hängt mit den unterschiedlichen Vorstellun-gen der europäischen Länder vom Aufbau und Cha-rakter des Staates zusammen. Ein Blick auf Frankreich

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genügt, um zu erkennen, daß französische Regierungenauch im 20. Jahrhundert noch weitgehend in den Kate-gorien des Nationalstaats denken. Doch hat die europä-ische Dimension der Politik zugenommen, und der Na-tionalstaat in seiner klassischen Form gerät zunehmendunter Druck.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich will hiernicht in einen allgemeinen Diskurs über die historischeNotwendigkeit der europäischen Einigung einstimmen.Das führte zu weit. Ganz abgesehen davon, daß die eu-ropäische Zielbestimmung, von den Fachleuten Finali-tät genannt, noch nicht klar erkennbar ist. Wir leben imÜbergang. Während der Häutung ist die Schlangeblind.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Doch spüren wir alle mehr oder weniger, daß die Ge-fühle eines gemeinsamen Europäertums, sieht man esbesonders in Abgrenzung zu Asien oder zum funda-mentalistischen Staatsverständnis des Islam, noch im-mer vorhanden sind und einer institutionellen und poli-tischen Formulierung bedürfen. Was wir von unsererSeite dazu beitragen können, wollen und müssen wirtun. Wir kämpfen daher für die Stärkung des föderalenGedankens in der Europäischen Union. Föderalismusbedeutet Bürgernähe. Wir in der Bundesrepublik wis-sen schon seit langem, daß der föderale Gedanke sichnicht nur nach den Kriterien der reinen Effizienz rich-tet. Region bestimmt unser Denken; Region - das be-deutet Identität. Die Bürgernähe von Entscheidungenwird dabei gefördert. Deshalb wollen wir diesen Ge-danken durch unseren Antrag unterstützen und nachEuropa weitertragen.

Nun ist es tatsächlich so, daß die so typisch deutschenBegriffe von Föderalismus, Subsidiarität und Regiona-lismus in der Europäischen Union nicht überall positivaufgenommen werden. Nicht in jedem Mitgliedsstaatwird darunter das gleiche verstanden. Deshalb konntein Maastricht bekannterweise der Begriff "Föderalis-mus" nicht in den Vertrag aufgenommen werden. Damüssen wir aktiver werden. Wir müssen der Regie-rungskonferenz mit auf den Weg geben, und das istüber die Beobachter der Länder bei dieser Konferenzmöglich, daß die Verstärkung des Subsidiaritätsprin-zips auch als Leitlinie für neue Zuständigkeiten undKompetenzbegründungen dienen kann. Nur wenn eineAufgabe auf der Ebene der Mitgliedsstaaten oder aufder darunterliegenden Ebene der Länder bzw. Regio-nen nicht erledigt werden kann, soll die Gemeinschaftdie Kompetenz hierfür erhalten.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage derKompetenzverteilung ist eine Schlüsselfrage für dasGelingen der bevorstehenden Regierungskonferenz. Die

heutige Kompetenzlage ist derart undurchschaubar ge-worden, daß sie selbst für Experten nur schwer nach-vollziehbar ist. Daher braucht die EU eine nachvoll-ziehbare Klärung der Kompetenzverteilung durch ei-nen Kompetenzkatalog, der die Zuständigkeiten undVerantwortungen so genau wie möglich beschreibt. Inunserem Antrag heißt es, daß auf der Regierungskonfe-renz eine klare Abgrenzung zwischen den Kompeten-zen der EU und der Mitgliedsstaaten erreicht werdenmuß.

Die Konferenz wurde u.a. durch einen Reformaus-schuß, die sogenannte Reflektionsgruppe, vorbereitet.Ich führe dieses Thema bewußt an, damit auch etwaszur Begriffsklarheit beigetragen wird; denn dieser Be-griff "Reflektionsgruppe" ist nicht unbedeutend, er istauch in der öffentlichen Diskussion mehrfach erwähnt.Die Einsetzung dieser Gruppe oder dieses Ausschussesvom Europäischen Rat erfolgte im Juni 1994. Er hatsich im Juni 1995 konstituiert und seitdem intensiv be-raten. Er setzte sich zusammen aus je einem Vertreterder 15 EU-Mitgliedsstaaten und der Europakommis-sion sowie aus zwei Mitgliedern des Europäischen Par-laments. Vertreter der Bundesregierung war WernerHoyer vom Auswärtigen Amt. Als Parlamentarier ausDeutschland nahm Elmar Brok von der EVP-Fraktionteil. Die Arbeiten wurden im Dezember 1995 mit ei-nem Bericht an den Europarat auf der Europaratsta-gung in Madrid abgeschlossen. Dem Ausschuß wurdenBerichte aller europäischen Organe über die seit In-krafttreten des Maastrichter Vertrags gewonnenen Er-fahrungen zugeleitet. Leider hat sich in der Reflek-tionsgruppe keine Mehrheit für eine klare Kompetenz-abgrenzung durchgesetzt, wie ich sie oben geforderthabe. Daß sich der Ausschuß nicht zu der erwünschtenAbgrenzung hat durchringen können, zeigt, daß die in-tergouvernemental zusammengesetzte, also überwie-gend durch Regierungsvertreter zusammengesetzte, Re-flektionsgruppe die Zeichen der Zeit nicht wirklicherkannt hat. Daher ist es um so wichtiger, daß die Län-derparlamente gerade auf diesen Aspekt besonderenWert legen. Mit Blick auf die Kompetenzverteilung istauch eher eine Begrenzung der europäischen Zustän-digkeiten oder Zuständigkeiten europäischer Organeanzustreben. Die Intensivierung der Kernzuständigkeitist einer erneuten Kompetenzausweitung vorzuziehen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, gemeinsammit dem Bundesrat fordern wir ein Klagerecht der na-tionalen Parlamente, ja sogar ein Klagerecht der Län-der und Regionen. Ferner fordern wir eine Aufwertungdes Europäischen Parlaments gegenüber den anderenEU-Organen. Das Parlament sollte ein gleichberechtig-tes Mitentscheidungsrecht neben dem Ministerrat er-halten, jedenfalls soweit es sich um Mehrheitsentschei-dungen handelt. Ich weiß, daß dies in Frankreich undGroßbritannien anders gesehen wird. So schlägt Frank-

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reich die Bildung eines "Hohen Parlamentarischen Ra-tes" als Vertreter der nationalen Parlamente vor. Ichglaube nicht, daß dieser Vorschlag eine geeignete Lö-sung darstellt, weil er sowohl der normativen Zielvor-stellung einer unmittelbaren europäischen Legitimitätals auch allen Effizienz- und Transparenzüberlegungenzuwiderläuft. Eine europäische Kammer nationaler Ab-geordneter bedeutete darüber hinaus einen Rückschrittgegenüber der seit 1979 praktizierten Direktwahl desEuropäischen Parlaments. Ich halte es dagegen fürsinnvoller, eine lückenlose demokratische Legitimationdurch die Stärkung der Rechte des Europaparlamentszu gewährleisten. Auf mittlere Sicht ist dies am bestendurch ein Zweikammersystem zu gewährleisten, indem der Rat als die eine Kammer die entscheidendeRolle der Mitgliedsstaaten repräsentiert und das Euro-päische Parlament als die andere Kammer die direkteLegitimationsquelle für europäische Entscheidungenbildet.

Unabhängig davon ist die Rolle und weitere Entwick-lung des Ausschusses der Regionen zu beurteilen. Aufdiese Einrichtung muß sich das besondere Interesse derBundesländer richten. So besteht eine wesentlicheReformforderung der Länder darin, daß die Rolle undBedeutung des Ausschusses der Regionen gestärktwerde. Auch dazu ein Wort, das zumindest im Pro-tokoll erscheinen sollte: Der Regionalausschuß der EUist ein unabhängiges Beratungsgremium aus Vertreternder regionalen und kommunalen Gebietskörperschaf-ten. Er hat sich erst 1994 konstituiert. Seine Mitgliederwerden von den EU-Staaten auf die Dauer von vierJahren ernannt. Derzeit besteht er aus 222 Mitgliedern.Die 16 deutschen Länder entsenden in den Ausschuß21 Vertreter, die Kommunen (leider) nur 3 Vertreter.Mit diesem Ausschuß sollte das bisherige Fehlen derRegionalebene ausgeglichen werden. Dieser Ausschußmuß in vielen Fällen von regionalem Interesse gehörtwerden, beispielsweise in den neu aufgenommenenMaterien Bildung, Kultur, Gesundheitswesen, was derFachmann als die erste Säule des Maastrichter Vertragsumschreibt. Aber er kann im Unionsgefüge noch nichtmitentscheiden und seine Meinung im Zweifel auchdurchsetzen. Deshalb wird sich die Reformkonferenzmit der künftigen Stellung dieses Ausschusses befassenund dabei den vielfach vorgetragenen Wunsch prüfenmüssen, ob der Ausschuß zu einem beschlußfassendenOrgan der EU weiterentwickelt werden kann. Hierzugehört auch die Forderung nach einem Klagerecht vordem EuGH, dem Europäischen Gerichtshof, bei Ver-letzung der Subsidiarität und der Beteiligungsrechteeben dieses Ausschusses.

Ein weiteres Anliegen der Länder gilt schließlich demdeutschen Anteil an der Finanzierung der EU und einerbreiteren Verwendung der deutschen Sprache als eineder Arbeitssprachen der Europäischen Union.

Eine Warnung hinsichtlich des äußeren Konferenzver-laufs sollte nicht überhört werden: Die Regierungskon-ferenz sollte nicht wie ihre Vorgängerin, die denMaastricht-Vertrag vorbereitete, hinter verschlossenenTüren und am Bürger vorbei stattfinden, wenn dieserKongreß auch nicht unbedingt die tänzerischen Aktivi-täten des Wiener Kongresses und dessen Popularität zuimitieren braucht. Daher fordern die Länder eine breiteöffentliche Debatte über den Reformprozeß.

Ich weiß sehr wohl, daß unsere Forderungen nichtüberall in Europa auf Zustimmung stoßen werden.Doch soll man, um die Schwierigkeiten wissend, denKampf von vornherein aufgeben? Viel zuwenig ist denBürgern bewußt, daß Europa am Scheideweg steht. Eu-rogeld, die institutionelle Reform der EU, die Oster-weiterung, die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit stehenauf unserer Tagesordnung. Wir spüren, daß wir dieseSchwierigkeiten nicht mit weniger, sondern nur mitmehr Europa bewältigen können. Erstaunlicherweisezögern viele Mitgliedsstaaten, diese Probleme anzu-packen. Haben sich unsere Kräfte erschöpft? Ich glau-be das nicht. Europa ist so frei wie nie, die Zukunft istoffen, die Entwicklung schwer vorhersehbar. Aller-dings, Herr Harrer, das richte ich an Sie, ist auch zubedenken: die Regierungskonferenz wird keinesfalls inder Lage sein, alle zentralen Politikfelder der EU in ei-nem Anlauf neu zu ordnen. Deshalb können diese Be-reiche erst nach Durchführung einer institutionellenReform auf eventuellen Folgekonferenzen angegangenwerden.

Um diesen Reformprozeß voranzubringen, verdienendie Vorbereitungen der Regierungskonferenz und dieseselbst eine umfassende Beachtung. Leider hat nicht inallen Bereichen die erwünschte öffentliche Diskussioneingesetzt. Im Sommer des vergangenen Jahres hattenerst 16 Prozent der Deutschen etwas von der Regie-rungskonferenz gehört. Daran tragen viele Verantwort-liche in Politik und in der Öffentlichkeitsarbeit eineMitschuld. Noch ist es in unserem Land nicht zu spät,das Interesse der Politiker und der Bevölkerung aufdiese für die nächsten Jahrzehnte lebensentscheidendeFrage der Politik zu richten. Dem dient auch der Ihnenvorliegende Antrag und seine Begründung. Die Diskus-sion, die damit angeregt werden soll, ist noch rechtzei-tig. Mit neuem Engagement soll sie und muß sie eröff-net werden. Da die Einzelfragen des Ihnen vorliegen-den Antrags und des Alternativantrags einer vertieftenErörterung bedürfen, u.a. zur Abgleichung mit denStellungnahmen der Bundesregierung, der Reflektions-gruppe und der anderen Länder, empfehle ich ihreÜberweisung an den Justiz- und Europaausschuß. Dan-ke schön.

(Beifall bei der SPD)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2373

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat Herr Abgeordneter Weyh,SPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Weyh, SPD:

Herr Präsident, meiner sehr geehrten Damen und Her-ren, ich glaube, wir müssen Kollegen Herrn Dr. Dr.Dietz sehr dankbar sein, daß er umfassend versucht hat,in die Winkel des europäischen Gebäudes hineinzu-leuchten. Sie haben ja wohl ein breites Spektrum anThemen abgedeckt, die zur Regierungskonferenz be-reits anstehen.

Ich möchte auf einige Teilbereiche noch einmal etwasnäher eingehen, um die Intention des Antrags, der Ih-nen erstmals vorliegt in diesem Landtag, in dieser Le-gislaturperiode, zu stützen. Der Antrag formuliert zu-nächst einmal Grundforderungen beider Fraktionen andie 1996 beginnende Regierungskonferenz, die ja auch"Maastricht II" genannt wird. Nun sind, da Europa lei-der für die Mehrheit der Bürger sehr fern liegt, docheinige Erläuterungen angebracht, denn es ist immernoch wenig verständlich, was dort eigentlich abläuft.Die Regierungskonferenz, möchte ich zunächst sagen,ist aus vielerlei Gründen notwendig. Zum ersten ist da,daß diese Konferenz bereits 1991 in der Vertragsabfas-sung zu Maastricht zwingend mit vorgesehen wurde inAuswertung dessen, was bis dahin an Neuregelungensich bewährt hatte bzw. zu prüfen ist. Zum zweitenbietet diese Regierungskonferenz die Chance, aus denFehlern, die wir dort erkennen, zu lernen, die euro-päische Zusammenarbeit insgesamt zu verbessern undauch zu erweitern. Die Regierungskonferenz soll insge-samt im Gebäude der Europäischen Union für mehrDemokratie und für mehr Effizienz sorgen, und sie solldie Europäische Union zur Erweiterung nach Ostenund Süden befähigen. Noch steht ja die Tagesordnungnicht fest, Herr Kollege Dr. Dr. Dietz. Allerdings, wieSie richtig sagten, hat die Reflektionsgruppe, beste-hend aus den von Ihnen benannten Vertretern, Vor-schläge und Übersichten über dringlich zu lösende undwünschenswert zu behandelnde Themen erarbeitet.

Meine Damen und Herren, diese Vorschläge allein um-fassen über 50 Seiten Text, so daß wir aus ThüringerSicht eigentlich ebenso umfassend Stellung nehmenmüßten. Das versucht der Antrag, den Sie vorliegenhaben in - Drucksache 2/889 -, wie Sie aus dessenUmfang unschwer erkennen, nicht, sondern er formu-liert nur einige Schwerpunkte, zu denen die Koalitionbereits eine Meinungsbildung herbeigeführt hat. Wirsollten uns also um die Vervollständigung dieses An-trags bemühen und weitere wichtige Themen, wieschon hier genannt, ansprechen, die Thüringen auchbetreffen werden, ja zwingend betreffen werden. Ich

beantrage also ebenso wie der Kollege Dr. Dr. Dietzbereits hier im Vorwege die Überweisung des Antrags- Drucksache 2/889 - an den Ausschuß für Justiz- undEuropaangelegenheiten und ebenso die Überweisungdes Alternativantrags, den die PDS-Fraktion erarbeitethat. Wir sollten die dort angesprochenen Punkte unbe-dingt in unsere gesamte Beschlußabfassung einbezie-hen.

Meine Damen und Herren Kollegen, der Vertrag vonMaastricht, der heute die Rechtsgrundlage der Euro-päischen Union bildet, ist ja allein ein äußerst schwerzu begreifendes juristisches Werk. Er wird aber auchnoch durch 17 angefügte Protokolle und 33 Erklärun-gen in der Schlußakte ergänzt. Wer in diesem Hausüberblickt denn dieses Vertragswerk? Das würde icheinmal fragen wollen. Wenn sich jetzt einer meldet,wäre ich auf das Höchste überrascht, Herr Dr. Dr.Dietz.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU)

Er ist ja noch Parlamentarier und nicht allein Europa-vertreter, er wird es auch nicht vollständig können.

Es muß also eine der vordringlichsten Aufgaben derRegierungskonferenz 1996 sein, neben dem Problemder erweiterten demokratischen Mitwirkung des Euro-päischen Parlaments und des Ausschusses der Regio-nen auch über die Neuabfassung und über die Durch-schaubarkeit dieses grundlegenden Vertragsrechts derEU zu verhandeln und dies aber auch dann zu leisten,denn nur dann werden wir die Bürgerinnen und Bürgerin Thüringen, in Deutschland, ja in ganz Europa zumehr Anteilnahme an Europa bewegen können, und siewerden sich dann auch mit einbringen wollen. Siemüssen erst einmal durchschauen können, was eigent-lich abläuft. Europa muß für den Bürger faßbar werden- für den Bürger, nicht für den Juristen -, dafür muß dieRegierungskonferenz 1996 sorgen.

(Zwischenruf Kretschmer, Minister für Justizund Europaangelegenheiten)

Der Jurist ist auch Bürger, aber er hat den Vorteil einerbesonderen Ausbildung in einer Fremdsprache, die nurwenigen, eben den Juristen, geläufig ist, Herr Minister.

Weiterhin, meine Damen und Herren, steht die Moder-nisierung der Verwaltungsstruktur der EuropäischenKommission ins Haus, unstreitig. Wer will denn wei-terhin verantworten, daß heute auch schon das Europader 15 Mitgliedsstaaten mit Strukturen verwaltet wird,die ursprünglich nur für 6 entworfen waren. GlaubenSie im Ernst, daß das genau paßfähig ist? Da bin ichschon bei der Erweiterung der EU angelangt. Malta,Zypern, die Türkei haben bereits die Aufnahme bean-

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tragt, und die Staaten Polen, Tschechien, Slowakei undUngarn klopfen an die Tür und wollen den Weg be-schreiten.

Meine Damen und Herren, daß all diese Erweiterungenlängerfristig sicherlich wünschenswert sind, ist unbe-stritten, Sicherheitsinteressen müssen abgestimmt wer-den, insbesondere die Rußlands. Es ist nicht so einfach.Es geht auf der Regierungskonferenz 1996 um Wege,um Zeiträume, um Bedingungen und Verfahren undum Vorbereitungen, die in der EU zu treffen sind, auchum die gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitikwirksamer zu machen als bisher. Wer das Handeln derEU zu Jugoslawien erlebt hat, wird sich manchmal ge-wundert haben, warum dort wenig Entschlußkraftdurchscheint, aber die Rolle der WesteuropäischenUnion und auch der NATO im Kontex mit der EU,denke ich, sind ebenfalls neu zu definieren. Auch eingewaltiger Arbeitsabschnitt, wie Sie sehen. Ich er-warte, daß wir uns im Ausschuß all dieser Themen an-nehmen und uns auch die nötige Zeit für eine ausgewo-gene Beschlußfassung lassen. Angesichts dieses gewal-tigen Arbeitsumfanges der Regierungskonferenz, diesicher 1997 komplett und vielleicht sogar 1998 nochandauern wird, darf ich anmerken, bedauerlicherweisebesitzt unser Haus keinen eigenständigen Europaaus-schuß.

(Beifall Abg. Harrer, PDS)

Vielleicht, meine Damen und Herren, sollten wir ange-sichts der zu treffenden Entscheidungen, die Europamit Sicherheit verändern werden, darüber noch einmalnachdenken, denn daß die Regierungskonferenz 1996auch die Zukunft Thüringens mitbestimmen wird, dar-an ist nicht zu zweifeln. Wir stehen hier als ThüringerLandtag in einer Fürsorgeverantwortung für unserLand, aus der uns unsere Kinder keinesfalls entlassen -da sitzen welche auf der Tribüne. Wir müssen mit un-seren Möglichkeiten hier dafür sorgen, daß diese Zu-kunftsbedingungen demokratisch, subsidiär ausgewo-gen und für die wirtschaftliche Entwicklung in Thürin-gen günstig sein werden. Ich gehe davon aus, daß wireine spannende und intensive Diskussion im Ausschußerleben werden und dem Hohen Haus dann einen gutausgewogenen Antrag zur Beschlußfassung vorlegenkönnen, möglichst schnell. Der Herr Kollege Dr. Dr.Dietz hat angedeutet, Ende März beginnt die Regie-rungskonferenz, wir werden zwischendurch als Aus-schuß noch einmal Brüssel besuchen, unser Wissenvertiefen. Ich hoffe, daß wir schnell zum Ergebniskommen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Herr Abgeordneter. Weitere Redemel-dungen liegen nicht vor.

(Zuruf Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten: Doch, doch.)

Entschuldigung, Herr Minister. Bitte sehr.

Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten:

Vielen Dank. Herr Präsident, meine sehr geehrten Da-men und Herren, in meiner Funktion als Europamini-ster begrüße ich es natürlich mit Nachdruck, daß sichder Thüringer Landtag mit dem Thema "Regierungs-konferenz 1996" befaßt. Dies verdeutlicht nicht nur,wie meine drei Vorredner gesagt haben, die wachsendeBedeutung, die die europäische Politik auf vielen Ebe-nen für den Bürger gewonnen hat, sondern auch, unddies ist neueren Datums, wie ich meine, daß die Wir-kungen des Europäischen Einigungsvertrages bewußtauch als solche wahrgenommen werden und entspre-chende Mitgestaltungswünsche hervorrufen. Im Ver-gleich zu den Maastrichter Verhandlungen von 1992sind wir damit bereits einen wesentlichen Schritt vor-angekommen. Im Vorfeld der damaligen Verhandlun-gen gab es keinerlei öffentliche Resonanz. Erst die Er-gebnisse des Maastricht-Vertrags sind im nachhineinauf größeres Interesse gestoßen und dann negativ kom-mentiert worden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Dasist so schlecht auszusprechen - Maastricht.)

Vielleicht einer der vordergründigen Erwägungen. Umeine ähnliche von vornherein negativ besetzte Ak-zeptanzdebatte zu vermeiden, ist es wichtig, bereits imVorfeld der Regierungskonferenz 1996 für eine infor-mierte Öffentlichkeit zu sorgen. Dazu leistet der vor-liegende Antrag der Fraktionen von SPD und CDU ei-nen wichtigen Beitrag. Die europäische Reformdebattedarf eben nicht nur auf europäischer Ebene, sondern siemuß auch auf nationaler, regionaler und auch aufkommunaler Ebene geführt werden.

(Beifall bei der SPD; Abg. Dr. Dr. Dietz,CDU)

Auch hier zeigt sich, daß wir im Vergleich zuMaastricht I große Fortschritte zu verzeichnen haben.Ich danke Ihnen insoweit.

So ist mit der Einrichtung des Ausschusses der Regio-nen, im übrigen ein zentrales Anliegen der Länder beiden Maastricht-I-Verhandlungen, erstmals auf europä-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2375

ischer Ebene ein Gremium institutionalisiert worden,das die regionale und kommunale Ebene vertritt undsie kontinuierlich am EU-Gesetzgebungsprozeß betei-ligt. Ich gebe zu, noch zu gering, da sind wir uns einig,das ist auch allgemeine Meinung natürlich im Aus-schuß der Regionen. Ich komme damit auf den Punktzwar bisher natürlich leider nur beratend, aber immer-hin ist dies für viele Regionalvertreter, die überwie-gend aus zentralstaatlich organisierten EU-Ländernkommen, Herr Dr. Dr. Dietz, Sie haben zu Recht dar-auf hingewiesen, Frankreich, Großbritannien zum Bei-spiel, ein wichtiger Schritt, am Informations- und Ent-scheidungsprozeß in EU-Angelegenheiten teilzuhaben.Über diesen Bereich können diese Regionen an den eu-ropäischen Verhandlungen, an den europäischen Ent-scheidungen teilhaben. Aus meinen Erfahrungen alsMitglied des Ausschusses der Regionen weiß ich, wiewichtig es ist, das interregionale Gespräch zu suchen.Wir hören ja nicht nur, wir reden ja auch und insbe-sondere auch miteinander. Erfahrungen werden dortausgetauscht und gemeinsame Projekte werden inGang gesetzt, gemeinsame Projekte im gemeinsameneuropäischen Haus. Wir in Thüringen haben dies ge-rade auch in unseren Kooperationen mit der Picardieund mit Essex immer wieder erfahren, wie ich zuletztgemeinsam mit dem Ministerpräsidenten bei unseremBesuch in der Grafschaft in der vorigen Woche auchwieder feststellen und vertiefen konnten. Zu den erstenErfolgen der institutionalisierten interregionalen Zu-sammenarbeit gehört auch die Entschließung des Aus-schusses der Regionen zur Regierungskonferenz. Hierist es sehr frühzeitig gelungen, Reformvorschläge fürdie Regierungskonferenz 1996 zu verabschieden, die inweiten Teilen mit den Vorstellungen der deutschenLänder deckungsgleich sind. Erst kürzlich hat der Prä-sident des Ausschusses der Regionen, Jacques Blanc,anläßlich seiner Rede vor dem Bundesrat nochmalsausdrücklich für diese politische Unterstützung durchdie Bundesländer gedankt. In der Zusammenarbeit imAusschuß der Regionen entwickeln sich mehr undmehr transregionale Dialogstrukturen, die unterhalb derzentralstaatlichen Ebene ein wichtiges Bindeglied zwi-schen den Regionen und Kommunen Europas sind. DieStärkung dieser Bindungen benötigen wir gerade imHinblick auf die geplante Osterweiterung der Euro-päischen Union in besonderer Weise. Je größer die Eu-ropäische Union wird, desto stärker muß sie sich aufzentrale Aufgaben konzentrieren und desto mehr mußsie die konkrete Umsetzung des Vorhabens in die Ver-antwortung der regionalen Ebene legen bzw. sie dortbelassen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Brüssel darf nicht zu weit von uns weg sein. Die Ver-waltung findet hier statt. Der Bürger lebt hier. Dies istaber zugleich auch die große Chance, Bürgernähe und

Akzeptanz der Europäischen Union zu stärken. Es gilt,die föderalen Prinzipien in Europa zu stärken und dafürzu werben. Insoweit muß ich insbesondere Ihnen, HerrDr. Dr. Dietz, und Ihnen, Herr Weyh, für Ihre Ausfüh-rungen danken.

Nun ein Wort zu Ihnen, Herr Abgeordneter Harrer. Siebetreiben in unverantwortlicher Weise Angst- undPanikmache. Die Osterweiterung ist für uns - und ge-rade für uns in Thüringen - eine einmalige Chance, hierArbeitsplätze zu schaffen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Ihre Behauptungen, daß dadurch der Agrarmarkt not-leidend würde, ist völlig absurd. Alle Besprechungen...

(Zwischenruf Abg. Harrer, PDS: ... Kommis-sion ...)

Machen Sie sich doch erst wissend und dann reden Sie.

(Beifall bei der CDU, SPD)

In allen Besprechungen, in allen Diskussionen warimmer, insbesondere auch mit Polen, ein zentralesThema, daß nur dann ein gemeinsamer Agrarmarkt mitdiesen Ländern, die beitrittswillig sind, möglich ist,wenn das auch für uns akzeptabel ist. Es findet alsonicht so statt, daß von heute auf morgen der Beitritt er-folgt. Es wird so sein, daß je nach Sparte, verträglichfür die gesamte Europäische Union, der Beitritt statt-findet - in Scheiben, wenn Sie so wollen. Es wird auchvon diesen Ländern gar nicht gefordert, daß sie vonheute auf morgen mit ihren billigen Agrarproduktenunser Land oder die Europäische Union, die Union der15, überschwemmen werden.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Au-ßerdem brauchen sie es selbst.)

Die beitrittswilligen Länder sind intelligent genug ein-zusehen, daß sie damit natürlich keinen Zugang zurEuropäischen Union finden würden. Ich bitte Sie, HerrHarrer, sich da erst wissend zu machen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Minister, der Abgeordnete Harrer hat trotzdem ei-ne Frage. Würden Sie die beantworten?

Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten:

Ich bin gern bereit, ihm zu antworten, ihn zu belehren.

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Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Harrer, PDS:

Nur wegen dem Wissen, Herr Minister, sind Ihnendenn die Gutachten der Europäischen Kommission zurOsterweiterung bekannt und auch das Gutachten vomAgrarpolitischen ...

(Zuruf Abg. Kallenbach, CDU: Kommissar.)

Kommissar. Genau. Vielen Dank, Herr Kallenbach.Diese zwei Gutachten können Sie vielleicht auch hierdem Thüringer Landtag mitteilen und nicht so tun, alswürde ich Panik verbreiten.

Kretschmer, Minister für Justiz undEuropaangelegenheiten:

Herr Harrer, Sie haben diese Gutachten offenkundig alsEmpfehlungen verstanden. In diesen Gutachten wirdauf die Problematik und die Auswirkungen hingewie-sen. Ja, Herr Harrer, das heißt doch nicht, daß es um-gesetzt wird, sondern ganz im Gegenteil, das ist dochdie Argumentationshilfe dafür, daß es insoweit nichtden gemeinsamen Markt geben kann. Ich möchte an-nehmen, Herr Harrer, daß Sie diesen Schritt nachvoll-ziehen können. Tut mir leid. Ich darf in meiner Redefortfahren.

Auch innerstaatlich hat sich seit der Ratifizierung desMaastricht-Vertrags viel getan, wie ich meine, in-nerstaatlich hier bei uns in Deutschland. Im Gegensatzzur Situation vor und bei den Maastricht-I-Verhand-lungen ist die Ländermitwirkung in europäischen An-gelegenheiten jetzt auch im Grundgesetz verbürgt. Ge-mäß Artikel 23 des Grundgesetzes wirken die Länderin allen europäischen Angelegenheiten mit. Diese Mit-wirkung erfolgt durch den Bundesrat. Die Länderregie-rung hat sich entsprechend dieser Mitwirkungsrechtesowohl im Rahmen der Fachministerkonferenzen alsauch im Bundesrat selbst bereits mehrfach mit der Re-gierungskonferenz 1996 befaßt und zuletzt im Dezem-ber 1995 einen Forderungskatalog zu dieser Konferenzmit verabschiedet. Auf den Bundesratsbeschluß vomMärz wird im vorliegenden Antrag der Landtagsfrak-tionen von SPD und CDU ausdrücklich Bezug genom-men. Dabei ist eine weitgehende Übereinstimmungzwischen dem Antrag und dem Bundesratsbeschlußfestzustellen. Dies gilt sowohl hinsichtlich der Bewer-tung des europäischen Kontextes als auch einzelnerReformforderungen. Ich nenne hier nur beispielhaft dieForderung nach Stärkung föderaler Prinzipien in derEuropäischen Union, wie Sie, sehr geehrte Herren Ab-geordnete Dr. Dr. Dietz und Weyh, zu Recht hervorge-

hoben haben. Verbesserte Durchsetzung des Subsidiari-tätsprinzips, der Forderung nach Schaffung transparenterund vereinfachter Entscheidungsverfahren usw. Über-einstimmung herrscht auch im Blick auf die Stärkung derRolle des Ausschusses der Regionen oder etwa auch derStärkung der Rolle des Europäischen Parlaments. Dastimmen wir völlig überein. Auch mit Ihnen, HerrHarrer, denn auch Sie wollen die Stärkung des Euro-päischen Parlaments.

Gestatten Sie mir jedoch noch zwei ergänzende Hinweise:Hinsichtlich der Forderung nach besserer Durchsetzungdes Subsidiaritätsprinzips hat sowohl der Bundesrat alsauch der Ausschuß der Regionen bereits eine über-einstimmende Formulierung vorgeschlagen. Diese zieltdarauf ab, neben der auch im Antrag unter Nr. 2erwähnten Streichung der sogenannten Besserklausel,Sie haben es mit der Kompetenzkompetenz um-schrieben, Herr Dr. Dr. Dietz, bei der Anwendung desSubsidiaritätsprinzips nicht nur die Ebene der Mit-gliedsstaaten, sondern auch die der regionalen und lo-kalen Gebietskörperschaften, so diese innerstaatlich zu-ständig sind, zu berücksichtigen. Diese Formulierunghat aus meiner Sicht den zusätzlichen Vorteil, daß inZukunft die Subsidiaritätsprüfung nicht ausschließlichauf die zentralstaatliche Ebene und deren Fähigkeitenabstellt, Maßnahmen umzusetzen, sondern ebenfallsdie regionale Ebene mit berücksichtigt. Dies dürfte vorallem den Regionen in Mitgliedsstaaten mit wenigergegliedertem System, wie z.B. Frankreich, Großbritan-nien, helfen, sich einzuschalten, beispielsweise bei derUmsetzung der Europäischen Strukturfonds, hinsicht-lich der in Nr. 6 erhobenen Forderungen, die Mitglie-der des Ausschusses der Region durch die Parlamentezu wählen, was ich begrüße. Wählbarkeit und Pflichtzur Wahl durch die Parlamente möchte ich nur amRande erwähnen, daß dieses selbstverständlich nur fürdie Vertreter der regionalen Ebene und nicht für diedrei kommunalen Ebenen, vor allem die AdR-Sitze,gelten kann. Damit will ich es mit meinen An-merkungen im wesentlichen bewendet sein lassen.

Eine Bemerkung noch zu Ihnen, Herr AbgeordneterHarrer. Ich muß leider feststellen, daß Sie nur wenigverstanden haben hinsichtlich der Osterweiterung. Ichhabe es schon angesprochen. Ich halte das für absolutneben der Sache liegend.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Hater das Wissen?)

Ich halte es sogar für Brunnenvergiftung. Sie machenAngst.

(Beifall Abg. Frau Vopel, CDU)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2377

Es gibt noch einen weiteren Punkt. Da muß ich Ihnenwirklich aufs Entschiedenste widersprechen und dahin-ter vermuten, daß es nicht nur Unvermögen ist, was Siehier vortragen.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Ge-nauso ist es.)

Es geht um die Europäische Währungsunion. Da wirdnun landauf, landab Angst gemacht, und Sie unterstüt-zen noch dieses Angstschüren.

(Zwischenruf Abg. Harrer, PDS: Die SPD inBonn macht das.)

(Beifall bei der CDU)

Es ist in dem Maastricht-I-Vertrag genau und präzisefestgelegt worden, daß der EURO kommt. Da gibt eskeine Nachverhandlung und nichts. Das ist bindendesRecht. Da haben 15 Nationen übereinstimmend gesagt,wie es abläuft. Da kann nicht eine Nation rausspringen.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: 12 Natio-nen.)

Damals noch 12, heute sind es 15. Dieser Vertrag kannnur mit 15 Stimmen übereinstimmend abgeändert wer-den. Herr Harrer, wären Sie im Dezember, als wir hierdie Informationsveranstaltung in diesem Raum durch-geführt haben, anwesend gewesen, hätten Sie es nocheinmal von allen Beteiligten hören können.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Richtig.)

Also, es ist eine völlig unnötige und neben der Sacheliegende Diskussion. Es geht allenfalls um den Krite-rienkatalog.

Aus meinen Ausführungen ist, so meine ich, deutlichgeworden, daß die Landesregierung die im vorliegen-den Antrag enthaltenen Reformforderungen für die Re-gierungskonferenz 1996 nachdrücklich unterstützt. Ichmöchte, auf meine Eingangsbemerkungen zurückkom-mend, auch anmerken, daß allein schon die heutigeLandtagsbefassung verdeutlicht, wie stark das Interesseam europäischen Geschehen seither gestiegen ist.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Zur Zeit der ersten Maastricht-Verhandlungen wäre ei-ne solche Befassung noch recht ungewöhnlich gewe-sen, obwohl es diesen Landtag hier in Thüringen schongab.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Richtig.)

Daß dies heute der Fall ist, zeigt aber auch, daß aus denVersäumnissen der Maastricht-I-Verhandlungen die richti-gen Konsequenzen gezogen worden sind. Auch ausdiesem Grunde begrüße ich es, daß der Landtag diesesThema auf die heutige Tagesordnung gesetzt hat. In derSache selbst, ich habe bereits darauf hingewiesen, sinddie Anliegen des Antrags im genannten Bundesrats-beschluß enthalten und damit gegenüber der Bundes-regierung gemäß dem innerstaatlichen Mitwirkungs-verfahren zum Ausdruck gebracht worden. Die Bun-desregierung ist gehalten, diese Länderforderungen beider Festlegung ihrer Verhandlungsposition zu berück-sichtigen.

(Beifall bei der CDU)

Es darf dabei allerdings nicht vergessen werden, daßdie Bundesregierung, auch wenn sie sich die Länder-forderung zu eigen macht, natürlich nur einer von ins-gesamt 15 Verhandlungspartnern ist.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Ein wichti-ger.)

Ein wichtiger. Beschlüsse über Vertragsänderungen müs-sen einstimmig getroffen werden, was wir alle wissen,und so benötigt jeder Reformwunsch die Zustimmungaller europäischen Mitglieder. Daß dies nicht einfachwerden wird, zeigen die Ergebnisse der sogenanntenReflektionsgruppe. Wer sich mit dem Papier der Re-flektionsgruppe beschäftigt hat, weiß, wie weich mandort formuliert hat und wie wenig regionenfreundlichunter dem Vorsitz des spanischen Außenministers We-stendorp die Formulierungen sind. Sie wissen ja, mei-ne Damen und Herren, die Bundesrepublik ist praktischder einzige Staat, der echte Regionen hat mit echterparlamentarischer Vertretung,

(Zwischenruf Abg. Frau Jähnke, SPD: KeineRegiönchen.)

keine Quasi-Regionen. Es ist ähnlich noch in Öster-reich und mit ganz anderen politischen Gewichtungenin Belgien. Das sind die drei Staaten von 15, die ver-gleichbare Regionen haben.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: InItalien ansatzweise.)

Ansatzweise in Italien, ansatzweise in England dieGrafschaften, und mit ganz geringen Ansätzen ver-suchsweise in Frankreich. Das als kleinen Ausflug.

Eine Neufassung des Subsidiaritätsprinzips etwa oderaber die Einführung eines Kompetenzkatalogs trifft auferhebliche Vorbehalte bei den übrigen Mitgliedsstaa-ten, wie Ihnen geläufig ist. Aber wir wollen dicke Bret-

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ter bohren, und dafür brauchen wir Zeit, und dafür wol-len wir uns einsetzen. Welche Richtung der Reform-kurs der Europäischen Union nimmt, werden wir erst inden Verhandlungen feststellen, werden die Verhand-lungen zeigen. Sie beginnen am 29. März in Turin. DieLänder werden entsprechend der geltenden Rechtslagedurch eigene Beobachter bei der Regierungskonferenzvertreten sein. Zwei Ländervertreter, nämlich aus Bay-ern und Rheinland-Pfalz, sind durch den Bundesrat be-reits benannt worden. Die Bundesregierung hat anläß-lich der letzten Europaministerkonferenz im Januar ei-ne weitgehende und umfassende Beteiligung der Län-dervertreter bei der Regierungskonferenz zugesichert.Damit sind Voraussetzungen für eine umfassende Län-derbeteiligung an der Regierungskonferenz geschaffen.Um flexibel auf den jeweils aktuellen Verhandlungs-stand eingehen zu können, hat sich der Bundesrat vor-genommen, zu gegebener Zeit und im Licht der Ver-handlungen auf europäischer Ebene erneut Stellung zunehmen. Die Landesregierung, und das sage ich Ihnenbereits hier zu, wird den Landtag selbstverständlichüber diese Entwicklungen fortlaufend unterrichten.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Und hier darf ich noch anmerken: Wir haben bereits imVorfeld, nämlich im Dezember 1995, eine entspre-chende Informationsveranstaltung hier im Gebäudedurchgeführt. Wir haben da schon vereinbart, daß wirdas in Zukunft fortsetzen werden. Die nächste Veran-staltung gleicher Art wird zur Europäischen Wäh-rungsunion durchgeführt, was Sie bereits, Herr Abge-ordneter Dr. Dr. Dietz, zu Recht notiert haben.

Lassen Sie mich aber noch einmal zu dem Alternativ-antrag der PDS-Fraktion eine Anmerkung machen. Esist keine Alternative, die von der SPD, von der PDS.

(Heiterkeit bei der PDS)

Ich wollte Ihnen Gelegenheit geben zu lachen. FrauThierbach, ohne Vornamen, ich gebe Ihnen Gelegen-heit zu lachen.

(Zwischenruf Abg. Frau Thierbach, PDS:Freut mich.)

Es ist keine echte Alternative, sondern es ist eine Er-gänzung, und zwar eine Ergänzung durch Abschreibender Bundesratsentschließung. Ich meine, daß diese Ge-sichtspunkte, die dort aufgezeigt sind, zwangsnotwen-dig bereits in den Verhandlungen im Ausschuß natür-lich thematisiert werden. Herr Harrer, Sie sind ja auchim Ausschuß, und da werden wir diese Themen natür-lich ansprechen müssen. Ihr Antrag, Alternativantraggenannt, schadet also nicht, er hilft aber auch nicht. Ichbedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Herr Minister, erlauben Sie mir bittenoch eine Bemerkung. Es ist lediglich das Privileg, einThüringer Minister der Landesregierung zu sein, dasSie für die Benutzung des Terminus "Brunnenvergif-tung" gegen einen freigewählten Abgeordneten vor ei-nem Ordnungsruf bewahrt hat. Danke schön.

(Beifall Abg. Frau Dr. Fischer, PDS)

Wir schließen die Aussprache und kommen zur Ab-stimmung über die beiden Anträge. Es war für beideAnträge die Überweisung an den Justiz- und Europa-ausschuß beantragt. Ich frage Sie also, wer der Über-weisung des Antrags der Fraktionen der CDU und derSPD in - Drucksache 2/889 - an den Justiz- und Euro-paausschuß zustimmt, den bitte ich um das Handzei-chen. Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Stimment-haltungen? Auch keine. Damit ist dieser Antrag an denAusschuß überwiesen. Ich frage Sie ebenso, wer derÜberweisung des Antrags der PDS in - Drucksache2/918 - an den Ausschuß für Justiz- und Europaangele-genheiten zustimmt, den bitte ich jetzt um das Hand-zeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Stimm-enthaltungen? 1 Enthaltung. Danke. Damit sind die beidenAnträge an den Justiz- und Europaausschuß überwiesen.

Wir kommen nach den Forderungen der Geschäftsord-nung zum Tagesordnungspunkt 12

Fragestunde

und nehmen einen Wechsel in der Sitzungsleitung vor.Vielleicht können wir aber den Tagesordnungspunktdann schon beginnen. Wir würden beginnen mit derMündlichen Anfrage in - Drucksache 2/839 -, einerAnfrage der Frau Abgeordneten Dr. Klaus. Bitte, FrauAbgeordnete.

Abgeordnete Frau Dr. Klaus, SPD:

Nachförderung von Wasserversorgungs- und Abwasseran-lagen

Der Landeshaushalt 1996 weist im Einzelplan 17 Kapi-tel 32 Titel 883 03 Investitionszuschüsse für Wasser-versorgungs- und Abwasseranlagen aus.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregie-rung:

1. Welche Gründe gibt es dafür, daß die im Haushaltangekündigte Richtlinie zur Nachförderung von Was-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2379

serversorgungs- und Abwasseranlagen noch nicht ver-öffentlicht wurde?

2. Wie viele Anträge auf Nachförderung in welchemfinanziellen Umfang liegen der Landesregierung zumheutigen Zeitpunkt vor?

3. Wann wird die zur Umsetzung der Richtlinie erfor-derliche Arbeitsgruppe ihre Tätigkeit aufnehmen?

4. Zu welchem Prozentsatz der beitragsfähigen kom-munalen Investitionen werden die Anlagen, für die ei-ne Nachförderung möglich ist, im Höchtsfalle nachge-fördert?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Sklenar bitte.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren Abgeordneten, werte Frau Dr. Klaus,die Anfrage beantworte ich im Namen der Landesre-gierung wie folgt:

Zu Frage 1: Die mit der Verabschiedung des Haus-haltsgesetzes am 08.12.1995 vom Thüringer Landtagbeschlossene Anpassung von Fördersätzen für ausge-wählte vor 1995 geförderte wasserwirtschaftliche Maß-nahmen umfaßt in den Programmjahren 1996 bis 1999ein Volumen von 200 Mio. DM. Die Vergabe einesderart hohen Betrags an öffentlichen Mitteln erfordertdie gebotene Sorgfalt und die umfassende Beachtungdes geltenden Haushaltsrechts. Zur Zeit wird in diesemSinn mit Nachdruck am Entwurf der Richtlinie für dieAnpassung der Fördersätze gearbeitet. Derzeit findendie erforderlichen Abstimmungen mit dem Finanzmini-sterium, dem Innenministerium, dem Rechnungshofund dem Gemeinde- und Städtebund statt. Bei zügigemVerlauf dieser Abstimmungen gehe ich davon aus, daßdie Veröffentlichung der Richtlinie zur Anpassung derFördersätze etwa Anfang April möglich sein wird.Dieser Termin ergibt sich dadurch, wie schon ausge-führt, daß zur Sicherung des ordnungsgemäßen Um-gangs mit öffentlichen Mitteln eine umfassende Prü-fung und breite Abstimmung erforderlich ist.

Zu Frage 2: Gegenwärtig liegen etwa 15 Anfragen zurNachförderung vor. Eine Aussage zum finanziellenUmfang der Nachförderung aus diesen Anfragen kannderzeit nicht getroffen werden. Mit Inkraftsetzung derRichtlinie ist die Förderwürdigkeit der in den Anfragengenannten Vorhaben zu prüfen. Diesen Aufgabenträ-gern wurde daher ein Zwischenbericht erteilt. Zur In-formation wurde an die wasserwirtschaftlichen Aufga-

benträger mit Datum 19. Januar 1996 ein Informations-brief versandt, der die bisher definierten Grundsätzeund Voraussetzungen landesweit bekanntgibt.

Zu Frage 3: Die Arbeitsgruppe hat die Arbeiten so-fort nach dem Kabinettsbeschluß vom 5. Dezember 1995begonnen, bis Ende Januar waren die Aufgaben mit demvorhandenen Personalstand sicherzustellen. Zum01.02.1996 wurden die eingerichteten Zeitstellen für dieBewilligungsbehörde und die Fachbehörden mit geeig-neten Mitarbeitern besetzt, die ausschließlich für dieseArbeiten und Aufgaben eingesetzt werden.

Zu Frage 4: Die Anpassung der Fördersätze erfolgteauf der Grundlage der Förderung des Jahres 1995, d.h.der Richtlinie vom 16.01.1995, die im StaatsanzeigerNr. 5/1995 veröffentlicht wurde. Nach dieser Richtliniesind in Abhängigkeit von den spezifischen Kosten dereinzelnen Vorhaben Fördersätze bis zu 75 Prozent derzuwendungsfähigen Kosten des kommunalen Anteilsmöglich. In begründeten Ausnahmefällen kann beiÜberschreitung bestimmter spezifischer Kosten einFördersatz bis zu 85 Prozent der zuwendungsfähigenKosten des kommunalen Anteils gewährt werden.

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Herr Abgeordneter Pohl. Eine Nachfrage? Eini-gen Sie sich. Gut.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Herr Minister, ist die von der Landesregierung be-schlossene Umsetzung von 60 Mio. DM EFRE-Mittelnaus dem Ministerium für Wirtschaft und Infrastrukturin das Haus Sklenar erfolgt, und wenn nein, welcheFolgen hat das im Wasser- und Abwasserbereich a) fürdie Höhe der neuen Zuschüsse und b) für die be-schlossene Nachfinanzierung?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Die 60 Mio. DM EFRE-Mittel, die im Wirtschaftsmi-nisterium stehen, stehen für uns bereit, wir können da-mit arbeiten.

Vizepräsident Friedrich:

Frau Dr. Klaus, bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Klaus, SPD:

Ich habe noch eine Nachfrage dazu. Herr Minister, Siesagten unter 4.: Die Fördersätze sind 75 Prozent, inAusnahmefällen 85 Prozent für die Nachförderung beidiesen eben von Herrn Pohl angesprochenen EFRE-

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Mitteln. Gehe ich da richtig in der Annahme, daß dader Höchstfördersatz bei 50 Prozent nur liegt? GlaubenSie nicht, daß das dann doch eine gewisse Benachteili-gung für die neu zu fördernden Anlagen wäre?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Frau Dr. Klaus, deswegen haben wir ja die Bewirt-schaftung in unserem Ressort, diese Mittel, um ebenauch andere Fördersätze zur Anwendung zu bringen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Noch eine zweite Frage, Frau Dr. Klaus? Bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Klaus, SPD:

Da muß ich gleich noch einmal nachfragen. Wenn dieEFRE-Mittel in Ihr Ressort übergehen zur Bewirtschaf-tung, ist es möglich, statt mit 50 Prozent dann auch mit75 oder 85 Prozent zu fördern, so wie es hier in derFörderrichtlinie steht?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Frau Dr. Klaus, das hängt doch einfach davon ab, wel-che Komplementärmittel ich dazu einsetze; und wenndas Wirtschaftsministerium andere Fördergrundsätzenhat, dann sind andere Fördergrundsätze letztendlichmaßgebend. Wir haben die Förderrichtlinie für denWasser-/Abwasserbereich - wie Sie ja wissen - in denletzten Jahren auf 75 bis maximal in Ausnahmefällen85 Prozent erhöht. Also muß ich dann letzten Endes inunserem Ministerium dafür Sorge tragen, daß wir dasdann auch in dieser Richtung so durchführen können.Deswegen war es ja so wichtig, daß wir die EFRE-Mittel zur Bewirtschaftung im Umweltministeriumdurchführen, damit nicht wieder eine ungleiche För-derung bei diesen Maßnahmen passiert.

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Herr Minister. Ich stelle damit die Beantwor-tung der Frage fest. Wir kommen zur nächsten Frage- Drucksache 2/841 -. Bitte, Herr Abgeordneter Lemke.

Abgeordneter Lemke, PDS:

Inanspruchnahme von Bundesmitteln für Straßenbau-investitionen in Thüringen

Durch den Freistaat Thüringen sind die vom Bund fürden Bau und Erhalt von Bundesstraßen und -autobah-

nen bereitgestellten Mittel 1993 und 1994 nicht voll-ständig in Anspruch genommen worden. So sind in denJahren 1993 9,8 Millionen Deutsche Mark und 199418,4 Millionen Deutsche Mark nicht abgerufen worden.Demgegenüber haben Sachsen-Anhalt, Sachsen, Meck-lenburg-Vorpommern und Brandenburg allein 1994 zu-sätzliche Mittel in Höhe von zusammen 104,9 MillionenDeutsche Mark in Anspruch genommen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Worin sieht sie die Ursachen für die unvollständigeInanspruchnahme der Mittel?

2. Welche Auswirkungen hat die Rückgabe der Mittelauf die geplante Reduzierung von Ausbau- und Erhal-tungsmaßnahmen von Bundesstraßen und -autobahnen?

3. Welche Schlußfolgerungen aus der ungenügendenMittelinanspruchnahme sind hinsichtlich der Schaffungdes notwendigen Vorbereitungsverlaufs für Bau- undErhaltungsmaßnahmen an Bundesstraßen und -auto-bahnen gezogen worden?

4. Wie viele Mittel wurden 1995 in Anspruch genom-men und welcher Anteil ist dies zur bereitgestelltenSumme laut Bundeshaushaltsplan?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Schuster, bitte.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, dieAnfrage von Herrn Lemke beantworte ich für die Lan-desregierung wie folgt: Zunächst einmal muß ich dar-auf hinweisen, daß es sich um Vorgänge aus den Haus-haltsjahren 1993 und 1994 handelt. Außerdem sind diegetroffenen Aussagen so nicht zutreffend. Richtig istvielmehr, daß zum Jahresbeginn der Freistaat für daslaufende Haushaltsjahr jeweils einen Kassenanschlagdurch das Bundesverkehrsministerium erhält. Demge-genüber laufen die Baumaßnahmen in der Regel übermehrere Haushaltsjahre. Durch Veränderungen desBauvorlaufes bzw. des Bauablaufes kommt es ständigauch zu Veränderungen des jeweiligen Finanzbedarfs.Durch das Bundesverkehrsministerium wird nicht we-gen jeder einzelnen kleinen Veränderung im Baupro-gramm auch gleich der Kassenanschlag des Landesverändert. Dies ist auch nicht erforderlich, da das Bun-desverkehrsministerium der Einzelmaßnahme zuge-stimmt hat und damit die Gesamtfinanzierung gesichertist, unabhängig vom jeweiligen Haushaltsjahr.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2381

Nun zur Frage 1: Die Ursachen lagen vor allem in derSchaffung des Baurechts, z.B. fehlender Grunderwerb,Widersprüche Dritter und im verspäteten Bauvorlaufdurch Dritte. Was nun den Ländervergleich anbelangt,da ist zu sagen, daß die verschiedenen Baumaßnahmenzu unterschiedlichen Zeitpunkten vom Bund gesichert,finanziert und geplant wurden, so daß diese Verände-rungen nichts damit zu tun haben, daß unterschiedlichschnell gehandelt wurde. Der Vergleich mit den Auto-bahnmaßnahmen in Mecklenburg-Vorpommern mit un-seren Autobahnmaßnahmen verbietet sich deshalb.Durch Probleme bei der Schaffung des Baurechtskonnten die einzelnen Baumaßnahmen natürlich nurentsprechend dieses Vorlaufs und gelegentlich nichtmehr voll abgerechnet werden. Dies hängt mit demPlanungsvorlauf zusammen. Hinzu kommt noch, daßdurch die damals gegebenen Witterungsbedingungen inden Monaten November/Dezember eine Umverteilungauf andere Baumaßnahmen nicht mehr möglich war.

Zu Frage 2: Auf die Finanzierung dieser begonnenenBaumaßnahmen hatte diese keine Auswirkungen. Siewurde lediglich in das Folgejahr verschoben.

Zu Frage 3: In den Planungsbereichen der Straßenbau-ämter und des Autobahnamtes erfolgte eine personelleVerstärkung, zum ersten. Zum zweiten wurden darüberhinaus die finanziellen Mittel für die Planung im Lan-deshaushalt von 101 Mio. DM in 1995 auf 122 Mio. DMin 1996 erhöht..

Zu Frage 4: Für 1995 wurden durch den Bund531,2 Mio. DM zur Verfügung gestellt. Diese Mittelwurden 100prozentig ausgegeben. Gegenüber dem Bun-desverkehrsministerium wurde erreicht, daß weitere31 Mio. DM dem Freistaat zugewiesen wurden, dieebenfalls voll abgeflossen sind, und dadurch die Jahre1993 und 1994 mehr als ausgeglichen haben.

Vizepräsident Friedrich:

Ja bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Lemke, PDS:

Herr Minister, da Sie die Echtheit der Zahlen für 1993und 1994 bezweifeln - die sind übrigens aus einem Be-richt von der Bundesregierung entnommen -, hätte ichvon Ihnen gern die richtigen Zahlen, die aus Ihrer Sichtrichtig sind.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Lemke, ich habe nicht die Zahlen bezweifelt,sondern darauf hingewiesen, daß es sich hier um Haus-haltsanschläge im jeweiligen Jahr handelt. Das ist

wichtig. Ich habe nicht die Größenordnung, sondernden Charakter der Zahl angesprochen.

Vizepräsident Friedrich:

Gibt es weitere Fragen? Das ist nicht der Fall. Danndanke ich für die Beantwortung der Frage. Wir kom-men zur nächsten - Drucksache 2/846 -, Herr Abgeord-neter Fiedler, bitte.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Polizeirevier Erfurt-Süd

Das Polizeirevier Erfurt-Süd befindet sich zur Zeit inder Charlottenstraße 5. Der Eingangs- und Wachbe-reich wurde bereits 1995 saniert. In diesem Jahr solldie Sanierung fortgesetzt werden. Insbesondere soll dasGebäude mit zeitgemäßen Haftzellen ausgestattet wer-den. Für die Sanierung sind 2,5 Mio. DM eingeplant.

Um die notwendige Baufreiheit zu gewährleisten, sol-len dem Vernehmen nach Teile des Reviers in die Jä-gerkaserne ausgelagert werden. Um die Arbeitsfähig-keit für die ausgelagerten Teile in der Jägerkaserneherzustellen, müßten die technischen Voraussetzungen(Fernmeldenetz, datentechnische Vernetzung) geschaf-fen und das gesamte Stromnetz saniert werden. DieKosten werden auf 120.000 bis 200.000 Deutsche Markgeschätzt. Außerdem müßte entweder die dort noch be-findliche Kohleheizung saniert oder sechs Heizer ein-geplant werden.

Für die Objektsicherung müßten sechs Beamte aus demoperativen Dienst abgezogen werden.

Nach der Sanierung in der Charlottenstraße ist geplant,das gesamte Revier wieder in der Charlottenstraße zuvereinigen bis die Jägerkaserne ihrerseits saniert ist,um dann das gesamte Revier in die Jägerkaserne zuverlegen. Die Nachnutzung in der Charlottenstraße solldurch die Rentenstelle der Thüringer Polizei erfolgen.

Ich frage die Landesregierung:

1. Inwieweit trifft dieser Sachverhalt zu?

2. Was ist mit dem sanierten Eingangsbereich und denzeitgemäßen Haftzellen geplant, wenn die Rentenstelleder Thüringer Polizei in die Charlottenstraße einzieht?

3. Was spricht dagegen, zuerst die Jägerkaserne zu sa-nieren und das Revier Süd direkt, komplett und endgül-tig in die Jägerkaserne einziehen zu lassen?

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2382 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Innenminister Dr. Dewes, bitte.

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren! Herr Abgeordneter Fiedler, ich beantworte IhreFragen wie folgt:

Zunächst, das Polizeirevier Süd ist in dem landeseige-nen Anwesen, Charlottenstraße 5, in Erfurt unterge-bracht. Das Objekt ist dringend sanierungsbedürftig.Die Liegenschaft ist für die dauernde Unterbringungeiner Dienststelle ungeeignet. Deshalb ist geplant, dasPolizeirevier Erfurt-Süd in einigen Jahren gemeinsammit der Verkehrspolizeiinspektion Erfurt in der Jäger-kaserne Christian-Kittel-Str. 2 unterzubringen. Vor ei-ner endgültigen Unterbringung sind jedoch noch sehraufwendige Neu-, Um- und Erweiterungsbaumaßnah-men notwendig. Der Bauantrag wird zwar in den näch-sten Tagen dem Thüringer Finanzministerium zugelei-tet, erfahrungsgemäß vergehen bis zur Bezugsfertigkeitjedoch noch ca. fünf Jahre. Bis zum endgültigen Um-zugstermin müssen deshalb weiterhin die Räumlichkei-ten des Standorts Charlottenstraße. 5 in Erfurt genutztwerden. Allerdings sind hier neben nutzungsunabhän-gigen substanzerhaltenden Maßnahmen in geringemUmfang auch polizeispezifische Baumaßnahmen drin-gend erforderlich, um vorhandenen Mißständen abzu-helfen. So bedarf die Polizei in der LandeshauptstadtErfurt dringend weiterer Verwahrräume, das heißt desPolizeigewahrsams. Bisher verfügt die Erfurter Polizeilediglich in Erfurt-Mitte über drei Gewahrsamsräume,zwei Einzelzellen und ein Sammelgewahrsam. In demMietobjekt für das Polizeirevier Erfurt-Nord sind über-haupt keine Verwahrräume vorhanden und können dortauch aus haushaltsrechtlichen Gründen nicht geschaf-fen werden. Deshalb kann auf die zusätzlich vorgese-henen drei Gewahrräume in der Charlottenstraße 5 inErfurt nicht verzichtet werden. Zudem ist der Ein-gangs-, Wach- und Dienstgruppenbereich zu sichern.Die für die polizeispezifischen Maßnahmen veran-schlagten Kosten liegen bei rund 295.000 DM gegen-über 4,84 Mio. DM Gesamtkosten. Mit dem Baubeginnwird nach Auskunft der Staatsbauverwaltung imIV. Quartal 1996 gerechnet. Die Bauzeit wird voraus-sichtlich 18 Monate betragen. Ob während der Bau-maßnahmen in der Charlottenstraße 5 Teile des Poli-zeireviers Erfurt-Süd behelfsmäßig in der Jägerkaserneuntergebracht werden können, wird zur Zeit geprüft.Sollte es zu einer vorübergehenden Nutzung kommen,für die keine baulichen Investitionen vorgesehen sind,stehen für die Bedienung der Kohleheizung genügendHeizer aus dem Bereich der Landespolizei zur Verfü-gung. An eine Objektsicherung, wie von Ihnen ange-sprochen, durch Polizeivollzugsbeamte ist nicht ge-

dacht, so daß ein Abzug insoweit auch nicht erforder-lich ist.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Abgeordneter Fiedler.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Herr Minister, hat Ihr Haus darüber nachgedacht, ggf.in Erfurt zentrale Haftzellen zu schaffen? Das gibt es jain vielen größeren Städten, daß man an einem Punkt,wo man weiß, daß das Gebäude und die Funktion fürPolizeizwecke bestehen bleiben, hier entsprechendeVerwahrräume in größerer Anzahl schafft oder Haft-zellen oder wie es auch immer dann genau definiertwird, daß das zentral passiert mit weniger Kosten-aufwand, mit weniger Bewachungspersonal. Ist darübernachgedacht, und wenn ja, hätte man das jetzt nichtmit einplanen können?

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Abgeordneter, grundsätzlich ist es so, daß Poli-zeidienststellen dieser Größenordnungen, die in der Ist-Stärke normalerweise besetzt sind mit ein oder zwei zu15/16, wie das in Erfurt der Fall ist, hier bestehtnormalerweise die Notwendigkeit, daß jede dieserDienststellen über einen Polizeigewahrsam verfügt. InNord ist das nicht möglich, ich habe darauf hin-gewiesen. Das Polizeirevier Erfurt-Mitte befindet sichgenauso wie Süd in einem baulich desolaten Zustand,in einem sehr desolaten Zustand, so daß dort zu-sätzliche Baumaßnahmen in diesem Zusammenhangnicht sinnvoll sind. Ich gehe davon aus, daß wir beimUmbau der Jägerkaserne die erforderlichen Maßnah-men treffen, um dort die entsprechenden Verwahr-räume in der Größenordnung zu schaffen, wie sie dannfür Erfurt benötigt werden.

Vizepräsident Friedrich:

Weitere Nachfragen? Das ist nicht der Fall. Danndanke ich für die Beantwortung dieser Frage. Wirkommen zur - Drucksache 2/850 -, Anfrage des Abge-ordneten Friedrich. Für diesen wird der AbgeordnetePohl die Anfrage vortragen.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Gründung einer Thüringer Tourismus GmbH

Das Thüringer Ministerium für Wirtschaft und Infra-struktur beabsichtigt nach vorliegenden Informationendie Gründung einer Tourismus GmbH für den Marke-tingbereich Thüringen.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2383

Ich frage die Landesregierung:

1. Welche Marketingaufgaben nimmt z.Z. das Thü-ringer Ministerium für Wirtschaft und Infrastruktur imTourismusbereich wahr?

2. Ist die Gründung einer Thüringer Tourismus GmbHgeplant, und wenn ja, wann und wer soll mit welchenAnteilen Gesellschafter sein?

3. Bedeutet die Gründung der GmbH, daß alle Marke-tingprozesse der Verbände und des Ministeriums in derGmbH zentralisiert werden?

4. Mit welchem Stammkapital sollte die GmbH ausge-stattet werden, und wie erfolgt deren weitere Finanzie-rung?

Vizepräsident Friedrich:

Herr Minister, bitte.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abge-ordnete, für die Landesregierung beantworte ich IhreFragen, Herr Präsident, wie folgt:

Zu Frage 1: Von besonderen Einzelaktionen abgesehenkann es nicht Aufgabe des Thüringer Ministeriums fürWirtschaft und Infrastruktur sein, ein Tourismusmarke-ting zu betreiben.

(Beifall Abg. Wetzel, CDU)

Ausnahmen davon bilden zur Zeit die Vermarktung derKlassikerstraße und die Veranstaltungen des "ThüringerHerbstes".

Zu Frage 2: Zur Zeit werden im Wirtschaftsministe-rium Überlegungen angestellt, wie die Werbewirkungfür den Thüringer Tourismus verstärkt und die Effekti-vität der für den Tourismus eingesetzten Mittel erhöhtwerden kann. Vorstellungen bezüglich der Geschäfts-felder der GmbH bestehen, sie sind jedoch zur Zeitnoch nicht detailliert ausformuliert. Ein wesentlichesZiel der Gründung dieser GmbH ist es jedoch, dieMarketingaktivitäten, die nach außen gerichtet sind, indieser GmbH zu konzentrieren bzw. zu steuern, um dievorhandenen Mittel optimal einsetzen zu können. Diesgilt vor allem für die Produktion von Werbemitteln,Anzeigenwerbung, Messeauftritten, Verkaufsveranstal-tungen im In- und Ausland. Darüber wurde mit denThüringer Fremdenverkehrsverbänden auch bereits ge-sprochen. Das Thüringer Wirtschaftsministerium hatsich mit dem Landesfremdenverkehrsverband darauf

geeinigt, daß die Bildung der GmbH in enger Abstim-mung mit den Verbänden erfolgen wird.

Zu Frage 3: Eine solche Marketinggesellschaft soll undkann die Aktivitäten der Verbände und der Tourismus-wirtschaft nicht ersetzen, sondern sollte sie in engerAbstimmung mit der Thüringer Fremdenverkehrswirt-schaft ergänzen.

(Beifall bei der CDU)

Zu Frage 4: Da die Überlegungen noch nicht abge-schlossen sind, kann noch keine Aussage über die Hö-he und Zusammensetzung des Stammkapitals gemachtwerden.

(Beifall Abg. Grüner, CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Nachfragen aus der Mitte des Hauses? HerrAbgeordneter Gerstenberger.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Minister Schuster, da die Fördergelder, die an dieFremdenverkehrsverbände gingen, doch zu einem nichtunbedeutenden Teil auch an die Marketingstrategien,die dort zu entwickeln waren, gebunden sind, heißt das,daß mit der Bildung dieser GmbH im Haushalt Verän-derungen zu erwarten sind bei der Bezuschussung die-ser Verbände?

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Sicher muß dann überlegt werden, wer für welche Auf-gaben zuständig ist und zum zweiten, wie die bisherbereitgestellten Mittel auf die Verbände einerseits unddie GmbH andererseits aufgeteilt werden.

Vizepräsident Friedrich:

Weitere Nachfragen? Danke. Dann stelle ich die Be-antwortung dieser Frage fest. Wir kommen zur näch-sten Frage - Drucksache 2/858 -. Wer spricht für HerrnScheringer? Ja, Frau Abgeordnete Beck trägt die Fragedes Herrn Abgeordneten Scheringer vor. Danke.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

Umwandlung der Bodenverwertungs- und -verwaltungsGmbH (BVVG)

Auf dem Hearing am 4. Dezember 1995 in Erfurt zumVerkehrsprojekt Deutsche Einheit - Straße Nr. 13 - A 38(Südharzautobahn) informierte die Bodenverwertungs-

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und -verwaltungs GmbH (BVVG), daß sie zum Ende desJahres 1995 in eine 100prozentige Tochter der Bundes-anstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BVS)überführt und in der Folgezeit in eine Eigentumsge-sellschaft umgewandelt wird. Dies wird offensichtlichunter Ausschaltung des Bundestags und Ausschluß derÖffentlichkeit vollzogen. Solange die Treuhandanstaltbzw. deren Nachfolgegesellschaften noch dem Bundes-finanzministerium unterstanden, waren zur Untersuchungder Folgen der Tätigkeit der Treuhandanstalt wenigstensnoch Untersuchungsausschüsse möglich. Auch waren vorbestimmten Maßnahmen noch verbindliche Rücksprachenoder Zustimmungen der Länderregierungen notwendig.Dieses “Risiko” wird nun, bezüglich der BVVG, durchderen Umwandlung beseitigt.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie wertet die Landesregierung die Tatsache, daßder nach dem Entschädigungs- und Ausgleichslei-stungsgesetz vorgesehene Beirat, dem auch Vertreterdes Landes angehören sollen/können, bei Verpachtun-gen oder Verkauf von Boden lediglich Empfehlungengeben kann - die BVVG in ihren Entscheidungen abernicht daran gebunden ist?

2. Wie beurteilt die Landesregierung die Tatsache, daßnunmehr die BVVG die Bodenverwertung fast aus-schließlich zugunsten des Meistbietenden betreibenkann, ohne auf die Erfordernisse der Arbeitsmarkt-,Agrarstruktur-, Regional- oder Umweltpolitik Rück-sicht nehmen zu müssen?

3. Wie gedenkt die Landesregierung Interessen Thü-ringer Bürger und Agrarbetriebe zu schützen und denbisherigen langjährigen Nutzern bevorzugt zu dem vonihnen bewirtschafteten Land zu verhelfen?

4. Wie will die Landesregierung diese Betriebe för-dern, die trotz relativ niedriger Bodenpreise das für denBodenerwerb notwendige Kapital nicht allein aufbrin-gen können?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Dr. Sklenar bitte.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren Abgeordneten, werter Herr Abge-ordneter Scheringer, er ist leider nicht da, im Namender Landesregierung beantworte ich die MündlicheAnfrage wie folgt: In die Planung zur Umgestaltungder BVVG von einer Managementgesellschaft zu einerBesitzgesellschaft waren sowohl der Haushaltsaus-

schuß des Deutschen Bundestags als auch die Gremiender BVS von der Erarbeitung eines Konzepts bis zurRealisierung des Projekts einbezogen. So hat beispiels-weise der Bundesminister der Finanzen am 29. Novem-ber 1995 einen Bericht zur Konzentration der Verwertungund Verwaltung des land- und forstwirtschaftlich ge-nutzten Vermögens der BVS in der BVVG, Bodenver-wertungs- und -verwaltungs GmbH, erstattet, der mehr-fach Gegenstand der Erörterung der zuständigen Ar-beitsgruppe "Aufbau Ost" des Haushaltsausschusseswar. In seiner Sitzung am 07.02.1996 hat der Haus-haltsausschuß des Deutschen Bundestags beschlossen,dem Konzept zuzustimmen. Damit sind die Voraus-setzungen für eine Übertragung von Aufgaben zum01.03.1996 und des Grund- und Anteilvermögens ausdem Bereich der Land- und Forstwirtschaft zum01.04.1996 erfüllt. Selbstverständlich waren auch dieGremien der BVS zu jedem Zeitpunkt über den Standdes Projekts informiert. Der Verwaltungsrat der BVShat am 13.12.1995 das Projekt eingehend erörtert unddie notwendigen Beschlüsse zur Umsetzung des Kon-zepts gefaßt. Vor diesem Hintergrund geht die Vermu-tung fehl, das BVVG-Projekt sei offensichtlich unterAusschluß des Bundestags und der Öffentlichkeit voll-zogen worden.

Zu Frage 1: Im Flächenerwerbsprogramm übernimmt dieBVVG als Privatisierungsstelle die praktische Durch-führung des Verkaufs. Entsprechend § 4 Abs. 1 und 2 desAusgleichsgesetzes werden bei der Privatisierungsstellefünf Beiräte gebildet, für jedes junge Bundesland einBeirat. Die BVVG als Privatisierungsstelle prüft, obund in welchem Umfang ein Bewerber zum Flächen-kauf berechtigt ist. Sie holt dazu auch eine Stellung-nahme der zuständigen Landesbehörde ein. Bei Kon-kurrenz mehrerer Bewerber um den Erwerb derselbenland- und/oder forstwirtschaftlichen Flächen könnendie Interessenten, die nicht berücksichtigt werden, dieBeiräte binnen Monatsfrist anrufen. Die Beiräte treffenjedoch keine Entscheidung, sondern sprechen Empfeh-lungen aus. An diese ist die Privatisierungsstelle, diezu entscheiden hat, nicht gebunden, muß jedochetwaige Abweichungen begründen. Ein ähnliches Ver-fahren hatten wir auch schon bei der Verpachtung desTreuhandbodens in der Vergangenheit in Thüringen.Der Eigentümer entscheidet beim Verkauf und bei derVerpachtung. Bei der Verpachtung der ehemaligenvolkseigenen Fläche in den vergangenen Jahren hat dieBVVG nur in einem von über 1.000 Fällen die Emp-fehlung der Pachtkommission des Landes nicht vollzo-gen. Beim Verkauf nach Flächenerwerbsverordnung siehtdie Landesregierung diesbezüglich keine Probleme.

Zu Frage 2: Die BVVG kann nicht an die Meistbieten-den verkaufen. Im EALG und in der Flächenerwerbs-verordnung ist geregelt, wer als Berechtigter antragsbe-rechtigt ist, in welchem Umfang und zu welchen Kon-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2385

ditionen verkauft wird und daß bis zum Abschluß desFlächenerwerbs an Nichtberechtigte zu landwirtschaft-lichen Zwecken nicht verkauft werden darf. SowohlPächter als auch Alteigentümer ohne einen Pachtver-trag sind berechtigt, in den neuen Bundesländern land-wirtschaftliche Flächen vergünstigt zu erwerben. Grund-voraussetzung für den Erwerb der Pächter ist, daß am1. Oktober 1996 ein langfristiger, mindestens sechsjäh-riger Pachtvertrag über Treuhandflächen besteht. DiePächter müssen folgenden Gruppen angehören: Wie-dereinrichter, Neueinrichter, juristische Personen, Ge-sellschafter von berechtigten Personen, Alteigentümer,die keinen Pachtvertrag haben. Ein Pächter kann vonden gepachteten Treuhandflächen bis zu 600.000 Er-tragsmeßzahlen erwerben. Bei 50 Bodenpunkten sinddas 120 ha. Er kann jedoch nur bis zu einem Eigen-tumsanteil von 50 Prozent der von ihm bewirtschafte-ten Flächen erwerben. Ein Alteigentümer ohne Pacht-antrag kann landwirtschaftliche Flächen, soweit ihmsolche entzogen wurden, bis zum halben Betrag derihm zustehenden Ausgleichsleistung erwerben, höch-stens jedoch bis zu 300.000 Ertragsmeßzahlen, und dassind gleich 60 ha.

Zu Frage 3: Die Landesregierung hat erreicht, daß imEALG und der Flächenerwerbsverordnung die Interes-sen Thüringer Bürger und Agrarbetriebe geschützt wer-den und die bisherigen langjährigen Nutzer die von ih-nen bewirtschafteten Flächen erwerben können. Er-werbsberechtigt sind vorrangig die Pächter. Erwirbt einnicht selbst bewirtschaftender früherer Eigentümerlandwirtschaftliche Flächen, ist er verpflichtet, in diebestehenden Pachtverträge einzutreten und sie auf 18Jahre zu verlängern.

Zu Frage 4: Das für den Bodenerwerb notwendige Ka-pital müssen die landwirtschaftlichen Betriebe selbstaufbringen. Die Landesregierung ist nicht in der Lage,private Eigentumsbildung öffentlich zu finanzieren.Die Kaufpreise nach EALG sind ohnehin begünstigtund betragen ca. ein Drittel des marktüblichen Preises.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall.Dann stelle ich die Beantwortung dieser Frage fest.Wir kommen zur nächsten Anfrage - Drucksache2/862 -. Frau Abgeordnete Arenhövel bitte.

Abgeordnete Frau Arenhövel, CDU:

Zukunft der Plattenbauten in Thüringen

Die meist in den 70er und 80er Jahren errichteten Plat-tenbauten prägen das Gesicht vieler Städte und Ge-meinden Thüringens. Da diese Wohngebiete als reineSchlafstädte geplant waren und oftmals auf der grünen

Wiese gebaut wurden, fehlt ihnen die gewachseneStruktur. Monotone und mangelhafte Ausführung derGebäude und eine Infrastruktur, die den heutigen Be-dürfnissen und Erfordernissen nicht mehr gerecht wird,sind die Hauptprobleme der Wohngebiete. Dennochleben rund 30 Prozent der Thüringer im Plattenbau. ImGegensatz zu der funktionalen Monostruktur ist die so-ziale Durchmischung der Bewohner im Moment nochpositiv zu bewerten, doch die Tendenz zum Wegzug isterkennbar.

Durch den Einsatz von Fördermitteln bei der Sanierungihrer Wohnungen verbesserte sich für viele Bewohnerdie Lebensqualität erheblich. Doch reicht dies offen-sichtlich nicht aus, um die Akzeptanz in der Bevölke-rung zu erhöhen. Deshalb sollte jetzt auch die Neu-und Umgestaltung des Wohnumfeldes zügig vorange-trieben werden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Mit welchem finanziellen Aufwand wurden in Thü-ringen seit 3. Oktober 1990 Wohnungen in Plattenbau-ten modernisiert?

2. Wie werden die Erfahrungen, die in den letzten Jah-ren gesammelt wurden, bei den jetzigen und zukünfti-gen Modernisierungen genutzt?

3. Wie wird die Sanierung der Plattenbaugebiete zwi-schen dem Land, den Kommunen und den Wohnungs-gesellschaften, die Fördergelder erhalten, abgestimmt?

4. Welche Konzepte der Neu- und Umgestaltung desWohnumfeldes der Plattenbauten gibt es in Thüringen?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Schuster bitte.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, na-mens der Landesregierung beantworte ich die Fragenvon Frau Arenhövel wie folgt:

Die Landesregierung ist von einem Instandsetzungs-rückstau von 60 Mrd. DM ausgegangen. Der Woh-nungsbestand in Thüringen wies 1990 erschreckendeQualitätsmängel auf, die Sie alle im einzelnen kennenund beschrieben haben. Die Wärmedämmung der Ge-bäude war z.B. so mangelhaft, daß Heiz- und Warmwas-serkosten von mehr als 3 DM pro Quadratmeter Wohn-fläche im Monat keine Seltenheit waren. Rechnet man dieKfW-Mittel mit ein, so wurden für die Wohnungsmoder-nisierung in Thüringen seit 1990 9,75 Mrd. DM Förder-

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mittel zur Verfügung gestellt. Ca. 475.000 nennenswer-te Modernisierungen konnten gefördert werden, hiervonallein knapp 140.000 Modernisierungsmaßnahmen mit1,1 Mrd. DM Landesmitteln. Allein im Bereich desVerbandes der Thüringer Wohnungswirtschaft dürften5,5 Mrd. DM in ca. 200.000 Wohnungen investiertworden sein. Die Landesregierung schätzt, daß allein inden Bestand der Plattenbauwohnungen ca. 4,4 Mrd. DMgeflossen sind, mit denen ca. 130.000 Plattenbauwoh-nungen erreicht wurden. Allein aus dem Sonderprogrammder KfW für Plattenbauten wurden 1,65 Mrd. DM für53.600 Wohnungen zur Verfügung gestellt.

Zu Fragen 3 und 4: Die Erfahrungen der letzten Jahreerfordern einen effizienteren Einsatz der Fördermittelund eine bessere Wohnumfeldgestaltung. Die Woh-nungsbaugesellschaften und -genossenschaften habendie durchgeführten Sanierungsmaßnahmen laufend aus-gewertet und Schlußfolgerungen für weitere Sanierun-gen gezogen. Der technische Ablauf der einzelnenBaumaßnahmen wurde optimiert und die Bauzeit er-heblich verkürzt. Die bei der Förderung gesammeltenErfahrungen werden dem Bauherren im Rahmen derBewilligungsverfahren mitgeteilt, um hinsichtlich derBauausführung, der Preise und Qualität günstige Lö-sungen zu finden. Auch durch den VTW werden lau-fend sanierte Plattenbaustandarde vorgestellt und vonVertretern der Wohnungsbaugesellschaften und -genos-senschaften diskutiert. Hinsichtlich des Bewilligungs-verfahrens wird derzeit untersucht, ob die Förderpau-schalen umgestellt werden sollen, um einen effiziente-ren Verwaltungsablauf zu gewährleisten. Während inden ersten Jahren der Förderung die Fördermittel nahe-zu ausschließlich den Baukörpern zugute kamen, wur-de seit 1993 die Wohnumfeldgestaltung mehr undmehr beachtet. Zwischenzeitlich sind 14 Rahmenpläneentwickelt worden, so daß die Fördermittel für die Wohn-raummodernisierung mehr und mehr in solche Gebietefließen, in denen eine Wohnumfeldgestaltung vorgesehenist. Geförderte Maßnahmen der Gesellschaften undGenossenschaften sind in der Regel: Wohnumfeldge-staltung im Zusammenhang mit der Modernisierung imGebäude, städtebaulicher Mehraufwand an Gebäuden inbesonderen Fällen, z.B. Eingänge, Balkone und der-gleichen, Parkplätze und Parkierungsbauten wie Park-decks und Tiefgaragen. Voraussetzung für die Gewäh-rung der Städtebaufördermittel ist grundsätzlich dieEinbindung einzelner Maßnahmen in ein städtebau-liches Gesamtkonzept, das in der Regel einem Rah-menplan der Gemeinden entsprechen muß. Die Woh-nungsgesellschaften und -genossenschaften als Trägerder Wohnumfeldmaßnahmen sind seit 1993 informiertund tätig auf diesem Gebiet.

Zu Frage 3: Die Fördermittel für die Wohnraummo-dernisierung und die Städtebaufördermittel sind auf un-terschiedlichem Wege zu beantragen. Die Fördermittel

für die Wohnraummodernisierung sind von den Bau-herren über die Landratsämter beim Thüringer Landes-verwaltungsamt zu beantragen. Das Thüringer Landes-verwaltungsamt achtet darauf, daß die Fördermittel für dieWohnraummodernisierung bedarfsgerecht verteilt werden.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Bitte, Frau Abgeordnete.

Abgeordnete Frau Arenhövel, CDU:

Eine Frage ist bei mir noch offen. Nämlich Frage 4lautet: Welche Konzepte der Neu- und Umgestaltungdes Wohnumfeldes gibt es in Thüringen. Oder habenSie das jetzt mit beantwortet?

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Die Frage habe ich zusammen mit der anderen Fragebeantwortet.

Abgeordnete Frau Arenhövel, CDU:

Gut. Danke schön.

Vizepräsident Friedrich:

Gibt es weitere Fragen, die keine sind? Danke. Dannstelle ich die Beantwortung dieser Frage fest. Wirkommen zu - Drucksache 2/866 -, Anfrage des HerrnAbgeordneten Dieter Mäde.

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Förderung der gewerblichen Tierhaltung

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Bie-nen!)

Kommt noch, kommt noch.

Der Tierbestand, insbesondere der Schweine- und Milch-viehbestand in landwirtschaftlichen Unternehmen, gehtin Thüringen weiter zurück, obwohl ausreichende Ver-arbeitungskapazitäten vorhanden sind. Viele landwirt-schaftliche Unternehmen sind nicht in der Lage, dienotwendigen und vergleichsweise kostenaufwendigen In-vestitionen besonders in der Schweinehaltung und beiMilchkühen durchzuführen. Unternehmen, die selbstnicht über landwirtschaftliche Nutzfläche verfügen,sind von der Förderung weitgehend abgeschnitten.

In diesem Zusammenhang frage ich die Landesregie-rung:

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2387

1. Wie hoch ist die Zahl der gewerblichen Tierhal-tungsbetriebe in Thüringen, und wie gliedern sich diesenach den einzelnen Tierarten auf?

2. Welche Prognosen existieren für die Entwicklungder gewerblichen Tierhaltung?

3. Welche Möglichkeiten der Wirtschaftsförderung gibtes für die flächenlosen Tierhaltungsunternehmen inThüringen?

4. In welchem Umfang und mit welchen Instrumentenwill die Landesregierung die flächenunabhängige Tier-haltung in Zukunft fördern?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Bitte, Herr Minister Sklenar.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrten Da-men und Herren Abgeordneten, werter Herr Dr. Mäde,die Mündliche Anfrage beantworte ich im Namen derLandesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Im Freistaat Thüringen existieren insge-samt 54 gewerbliche Tierhaltungsbetriebe, davon 16 Be-triebe nur mit Geflügelhaltung, 11 Betriebe mit Schwei-ne- und Rinderhaltung, 9 Betriebe nur mit Rinderhal-tung und 18 Betriebe nur mit Schweinehaltung. In dengewerblichen Tierhaltungsbetrieben werden 32 Prozentdes Schweinebestandes, 4 Prozent des Rinderbestandesund 66 Prozent des Geflügelbestandes Thüringens ge-halten.

Zu Frage 2: Der Fortbestand und die erfolgreiche wirt-schaftliche Entwicklung der gewerblichen Tierhal-tungsbetriebe kann nur erwartet werden, wenn es einer-seits den Betrieben gelingt, über die Bewirtschaftungausreichend großer landschaftlicher Flächen den Statuseines landwirtschaftlichen Betriebes zu erlangen. Hier-zu genügt in der Regel eine entsprechende gesell-schaftsrechtliche Verbindung mit flächenbewirtschaf-tenden Betrieben, also Pachtverträge über die Abnah-me von Gülle und letzten Endes auch über die Abnah-me von Futtermitteln, oder wenn durch günstige Finan-zierungs- und Förderbedingungen auch unter Beibehal-tung des Gewerbestatus die erforderlichen Investitio-nen durchgeführt werden können.

Zu Frage 3: Flächenlose Tierhaltungsbetriebe könnenim Rahmen folgender Förderprogramme Hilfen erhal-ten: Im Rahmen der Gemeinschaftsaufgabe "Verbesse-rung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes" kanneine Förderung von Maßnahmen zur Energieträgerum-

stellung und Energieeinsparung erfolgen. Für ein för-derfähiges Investitionsvolumen von 3,5 Mio. DM wer-den Zuschüsse von 30 bis 40 Prozent gewährt. Im Rah-men des Thüringer Agrarinvestitionsprogramms kön-nen Zuschüsse von 26 bis 33 Prozent für Maßnahmenzur Verbesserung der Güllelagerung bis zu einem In-vestitionsvolumen von 340.000 DM je Betrieb gewährtwerden. Ebenfalls bezogen auf die Verbesserung derUmweltsituation können flächenlose Tierhaltungsbetriebeam KfW-Umweltprogramm sowie den EAP-Programmen"Luftreinhaltung" und "Energieeinsparung" teilhaben. Hierwerden jeweils zinsgünstige Kredite bis zu 2 Mio. DMgewährt. Nachdem der Bund und alle Länder derInitiative des Thüringer Ministeriums für Wirtschaftund Infrastruktur hinsichtlich einer Öffnung der Ge-meinschaftsaufgabe für die Unternehmen der Tierpro-duktion nicht zugestimmt haben, kann beim Vorliegender individuellen Voraussetzungen eine Unterstützungüber das Landesinvestitionsprogramm für den Mittel-stand erfolgen. Außerdem können die flächenlosenTierhaltungsbetriebe seit Anfang dieses Jahres Bürg-schaften über die Thüringer Aufbaubank für Investi-tionen und Umlaufmittelkredite erhalten.

Zu Frage 4: Die bereits in der Beantwortung zu Frage 3dargestellten Hilfen zur Verbesserung der Umweltsi-tuation in und durch die gewerblichen Tierhaltungsbe-triebe sollen auch zukünftig angeboten werden. Das-selbe gilt auch für das Bürgschaftsprogramm der Thü-ringer Aufbaubank. Im Rahmen der von dem TMWIzur Verfügung stehenden Programme kann die Unter-stützung mit zinsgünstigen Darlehen im Rahmen desLandesinvestitionsprogramms für den Mittelstand er-folgen.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Ja, bitte, Herr Dr. Mäde.

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Herr Minister, kann auf der Grundlage dieser nun neuenFörderprogramme eine Nachförderung erfolgen?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Eine Nachförderung kann nicht erfolgen. Nachförde-rung würde ja bedeuten, daß Investitionen schon getä-tigt worden sind. Mir ist im Moment kein Förderpro-gramm bekannt, wo ich schon getätigte Bauinvestitio-nen nachfördern kann.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Klaus, SPD:Außer beim Wasser.)

Außer dem, was wir jetzt beim Wasser gemacht haben.

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(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Wasser undAbwasser, das ist dann ein anderes Thema.)

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Herr Präsident, zur Vertiefung der ganzen Problematikund zur Beratung bitte ich namens meiner Fraktion, die- Drucksache 2/866 - an den Ausschuß für Landwirt-schaft und Forsten zu überweisen.

Vizepräsident Friedrich:

Wie bekannt ist, muß ein Drittel diesen Antrag unter-stützen. Ich stelle die Frage: Wer ist mit der Überwei-sung der - Drucksache 2/866 -, einer Anfrage des HerrnAbgeordneten Dr. Mäde, an den Ausschuß für Land-wirtschaft und Forsten einverstanden, den bitte ich umsein Handzeichen. Danke. Das ist mehr als das not-wendige eine Drittel. Damit ist die Anfrage des HerrnAbgeordneten Dr. Mäde in - Drucksache 2/866 - über-wiesen.

Wir kommen zur nächsten Anfrage in - Drucksache2/869 -. Herr Abgeordneter Fiedler bitte.

Abgeordneter Fiedler, CDU:

Struktur der Beihilfestellen im Freistaat Thüringen

Dem Vernehmen nach ist die Zentralisierung der Bei-hilfestellen im Freistaat Thüringen in der Diskussion.Bisher hat zum Beispiel die Justiz eine besondere Bei-hilfestelle. Nach Berichten aus Altbundesländern führtdie Zentralisierung zur Verzögerung der Bearbeitungder Beihilfeanträge.

Ich frage die Landesregierung:

1. Ist eine Zentralisierung der Bearbeitung der Beihil-feanträge im Freistaat Thüringen geplant?

2. Ist eine sonstige Änderung bei der Bearbeitung derBeihilfeanträge im Freistaat Thüringen geplant?3. Wenn ja, wie soll diese Änderung aussehen?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Innenminister Dr. Dewes bitte.

Dr. Dewes, Innenminister:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, Herr Abgeordneter Fiedler, ich beantworte IhreFragen wie folgt:

Zu Frage 1: Nein, es ist keine weitere Zentralisierungbeabsichtigt. In Ihrer Heimatstadt Stadtroda werden

auch zukünftig unverändert zwei Drittel aller Beihilfe-anträge bearbeitet werden.

(Beifall bei der CDU, SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Nicht allesverraten.)

Die Frage 2 kann ich mit ja beantworten.

Zu Frage 3: Es ist beabsichtigt, die Beihilfeabrechnungbei der Zentralen Beihilfeabrechnungsstelle in Stadt-roda durch Übernahme des Beihilfeabrechnungspro-gramms des Bundesamtes für Finanzen zu automatisie-ren.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fal, dannstelle ich die Beantwortung fest. Wir kommen zurnächsten Mündlichen Anfrage in - Drucksache 2/875 -.Ich bitte Herrn Abgeordneten Dr. Müller um Vortrag.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Güterverkehrszentrum Erfurt

Mit 211 Hektar vermarktungsfähiger Fläche ist das Gü-terverkehrszentrum Erfurt (GVZ) eines der größten Ge-werbegebiete Thüringens. Wie bei den meisten Ge-werbegebieten im Freistaat ist auch hier die Vermark-tung der Flächen problematisch, woraus sich in derFolge finanzielle Belastungen für alle Beteiligten erge-ben könnten.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wie stellt sich die derzeitige Belegung der Flächendes Güterverkehrszentrums prozentual zur vermarktungs-fähigen Fläche dar (Stand Verkauf; Stand Verkaufs-optionen)?

2. Wie hoch ist zur Zeit die mittelbare Beteiligung desLandes Thüringen an der Güterverkehrszentrum Ent-wicklungsgesellschaft mbH Thüringen absolut und re-lativ, und sind hieran Veränderungen geplant?

3. Wie hat das Land über seine mittelbare BeteiligungEinfluß auf die Akquisition für das betreffende Gebietgenommen, um einen zeitgerechten Rückfluß der Kre-ditmittel zu sichern?

4. Wann laufen die abgeschlossenen Kreditverträge fürdie Erschließung der Flächen des GVZ aus, und welcheKonsequenzen ergeben sich im Hinblick auf die beste-henden Bürgschaften des Bundes und des Landes,

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2389

wenn zu diesem Zeitpunkt noch nicht alle erschlosse-nen Flächen vermarktet sind?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Schuster bitte.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abge-ordnete, namens der Landesregierung beantworte ichdie Fragen wie folgt:

Zu Frage 1: Das Land kann sich nur zum Vermark-tungsstand der von ihm geförderten Flächen äußern.Von den geförderten 94 ha Fläche sind zur Zeit 64,5 havermarktungsfähig. Davon sind 60 Prozent bereits ver-kauft bzw. es werden Kaufverhandlungen geführt. Ent-sprechend der Aussage der GVZ (Güterverkehrszen-trumsentwicklungsgesellschaft) werden die nicht geför-derten Flächen schrittweise erschlossen, um eine ko-stengünstige Vermarktung zu ermöglichen.

Zu Frage 2: Das Land Thüringen ist mit der Über-nahme von Gesellschaftsanteilen der GVZ Betriebs-und Beteiligungsgesellschaft in Höhe von 21,4 Prozentgleich 10.700 DM durch die LEG Thüringen mittelbaran der GVZ-Entwicklungsgesellschaft beteiligt. DasStammkapital beträgt 50.000 DM. Die Gesellschafterverhandeln derzeit über eine Erhöhung des Stammkapi-tals auf 60.000 DM. Der Anteil der LEG soll im Rahmendieser Stammkapitalerhöhung auf mindestens 25 Prozentsteigen. Voraussichtlich wird die LEG einen Anteil von8.000 DM an der Erhöhung übernehmen und dann übereinen Gesellschafteranteil von 31,16 Prozent verfügen.

Die Fragen 3 und 4 sind inhaltlich miteinander ver-knüpft. Ich fasse ihre Beantwortung deshalb wie folgtzusammen: Der Freistaat hat über die damalige Thü-ringer Landeswirtschaftsfördergesellschaft (TLW) mitam Standort GVZ interessierten Unternehmen Gesprä-che geführt und diese Interessen dem GVZ mitgeteilt.Von dort aus sind dann den Unternehmen vermark-tungsfähige Flächen angeboten worden. Nach der er-folgten Verschmelzung der TLW mit der LEG bzw.der TAB hat diese Aufgabe die LEG übernommen. DieAkquisition von Unternehmen und die Vermarktungvon Flächen haben grundsätzlich keinen unmittelbarenEinfluß auf den zeitgerechten Rückfluß der Kreditmit-tel. Konkrete Daten, wie z.B. die Langzeit von Kredit-verträgen, sind als betriebsinterne Daten ohne Zustim-mung des Unternehmens nicht zu veröffentlichen unddaher von den beteiligten staatlichen Stellen vertrau-lich zu behandeln. Ob eine möglicherweise eintretendeVerzögerung der Vermarktung von erschlossenen Flä-chen die bestehenden Bürgschaften berührt, hängt von

einer Vielzahl von Faktoren ab, unter anderem von derLiquiditätslage des Unternehmens sowie von der Be-reitschaft der Banken, erforderlichenfalls Kredite zuverlängern bzw. Überbrückungskredite zu gewähren.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Das ist nicht der Fall.Dann stelle ich die Beantwortung dieser Frage fest.Wir kommen zur nächsten - Drucksache 2/876 -. HerrAbgeordneter Dr. Müller, bitte noch einmal.

Abgeordneter Dr. Müller, SPD:

Wirtschaftsplan der Thüringer Talsperrenverwaltung

In der 21. Sitzung des Haushalts- und Finanzausschus-ses am 24. Oktober 1995 wurde als voraussichtlicherTermin für die Verabschiedung des Wirtschaftsplansder Thüringer Talsperrenverwaltung für 1996 die Ver-waltungsratssitzung im Dezember 1995 genannt. MitSchreiben vom 31. Januar 1996 teilte mir der Finanz-minister auf Anfrage mit, daß der Verwaltungsrat derThüringer Talsperrenverwaltung beabsichtigt, den Wirt-schaftsplan 1996 in seiner Sitzung am 14. Februar 1996zu behandeln.

Ich frage die Landesregierung:

1. Was ist der Grund für die erhebliche Verzögerungder Verabschiedung des Wirtschaftsplans durch denVerwaltungsrat der Thüringer Talsperrenverwaltung?

2. Liegt inzwischen der vom Verwaltungsrat der Thü-ringer Talsperrenverwaltung beschlossene Wirtschafts-plan zur Prüfung im Finanzministerium vor?

3. Wann wird nach Meinung der Landesregierung diePrüfung des Wirtschaftsplans der Thüringer Talsper-renverwaltung abgeschlossen sein?

4. Wie gedenkt die Landesregierung künftig daraufEinfluß zu nehmen, daß die Wirtschaftspläne von insti-tutionell geförderten Einrichtungen bereits während derHaushaltsverhandlungen für das jeweilige Jahr vorlie-gen und den Mitgliedern des Haushalts- und Finanz-ausschusses zur Einsichtnahme zur Verfügung gestelltwerden können?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Herr Minister Dr. Sklenar, bitte.

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2390 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren Abgeordneten, werter Herr Abge-ordneter Dr. Müller, die Mündliche Anfrage beant-worte ich im Namen der Landesregierung wie folgt:

Zu Frage 1: Es gibt keine erheblichen Verzögerungenbei der Verabschiedung des Wirtschaftsplans 1996. DerEntwurf zum Wirtschaftsplan 1996 wurde nach Ab-stimmung des Jahreswasserbauprogramms 1996 zwi-schen dem Ministerium und der Thüringer Talsperren-verwaltung unter Beachtung der im Entwurf zumHaushaltsplan 1996 eingestellten Mittel am 17. Okto-ber 1995 dem Verwaltungsrat vorgetragen. Der 2. Ent-wurf des Wirtschaftsplans wurde in der Sitzung desVerwaltungsrats am 4. Dezember 1995 und der 3. Ent-wurf am 14. Februar 1996 abschließend behandelt. Miteiner Bestätigung des Wirtschaftsplans ist zum 26. Fe-bruar 1996 zu rechnen.

Zu Frage 2: Der Gesetzgeber hat mit dem Gesetz zurErrichtung der Thüringer Talsperrenverwaltung alsrechtsfähige Anstalt des öffentlichen Rechts bestimmt,daß der Wirtschaftsplan vom Verwaltungsrat der Thü-ringer Talsperrenverwaltung zu beschließen ist. DasFinanzministerium ist durch den von ihm entsandtenVertreter im Wirtschaftsrat der Talsperrenverwaltungständig in die Prozesse bei der Erarbeitung des Wirt-schaftsplans einbezogen. Nach Bestätigung durch denVerwaltungsrat wird der Wirtschaftsplan dem Thürin-ger Finanzministerium übergeben.

Zu Frage 3: Die Beantwortung dieser Frage ergibt sichaus meiner Antwort zu Frage 2.

Zu Frage 4: Bevor ich die Frage beantworte, gestattenSie mir noch folgenden Hinweis: Die Thüringer Tal-sperrenverwaltung ist keine institutionell geförderteEinrichtung des Freistaats. Bezüglich der institutionellgeförderten Einrichtungen hat der Finanzminister mitseinem Erlaß zur Aufstellung des Haushaltsentwurfs1997 vom 01.02.1996 nochmals auf die §§ 23 und 26der Haushaltsordnung verwiesen. Er wird die Veran-schlagung der Haushaltsmittel von der Vorlage derHaushalts- oder Wirtschaftspläne abhängig machen. Esist beabsichtigt, die Mitglieder des Haushalts- und Fi-nanzausschusses durch entsprechende Übersichten zuinformieren.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es eine Nachfrage? Das ist nicht der Fall.Dann danke ich für die Beantwortung der Frage. HerrAbgeordneter Dittes - Drucksache 2/877 -, die letzteAnfrage für heute.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Beschäftigte bei Kontakt- und Informationsstellen fürSelbsthilfegruppen in Thüringen

Mitte des Jahres läuft in den Kontakt- und Informa-tionsstellen für Selbsthilfegruppen für die dortig Be-schäftigten die Förderung nach § 242 s des Arbeitsför-derungsgesetzes aus. Dies kann zum vollständigen Per-sonalwechsel in den Selbsthilfekontaktstellen führen.Die Gefahr des Zusammenbruchs aufgebauter Struktu-ren ist bei einem personellen Neuanfang enorm. Auchdie meist mehr als vierjährige Koordinierung und Zu-sammenarbeit der Selbsthilfegruppen und damit dieSelbsthilfegruppen selbst können dadurch gefährdetwerden.

Ich frage die Landesregierung:

1. Unterstützt die Landesregierung die Forderung derKontaktstellen, daß die Stammbeschäftigten ihre Ar-beit fortsetzen, um so nicht die mehrjährige Arbeit zugefährden?

2. Welche Möglichkeiten sieht die Landesregierung,obengenannter Forderung gerecht zu werden?

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Frau Ministerin Ellenberger, bitte.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, die Münd-liche Anfrage möchte ich wie folgt beantworten:

Zur Klarstellung möchte ich vorab darauf hinweisen,daß sich der Inhalt der Maßnahmen weiterhin nach§ 249 h AFG richtet und nicht nach § 242 s AFG, wiein Ihrer Anfrage formuliert, weil es um eine Fort-setzung der Maßnahmen geht. Nach § 249 AFG solldie Zuweisungsdauer der Arbeitnehmer 36 Monatenicht überschreiten, und Sie sagen es schon, die erstenMaßnahmen werden 1996 auslaufen. Nach einer An-ordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Ar-beit ist jedoch eine Verlängerung um ein Jahr auf 48Monate möglich für ältere Arbeitnehmer über 50, fürSchwerbehinderte sowie für Arbeitnehmer, die an-schließend durch den Träger in ein festes Arbeits-verhältnis übernommen werden. Mir ist nun nichtbekannt, für wie viele Mitarbeiter in Selbsthilfekon-taktstellen die Möglichkeit einer Verlängerung derMaßnahmen nach den eben erwähnten Kriterien be-steht. Auf diesem Hintergrund möchte ich die beidenFragen zusammen beantworten.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2391

Ich begrüße es grundsätzlich, eingearbeitete Mitarbei-ter weiterzubeschäftigen, wenn die Möglichkeit be-steht. Die Landesregierung hat allerdings keine Mög-lichkeiten, im Rahmen der Arbeitsförderungsprogram-me diese Maßnahmen über den 31.12.1997 hinaus - bisdahin gilt, jedenfalls bis zum heutigen Tag, der § 249 hAFG - weiterzufinanzieren. Hier sind jetzt die Trägerder Maßnahmen gefragt, Möglichkeiten einer An-schlußfinanzierung zu finden. Zu den Möglichkeitender Landesförderung für Selbsthilfekontaktstellen wer-de ich in der Antwort auf die Mündliche Anfrage- Drucksache 2/878 - genauer eingehen. Ich teile abernicht die Befürchtung, daß bei Neueinstellungen diegesamte bisherige Arbeit gefährdet wird. Vielmehrglaube ich, hoffe ich, daß die in den vier Jahren aufge-bauten Strukturen stabil sind und durch einen Perso-nalwechsel, der sich sowieso nie ganz vermeiden läßt,in ihrer Substanz nicht gefährdet werden.

Erlauben Sie mir noch eine Anmerkung zu arbeits-marktpolitischen Maßnahmen ganz allgemein. Die In-strumente des Arbeitsfördergesetzes sind geschaffenworden, um die Chancen arbeitsloser Menschen zumEinstieg auf dem 1. Arbeitsmarkt zu verbessern. Siesind nicht dazu geschaffen worden, etwa sozialeStrukturen in einem Land aufzubauen. Nun haben wirin Thüringen, wie auch in den anderen neuen Bun-desländern, diese Möglichkeiten durchaus genutzt,solche Strukturen aufzubauen, obwohl wir wußten, daßes aufgrund fehlender Haushaltsmittel im Land undauch in den kommunalen Haushalten nicht möglichsein wird, diese Maßnahmen in eine Regelfinanzierungzu übernehmen. Wenn wir uns hätten davon ab-schrecken lassen, dann wäre die logische Schluß-folgerung gewesen, wir hätten mit diesen Instrumentenim Bereich sozialer Politik oder Jugendhilfe überhauptnichts gemacht, praktisch alle diese Bereiche, die wirdurchaus im vergangenen Jahr mit vielen Tausendenvon Maßnahmen gemacht haben. Ich denke, dieseSchlußfolgerung kann man nun nicht ziehen, auchwenn wir genau wissen, daß bestimmte Maßnahmennicht fortgesetzt werden können. Vielen Dank.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Frau Ellenberger, heißt das, wenn ich Sie richtig ver-standen habe, daß sich das Sozialministerium nicht inder Verantwortung sieht, die weiterführende Finanzie-rung mit zu unterstützen oder nach Lösungsmöglich-keiten zu suchen, sondern allein die Träger in dieserVerantwortung sind?

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Nein, das heißt es nicht. Ich hatte gedacht, daß ich dienächste Frage jetzt auch noch beantworten könnte,dann wäre ich jetzt näher darauf eingegangen. Sonsthätte ich bei der nächsten Frage genau das gleichenoch einmal sagen müssen. Ich hatte darauf verwiesen.Sie haben zwei Fragen gestellt, die eigentlich zu-sammengehören. Vielleicht gestattet der Präsident, daßwir an der Stelle eine Ausnahme machen und ich diezweite Frage auch noch beantworten kann.

Vizepräsident Friedrich:

Na gut. Ausnahmen bringen zwar graue Haare, abermachen wir es so. Gut, zum Sachzusammenhang nochdie - Drucksache 2/878 -.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Förderung von Kontakt- und Informationsstellen fürSelbsthilfegruppen in Thüringen

Im Jahr 1995 wurden durch den Freistaat Thüringenkeine Kontakt- und Informationsstellen für Selbsthilfe-gruppen gefördert. Auf die Mündliche Anfrage in- Drucksache 2/657 - antwortete Frau Ministerin Ellen-berger, daß sie beabsichtigt, 1996 eine Umstellung derLandesförderung zugunsten der Selbsthilfekontaktstel-len vorzunehmen. Der Haushaltsansatz bleibt aber unver-ändert gleich.

Ich frage die Landesregierung:

1. Wann wird die angekündigte Förderrichtlinie erlas-sen?

2. Wie ist die Förderrichtlinie inhaltlich ausgestaltet?

3. Wie viele und welche Selbsthilfekontaktstellen wer-den 1996 gefördert?

4. Wie wird, bei gleichem Haushaltsansatz wie 1995,die Förderung von Selbsthilfegruppen weitergeführt?

Vizepräsident Friedrich:

Bitte, Frau Ministerin.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Ich bedanke mich, Herr Präsident. Meine sehr geehrtenDamen und Herren, ich möchte auf die Fragen folgen-dermaßen antworten: In Vorbereitung der neuen Richt-linie hat mein Haus im letzten Herbst eine ganze Reihe

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2392 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

von Gesprächen geführt. So gab es mehrere Gesprächemit Vertretern der Krankenkassen, um eine Beteiligungder Krankenkassen an der Kontaktstellenförderung zuerreichen. Denn nach dem Wortlaut des Gesetzes § 20Abs. a SGB V ist es den Krankenkassen durchaus mög-lich, Kontaktstellen durch Zuschüsse zu fördern. Leidermußte ich feststellen, daß diese Gespräche gescheitertsind. Ich habe im November schon einmal darauf hin-gewiesen. Es gab weiterhin Gespräche sowohl mit denkommunalen Spitzenverbänden als auch mit Vertreterneinzelner Kommunen. Diese Gespräche sind sehr kon-struktiv und fruchtbar verlaufen. Eine ganze Reihe vonKommunen hat von sich aus eine Kontaktstelle aufge-baut und begrüßt die Absicht des Landes, sich dort zubeteiligen.

Zu Frage 1: Die geänderte Förderrichtlinie soll bisMitte des Jahres 1996 erlassen sein.

Zu Frage 2: Die Richtlinie wird die Umstellung derLandesförderung von der Förderung der einzelnenSelbsthilfegruppen auf die Förderung von Kontaktstel-len regeln. Im einzelnen sollen folgende Punkte gere-gelt werden: Anhaltswerte zur Zahl der Kontaktstellenund beruflicher Qualifikation der mit der Wahrneh-mung der Aufgabe betrauten Mitarbeiter; Verteilungs-verfahren für die Landesmittel an die jeweiligen Trägerder Kontaktstelle - hier ist eine Pauschale pro Einwoh-ner im Einzugsbereich der Kontaktstellen angedacht;allgemeine Fördervoraussetzungen, z.B. Eigenbeteili-gung der Träger. Dieses Ergebnis soll in die Richtlinieeinfließen. Mit Hilfe einer Umfrage bei den Kreisenund kreisfreien Städten in Thüringen, die zur Zeit ge-rade durchgeführt wird, soll der aktuelle Bestand anKontaktstellen und vor allem der dort beschäftigtenMitarbeiter ermittelt werden. Dieses Ergebnis soll indie Richtlinie einfließen, um den dort durch vierjährigeAufbauarbeit erreichten Stand soweit wie möglich zuerhalten. Gleichzeitig muß sichergestellt sein, daß auchfür Regionen, in denen noch keine Kontaktstelle be-steht, ein Angebot aufgebaut wird.

Zu Frage 3: Zur Zeit wird noch keine Selbsthilfekon-taktstelle durch das Land gefördert. Die von mir ebenschon erwähnte Umfrage soll auch einen Überblicküber die derzeitige Finanzierung der Kontaktstelle ver-schaffen. Die Landesförderung könnte dort in der zwei-ten Hälfte des Jahres einsetzen, wo sie zur Sicherstel-lung der weiteren Arbeit notwendig ist. Die vollständi-ge Umstellung des Verfahrens soll dann mit Beginndes Jahres 1997 erfolgen. Der Vollständigkeit halbermöchte ich aber erwähnen, daß die Umstellung desFörderverfahrens angesichts der nur begrenzt zur Ver-fügung stehenden Haushaltsmittel unter Umständendazu führen kann, daß einzelne Selbsthilfegruppen imJahr 1996 vom Land weniger Geld erhalten werden.

Zu Frage 4: Ich bedaure es sehr, daß es der Haushaltdes Landes nicht gestattet, weitere Mittel zur Verfü-gung zu stellen. Dennoch glaube ich, daß trotzdemjetzt der Schritt zur Umstellung der Förderung getanwerden muß. Die Förderung einzelner Gruppen istnicht eine primäre Aufgabe des Landes. Vielmehr seheich die Verpflichtung des Landes darin, die Selbsthilfedurch den Ausbau des Kontaktstellennetzes zu stabili-sieren. Da wird sich das Land im Gesundheits- und So-zialbereich aus der Förderung der Gruppen weiter zu-rückziehen. Die Förderung der einzelnen Gruppen sollauf die Kreise und kreisfreien Städte übertragen wer-den, von denen ja bereits ein Teil seit Jahren schon da-für Mittel bereitgestellt hat.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es Nachfragen? Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dittes, PDS:

Frau Ministerin, ich habe zwei Fragen. Die Förderungder Kontaktstellen soll nach Ihren Aussagen erst imzweiten Halbjahr 1996 beginnen. Heißt das, daß im er-sten Halbjahr keinerlei Fördermittel in diesem Bereichausgereicht werden oder - eine andere Variante - daßim zweiten Halbjahr so gut wie nichts mehr für Kon-taktstellen zur Verfügung steht? Meine zweite Frageschließt sich an die Beantwortung der vierten Frage an.Das heißt auch hier, daß die Landesregierung die Ver-antwortung für die Selbsthilfegruppen an die Kommu-nen und damit auch die finanzielle Verantwortung abder zweiten Hälfte 1996 oder zumindest, wie angedeu-tet, ab Anfang 1997 übertragen wird?

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Ich habe bereits erwähnt, daß wir zur Zeit gar keinePersonalstellen im Bereich der Kontaktstellen fürSelbsthilfegruppen fördern. Deswegen können wir auchnicht aussteigen. Wir könnten maximal einsteigen, unddas werden wir ab dem zweiten Halbjahr 1996 tun, undzwar mit den Geldern, die für Selbsthilfegruppenförde-rung insgesamt in diesem Jahr zur Verfügung stehen.Wenn das Geld für mehr reichen würde, würden wirauch in vollem Umfang Selbsthilfegruppen im einzel-nen, so, wie es bisher geschehen ist, weiter fördern.Dazu sind wir leider nicht in der Lage. Da dieKrankenkassen auch keine Bereitschaft erklärt haben,so wie sie eigentlich verpflichtet sind, müssen dieKommunen an der Stelle mehr ins Boot gezogenwerden. Das ist das Dilemma, das sicherlich entsteht.Aber ich glaube, die Gespräche, die zu diesem Problemmit den kommunalen Spitzenverbänden und mit denKommunen geführt worden sind, haben gezeigt, daß

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2393

die Kommunen durchaus bereit sind und sich auch inder Pflicht fühlen, an dieser Stelle einzusteigen.

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Gibt es weitere Fragen? Das ist nicht der Fall.Dann stelle ich die Beantwortung dieser Frage fest.Damit haben wir auch den heutigen Teil der Frage-stunde erledigt. Die noch offenen Fragen werden dannmorgen in der Fragestunde behandelt. Ich schließe da-mit diesen Tagesordnungspunkt. Wir kommen zumAufruf des Tagesordnungspunkts 13

Aktuelle Stunde

a) auf Antrag der Fraktion der SPD zumThema:"Rentenanpassung in den neuen Bundes-ländern"Unterrichtung durch den Präsidenten desLandtags- Drucksache 2/856 -

Ich bitte, da auch eine entsprechende Anzahl von Re-demeldungen vorliegt, sich an die vorgegebene Rede-zeit von fünf Minuten zu halten. Als erste Rednerinbitte ich Frau Abgeordnete Künast von der Fraktion derSPD nach vorn.

Abgeordnete Frau Künast, SPD:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine sehr verehrtenDamen und Herren, die SPD-Fraktion hat eine AktuelleStunde zur Rentenanpassung in den neuen Ländern be-antragt, weil wir über das Ansinnen des Bundesar-beitsministers Blüm entsetzt sind, die Renten im Ostenlangsamer als bisher anzugleichen. Zukünftig soll nurnoch einmal im Jahr, am 1. Juli, die Anpassung derOstrenten, abhängig von den tatsächlichen Entwicklun-gen der Nettolöhne, vorgenommen werden. Damit wirddie Rentenanpassung nach der am 01.01.1996 vorge-nommenen Abschmelzung der Auffüllbeträge noch we-sentlich langsamer vonstatten gehen. Es stellt sich füruns erneut die Frage, wie glaubwürdig die Aussagender Bonner Koalition sind. Wenn wir an die Wahlaus-sage Blüms erinnern: - ach, da muß ich fragen -

Vizepräsident Friedrich:

Bitte.

Abgeordnete Frau Künast, SPD:

"Deutschland wächst zusammen, die Renten wachsenmit."

Meine Damen und Herren, ich denke, es ist eine klareLüge, denn anders kann man das heute nicht mehr be-zeichnen.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Die Renten in Ostdeutschland liegen derzeit noch deut-lich unter den Westrenten.

(Zwischenruf Abg. Bauch, CDU: Die Löhneauch.)

Die Verzögerung und Verringerung der Rentenanpas-sung Ost durch eine Umstellung der Verfahren analogder festgestellten Nettolohnentwicklung bedeutet einedeutlich verzögerte und verringerte Anpassung der ost-deutschen Rente.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Da ken-nen Sie das Rentensystem nicht.)

Dies hat laut Blüm Einsparungen in Höhe von700 Mio. DM jährlich in der Rentenversicherung zur Fol-ge, was auch noch zu beweisen wäre. Die Auswirkungenfür die Rentner in den neuen Bundesländern stellensich jedoch völlig anders dar. Nach der letzten Ren-tenanpassung gibt es immer noch im Durchschnittmehr als 300 Mio. DM Unterschied zwischen den Ren-ten im Westen und im Osten. Die immer wieder an-geführte hohe Rente der Frauen in den neuen Bundes-ländern hat ihre Ursache einzig und allein darin, daßdie Rentnerinnen der neuen Länder im Durchschnittfast 39 Versicherungsjahre aufweisen,

(Beifall bei der SPD, PDS)

während westdeutsche Rentnerinnen im Durchschnittlediglich auf 22 Rentenversicherungsjahre kommen.Das Prinzip der Rentenversicherung, daß sich aus län-geren Beitragszeiten auch höhere Renten ergeben, wirddurch die von der Bundesregierung geschürte Neiddis-kussion um die Ostrente über den Haufen geworfen.Die Pläne der Bonner Koalition sind ein Schlag ins Ge-sicht der ostdeutschen Rentner.

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU:Also, Frau Künast, das ist doch ...)

Die Rentenkassen wollen sich auf Kosten der Men-schen in den neuen Bundesländern, die Zeit ihres Le-bens für ihre Rente gearbeitet haben, sanieren. In ihremschweren und entbehrungsreichen Leben haben sie dieTurbulenzen der Weimarer Republik, den Terror derNazidiktatur, die Katastrophe des Zweiten Weltkriegesund über 40 Jahre realen Sozialismus überstanden -und jetzt kommt Blüm. Unterschiede in der Rente sind

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heute nicht vertretbar, wo die Lebenshaltungskostensich in Ost und West bereits angeglichen haben.

Die SPD-Landtagsfraktion fordert deshalb alle ostdeut-schen Parlamentarier im Bundestag auf, sich dafürstark zu machen, daß diese Pläne sofort gestoppt wer-den. Ich danke.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Das kannnicht wahr sein, was hier geboten wird.)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Als nächste Rednerin bitte ich Frau Abgeord-nete Thierbach, Fraktion der PDS, nach vorn.

Abgeordnete Frau Thierbach, PDS:

Herr Präsident, werte Abgeordnete, der Beifall von mirkam von Herzen für diese Rede. Ich glaube, genau diesist das Problem. Man kann nicht versuchen, mit einerRentenanpassung Lebensbiographien zu ändern. DerRentenwert Ost ist nach wie vor 10 DM weniger alsder Rentenwert West. Und wenn dieser nicht angepaßtwird, so wird eben versucht, die Lebensbiographie überdas Alter, über den einzelnen einfach zu ändern, indemer angeblich die gleiche Rente irgendwann bekommt.Das bedeutet einen Eingriff in die geschützten Eigen-tümer derer, die in Rentenkassen eingezahlt haben.Und genau dieses sollten wir uns auch überlegen. Des-wegen unterstütze ich das Anliegen, daß alle Ostabge-ordneten im Bundestag, und hoffentlich auch ein paaraus dem Westen, genau dem nicht zustimmen, wenn esim Bundestag verabschiedet wird. Es gibt aber nocheine zweite Merkwürdigkeit an diesem Gesetz, undzwar ist das die Ungerechtigkeit. Ich hoffe, daß auch,wenn dieses Änderungsgesetz in den Bundesratkommt, der Appell der SPD nicht nur an die Ost-abgeordneten geht, sondern daß sich unsere Landes-regierung dann auch so verhält und einer Gesetzes-änderung nicht zustimmt, die eine Schlechterstellungder Ostrentner im Rentengesetz beinhalten würde.

Ich möchte auf einen zweiten Problemkreis hinweisen:Wenn dieses Statistikmodell, wie es jetzt von HerrnBlüm vorgeschlagen wird, angewendet wird, dann istdas genau dasselbe Statistikmodell, wie es bei der So-zialhilfe schon praktiziert wird. Auch dieses sollten wirbeachten. Das bedeutet, daß nämlich rückwirkend ge-schaut wird, wie sich eine Lohnentwicklung vollzogenhat. Rente ist aber ein Bestandsschutz, und Renten-anteile kann ich nicht willkürlich bewerten. Einweiteres Problem in dem Gesetzentwurf ist die Tat-sache, daß gegenwärtig angegeben wird, es gäbe einsogenanntes Schätzrisiko und daß man deswegen die

bisherige Methode der zweimaligen Erhöhung beseiti-gen muß. Ich frage mich einfach, was ist denn dasSchätzrisiko gewesen? Oder anders: Wie oft hat sichdenn die Bundesregierung verschätzt - zweimal im Jahrbei der Bewertung des Rentenwertes Ost? Und waspassiert, wenn sich herausstellt, sie hat sich tatsächlichso gravierend verschätzt? Wenn es ein Schätzrisikogibt, wann wird dieses ausgeglichen, wie wird das wie-der nachgezahlt?

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Bisherhat sie immer höher geschätzt, immer hö-her.)

Aber Sie vergessen, im Einigungsvertrag ist geregelt,Herr Köckert, daß die Rentenwerte genau in der Höhewie die Einkommensentwicklung steigen, im Verhält-nis zu den Tarifen

(Beifall bei der PDS)

und daß es eine Bestandsschutzregelung ist. RechnenSie sich selber aus, was die Nettorente der Rentner beiden gegenwärtigen Erhöhungen wert ist in bezug aufTariferhöhungen bei Wohnen in Form von Miete, beiFahrkosten - ich brauche sie nicht alle aufzählen. Einweiteres Problem an dem Gesetz ...

(Zwischenruf Abg. Ulbrich, CDU: Da fragenSie doch mal Ihre Mutter oder Ihren Vater.)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Ihre Mut-ter ist doch mit der Rente zufrieden.)

Sie irren sich sehr. Es geht doch nicht um meine Mut-ter oder um Ihre oder die von anderen Bundestagsab-geordneten, die sich jetzt endlich Bananen kaufen kön-nen, sondern es geht um eine Rentengerechtigkeit.

(Beifall bei der PDS)

Ein weites Phänomen an diesem Gesetzentwurf vom06.02. ist tatsächlich diese Eile, die dort angemahntwird - am 06.02. im Bundestag eingereicht, am 09.02.die erste Lesung, am 26.02. die Anhörung im Aus-schuß, und am 29.02. soll die Verabschiedung statt-finden. Das gab es mit nichts an nachgewiesenenProblemen im gegenwärtigen Rentengesetz. Nach wievor ist das Problem, daß alle Änderungen, die politischals notwendig erachtet, nicht nur etwa durch uns, durchandere bestätigt, genau nicht in Angriff genommenwerden. Wir fordern aus diesem Grund, daß, wenn esRentenänderungen gibt, die dann tatsächlich umfassendeinmal in Beseitigung sämtlicher Strafrenten, sämt-licher Diskriminierungen, zweitens der Beseitigung derÜberführungslücken bestehen müssen. Und die Über-führungslükken sind eben genau auch das Problem, daß

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die Lebensbiographien sich nämlich verändern, wenn Ar-beitszeiten anders rentenanwartschaftlich berücksichtigtwerden. Ich möchte Sie auch daran erinnern, Sie, die Siehier jetzt vielleicht diesem Blümschen Modell zustim-men wollen: Die Rentenerhöhung von 1,6 Prozent, dievorgesehen ist für den 01.07.1996, Sie haben sich ohneWiderstand die Diäten um 5,2 Prozent im letzten Jahrerhöhen lassen.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Esgab 4,5 Prozent im Januar.)

Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Frau Abgeordnete Thierbach. Als nächste Red-nerin bitte ich Frau Abgeordnete Arenhövel, Fraktionder CDU, nach vorn.

Abgeordnete Frau Arenhövel, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, ich muß sagen, ich bin schon erstaunt über diemangelnde Sachkenntnis des Koalitionspartners in Sa-chen Rentenpolitik.

(Beifall bei der CDU)

Das liegt wahrscheinlich daran, weil die SPD in diesemPolitikfeld nie etwas Richtiges geleistet hat.

(Unruhe bei der SPD)

Und ich muß sagen, Frau Thierbach, die PDS sollte zudiesem Thema doch bitte lieber schweigen,

(Beifall bei der CDU)

denn es ist ...

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: War jetztauch die SPD gemeint?)

Das habe ich nicht gesagt. Ich habe gesagt: Die SPDverfügt nur über mangelnde Sachkenntnis zum Thema"Renten" und die PDS sollte lieber ruhig sein dazu.Wissen Sie, ich kann Ihnen auch aufwarten mit Zahlen.Ich denke, es ist wirklich angebracht, daß wir uns dasnoch einmal vergegenwärtigen. Es ist nämlich die erstefreigewählte Volkskammer gewesen, die mit dem Ein-tritt der Währungsunion überhaupt erst einmal dieRenten angehoben hat, und zwar zunächst erst einmalauf 672 DM.

(Beifall bei der CDU)

Dann sind die Renten in 11 Anpassungen stets undständig gestiegen - von der Eckrente 672 DM zum01.07.1990 auf eine Eckrente von 1.588 DM, bei derwir heute liegen. Ich denke, daß es eine gewaltige Lei-stung ist,

(Beifall bei der CDU)

daß wir dies geschafft haben, und wir liegen jetzt beieinem Rentenniveau von 82,2 Prozent, also fast nochein bißchen über den Löhnen. Das ist auch richtig,denn die alten Menschen haben ihre Rente nämlichverdient, und dafür treten wir auch ein.

(Beifall bei der CDU)

Renten sind Lohnersatz im Alter, und deshalb steigendie Nettorenten im gleichen Verhältnis wie die Netto-löhne. Mit der Angleichung des Nettolohnniveaus inden neuen Ländern erfolgt eine Angleichung im ge-samtdeutschen Rentenrecht. Der Vorteil der dyna-mischen Rente besteht ja eben gerade in dieser ständi-gen Anpassung. Die Anpassung in den alten Ländernerfolgt jeweils am 01.07. jeden Jahres auf der Grund-lage des Anstiegs des durchschnittlichen Nettoein-kommens pro Kopf im Vorjahr. Das ist die sogenannteex post Betrachtung. In den neuen Ländern wurde inden vergangenen Jahren die Rente zweimal im Jahr -am 01.01. und am 01.07. - auf der Grundlage des zuerwartenden Lohnniveaus im entsprechenden Halbjahrangepaßt - die sogenannte ex ante Betrachtung. Dieswar einfach nötig, damit die Renten wirklich schnellüberhaupt angehoben werden konnten. Damit sollte dieerwartete stärkere Lohnentwicklung in den neuen Län-dern schnell an die Rentner weitergegeben werden.Dieses Verfahren beruht aber auf Schätzungen undwird aufgrund des Jahressteuergesetzes 1996, der Re-gelungen des Familienleistungsausgleichs und derimmer differenzierter werdenden Lohnentwicklung im-mer ungenauer. Deshalb soll ab 1997 das Verfahrendem der alten Länder angepaßt und angeglichen wer-den.

Meine Damen und Herren, im Sozialgesetzbuch VIwird der § 255 a verändert. Das Entscheidende ist dochaber der Satz: "Die Renten steigen mit den Nettolöhnenim Beitrittsgebiet." Das heißt, die Renten werden auchweiter im Osten rascher steigen als im Westen.

(Beifall bei der CDU)

Wir werden auch diese Rentenanpassung weiter fort-führen, so daß die 100 Prozent eines Tages erreichtsein werden.

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(Unruhe bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Frau Künast, SPD: Dasist doch viel zu spät.)

(Zwischenruf Abg. Frau Doht, SPD: Das er-leben die meisten gar nicht mehr.)

Die Renten folgen den Löhnen, und es geht nur umdieses Jahr, wo dieser Zwischenschritt gemacht werdenmuß, das heißt eine Revision von den bisherigenSchätzungen zur tatsächlichen Einkommensentwick-lung. Und dies, meine Damen und Herren, ist sachge-recht. Ich bin den ostdeutschen Bundestagsabgeordne-ten der CDU/CSU-Fraktion sehr dankbar, daß sie sichdieser Dinge angenommen haben und daß sie diesenGesetzentwurf hier durchgesetzt haben.

(Unruhe im Hause)

Den Gesetzentwurf hat das Bundeskabinett inzwischenzustimmend zur Kenntnis genommen. Das Gesetz be-findet sich jetzt in den Ausschüssen des DeutschenBundestages. Ich denke, das Entscheidende ist wirk-lich, daß die Lohnentwicklung des Beitrittsgebieteshier berücksichtigt wird. Außerdem nehmen Sie dochbitte zur Kenntnis, daß sehr viel bürokratischer Mehr-aufwand entfällt und auch die Rentenkassen entlastet.Wer das auch hier immer fordert, der darf sich dannnicht taub stellen, wenn es um Veränderungen geht,auch wenn vielleicht das eine oder andere nicht geradeangenehm ist, meine Damen und Herren.

(Glocke des Präsidenten)

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, in diesem Sinne müssen wir hier wirklichsachlich mit diesem Thema umgehen und die Bevölke-rung sachgerecht aufklären. Jeder, der hier Rentnerverunsichert und in Angst versetzt, der handelt am En-de unverantwortlich. Vielen Dank für Ihre Aufmerk-samkeit.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: So ist es.)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Frau Abgeordnete Arenhövel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Kachel, Fraktionder PDS nach vorn.

Abgeordneter Kachel, PDS:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, ich möchte Sie noch auf einen Aspekt aufmerksammachen: Die letzte Änderung der Rentengesetzlichkeitgeschah erst am 30.11.1995 in Form einer Änderungdes SGB VI. Doch statt der dort beschlossenen Neu-ordnung des Rechts der Renten wegen verminderter Er-werbsfähigkeit bzw. Berufsunfähigkeit liegen 11 Wo-chen später aus den Reihen der Koalition in Bonn aber-mals Stückwerkänderungsvorschläge vor. Diese brin-gen nichts Gutes für die betroffenen Menschen. Diedort geplanten Vorhaben bedeuten im Klartext zumBeispiel für Bauarbeiter, die jahrzehntelang schwerekörperliche Arbeit geleistet haben, für Putz- und Kü-chenhilfen, die viele Jahre schlechte Arbeitsbedingun-gen hatten, oder für Menschen mit Stoffwechselkrank-heiten, daß sie zwar leistungsgemindert, aber nochvollschichtig einsatzfähig sind, so bewertet werden undsomit zukünftig keinen Anspruch auf eine Berufsunfä-higkeits- oder Erwerbsunfähigkeitsrente haben. Aber,werte Abgeordnete, welcher Arbeitgeber in Deutsch-land stellt noch solche leistungsgeminderten Personenein, wo doch hier der Slogan gilt: "jung, dynamischund leistungsfähig."

(Beifall bei der SPD)

Was wird denn dann aus diesen Menschen? Sie habenBeiträge in die Rentenkassen eingezahlt und sollenaber künftig keine Leistungen erhalten. Wie unsozialwill dieser Staat noch werden? Für diesen Personen-kreis bleibt dann nur der Teufelskreis "Arbeitslosen-geld, Arbeitslosenhilfe, Sozialhilfe". Die PDS-Fraktionund auch die im Bundestag wird sich energisch gegeneine solche Vorgehensweise wenden.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Im Bun-destag gibt es keine PDS-Fraktion, HerrKachel.)

Die PDS-Fraktion verlangt, und hier, Herr Köckert,sind wir in diesem Hause offensichtlich nicht allein,daß die Thüringer Landesregierung diesen Gesetzent-wurf, wenn er im Bundesrat behandelt werden sollte,ablehnt.

(Beifall bei der SPD, PDS)

In bezug auf die Sicherheit der Renten sollen keineSchnellschüsse bei der Novellierung des SGB VIdurchgeführt, sondern alle Vorschläge sorgsam geprüftwerden, bevor für die Betroffenen solche Folgen her-aufbeschworen werden. Die PDS tritt für ein Ren-tenmoratorium ein, das aber nicht bedeuten soll, daßdie schon seit 1992 überfälligen Korrekturen am Ren-

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tenüberleitungsgesetz nicht durchgeführt werden müs-sen.

Meine Damen und Herren, es muß Schluß gemachtwerden mit dem Griff des Staates in die von Beiträgengespeisten Rentenkassen zu anderen Zwecken.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Es muß Schluß sein mit dem Rentenstrafrecht, und -damit komme ich zum Schluß - wir brauchen die Ein-führung einer allgemeinen Versicherungspflicht, auchfür Beamte, Selbständige und Abgeordnete.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Das wäre wirklich solidarisch, so wie es der Grundge-danke der Rentenversicherung schon seit dem vorigenJahrhundert ist. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Kachel. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Bauch, Fraktionder CDU, nach vorn.

Abgeordneter Bauch, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Künast,nicht Neid wird geschürt, sondern wir wollen Gerech-tigkeit auch in dem Rentenrecht.

(Beifall bei der CDU)

Wir kämpfen um gleiches Bergrecht, wir kämpfen umgleiche Löhne in Ost und West, und wir kämpfen auchum die Anhebung und um die Gleichstellung der Ren-ten. Einige Zahlen will ich Ihnen einmal nennen: Am01.01.1991 15 Prozent, am 01.07.1991 15 Prozent, am01.01.92 11,65 Prozent, am 01.07.1992 12,73 Prozent,am 01.01.1993 6,10 Prozent, am 01.07.1993 14,12 Pro-zent, am 01.01.1994 3,64 Prozent, am 01.07.19943,45 Prozent, am 01.01.1995 2,78 Prozent, am 01.07.19952,48 Prozent und am 01.01.1996 4,38 Prozent. Und am01.07.96 wird es auch noch einmal eine Rentenerhö-hung geben, und die wird sich nach der Nettolohnent-wicklung richten.

(Beifall bei der CDU)

Etwas anderes passiert doch nicht. Es wird gleicheSteigerungen in Ost und West für die Renten gebenund wie die Nettolöhne sich entwickeln, und ich bindafür, daß sich die Nettolöhne in den neuen Bundeslän-dern schnell entwickeln und dann deswegen auch die

Rentenangleichung kommen wird. Noch einige Zahlen:Sie nannten Transfer, Frau Thierbach - Finanztransfer vonWest nach Ost -, 1992 in die Rentenkasse 4,5 Mrd. DM,1993 8,8 Mrd. DM, 1994 12,5 Mrd. DM, 199516,3 Mrd. DM, 1996 15,2 Mrd. DM. Jetzt frage ich: Wowird da Neid geschürt? Das ist Solidarität, die die Ren-tenkassen für die neuen Bundesländer leisten.

(Beifall bei der CDU)

Und deswegen ist das auch ein richtiger Schritt in dieRichtung, daß wir die Angleichung hier in den neuenBundesländern schaffen. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke. Als nächste Rednerin bitte ich Frau MinisterinEllenberger.

Frau Ellenberger, Ministerin für Soziales undGesundheit:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, mit der Ein-führung eines einheitlichen Rentenrechts im gesamtenBundesgebiet zum 1. Januar 1992 durch das Renten-überleitungsgesetz ist festgelegt, die Renten in denneuen Ländern schrittweise an das Niveau der altenLänder heranzuführen. Mit einem höheren Anpas-sungsprozentsatz und einer zusätzlichen Anpassung je-weils im Januar ist es gelungen, die Ostrenten auf einNiveau von etwa 82 Prozent des Westrentenniveaus zubringen. In den vergangenen Tagen und Wochen ist imRahmen der Diskussionen um die Rentenfinanzierungbekanntgeworden, daß die Bundesregierung Änderun-gen im Anpassungsprozeß für die neuen Länder vorge-schlagen hat. Zwischenzeitlich liegt uns dazu bereitsein Gesetzentwurf der Bundestagsfraktionen vonCDU/CSU und FDP vom 6. Februar 1996 vor. UnterHinweis auf die durchschnittlich verfügbaren Renten-zahlbeträge für Männer und Frauen in den neuen Län-dern wird von einer weitgehenden Angleichung ausge-gangen, obgleich die sogenannte Eckrente erst bei82,2 Prozent des Westniveaus liegt. Diese unterschied-lichen Werte bedürfen einer differenzierten Betrach-tung. Während der Bund bei der Ermittlung der durch-schnittlichen Zahlbeträge auch die tatsächlich überWestniveau liegenden Frauen-Altersrenten im Ostenebenso mit berücksichtigt wie die nicht repräsentativenRenten aus Zusatz- und Sonderversorgungen und diesicher auch vorhandenen überdurchschnittlich hohenRenten z.B. der Knappschaft, so kann für Thüringenauch ein gegensätzliches Bild gezeichnet werden.

Die Landesversicherungsanstalt Thüringen betreut et-wa 350.000 Rentnerinnen und Rentner mit einem

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durchschnittlichen Zahlbetrag von 1.240 DM. Damitzahlt die Landesversicherungsanstalt statistisch jedezweite Rente in Thüringen. Aber auch jede zweiteRente enthält einen Auffüllbetrag, der durch die Ab-schmelzung zur Disposition steht. Wenn diese Beträgenun noch geringe Anpassungsraten erfahren, die auchnoch durch die Abschmelzung der Auffüllbeträge überviele Jahre hinaus zu Nullrunden werden, dann seheich nicht, wie eine volle Angleichung überhaupt er-reicht werden kann. In diesem Zusammenhang darf ichnoch anmerken, daß sich infolge der Niedriganpassungdie Abschmelzung der Auffüllbeträge noch weiterhinausschieben wird, so daß befürchtet werden muß,daß der größte Teil der Betroffenen bis zu zehn JahreStillstand bei der Rentenentwicklung hinnehmen muß,und dies bei ständig steigenden Lebenshaltungskosten.

Lassen Sie mich an dieser Stelle, meine Damen undHerren, als Ergänzung noch einige Sätze zu den Auf-füllbeträgen sagen. Die Auffüllbeträge sind mit demRentenüberleitungsgesetz aus Vertrauensschutzgründengegenüber dem bis dahin geltenden DDR-Recht ge-schaffen worden. Es sollte einerseits sichergestellt wer-den, daß niemand durch die Umstellung weniger Renteerhält, und sie sollten andererseits in den folgendenJahren auch der schnelleren Anpassungsentwicklung andas Westniveau dienen. Die Rückführung der Beträgedurch die Abschmelzung ab 1. Januar 1996 hatte dieAnnahme einer vollständigen Angleichung bis Ende1995 zur Grundlage. Wir wissen heute, daß dieses Zielnicht erreicht werden konnte. Gleichwohl wird die Ab-schmelzung grundsätzlich nicht in Frage zu stellensein, weil ansonsten eine Ungleichbehandlung mit an-deren Gruppen von Rentnerinnen und Rentnern in denAltländern und auch in den neuen Ländern festge-schrieben würde. Die Erfahrungen aus den letzten Mo-naten haben aber gezeigt, daß die zweifellos notwen-dige Abschmelzung in der jetzt vorgesehenen Form zuerheblichen sozialpolitischen Problemen führen wird,vor allem dort, wo Rentnerinnen und Rentner über einniedriges Gesamteinkommen verfügen. Die neuen Län-der und Berlin haben deshalb in der Sitzung desBundesrats am 24. November 1995 einen Entschlie-ßungsantrag eingebracht, in dem die Bundesregierunggebeten wird, schnellstmöglich aus den zur Verfügungstehenden sozialstatistischen Daten die materiellen Fol-gen aufzuzeigen. Ziel muß sein, nach Auswertung derDaten eine sozialverträgliche zeitliche Streckung desAbschmelzungsprozesses zu erreichen, wie dies auchder Thüringer Landtag in seiner Sitzung am 25. Janu-ar 1996 beschlossen hat. Hinsichtlich der Rentenent-wicklung ist außerdem zu bedenken, daß die Rentnerder neuen Länder auf absehbare Zeit nicht auf zu-sätzliche Versorgungen wie Betriebsrenten u.ä. zurück-greifen können, wie dies in den Altländern üblich ist.Obwohl die statistischen Werte für die Umsetzung desGesetzentwurfs nicht vor März vorliegen werden, ist

bereits jetzt abzusehen, daß die Nettoanpassung im Julikaum mehr als 1 Prozent ausmachen wird, weil dieErhöhung um 4,38 Prozent zum 1. Januar 1996 zur Ge-genrechnung kommt. Selbst diese Geringstanpassungwürde sich nur dort auswirken, wo kein Auffüllbetragabzuschmelzen ist. Wer jetzt in der aktuellen poli-tischen Diskussion, meine Damen und Herren, dienotwendige Anpassung der Ostrenten in Frage stellt,trägt nicht zur Einheit, sondern zur Spaltung Deutsch-lands bei.

(Beifall im Hause)

Weder die deutsche Einheit noch die Rentenkassendürfen auf dem Rücken der kleinen Leute oder der Ar-beitnehmerinnen und Arbeitnehmer finanziert bzw. sa-niert werden. Die Umstellung des Systems der Renten-anpassung in den neuen Ländern auf ein einheitlichesSystem in West und Ost darf die kontinuierliche undmöglichst rasche Anpassung der Ostrenten ...

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: SprechenSie jetzt als Ministerin?)

Ich spreche als Ministerin, ganz offiziell!

(Beifall bei der SPD, PDS)

... auf das Niveau der Westrenten nicht gefährden. Indiesem Sinne habe ich auch schriftlich die Damen undHerren Abgeordneten des Deutschen Bundestags ausThüringen um Unterstützung gebeten. Den Begründun-gen zum vorliegenden Gesetzentwurf ist zu entnehmen,daß das derzeitige Schätzverfahren der Einkommens-entwicklung in den neuen Ländern wegen der differen-zierten Einkommensentwicklung kaum noch praktika-bel ist und man deshalb auf die einheitliche Nettoent-wicklung des Vorjahres zurückgreifen müsse. Wenndas so ist, dann darf aber an solchen technischen Ei-genheiten nicht der gesamte Anpassungsprozeß auf derStrecke bleiben. Die Thüringer Landesregierung wirdsich jedenfalls energisch dafür einsetzen, daß die volleAngleichung der Ostrenten an das Westniveau mög-lichst zügig weiterverfolgt wird. Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Frau Ministerin Ellenberger. Mir ist zwischen-zeitlich eine weitere Redemeldung zugegangen. FrauAbgeordnete Vopel, Fraktion der CDU, bitte.

Abgeordnete Frau Vopel, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, Frau Mini-sterin Ellenberger, ich möchte mit Ihrem Schluß be-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2399

ginnen. Ich habe noch nicht einen in der Bundesregie-rung, ich habe noch nicht einen in der CDU West-deutschlands, ich sage das bewußt jetzt so, gehört, derdie Anpassung der Ostrenten in Frage stellt, nicht eineneinzigen.

(Beifall bei der CDU)

Zum zweiten: Daß die Ostrentner keine Zusatzversor-gung, sprich Betriebsrenten oder eine größere Lebens-versicherung haben, können Sie dieser Bundesregie-rung nicht anlasten.

(Beifall bei der CDU)

Die Problematik Auffüllbeträge haben wir ja in derletzten Plenartagung behandelt, und Sie wissen genau,daß der Vorschlag von uns kam, das zu strecken, unddaß von uns auch die Bitte kam, ob wir nicht eventuellfür Thüringen schon mal Zahlen auf den Tisch be-kommen könnten, damit wir da, wo Härtefälle eintre-ten könnten, schon mal Beweismaterial in der Handhätten. Daß das verzögert werden muß, dafür sind wirauch, und ich bin sofort dafür, die Abschmelzpro-gramme noch weiter zu verzögern, wenn wir dafür dieErhöhung der Stasirenten fallenlassen.

(Beifall bei der CDU)

Zum Rentensystem insgesamt müßte vielleicht einmalin diesen neuen Ländern eine sachliche Diskussionstattfinden, denn die meisten Leute wissen gar nicht,worüber sie oftmals reden. Da wird nachgeplappert,was in der Zeitung steht,

(Zwischenruf Abg. Frau Becker, SPD)

ich meine jetzt nicht die Abgeordneten. Wenn mandraußen über Renten spricht, da wissen die meistenwirklich nicht, was das eigentlich auf sich hat mit demRentensystem, wie es in der Bundesrepublik funktio-niert. Im übrigen, die Rentenreform 1989 ist mit derSPD beschlossen worden, und daß das System ein gutfunktionierendes System ist, zeigt sich daran, daß diedeutsche Einheit zu dem Moment, als diese Ren-tenreform beschlossen worden war, noch niemandembekannt gewesen ist, die ist dann nicht mit eingerech-net worden. Es hat trotzdem bisher recht gut geklappt,obwohl - das muß man so sagen, und das sage ich auch- eine Menge Dinge aus der Rentenkasse finanziertwerden, die eigentlich nicht hingehören. Neiddiskus-sion, da hat schon jemand darauf geantwortet. Es istziemlich infam zu sagen, die Bundesregierung schürteine Neiddiskussion. Frau Künast, wenn Sie sagen,Herr Blüm möchte an den Ostrentnern sparen, dannkann ich nur sagen, dann haben Sie wirklich nur eineZahl genannt. In diesem Jahr mögen es 700 Mio. DM

sein, die durch diesen Anpassungsschritt eingespartwerden, im nächsten Jahr sind es nur 400 Mio. DM,1998 wird das System, so wie es jetzt gehandhabt wird,zu 100 Mio. Mehrkosten führen. Wo ist denn da eineEinsparung? Wenn wir eine Einsparung bekämen, dannwüßte ich einen Ministerpräsidenten aus Niedersach-sen, den hätten wir dann nämlich mit im Boot. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Danke, Frau Abgeordnete Vopel. Weitere Redemel-dungen liegen mir nicht vor.

(Zuruf Abg. Frau Heymel, SPD: Doch, ichsage noch etwas dazu.)

Aha, Frau Heymel, Sie haben auch noch fünf MinutenZeit.

Abgeordnete Frau Heymel, SPD:

Herr Präsident, verehrte Kolleginnen und Kollegen, daß esden Rentnern im Osten gar nicht so schlecht geht, stehthier gar nicht zur Debatte.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Dasist doch wichtig.)

Daß aber die gesamte Rentengeschichte reformbedürf-tig ist, das dürfte auch die CDU-Fraktion nicht abstrei-ten.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vor ein paar Tagen, am 2. Februar nämlich, hatNorbert Blüm zum ersten Mal Zahlen genannt. Das hater ja bisher immer so ein bißchen geheimgehalten. Dahat er gesagt, das sind Zahlen aus dem Jahreswirt-schaftsbericht, daß dort die Wirtschaft sich verschlech-tert hat, kann man auch

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: ... inAbrede stellen.)

nicht in Abrede stellen. Vielen Dank, Herr KollegeDr. Dr. Dietz.

(Heiterkeit bei der CDU)

Es ist also mit einem Fehlbetrag von 9,9 Mrd. DM imJahr 1997 zu rechnen.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Washat das mit den Ostrenten zu tun?)

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2400 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Das ist einfach nicht von der Hand zu weisen.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Dashat doch mit der Rentenanpassung nichts zutun.)

Darüber muß ehrlich gesprochen werden, und nichtsweiteres wollen die Abgeordneten hier im Haus, daßeine ehrliche Debatte stattfindet. Was ich eigentlich amallerschlimmsten finde, Frau Vopel, daß hier Angriffeauf Kosten der Rentner hin- und hergehen,

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Nein,das mache ich nicht. Nein, nein.)

daß nicht ehrlich diskutiert wird, daß Dinge verschlei-ert werden,

(Beifall bei der PDS)

und so geht das bei vielen Problematiken hier im Haus.Die Politik schiebt immer alles von sich weg, alles weitvoraus, nur nicht gleich regeln, verschleiern, verschlei-ern,

(Beifall bei der PDS)

vor Wahlen immer kurz Entscheidungen treffen, aberden Bürgern im Land nicht die Wahrheit sagen, so istes.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Jawohl. Daß auch ein Beitragsschub zu erwarten istvon 0,6 Prozent, das ist auch die Wahrheit. Da bin ichgespannt, wie Herr Blüm diesen Beitragsschub verhin-dern will, da bin ich heute schon drauf gespannt.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: SprechenSie zur Rente?)

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: FrauHeymel, wie machen Sie denn ... in denneuen Bundesländern?)

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Meine Damen, es ist zwar sehr nett, Moment, Frau Ab-geordnete.

Abgeordnete Frau Heymel, SPD:

Nein, ich finde einfach nicht in Ordnung, wenn es Pro-bleme gibt, daß die verschleiert werden und nicht an-gesprochen werden.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Heiterkeit bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Gut. Wie bekannt, sind ja Zwischenfragen auch nichtüber den Umweg von Frau Vopel und Frau Heymel nö-tig. Wir sind damit am Ende dieses Tagesordnungs-punkts angelangt, sofern nicht noch jemand Lust undLiebe hat, zu reden. Das ist offensichtlich nicht derFall. Es war noch Zeit, deswegen sagte ich es.

Wir schließen diesen Tagesordnungspunktteil und kom-men zum nächsten.

b) auf Antrag der Fraktion der CDU zumThema: "Neuere Entwicklungen in denFinanzbeziehungen zwischen Bund undLändern und deren Auswirkungen auf denFreistaat Thüringen"Unterrichtung durch den Präsidenten desLandtags- Drucksache 2/857 -

Ich eröffne die Aussprache. Als ersten Redner bitte ichHerrn Abgeordneten Köckert von der Fraktion derCDU nach vorn.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, das Thema dieser Aktuellen Stunde oder Aktuellenhalben Stunde hat vor dem Hintergrund der beschlos-senen Absenkung des Solidaritätszuschlags und in Dis-kussionen um eine Neuverteilung der Umsatzsteuerzwischen Bund und Ländern an Bedeutung gewonnen.Würde ich in einem der alten Bundesländer Verantwor-tung tragen, würde ich wahrscheinlich auch gegen dieRückgabe von Umsatzsteuerpunkten an den Bund wet-tern und über sinkende Einnahmen klagen. Ich wüßtedabei aber auch, daß die Steuereinnahmen gerade inden alten Ländern in den letzten Jahren stetig gestiegensind, wenn auch im Jahr 1995 nicht so hoch wie erwar-tet.

Meine Damen und Herren, bei uns in den neuen Län-dern geht es aber um die Substanz. Wir müssen aufpas-sen, daß aus der Diskussion über die Absenkung desSolidaritätszuschlags und eine Neuverteilung der Um-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2401

satzsteuer nicht eine Diskussion über eine Reduzierungder Finanztransfers in den neuen Ländern wird.

(Beifall bei der CDU)

Dafür wäre es zum jetzigen Zeitpunkt eindeutig zufrüh. Ich möchte mich in der Folge auf wenige Ge-sichtspunkte der Finanzbeziehungen beschränken, zu-mal die Finanztransfers in den neuen Ländern Ge-genstand einer Großen Anfrage meiner Fraktion hier indiesem Hause sind. Mit dem Instrument des bun-desstaatlichen Finanzausgleichs sollten die Länder indie Lage versetzt werden, ihren Bürgern ein in etwagleiches Niveau an öffentlichen Leistungen zu bieten.Es soll zudem gewährleistet werden, daß den Men-schen in allen Teilen Deutschlands annähernd diegleichen Lebensverhältnisse geboten werden können.

(Beifall bei der CDU)

Deshalb ist der Länderfinanzausgleich ein ausgespro-chen wichtiges Instrument für das Zusammenwachsenbeider Teile unseres Vaterlandes. Bis zum Jahr 1994war der Fonds "Deutsche Einheit" die wichtigste Ein-nahmequelle der neuen Länder. Der Fonds umfaßte einVolumen von insgesamt 160 Mrd. DM, und Thüringenerhielt von 1991 bis 1994 insgesamt 22,5 Mrd. DM ausdem Fonds, davon allein 1994 5,6 Mrd. DM. Nach demAuslaufen des Fonds wurden mit dem Jahr 1995 dieföderalen Finanzbeziehungen zwischen dem Bund undden Ländern im föderalen Konsolidierungsprogrammneu geregelt. Die neuen Länder wurden in den Finanz-ausgleich einbezogen. Mit Umsatzsteuerausgleich, Län-derfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisungenverzeichnet der Freistaat Thüringen im Jahr 1995 Ein-nahmen in Höhe von knapp 6 Mrd. DM. Darüberhinaus gewährt der Bund den jungen Ländern seit demJahr 1995 für die Dauer von 10 Jahren jährliche Fi-nanzhilfen zum Ausgleich der unterschiedlichen Wirt-schaftskraft und zur Förderung des wirtschaftlichenWachstums in Höhe von insgesamt 6,5 Mrd. DM. Thü-ringen erhält jährlich einen Anteil von 946 Mio. Deut-sche Mark.

Ein Jahr nach Einbeziehung in den bundesstaatlichenFinanzausgleich steht fest, daß die neuen Länder einenersten Schritt zur Haushaltskonsolidierung gehen konn-ten. Für Thüringen bedeutet es eine Reduzierung derKreditfinanzierungsquote von 22,6 vom Hundert imJahr 1994 auf unter 10 vom Hundert im Jahr 1995, dasheißt, das Land hat sich finanziellen Handlungs-spielraum erhalten. Die Einnahmen der neuen Länderwaren und sind gemessen an den Einnahmen der altenLänder immer noch so gering, daß sie auf die Ein-nahmen aus der Umsatzsteuerverteilung, dem Länder-finanzausgleich und den Bundesergänzungszuweisungenangewiesen sind. So wird der Landeshaushalt 1996 mit

6,3 Mrd. Deutsche Mark, einem Drittel aus Umsatz-steuerausgleich, Länderfinanzausgleich und Bundesergän-zungszuweisungen, finanziert. Trotz überdurchschnitt-licher Steigerungsraten hat die Steuerkraft der jungenLänder längst noch nicht das Niveau der alten Ländererreicht. Angesichts der noch immer schwachen indu-striellen Basis erstaunt das nicht.

In diesem Zusammenhang ist die beabsichtigte Redu-zierung des Solidaritätszuschlags ab Mitte 1997 vonderzeit 7,5 Prozent auf 5,5 Prozent ein Thema, was dieGemüter erhitzt. Ich will nicht verschweigen, daß hierbei diesem Thema zwei Seelen in meiner Brust woh-nen, denn ich bin einerseits der Meinung, daß die Steu-er- und Abgabenlast in Deutschland zu hoch ist. Wirdürften uns in diesem Haus weitgehend einig sein, daßdie hohe Steuer- und Abgabenlast ein - und hier betoneich ein - Standorthindernis in Deutschland darstellt.Auf der anderen Seite hat der Einigungsprozeß zu gro-ßen Belastungen des Bundes geführt. Ich sage hier inaller Deutlichkeit, wir hängen nicht am Solidaritätszu-schlag, denn er belastet. Dies kann nicht oft genugwiederholt werden, er belastet auch die Bürger derneuen Länder.

(Glocke des Präsidenten)

(Beifall bei der CDU)

Für uns ist entscheidend, daß der Bund nicht gezwun-gen ist, die Leistungen für die neuen Länder zu re-duzieren.

Meine Damen und Herren, ich stelle fest, wir müssendas Ziel im Auge behalten, gleichwertige Lebensver-hältnisse in ganz Deutschland herzustellen. Es darfdeshalb nicht zu einer Reduzierung des Finanztransfersin die neuen Länder kommen. Wir sind noch immerauf die Hilfe und die Solidarität des Bundes und der al-ten Länder angewiesen. Eine Reduzierung des Finanz-transfers in der nächsten Zeit wäre kurzsichtig undwürde letztlich keinem etwas bringen.

Vizepräsident Friedrich:

Herr Abgeordneter Köckert, Ihre Zeit ist um.

Abgeordneter Köckert, CDU:

Was jetzt beim Aufbau der neuen Länder versäumtwird, läßt sich später kaum noch nachholen bzw. wirdum ein Vielfaches teurer. Je schneller sich unser Frei-staat nämlich zu einem prosperierten Wirtschaftsstand-ort entwickelt, desto eher werden wir unseren Beitragfür den Finanzausgleich leisten können. Meine Damenund Herren, ich danke Ihnen.

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(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Köckert. Als nächsteRednerin bitte ich Frau Abgeordnete Neudert von derFraktion der PDS nach vorn.

Abgeordnete Frau Neudert, PDS:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, die Aktuellen Stunden in diesem Landtag werdenimmer spannender,

(Beifall bei der CDU, SPD)

das muß man schon wirklich konstatieren. Unter demThema "Neuere Entwicklungen in den Finanzbezie-hungen zwischen Bund und Ländern und deren Aus-wirkungen auf den Freistaat Thüringen" haben wir lan-ge überlegt, was könnte sich denn wohl dahinter ver-bergen. Wenn heute die CDU-Fraktion, Herr Köckert,ausgehend von den Vereinbarungen zwischen CDUund FDP in Bonn zur Senkung des Solidarzuschlags abMitte 1997 von 7,5 Prozent auf 5,5 Prozent spekulativüber neuere Entwicklungen in den Finanzbeziehungenzwischen Bund und Ländern in der heute anberaumtenAktuellen Stunde beraten wird, dann sind wir der Auf-fassung, daß es dazu gegenwärtig überhaupt gar keinekonkreten Festlegungen gibt, die hier beraten werdensollten und könnten. Natürlich hat Herr Waigel undsein Ministerium die Abgabe von Umsatzsteuerpunktengefordert. Die Wirkungen für die Einnahmeseite auchunseres Thüringer Landeshaushalts lassen sich ausma-len. Gleichfalls wird die Notwendigkeit der bevorzug-ten Förderung der neuen Bundesländer schon seit Mittedes vergangenen Jahres immer wieder in Frage gestellt,allerdings nicht von den neuen Bundesländern, sondernvon verschiedenen anderen Seiten. Insofern ist eigent-lich alles bekannt und nicht sehr aktuell für eineAktuelle Stunde,

(Beifall bei der PDS)

weil es ungelegte Eier sind. Selbst die Mitglieder desFinanzausschusses des Bundestages haben sich vor 14Tagen dagegen ausgesprochen, die Rückführung desSolidaritätszuschlags zu Lasten der neuen Länderdurchzuführen. Insofern schon ein Schritt in - denkeich - die richtige Richtung. Insofern hat sich auch füruns seit dem 14. September, wo wir in diesem Landtagschon einmal über den Solidaritätszuschlag debattierthaben, gar nichts geändert. Wir haben uns damals zuder Mogelpackung "Solidaritätszuschlag" ausdrücklichhier ausgesprochen. Nichts ändert sich an unsererArgumentation, daß die Erhebung des Solidaritätszu-schlags nicht unmittelbar zur Finanzierung der neuen

Bundesländer, sondern in erster Linie zur Sanierungdes Bundeshaushalts geschaffen wurde.

(Beifall bei der PDS)

Es ist die Aufgabe des Bundes, einen Ausgleich fürMindereinnahmen im Bundeshaushalt zu finden. EineUmlage auf die Länder kann und muß auch nach unse-rer Meinung nicht akzeptiert werden. Ich habe es hieram 14. September schon einmal gesagt, wenn 1996 imBundeshaushalt eine zweistellige Milliardensumme fürNeuanschaffung und Erhaltung von Wehrforschungausgegeben werden kann, und zwar für Waffen, diedann der zweitgrößte Waffenexporteur Bundesrepublikexportiert, dann muß ich sagen,

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Fra-gen Sie mal die Werftarbeiter, ich habe mitihnen gesprochen.)

müssen wir über Einsparungen hier nicht reden. Ande-rerseits, denke ich, ist es durchaus erforderlich, Ord-nung in die Finanzwirtschaft unseres Landes zu brin-gen. Ich denke hierbei besonders an die Querelen umdie Inanspruchnahme von Fördermitteln, und zwarnicht nur in einem Ministerium. Das ist ja wohl einProblem, das mehrere Ministerien betrifft. Das heißt,wir sehen die Notwendigkeit, daß seitens der Landesre-gierung ein effektiverer Einsatz der zur Verfügung ste-henden Haushalts- und Fördermittel gewährleistetwird, der sicherstellt, daß Arbeitsplätze in Größenord-nungen erhalten und neue Arbeitsplätze geschaffenwerden, um damit das Hauptproblem Nr. 1 in Thü-ringen, die enorm hohe Arbeitslosigkeit, entscheidendzu bekämpfen. Hierzu gehört nach unserer Auffassung,

(Beifall bei der PDS)

und wie ich gehört habe, auch nach Ihrer, meine Da-men und Herren der Koalitionsfraktionen, die finan-zielle Sicherstellung der Kommunen. Wenn der Land-tag und die Landesregierung in dieser Richtung Wei-chen stellen, dann sollte es möglich sein, eine negativeVeränderung der Finanzbeziehungen zwischen Bundund Ländern zu verhindern. Vorschnelle Veränderungder bestehenden Finanzierungsregelung zwischen demBund und den Ländern lehnen wir ab. Eine Änderungdieser Finanzierungsregelung muß nach unserer Auf-fassung einhergehen mit einer Neuregelung der Kom-munalfinanzierung,

(Beifall bei der PDS)

sonst beißen auch weiterhin die letzten die Hunde.

(Beifall bei der PDS)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2403

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Frau Abgeordneten Neudert. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Dr. Pidde von derFraktion der SPD nach vorn.

Abgeordneter Dr. Pidde, SPD:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, wir sind unssicher alle einig darüber, daß die neuen Bundesländernoch über Jahre abhängig vom West-Ost-Finanztrans-fer sind. Herr Köckert hat auf den Thüringer Haushalt1996 hingewiesen, daß nur knapp 9 Mrd. DM ausSteuern und Verwaltungseinnahmen zur Verfügung ste-hen, d.h., daß nicht ganz 50 Prozent unseres Haushaltsdurch eigene Einnahmen gedeckt werden können. DieFinanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern sindalso für uns von existentieller Bedeutung. Nun ist dieDiskussion um die Reduzierung des Solidarzuschlagsum zwei Prozentpunkte Mitte 1997 nicht ganz neu. DerBundesfinanzminister hat erst einmal daran festge-halten, daß eine Reduzierung unter keinen Umständenmöglich wäre, ist dann aber umgeschwenkt und hathier zugestimmt. Jetzt wird die Regierung nicht müdezu erklären, daß Solidarzuschlag und Transferleistun-gen nicht aneinander gekoppelt sind. Das ist richtig.Aber der Solidaritätszuschlag wurde ja eingeführt, umdie Transferleistungen zu finanzieren. Und genau daliegt der Hase im Pfeffer. Ich muß Frau Neudert rechtgeben, wenn sie sagt, wir reden über ungelegte Eier,denn bisher ist nicht bekannt, wie Herr Waigel die ge-schätzten 4 Mrd. DM Mindereinnahmen im 2. Halbjahr1997 einsparen will.

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Dasweiß er doch selber noch nicht.)

Er hat zwei Positionen angegeben, einmal 1 Mrd. DMaus Einsparungen im Haushalt 1997.

(Unruhe bei der SPD)

Dieser Kelch wird sicher auch an den neuen Bundes-ländern nicht vorbeigehen, und sei es auch nur durchEinsparungen bei der Bundesanstalt für Arbeit o.ä..Außerdem sind bei dieser Milliarde, die der Bundesfi-nanzminister sparen will, ganz sicher die Barmittel ausder Gemeinschaftsaufgabe dabei, die wir verspielt ha-ben, weil wir 1995 den Verpflichtungsrahmen nichtausschöpfen konnten.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Die zweite Position des Finanzministers, die hier schongenannt worden ist, 3 Mrd. DM möchte er einsparendurch Reduzierung des Umsatzsteueranteils der Länderzugunsten des Bundes. Das trifft alle Bundesländer

gleichermaßen und würde für Thüringen 1997 ge-schätzte 120 Mio. DM Mindereinnahmen bedeuten.Außerdem würde es zur Folge haben, daß die soge-nannten Geberländer unter den alten Bundesländerngegenüber den neuen Bundesländern, sage ich einmal,"ärmer" werden, also eine Reduzierung im Finanzaus-gleich würde zusätzlich noch dazukommen. Mit Rechtwehren sich die Länder gegen diesen Vorschlag.

(Beifall bei der PDS)

Und warum das Ganze? Das Zugeständnis der CDU/CSUan die FDP geschieht doch nur darum, damit bei den dreibevorstehenden Landtagswahlen die FDP als Steuer-senkungspartei dasteht und die 5-Prozent-Hürde über-springen kann.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Meine Damen und Herren, wir verlangen vom Bundes-finanzminister, daß er die Katze aus dem Sack läßt unddaß er, wie es Frau Neudert hier sagte, die 4 Mrd. DMEinsparung aus dem Bundeshaushalt aufbringt. Unterder Bedingung sind wir sehr für eine Kürzung oder ge-nerelle Streichung des Solidarzuschlags, aber nicht zuLasten des Finanztransfers von West nach Ost. Danke.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Dr. Pidde. Als nächstenRedner bitte ich Herrn Abgeordneten Ulbrich von derFraktion der CDU nach vorn.

Abgeordneter Ulbrich, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordne-ten, bisher haben wir uns hier an dieser Stelle, wennwir uns mit den finanziellen Beziehungen zwischenBund und den Ländern beschäftigt haben, das haupt-sächlich getan, wenn wir über die Mittelfristige Fi-nanzplanung zu beraten hatten. Damals wie heute wirdes manchen Abgeordneten geben, der denkt, nichts istso langweilig, wie über die Verteilung der Steuern zureden. Derjenige mag im gewissen Sinne auch rechthaben, recht hat aber vor allem der, der sagt, nichts istso wichtig wie die Verteilung des Steueraufkommenszwischen Bund, Ländern und Gemeinden für die Fi-nanzierung der Haushalte für das Land und für dieKommunen.

(Unruhe bei der SPD)

Meine Damen und Herren, obwohl die eigene Steuer-deckungsquote bereits 45 Prozent erreicht hat, sind wirhalt immer noch ganz wesentlich auf 35 Prozent Zu-

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2404 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

führung aus Bundessteuern angewiesen. Der Rest zumAusgleich muß aus Krediten oder aus eigenen Einnah-men geteilt werden. Frau Neudert, ich bin nicht IhrerMeinung, daß das nicht hierhergehört, sondern es gibteine ganze Reihe von wesentlichen Punkten, warumwir das heute hier beraten sollten:

1. Man kann, wenn das Geld knapp wird, nicht mitdem Denken aufhören.

2. Wir sollten uns mit den ganz großen Problemen be-schäftigen, so lange sie noch relativ klein sind.

3. Der Mangel an Erfahrung, nach 5 Jahren mangelt esuns immer noch an Erfahrung, veranlaßt die Unerfah-renen zu Gedanken und zu Leistungen, die ein Erfah-rener oder ein Festgefahrener, können Sie von mir ausauch sagen, niemals vollbringen würde.

Aus diesem Grunde denke ich schon, daß wir uns hierdamit beschäftigen und nicht mit dem Denkenaufhören sollten, auch wenn andere dafür verantwort-lich sind. Die Verantwortlichkeiten für die Steuernliegen natürlich beim Bund. Ich glaube, und das wurdeauch aus Ihren Bemerkungen deutlich und auch ausIhren Bemerkungen, Herr Pidde, im Augenblick habeneinige den Eindruck, und den erwecken natürlich auchdie diskutierten Pläne in Sachen Steuerreform, alsginge es hier nur um einen Bedarf an kleinen Kor-rekturen und nicht um die Überprüfung des gesamtenSteuersystems. Auch das haben wir die Pflicht anzu-regen, und ich möchte, wenn es das Thema auch nichtausdrücklich aussagt, die Gemeinden nicht ausdrück-lich mit benennt, vor allen Dingen auf etwas eingehen,was die Kommunen betrifft, nämlich die Gewerbekapi-talsteuer. Meine Damen und Herren, bereits im Jahres-steuergesetz war die Abschaffung der Gewerbekapital-steuer und eine mittelstandsfreundliche Senkung derGewerbeertragssteuer vorgesehen. Diese Maßnahmenwaren aber im vergangenen Jahr nicht mehr zu ver-wirklichen, so daß deren Realisierung einem eigenstän-digen Gesetzesvorhaben vorbehalten blieb, der drittenStufe der Unternehmenssteuerreform.

Meine Damen und Herren, wer die "Wirtschaftswoche"liest, der kennt doch sicher den Herrn Baron. Ich leseseine Beiträge gern. Er beschwert sich, daß die Politi-ker jetzt immer wieder über die Globalisierung redenund sagen, Globalisierung für alles als Mittel, warumes nicht so richtig weitergeht. Er hört mir nicht zu, ichmuß es also trotzdem hier machen. Ich muß auch überdie Globalisierung sprechen, denn die Gewerbekapital-steuer gibt es nur in Deutschland und in Luxemburg,und sie ist eine echte Benachteiligung des StandortesDeutschland.

(Beifall bei der CDU)

Damit ist die Gewerbekapitalsteuer ohne Zweifel eineSteuer, die die Unternehmer in besonderem Maße bela-stet, und sie greift die Unternehmen in ihrer Substanz,dem Eigenkapital, an. Gerade in ertragsschwachen Zei-ten wie den jetzigen muß dann auf Reserven zu-rückgegriffen werden. Und welches unserer Unterneh-men hat Reserven? Die Frage muß ich hier stellen. Ichbin deswegen unserem Finanzminister ganz besondersdankbar dafür, daß er es mit verhindert hat, daß in denneuen Bundesländern die Gewerbekapitalsteuer docheingeführt wird, sondern daß das noch einmal auf einweiteres Jahr hinausgeschoben werden konnte.

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten aber bei diesen Diskussionen diejenigennicht vergessen, denen die Einnahmeausfälle aus derGewerbesteuerreform ins Haus stehen, und das sind dieGemeinden. Bei aller Einsicht in die wirtschaftlicheNotwendigkeit der Reform müssen wir sehen, daß eszu einer Kompensation der Ausfälle bei den Kommu-nen kommt. Da gibt es zwei Fragen, die besonders vonuns bedacht und die eingebracht werden müssen. Weildie Einnahmeausfälle bei der Abschaffung der Ge-werbekapitalsteuer rund 5 Mrd. DM betragen und dieSenkung der Gewerbeertragssteuer noch einmal3,5 Mrd. DM ausmachen, müssen wir das, was jetztvorgeschlagen ist nach dem Entwurf des Jahres-steuergesetzes, daß nämlich die Kommunen einenvollen Ausgleich ihrer Einnahmeausfälle über eine Be-teiligung am Umsatzsteueraufkommen erhalten, mit-tragen. Dieser Anteil der Kommunen soll 2,7 Prozentdes gesamten Aufkommens sein. Das ist sehr verlok-kend. Die Vertreter der Spitzenverbände sind dabei,das auch mitzutragen. Wir müssen aber darauf hinwei-sen, daß natürlich das Umsatzsteueraufkommen dannauch wirklich kontinuierlich wächst und daß es so be-rechnet wird, daß es keine Nachteile für uns ergibt.

Einen letzten Punkt muß ich hier noch mit nennen.

Vizepräsident Friedrich:

Aber kurz.

Abgeordneter Ulbrich, CDU:

Der letzte Punkt. Es muß uns darum gehen, daß derbisher festgelegte Anteil von 13 Prozent, den die ost-deutschen Kommunen bekommen sollen, nicht aus-reicht, sondern daß wir versuchen sollten, diesen Anteilzu dynamisieren. Ich möchte den Finanzministerdarum bitten, daß er ganz wesentlich die Unterstützungdarin mit sucht, daß diese Dynamisierung durchgesetztwird, damit unsere Kommunen in eine bessere finan-zielle Möglichkeit versetzt werden.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2405

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Ulbrich. Als nächsteRednerin bitte ich Frau Abgeordnete Dr. Wildauer vonder Fraktion der PDS nach vorn.

Abgeordnete Frau Dr. Wildauer, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, FrauNeudert bezeichnete die Aktuelle Stunde als spannend,ich meine im kriminalistischen Sinne, ich sage, dasvorgegebene Thema ist so recht schön unkonkret. Alleskann man hineinlegen, von Altschulden über Solidari-tätszuschlag, selbst mögliche Auswirkungen aus derkünftigen Steuerschätzung und Kommunalfinanzen.Damit entspricht das Thema meines Erachtens nicht§ 93 Abs. 1 der Geschäftsordnung, wonach nur einThema, das von aktuellem und allgemeinem Interesseist, Berechtigung für eine Aktuelle Stunde hat. Fürmich sind von allgemeinem und aktuellem Interessedabei die Kommunen und ihre Finanzsorgen. Deshalbgehören sie für mich eben auch in die Reihe zwischenBund und Ländern in diesem Titel des Antrags.

Einen Kernpunkt der Finanzbeziehungen zwischenBund, Ländern und Kommunen bilden die Einnahmenaufgrund erfolgter Steuerrechtsänderungen. Um dieProblematik verständlicher zu machen, stütze ich michauf Zahlen des Rheinisch-westfälischen Instituts fürWirtschaftsförderung in Essen. Diese besagen, daß sichim Ergebnis von Steuerrechtsänderungen die Einnah-men von Bund, Ländern und Kommunen im Zeitraumvon 1991 bis 1996 wie folgt entwickeln werden. Hiermuß ich Herrn Ulbrich leider enttäuschen, weilnämlich Geld da ist. Der Bund, so die Aussagen, wirdüber zusätzliche Einnahmen von 183 Mrd. DM ver-fügen. Die Länder werden Mehreinnahmen von7,9 Mrd. DM haben, aber die Kommunen haben einenEinnahmeverlust von 4,4 Mrd. DM zu verzeichnen. Imgleichen Zeitraum ist der kommunale Sozialetatbedeutend gestiegen, allein 1993 um 48,9 Mrd. DM,und laut Einschätzung des Deutschen Städtetags wirder 1998 um 8,9 Prozent steigen müssen. Damit wirdeine Entwicklung fortgesetzt, die sich in den altenBundesländern seit 1982 vollzogen hat. Im Zeitraumvon 1982 bis 1991 hatte sich der Bund durch Steuer-rechtsänderungen Mehreinnahmen von 46 Mrd. DMgesichert. Im gleichen Zeitraum wurden durch dieseSteuerrechtsänderungen den Kommunen Einnahme-möglichkeiten in Höhe von 55 Mrd. DM entzogen. Ichbin nicht in der Lage, umfassend den notwendigen An-teil des Bundes und dessen Entwicklung an den Steuer-einnahmen zu bewerten, aber eines wird in der dar-gestellten Entwicklung deutlich: Der Bund versucht zu-nehmend seinen Haushalt auf Kosten der Kommunen

zu sanieren. Die Einnahmen der Kommunen an denSteuereinnahmen - im Gegensatz zu denen des Bundesund der Länder - gingen zurück, gleichzeitig werden anKommunen zusätzliche Aufgaben mit zusätzlichenfinanziellen Lasten übertragen. Darüber haben wir oftgesprochen, und wir werden sicher noch sehr viel öfterdarüber reden. Das Land Thüringen verschärft dieseSituation noch mit dem Gesetz über den KommunalenFinanzausgleich, wodurch die Kommunen für das Jahr1995 völlig unzulänglich an den Bundesergänzungszu-weisungen und am Länderfinanzausgleich beteiligt wur-den. Wir hatten gesagt, 1995 waren es 600 Mio. DM zuwenig. Auf dieser Grundlage wird nunmehr Jahr für Jahrdiese Ungerechtigkeit fortgesetzt. Im Jahre 1996 gehenden Thüringer Kommunen durch die Neuregelung desFamilienlastenausgleichs zusätzlich 36 Mio. DM Ein-nahmen aus der Einkommenssteuer verloren. Das Landreicht die höheren Einnahmen aus der Erhöhung desUmsatzsteueranteils nicht in voller Höhe an die Kom-munen weiter. Dem ganzen wird dann noch die Kroneaufgesetzt, indem die für die Kommunen geplantenFördermittel seit mehreren Jahren nicht in voller Höheausgereicht werden und zumindest teilweise für dieSanierung des Landeshaushalts genutzt werden. Aufdiese Weise wurde und wird die finanzielle Not in denKommunen verursacht. Bund und Land haben glei-chermaßen daran Anteil. Deshalb ist es so dringendnotwendig, eine generelle Reform der Kommunalfi-nanzen ernsthaft in Angriff zu nehmen.

(Glocke des Präsidenten)

(Beifall bei der PDS)

Darf ich noch eine Bemerkung zur Gewerbesteuer ma-chen? Nein. Ich wollte nur beweisen, warum ich hierHerrn Ulbrich nicht zustimmen kann.

Vizepräsident Friedrich:

Eine Bemerkung können Sie noch machen, ein, zweiSätze, genau wie Herr Ulbrich.

Abgeordnete Frau Dr. Wildauer, PDS:

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Abernicht die gleichen.)

Wir lehnen die vorgesehene Form der Abschaffung derGewerbekapitalsteuer ab. Einmal: Um die Kommunenals Ausgleich für die weggefallenen Einnahmen ausder Gewerbesteuer an der Umsatzsteuer zu beteiligen,ist ein konkreter orts- und wirtschaftsbezogener Schlüs-sel zur Aufteilung des Umsatzsteueraufkommens aufdie Gemeinden notwendig. Was Sie nannten, ist nur ei-ne Übergangslösung, und damit würden eigentlich dieKommunen letztlich die Katze im Sack kaufen. Aber

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2406 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

die zweite kann ich leider nicht mehr bringen, die wäresicher viel interessanter.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke der Frau Abgeordneten Dr. Wildauer. Alsnächsten Redner bitte ich Herrn Abgeordneten Pohlvon der Fraktion der SPD nach vorn.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Herr Präsident, mein Damen und Herren Abgeordne-ten, mein Fraktionskollege Dr. Pidde ist in dankens-werterweise auf die Hintergründe der vom BonnerKabinett beschlossenen vorzeitigen Senkung des Soli-darzuschlages eingegangen und hat auch die finanziel-len Folgen beleuchtet, die bei der vom Bundesfinanz-minister vorgeschlagenen Gegenfinanzierung auf Thü-ringen zukommen. Ich möchte an dieser Stelle den Bo-gen noch ein klein wenig weiter spannen. 1996 wirddas Jahr sein, in dem eine ganze Reihe von steuerrecht-lichen Entscheidungen getroffen werden müssen. AlsFolge des Einheitswerturteils des Bundesverfassungs-gerichts müssen die Vermögens- und Erbschaftssteuerreformiert werden. Die Grundsteuer und die Gewerbe-kapitalsteuer sind ebenfalls über die Bemessungsgrund-lage davon mit betroffen. Hinzu kommt das Ziel derBonner Regierungskoalition, die Gewerbekapitalsteuerweiter zu senken. Die Auswirkungen dieser anstehen-den Steuerreform können schon als mittleres Erdbebenin den Finanzbeziehungen zwischen Bund, Ländernund Kommunen angesehen werden. Deshalb ist dieForderung der Länder und Kommunen, eine solche Re-form nur auf der Grundlage einer ausreichenden undverläßlichen Datenbasis mitzutragen, mehr als berech-tigt.

(Beifall bei der SPD)

Wichtig ist vor allem die Sicherung der Aufkommens-neutralität der vorgesehenen Steuerrechtsänderungenim Hinblick auf die Einnahmen der Länder und Kom-munen.

(Zwischenruf Abg. Döring, SPD: Richtig.)

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, diese Länder und Kommu-nen verfügen eben nicht wie der Bund über Refinanzie-rungsmöglichkeiten, jedoch gehen gerade bei der Refi-nanzierung von Steuerausfällen die Ansichten der Be-teiligten weit auseinander. Die Vorschläge des Bundes-finanzministers können bisher vor allem aufgrund feh-lender Berechnungen nur als unzureichend bezeichnet

werden. Es kann nicht, wie von der Bonner Regie-rungskoalition angestrebt, nur um eine ideologisch mo-tivierte schnelle Abschaffung der Vermögens- und Ka-pitalsteuer gehen. Vorschläge in dieser Richtung müs-sen einhergehen mit konkreten und vor allen Dingenrealistischen Refinanzierungsvorschlägen. Für die Ab-schaffung der Vermögenssteuer, deren Volumen 1997immerhin rund 8,5 Mrd. DM ausmachen würde, sindeben auch Waigel und die immer neue Forderungenaufstellende FDP bisher jeglichen Finanzierungsvor-schlag schuldig geblieben. Sollen als Ausgleich dafürdie finanziellen Leistungen für die neuen Bundesländernoch weiter zurückgefahren werden? Soll es zu weite-ren Einschnitten im sozialen Netz kommen oder sollder Staat noch höhere Schulden machen? Dies ist allesden Genannten zuzutrauen. Die Überlegungen in bezugauf die Gewerbesteuern sind aus unserer Sicht nur imRahmen einer neuen Gemeindefinanzreform zu reali-sieren. Wir brauchen eine Reform, die auch die langfri-stigen Ausgaben- und Einnahmeentwicklungen auf derkommunalen Ebene mit einbezieht.

(Beifall bei der CDU)

Die Beschlüsse des Bundesverfassungsgerichts zur gel-tenden Einheitswertbesteuerung geben einen weiterenAnlaß für eine umfassende Reform des Gemeindefi-nanzsystems. Anzumerken sei an dieser Stelle, daß beieiner möglichen Abschaffung der Gewerbekapitalsteu-er generell auch für die Kommunen in den neuen Län-dern ein finanzieller Ausgleich zu schaffen ist,

(Beifall bei der SPD)

trotz der Tatsache, daß die Steuer hier bisher nicht er-hoben wurde. Dies muß auch von hier eine unüber-hörbare Forderung in Richtung Bonn sein. Es bleibt zuhoffen, daß die Bonner Regierung anders als beimSolidaritätszuschlag auf erneute Schnellschüsse ver-zichtet und endlich fundierte Reformansätze für diegenannten Steuern vorlegt.

(Beifall bei der SPD)

In einer gemeinsamen Anstrengung von Bund, Ländernund Kommunen muß dann ein tragfähiger Kompromißgefunden werden, ein Kompromiß, der finanzpolitischsolide und zukunftsorientiert sein sollte. Ich danke Ih-nen.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten Pohl. Als nächsten Red-ner bitte ich Herrn Minister Trautvetter nach vorn.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2407

Trautvetter, Finanzminister:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, es ist doch schon recht eigenartig, wie die Debattehier läuft, ob das Thema aktuell ist oder nicht. Wannwollen Sie sich denn mit einem solchen aktuellenThema befassen? Wenn in Bonn die Messen gelesensind und wir nur noch die Auswirkungen feststellenkönnen oder wenn wir uns jetzt mit dem Thema befas-sen und aktiv Vorschläge in den Gesprächen in Bonneinbringen?

(Beifall bei der SPD)

Jetzt ist die Zeit, sich mit dem Thema "Finanzbezie-hungen Bund und Länder" zu befassen.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Höpcke, PDS: Wie beimBaföG.)

(Zwischenruf Abg. Frau Nitzpon, PDS: Ganzgenau.)

Wenn Frau Neudert sagt, es sind keine konkreten Vor-schläge da, es sind sehr wohl konkrete Vorschläge da.Es gibt jetzt den Vorschlag wegen der Abschaffung desSolidaritätszuschlages. Es gibt den Vorschlag des BMFzum Ausgleich für die Gewerbekapitalsteuer, es gibtverfassungsrechtlich gebotene Entscheidungen zur Ver-mögenssteuer, zur Schenkungs- und Erbschaftssteuer.Das hat alles Auswirkungen auf die Bund-Länder-Fi-nanzbeziehungen, und dort muß man sich aktiveinbringen. Frau Dr. Wildauer, wir haben sehr wohlden Kommunen den vollen Anteil gegeben im Rahmendes Familienleistungsausgleichs. Gerade der FreistaatThüringen hat in den Gesprächen den Forderungen desGemeinde- und Städtebundes widerstanden, die gesagthaben, wir wollen die Erhöhung des Anteils an derLohn- und Einkommenssteuer um 1 Prozent. Dann hät-ten die Kommunen einen Ausgleich bekommen vonjährlich 50 Mio. DM. Durch die jetzige Regelung erhaltendie Kommunen 1996 einen Ausgleich von 109 Mio. DM.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, das ist ein Ergebnis, an dem auch der Frei-staat Thüringen seinen Anteil hat. Auch aus einem an-deren Grund ist es aktuell. Wer die Vorschläge zumAbbau des Solidaritätszuschlages einmal nachvollzieht,der kennt sehr wohl unsere Befürchtungen, daß finan-zielle Entlastungen, die zu Einbußen auf der Einnah-menseite des Bundes und der Länder führen, letztend-lich zu Lasten der Leistungen für die jungen Ländergehen.

Meine Damen und Herren, ich bin zwar der Bundesre-gierung und den Abgeordneten des Finanzausschussesdes Deutschen Bundestages, die kürzlich hier in Erfurtgetagt haben, ausdrücklich dankbar, daß sie erklärt ha-ben, die Rückführung des Solidaritätszuschlages dürftenicht zu unseren Lasten gehen und wäre ein alleinigesProblem zwischen dem Bund und den alten Bundes-ländern. Aber, meine Damen und Herren, de facto istdies durch die vom BMF geforderte Abgabe von Um-satzsteuerpunkten dennoch der Fall, denn davon sindauch wir betroffen. Für den Freistaat Thüringen bedeu-tet die Abgabe eines Prozentpunktes bei der Umsatz-steuer an den Bund ein Minus von 80 Mio. DM jähr-lich. Und vor dem Hintergrund der Steuerrückgängeder letzten Monate muß ich Ihnen, meine Damen undHerren, nicht vor Augen führen, daß der ThüringerLandeshaushalt einen solchen Einnahmeverlust nichtverkraften kann. Ich möchte Ihnen noch einmal insGedächtnis rufen, wie wir aufgrund der Steuerschät-zung vom Oktober 1995 über 500 Mio. DM im Haus-halt 1996 einsparen mußten, mit der Folge, im laufen-den Haushaltsjahr mit nur rund 30 Mio. DM Ausgaben-steigerung eine quasi Nullrunde fahren zu müssen. Umes noch einmal deutlich zu sagen, wir benötigen dieMittel vom Bund und von den alten Ländern dringendzum wirtschaftlichen Aufbau bei gleichzeitiger Kon-solidierung der Finanzverhältnisse in den neuenLändern. Diese Notwendigkeit wird um so deutlicher,wenn wir uns die Verschuldungssituation der jungenLänder vor Augen halten. Die außergewöhnliche Situa-tion, der wir uns in den Jahren 1991 bis 1994 gegen-übersahen, der enorme Nachholbedarf und der damitim Zusammenhang stehende Ausgabendruck zwangenuns zu einer überdurchschnittlichen Schuldenaufnah-me. Wir haben Kreditfinanzierungsquoten von über20 Prozent gehabt und Ende 1994 einen Schuldenstandvon rund 10,2 Mrd. DM oder über 4.000 DM pro Ein-wohner erreicht. Wir sind mit der Nettoneuverschul-dung bis 1994 an die verfassungsmäßige Grenze derKreditaufnahme gestoßen. So hätte es nicht weiterge-hen können. Deswegen kommt der Einbeziehung derjungen Länder in den bundesstaatlichen Finanzaus-gleich ab 1995 eine so enorme Bedeutung zu, denn da-durch werden die Haushalte der jungen Länder auf eineverbesserte und solide finanzielle Basis gestellt. DieRegelungen des bundesstaatlichen Finanzausgleichssind recht kompliziert - Umsatzsteuerausgleich, hori-zontaler Länderfinanzausgleich und die sogenanntenFehlbetragsbundesergänzungszuweisungen. Damit errei-chen wir eine Angleichung der Finanzkraft an99,5 Prozent des Länderdurchschnitts, und darüber hin-aus gibt es Sonderbedarfsbundesergänzungszuweisungen,die auch Thüringen erhält. Die Finanzhilfen sind hierbereits genannt worden: für zehn Jahre jährlich Fi-nanzhilfen nach Artikel 104 a Abs. 4 Grundgesetz zumAusgleich unterschiedlicher Wirtschaftskraft, insge-samt 6,6 Mrd. DM. Thüringen erhält 1996 aus dem Fi-

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nanzausgleich insgesamt 6,324 Mrd. DM, und hinzukommen noch 946 Mio. DM aus dem Investitionsför-dergesetz Aufbau Ost. Ich denke, vor diesem Hinter-grund spielt die Einnahmesituation des Landes schoneine Rolle und ist auch ein aktuelles Thema. Jede derEntscheidungen, die momentan in Bonn vorbereitetwerden, berührt die Einnahmesituation der jungen Län-der und damit unsere Haushaltssituation.

Meine Damen und Herren, wir haben 1995 einen ent-scheidenden Schritt in Richtung Haushaltskonsolidie-rung vollziehen können. Die Kreditfinanzierungsquoteblieb erstmals unter 10 Prozent, obwohl wir 145 Mio.DM mehr Kredite aufnehmen mußten als geplant. So-mit ist der Schuldenstand auf 11,9 Mrd. DM ange-wachsen. Das entspricht 4.724 DM pro Einwohner.Dennoch - und das hängt auch wieder mit der Einnah-menseite zusammen - muß bei allen Gebietskörper-schaften, insbesondere im Hinblick auf die Einhaltungder Maastrichtkriterien, der weitere Abbau der Netto-neuverschuldung absolute Priorität besitzen. Vor die-sem Hintergrund dürfen die jungen Länder nicht zumSparschwein des Bundes werden. Hier muß die Deviselauten: Sparen ja, aber nicht an der falschen Stelle. Ichsage das aus gutem Grund, denn vielfach wird in jüng-ster Zeit in Diskussionen und Veröffentlichungen dievorrangige Förderung der jungen Länder in den kom-menden Jahren in Frage gestellt. Diesem Gedankenmuß man energisch entgegentreten, und zwar so lange,wie die Angleichung der Lebensverhältnisse zwischenOst und West noch nicht abgeschlossen ist. Daß unsereostdeutsche Wirtschaft von den westdeutschen Ver-hältnissen noch weit entfernt ist, verdeutlichen einigewesentliche Kennziffern. So stieg der Anteil Ost-deutschlands am gesamtdeutschen Bruttoinlandspro-dukt seit 1991 zwar um mehr als 40 Prozent insgesamt,aber der Anteil in absoluten Zahlen liegt noch bei10,4 Prozent. Die Produktivität hat sich deutlich ver-bessert; sie liegt ebenfalls erst bei gut 53 Prozent. DieIndustrieproduktion macht gerade einmal 5 Prozent dergesamtdeutschen aus, und der Anteil der ostdeutschenExporte steigt zwar deutlich, beträgt aber an der ge-samtdeutschen Warenausfuhr nur insgesamt etwa2 Prozent. Hinzu kommt, daß die aktuellen wirtschaft-lichen Eckdaten erstmals einen verlangsamten Auf-holprozeß in den nächsten Jahren erwarten lassen. Ge-rade auch aus diesem Grund sind die vom Bund überdie Jahrtausendwende hinaus bereits festgelegten Inve-stitionshilfen nach dem Investitionsfördergesetz Auf-bau Ost ein starkes Zeichen in die richtige Richtung.Und im übrigen möchte ich einen Punkt noch geson-dert ansprechen: Angesichts der Gefahr, daß die Bau-industrie ihre Funktion als Konjunkturlokomotive inden jungen Ländern verlieren könnte, erscheint es mirausgesprochen problematisch, gerade jetzt die bisheri-gen Sonderabschreibungsmöglichkeiten ab 1997 dra-stisch abzusenken.

(Beifall bei der CDU)

Nach dem gerade verabschiedeten Jahressteuergesetzist eine Halbierung des Abschreibungssatzes beimMietwohnungsbau auf 25 Prozent vorgesehen. Und ge-rade auch aufgrund der erheblichen Beschäftigungsef-fekte im baunahen Gewerbe erscheint mir eine Anhe-bung des Abschreibungssatzes hierbei für dringend ge-boten.

(Beifall Abg. Ulbrich, CDU)

Das noch anliegende Restantengesetz bietet hier dieGelegenheit, die Sonderabschreibungen im Mietwoh-nungsbau vorwiegend bei Sanierungen und Instandset-zungen nochmals zu überdenken. Und das sollten wirnicht ungenutzt lassen.

Meine Damen und Herren, Sie sehen, es gibt eineganze Reihe aktueller Themen, die momentan in Bonnverhandelt werden, die ausdrücklich die Finanzbezie-hungen zwischen Bund und Ländern berühren und un-sere Einnahmesituation verbessern oder verschlechternkönnen. Abschließend möchte ich noch einmal klarund deutlich sagen: Die neuen Länder werden, und dassteht gerade auch aufgrund der aktuellen Wirtschafts-daten außer Frage, noch auf Jahre hinaus auf die Aus-gleichszahlungen von Bund und alten Ländern ange-wiesen sein. Ich sehe hierin auch einen Ausdruck derSolidarität und des Zusammenwachsens der alten mitden jungen Ländern. Und weil wir insgesamt gesehenauf dem richtigen Weg sind, sage ich: Finger weg voneiner vorschnellen Veränderung der bestehenden Fi-nanzierungsregelungen zwischen Bund, den alten undden neuen Ländern. Das muß in den jetzigen Gesprä-chen in Bonn mit berücksichtigt und eingebracht wer-den. Und deswegen ist das Thema so aktuell wie keinanderes Thema in dieser Zeit. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Minister Trautvetter. Damit sind wiram Ende der Aktuellen Stunde angekommen, und ichschließe diesen Tagesordnungspunkt. Wir werden jetzteinen Wechsel vornehmen und wie folgt verfahren: Eswird jetzt noch der Tagesordnungspunkt "Konzept fürnachwachsende Rohstoffe" aufgerufen, danach würdenwir in den beschlossenen vorletzten und letzten Tages-ordnungspunkt eintreten, also Gemeinschaftsaufgabeund Bischofferode. Und sollte danach, was ich kaumglaube, noch Zeit sein, würden wir dann heute nochTheaterfinanzierung abarbeiten.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2409

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Meine Damen und Herren, wir kommen zum Tages-ordnungspunkt 5 b

Konzept für nachwachsende RohstoffeAntrag der Fraktionen der CDU und SPD- Drucksache 2/884 -

Wird das Wort zur Einbringung gewünscht? Das istganz offensichtlich nicht der Fall. Dann eröffne ich dieAussprache. Es hat ums Wort gebeten die Frau Abge-ordnete Beck, Entschuldigung, Herr Abgeordneter Wun-derlich, CDU-Fraktion. Entschuldigen Sie bitte, HerrAbgeordneter, hier hat mein Kollege mir eine kleineNachlässigkeit hinterlassen, das verstößt gegen die Ge-schäftsordnung. Die Reihenfolge, Frau AbgeordneteBeck, PDS-Fraktion, ist richtig, weil der erste Rednernicht der einreichenden Fraktion angehören darf.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

Verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren,dem hier vorliegenden Antrag zur Erarbeitung einesressortübergreifenden Konzepts zur Förderung derNutzung nachwachsender Rohstoffe durch die Landes-regierung kann vom Grundsatz her durch die Fraktionder PDS zugestimmt werden. Dies um so mehr, als be-reits in der Vergangenheit durch unsere Fraktion imZusammenhang mit den Problemen der Landwirtschaftbzw. der Beschäftigung im ländlichen Raum und imUmweltschutz auf die Möglichkeiten und Chancen bei derNutzung nachwachsender Rohstoffe wiederholt hinge-wiesen wurde. Erfreulich, daß nun auch in den Koali-tionsparteien, wenn auch offensichtlich im Zusammen-hang mit dem Inkrafttreten des Kreislaufwirtschafts-und Abfallgesetzes kurzfristig konzeptionelle Arbeitgefordert wird. Dabei hat es vielerorts erfolgver-sprechende Ansätze gegeben, die aber leider bisher nurin Einzelmaßnahmen steckengeblieben sind und derenlandes- und regionalweite Verbreitung fehlt. Wir unter-stützen die Idee einer ressortübergreifenden Konzep-tion, wenn sie folgende Zielstellungen beinhaltet:

1. Nachhaltiger Schutz der Umwelt durch Förderungdes Einsatzes nachwachsender Rohstoffe, die eine hoheUmweltverträglichkeit, eine geringe Abfallmenge so-wie eine unproblematische und damit kostengünstigeAbfallbeseitigung garantieren.

2. Förderung der Forschung für Produkte und Einsatz-möglichkeiten nachwachsender Rohstoffe, der Erpro-bung von Versuchsanlagen und Musterprodukten unddie schrittweise flächendeckende Produktion und Ver-arbeitung; gleichzeitig die Förderung der flächen-deckenden Anwendung der nachwachsenden Rohstoffeund ihrer Veredelungsprodukte mit der nachweisbaren

Zielstellung der Sicherung und Schaffung neuer Ar-beitsplätze in Forschung und Entwicklung, in Land-und Forstwirtschaft und anwendender Wirtschaft.

3. Förderung des Einsatzes nachwachsender Rohstoffemit dem Ziel der Stärkung regionaler Wirtschaftskreis-läufe, der Verringerung kostenseitiger Belastungen derBürger und Kommunen und der Schaffung neuer Per-spektiven im ländlichen Raum.

Die Verwirklichung dieser Zielstellungen bedingt inder Tat eine ressortübergreifende Bündelung aller För-dermöglichkeiten, eine einfache, überschaubare undunbürokratische Förderpraxis, die Einbeziehung inter-nen und externen Fachwissens, die Beteiligung von be-rufsständischen Verbänden, Gewerkschaften und Ver-einen, Ämtern, kommunalen Verbänden und Kommu-nen bei Vermeidung von hemmendem einseitigen Lob-byismus, eine kurzfristige Umsetzung in anwendbarepraktikable Lösungen. Damit ist zu vermeiden, daß eszu so blamablen Pannen kommt wie z.B. beim Hanf-anbau, wo man nach Vorliegen der Erlaubnis zum An-bau rauschmittelarmer Hanfsorten feststellt, daß keinSaatgut für die kommende Vegetationsperiode vor-handen ist, da es solches innerhalb der EU nicht gibtund für den notwendigen Import aus Osteuropa keineImporterlaubnis der Europäischen Kommission vor-liegt. Statt dessen sollte die Gelegenheit genutzt wer-den, die Einsatzmöglichkeiten für nachwachsende Roh-stoffe systematisch zu erweitern und damit für Land-und Forstwirtschaft die unbedingt notwendigen wirt-schaftlichen Standbeine zu schaffen. Das bedingt, daßauch in anderen Wirtschaftsbereichen nach neuen oderder Wiedereinführung alter Einsatzmöglichkeiten ge-sucht wird. Das betrifft besonders den verstärkten Ein-satz von Holz im gesamten Baubereich als Ersatz fürKunststoff, Stahl, Beton usw., aber nicht nur als einpolitisches Lippenbekenntnis, sondern wie in den ande-ren Bundesländern durch Änderung von Anwender-richtlinien, Förderbedingungen und Vorschriften. Ichglaube, auch da ist man auf einem guten Weg. Dieskönnte aber auch die Förderung der Entwicklung unddes Einsatzes von kombinierten Öfen für Holz, Kohle,Öl bzw. Holzhackschnitzel in privaten Haushalten sein.Erweiterte Einsatzmöglichkeiten von nachwachsendenRohstoffen wie Biodiesel fördern Landwirtschaft, Ma-schinenbau und Umwelt. Sie erfordern aber auch beieinem flächendeckenden Einsatz eine andere Agrar-politik bezüglich des Rapsanbaus in Thüringen und be-deuten ein stärkeres Engagement der Landesregierungin Bonn und darüber hinaus in Brüssel.

(Beifall bei der PDS)

Es gibt noch viel mehr gute Ideen und Beispiele, die eswert sind, genau untersucht und geprüft zu werden.

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Wir sind uns sicher, daß nicht alles realisierbar seinwird, aber ernsthaft versucht muß man es haben.

Deshalb fordern wir als PDS-Fraktion die Überweisungdes Antrags federführend an den Ausschuß für Land-wirtschaft und Forsten sowie an den Umweltausschuß.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Jetzt darf ich Herrn Abgeordneten Wun-derlich bitten.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, werte Frau Beck, ich möchte Sie nur darauf auf-merksam machen, wir hatten von seiten der CDU-Frak-tion zum Thema nachwachsender Rohstoffe Nummer1, dem Holz, in Crock, Landkreis Hildburghausen, einesehr interessante Veranstaltung. Sie haben ja daran teil-genommen. Wenn ich mich recht erinnere, haben Siedamals zu mir gesagt: Man kann noch sehr vielhinzulernen. Daß Sie natürlich jetzt irgend etwas mitnachwachsenden Rohstoffen auf die Fahne der PDSschreiben, ist von meiner Seite her recht merkwürdig.Aber ich glaube, das werden Sie mir doch zugestehen,das war eine sehr gut gelungene Veranstaltung.

(Zuruf Abg. Frau Beck, PDS: Das ist nichtzu leugnen.)

Das können Sie nicht leugnen.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, das Bedürfnis der Menschen wird mehr und mehrdadurch geprägt, den industriellen Fortschritt soweitwie möglich mit der Natur in Einklang zu bringen. Dasheißt, wir müssen die technische Innovation zumSchrittmacher auf dem Weg zu einem verbessertenUmweltschutz machen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich glaube,wir sind auch die Generation, die zum erstenmal ei-gentlich bewußt um die Begrenztheit der natürlichenRohstoffe weiß und dementsprechend auch handelnmuß. Aber dank der Wissenschaften sind uns Mittel indie Hand gegeben, den technischen und industriellenFortschritt immer mehr mit der Empfindlichkeit ökolo-gischer Systeme in Einklang zu bringen. Bei diesenBemühungen gewinnen nachwachsende Rohstoffe eineimmer stärkere Bedeutung, denn sie sind im Gegensatzzu den fossilen Rohstoffen kaum begrenzt, da sie stän-dig neu gebildet werden. Wir von der CDU-Fraktionhaben die nachwachsenden Rohstoffe zu einemSchwerpunktthema gemacht, und dazu bin ich meinen

Kollegen in der Fraktion zu Dank verpflichtet, dennwir sehen darin eine Herausforderung und eine Per-spektive. Die Natur produziert jährlich rund 170 Mrd.Tonnen pflanzliche Biomasse. Bisher werden jedochnur 3 bis 4 Prozent dieses Potentials wirtschaftlich ver-wertet. In einer großen deutschen Tageszeitung äußertesich im November 1995 unter der fettgedruckten Über-schrift "Eine neue Chemie nach dem Vorbild der Na-tur" der Forschungschef der Düsseldorfer Firma "Hen-kel", Herr Umbach, ein ausgesprochener Experte aufdem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe. Er rechnetdamit, daß sich der relative Anteil der Biomasse amRohstoffbedarf, der für die chemische Industrie inDeutschland derzeit bei etwa 10 Prozent liegt, in Zu-kunft stark vergrößern wird. Er sagt: Die Zeit arbeitetfür die nachwachsenden Rohstoffe. Meine sehr verehr-ten Damen und Herren, genau diese Zeit dürfen wir inThüringen nicht verschlafen. Angesichts dessen, daßnachwachsenden Rohstoffen im Rahmen einer umwelt-verträglichen und nachhaltigen Land- und Forstwirt-schaft und einer dem Kreislaufwirtschaftsgesetz, dasam 7. Oktober 1996 in Kraft tritt, angepaßten Markt-wirtschaft große Wachstumschancen eingeräumt wer-den, hat sich die CDU ganz bewußt, ich sage ganz be-wußt, dieses Themas angenommen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, um hier nichtnur zu diskutieren, weil nun in Bonn das Betäubungs-mittelgesetz es ermöglicht hat und den Anbau ver-schiedener Hanfsorten freistellt, sondern die Anbau-und industriellen Einsatzmöglichkeiten von Faserpflan-zen insgesamt, einschließlich des Holzes in Thüringen,voranzubringen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die Politikmuß hierbei als Partner auftreten, wenn es darum geht,die Rahmenbedingungen zu bewerten und selbstver-ständlich gegebenfalls zu verändern, um die nochfehlende Wettbewerbsfähigkeit der nachwachsendenRohstoffe herzustellen und neue Anwendungsbereichezu erschließen.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, die von unse-rer Fraktion durchgeführten Symposien, einmal im No-vember 1995 am Thüringer Institut für Textil- undKunststofforschung in Rudolstadt/Schwarza zum The-ma "Anbau und innovative Verwertung von nachwach-senden Rohstoffen als Werk-, Faser- und Gerüststoffe"und zum anderen Ende Januar 1996 in Crock, Land-kreis Hildburghausen, zum Thema "Wald und Holz fürdie wirtschaftliche Strukturentwicklung in Thüringen",haben bei Erzeugern, den Land- und Forstwirten, derWissenschaft - und ich muß gestehen, es war eine Viel-zahl von Wissenschaftlern anwesend - und selbstver-ständlich der Industrie eine von uns kaum für möglichgehaltene Resonanz gefunden, meine sehr verehrtenDamen und Herren, und beileibe nicht nur bei den

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2411

Thüringern, sondern bei den Experten aus unserenNachbarländern aus Bayern, Hessen, Niedersachsenund Sachsen. Diese Aufmerksamkeit zeigt, daß nach-wachsende Rohstoffe in der Industrie immer mehr anBedeutung gewinnen, vor allem in der Automobilindu-strie. Das zeigt ja auch die Entscheidung der Automo-bilindustrie, ab kommendem Oktober Altautos zurück-zunehmen. Hier werden vor allem gut recycelbare Tei-le für die Autoindustrie interessant und vor allem auchin der Bauindustrie, wenn ich an die Dämmung undverschiedene Paletten denke. Somit, meine Damen undHerren, ergibt sich auch eine Chance für die Landwirt-schaft, die so gesehen werden kann, die Einkommens-situation zu verbessern.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es ist er-staunlich, werte Frau Beck, welches Innovations-potential, vielleicht hätten Sie beim ersten Symposiumauch schon dabei sein sollen, in Thüringen bereits jetztschon vorhanden ist, wenn ich da an die Ergebnisse inder Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft denkeoder wenn ich an das Institut in Rudolstadt/Schwarzadenke oder an das Textilinstitut in Greiz. Sowohl aufForschungsseite als auch durch die Industrie, und viel-leicht möchte ich daran erinnern, daß das Empe-Werkin Ebersdorf jährlich bis zu 5.000 Tonnen Kurzfasernfür Türeninnenverkleidungen bei der Autoindustrieheutzutage verarbeitet. Diese Kurzfasern werden leidersowohl aus Asien als auch aus Südosteuropa bezogen.Ich glaube, hier haben wir eine Chance, gerade für dieAutomobilindustrie. Oder wenn ich an die Ergebnisseder Prüf- und Forschungsanstalt in Weimar denke,gerade welche Ergebnisse hier für die Bauindustrievorliegen. Unsere Anregung bei diesen Symposien inRudolstadt war, die Arbeit von Erzeugern, Forschernund Anwendern zu bündeln.

Meine sehr verehrten Damen und Herren und werteFrau Beck, da sind wir auch schon sehr weit, denn auf-grund dieser Initiative hat sich der Thüringer Landes-verband der Erzeuger und Anwender von natürlichenFaserstoffen gebildet, in der die Landwirtschaft durchden Bauernverband vertreten ist, in denen die ver-schiedendsten Institute vertreten sind und in dem ebenauch die Industrie vertreten ist. Es ist durch unsere Ini-tiative ein Projekt "Innovative Verwertung von nach-wachsenden Rohstoffen als Werk-, Faser- und Gerüst-stoffe" mit Unterstützung von STIFT in Arbeit, alsoauf den Weg gebracht worden.

(Beifall bei der CDU)

Um das Potential "nachwachsende Rohstoffe" konse-quent zu nutzen, ist Handeln angesagt. Deshalb schlageich vor:

1. einen interministeriellen Fachbeirat "nachwachsendeRohstoffe" zu gründen. Dieser Fachbeirat muß sichministeriumsübergreifend vertieft mit dem Thema "nach-wachsende Rohstoffe", insbesondere unter Forschungs-,Energie-, Umwelt-, Wirtschafts- und Landwirtschafts-aspekten auseinandersetzen und dazu beitragen, dennachwachsenden Rohstoffe den ihnen zukommendenStellenwert in der politischen Diskussion und darüberhinaus am Markt zu verschaffen. Eine Einbindung desneu gegründeten Landesverbandes ist hier unbedingtnotwendig.

2. Es ist zu prüfen, und ich schlage vor, der Aufbau ei-nes Logistikzentrums in Thüringen, denn Erfahrungenaus der bisherigen Bearbeitung im Bereich "nachwach-sende Rohstoffe" haben gezeigt, daß die Chancen nach-wachsender Rohstoffe besonders stark von den Absatz-möglichkeiten bestimmt werden. Die Wirtschaftlich-keit erfordert eine vollständige Vermarktung des Roh-stoffes und somit ein branchenübergreifendes Herange-hen. Ensprechende Verarbeitungs- und Vermarktungs-ketten sind nicht nacheinander, sondern parallel undunter früher Einbindung potenter Endkunden aufzu-bauen, da nur so der wirtschaftliche Erfolg gesichertwerden kann. Das Ziel ist dann erreicht, wenn die ver-tikale Verarbeitungskette nicht wie bisher durch dieSchubwirkung der Landwirtschaft, sondern durch dieSogwirkung des Marktes dominiert wird, von der dannwieder die Landwirtschaft profitiert.

3. Die finanzielle Förderung von Projekten solltezweckmäßigerweise gebündelt von einem Verantwor-tungsbereich ausgehen. Ich glaube, dies könnte die er-ste Aufgabe eines Fachbeirates sein.

4. Wie wir wissen, gibt es zur Zeit keine umweltehr-lichen Marktpreise. Deshalb muß die breitere Markt-einführung nachwachsender Rohstoffe durch ökono-mische Anreize wie Steuervorteile oder die entspre-chenden Förderangebote und durch ordnungsrechtlicheMaßnahmen wie Anwendungsgebote in umweltsensib-len Bereichen konsequent unterstützt werden.

5. Entrümpelung und wesentliche Vereinfachung vonVerwaltungsvorschriften für den Anbau von nachwach-senden Rohstoffen. Zuerst müssen die Meldefristenverlängert und praxisgerecht angepaßt werden, meineDamen und Herren. Bislang muß ein Betrieb, der aufStillegungsflächen angebaute und nachwachsende Roh-stoffe verarbeitet, eine Kaution in Höhe von 120 Pro-zent der Stillegungsprämie hinterlegen. Meine sehrverehrten Damen und Herren, das ist wesentlich zuviel. Erst gar nicht nachvollzogen werden kann, wo-nach 15 Prozent der hinterlegten Kautionssumme fürnachwachsende Rohstoffe bei Überschreitung der Mel-depflicht eingehalten werden sollen. Das ist eine amgrünen Tisch ausgehandelte praxisferne Regelung.

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2412 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Meine sehr verehrten Damen und Herren, nutzen wirdie Chance, die uns die nachwachsenden Rohstoffebieten. Nicht nur im eigenen Interesse, sondern auchaus Verantwortung gegenüber den nachfolgenden Ge-nerationen müssen wir diese Möglichkeit nutzen undalles daran setzen, um unsere natürlichen Lebensgrund-lagen zu erhalten. Ich beantrage die Überweisung anden Ausschuß für Landwirtschaft und Forsten federfüh-rend, an den Ausschuß für Wirtschaft, an den Ausschußfür Wissenschaft, Forschung und Kultur sowie an denHaushalts- und Finanzausschuß. Danke.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat der Abgeordnete Dr. Mäde,SPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Dr. Mäde, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, nachwachsende Rohstoffe gewinnen, wie Sie ebengehört haben, für Industrie und Landwirtschaft zuneh-mend an Bedeutung. Energetische Nutzung von Bio-masse, Öl und Dieselkraftstoffe, Werkstoffe und Bio-plastik aus Amylose und Stärke, die ganze Palette neu-artiger Baustoffe aus beispielsweise ertragreichen undschnellwachsenden Pflanzen, die Vorteile einheimischerFaserstoffe, vor allem die vielfältigen Verwendungs-möglichkeiten der uralten Kulturpflanze Hanf sind der-zeit in aller Munde. Der Thüringer Bioenergietag 1995,Herr Kollege Wunderlich, den haben Sie in Ihrer Auf-zählung vergessen, am 24. Oktober vergangenen Jahresin Dornburg hat dies sehr deutlich zum Ausdruck ge-bracht. Denn Thüringens Land- und auch die Forstwir-te interessieren sich in zunehmendem Maße für denAnbau und die Verwertung nachwachsender Rohstoffe.Die Vorteile nachwachsender Rohstoffe, sie in zuneh-mendem Maße anzubauen bzw. zu nutzen, liegen aufder Hand. Neben den mit nachwachsenden Rohstoffenverbundenen Umweltvorteilen wie Umweltverträglich-keit, die CO2-Neutralität und die biologische Abbau-barkeit dienen sie vor allem der Schaffung und Erhal-tung von Arbeitsplätzen, besonders auch im ländlichenRaum. Es ergeben sich neue Produktions- und Absatz-möglichkeiten für die Land- und Forstwirtschaft. DerAnbau nachwachsender Rohstoffe ist eine wesentlichbessere Alternative zur Flächenstillegung und gewähr-leistet nicht zuletzt eine flächendeckende Landbewirt-schaftung und die Erhaltung unserer Kulturlandschaft.

(Beifall Abg. Frau Beck, PDS)

Die Erhaltung und Pflege der Kulturlandschaft alleinaber, meine Damen und Herren, würde kein Grund fürdie stärkere Förderung der nachwachsenden Rohstoffe

sein. Einheimische nachwachsende Rohstoffe werdennämlich nur dann für die Land- und ForstwirtschaftThüringens die erhoffte Bedeutung erlangen, wenn dieentsprechenden Absatzchancen vorhanden sind, dieVerarbeitung besonders in Thüringen gesichert ist, alsowenn sie sich vermarkten lassen. Hier besteht dringen-der Handlungsbedarf.

Es gehört mittlerweile zu den Binsenweisheiten, daßnachwachsende Rohstoffe auch für den industriellenSektor zunehmend interessant werden. Und schon jetztkönnen eine Vielzahl von Grundstoffen ersetzt werden,bei denen abzusehen ist, daß sie künftig nicht mehrdem Bedarf entsprechend zur Verfügung stehen unddamit teurer werden. Es ist deshalb höchste Zeit, zuprüfen, ob die Aktivitäten des Landes, der Landes-regierung in der bisherigen Form auch künftigen An-forderungen genügen werden. Zweifellos verfügt Thü-ringen in vielen Bereichen über einen bemerkenswer-ten Vorlauf. Die Thüringer Landesanstalt für Landwirt-schaft verfügt über anerkannte Fachleute und For-schungsergebnisse, die sich sehen lassen können, je-doch scheint das Umsetzen dieses wissenschaftlichenVorlaufs nicht mit der gleichen Akribie zu erfolgenwie eigentlich die wissenschaftliche Forschung. EinGrund hierfür ist die nicht optimale interdisziplinäreZusammenarbeit und die daraus in einigen Bereichenresultierende nicht ausreichende Förderung dernachwachsenden Rohstoffe.

Der brechend volle Saal in Dornburg ist schließlichauch ein Beweis dafür, daß noch ein erheblicher In-formationsbedarf bei den Land- und Forstwirten be-steht. Hier muß über neue Strategien und Wege sowieüber Förderkonzepte nachgedacht werden. Jetzt, nach-dem der Anbau rauschmittelarmer Hanfsorten, wasabzusehen war, in Deutschland gestattet ist, stehen wirvor dem Problem, daß der Anbau von Hanf in Thü-ringen offensichtlich deshalb nicht erfolgen kann, weilnach meinen Informationen kein Saatgut zu vertret-baren Preisen zur Verfügung steht. Herr Minister, be-richtigen Sie mich, wenn es anders ist, ich wäre Ihnendafür sehr dankbar. Hier sollte schnellstens geprüftwerden, ob eventuell über eine Ausnahmegenehmigungin Brüssel Abhilfe geschafft werden kann, um das Saat-gut rauschmittelarmer Hanfsorten aus Osteuropa anzu-wenden. Dies würde auch dem Thüringer Verband alsErzeuger und Anwender von Faserpflanzen e.V. vonNutzen sein. Herr Wunderlich hat dies bestätigt.Rudolstadt wartet auf positive Impulse. Und das inEbersdorf entstandene und noch entstehende Faser-verarbeitungszentrum nichttextiler Art könnte den Fa-serpflanzenanbau auf einer Fläche von über 5.000 ha indieser Region befördern. Voraussetzung wäre aller-dings, daß der Standort Ebersdorf vom Wirtschaftsmi-nisterium mit allen zur Verfügung stehenden Mittelngefördert wird.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2413

Anlaß zum Verdruß, meine Damen und Herren, bietetimmer wieder die Förderpraxis der energetischen Nut-zung von Holz und nachwachsenden Rohstoffen.

(Beifall Abg. Frau Beck, PDS)

Größere Anlagen können wegen der vom Wirtschafts-ministerium festgelegten Obergrenzen der finanziellenFörderung in Thüringen nur unzureichend gefördertwerden. In Bayern beispielsweise werden Anlagen fürnaturbelassenes Holz und Biomasse, soweit es sichnicht um Abfallstoffe handelt, unabhängig von derGröße mit 40 Prozent gefördert. In den Ausschüssenmuß darüber beraten werden, welche Gründe in Thü-ringen zu diesen Kappungsgrenzen geführt haben. DasLand, meine Damen und Herren, tritt mit einer solchenFörderpraxis, die angesichts der Regelungen in anderenBundesländern etwas kleinkariert anmutet, offensicht-lich auf der Stelle. Beispielsweise könnte, wenn schonkeine Erhöhung des Haushaltsansatzes für die Förde-rung regenerativer Energie möglich ist, allein die Her-stellung gegenseitiger Deckungsfähigkeit zwischen denHaushaltstiteln "Technologieförderung" und "Förderungregenerativer Energien" sehr hilfreich für die Entwicklungder Wirtschaftsbranche nachwachsende Rohstoffe sein.Wer in diesem zukunftsträchtigen Bereich nicht denAnschluß verlieren will, muß auch größere Projektemit mindestens 40 Prozent fördern, um auch hier denÖlgleichstand zu gewährleisten. Was den Bayern rechtist, sollte den Thüringern billig sein.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: In je-der Hinsicht.)

Es wäre aber verfehlt, die in diesem Bereich unzurei-chende Förderpraxis Thüringens allein für die unbe-friedigende Situation verantwortlich machen zu wol-len. Trotz positiver Ansätze gibt es zweifellos Defizitebei der ressortübergreifenden Zusammenarbeit. Kolle-ge Wunderlich hat das hier sehr schön ausgeführt.Auch reicht der derzeitige Stand an Information, Schu-lung und Know-how-Transfer bei weitem nicht aus. Ichmuß auch wieder hier auf die Bayern kommen. In Bay-ern existiert ein zentrales Agrarrohstoffmarketing- undEntwicklungsnetzwerk, kurz CARMEN genannt. Auchdie Österreicher versuchen, auf ähnliche Weise voran-zukommen, das ist aber eine gute Sache. Auch auf derGrundlage des vorliegenden Antrags in der - Drucksa-che 2/884 - können die in Thüringen bestehenden Defi-zite abgebaut werden. Dieser Antrag, meine Damenund Herren, ist ein wichtiger Schritt, sowohl im Be-reich der Landwirtschaft Arbeitsplätze zu erhalten alsauch bei der energetischen Nutzung bzw. mit Hilfeneuer innovativer Techniken auf der Grundlage nach-wachsender Rohstoffe neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Voraussetzung ist die zügige Beratung in den Aus-schüssen, und wir brauchen hier konkrete Entschei-dungen. In diesem Zusammenhang ist es dringend ander Zeit, die Förderpraxis des Landes, die vorhandeneKoordinierung und die eingestellten Haushaltsmittelunter die Lupe zu nehmen und gegebenenfalls zu ver-ändern. Deshalb sind wir der Meinung, die - Druck-sache 2/884 - nicht nur an den Ausschuß für Land-wirtschaft und Forsten, sondern eben auch an den Aus-schuß für Wirtschaft, den Haushalts- und Finanzaus-schuß und den Ausschuß für Wissenschaft, Forschungund Kultur zu überweisen. Ich gehe davon aus, daßdieses Konzept zum Beginn einer neuen Ära für nach-wachsende Rohstoffe und deren Nutzung in Thüringenwerden kann. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU, SPD; Abg. Frau Beck,PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Herr Abgeordneter. Das Wort hat der HerrAbgeordnete Kretschmer, CDU-Fraktion. Herr Minister,wollen Sie einspringen oder wollen Sie von Ihrem eigenenRederecht Gebrauch machen?

(Zuruf Dr. Sklenar, Minister für Landwirt-schaft, Naturschutz und Umwelt: Das macheich.)

Bitte, Herr Minister, um Verzögerungen zu vermeiden.

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Vielen Dank, Herr Präsident. Herr Präsident, meinesehr verehrten Damen und Herren Abgeordneten, ichnutze jetzt die Zeit, um ganz kurz noch einige Ausfüh-rungen dazu zu machen. Es ist ja eine ganze Reiheschon gesagt worden. Es ist sicher unerläßlich, daß aufdem Gebiet der nachwachsenden Rohstoffe stärker ge-arbeitet werden muß als bisher, denn für nachwach-sende Rohstoffe sprechen ökologische, arbeitsmarktpo-litische und wirtschaftliche Gründe. Ich brauche nichtzu sagen, daß nachwachsende Rohstoffe nur so vielCO2 freisetzen, wie unmittelbar zuvor im Wachs-tumsprozeß gebunden wurde. Wir schonen damit un-sere fossilen Rohstoffe, und wir können einiges mehrbewirken.

Thüringen, meine sehr verehrten Damen und Herren,hat ein ganz beträchtliches Potential an nachhaltig ver-fügbarem Rohholz, und das ist für uns eigentlich inThüringen der nachwachsende Rohstoff Nummer 1. Eswird immer ein bißchen verkannt, es ist zwar schonheute darüber gesprochen worden, aber darauf solltenwir uns hier am stärksten mit konzentrieren und diesen

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Rohstoff mit am stärksten nutzen. Nachwachsende Roh-stoffe, auch das ist schon gesagt worden, stimuliereninnovative Entwicklungen und können so Arbeitsplätze inForschung und Industrie schaffen sowie technologischeForschung weiter vorantreiben.

Die für Thüringen und insbesondere für den ländlichenRaum so wichtige Erschließung und Weiterveredelungdes vorhandenen Holzpotentials bedarf aber der ziel-strebigen Schaffung alternativer Verwendungsmöglich-keiten zusätzlich zu den traditionellen Einsatzberei-chen. Dazu gehören neben den vorwiegend in derWaldpflege anfallenden geringwertigen Hölzern, dieals nachwachsende Energieträger genutzt werden kön-nen, auch neue innovative Verwendungsmöglichkeitenim Holzwerkstoffbereich. Die Rahmenbedingungen fürden Anbau und teilweise auch die Verwertung nach-wachsender Rohstoffe haben sich in den letzten Jahrenentschieden verbessert, aber das reicht nicht. Und dasist hier das Problem, was ich von Anfang an schonimmer gesagt habe, der Anbau von nachwachsendenRohstoffen ist für die Landwirtschaft kein Problem.Was uns hemmt, ist die verarbeitende Industrie, diezwar die Rohstoffe sehr gerne verarbeitet, aber letztenEndes reicht der Preis, der dafür gezahlt werden soll,bei weitem nicht aus, um das zu begleichen, wasvorweg reingesteckt werden muß. Hier muß also ganzeinfach eine vernünftige Relation zwischen Erzeu-gungskosten und der Bezahlung stehen. Wir haben inden letzten Jahren schon eine ganze Menge auf dieserStrecke getan. Ich darf nur darauf hinweisen, daß wirzur Ernte 1995 auf rund 49.000 ha Stillegungsflächenachwachsende Rohstoffe angebaut haben, natürlichder überwiegende Teil auf dem Gebiet des Rapses.Auch hier ist es notwendig zu überlegen, wie wir mitdem Raps und dem Anbau von Raps weiter verfahrenkönnen und wie man ihn vor allen Dingen auch ver-werten kann. Wichtig war, und das ist ja eigentlichauch das, was hier herausgekommen ist, daß es unsgelungen ist, eine Möglichkeit zu finden, nach-wachsende Rohstoffe auf stillgelegten Flächen anzu-bauen. Sie wissen, daß das auch einige Zeit gedauerthat, daß man erst einige Leute davon überzeugenmußte. Aber, ich denke doch, diese Regelung, so wiesie jetzt ist, ist ein Beispiel für weitsichtige Förderpoli-tik. Der Entlastungseffekt für die Nahrungsmittelmärk-te wird gleichzeitig erreicht, das CO2-Bindungspoten-tial der Biomasseerzeugung genutzt und die Bereitstel-lungskosten für nachwachsende Rohstoffe günstig be-einflußt. Wegen der oft noch nicht ausreichenden Wirt-schaftlichkeit erschließen nachwachsende Rohstoffenur schrittweise neue Einsatzfelder, ich sagte es be-reits.

Für die Verbesserung der Rahmenbedingungen hat dieFörderpolitik eine entscheidende Bedeutung. Sie mußaber durch steuerpolitische und Rechtsetzungsmaß-

nahmen ergänzt werden, bei denen zwar EU und Bun-desregierung die grundlegende Weichenstellung vor-nehmen, auf die die Bundesländer über Mitbestim-mungsrecht und Ausführungszuständigkeit aber durch-aus Einfluß nehmen können. Die im Antrag geforderteErarbeitung eines ressortübergreifenden Konzepts fürdie Förderung der Nutzung nachwachsender Rohstoffeist ein sinnvoller Schritt auf dem Weg zu verbessertenRahmenbedingungen. Die Unterstützung der Entwicklung,Markteinführung, Bedarfslenkung, innovativer Entwick-lung ist auch eine ressortübergreifende Aufgabe. Dafür istdie Errichtung einer Bündelungs- und Koordinierungs-stelle empfehlenswert, so wie es hier schon angedeutetwurde. Voraussichtlich wird es weniger darauf ankom-men, neue Förderprogramme zu etablieren, sondernWirtschaft und Politik für die Vorzüge der nach-wachsenden Rohstoffe zu sensibilisieren. Außerdemgilt es, potentielle Investoren bei der Auswahl ge-eigneter Fördermaßnahmen zu unterstützen und gege-benenfalls die in den Ressorts vorhandenen Förder-programme besser aufeinander abzustimmen. Fehl-entwicklungen und Doppelarbeit können damit vermie-den und ein schneller Informationstransfer und Syner-gieeffekte ermöglicht werden. Die daraus erwachsendenKoordinierungsaufgaben könnten besser wahrgenommenwerden, wenn dafür eine Stelle vorhanden ist, und wirhaben unsere Überlegungen schon in diese Richtungangestellt. Die nachwachsenden Rohstoffe werdennicht wie bisher im Ministerium eine Teilaufgabe einesFachreferatsleiters sein, sondern wir werden dafür einReferat schaffen, was sich ausschließlich mit nach-wachsenden Rohstoffen befaßt.

Ich möchte an dieser Stelle auch noch einmal die Lan-desanstalt für Landwirtschaft mit Sitz in Dornburg er-wähnen, die wirklich auf diesem Gebiet schon sehr vielVorarbeit geleistet hat, die es jetzt gilt, weiter um-zusetzen. Dort wird nicht nur experimentell gearbeitet,sondern die Aufgaben werden auch ganzheitlich be-gleitet, also vom Anbau bis hin zu marktfähigen Er-zeugnissen. Durch moderne Datentechnik müssen dieAktualisierung und der schnelle Zugriff auf geballtesFachwissen im Bereich nachwachsende Rohstoffe füralle Interessenten optimal gestaltet werden.

Neben dem mit Koordinierungsaufgaben innerhalb desGeschäftsbereichs betrauten Fachreferat beabsichtigenwir die Gründung eines Fachbeirats, so wie das hierschon vorgeschlagen worden ist. Hier sollen hochran-gige Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaftund Verwaltung zusammenarbeiten, soll der Beirat einBeratungs-, Transformations- und Integrationsgremiumsein und so das Anliegen der nachwachsenden Roh-stoffe weiter befördern. Natürlich wird die erste Aufga-be sein, eine Gesamtkonzeption zur Förderung des An-baus und der Verwertung vor allen Dingen nachwach-sender Rohstoffe zu sehen. Der werte Kollege

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Dr. Mäde hat hier das CARMEN angesprochen inBayern. Das geht sehr gut voran. Da dürfen wir nichtvergessen, die Bayern haben einen ganz anderenAgrarhaushalt. Die haben bedeutend mehr, auch Lan-desmittel, zur Verfügung. Ich wäre froh, wenn ich dieHälfte davon hätte, was die Bayern haben. Dann könn-ten wir sicher auch auf dem Gebiet schneller voran-kommen, denn es ist ja doch in der Entwicklungsphasesehr viel mit Finanzen verbunden, und sehr viele Mittelmüssen bereitstehen, bis dann letzten Endes auch diePilotanlagen stehen, bis die Pilotanlagen weitergeführtwerden können.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Minister, erlauben Sie eine Frage des Herrn Ab-geordneten Weyh?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Ja, bitte.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Weyh, SPD:

Herr Minister, da Sie gerade Bayern ins Spiel bringen,selbstverständlich haben wir nicht diese großzügigenfinanziellen Möglichkeiten, aber Bayern hat z.B. denHanfanbau zur Chefsache des Landwirtschaftsministersgemacht. Beabsichtigen Sie ähnliches, um diese mög-liche neue Marktchance in dem Bereich Hanf und Tex-tilien daraus auch abzudecken, so schnell es geht fürunsere Wirtschaft im Agrarbereich, die ja dringendnach Märkten sucht?

Dr. Sklenar, Minister für Landwirtschaft,Naturschutz und Umwelt:

Sehr geehrter Herr Kollege Weyh, es wird Ihnen viel-leicht entgangen sein, aber Thüringen war mit dasLand, das sich bei Bekanntwerden, daß in dieserRichtung etwas möglich wäre, an die Bundesregierungund an den Bundesminister für Landwirtschaft mit derBitte gewandt hat, hier aktiv zu werden und uns zuunterstützen bei den Bemühungen, damit der Hanf-anbau auch in Thüringen und in den neuen Bundes-ländern oder überhaupt in Deutschland möglich ist.Warum sollen diese Fördermöglichkeiten, die hier vor-handen sind, und diese Möglichkeiten des Abgreifensvon Fördermitteln gerade für die deutschen Bauernimmer noch weiter nach hinten gedrängt werden? Dasist richtig. Herr Dr. Mäde hatte nach dem Saatgutgefragt. Das ist natürlich ein Problem, was wir im Mo-

ment haben. Die Rahmenbedingungen haben wir ge-schaffen, daß ich Hanf anbauen kann. Aber wie dasimmer so ist, das Saatgut ist ein Problem. Aber ichdenke doch, daß unsere Bauern auch die notwendigenWege finden werden, um die entsprechenden Sortennoch zu bekommen. Ich nehme an, daß das schnellergeht, als wir denken. Eine diesbezügliche Umfrage hatergeben, daß wir im Moment damit rechnen können,daß in Thüringen erstmals um die 50 ha Hanf angebautwerden. Ich brauche Ihnen das nicht wieder zu sagen,ich wiederhole mich dabei. Es hat ja nicht nur Zweck,den Hanf anzubauen, sondern ich muß auch hinterherwissen, was ich damit mache. Das sollte unsere Prä-misse sein. Ich kann diesen Antrag nur unterstützenund darum bitten, daß wir konstruktiv in den Aus-schüssen arbeiten, daß wir schnell zu dem Beiratkommen, daß eine gute Zusammenarbeit zwischen denRessorts erfolgt, damit wir gerade den nachwachsendenRohstoffen, in dem sehe ich auch eine Zukunft ... Na-türlich ist es schwer, und ich bin jetzt mal gefragtworden - als Abschluß -, was wir überhaupt immerwollten mit den nachwachsenden Rohstoffen, es hättedoch überhaupt keine Zukunft. Aber wie alles Neue, estut sich etwas schwer. Ich habe darauf geantwortet,wenn der Herr Diesel oder der Herr Otto sich damalsvon solchen Leuten, von solchen Pessimisten hättenverrückt machen lassen, dann hätten wir heute keinAuto auf der Straße.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Genauso ist das hier mit den nachwachsenden Rohstof-fen. Wir müssen da etwas tun, das hat auf alle Fälleeine Zukunft. Schönen Dank.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön, Herr Minister. Herr AbgeordneterKretschmer, CDU-Fraktion, bitte.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ich will eskurz machen. Es scheint mir aber wichtig, daß wir zei-gen, daß auch die Wirtschaft interessiert daran ist, dienachwachsenden Rohstoffe zu verwenden. Herr Kol-lege Dr. Mäde, Sie haben die Rohstoffe ja bezeichnet.Diese Rohstoffe, die Sie bezeichnet haben, sind we-sentlich unkritischer als beispielsweise Kies und Kalk-stein, denn sie wachsen nach und hinterlassen keineLöcher. Sie haben auch den Rohstoff Holz hier ange-bracht. Da möchte ich natürlich deutlich sagen, wirmüssen auch die Möglichkeit schaffen, daß man dasHolz verwerten kann. Also guten Plenterwald, derWirtschaftswald ist, dürfen wir nicht ins Totalreservatschicken.

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(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD)

Ja gut, der Plenterwald steht im Hainich, falls Sie nichtwissen, was ich meinte.

(Beifall bei der CDU)

Die von Kollegen Wunderlich bezeichnete Veranstal-tung "Workshop" im November in Rudolstadt hat einePresse mit einer Überschrift gewürdigt: "Lückenschlußzwischen Feld und Auto". Das erscheint mir als einsehr deutliches Bild. Es geht hier um eine Verbindungzwischen Landwirtschaft und Wirtschaft zur Schaffungvon Arbeitsplätzen. Die von Herrn Wunderlich be-zeichnete Firma Empe aus Ebersdorf hat ein Konzeptvorgestellt, wo man in einem Faser-Logistik-Zentrum,in einem geschlossenen Kreislauf, wertschöpfendenKreislauf, bis zu 2.000 Menschen beschäftigen kann.Es geht um Arbeitsplätze bei dem Feld.

(Beifall Abg. Wunderlich, CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Mäde, SPD: Aberdann muß Ebersdorf entsprechend gefördertwerden.)

Dabei wollen Sie doch mithelfen, Herr Dr. Mäde, oderwo ist das Problem. Natürlich, deshalb machen wir dasso.

(Zwischenruf Abg. Dr. Mäde, SPD: Na frei-lich, das werde ich.)

Das zweite, ein hoher innovativer Anteil: Sie wissen,wie gefährlich Asbest ist. Die Asbestsubstitution kanndurch Faserstoffe geschehen. Auch das ist in Weimarschon belegt worden, oder auch pflanzenverstärkte Ze-mentwerkstoffe, also die Impulse für die Bauwirt-schaft, innovativ und arbeitsplatzschaffend voranzu-kommen. Bei dem Forum zum Holz haben wir bei-spielsweise erfahren, daß in Bayern durch Präferenzenin der Bauordnung auch der Einsatz des bayerischenHolzes besonders gefördert wird. Wir sollten aucheinmal darüber nachdenken, ob man nicht das Thü-ringer Holz bei den Baumaßnahmen hier in Thüringenbesonders präferieren kann.

(Beifall bei der CDU)

Das sind eindeutig Dinge, die im einzelnen unabhängigschon angedacht sind, die jetzt einer Bündelung zuge-führt werden müssen, damit der Vorsprung, den dieeinzelnen an dieser Sache arbeitenden Institute haben,nicht gegenüber anderen verlorengeht. Ich nehme maldas Bild von dem Lückenschluß wieder. Wir müssen

mit der Bündelung dafür sorgen, daß sich wie beimLückenschluß die Gleise auch treffen. Das muß ge-schehen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Ich habe keine andere Erklärung dafür,daß der Kollege so schwer zu hören war, als daß es imSaal insgesamt zu laut war. An der Anlage ist eigent-lich alles in Ordnung. Mir liegt kein weiterer Redebei-trag vor. Wir können demzufolge die Ausspracheschließen. Wir treten in die Abstimmung ein. Ich frageSie, da beide Redner, die eine Ausschußüberweisungbeantragt haben, den Ausschuß für Landwirtschaft undForsten als federführend beantragt haben: Können wirdie beiden Abstimmungen miteinander verbinden? Wi-derspricht dem jemand? Das ist nicht der Fall. Dannfrage ich: Wer der Überweisung des Antrags an denAusschuß für Landwirtschaft und Forsten als federfüh-rendem zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Enthaltungen?Keine. Damit ist dieser Ausschuß als der federführendebeschlossen. Es war beantragt die Überweisung an denUmweltausschuß. Wer der Überweisung an den Um-weltausschuß zustimmt, den bitte ich um das Handzei-chen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Enthal-tungen? Einige wenige Enthaltungen. Diese Ausschuß-überweisung ist abgelehnt. Es war beantragt die Über-weisung an den Wirtschaftsausschuß. Wer dieser Über-weisung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Enthaltungen?Auch keine. Damit ist auch der Wirtschaftsausschußals mitberatend beschlossen. Es war beantragt die Mit-beratung durch den Ausschuß für Wissenschaft, For-schung und Kultur. Wer dem zustimmt, den bitte ichum das Handzeichen. Danke schön. Gegenstimmen?Keine. Enthaltungen? Auch keine. Damit ist auch dieseMitberatung beschlossen. Letztens war beantragt derHaushalts- und Finanzausschuß. Wer dieser Überwei-sung zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Keine. Enthaltungen?Keine. Damit sind wir am Ende dieses Tagesordnungs-punkts angelangt.

Wir kommen, wie von Kollegen Friedrich angekündigt,zum Aufruf des neuen Tagesordnungspunkts 10 a

Gemeinschaftsaufgabe "Verbesserung derregionalen Wirtschaftsstruktur"Antrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/913 -

Die Regierung hat signalisiert, daß sie bereit ist, einenSofortbericht zu geben. Besteht trotzdem der Wunsch,zur Begründung zu sprechen?

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2417

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Ja, es besteht der Wunsch.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Gerstenberger, bitte.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, vor Wochenfragte der Wirtschaftsminister die PDS-Fraktion, wielange und wie oft das Thema Wirtschaftsförderung,Gemeinschaftsaufgabe und Eigenkapital noch auf dieTagesordnung des Landtags gesetzt würde. Die darauserkennbare Sorge, es könne die Wirtschaftspolitik we-gen fehlender Anträge der PDS-Fraktion nicht weiter indiesem Landtag auf der Tagesordnung stehen, ist völligunbegründet. Seit August 1995 haben wir monatlichdieses Problem im Thüringer Landtag thematisiert.Wenn allerdings eine nicht im Landtag vertretene Par-tei das nicht wahrnimmt, so hat das entweder mit Des-interesse zu tun oder fehlender Information. Das kön-nen wir nicht beeinflussen. Seit August 1995 mahnt dieOpposition die Diskussion an, und seit dieser Zeit wirddurch die Koalition und die Landesregierung dieseDiskussion verweigert.

(Beifall bei der PDS)

Daß sie aber notwendig, dringend notwendig ist, zeigtdie jetzt öffentlich gewordene Situation überdeutlich.

Wie ist die Lage, meine Damen und Herren? Im LandThüringen sind Fördermittel in Höhe von467.272.000 DM nicht abgeflossen. Die Hälfte davon sindBundesmittel. Im Haushalt 1996 sind für diese Wirt-schaftsförderung 1.061.774.000 DM enthalten. Laut Aus-sagen des Staatssekretärs sollen aktuell durch Kürzungendes Bundes davon allerdings nur noch 978 Mio. DMzur Verfügung stehen. Offiziell ist der Landtag dazunicht informiert. Haushaltstechnische Konsequenzensind bisher auch nicht bekannt. Was gilt nun offiziell,Herr Minister?

2. Wenn Konsequenzen im Haushalt 1996 gezogenwerden müssen, also wegen mehr Mitteln aus Bonn,nämlich den 1995 nicht ausgereichten, mehr Kom-plementärmittel des Landes gebraucht werden, woherkommen dann diese? Wird es, damit diese Mittelbereitstehen, zur Erarbeitung eines Nachtragshaushaltskommen? Wann wird dieser eingebracht, Herr Mi-nister? Oder sind die Mittel von Bonn bereits gestri-chen worden? Wenn ja, in welcher Höhe?

3. In welchem Volumen sind Mittel aus 1996 durchBewilligungen aus 1995 und früher bereits gebunden?

Welcher finanzielle Rahmen bleibt dem Land damit1996 für die Wirtschaftsförderung?

4. Welche Schlußfolgerungen zieht das Land und dieLandesregierung aus der entstandenen Misere? Wasund wer ist die Ursache der Situation?

5. Wird es zu einer Verstärkung der Infrastrukturförde-rung 1996 kommen? Wenn ja, wie soll das gestaltetwerden?

6. Stimmen die in den letzten Tagen gemachten Äuße-rungen, daß die GA an Bedeutung verliert und Hilfezum Überleben stärker in den Vordergrund gerücktwerden soll? Welcher Feuerwehrfonds soll dafür ge-nutzt werden?

Unsere dazu gemachten Vorschläge zur Veränderungder Eigenkapitalbasis wurden ja noch vor Wochen alsnicht notwendig von Ihnen erachtet. Fragen über Fra-gen, meine Damen und Herren, die die Wirtschaftspoli-tik der Landesregierung in ihrer Gesamtheit auf denPrüfstand stellen.

(Beifall bei der PDS)

Der Antrag, meine Damen und Herren, bietet das Po-dium, diese Fragen zu beantworten. Sie sind am Zuge,Herr Wirtschaftsminister. Ich danke Ihnen.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Bitte, Herr Minister.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abge-ordnete, gern nehme ich diese Gelegenheit wahr, eineBilanz der Aktivitäten des Wirtschaftsministeriums imvergangenen Jahr im Bereich der Gemeinschaftsauf-gabe zur Verbesserung der regionalen Wirtschafts-struktur vorzustellen.

Nach der vorliegenden Statistik des Bundesministe-riums für Wirtschaft haben wir im vergangenen Jahr,1995, folgende Förderzahlen erreicht: Der FreistaatThüringen hat ein Investitionsvolumen bewilligt imUmfang von 3,5 Mrd. DM. Wir haben insgesamt 1.014Vorhaben bewilligt. Vielleicht darf ich diese Zahl inRelation setzen zu den Bewilligungszahlen andererNachbarländer. Sachsen hat 1.922 Vorhaben bewilligt,Sachsen-Anhalt 625, Mecklenburg-Vorpommern 1.038,Brandenburg 859. Wir haben mit unseren Förderanträ-gen und Förderzusagen insgesamt 28.346 Arbeitsplätze

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erhalten, gesichert oder neu geschaffen. Hier sehen dieVergleichszahlen wie folgt aus: Sachsen hat mit seinerFörderung 51.789 Arbeitsplätze geschaffen bzw. gesi-chert, Sachsen-Anhalt 20.105, Mecklenburg-Vorpom-mern 10.816 und Brandenburg 21.000. In absolutenZahlen liegt Thüringen also im Arbeitsplatzeffekt beider regionalen Wirtschaftsförderung an zweiter Stelle,bezogen auf die Einwohnerzahl an erster Stelle, meineDamen und Herren. Bereits diese Zahlen lassen Rück-schlüsse zu auf die Art der Förderanträge. Thüringenhatte also die höchste Zahl der bewilligten Vorhaben,die höchsten Arbeitsplatzzahlen im Bevölkerungsver-gleich, und beim bewilligten Investitionsvolumen la-gen wir im oberen Mittelfeld der neuen Länder. Darausfolgt, daß wir es in der Hauptsache mit Förderanträgenkleinerer und mittlerer Unternehmen zu tun hatten in1995. Von dem möglichen Investitionszeitraum von36 Monaten wurden dabei in der Regel nur ein bis zweiJahre in Anspruch genommen durch diese Förderanträ-ge kleiner und mittlerer Unternehmen. Dies wirkt sichdann logischerweise auf die Ausschöpfung des Ver-pflichtungsrahmens des 2. und 3. Bewilligungsjahresaus, d.h. die Förderanträge haben die VE's der Jahre1997 und 1998 nur zum Teil belegt. Anders verhält essich in jenen Ländern, in denen im vergangenen Jahrsogenannte Milliardenprojekte zum Zuge kamen. Ichverweise hier zum Beispiel auf die großen Chemie-anlagen in Sachsen-Anhalt. Sachsen-Anhalt hat nur60 Prozent soviel Förderfälle bewilligt wie Thüringen,aber mit nahezu doppeltem Investitionsvolumen. Trotz-dem hat Sachsen-Anhalt damit rund 8.000 Arbeitsplätzeweniger geschaffen und gesichert als Thüringen. Die ge-nannten Großprojekte waren außerdem aus verschiedenenGründen konjunkturunabhängiger als viele andere In-vestitionsvorhaben. Bei uns hat die konjunkturelle Ent-wicklung zu einer sehr vorsichtigen Investitionspla-nung für die Jahre 1997 und 1998 geführt. Hinzukommt noch, daß die von uns uns im Jahr 1995 ak-quirierten Ansiedlungsvorhaben, und da können wir jastolze Beispiele nennen, erst in den neuen Bewilli-gungsrahmen eingeordnet werden können und deshalberst in Zukunft kassenwirksam werden. Im Haushalt1995 waren Barmittel in Höhe von 1,17 Mrd. DMangesetzt. Diese Mittel wurden innerhalb wenigerMonate von uns zu 100 Prozent verbewilligt, also inFörderbescheide und Förderzusagen umgesetzt. DerMittelabruf durch die Unternehmen und Kommunen beliefsich zum Jahresende dann auf rund 703 Mio. DM bzw.60 Prozent der bereitgestellten Barmittel. Die verbleiben-den 467 Mio. DM verfallen jedoch nicht. Sie stehenweiter für den Abruf zur Verfügung, und zwar zusätz-lich zu den Baransätzen 1996.

Ich komme nun zu dem Thema "Projektmanagement",das ja immer wieder angesprochen wird. Die 1995 aus-gereichten Fördermittel wurden in ihrem Fluß ständigbegleitet. Das heißt, bei erkannten Unregelmäßigkeiten

im Mittelabfluß wurden die Investoren aufgefordert,ihren Bedarf für das laufende Jahr zu prüfen und gege-benenfalls zur Umschichtung freizugeben. Die Aufbau-bank hat bis Ende Juni 1995 900 Investoren ange-schrieben, bei denen Schwierigkeiten im Mittelabflußerkennbar waren. Diese Investoren haben ihre Bewilli-gung überwiegend bereits in den Jahren 1992 und 1993mit der Fälligkeit 1995 erhalten. Von den rund 740Rückmeldungen haben sich rund 45 Prozent dazu be-kannt, ihre Mittel noch 1995 abzurufen. Der Rest hatum Umschichtung bei gleichzeitiger Verlängerung derZeiten in Durchführung der Investition gebeten. Einegleiche Aktion hat das Wirtschaftsministerium im Sep-tember 1995 gestartet in der Annahme, daß zu diesemZeitpunkt bei den Investoren Klarheit über den Verlaufder Investitionen in den letzten Monaten des Jahres be-steht, um sich damit ein klares Bild über den zu erwar-tenden Mittelabfluß zu verschaffen. Es wurden noch-mals rund 2.100 Unternehmen bzw. Kommunen aufge-fordert, ihren noch in 1995 benötigten Fördermittelbe-darf zu melden. Das Resultat war, daß sich 650 Inve-storen noch zu einem Mittelabruf bekannt haben, der inden überwiegenden Fällen aber nur zu Teilabrufen ge-führt hat. Aus der Begleitung der Vorhaben sind rund2.400 Änderungsbescheide erlassen worden, die eineUmschichtung der Mittel in die Folgejahre und die Be-antragung zur zeitlichen Verschiebung der Durchfüh-rung von Maßnahmen zum Inhalt hatten. Aus dem In-formationsschreiben an die Investoren wurden durchUmschichtungen innerhalb der verfügbaren Barmittelrund 331 Mio. DM Neubewilligungen ausgesprochen.Obwohl die Neubewilligungen alle einen hundertpro-zentigen Mittelbedarf noch in 1995 bekundeten, sinddavon nur rund 60 Prozent abgeflossen. Daraus wirddeutlich, meine Damen und Herren, daß ein Projekt-management erfolgt ist, und zwar sehr zeitnah und zumzweiten, daß aber auch ein Projektmanagement nichtausreicht, um sicherzustellen, daß auch alle Mittel ab-gerufen werden. Ein Projektmanagement und eine In-vestitionsakquisition reichen auch nicht aus, die Bele-gung aller VE's, also des gesamten Verpflichtungsrah-mens stets sicherzustellen. Dies gilt jedenfalls dann,wenn konjunkturelle oder strukturelle Gründe die Inve-stitionstätigkeit lähmen.

Nun komme ich zum Thema "Verpflichtungsermächti-gungen". Der Bewilligungsrahmen des Haushaltsjahres1995 sah ein Soll von rund 1,3 Mrd. DM vor. Ausge-schöpft wurde dieser Bewilligungsrahmen mit rund676 Mio. DM, das entspricht einer Belegung von rund52 Prozent. Somit konnten rund 622 Mio. DM an mög-lichen Verpflichtungsermächtigungen aus 1995 für dieJahre 1996, 1997 und 1998 nicht belegt werden, weil indieser Höhe keine genehmigungsfähigen Anträge vor-lagen, meine Damen und Herren. Von diesen nichtbelegten Verpflichtungsermächtigungen entfällt jeweilsdie Hälfte auf Bund und Land. Im November 1995

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wurden von der Thüringer Aufbaubank alle noch vor-liegenden Förderanträge geprüft mit dem Ziel, so vielwie möglich Anträge in das Bewilligungsverfahren ein-zubeziehen. Das Ergebnis waren 120 zusätzliche An-träge mit einem Fördervolumen von 200 Mio. DM, dieeingeordnet wurden. Daraus folgt, daß vor allem dienachlassende Investitionsneigung, die mit der deut-lichen Konjunktureintrübung einhergeht, zu der Min-derbelegung des Verpflichtungsrahmens geführt hat.Die Belegung des Bewilligungsrahmens 1995 hat kei-nen unmittelbaren Einfluß auf die Mittelausstattung,die wir in den kommenden Jahren für Neubewilligun-gen zur Verfügung haben. Mit anderen Worten, fürkünftige Investitionsvorhaben stehen entsprechende Zu-schüsse aus dem neuen Bewilligungsrahmen zur Verfü-gung. Die alten sind entfallen, aber es stehen neueBewilligungsverfahren zur Verfügung. Kein Investormuß also Sorge haben, daß ein Investitionsvorhabenwegen fehlender Mittel nicht zum Zuge kommen kann.

Im übrigen zeigt die Statistik, daß auch in den anderenneuen Ländern in diesem oder in den vergangenen Jah-ren die Bewilligungsrahmen nicht immer voll belegtwurden. Wenn man die Jahre 1991 bis 1995 einmal ad-diert und einen Durchschnitt bildet, dann stellt sichheraus, daß wir im guten Mittelfeld sind bei der Aus-schöpfung der Bewilligungsrahmen. Mir liegt eine Sta-tistik vor, die zeigt, in welchem Umfang welches Landin den Jahren 1991 bis 1995 die Verpflichtungsrahmenausgeschöpft hat. Ich sehe meine Aufgabe nicht darin,Nachbarländer anzuschwärzen, aber, meine Damenund Herren, ich muß darauf hinweisen, was sich beiuns abgespielt hat in der Inanspruchnahme von Ver-pflichtungsrahmen ist kein singuläres Ereignis. Zahlenlassen sich leicht nennen.

Im übrigen möchte ich an dieser Stelle noch etwas ein-deutig klarstellen: In allen neuen Ländern gelten diegleichen Förderhöchstsätze. Wir schöpfen die Förder-höchstgrenzen voll aus, auch die Förderhöchstgrenzendes 24. Rahmenplans. Selbstbeschränkungen, meineDamen und Herren, die hat es in vergangenen Jahreneinmal gegeben in Thüringen. Ich habe diese aufgeho-ben, wo immer diese mir in 1995 begegnet sind. WennSie die neuen Durchführungsbestimmungen für den24. Rahmenplan für die Gemeinschaftsaufgabe lesen,werden Sie feststellen, daß es dort keinerlei Selbstbe-schränkungen mehr gibt, von denen einmal in einemPapier des Unterausschusses in Bonn die Rede war.

Meine Damen und Herren, welche Schlußfolgerungenergeben sich aus dieser Erfahrung? Natürlich muß esdarum gehen, alle Anstrengungen zu unternehmen, den24. Rahmenplan, was seine Fördermöglichkeiten anbe-langt und seine Förderhöchstsätze, in vollem Umfangauszuschöpfen. Ich habe die Hoffnung, daß es bei derSitzung des Planungsausschusses am 6. März 1996 zu

einer Verständigung kommen wird über den neuenRahmenplan, so daß dieser dann in Kraft treten kann,so daß wir dann auch offiziell die neuen Fördersätzezugrunde legen und auszahlen können.

2. Die Erfahrung des 95er Jahres zeigt, daß viele Un-ternehmen nicht investieren konnten, keine Förderan-träge einreichen konnten, weil sie zunächst mit Liqui-ditäts- und Konsolidierungsproblemen zu kämpfen hat-ten. Dies läßt sich unschwer nachweisen, wenn manz.B. die 10 größten Unternehmen in Thüringen analy-siert. Aber, meine Damen und Herren, die Konsolidie-rung und Liquiditätssicherung ist die Vorstufe zur In-vestitionstätigkeit. Deshalb unternehmen wir große An-strengungen, den Treuhandkonsolidierungsfonds neuaufzulegen. Auf Thüringer Initiative haben sich alleWirtschaftsminister Ost mit dem Bundeswirtschaftsmi-nisterium zusammengesetzt, um zu erreichen, daß hiereine Neuauflage erfolgt. Unser Ministerpräsident hat inBonn bei verschiedenen Gelegenheiten diese Forde-rung erhoben, und zwar erfolgreich erhoben, so daß wirdavon ausgehen dürfen, daß der Treuhandkonsolidie-rungsfonds auf Initiative unseres Ministerpräsidentenin absehbarer Zeit neu aufgelegt werden wird. Wenndies geschieht, sind wir in der Lage, die Voraussetzun-gen dafür zu schaffen, daß viele Unternehmen wiederdie volle Investitionskraft entfalten können und auchInvestitionsanträge einreichen können, die über denvollen Belegungszeitraum laufen.

3. Es muß auch darum gehen, verstärkt Eigenkapital-hilfen und Beteiligungskapital für unsere Wirtschaft zumobilisieren. Die Unterkapitalisierung vieler Unterneh-men ist allen bekannt. Die Notwendigkeit, Beteili-gungskapital zu mobilisieren, ist ebenfalls vielfach be-schrieben. Aber es geht nun darum, es auch zu realisie-ren, und zwar nicht zuletzt durch Inanspruchnahme derMittel des Aufbaufonds Ost.

4. Die nächste Forderung: Selbstverständlich muß esdarum gehen, die Akquisitionstätigkeit weiter zu for-cieren. Wir haben unsere Landesgesellschaften neu ge-ordnet, nicht zuletzt mit der Maßgabe, auch verstärkteAkquisitionskapazitäten zu schaffen. Die neuen Struk-turen sind geschaffen. Es muß nun darum gehen, dieEffizienz der Arbeit und die Anstrengungen noch mehrzu steigern, und zwar im Inland und noch mehr imAusland. Denn wir erfahren im Inland mehr und mehr,daß die deutsche Industrie im Begriff ist, Arbeitsplätzeabzubauen. Wenn man die Strukturberichterstattungverfolgt, dann stellt man fest, daß die Zahl der Indu-striebeschäftigten in den vergangenen Jahren kontinu-ierlich abgenommen hat. Worauf es für uns also an-kommt ist, verstärkt Auslandsinvestoren zu akquirie-ren. Da sind wir im Begriff, gemeinsam mit anderenneuen und alten Ländern, aber auch mit dem Bund,Anstrengungen zu unternehmen. Es wurde vor wenigen

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Wochen eine neue Gesellschaft aus der Taufe gehoben,deren Aufgabe es ist, ausschließlich im Ausland Inve-storen für die neuen Länder zu akquirieren.

5. Ein nächstes Stichwort in diesem Zusammenhang istdas der Absatzförderung. Hier können wir ja beacht-liche Erfolge vorzeigen, wie alle wissen. Aber hiermüssen die neuen Länder insgesamt verstärkt Anstren-gungen unternehmen, und zwar in allen Wachstumsre-gionen der Welt. Wir müssen verstärkt Kooperations-beziehungen aufbauen zwischen unseren Unternehmenim Inland und anderen Unternehmen im Ausland. Wirmüssen unsere Unternehmen ermutigen, Joint-venturesmit Unternehmen im Ausland einzugehen, um den Ex-port nach draußen stärker abzustützen.

6. Meine Damen und Herren, diese Aufgaben stehenan, und sie stehen unabhängig von den Zahlen, die ichhier genannt habe, an. Eines ist sicherlich auch zu sa-gen: Die Wirtschaftsförderung der Zukunft wird nichtnur darin bestehen, eingehende Förderanträge zu bear-beiten, zu bescheiden und die entsprechenden Mittelauszuzahlen, sondern sie wird verstärkt darin bestehenmüssen, attraktive Standorte für die Ansiedlung von in-und ausländischen Unternehmen in unserem Lande zuschaffen. Herr Gerstenberger, deshalb antworte ich Ih-nen gern dahin gehend, daß wir 1995 und auch in denfolgenden Jahren verstärkt Infrastrukturinvestitionentätigen müssen, und zwar an solchen neuen Standorten,die wir für neue wachstumsträchtige Sektoren und Be-triebe brauchen. Außerdem werden wir verstärkt An-strengungen im Technologiebereich unternehmen, Neu-entwicklungen mit zu befördern. Möglichkeiten dazuhat das Land geschaffen. Auch hier gibt es bereitsinteressante Vorhaben, die im Verhandlungsstadiumsind.

Meine Damen und Herren, ich komme zum Schluß. Ichhoffe, mit diesen Ausführungen deutlich gemacht zuhaben, daß man es nicht so einfach machen kann beider Kritik dieser Entwicklungen und sagen kann, dasWirtschaftsministerium, die Aufbaubank, die hätten,die sollten, sondern daß man hinter die Zahlen schauenmuß, um die Entwicklungen zu erkennen und auch diezukünftigen Aufgaben. Ich hoffe, mit diesen Ausfüh-rungen, Herr Gerstenberger, auch Ihre Mündliche An-frage beantwortet zu haben. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke, Herr Minister. Soweit der Bericht der Landes-regierung. Bitte, Herr Gerstenberger.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, ich beantrage namens meiner FraktionAussprache.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Nach § 106 Abs. 1 Geschäftsordnung findet auf einensolchen Antrag hin eine Aussprache zum Bericht statt.Das Wort hat Herr Abgeordneter Gerstenberger vonder PDS-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, manchmalgerät man ja ins Träumen. Das ist natürlich nichtsSchlechtes, wenn man hinterher die Grenzen vonTraum und Realität wieder auseinanderhält, sich dertäglichen realen Aufgaben annimmt und nicht denTraumbildern nachhängt. Stellen Sie sich vor, meineDamen und Herren, mir hätte geträumt, der Wirt-schaftsminister sagt heute hier in diesem Raum dieWahrheit. Er erklärt, daß in Mark und Pfennig derWirtschaft und dem Land Thüringen kein Verlust ent-standen ist. Er bemächtigt sich des Verfahrens der Ad-dition von wohldefinierten Summanden und stellt dieSumme der GA-Fördergelder, die 1996 bereitliegen,dar. Er nennt die objektiven Ursachen und die Hinter-gründe der Versäumnisse des Jahres 1995 und ziehtSchlußfolgerungen in Form von konkreten Maßnah-men. In einem Anflug von Selbstkritik entschuldigt ersich bei den Thüringer Bürgerinnen und Bürgern undnimmt von Partei und Ministerpräsident behütet, seinenStuhl auf der Ministerbank wieder ein.

(Beifall bei der PDS)

Ein Glück für mich, meine Damen und Herren, daß ichsolche Träume nicht hatte, denn die Wirklichkeit siehtdoch etwas anders aus. Betrachten wir also die Wirk-lichkeit in der Wirtschaftsförderung, Herr MinisterSchuster. Und um diese Frage zu klären, ob Schadenfür das Land entstanden ist, kann man nicht von Hypo-thesen ausgehen, und auch nicht die Wiederholungenvon Standardformeln bringen uns an dieser Stelle wei-ter. Herr Schuster als Wirtschaftsminister erklärte inder 19. Sitzung des Landtags am 25.08.1995, ProtokollSeite 1345, ich darf zitieren: "Meine Damen und Her-ren, zentrales Instrument einer Marktwirtschaft, die ei-nerseits die Beschäftigungssituation verbessern willund zum zweiten Wachstum erzielen will, ist nach wievor die Gemeinschaftsaufgabe zur 'Verbesserung derregionalen Wirtschaftsstruktur'." Soviel also zur Wer-tigkeit. Nun zum Volumen. Laut Auskunft des Bundes-wirtschaftsministeriums standen 585 Mio. DM Barmit-tel in Bonn für Thüringen zur Verfügung; 60,1 Prozentsind abgeflossen. Das heißt, 234 Mio. DM Bundesgel-

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der sind nicht abgeflossen, mit den Komplementärmit-teln des Landes also 468 Mio. DM nichtabgeflosseneMittel. Die Zahlen wurden genannt, und nach und nachwerden sie auch bekannt. Es ist ein nicht zu bestrei-tender Fakt; übrigens ein Fakt, der im Bundeswirt-schaftsministerium seit Ende Januar bekannt ist.

Der Haushalt 1996, und damit, meine Damen und Herren,meine ich natürlich den Haushalt, den der Landtag imDezember mal beschlossen hat, weist 1,061 Mrd. DM aus,ich sagte es schon bei der Begründung, das heißt531 Mio. DM Bundesgelder und 531 Mio. DM Landes-gelder. Nun wird mir sicher auch Herr Kretschmer alsAusschußmitglied recht geben, daß uns der Staats-sekretär Link, Staatssekretär des Wirtschaftsmini-steriums des Landes Thüringen, mitteilte, daß von demGeld nur noch 978 Mio. DM da sind, übrigens zurursprünglichen Anmeldung für das Jahr 1995 sind das192 Mio. DM weniger Fördergelder für das zentrale In-strument der Wirtschaftsförderung nach MinisterSchuster. Das ist eine beachtliche Größenordnung, aberes kommt noch schlimmer.

Meine Damen und Herren, vollziehen Sie bitte folgen-de Rechnung nach: Wenn der Wirtschaft kein Geldverlorengegangen ist, und das hat Minister Schusterdeutlich gemacht, dann bleiben für den Haushalt 1996also diese 978 Mio. DM, von denen wir immer nochnicht wissen, ob sie es nun sind oder nicht, minus die468 Mio. DM 1995 nicht ausgereichtes Geld, sprich al-so 510 Mio. DM für die Wirtschaftsförderung 1996.Klar, denn die Unternehmen haben das Geld verspro-chen bekommen, und das wäre klar. Wenn das nichtstimmt, Herr Köckert, wenn dem Land kein Schadenentstanden ist, dann müßten diese 978 Mio. DM plus468 Mio. DM, sprich 1,446 Mrd. DM, im Haushalt1996 ausgereicht werden, also zur Verfügung stehen.Klar, wenn dem Land kein Schaden entstanden seinsoll, können keine Gelder verlorengehen, also muß ichsie summieren. Je nach Betrachtung, meine Damen undHerren, geht es also um eine Differenz von 936 Mio.DM Wirtschaftsfördergeldern oder ein Investitionsvo-lumen, vorsichtig geschätzt, von 3,5 Mrd. DM im LandThüringen. Das setzt aber voraus, meine Damen undHerren, daß das Land die Kofinanzierungsmittel zu50 Prozent bereitstellt. Das geht unseres Erachtens nurüber einen Nachtragshaushalt - davon heute kein Wort,denn woher sonst wollen wir die 234 zusätzlichen Mil-lionen DM Landesgelder nehmen, die wir für die Stär-kung der Wirtschaftsförderung und die Kompensierungder 1995 nicht ausgereichten Mittel bereitstellenwollen. Ansonsten, meine Damen und Herren, würdedas aber bedeuten bei aller Rederei und Zahlen-mauschelei, die hier vorgestellt wurde,

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Was Siehier machen, das ist Zahlenmauschelei.)

daß diese Bundesgelder nicht zur Verfügung stehen.Das weiß auch Herr Schuster, denn den Fakt, daß näm-lich die Kofinanzierung bereitgestellt werden muß, hatihm das Bundesministerium bereits Anfang Februar1996 wissen lassen. Ich kann ihm ja gern die Unterla-gen dazu zeigen, wenn er darauf Wert legt.

So, Herr Schuster, was nun? Ist nun das Geld da, er-höht sich der Barmittelansatz, oder ist das Geld nichtda?

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt-schaft und Infrastruktur: Natürlich ist es da.)

Die Antwort haben Sie nicht gesagt. Weiter.

(Zwischenruf Schuster, Minister für Wirt-schaft und Infrastruktur: 100 mal hab ich esgesagt.)

Nach mindestens drei Wochen dieser Informationdurch das Bundeswirtschaftsministerium könnte manübrigens erwarten, daß Sie das wissen.

(Beifall bei der PDS)

Mit dieser Aussage steht und fällt nämlich die Frage,ob das Investitionsvolumen von 3,5 Mrd. DM nun fürdas Land zur Verfügung steht oder nicht. Und dazu ge-hört die Antwort auf den Tisch und kein Blabla.

(Beifall Abg. Greiner-Well, SPD)

Meine Damen und Herren, es kann natürlich auch sein,daß es die Schwierigkeiten waren oder die Konditionenoder die Rahmenbedingungen und die Fördersätze, diedas Problem heraufbeschworen haben, so wie das HerrSchuster im Plenum am 26. Oktober deutlich gemachthat, nachzulesen auf Seite 1627 des Protokolls. Mankann natürlich auch noch einen Schritt weitergehen,und große, weite Schritte stehen ja einem Ministerprä-sidenten auch zu, und so verkündete er, wie ADN be-richtet, am 21. Februar 1996 vor Journalisten in Erfurt- Zitat der Pressemitteilung: "Der Bedarf an Mitteln fürdie Investitionsförderung gehe zurück, während beste-hende Unternehmen Hilfe zum Überleben brauchten.Deshalb müsse das Schwergewicht der Förderung aufdie Bestandssicherung von Unternehmen gelegt wer-den." Im Klartext, meine Damen und Herren: Es ist jaalles gar nicht so schlimm. Das wichtigste und zentraleInstrument, so Wirtschaftsminister Schuster noch zweiMonate vorher, ist ja gar nicht mehr die Wirtschafts-förderung, so Ministerpräsident Vogel, da kann mansich schon mal einen Ausrutscher leisten, außerdemgeht ja noch der Bedarf im Land zurück. Herr Schuster,das müssen Sie natürlich jetzt schnellstens Ihren Mit-arbeitern im Ministerium und auch dem Staatssekretär

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Herrn Link erklären, denn noch am 15. Februar, meineDamen und Herren, das ist gerade mal eine Woche her,wurde mit ausdrücklicher Zustimmung des Staatssekre-tärs mehrheitlich im Ausschuß für Wirtschaft und In-frastruktur beschlossen, in der Anmeldung der Gemein-schaftsaufgabe für 1996 die Beibehaltung der Förder-mittel auf dem jetzigen geplanten, nicht etwa demausgereichten, Niveau vom Bund weiter zu fordern.Die Frage ist nun für mich, ob der Ministerpräsidentdie Wende verschlafen hat oder ob es umgedreht war.

Herr Vogel, meine Damen und Herren, vielleicht lag esaber auch an den Konditionen der Wirtschaftsförde-rung. Wie stellt doch Herr Kretschmer, wirtschaftspoli-tischer Sprecher der CDU-Fraktion, am 25.08. hier indiesem Plenum fest, auch das nachzulesen auf Seite1339 - ich zitiere noch mal: "Wenn Investoren hierher-kommen, ist die Frage nicht, kann man die Fördersätzeabsenken, sondern die wollen maximale Fördersätzehaben hier in Thüringen, wenn sie hierbleiben."

(Beifall bei der CDU)

Sie klatschen Beifall, Herr Kretschmer, aber wußte dasder Minister?

(Beifall bei der PDS)

Nein, Herr Kretschmer, er wußte es nicht, denn dasBundesministerium für Wirtschaft weiß im Zusam-menhang mit der Bewertung der Inanspruchnahme derFördermittel zu berichten - und hier darf ich nochmalzitieren: "Nach Information der Länder...", also nichtirgendeiner eigenen Einschätzung, meine Damen undHerren. "Der geringe Bewilligungsstand in Thüringenist laut Mitteilung des Landes auf verwaltungsinterneOrganisationsprobleme und auf landesseitig selbstauf-erlegte Einschränkungen der Fördermöglichkeiten zu-rückzuführen."

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Von wem stammt denn das?)

Nicht der Bedarf geht zurück, nicht die Konjunkturoder die Unternehmen und Kommunen sind die Schul-digen. Ich dachte, Sie wüßten es, Herr Ministerpräsi-dent, das ist eine Notiz und eine Unterlage des Bun-desministeriums für Wirtschafts- und Infrastruktur.Wenn Sie die Abteilung noch wissen möchten, kannich Ihnen das gerne noch dazusagen.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Das Ministerium ... )

Der Abteilung I C 2. Nicht der Bedarf geht zurück,meine Damen und Herren, ... Meine Güte, Herr Mini-sterpräsident, es geht um die Gemeinschaftsaufgabe

zur Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur inden neuen Ländern, GA Ost, Inanspruchnahme derHaushaltsmittel im Jahr 1995. Es handelt sich um eineNotiz des Ministeriums der Abteilung I C 2.

Nicht der Bedarf geht also zurück, meine Damen undHerren, um wieder darauf zu kommen, nicht die Kon-junktur oder die Unternehmen und die Kommunen sinddie Schuldigen, nein, das Land schätzt ein, verwal-tungsinterne Organisationsprobleme sind der eine Teildes Übels. Trotzdem läßt die CDU-Fraktion die Öffent-lichkeit wissen - kein übereiltes Handeln. Richtig,meine Damen und Herren der CDU, prüfen Sie ersteinmal, ob der Minister das Ministerium überhaupt ge-führt hat, wenn nicht, ist er natürlich auch nicht ver-antwortlich.

(Beifall bei der PDS)

Nicht genug damit, meine Damen und Herren, es sindauch noch landesseitig selbstauferlegte Einschränkun-gen der Fördermöglichkeiten schuld. Nach dem Motto"stur und standhaft" werden aber alle Vorschläge zurVeränderung der Wirtschaftsförderung hier in diesemRaum abgelehnt - auch mit Ihrer Unterstützung, meineDamen und Herren der Koalition. Verfehlte Wirt-schaftspolitik mit falscher Zielrichtung, mit Nichtaus-schöpfung der sicherlich beschränkten Möglichkeitender GA, mit Nachteilen für Unternehmen aber auch dieKommunen, denen gegenüber sich nun die ThüringerLandesregierung den Luxus erlaubt, die Infrastruktur-förderung auf das unvertretbar niedrigste Niveau derneuen Bundesländer zu beschränken. Gelder, die fehlenfür die Sanierung kommunaler Einrichtungen, für dieaber laut Mitteilung des Ministerpräsidenten der Bedarfschwindet, aber auch, und das nicht zuletzt zum Nach-teil der Bürgerinnen und Bürger dieses Landes, denendie Gebühren und Beiträge für solche Infrastrukturbe-standteile, wie zum Beispiel Wasser/Abwasser undStrom über den Kopf wachsen. Man weiß also die Ant-wort, aber man spricht sie in Thüringen nicht aus. Manverkauft die Bürgerinnen und Bürger für dumm undmacht andere für eigene Fehler verantwortlich. Po-litikstil oder nur ein Ausrutscher? Diese Frage bleibt zubeantworten.

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, trifft das nun den Ministerfür Wirtschaft und Infrastruktur des Landes Thüringenallein? Ist das nun wirklich nur ein Personalproblemoder ist es vielleicht doch ein Problem dieser Regie-rung?

(Zwischenruf Abg. Werner, CDU: Vielleichtist es auch ein Problem der PDS.)

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(Beifall bei der PDS)

Dazu vielleicht ein paar kleine Beispiele aus dem Be-reich des Ministerpräsidenten. Hier sagte er doch denJournalisten laut ADN vom 21. Februar 1996: "DieNichtausschöpfung des Investitionsrahmens führte Vogelauf die zurückgehende Investitionsdynamik zurück."Dazu drei Fakten, meine Damen und Herren: Da ist derPresse zu entnehmen, daß ein Unternehmer VolkerWille sich in Nordhausen ansiedeln will, durch diefehlende und schleppende Unterstützung des Landesdas aber nicht kann. Heute sitzt er in Limbach-Ober-frohna in Sachsen, hat einen Mitarbeiterbestand von 50mit dem Ziel, Ende 1996 diesen Bestand auf 100 aus-zubauen.

(Zwischenruf Abg. Frau Arenhövel, CDU:Jetzt kommt das wieder.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Und hatein Strafverfahren am Hals. Ist Ihnen dasauch bekannt?)

Ein zweites Beispiel: Ein in Schlotheim ansiedlungs-williges Unternehmen soll nach Landeswillen an einemanderen Standort angesiedelt werden, und das, obwohldoch immer wieder von Landesregierungsseite betontwird, daß an dieser Stelle und in diesem Punkt die Ein-flußmöglichkeiten auf ein Unternehmen Null sind -auch dort gern zur Nachhilfe noch die Antragsnummerdes Vorganges, wie er sich bei der Aufbaubank befin-det.

Nun, meine Damen und Herren, das könnte man janoch unter kleineren Dingen abtun, vielleicht ein drit-tes Beispiel: Da geht bei dem Ministerpräsidenten imBüro am 26. Januar ein Schreiben ein, in dem einhochinnovatives Unternehmen - nicht etwa aus denneuen Bundesländern, sondern aus den alten Bundes-ländern - eine Investition ankündigt und Probleme imZusammenhang mit der Ansiedlung in Thüringen seitSommer 1995 beschreibt. Bei dieser Investition handeltes sich lediglich um mehrere Hundert MillionenInvestitionsvolumen und einen Anfangsarbeitskräftebe-stand von ca. 1.500 Beschäftigten, die in der Endaus-baustufe auf 3.000 Beschäftigte ausgebaut werdensollen. Herr Ministerpräsident hat nichts Eiligeres zutun, als nach reichlich zweieinhalb Wochen Bearbei-tungszeit mit einem Zwischenbescheid mitzuteilen, daßer dieses Schreiben dem zuständigen Mitarbeiterzugeleitet habe. Nach Prüfung des Vorganges würdeman dem Unternehmer eine Nachricht zukommen las-sen. Es gibt halt keinen Bedarf. Das ist also Wirt-schaftsförderung als Chefsache in diesem Land Thü-ringen. Das ist also die Arbeit auch des Minister-präsidenten an der zentralen und wichtigsten Aufgabedes Landes Thüringen, der Schaffung von 500.000

Arbeitsplätzen für Thüringer Bürgerinnen und Bürger.Gleichgültigkeit oder Ignoranz gegenüber Landespro-blemen wären noch harmlose Begriffe für dieses Tun.

(Beifall bei der PDS)

Deshalb, Herr Schuster, scheint die Sorge um denStuhl, auf dem Sie sitzen, etwas kleiner zu sein. Verän-derung geht nur mit Veränderung der Politik. Dasheißt, Veränderung der Ansätze dieser CDU-Politik aufwirtschaftspolitischem Sektor, die ist nicht allein an Ih-ren Stuhl gebunden, diese Veränderung muß auf dergesamten Regierungsbank stattfinden. So lange dieseVeränderung nicht stattfindet in diesem Land Thü-ringen, ist mit einer Veränderung der Verhältnissenicht zu rechnen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort der Herr AbgeordneteKretschmer, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, der Antragder PDS ist mit heißer Nadel gestrickt. Wir haben es jagesehen in der Formulierung. Wie ich in der Presse ge-lesen habe, haben Sie eine Aufforderung des Parlamen-tarischen Arbeitskreises der Thüringer F.D.P. aufge-nommen, weil die sagen, es sei ein ausgewachsenerSkandal, daß man sich mit den Themen nicht beschäf-tigt. Die Reaktion des Herrn Exministers Bohn in die-ser Woche war da schon wesentlich moderater. Ichglaube, der Mann wußte, wovon er gesprochen hat.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Er hat jaauch genug Defizite aufzuweisen. Er muß jaauch moderat sein.)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Er hat ja auchein Chaos hinterlassen.)

Meine Damen und Herren, der Kollege Gerstenbergerhat hier dargestellt, daß er sich oft mit Anträgen undauch mit Anfragen zu Förderproblemen zur Gemein-schaftsaufgabe im Landtag gemeldet hat. Er ist also imGrunde genommen wohlunterrichtet, er hat sich nurnicht mit dieser Problematik, zu der wir heute sprechenwollen, beschäftigt, sondern die Anträge zur Ver-änderung in der Gemeinschaftsaufgabe wollten eigent-lich die Hürden noch höher machen durch Regle-mentierung und durch Bindung an Kriterien, die fürden Unternehmer nicht realisierbar waren. Das heißt,Sie hätten mit diesen Anträgen den Mittelabfluß noch

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mehr behindert und noch mehr verhindert, daß Investo-ren gekommen sind.

(Beifall bei der CDU)

Das muß man Ihnen erst einmal sagen, bevor sie unsjetzt hier darstellen wollen, wie schlecht die Wirt-schaftspolitik ist ...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Da hättenwir jetzt eine Landesplankommission.)

Richtig. Und die Krönung ist ja, daß nun nicht nur per-sonelle Konsequenzen gefordert werden im Stuhl desMinisters, nun ist also gleich die ganze Regierungdran. Also das Fest der Bedenkenträger und Unkenru-fer hat jetzt fröhlich Urständ. Jetzt wird behauptet,Schaden ist entstanden, Millionenbeträge sind verloren,der Eindruck wird geweckt, als ob wir hier der Mei-nung sind, es sind nur Peanuts. Mich ärgert insbesonde-re, daß es Bundestagsabgeordnete sind, die auch mitdem Blick nach Westdeutschland den Eindruck erwek-ken, als ob man in Thüringen nicht in der Lage ist, mitGeld umzugehen, in einer Diskussionszeit, wo manzwischen Ost und West versucht, die Fördermittel inOst- und Mitteldeutschland einzuschränken. Das mußman doch mal sehen.

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Ein-geschränkt - was soll denn das?)

Mal ruhig, wir kommen noch zu den Zahlen HerrGreiner-Well. Natürlich will ich ganz deutlich sagen,auch uns in der CDU-Fraktion würde sehr schmerzen,wenn auch nur eine Million nicht ordentlich hierverwendet werden könnte. Aber man soll doch nichtschon jetzt wehklagen, wenn noch gar nicht festgestelltist, daß Millionen verlorengegangen sind. Und HerrMinister Schuster hat hier deutlich gesagt, die Mittel,die im Jahr 1995 als Baransatz da sind, sind durchBewilligung 100 Prozent gebunden. Das ist Einmaleinsder Haushaltsführung, Herr Gerstenberger, da solltenSie Ihre Kollegin Neudert fragen. Die Mittel, die nichtausgegeben worden sind im Haushaltsjahr, müssen, dasie ja für drei Jahre eingeplant sind, nicht erneut fürden Haushalt entstehen, sondern sie werden ja dortentsprechend des Bedarfs durch den Finanzministerabgegeben. Das soll es schon gewesen sein, was ichzunächst mal in Richtung der Kollegen von der PDSgesagt haben möchte.

Was mich mehr verwundert, und leider ist der KollegeLippmann nicht da, den ich als sehr ruhigen und sach-lichen Menschen schätze, ist der Ruf nach personellenKonsequenzen aus seinem Mund. Sicher, es gibt Pro-bleme, und über diese Probleme sollten wir reden undwie wir die Probleme dann auch lösen können. Aber

sie werden nicht gelöst dadurch, daß man Personenauswechselt und keine Lösungen anbietet.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe letztens zur Kenntnis genommen, daß Mini-ster, die ja im Grunde genommen an einem Tisch sit-zen und für mich eigentlich auch wie Arbeitskollegensind, und wenn man an einem Tisch sitzt mit Arbeits-kollegen, dann kann man doch von einem Ministerzum anderen sagen: "Du horch mal, mich stört das hiermit dem Bergamt." Aber die haben das nicht gemacht.Sie haben das über die Zeitung gemacht. Das wundertmich schon. Komischer Umgang, aber das ist hier hin-ter dieser Bande der Umgang.

(Beifall bei der CDU)

Aber nun, Herr Kollege Lippmann sagt, wir müssenpersonelle Konsequenzen ziehen. Und das ist eine Art,wie manche Jounalisten arbeiten. Nicht von denen, dieda oben auf der Tribüne sitzen, sondern

(Beifall und Heiterkeit im Hause)

so ein bißchen nordwestlich in unserem geeinten deut-schen Vaterland orientiert. Wenn einem Minister mög-licherweise nachgesagt wird, er könnte was verkehrtgemacht haben, oder es ist etwas nicht ganz korrekt ge-laufen, also wenn ihm etwas nachgesagt wird, dann istdie erste Frage schon mit vorgehaltenem Mikrofon:"Herr Minister, haben sie schon über Rücktritt nachge-dacht?" So eine Art von Journalismus wollen wir nichthaben, haben wir zum Glück auch nicht, und so ma-chen wir es auch nicht.

(Beifall bei der CDU)

Nun stellt Herr Minister Schuster hier fest, daß dieVE's aus dem letzten Haushaltsjahr nicht in dem Maßebelegt worden sind, wie sie es vom Rahmen her hättensein können. Sie sind also, wenn man der Statistikfolgt, auch geringer als in anderen Ländern von Ost-und Mitteldeutschland. Das sollte man schon festhal-ten, denn daran müssen wir arbeiten, Herr Gunder-mann. Aber ein Einwurf hier nur aus einer aktuellenDiskussion, wir haben natürlich auch eine 100-pro-zentige Belegung in Mecklenburg-Vorpommern. Undwenn Sie mal den Wust der Zahlen sehen, die imAugenblick im Zusammenhang mit der VulkanwerftBremen auf dem Tisch liegen, da redet man von 650Mio. bis 1,5 Mrd., die aus Mecklenburg-Vorpommernmöglicherweise nach Bremen geflossen sind. Damitwollen wir unsere VE's natürlich auch nicht belegen,das ist nicht der richtige Weg.

(Beifall bei der CDU)

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2425

Nun geht es darum zu diskutieren. Und ich diskutierenicht, die Investoren wollen nicht kommen, sondernich sehe eher das Problem, sie können zum Teil nichtkommen. Ich habe auf die schnelle Zeit die Richtigkeitdes Zitats nicht überprüfen können, aber mir schwebteso ein Zitat von, ich glaube Carlo Schmid, vor: "DiePferde saufen nicht." Das ist eine Situation, die wir janicht neu haben ...

(Zwischenruf Schuster, Minister fürWirtschaft und Infrastruktur: Schiller!)

Schiller. Danke schön. Ich sagte ja, ich war nicht ganzsicher. Aber auf das Zitat kam es mir an. Wir müssenalso mal schauen, warum diese Schwierigkeiten hierstehen. Ich komme in meinen Ausführungen über denStandort Deutschland dann auf die Thüringer Bedin-gungen zurück, aber Standort Deutschland ist das erste.Die Frühjahrsumfrage des Deutschen Industrie- undHandelstags, die gerade aktuell vorliegt, konstatierteine miserable Stimmung in der Wirtschaft. Es ist eineEnttäuschung, lese ich gerade heute, ja Verbitterungüber das wirtschaftspolitische Hickhack. Die Unter-nehmer, das muß man hier so deutlich aussprechen,vermissen zügige Entscheidungen oder wenigstens ver-läßliche Festlegungen, die nicht gleich wieder zerredetwerden. Und, meine Damen und Herren, die Unter-nehmer stellen nicht fest, ob die Entscheidung, die siewollten, in Bonn gefallen ist oder in Erfurt oder viel-leicht in der Kommune oder durch einen Entscheid ei-ner Bürgerinitiative verhindert worden ist. Die Unter-nehmer stellen nur fest, sie kommen hier nicht voran.Und hier müssen wir sehen, was wir machen können,denn die schleppende Investitionstätigkeit ist ein Re-flex unternehmerischer Standortentscheidungen, unddie werden hier immer ungünstiger in Deutschland. InOst- und Mitteldeutschland - damit fange ich mal an -werden beispielsweise durch die hohen StromkostenLeute abgehalten, hier in Thüringen oder anderswo zuagieren.

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: ...auch wegen Wasser und Abwasser.)

Jawohl, danke schön. Und ein zweites für den StandortDeutschland, hier bin ich mir sicher, daß auch der Au-tor des Zitats stimmt, es ist Herr Peter Glotz. HerrPeter Glotz sagt: "Die Cashkühe des 21. Jahrhundertswerden aus Deutschland förmlich vertrieben." Cashkü-he ist ein Begriff aus der Betriebswirtschaft, das sinddie Produkte, die Zweige, die später in der Zukunft malordentlich Gewinn versprechen. Er hat auch gleich ge-sagt, welche Industriezweige er damit meint. Das sinddie Computer, das ist Software, das ist Mikrotechnolo-gie, das ist Biotechnologie, und die werden förmlichaus dem Land getrieben. Auch das muß man deutlich

sagen, wenn man diese Misere betrachtet. Nun kommeich aber zum ...

(Zwischenruf Abg. Frau Neudert, PDS:Kommen Sie jetzt zum Thema?)

Ach, wissen Sie, das ist nun meine Entscheidung, wasich zum Thema hier vortrage.

... Standort Thüringen. Herr Minister Schuster hat ge-sagt - und das, meine ich, ist auch legitim hier festzu-stellen -, das Ministerium hat in der Hausspitze ge-wechselt, das sollte man mal sagen. Das hat auch eini-ge Umstellungsprobleme gebracht. Das ist in den ande-ren Ministerien, wo die Hausspitze gewechselt hat,auch nicht anders. Auf Forderung, insbesondere auchunseres Koalitionspartners, ist die TLW aufgelöst wor-den, die Thüringer Landeswirtschaftsfördergesellschaft.Machen wir uns doch nichts vor, das geht doch nichtvon heute auf morgen. Da gibt es doch auch gewisseRedundanzen, die will ich hier nicht verhehlen. Wirhaben alle gefordert, die Richtlinien sollen effektiverund gebündelt werden. Wem nehme ich denn übel,welchem Unternehmer, der sagt, na dann warte ich erstmal bis die Richtlinien vorliegen, vielleicht verbessernsich die Konditionen. Auch das soll ich doch mal hierin den Rahmen bringen. Fragen möchte ich aber auch:War die Kenntnis der Möglichkeiten, die die Ver-pflichtungsermächtigungen bieten, auch in allen Pha-sen, bei allen Mitarbeitern im Haus vorhanden? Wur-den Investoren, ich will es mal so sagen, verwöhnt oderwurden sie vielleicht auch als Störung empfunden, dasheißt, wie gehe ich mit Investoren um hier in Thürin-gen? Auch das müssen wir mal sagen, das führt uns aufdie Frage der Akquisition und der Behandlung von In-vestoren. Und wenn ein einheimischer Unternehmer,der neu im Geschäft ist, vielleicht nicht alle Regelnkennt in einem neudeutschen Büroleben, dann mußman ihm helfen und ihn nicht fortschicken und sagen,lerne du erst die Regeln.

Meine Damen und Herren, das sind Felder, wo wirschon Defizite sehen und wo auch für die Zukunft nachmeinem Dafürhalten Möglichkeiten zu Veränderungensind, um mehr Schwung hineinzubringen, um dieseAufbruchstimmung, die ja im Land zu guten Er-gebnissen geführt hat, auch weiter voranzutragen. DasKlima muß verbessert werden, die CDU hat auf ihrerWirtschaftsklausur übrigens einige Vorschläge auf denTisch gelegt.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Wir auch!)

Ja, wir setzen uns auch noch zusammen, und dabringen wir sie zusammen ins Päckchen, und da geht esvoran, glauben Sie es doch nur. Aber Sie merken auchhier, nachdem die Vorschläge auf dem Tisch lagen,

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sofort meldet sich der Chor der Bedenkenträger. Nichtswird gesagt, wie wir es denn umsetzen können, son-dern: Das geht nicht. Ich sage das einmal hier an derStelle, vielleicht ist es ganz günstig, die CDU schlägtein 1.000-Brücken-Programm vor.

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Dashat zu tun mit Zahnbrücken.)

Wenn Sie in kommunaler Verantwortung stehen undsich einmal ein bißchen umschauen gerade in denKommunen, manche Stadt ist mit einem Schwerlasternicht mehr zu erreichen, weil die Brücke die Tragfä-higkeit nicht bringt.

(Beifall bei der CDU)

Es ist bewußt gesagt worden, es ist ein symbolisches1.000-Brücken-Programm. Im Hinterkopf hatte ich schondie Idee, daß manch einer annimmt, es ist ein Konjunk-turprogramm für Schildermacher, weil wir demnächstan jede Brücke die Nummer dranschreiben, damit man-che von eins bis tausend nachzählen, also meine Da-men und Herren, mit dieser Art und Weise kann mannatürlich keine Aufbruchstimmung erzeugen, ein sym-bolisches Brückenprogramm.

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist aberjetzt weit hergeholt.)

(Zwischenruf Abg. Rieth, SPD: Das war einWitz.)

Wir haben auch ganz spontan überlegt, das sind ja In-strumentarien, die zum Teil schon einmal existierten.Ein Kollege sagte mir das Fachwort aus früheren DDR-Zeiten. Ich sage es Ihnen gleich einmal. Die Leute, diein der Akquisition tätig sind, auch an ihrem Erfolg zubeteiligen, denn sie sind dort angestellt, und sie habeneinen festen Satz des Einkommens, und vielleicht

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Aberkeine Einladung zum Opernball.)

kann man dort eben auch einen leistungsabhängigenTeil bringen, wenn eine Akquisition von Anfang biszum Ende als Investition sich auch realisiert hat. Wiegesagt, für die, die sich dort noch auskennen, das hießfrüher "leistungsabhängiges Gehalt". Das ist gar nichtmal so verkehrt, wenn man darüber nachdenkt. Ichmeine, es sind hier genügend Möglichkeiten, die Pro-bleme, die aufgezeigt worden sind, zu lösen. Ich habein meinen ganzen Lösungsvorschlägen keinen gesehen,der darauf gerichtet war, die Regierung abzulösen,sondern uns gemeinsam zum Handeln zu bewegen, da-

mit etwas passiert, damit dieses Bild von Herrn Schiller"Pferde saufen nicht" wieder abgeschafft wird, sonderndaß man sagt, es geht wirklich vorwärts. Lassen Sie unsnur nicht auf diesen Chor der Bedenkenträger und Mieß-macher und Fehldeuter hören, das ist ein - ich sage eseinmal so deutlich - Kastratenchor. Was wir hier inThüringen brauchen, das ist ein kräftiger Baß und einklarer Sopran.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Das Wort hat der Herr AbgeordneteGoedecke, SPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren Abgeordneten, wir haben jetzt zu diesem Themadrei Vorträge gehört: nun ja, nun ja, nun ja. Ich möchteauf jeden Fall durch meinen Vortrag nicht zur Verwir-rung beitragen.

(Heiterkeit bei der CDU)

Ich möchte hier auch nicht als Seidenraupe auftretenund einen Kokon spinnen.

(Beifall bei der SPD)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Wenn esder Wirtschaft hilft.)

Ja, wenn es der Wirtschaft hilft, das sollten wir uns alleauf die Fahne schreiben. Ich denke, und auch Herr Mi-nister Schuster, ich habe Ihren Vortrag dreimal gehört,es war dreimal dasselbe, aber er ist nicht besser gewor-den.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Zwischenruf Abg. Werner, CDU: Ich ver-stehe das einmal, nicht allemal.)

Da haben Sie eine Chance verpaßt, vielleicht hätten Siees dann besser verstanden. Vielleicht wären Sie aufdiese Hintergründe gestoßen, um die es geht und dienicht ausgesprochen werden sollen. Was sich zur Zeitim Wirtschaftsministerium abspielt, ist wohl an Pein-lichkeiten kaum zu überbieten.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Auf einer Ausschußsitzung des Bundeswirtschaftsmini-steriums wird festgestellt, daß im Jahre 1995 die Bun-desländer Sachsen, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vor-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2427

pommern den Verpflichtungsrahmen für die Jahre 1996bis 1998 zu 100 Prozent belegt haben, Brandenburg zu80 Prozent und Thüringen nur zu 52 Prozent. Auf dieAnfrage an das Thüringer Wirtschaftsministerium, obdem Land dadurch Gelder verlorengegangen sind, alsoSchaden entstanden ist, bekommt man zur Antwort:nein. Herr Schuster hat vorhin erwähnt, daß der Pro-Kopf-Zuwachs an Arbeitsplätzen in Thüringen derhöchste war. Wenn ich eine andere Zahl dagegenhalte,und das ist die Zunahme der Arbeitslosigkeit in Thü-ringen, und zwar eine ständige, eine stetige Zunahmeseit Sommer vergangenen Jahres, seitdem der Haus-haltsplan beschlossen ist, die spricht eine andere Spra-che.

(Beifall bei der PDS)

50.000 Arbeitslose sind es mehr geworden.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Wenn ich noch einmal zurückkommen darf auf dieMittel, die in Anspruch genommen worden sind, undwenn wir jetzt genauer hinsehen, trifft das zwar für denBaransatz zu, wo die bewilligten Mittel und nicht ab-geflossenen Mittel ins nächste Haushaltsjahr übertra-gen werden können, aber dies trifft nicht zu für dieVE's der Jahre 1996 bis 1998, insgesamt 622 Mio. DM,Bundesanteil 311 Mio. DM. Die Landesmittel gehennatürlich nicht verloren, das ist richtig, meine Damenund Herren, die sind dem Land verlorengegangen. Wasnoch schlimmer ist, die Folgejahre der Baransätzeerrechnen sich auf der Basis der vergangenen dreiJahre, was dann dort auch zu erheblich niedrigenBaransätzen führen wird. Das ist keine Niederlage nachPunkten, denke ich, das ist schon ein Knockout.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Wenn hier behauptet wird, daß Thüringen ganz alleinvon der schlechten Konjunktur betroffen ist, so spiegeltsich hier die mangelnde Kreativität selbst bei Ausredenwider.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Fragt man im Wirtschaftsministerium nach den För-derhöchstsätzen, so bekommt man zur Antwort, manfördere ja bereits seit dem vergangenen Jahr unter An-wendung der Förderhöchstsätze. Genaue Aussagen da-zu sind ja auch vage. Wenn man sich fragt, auf welcherrechtlichen Basis diese erhöhte Förderung vonstattengehen soll, wird man auf eine Richtlinie zum 24. Rah-menplan verwiesen, in der ganz andere Zahlen stehen.Und Herr Minister Schuster sagte weiter, daß die aufer-legten Beschränkungen oder auch die selbstauferlegtenBeschränkungen durch ihn schon längst aufgehoben

worden sind, nur das Ergebnis spricht eine andereSprache. Hier wäre zu fragen, ob überhaupt die Be-schränkungen dem Herrn Minister begegnet sind, daßsie auch aufgehoben werden konnten.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Der Frage nach Förderung von Unternehmen in Mana-gements KG's wird mit vergleichbaren Antworten be-gegnet. Dies geschehe schon lange. Wie erklärt sichdann aber ein Schreiben an den MinisterpräsidentenHerrn Vogel vom 16.01. dieses Jahres, wo eben dasWeimarer Baumaschinenwerk nochmals ersucht, ent-sprechend in die Förderung der Gemeinschaftsaufgabemit einbezogen zu werden. Das Unternehmen hat bis-lang noch nichts bekommen, obwohl bereits einigeFörderanträge gestellt worden sind. Diese Beispielekönnten noch beliebig fortgesetzt werden.

Meine Damen und Herren, Herr Minister Schuster wirdnicht müde, darauf hinzuweisen, daß seit seinem Amts-antritt alle selbstauferlegten Beschränkungen aufge-hoben wurden. Mit dem Einverständnis des Präsidentenzitiere ich aus der Aufzeichnung der Ausschußsitzungdes Bundestags zur Gemeinschaftsaufgabe, wonach dasLand Thüringen selbst feststellt:

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

Abgeordneter Goedecke, SPD:

"Der geringe Bewilligungsstand in Thüringen ist aufverwaltungsinterne Organisationsprobleme und auf Lan-desseite selbstauferlegte Einschränkungen der Förder-möglichkeiten zurückzuführen."

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Hört,hört.)

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Das ist nicht mehr sehr viel Neues.)

Ja, Herr Ministerpräsident, das ist richtig, es ist nichtsehr viel Neues, es geht aber hier um Fakten, und Fak-ten lassen sich nun einmal nicht wegreden, das ist dasProblem.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Dasist eine Interpretation.)

Meine Damen und Herren, ich verstehe auch dieSchwierigkeiten, die konjunkturell verursacht sind, dasist mir bekannt. Trotz alledem läßt sich Wirtschaftspo-

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litik auch besser organisieren. Das haben wir schonlänger gefordert. Es geht darum, es wurde ja im Vor-feld von mir angesprochen, daß diese Förderung tat-sächlich so organisiert wird, daß die Unternehmen ge-rade bei der Nachfrage von Investitionsgütern, aberauch im infrastrukturellen Bereich so gefördert werden,daß ihre Durchfinanzierung möglich ist. Und das warscheinbar in der Vergangenheit nicht so. Zwei bis dreiZukunftsprojekte, also zwei bis drei Entwicklungspolein Thüringen, z.B. im Bereich der Umwelttechnologie,der Keramik ...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Dann orga-nisieren Sie die Bürgerinitiative dagegen.)

Es geht nicht um Bürgerinitiative, es geht um Akquisi-tion, und es geht darum, darum zu werben in demLande, ...

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Die sinddoch da. Sie halten doch die Schilder hoch.)

Nein, Herr Böck, in dem Fall halten Sie die Schilderhoch.

(Beifall bei der SPD, PDS)

... Entwicklungspole in diesem Land zu schaffen. Vor-hin wurde ja so ein Beispiel genannt, um tatsächlichinnovative Technologien hier umzusetzen, daß mansolche Pole tatsächlich finanziell schnell und groß-zügig unterstützt und daß man auch in Not gerateneUnternehmen schnell bei der Bereitstellung von Fi-nanzen unterstützt. Aber man könnte ja zu dem Schlußkommen, man gibt das Geld lieber zurück. Hier fehltstrukturelles und wirtschaftliches Denken und Handelnfür den Wirtschaftsstandort Thüringen. Wer da be-hauptet, der Landesanteil für die Jahre 1996 bis 1998sei nicht verlorengegangen, der hat recht. Aber ichsehe schon Herrn Minister Trautvetter die Hände rei-ben, denn auch so kann man die Konsolidierung desHaushalts organisieren und betreiben. Ich danke.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Eine Anfrage, Herr Wunderlich? Sind Sie bereit, dieFrage zu beantworten? Ja. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Herr Goedecke, ich kenne Sie ja als seriösen Kollegen.

(Unruhe bei der CDU)

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Das will ich auch bleiben.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Wir wollen ja nun bei Fakten bleiben.

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Ja, das ist sehr gut.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Sie sprechen ständig von selbstauferlegten Beschrän-kungen. Sind Ihnen selbstauferlegte Beschränkungendes Ministeriums bekannt? Dann legen Sie doch bitteein, zwei oder drei hier mal dar.

(Beifall bei der CDU)

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Herr Wunderlich haben Sie die Richtlinien bzw. dieAnmeldung zum 24. Rahmenplan gelesen, was da drinsteht? Und dann antwortet der Herr Minister: Jawohl,ich habe das ja längst aufgehoben. Nach was sollensich denn die Betriebe richten, wenn nicht nach denRichtlinien

(Beifall bei der SPD, PDS)

und danach Anträge stellen und wirtschaftliches Vor-ausdenken organisieren.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Es kann doch nicht sein, daß eine Freihandvergabe er-folgt, wenn der Minister sagt, ich habe das lange auf-gehoben. So geht das doch nicht.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Herr Goedecke, ich frage Sie noch einmal. Sagen Siemir doch bitte ein, zwei, drei - wir sind doch alle lern-fähig - oder vier Fakten hinsichtlich selbstauferlegterBeschränkungen.

(Zwischenruf Abg. Greiner-Well, SPD: Umdie Beschränkungen geht es doch gar nicht..)

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Es geht um die Fördersätze, zum Beispiel 25 Prozent.Es ist möglich nach den GA-Richtlinien, daß zu35 Prozent plus 15 Prozent - 50 Prozent gefördert wirdoder nur GA 50 Prozent. Es kommt darauf an, was es

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2429

für Unternehmen sind, ob der KMU-Anteil von 15 Pro-zent dazukommt oder nicht. Das ist so in den Richtli-nien. Oder haben Sie irgendeine Online, eine andereOnline, in der die Unternehmen anders informiert wer-den? Ich glaube nicht.

(Zwischenruf Abg. Frau Vopel, CDU: Werhat immer unterschiedliche Fördersätze ver-langt?)

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Sind Sie bereit, noch eine Frage zu beantworten, HerrGoedecke?

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Na sicher.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Wunderlich, CDU:

Herr Goedecke, dürfen Sie dann vielleicht zur Kenntnisnehmen,

(Unruhe bei der SPD, PDS)

also mir ist in den letzten Monaten kein Fall bekannt,daß das Wirtschaftsministerium nicht nach Förderricht-linien bewilligt hat.

Abgeordneter Goedecke, SPD:

Also, Herr Wunderlich, wissen Sie denn überhaupt,wovon Sie reden, muß ich doch hier fragen.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Das war übrigens auch weder inhaltlich noch struktu-rell eine Frage, Herr Abgeordneter Wunderlich. Umdas Wort hat gebeten der Ministerpräsident Dr. Vogel.Bitte, Herr Ministerpräsident.

Dr. Vogel, Ministerpräsident:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, es bedarf keines Beleges dafür, daß wir es mit ei-ner nicht ganz einfachen Materie zu tun haben. Derletzte Satz von Herrn Goedecke - Wissen Sie denn

überhaupt, wovon Sie reden? - kam einem in der letz-ten Stunde mehrfach in den Sinn.

(Beifall bei der CDU)

Bevor ich aber auf den Kollegen Goedecke eingehe,Herr Kollege Goedecke, herzlichen Dank für das Kom-pliment an Herrn Kollegen Schuster, Sie hätten ihndreimal gehört, und er hätte dreimal dasselbe gesagt.

(Beifall bei der CDU)

Ein Kompliment, das ich gern höre. Herr KollegeGoedecke, Sie haben die Arbeitslosenzahlen zitiert, diewir im Februar für den Januar bekommen haben. Diesind bedrückend und zutiefst unerfreulich. Es ist,glaube ich, außer einigen, die damit etwas kochenmöchten, und die sitzen nur auf wenigen Plätzen, eineallgemeine Tatsache, daß sich das ändern muß. AberHerr Kollege Goedecke, die Arbeitslosenzahlen vomJanuar 1996 haben mit den Verpflichtungsermächti-gungen für 1996, 1997, 1998 nicht das geringste zutun,

(Beifall bei der CDU)

Ich komme auf die aufgehobenen Selbstbeschränkun-gen nachher sehr gern noch einmal zurück. Nur, HerrKollege Goedecke, was Sie eben in Ihrer Antwort ge-sagt haben, bedarf bitte einer Anmerkung. Es ist rich-tig, im 24. Rahmenplan sind die Fördersätze erhöht.Aber, meine sehr verehrten Damen und Herren, werhier mitredet, muß wissen, daß der 24. Rahmenplannicht genehmigt ist und daß deswegen die erhöhtenFördersätze des 24. Rahmenplanes - es sei denn, manwill gegen Gesetz verstoßen - zur Zeit nicht ausge-reicht werden können. Deswegen sind das keine - dasmeint auch der Referent, den Sie da immer wieder zi-tiert haben aus dem Bundeswirtschaftsministerium, garnicht - daß deswegen die noch nicht angewandten För-dersätze des 24. Rahmenplans mit selbstauferlegtenBeschränkungen nicht das geringste zu tun haben.

Es ist vorhin von Herrn Gerstenberger über einen Mini-ster gesagt worden, er sage nicht die Wahrheit. Vor einpaar Stunden ist in diesem Haus sogar gesagt wordenvon einem Minister der Bundesregierung, er lüge.Meine Damen und Herren, nehmen Sie es mir nichtübel, ich mache den Vorschlag, daß wir bei solchenFeststellungen bitte in Zukunft nicht bleiben, sonderndaß wenn jemand einen Verdacht erheben möchte, ereinen Verdacht ausdrücken kann, daß es aber ein Min-destmaß an Umgang miteinander geben sollte

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Dann fan-gen Sie mal bei sich an, Herr Ministerpräsi-dent.)

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2430 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

und daß man sich deswegen nicht vorwerfen sollte,man sage nicht die Wahrheit.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, es ist von Herrn Gersten-berger gesagt worden, die Materie ist schwierig. Dasstimmt. Es ist aber niemand verpflichtet, zu diesemThema zu sprechen. Aber wer spricht, ist dazu ver-pflichtet, ein Mindestmaß von Kenntnis zu besitzen.

(Beifall bei der CDU)

Herr Kollege Gerstenberger, ich empfehle die Lektüreder Landeshaushaltsordnung, ehe Sie das StichwortNachtragshaushalt oder dergleichen in den Mund neh-men. Wenn Sie wenig Zeit haben, Sie brauchen nichtalle Paragraphen zu lesen, aber doch wenigstens bitte dieersten zwei. Dort ist ganz eindeutig und abschließendgeregelt, was zu geschehen hat, wenn Mittel in 1995bewilligt werden, aber nicht abfließen. Da braucht eskeinen Nachtragshaushalt, da braucht es auch keineaufgeregte Debatte, sondern einen Blick in den § 2 desThüringer Haushaltsgesetzes: Diese Beträge, die derFinanzminister weiterzuführen hat, erhöhen sich "umdie unvorhergesehenen und unabweisbaren Komple-mentärmittel, die das Land zur Mitfinanzierung dervon der Europäischen Gemeinschaft oder vom Bundzweckgebunden zur Verfügung gestellten Ausgabemit-tel erbringen muß". Es ist über jeden Zweifel erhaben,daß die zwar bewilligten, aber nicht abgeflossenenMittel des Jahres 1995 zusätzlich zu den Haushalts-ansätzen des Haushalts von 1996 in 1996 selbstver-ständlich ausgereicht werden können.

(Zwischenruf Abg. Dr. Gundermann, SPD:Das bestreitet auch keiner.)

Hier bestreitet es niemand, aber Herr Gerstenberger hatseine ganze Argumentation darauf aufgebaut,

(Beifall bei der CDU)

daß eine gräßliche Katastrophe unmittelbar bevorstehe.

2. Meine Damen und Herren, es ist richtig, HerrGerstenberger hat mich selber zitiert: Die Gemein-schaftsaufgabe zur regionalen Wirtschaftsförderung istein zentrales Förderinstrument und wird es noch eineWeile bleiben. Aber, meine Damen und Herren, es gibtviele Beispiele dafür, daß eine Sache wichtig war unddaß unter neuen Bedingungen andere Sachen wichtigerwerden und die wichtige Sache abnimmt. Wir habenhier im Land Dutzende von Beispielen in allen Politik-bereichen. Natürlich ist das das zentrale Finanzierungs-instrument, aber es zeigt sich immer mehr, daß dieses

bisher sinnvolle Instrument auf die Bedürfnisse vonheute und morgen offensichtlich nicht mehr richtig zu-geschnitten ist und daß man deswegen die Akzente derFörderpolitik nicht total und auch nicht von heute aufmorgen, aber schrittweise anders setzen muß. Wenn inerheblichem Umfang Investitionsbereitschaft nachläßt,übrigens auch deswegen, weil eben jahrelang unge-heuer viele Investitionen getätigt worden sind, dann istes durchaus denkbar, daß man den Konsolidierungs-fonds aufstockt und die Fördermittel nach GA schritt-weise etwas zurücknimmt. Das richtet sich nicht nachirgendwelchen Ideologien, sondern nach den Erkennt-nissen und Bedürfnissen in der Praxis. Ich plädiere da-für, daß man mit dem Bund, wir sind ja in umfassen-den Finanzverhandlungen mit ihm, in Verhandlungendarüber eintritt, übrigens gemeinsame Meinung allerneuen Länder, ab 1997 hier eine Kurskorrektur einzu-leiten. Noch etwas, es ist ja manchmal merkwürdig, essteht zwar in der Bibel auch ähnlich, aber das kann ichnicht zur Grundlage machen: Wenn irgendein Referentirgendeines der 16 Bonner Ministerien etwas auf einBlatt Papier bannt, dann hat das Evangeliumscharakter.Wenn ein Minister oder ein Staatssekretär oder dieMehrheit des Parlaments oder ein Ministerpräsidentetwas sagt, dann kann das nur noch im Sinne dieserNotiz gelesen werden. Da legt also ein Referent, dieNummer ist vorhin angegeben worden, des Bundes-wirtschaftsministeriums ein Papier vor, und da steht einSatz drin, ich lese ihn jetzt noch einmal, wir kennenihn langsam auswendig, es ist ja auch in der Wichtig-keit angebracht, daß wir ihn so wichtig nehmen: "Dergeringe Bewilligungsstand in Thüringen ist laut Mittei-lung des Landes auf verwaltungsinterne Organisations-probleme und auf landesseitig selbstauferlegte Ein-schränkungen der Förderrichtlinien zurückzuführen."Skandal! Verwaltungsinterne Organisationsprobleme, dasmuß ja etwas ganz Schreckliches sein.

Meine Damen und Herren, dieser Landtag, die Koali-tionsfraktionen, jedermann hat uns dringend aufgefor-dert, die Richtlinien zu überarbeiten, neu zu fassen, zukürzen und der Gegenwart anzupassen. Das ist gesche-hen. Das kann man aber bei Dutzenden von Richtliniengenausowenig an einem Tag, wie man es in irgendei-nem anderen Ressortbereich, wo Richtlinien erarbeitetwerden müssen, an einem Tag kann, schon gar nicht,wenn sie der Zustimmung der Europäischen Gemein-schaft bedürfen. Außerdem hat alle Welt gefordert, dasInstrumentarium der Wirtschaftsförderung neu zu ord-nen und beispielsweise die Aufgabe der TLW anderszu strukturieren. Das ist geschehen, wie wir es wollten,aber das hat in der Tat Organisationsprobleme zur Fol-ge. Und wer noch nie eine Organisation geleitet hatund noch nie eine umgestellt hat, der sollte bitte etwasvorsichtiger sein mit dem Glauben, daß das vom erstenTag an nur zu besseren Ergebnissen führt, sondern dasführt zunächst einmal zu Umstellungen. Ich möchte

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2431

auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Schutznehmen, die die zusätzliche Belastung dieser Umstel-lungen in den letzten Monaten getragen haben. Wasdie landesseitig selbstauferlegten Einschränkungen be-trifft, Herr Schuster hat es ja deutlich gemacht, es gabin der 1. Legislaturperiode solche auferlegten Ein-schränkungen, daß beispielsweise Treuhandunterneh-mungen nicht gefördert wurden und dergleichen mehr,daß im Besitz des Staates befindliche Unternehmennicht gefördert wurden und dergleichen mehr. Mit Be-ginn dieser Legislaturperiode und der Übernahme desMinisteriums durch Herrn Schuster sind diese selbst-auferlegten Einschränkungen, wie er vorhin ausdrück-lich gesagt hat, zu Recht und dankenswerterweise alleaufgehoben worden.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren, sollen wir das tatsächlichbetreiben? Da wird ein Investor aus Nordthüringen ausder Zeitung zitiert, dann wird ein Abschnitt eines Brie-fes an mich - ich möchte einmal erleben, was im Da-tenschutz loswäre, wenn das nicht ein Brief an einenMinisterpräsidenten wäre - teilweise vorgelesen. HerrGoedecke, Sie zitieren ein Weimarer Unternehmen.Soll ich jetzt wirklich hierhergehen und soll Ihnen vor-tragen, was Prüfungen dieser Vorgänge im einzelnenergeben? Sollen wir dann wirklich morgen eine Debat-te haben unter dem Stichwort "Skandal - Die ThüringerRegierung prüft die Bewilligung eines Antrags nichtsorgfältig, sondern schmeißt das Geld der Steuerzahlerzum Fenster hinaus"?

(Beifall bei der CDU)

Ich will niemandem irgend etwas unterstellen, aber ichwünsche, nicht unterstellt zu bekommen, daß die Prü-fung von Anträgen nicht sorgfältig erfolgt. Nicht jeder,der hier ankündigt, 1.000 Arbeitsplätze zu schaffen,nicht jeder, meine Damen und Herren, schafft die, undnicht jeder besitzt ein wirtschaftliches Vorleben, das esrechtfertigt, ihm auch nur eine Million Mark zurVerfügung zu stellen. Ich lege sehr großen Wert dar-auf, daß wir um der Investoren willen nicht in Versu-chung geführt werden, hier Einzelbrieftexte vorzulesenund dazu dann Auskunft zu geben. Das kann jedemeinzelnen Abgeordneten gegenüber sehr gern gesche-hen, aber vom öffentlichen Pult aus wird das nicht ge-schehen. Nur weise ich deswegen auch mit Entschie-denheit diese törichte Behauptung zurück, daß etwasverschlafen würde oder daß etwas, was zu tun ist, nichtgetan würde.

Meine Damen und Herren, wir mögen manches falschmachen, aber daß täglich harte Kernarbeit geleistetwird, das kann ja wohl niemand, der gutwillig ist,ernsthaft bestreiten. Der Tatbestand ist bei aller

Schwierigkeit der Materie ja doch wohl völlig klar. Al-le im Haushalt 1995 zur Verfügung stehenden GA-Mit-tel, d.h. Barmittel, sind bewilligt, sie sind nicht alleabgeflossen, aber alle Bewilligungen werden 1996 be-dient werden können. Es gab genügend Anträge, es gabgenügend Bewilligungen. Niemand, der die Vorausset-zungen erfüllt hat, ist abgewiesen worden. Nichts anBarmitteln von 1995 ist verloren, gespart worden odergar, wie es gelegentlich zu hören war, verfallen. An-ders ist die Situation bei den Verpflichtungsermächti-gungen.

Meine Damen und Herren, hier ist der ganze Rahmenvon 1995 in 1995 nicht belegt, aber ich darf dochjedem, der sich damit befaßt, noch einmal sagen: Eshandelt sich nicht um Geld, das 1995 nicht ausgegebenwurde, sondern es handelt sich um Verpflich-tungsrahmen für 1996/97 und 98, und zwar ausschließ-lich. Auch dies ist in den Reden, die gehalten wurden,Entschuldigung, nicht immer richtig akzentuiert wor-den, um den Bundesanteil, weil es beim Land solcheVerpflichtungsermächtigungen aus guten Gründen nichtgibt, deswegen ist auch keine Mark Verpflichtungs-ermächtigung des Landes in 1995 nicht belegt worden.

Meine Damen und Herren, die Tatsache, daß Ver-pflichtungsermächtigungsrahmen nicht belegt werden,ist beim Bund und in den neuen Ländern nicht dieAusnahme, sondern die Regel. Und ich bitte einmal zurKenntnis zu nehmen, daß das, was wir hier mit großemKraftaufwand seit Tagen diskutieren, in den anderenLändern genauso passiert ist wie hier in Thüringen indiesem Jahr auch. Die Belegung der VE-Mittel war inThüringen 1995 52 Prozent und 1994 100 Prozent. InSachsen-Anhalt waren es 1995 51 Prozent und in 1996100 Prozent, also genau dasselbe, nur im Jahr ver-schoben. Und in Mecklenburg-Vorpommern waren esin diesem Jahr 100 Prozent, aber im Jahr 1995 42 Pro-zent - wenn Sie sich die Übersicht geben lassen. Füralle Länder gilt, daß nicht in allen Jahren die Ver-pflichtungsermächtigungen ausgeschöpft worden sind,sondern daß sie teilweise nur zu 30 und 40 und wenigerals 50 Prozent in Anspruch genommen worden sindund im nächsten Jahr dann zu 100 Prozent.

Meine Damen und Herren, es ist auch ganz klar, in denJahren, wo wir Jena oder Eisenach ausgebaut haben,sind es 100 Prozent. Jetzt, wo das Chemiedreieck zurDebatte steht - in Sachsen-Anhalt und Sachsen - sind esdort 100 Prozent, und, meine Damen und Herren, Siekönnen an der Statistik entlang die Ansiedlung vonGroßprojekten durch die neuen Länder der Bundesre-publik verfolgen. Ich bitte nur um eines, daß jeder, derdas jetzt als singulären Vorgang Thüringens in diesemJahrhundert darstellt, einmal bedenkt, welchen Scha-den er damit anrichtet, wenn er den Eindruck erweckt,hier geschehe etwas völlig Extraordinäres.

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2432 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

(Beifall bei der CDU)

Nein, meine Damen und Herren, dem ist nicht so. Ichmöchte noch eine Bewertung hinzufügen.

Meine Damen und Herren, natürlich bin ich froh, daßich feststellen kann, daß keine Versäumnisse vorliegen,sondern daß sachgerechterweise nicht mehr Investitio-nen zu bedienen waren. Aber auf diese Feststellungfolgt, und verstehen Sie das richtig, es wäre viel einfa-cher, ich könnte sagen, daß sowieso oder sowieso einenFehler gemacht hat, wenn wir den korrigieren, wird essich ändern. So ist es leider nicht, meine Damen undHerren, sondern wir müssen erkennen, daß insbeson-dere in dem Land, das die höchsten Investitionen seit1989 hatte, sich schrittweise deutlich macht, daß sicheine Wachstumsentwicklung nicht in der bisherigenDynamik fortsetzt, in den alten Ländern nicht, aberbedauerlicherweise auch nicht in den neuen. Nur soll-ten wir die Kräfte darauf verwenden, diese Dynamikwieder zu erreichen und nicht das Schauspiel bieten,nicht zu wissen, daß etwas, was letztes Jahr inSachsen-Anhalt, was vorletztes Jahr in Sachsen passiertist, auch dieses Jahr hier vorgekommen ist, um gleich-zeitig nach außen den Eindruck zu erwecken, als obeben ein paar müde vor sich hintrabende Pferde inThüringen nicht wissen, was zu machen ist.

Meine Damen und Herren, die Folgerungen aus dieserganzen Debatte liegen doch, glaube ich, klar auf derHand.

1. Es muß versucht werden, 1996 zu erreichen, daß diebewilligten, aber noch nicht abgeflossenen Mittel ab-fließen.

2. Es muß versucht werden, zu erreichen, daß die für1996 zur Verfügung stehenden Mittel in 1996 zu mög-lichst großem Prozentsatz abfließen, und

3. es muß versucht werden, den Verpflichtungsrahmen,die Belegung der Verpflichtungsermächtigungen in1996 für 1997 und 1998 und 1999 möglichst weitge-hend auszuschöpfen.

Es müssen die Akzente der Förderpolitik neu gesetztwerden, und, meine Damen und Herren, die Neu-strukturierung der Wirtschaftsförderung und die Neu-fassung der Förderrichtlinien muß jetzt dazu führen,daß auch eine zügigere und umfassendere Bedienung,wie nur je möglich, erfolgen kann. Die Instrumentestimmen, das ist wohl unbestritten. Die Effektivitätmuß noch verbessert werden.

Meine Damen und Herren, das setzt vor allem voraus,daß ein Dienstleistungsdenken einsetzt.

(Beifall bei der CDU)

Wir sind nicht dazu da, gefällig zu prüfen, ob wir dieGunst haben, eine Unterstützung zu geben, sondern wirsind dazu da, jedem Gutwilligen möglich zu machen,im Rahmen des Rechtes jede nur denkbare Unterstüt-zung zu finden, und zwar in wachsendem Maße nichtbei Neuinvestoren, wo sie zu finden sind, vor allem imAusland selbstverständlich, aber, meine Damen undHerren, vor allem bei den hier Ansässigen muß es Vor-rang haben, eine Bestandspflege zu betreiben.

Ich weiß nicht, manche Redner erwecken den Ein-druck, als ob sie nie Nachrichten aus der Bundesrepu-blik hören. Hört man das, dann weiß jedes Kind, daßgegenwärtig die Signale nicht auf Ausweitung der In-dustrie gestellt sind, sondern daß überall abgebautwird. Ich lege Wert darauf, meine Damen und Herren,daß man nicht nur an DASA denkt, sondern daß manauch bedenkt, was es bedeutet, wenn die großen Indu-strieunternehmen in Deutschland abspecken und redu-zieren - es kann gar nicht mehr vom Speck die Redesein, es ist viel mehr - und nicht ausweiten.

Meine Damen und Herren, in diesem Zusammenhangnoch eines: Während Ende 1994 kaum ein bedeutsamerInvestor für die Zukunft hier vorlag, haben in den letz-ten 12 Monaten, wie Sie alle wissen, Unternehmen vongrößtem internationalen Rang in Schwarza, in Söm-merda, in Gotha, in Eisenach und an vielen anderenStandorten sich bereit erklärt, zu investieren. Die kom-men alle nicht in den Verpflichtungsermächtigungenvon 1995 vor, aber sie haben sich in den letzten 12Monaten hier eingefunden - als letztes vor ein paar Ta-gen Advent International, wie Sie wissen bei Docterop-tik. Deswegen: Natürlich kann ich die Rechnung ma-chen - was wäre gewesen, wenn ich alle Fördermittelbelegt hätte zur Schaffung neuer Arbeitsplätze - undkann sagen, dann kommt eine große Zahl da unten her-aus. Nur, meine Damen und Herren, ich kann sie erstbelegen, wenn Investoren gefunden sind, die sich tat-sächlich auch für diesen Standort interessieren. Dasheißt übrigens auch, nebenbei bemerkt, vor allem dieInfrastruktur des Standorts zu verbessern, damit derStandort interessant ist, auch in einer Zeit abnehmen-den Wirtschaftswachstums im übrigen in der Welt.

(Beifall bei der CDU)

Ich habe nichts dagegen, daß wir diese Diskussion füh-ren, obwohl es ein bißchen mühsam ist, erst allgemeinKenntnisse zu verschaffen. Ich mußte sie mir in dieserschwierigen Materie auch erst verschaffen, und ich ha-be auch gar nichts dagegen, daß das Streiten weiter-geht, nur auf eines bitte ich zu achten, zu allzulautStreitenden geht man nicht gern, um sich dort nieder-zulassen.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2433

(Beifall bei der CDU)

Wir sollten auch ein bißchen darauf achten, daß derStreit um die Sache geht, und wir sollten den Verdachtvermeiden, daß manche gar nicht die Sache meinen,sondern die Person. Es geht um die Sache, meine Da-men und Herren.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Das Wort hat Frau Abgeordnete Dr. Klaubert von derPDS-Fraktion.

Abgeordnete Frau Dr. Klaubert, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Mini-sterpräsident, ich bin Ihnen dankbar dafür, daß Sie ge-sagt haben, daß wir zur Sache reden wollen, denn man-ches, was hier in der Debatte angeboten wurde, grenztean eine Nachkarnevalsveranstaltung, und das wurdeschon peinlich.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Sie mei-nen Herrn Gerstenberger.)

Ich möchte auch darauf verweisen, daß unser Berichts-ersuchen sich auf Organisation und Ergebnisse der För-derung nach der Gemeinschaftsaufgabe richtete undmöchte auf einige Punkte noch einmal hinweisen.

1. Ich beginne zunächst mit einigen Zahlen zum Ar-beitsmarkt, die hier schon genannt worden sind. Ichmöchte sie dadurch ergänzen, daß wir über den Ar-beitsmarkt zum Stand per 31.01.1996 nicht nur feststel-len können, daß wir 211.811 Arbeitslose in diesemLand hatten, sondern daß insgesamt 312.836 Menschenentweder keine oder keine längerfristige Beschäftigunghatten. Wir müssen nämlich die ABM-Beschäftigten, dieKurzarbeiter, die Teilnehmer an Umschulungs- undFortbildungsmaßnahmen dazuzählen.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Aber Siekommen noch zum Thema?)

Ich komme noch zum Thema, Herr Köckert. Und zwargenau an dieser Stelle beziehe ich mich auf die An-meldung zum 25. Rahmenplan, in dem übrigens auchdie Pendler, Vorruheständler und die sogenannte "stilleReserve" in einer Überlegung eine Rolle spielten unddort in der Anmeldung eine Zahl von 430.000 fehlen-den Arbeitsplätzen im Lande Thüringen angegebenwurde. Wir haben diese Debatte hier schon einmal ge-führt. Ich möchte darauf hinweisen, daß spätestens

nach den Arbeitsmarktzahlen des Monats Januar we-nigstens akzeptiert werden müßte, daß wir derzeit feh-lende Arbeitsplätze in der Größenordnung von über500.000 haben.

(Beifall bei der PDS)

Daß die Industriebeschäftigten in der deutschen Indu-strie abnehmen, hat Herr Minister Schuster selbst zu-gegeben. Nun frage ich: Wäre nicht daraus die Folge-rung - die Akzeptanz dieser Zahlen und die Präzi-sierung in der Anmeldung zum 25. Rahmenplan?

2. Ich bin schon beim Thema. Die Möglichkeiten derUnterstützung der Umstrukturierung sind durch vielfäl-tige Förderprogramme gegeben. Die Vielfalt ist tat-sächlich groß. In den neuen Bundesländern sind es ins-gesamt über 1.200, und auch in Thüringen ist die Viel-falt derart breit, daß an eine Straffung gedacht werdenmuß. Der Minister hat in seinem Bericht dazu nichtsgesagt.

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Er hatdas schon gesagt.)

Aber selbst der in der Presse ausgetragene Streit zwi-schen SPD und CDU macht deutlich, daß im Wirt-schaftsministerium die Möglichkeiten der Förderung,das zeigt mir die Antwort des Ministers zur verbilligtenAbgabe von Flächen in Gewerbegebieten, nicht genü-gend klar sind.

(Beifall bei der PDS)

Ich will Ihnen keinen Nachhilfeunterricht erteilen. Aberda Sie das mit uns immer wieder versuchen, verweiseich auf den 24. Rahmenplan - Drucksache 13/1376 -des Bundestags, Seite 78, Punkt 7.5. Ich kann es Ihnennoch vorlesen oder überlassen. Es ist also unter denBedingungen der Berücksichtigung des Subventions-wertes der Flächenverbilligung sehr wohl möglich, dieFlächen zum symbolischen Preis abzugeben, woraufwohl der Vorschlag der SPD-Fraktion nach ihrer Klau-sur abzielte.

(Beifall bei der PDS)

Dieser Punkt ist kein strittiger Punkt in der noch aus-stehenden Bestätigung durch die EU-Kommission. IhreAussage, Herr Minister Schuster, in der Presseinforma-tion vom 05.02.1996, in der Sie diesbezüglich von ei-nem Verstoß gegen europäisches Subventionsrechtsprachen, ist schlichtweg falsch.

(Beifall bei der PDS)

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2434 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

3. Wir betrachten auch die Aussagen vom Wirtschafts-minister, die Schuld für die Inanspruchnahme den Un-ternehmen anzulasten und neuerdings auch die damiteinhergehende Schützenhilfe des Ministerpräsidentenschlichtweg als einen Versuch, von der Arbeit und derOrganisation im Wirtschaftsministerium und im neu-eingegliederten Bereich der Aufbaubank abzulenken.

(Beifall bei der PDS)

Das Zitat, welches ich heute früh schon anbrachte,welches Herr Gerstenberger hier noch einmal vortrugund worauf sich auch der Ministerpräsident bezog, daskann jeder nachlesen. Ich kann mich nicht als Ministerhier hinstellen und mit einigen laxen Bemerkungendarüber hinweggehen, als ob das alles gar nicht sowichtig sei. Und ich warne auch vor Bemerkungen, ichversuche, Sie einmal sinngemäß zu zitieren: "... hat esin den vergangenen Jahren einmal gegeben; das warweit vor meiner Zeit; ich habe sie aufgehoben, wo siemir begegnet sind ..." - na hoffentlich sind Ihnen allebegegnet - "... und da war einmal die Rede in einemPapier". So kann man nicht umgehen, wenn es einenVorwurf aus einer Abteilung des Bundeswirtschaftsmi-nisteriums gibt, der mittlerweile bekannt ist. Es mutetschon sehr seltsam an, daß bis zu dem Punkt, wo erhier zitiert worden ist, keiner darauf Bezug genommenhat.

(Beifall bei der PDS)

Der Vollständigkeit halber will ich jedoch auch diesemHause mitteilen, daß das Bundeswirtschaftsministeriumals einen Grund für die Minderausgaben in den neuenBundesländern einschätzt, daß als Folge der ver-schlechterten Konjunktur nicht alle Förderprojekte imvorgesehenen Zeitrahmen durchzuführen waren. Aber,Herr Minister, warum spielten bis gestern die Aussa-gen, die Ihr Haus gegenüber Bonn macht, in Ihren Er-klärungen keine oder nur eine marginale Rolle?

(Beifall bei der PDS)

Hier liegen doch Ursachen für die Verschiebung vonSchuld und Verantwortung. Wer sich nicht verantwort-lich fühlt, wird kaum zu umfassenden Schlußfolgerun-gen für seine eigene Arbeit kommen.

4. Bonn teilt mit, daß die nicht ausgeschöpften Mittelaus 1995 und 1996 zusätzlich nur in dem Maße zurVerfügung stehen, wie das Land die Kofinanzierungsichert. Die Antwort darauf hat erst der Ministerpräsi-dent mit einer Belehrung zur Landeshaushaltsordnunggegeben. Aber wir führen schon seit langem einenStreit darüber, wie man in diesem Haushalt mit ver-schiedenen Geldern umgeht. Da können Sie auch ein-mal Frau Neudert fragen.

(Beifall bei der PDS)

Zu den benannten Nichtbelegungen der Verpflichtungs-ermächtigungen für die Folgejahre müssen wir feststellen,und das hat, glaube ich, auch Herr Goedecke sehr deutlichgemacht, daß hierzu zumindest Wirkungen auf die vonBonn für notwendig erachteten Barmittelansätze für dieFolgezeiträume entstehen. Damit gehen dem Land Mög-lichkeiten zur Sicherung bzw. Schaffung neuer wettbe-werbsfähiger Arbeitsplätze schlicht und ergreifend ver-loren.

(Beifall bei der PDS)

Aber, meine Damen und Herren Abgeordneten,

(Zwischenruf Abg. Jaschke, CDU: Warumhaben Sie denn vorhin nicht zugehört?)

da muß man eben ganz einfach eine Tatsache akzeptie-ren, daß Wirtschaftsförderung im Zusammenhang mitder Schaffung von Arbeitsplätzen betrachtet werdenmuß. Also doch Schaden für dieses Land. Ich habe imErgebnis der Berichterstattung feststellen können, daßunsere kontinuierlichen Nachfragen, auch wenn sieheruntergeredet wurden, und unser heutiger Antragdringend notwendig waren. Übrigens, er ist nicht mitheißer Nadel gestrickt, aber sehr schnell geschrieben,und der Anteil der F.D.P. ist gleich Null.

(Beifall bei der PDS)

Aber interessant ist natürlich, daß man auch dort zugleichen Überlegungen kommt.

(Heiterkeit bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU: Daswäre noch etwas.)

Ich bedaure sehr, daß trotz unserer Anfragen in diesemHaus zum Komplex der Wirtschaftsförderung ein über-heblicher und oberflächlicher Bericht des Wirtschafts-ministers gegeben wurde und daß nicht die notwendi-gen Konsequenzen in seinem Haus hier bekanntgege-ben wurden. Da nützt eine Verteidigungsrede des Mi-nisterpräsidenten gar nichts. Der Wirtschaftsministerselbst hatte nichts anzubieten. Das Ergebnis ist ganzeinfach schöngeredet.

(Beifall bei der PDS)

Was uns heute hier vorgetragen wurde, liegt unter un-seren zaghaftesten Erwartungen an einen Bericht derLandesregierung. Da mag ich schon gar nicht mehr vonden Träumen meines Abgeordnetenkollegen Gersten-berger sprechen. Ich bin der Auffassung, daß dieser

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2435

Bericht trotzdem im Wirtschafts- und Haushalts- undFinanzausschuß als Grundlage der weiteren Debatte zudiesem Thema genutzt werden muß. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke. Das Wort hat der Herr Abgeordnete Preller,SPD-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Preller, SPD:

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Her-ren, ich will hier keine wirtschaftspolitische Grund-satzdebatte führen, dazu ist die Zeit schon ziemlichweit fortgeschritten. Ich möchte auch nicht aus Briefenzitieren, aber eine grundsätzliche Bemerkung viel-leicht: Herr Kretschmer, wenn Sie hier das dramatischeBild der deutschen Wirtschaft malen, dann stellt sichnatürlich die Frage, wer in Bonn seit 13 Jahren regiert.

(Beifall bei der SPD, PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Und das sind, Herr Böck, wohl nicht die Bürgerinitiati-ven.

(Heiterkeit und Beifall bei der SPD, PDS)

Ich möchte noch einmal auf den Mittelabfluß 1995 zu-rückkommen. Da sind ja einige Nebelkerzen geworfenworden. Vielleicht gelingt es mir, den Rauch etwas zubeseitigen, und vielleicht kann ich auch zur Aufklärungder von Herrn Wunderlich gestellten Fragen beitragen.Es ist ja unumstritten, daß 60 Prozent der Fördermittelfür die bewilligte Investitionssumme 1995 ausgereichtworden sind. Die GA gestattet seit dem 24. Rahmen-plan eine Förderung im gewerblichen Bereich von 35Prozent und einen Zuschlag von 15 Prozent für kleineund mittlere Unternehmen. In den Durchführungsbe-stimmungen - ich muß noch einmal darauf zurück-kommen - des Thüringer Ministeriums für Wirtschaft undInfrastruktur vom 29. August 1995 wird jedoch einFördersatz von 25 Prozent festgeschrieben; für kleine undmittlere Unternehmen können zusätzlich 15 Prozentbewilligt werden. Der nach dem 24. Rahmenplan mög-liche Höchstfördersatz von 50 Prozent ist nur bei Un-ternehmen möglich, die zusätzlich - 5 Prozent - Aus-bildungsplätze zur Verfügung stellen und Investitionenauf Altstandorten oder in strukturschwachen Regionenvornehmen. In der Durchführungsbestimmung des Mi-nisteriums für Wirtschaft und Infrastruktur für dieGewährung von Investitionszuschüssen aus Mitteln derGemeinschaftsaufgabe "Verbesserung der regionalenWirtschaftsstruktur", veröffentlicht im "Thüringer Staats-

anzeiger", Nr. 39/1995 ist unter Punkt 2.1., Textziffer2.4 explizit ausgeführt, und Sie gestatten, daß ich zi-tiere, Herr Präsident:

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

Abgeordneter Preller, SPD:

"Können keine Zuschläge für Ausbildungsplätze und/oderfür Investitionen auf Altstandorten oder in struktur-schwachen Regionen gewährt werden, reduziert sichder maximale Subventionswert entsprechend." Dasheißt also, nur wenn sie nicht zusätzlich Ausbildungs-plätze schaffen und/oder auf Altstandorten bzw. instrukturschwachen Regionen investieren, sind 40 Pro-zent möglich. Nun hat uns Herr Schuster in den letztenTagen gesagt, daß er bereits 50 Prozent bewilligt. Wirhaben vorhin gehört - Herr Ministerpräsident hat unsdarüber belehrt -, daß, solange die GA noch nichtgenehmigt wird, noch nicht in voller Höhe bewilligtwerden kann.

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Ausbezahlt.)

Oder ausbezahlt werden kann. Was stimmt denn nun?

(Zwischenruf Dr. Vogel, Ministerpräsident:Genau das.)

Herr Schuster hat uns gesagt, daß er ausbezahlt. Undunter Vorbehalt ist das wohl auch möglich. Sie solltenuns da schon einmal etwas aufklären. Wenn Sie sichden durchschnittlichen Fördersatz ansehen, der lag1995 bei 25 Prozent. Und selbst wenn es stimmt, daßein Teil der Betriebe mit 50 Prozent gefördert wurde,dann können das ja wohl sehr wenige gewesen sein,denn da genügt an sich nur eine ganz kleine Rechen-übung. Wenn nur 20 Prozent der Unternehmen 50 Pro-zent Förderung bekommen, und wir haben ja mittler-weile nur noch kleine und mittlere Unternehmen zufördern, dann können die restlichen Unternehmen nurim Durchschnitt mit wesentlich weniger als 20 Prozentgefördert worden sein. Man kann sich vorstellen, daßdas keine Förderung ist, die hier zur Ansiedlung neuerInvestoren beiträgt.

(Beifall bei der SPD)

Es ist also festzustellen, daß der nun mehrfach zitiertenFeststellung im BMWI, ich will sie nicht noch einmalwiederholen, doch nichts hinzuzufügen ist.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, wenn hiersowohl durch Herrn Minister Schuster als auch durch

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den Ministerpräsidenten festgestellt wird, daß die etwa40 Prozent der 1995 nicht ausgereichten Mittel über-tragbar sind und 1996 nachgereicht werden können,dann ist das nur insofern tröstlich, daß diese nicht völ-lig verloren sind. Wie viele Arbeitsplätze dadurch nichtoder erst einige Jahre später entstehen, auch Arbeits-plätze, Herr Ministerpräsident, im Januar 1996, das seidahingestellt. Aber es sind Arbeitsplätze, die wir zurZeit nicht haben. Und wie vielen Unternehmen durchhöhere Fördersätze bezüglich ihrer Finanzausstattungeine sichere Grundlage hätte geschaffen werden kön-nen, das sei auch dahingestellt. Und wenn Herr Mini-sterpräsident Vogel fordert, daß der Bund seine Förder-instrumente überprüfen soll, dann möchte ich schonfeststellen, daß zuerst im zuständigen Ministerium da-mit begonnen werden müßte.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Ein Frühwarnsystem zum Beispiel ist schon seit mehre-ren Monaten gefordert worden, allerdings vorhandenist es wohl noch nicht, sonst würde es nicht so vielenBetrieben so schlecht gehen.

(Heiterkeit Schuster, Minister für Wirtschaftund Infrastruktur)

Zur Änderung der Förderrichtlinien der GA hat es inder vergangenen Zeit eine ganze Reihe von Vorschlä-gen gegeben.

Herr Ministerpräsident, wenn Sie da initiativ werdenwollen, unsere Unterstützung haben Sie, zum Beispieleine Umschichtung der in Rede stehenden Mittel inHöhe von 311 Mio. DM, die nun für die folgenden Jah-re für Investitionen verloren sind. Vielleicht gelingt esuns, die für die Konsolidierung unserer Unternehmeneinzusetzen. Diese Verpflichtungsermächtigungen sindja wohl verloren. Das ist uns gestern durch HerrnMinister Schuster doch bestätigt worden. Ich dankeIhnen.

(Beifall bei der SPD, PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Um das Wort hat noch einmal Herr Mi-nister Schuster gebeten. Bitte, Herr Minister.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren, es isthier wieder von Selbstbeschränkungen die Rede gewe-sen. Herr Goedecke konnte zwar kein Beispiel nennen,aber es ist ja doch mehrfach behauptet worden, auchvon Herrn Gerstenberger. Herr Gerstenberger hat noch

vor wenigen Wochen hier einen Antrag eingebracht,der allerdings Selbstbeschränkungen zum Inhalt hätte,nämlich den, unsere Fördersätze zu differenzieren,nicht mehr in allen Teilen unseres Landes Höchstsätzezu gewähren,

(Beifall bei der CDU)

vorwiegend arbeitsplatzintensive Investitionen zu för-dern.

Meine Damen und Herren, diese Vorschläge stellten,würden sie verwirklicht, Selbstbeschränkungen dar.Und wären sie verwirklicht worden, dann hätte diesdazu geführt, daß noch weniger Mittel abgerufen wor-den wären und noch weniger VE's belegt werdenkönnten. Es hätte dazu geführt, daß wir gleichzeitigeine Stange von antragstellenden Unternehmen hättenoder Unternehmen, die am Lande vorbeiziehen und lie-ber in ein anderes Land zum Investieren gegangen wä-ren. Dies wäre die Folge gewesen.

Meine Damen und Herren, es ist nur nicht sehr über-zeugend, wenn man heute Selbstbeschränkungen be-klagt und vor vier Wochen noch Selbstbeschränkungengefordert hat.

(Beifall bei der CDU)

Herr Preller, das Thema "Förderrichtlinien" ist ja wirk-lich eine komplexe Materie. Sie zitieren permanent ausalten Richtlinien. Wir haben nun inzwischen mit Blickauf den 24. Rahmenplan neue Durchführungsbestim-mungen für die GA erlassen. Ich schlage vor, daß wirjetzt einmal gemeinsam alles durchgehen und sozusa-gen das ganze Instrumentarium mit den Fördersätzendurchdeklinieren, um klarzumachen, daß auch wir dasausschöpfen, was der 24. Rahmenplan vorsieht. Nur, dadieser noch nicht in Kraft ist, Herr Preller, können wirderzeit eben nicht nach dem 24. Rahmenplan aus-zahlen. Das tun auch die anderen neuen Länder nicht,das macht Sachsen-Anhalt nicht, das macht Branden-burg nicht, weil dies einfach mit dem geltenden Rechtnicht in Übereinstimmung zu bringen ist. Im übrigenwerden auch die Bestimmungen des 24. Rahmenplansimmer wieder falsch interpretiert. Der 24. Rahmenplansieht eine schematische Regelung derart nicht vor, daßalle kleinen und mittleren Unternehmen 50 Prozentbekommen sollen oder alle Industrieunternehmen35 Prozent, sondern es ist dies hier an bestimmte Struk-tureffekte geknüpft. Unsere Aussage ist seit Wochenund Monaten die, daß wir in unserer Bewilligungs-praxis an die Grenzen der Möglichkeiten in der Inter-pretation dieser Regelungen gehen. Aber ich biete an,Herr Goedecke und Herr Preller, daß wir die einmal imeinzelnen durchdeklinieren, um endgültig einmal Klar-heit zu schaffen, was nun hier gilt und was nicht. Ich

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2437

würde darum bitten, daß man die neuen Durchfüh-rungsbestimmungen einfach einmal liest, um zu sehen,daß es diese Selbstbeschränkungen, von denen Siefortwährend reden, nicht mehr gibt. Wenn Sie es aberbehaupten, dann, bitte schön, möchte ich auch sehen,wo die sind.

Zu Ihrem Beispiel mit den Betrieben, die noch einerManagement KG angehören, kann ich nur sagen: Be-reits im Februar 1995 haben wir mit der BMGB inBerlin ein Abkommen darüber getroffen, daß von da ansofort alle Thüringer Betriebe, die einer ManagementKG angehören, gefördert werden können. Es ist auchgefördert worden, aber das heißt ja auch nicht, daßjeder Antrag dann förderfähig ist. Es mag ja auch beisolchen Unternehmen Anträge geben, die beim bestenWillen nicht mehr gefördert werden und beschiedenwerden können. Ich denke, wir sollten aufhören, Bei-spiele zu zitieren. Erstens müßte man sie hinterfragen.Zu jedem der hier genannten Beispiele wäre einiges zusagen, was allerdings der Datenschutz zu sagen ver-bietet. Ich würde darum bitten, daß man dies auchnicht in der Öffentlichkeit tut, weil sonst die Dis-kussion sehr schnell verwildern könnte.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Minister, erlauben Sie eine Zwischenfrage desHerrn Abgeordneten Preller?

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Ja.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Bitte, Herr Abgeordneter Preller.

Abgeordneter Preller, SPD:

Herr Minister, mir liegt die Durchführungsbestimmungdes Ministeriums für Wirtschaft und Infrastruktur fürdie Gewährung von Investitionszuschüssen aus Mittelnusw. vom 29. August 1995, veröffentlicht im Staatsan-zeiger Nr. 39/1995, vor. Etwas Neueres habe ich imStaatsanzeiger nicht gefunden. Können Sie mir viel-leicht sagen, was es da Neueres gibt und wo das veröf-fentlicht ist?

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Es gibt eine neuere, Herr Preller, die wird gerade imStaatsanzeiger veröffentlicht und von der haben wirauch schon laufend berichtet. Sie müßten aus den gan-

zen Gesprächen in den Ausschüssen darüber Bescheidwissen.

(Zwischenruf Abg. Goedecke, SPD: Das istwohl ein bißchen zu weit gegriffen.)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Herr Abgeordneter Kretschmer, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Kretschmer, CDU:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, ein paarkurze Worte noch zu den Ausführungen der KollegenPreller und Goedecke. Ich habe vorhin dieses Bild desArbeitskollegen gebraucht. Ich finde schon, daß mansich als Kollege auch kollegial verhalten muß. In derFirma sind sie froh, daß sie Arbeit haben, und dieKollegen müssen zusammenziehen, und es mußfunktionieren. Wenn sie nicht zusammenziehen, dawird der Unternehmer entsprechend reagieren. Siemüssen, glaube ich, lernen, daß sie mitregieren undVerantwortung tragen und sich hier nicht unkollegialaufführen.

(Beifall bei der CDU)

Ich fand das heute auch sehr sympathisch, als Dr.Schuchardt in der schwierigen Situation, die er in Ver-antwortung zu tragen hat, auch das gewürdigt hat, bei-spielsweise bei meinem Kollegen Klaus Zeh. HerrGoedecke, Sie reden von Fakten, die Sie hier vorlegen.Sie haben nicht Fakten vorgelegt, sondern Deutungenvorgenommen. Es ist - und das hat Herr MinisterSchuster deutlich gesagt - bisher kein Schaden ent-standen. Es ist 100 Prozent verbewilligt worden. Es hatauch keinen Zweck, Herr Preller, jetzt zu sagen: Bonnhat da Regierungsverantwortung und hat die Wirt-schaftspolitik gemacht. Wenn das so einseitig wäre,dann frage ich mich, wieso das Musterland Saarlanderhebliche Mittel des Bundes hat, um seine Stahl-industrie überhaupt hinzukriegen. Ich frage weiter,Herr Preller, warum das in Bremen im Augenblick sowunderbar geht, wenn Sie wissen, der Vulkanchef,Herr Hennemann, SPD-Mitglied, war virtuos im An-zapfen öffentlicher Gelder - Bundesmittel. Gehen wirweiter, der Ministerpräsident in Niedersachsen, das istauch nicht gerade gut, er verkauft besonders U-Boote,

(Zwischenruf Abg. Goedecke, SPD: Das sindPersonaldebatten, die Sie jetzt anzünden.Was Sie tun, das ist mehr als unfair gegen-über der Koalition.)

(Heiterkeit bei der CDU)

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wenn Sie es einmal richtig sehen.

Herr Goedecke, ich gebe zu, es ist nicht die feine eng-lische Art, aber es ist eine Reaktion auf Ihre Rede,vielleicht sollten Sie sich das Wortprotokoll noch ein-mal durchlesen. Aber ein Punkt noch: Zukunftsprojekteangemahnt. Hier hat Kollege Böck auch schon gesagt:Wir mahnen nicht die Blockierung von Zukunftspro-jekten auf irgendwelchen Ebenen an, sondern hier inThüringen. Ich zähle Ihnen auf, was wir dafür halten.Zukunftsprojekt Leibis, wer ist da der Widerständler?Zukunftsprojekt Goldisthal,

(Unruhe bei der SPD)

wer macht den Widerstand? Zukunftsprojekt Unterta-gedeponie, wo kommt der Widerstand her?

(Beifall bei der CDU)

Zukunftsprojekt ICE-Trasse, wo kommt der Wider-stand her? Meine Damen und Herren, das sind Zu-kunftsprojekte, und die müssen verwirklicht werden.Dann geht es auch vorwärts mit der Wirtschaft in Thü-ringen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Liegt noch eine Redemeldung vor? Nein,Dann können wir die Aussprache zum Bericht schlie-ßen. Frau Dr. Fischer, bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Die PDS-Fraktion beantragt die Überweisung des Be-richts an den Ausschuß für Wirtschaft und Infrastrukturfederführend und an den Haushalts- und Finanzaus-schuß zur Mitberatung.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Die Beantragung der Beratung zur Weiterberatung ineinem Ausschuß ist möglich nach § 106 und § 86 derGeschäftsordnung, allerdings in einem Ausschuß. Dasist klar gesagt.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Gut, dann Wirtschaftsausschuß.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Wirtschaft, gut. Ja, bitte.

Abgeordneter Stauch, CDU:

Herr Präsident, ich bitte zu prüfen: § 106 sagt "Be-ratung im Landtag oder einem Ausschuß". Analoganzuwenden ist § 86, aber wenn die Spezialregelungfür Berichte der Landesregierung in § 106 geregelt ist,kann man natürlich nicht analog dann § 86 heran-ziehen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Pohl, bitte.

Abgeordneter Pohl, SPD:

Ich ziehe noch heran § 106 Abs. 2: "Hat die Landesre-gierung bei der Beratung eines Antrags, der ein Be-richtsersuchen zum Gegenstand hat, den Bericht münd-lich erstattet, so gilt dies als Erfüllung des Berichts-ersuchens. Bei Widerspruch entscheidet hierüber derLandtag."

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Das schließt aber nicht aus, daß wir zunächst erst ein-mal nach Absatz 1 vorgehen könnten.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Jetzt hö-ren wir mal den Vize an.)

Ja bitte, Herr Friedrich.

Abgeordneter Friedrich, SPD:

Ich möchte darauf verweisen, daß es heißt "in einer Be-ratung des Landtags oder eines Ausschusses". Undheute haben wir bereits durch die Aussprache die Bera-tung im Landtag erfüllt und damit den Zusammenhang.Es wäre höchstens noch abzustimmen, nach meinemDafürhalten, ob das Berichtsersuchen erfüllt ist odernicht. Das ist die einzige Abstimmung.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ich bin davon ausgegangen, daß der Satz "§ 86 gilt ent-sprechend" so auszulegen ist, daß die Beratung in ei-nem Ausschuß fortgesetzt werden kann, und darüberwäre zu entscheiden.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Das ist ja einBezug auf die Größe.)

Ja, dieser Bezug ist doch direkt hergestellt in § 106.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2439

(Zwischenruf Abg. Stauch, CDU: Nein, ebennicht. Der § 106 enthält die Spezialregelung...)

Richtig. Und dort steht "§ 86 gilt entsprechend". Wennin § 106 Abs. 1 drinsteht, daß die Regelung über dieFortsetzung einer Beratung im Landtag entsprechendgilt, dann sehe ich den Grund nicht, warum wir dieseRegelung, wenn sie ausdrücklich in Absatz 1 drinsteht,nicht nehmen sollten. Herr Häfner bitte noch.

Abgeordneter Dr. Häfner, CDU:

Herr Präsident, mir steht es nicht zu, Sie zu kritisieren.Ich will nur erinnern: Sie haben eben gefragt, ob esweitere Wortmeldungen zur Fortsetzung der Ausspra-che gibt. Es hat keine Wortmeldungen gegeben. Wa-rum sollen wir etwas fortsetzen, wenn es keinen Rede-bedarf mehr gibt?

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Das ist ja wohl nicht wahr.)

Ich bin eben hier gewesen, ich habe die Frage desHerrn Präsidenten gehört, und es lagen keine Wortmel-dungen vor. Ich weiß nicht, wo Sie waren, ob Sie aufeiner anderen Veranstaltung waren. Ich stelle nur fest,was ich hier erlebt habe.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Erzählen Sie nicht so einen Stuß.)

(Unruhe im Hause)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Häfner, ich danke Ihnen ganz herzlich für denVersuch - das Problem ist nur, natürlich bestand jetzthier im Landtag kein Beratungswunsch mehr, aber esgab einen Antrag auf Weiterberatung im Ausschuß,und auf diesen, nicht auf die Fortsetzung der hiesigenBeratung, zielt das ab. Ich stimme jetzt darüber ab, obnach § 106 der Geschäftsordnung - bitte, Herr Vize-präsident Friedrich.

Abgeordneter Friedrich, SPD:

Wir sind uns doch darüber einig, daß es hier um diespezielle Bestimmung des sofortigen Berichts der Lan-desregierung geht. Da sind wir uns doch erst einmal ei-nig.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja.

Abgeordneter Friedrich, SPD:

Da heißt es in § 106 Abs. 2: "Hat die Landesregierungbei der Beratung eines Antrags, der ein Berichtsersu-chen zum Gegenstand hat, den Bericht mündlich erstat-tet, so gilt dies als Erfüllung des Berichtsersuchens.Bei Widerspruch entscheidet hierüber der Landtag."Ich gehe erst einmal davon aus, daß kein Widerspruchstattgefunden hat, daß also alle davon ausgehen, dasBerichtsersuchen ist erfüllt.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Der Widerspruch ergibt natürlich erst dann einen Sinn,wenn die Fraktion davon ausgeht, daß es keine Weiter-beratung in einem Ausschuß gibt.

Abgeordneter Friedrich, SPD:

Moment, Herr Kollege, einen Augenblick. Das ist nichtrichtig, was Sie sagen. Es tut mir leid, ich muß es sosagen, sondern es geht erst einmal darum, ob das Be-richtsersuchen erfüllt ist, denn der Antrag der Fraktionder PDS richtet sich auf ein Berichtsersuchen.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Richtig.

Abgeordneter Friedrich, SPD:

Und wenn das Berichtsersuchen erfüllt ist, ist der An-trag erfüllt, Entschuldigung.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Wer erklärt mir dann bitte den Sinn es Satzes "§ 86 giltentsprechend".

(Unruhe im Hause)

Die Landtagsverwaltung bestätigt meine Position, daßabgestimmt werden müßte über die Weiterberatung indem Ausschuß und, wenn die Weiterberatung in demAusschuß abgelehnt wird, dann anschließend § 106Abs. 2 gelte, nämlich die Erfüllung des Berichtsersu-chens festgestellt werden müßte.

(Unruhe im Hause)

Bitte, Herr Stauch.

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2440 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Abgeordneter Stauch, CDU:

Herr Präsident, ich gestatte mir noch einmal daraufhinzuweisen, daß § 106 die Spezialregelung für Be-richte der Landesregierung enthält. Und selbstverständ-lich, wenn ein Paragraph die Spezialregelung für Be-richte der Landesregierung enthält, ist ein andererParagraph, auf den analog verwiesen wird, nur dannheranzuziehen, wenn es keine Spezialregelung gibt.Und für diesen Fall ist die Spezialregelung in § 106enthalten, also ist hier der analog anzuwendende § 86 -Große Anfragen - nicht heranzuziehen, sonst hätte mansich nämlich diesen Verweis in § 106 sparen können.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ich danke allen Beteiligten für die wertvollen Hinwei-se. Aber die Hinweise haben mich nicht überzeugt.

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe im Hause)

Wir wollen zu diesem Zweck den Ältestenrat einberu-fen? Das denke ich nicht. Wir verfahren jetzt folgen-dermaßen: Wir stimmen jetzt über den Antrag derFraktion der PDS über Weiterberatung des Berichts ineinem, nämlich dem Wirtschaftsausschuß, ab. Und jenachdem wie diese Abstimmung ausgeht, verfahren wirdann nach § 106 weiter oder nicht. Ich frage also: Werdem Antrag der Fraktion der PDS auf Weiterberatungdes Berichts im Wirtschaftsausschuß zustimmt, denbitte ich um das Handzeichen. Danke schön. Gegen-stimmen? Danke. Enthaltungen? 3 Enthaltungen. Dan-ke. Damit ist die Ausschußüberweisung abgelehnt, dieWeiterberatung abgelehnt, und wir stellen jetzt dieErfüllung des Berichtsersuchens durch die Landesre-gierung fest. Frau Dr. Fischer bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Die PDS-Fraktion legt Widerspruch ein.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Für diesen Fall ist nach § 106 die Erfüllung des Be-richtsersuchens durch Beschluß des Landtags festzu-stellen. Wer im Landtag der Auffassung ist, daß dasBerichtsersuchen durch den Bericht der Landesregie-rung erfüllt ist, den bitte ich um das Handzeichen.Danke schön. Gegenstimmen? Danke. Enthaltungen?2 Gegenstimmen, 3 Enthaltungen, damit gilt das Be-richtsuchen als erfüllt. Der Tagesordnungspunkt ist da-mit beendet. Wir kommen entsprechend des Beschlus-ses aus der heutigen Feststellung der Tagesordnungzum Tagesordnungspunkt 7

Stand der Arbeitsplatzsicherung für dieKalibergleute in BischofferodeAntrag der Fraktion der PDS- Drucksache 2/863 -

Es ist signalisiert, daß die Landesregierung einen Be-richt gibt. Aber ich sehe, Herr Lemke, Sie möchten zurBegründung sprechen. Bitte, Herr Abgeordneter Lemke,PDS-Fraktion.

Abgeordneter Lemke, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, in der Ple-narsitzung am 25.01.96 befaßten wir uns mit der Mas-senarbeitslosigkeit und dem Ausmaß der Nichtbeschäf-tigung in Thüringen. Zahlen und Dimensionen sind daseine, betroffene Menschen und Regionen das andere.Bischofferode als ehemaliger Kalistandort ist eine Re-gion, die seit Jahren unter den Folgen der Beendigungdes Kaliabbaus leidet. Sie, Herr Ministerpräsident, ha-ben zur Aktuellen Stunde über Massenarbeitslosigkeitin alter Manier 40 Jahre DDR-Wirtschaft bemüht. BeiBischofferode wird Ihnen das schwer möglich sein. DieUrsachen für die gegenwärtige Situation in Bischof-ferode sind andere. Offene und verdeckte Arbeitslosig-keit vieler ehemaliger Bergleute sind das Ergebnis vonTreuhandpolitik einerseits und verfehlter Wirtschafts-politik der Thüringer Landesregierung andererseits.

(Beifall bei der PDS)

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Dasist doch gelogen.)

(Unruhe bei der CDU)

Unter dem Druck der Bergleute, ihrem beispiellosenKampf für die Erhaltung ihrer Arbeitsplätze, sahen sich1993 Bundes- und Landesregierung dazu gezwungen,Versprechungen zu geben. Ich sage heute, es warenVersprechen, von denen Sie wußten, daß sie nicht ein-zulösen waren. Haben Sie, meine Damen und Herrender Regierungskoalition, ernsthaft geglaubt, die Blu-men in Bischofferode würden schneller blühen als an-derswo? Grob fahrlässig muß man es schon nennen,daß Bundes- und Landesregierung Hoffnungen aufeinen raschen wirtschaftlichen Aufschwung in der Re-gion geweckt haben, der Arbeitsplätze für die ehe-maligen Kalikumpel schaffen sollte. Sie haben Dauer-arbeitsplätze versprochen. Mit unserem Antrag wollenwir die Landesregierung auffordern, Rechenschaftdarüber abzulegen, warum die Zusagen nicht einge-halten wurden. Dabei geht es uns nicht darum, zuerfahren, was schon alle wissen, nämlich daß mitgroßem Aufwand Beschäftigungsgesellschaften agier-ten. Es geht auch nicht darum, darzustellen, daß sichLandesgesellschaften wie die ESK oder gar der Wirt-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2441

schaftsminister bemüht haben, Investoren für die Re-gion zu begeistern. Es geht vielmehr darum, daßDauerarbeitsplätze für alle versprochen und nicht ge-schaffen wurden. Wo sind die Ursachen dafür und wel-che Maßnahmen will die Landesregierung ergreifen,um eine Änderung herbeizuführen? Nur eine scho-nungslose Analyse, die nicht mit der Schlußfolgerung -weiter wie bisher - endet, wäre nicht nur für die RegionBischofferode nützlich.

(Beifall bei der PDS)

Bischofferode ist überall, meine Damen und Herren.Wo wurden nicht überall Dauerarbeitsplätze, die Siche-rung von Arbeitsplätzen oder die Schaffung neuer Ar-beitsplätze durch die Landesregierung zugesagt? Meistkamen diese Zusagen zustande, weil es Proteste undDemonstrationen durch die betroffenen Beschäftigtenund die sie vertretenden Gewerkschaften gab. An derErnsthaftigkeit dieser Zusagen war aber stets zu zwei-feln, und dies nicht erst angesichts der nunmehr und zuRecht stark in der Kritik stehenden Wirtschaftsförde-rung. Unser Antrag verfolgt demnach auch das Ziel,die Landesregierung zu einem Umschwenken in derPolitik zu veranlassen. Die Schaffung von Rahmenbe-dingungen für die Sicherung und Schaffung von Ar-beitsplätzen muß endlich ins Zentrum aller Bemühun-gen gerichtet werden. Dazu muß in erste Linie Res-sortdenken überwunden werden. Arbeitsmarktpolitikist mehr als die Anwendung des AFG. Arbeitsmarktpo-litik allein durch das Ministerium für Soziales und Ge-sundheit betreiben zu lassen, ist ein schwerer Fehler.Wir fordern alle Ministerien, insbesondere das Wirt-schafts- und das Finanzministerium auf, sich zu ihrerVerantwortung für die Beseitigung von Massenarbeits-losigkeit und Nichtbeschäftigung in Thüringen zu be-kennen. Steuern Sie um von einer Politik der Vernich-tung von Arbeitsplätzen zu einer Politik der Sicherungund Schaffung von Arbeitsplätzen. Tun Sie das,

(Beifall bei der PDS)

meine Damen und Herren, für Bischofferode und füralle Regionen dieses Landes. Das ist der tiefere Sinnunseres Antrags, für den ich um Ihre Zustimmung bitte.Danke.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Friedrich:

Ich danke Herrn Abgeordneten für seine Einbringung.Es liegt mir noch ein Sprechzettel vor. Ich sehe, HerrAbgeordneter Goedecke war für diesen vorgesehen.Wollten Sie oder wollten Sie, Herr Minister, jetzt spre-chen?

(Zuruf Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur: Am Schluß.)

Am Schluß, gut. Dann würde ich Herrn AbgeordnetenGoedecke bitten, mir liegt der Zettel hier vor, warenSie gemeldet?

(Zuruf Abg. Goedecke, SPD: Ja, ja.)

Gut, dann würde ich Sie bitten, Herr AbgeordneterGoedecke, Fraktion der SPD.

Herr Abgeordneter Böck, ich habe mich mit Herrn Ab-geordneten Goedecke verständigt, Sie haben das Wort.Tut mir leid, ich habe keine andere Redemeldung hier.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Muß danicht erst einmal ein Bericht kommen?)

Ich habe gefragt, der Minister wollte am Ende reden,ja, richtig.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Es waraber gut, daß Sie eingesprungen sind.)

Sie sehen, das passiert, wenn man einspringen mußwegen menschlicher Bedürfnisse. Herr Minister bitte.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, verehrte Damen und Herren, bisherhatte ich gedacht, der Antrag der PDS zielt auf dieEntwicklungen in Bischofferode seit dem Jahresendeab. Nachdem ich die Rede von Herrn Lemke gehörthabe, habe ich eher den Eindruck, es geht der PDSdarum, die alte Diskussion Bischofferode wiederzube-leben, meine Damen und Herren.

(Beifall Abg. Fiedler, CDU)

Herr Lemke fordert die Landesregierung auf, ihrenAuftrag in Bischofferode wahrzunehmen und für Ar-beit zu sorgen.

Meine Damen und Herren, dies ist geschehen, und diesist in einem Umfang geschehen, wie nicht an allenStandorten unseres Landes.

Meine Damen und Herren, zum Ende des Jahres sind339 Arbeitnehmer aus der GVV ausgeschieden. Zuvorwurden mit allen persönliche Gespräche über ihreZukunft geführt, und es wurde eine weitere befristeteBeschäftigung im Rahmen der EGN angeboten. Vondiesem Angebot haben zum 1. Januar 1996 157 ehe-malige Kalimitarbeiter Gebrauch gemacht. 65 ehema-lige Kalimitarbeiter befinden sich in Umschulungs-

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maßnahmen und haben ebenso für die restliche Lauf-zeit ihrer Umschulung einen Arbeitsvertrag mit derEGN geschlossen. 43 dieser Umschüler sind bereitsüber Arbeitsverträge auf dem ersten Arbeitsmarkt ab-gesichert, den übrigen Umschülern liegen teilweise inAussicht gestellte Arbeitsplatzzusagen von Betriebenvor. Von denjenigen ehemaligen Kalimitarbeitern, dieeinen angebotenen Projektplatz in der EGN abgelehnthaben, haben 45 einen Arbeitsplatz auf dem erstenArbeitsmarkt angetreten. 64 haben sich beim zustän-digen Arbeitsamt arbeitslos gemeldet. 8 Arbeitnehmerhaben noch keine Äußerung bezüglich ihrer weiterenAbsichten getätigt. Durch das zuständige Arbeitsamtkonnten inzwischen auch Arbeitslosen der RegionProjektplätze im Rahmen der EGN angeboten werden.Das heißt, es waren mehr Projektplätze da als Be-werbungen aus den Reihen ehemaliger Kalibeschäf-tigter. Es erhielten auch schwer vermittelbare Arbeit-nehmer aus der Region freigewordene Projektplätze.Vorrangiges Ziel der Landesregierung, meine Damenund Herren, ist es, durch weitere Arbeitsplatzangeboteund durch Umschulungs- und Qualifizierungsmaß-nahmen die Zahl der in der EGN tätigen Arbeitnehmerso gering wie möglich zu halten. Weiterhin wird an-gestrebt, auch mit Hilfe der EntwicklungsgesellschaftSüdharz/Kyffhäuser, allen ehemaligen Kalibergleutenaus Bischofferode Perspektiven zu eröffnen in neuenUnternehmen.

Meine Damen und Herren, ich denke, das wichtigste,was in Bischofferode geschehen muß, ist, den Standortumzubauen, zu entwickeln, zu erschließen, so daß als-bald neue Unternehmen angesiedelt werden können.Nichts, keine Rede kann an diesem Erfordernis etwasändern. Nur auf diesem Wege kommen wir praktischweiter in der Bereitstellung weiterer Arbeitsplätze inprivaten Unternehmen. Und dies ist der Grund, wes-halb die Landesregierung in großzügigster Weise dieErschließung eines neuen Gewerbegebiets in Bischof-ferode fördert. Es wurde die Erschließung bis jetzt miteinem Fördersatz von 90 Prozent der Erschließungs-kosten gefördert, die sich auf 37 Mio. DM belaufen,wovon das Land 31 Mio. DM beisteuert, meine Damenund Herren. Zwischen dem Zweckverband Bischof-ferode/Holungen und der ESK wurde am 11.08.1995ein Erschließungsvertrag abgeschlossen. Am 10. No-vember erfolgte der Spatenstich. Durch die Bemühun-gen der Landesregierung konnten inzwischen durch dieAnsiedlung von neuen Unternehmen auf dem Gewer-begebiet insgesamt 102 neue Arbeitsplätze geschaffenwerden.

(Unruhe bei der CDU)

Unter diesen sind 56 ehemalige Kalimitarbeiter, diehierdurch einen Dauerarbeitsplatz gefunden haben. Na-türlich müssen weitere Unternehmen akquiriert und

angesiedelt werden und neue Arbeitsplätze geschaffenwerden. Dies ist keine Frage. Aber, meine Damen undHerren, diese kommen dann, wenn die Standardvoraus-setzungen günstig sind. Und man kann die Standort-gunst eines Ortes, eines Standortes, auch kaputtdis-kutieren, meine Damen und Herren. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Der Antrag auf Aussprache liegt schriftlich vor. DasWort hat der Abgeordnete Michael Gerstenberger.

(Zuruf Abg. Gerstenberger, PDS: Nein.)

Die Reihenfolge der Redner legt aber der Präsidentfest. Gut, dann bitte Frau Abgeordnete Beck.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Na, was istdenn nun eigentlich?)

Entschuldigen Sie Herr Pohl, wenn der Herr Abgeord-nete Gerstenberger nicht reden will, dann muß ich inder Rednerliste weitergehen.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Dann darf eres aber später auch nicht.)

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, um das klarzustellen, zum gegenwärti-gen Zeitpunkt habe ich keinen Redebedarf.

(Heiterkeit bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Gut. Danke. Frau Abgeordnete Beck, bitte, Entschuldi-gung.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Her-ren, es gibt Ortsnamen, die mehr als die Bezeichnungeines geographischen Punktes auf der Landkarte sind.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Wald-heim.)

Ein solcher Ort ist Bischofferode. Bischofferode ist einLehrstück. Es ist ein Lehrstück für die Zerstörung einesexistenzfähigen Betriebes im Interesse einer in den al-ten Bundesländern tätigen mächtigen Konkurrenz. Esist ein Lehrstück der Unfähigkeit der Landesregierung,in Thüringen Arbeitsplätze zu erhalten und neu zuschaffen. Es ist ein Lehrstück, wie Arbeiter in ihrem

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2443

verzweifelten Kampf um die Erhaltung ihrer Arbeits-plätze mit falschen Versprechen betrogen wurden,

(Beifall bei der PDS)

betrogen mit falschen Versprechen durch eine CDU/CSU-Bundes- und eine CDU-Landesregierung,

(Zwischenruf Abg. Primas, CDU: Sie warendoch gar nicht dabei. Wie können Sie dennso etwas sagen?)

Leute, die "christlich" im Namen tragen.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Sie wurden betrogen im Kampf um das einfache Men-schenrecht, sich selbst und ihre Familie mit ihrerHände Arbeit zu erhalten.

(Beifall bei der PDS)

Die Kette der Versprechen ist ebensolang wie diestückweise Zurücknahme der Versprechen.

(Unruhe bei der CDU)

Aber betrachten wir die Tatsachen. 700 Bergleute be-gannen im Dezember 1992 den Kampf gegen dieSchließung der Kaligrube in Bischofferode. Unter demstarken Druck der um ihre Arbeitsplätze kämpfendenKalikumpel von Bischofferode und der inzwischen alleRegionen in Deutschland erfassenden beispiellosen So-lidaritätswelle für die Bergleute beschloß der Thürin-ger Landtag im Juli 1993 in einer Sondersitzung, daßder Fusionsvertrag rückgängig gemacht werden soll,um den Standort Bischofferode zu retten. Ministerprä-sident Vogel wurde beauftragt, die entsprechende Kla-gezulässigkeit prüfen zu lassen. Wenig später erkannteder Justizminister keine Erfolgsaussichten für gericht-liche Schritte gegen die Schließung der Grube. Mini-sterpräsident Vogel verkündete, die Landesregierunghalte es nicht länger für sinnvoll, gegen die Stillegungder Kaligrube anzukämpfen. Als Trostpflaster ließ dieLandesregierung im Juli 1993 durch ihren damaligenMinister in der Staatskanzlei, Andreas Trautvetter, ver-künden, daß in der Region Bischofferode 700 bis 1.000Arbeitsplätze erhalten bzw. neu geschaffen würden.

(Zwischenruf Trautvetter, Finanzminister:Erhalten?)

Ja, erhalten bzw. neu geschaffen würden.

(Beifall bei der PDS)

Ja. Aber dann ein bißchen schneller, wie es scheint.

(Heiterkeit bei der CDU)(Beifall bei der PDS)

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Mit rotenTransparenten!)

In einer Beratung mit dem Betriebsrat am 12. August1993 bot die Thüringer Landesregierung an, für die ih-re Arbeitsplätze verlierenden Kumpel bis Ende 1995700 bis 1.000 neue unbefristete Arbeitsplätze zur Ver-fügung zu stellen sowie umfangreiche Unterstützungbei der Umstrukturierung des Standortes Bischofferodezu leisten. Bereits zuvor hatte die Landesregierungunter dem Druck des Arbeitskampfes am 14. Juli 1993bei einem Gespräch mit dem Betriebsrat im Bun-deskanzleramt versprochen, 1995 befristete Ersatzar-beitsplätze zur Verfügung zu stellen. Ziel sei es, eineGesamtzahl von 1.000 Arbeitsplätzen zu sichern, heißtes in einem Schreiben von Kanzleramtsminister FriedrichBohl an den Betriebsrat vom 17. Juli 1993. Weiterverspricht Bohl in diesem Schreiben, daß Bundesregie-rung und Landesregierung Thüringen noch im Herbst1993 eine Regionalkonferenz durchführen wollen, um -Sie erlauben, daß ich zitiere? -

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

"eine möglichst große Zahl von Industriearbeitsplätzenund -unternehmen" in das Eichsfeld zu bringen. Ab-schließend heißt es im Schreiben - darf ich zitieren? -

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

"Ich darf daran erinnern, daß sich der Bundeskanzlerpersönlich für die Umsetzung dieses Programms ver-bürgt hat und daß ein solches politisches Engagement,bezogen auf die Situation eines Betriebes, ohne Bei-spiel ist." In einer Presseerklärung der ThüringerStaatskanzlei vom gleichen Tag wird der Beschluß desKabinetts verkündet. Darf ich zitieren?

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ja, bitte.

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2444 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Abgeordnete Frau Beck, PDS:

"... den Beschäftigten der Kaligrube Bischofferode an-gesichts der besonderen Situation und der außerge-wöhnlichen Arbeitsmarktlage im Eichsfeld über 1995hinaus einen Dauerarbeitsplatz anzubieten." DiesesVersprechen von Bund und Land und die Versprechender CDU-Regierung trugen wesentlich dazu bei, daßdie Kumpel ihren Arbeitskampf abbrachen.

Meine Damen und Herren der Landesregierung, ichhebe noch einmal zwei Fakten heraus. Es geht um 700bis 1.000 neue Arbeitsplätze, und es geht um neue undunbefristete Arbeitsplätze.

(Beifall bei der PDS)

Im April 1995 versicherte Ministerpräsident Dr. BernhardVogel in einem Schreiben an den Betriebsratsvorsit-zenden Walter Etmer, daß die ehemaligen Bergleutenach Auslaufen der Beschäftigungsgarantie der Treu-hand bzw. der GVV in Dauerarbeitsplätze vermitteltwürden. Sollte das nicht sofort möglich sein, bekämensie zum 1. Januar 1996 einen gültigen Arbeitsvertrag.Auch Minister Schuster trat auf den Plan. Am21.04.1995 überreichte er einen Förderbescheid von22,9 Mio. DM. Heute haben wir gehört, es waren37 Mio. DM. Aber was er nicht dazu gesagt hat war,daß er damals gesagt hat, 200 Arbeitsplätze sind bereitsvertraglich gebunden. Heute klang das ganz anders.Natürlich, und das wurde nicht so laut verkündet, geltein diesem Unternehmen nicht der Bergbautarif, die Be-schäftigten müßten mit niedrigeren Einkommen zufrie-den sein. Doch nun genug der Versprechungen, zurückzu den glasklaren Fakten. Heute ist die Situation so,daß von den versprochenen 700 bis 1.000 Dauerarbeits-plätzen 43 geschaffen worden sind, d.h. etwa 5 Pro-zent.

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Hervorra-gend.)

Von den am 1. Januar 1994 durch die GVV übernom-menen 646 Arbeitnehmern sind zum 01.11.1995 noch489 übrig. Davon sind, und das haben Sie bestätigt,Herr Minister Schuster, 339 Kollegen zum 31.12.1995gekündigt. Das Land Thüringen hat ihnen angeboten,daß sie für ein Jahr eine Beschäftigung in sogenannten§ 249h-Maßnahmen erhalten können. Das sind aberkeine Dauerarbeitsplätze, wie versprochen.

(Beifall bei der PDS)

Es sind befristete, untertariflich bezahlte Maßnahmen.Was wird mit den Leuten, die jetzt noch in der GVVbeschäftigt sind? Auch sie sind von Entlassung be-droht. Wo ist die Zusage für 700 bis 1.000 Dauerar-

beitsplätzen geblieben? Nun frage ich mich, was istvon der Glaubwürdigkeit einer Regierung zu halten,die solche Versprechen macht?

(Beifall bei der PDS)

Welche Gründe gibt es dafür, daß diese Versprechennicht gehalten wurden? Es gibt meiner Meinung nachdafür zwei Möglichkeiten: Entweder hat man widerbesseres Wissen die Kumpel belogen, dann fehlt es anRedlichkeit und Ehrlichkeit, oder man hat diese Ver-sprechen ehrlichen Herzens gegeben, dann fehlt es anSachverstand und Kompetenz, um das Versprechen zuerfüllen.

(Beifall bei der PDS)

In beiden Fällen sind Sie regierungsunfähig. Die Lan-desregierung muß sich endlich zu ihrer politischenVerantwortung für die Schaffung von Arbeitsplätzenbekennen. Dazu brauchen wir tatsächlich ein neuesDenken. Und das kann ich im 90-Punkte-Programmauch nicht erkennen.

(Beifall bei der PDS)

Die Aufgabe dieses Parlaments ist es, die Einhaltungder Versprechen der Landesregierung zu kontrollierenund ihre Realisierung zu gewährleisten. 700 bis 1.000Dauerarbeitsplätze wurden versprochen, 43 sind bisherentstanden. Auch heute haben wir wieder Versprechengehört. Aber ich muß sagen, wenn ich die GeschichteBischofferode betrachte, fehlt mir der Glaube daran,daß diese Versprechen erfüllt werden.

(Beifall bei der PDS)

Also sorgen Sie für die Entstehung der restlichen Ar-beitsplätze. Schaffen Sie für die Bischofferöder Kum-pel eine Perspektive. Aber Arbeitsplätze fehlen nichtnur in Bischofferode, sie fehlen überall in Thüringen.Nicht erst heute ist Bischofferode überall.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Um das Wort hat gebeten Herr Abgeord-neter Böck, CDU-Fraktion. Bitte, Herr Abgeordneter.

Abgeordneter Böck, CDU:

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Her-ren, das, was wir hier seit einigen Minuten erleben, dasnenne ich schon ein politisches Bubenstück. Ein Bu-benstück, eigefädelt von der beantragenden Fraktion,um hier auf einer Welle zu reiten, wo tatsächlich viele

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2445

Familien aus der Region, aus der ich komme und dieich nicht nur Bischofferode nenne, sondern denLandkreis Eichsfeld, den Landkreis Nordhausen undauch den Kyffhäuserkreis, in vielen Bereichen unterder Arbeitslosigkeit und der Rezession zu leiden haben,wo diesen Familien Hohn gesprochen wird, weil manhier Bischofferode zu einem Punkt kristallisiert unddaraus ein politisches rotes Süppchen kochen will.

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Bischofferode ist überall.)

(Beifall bei der CDU)

(Zwischenruf Abg. Frau Dr. Fischer, PDS:Schämen Sie sich, Herr Böck.)

(Zwischenruf Abg. Lemke, PDS)

Herr Lemke, Sie hätten sich nur die Mühe machenmüssen, Ihren Kollegen aus der PDS-Fraktion im Deut-schen Bundestag zu befragen, der genau zu diesemThema eine Kleine Anfrage an die Bundesregierunggerichtet hat. Die Antwort vom 09.01.1996 liegt vorund ist jedermann zugänglich, wo Ihnen ausführlichund genau die Frage und der Antrag der PDS-Fraktionhier im Thüringer Landtag beantwortet worden wäre.Aber das scheint ja nicht Ihre Absicht zu sein, Wahr-heit und Klarheit

(Beifall bei der CDU)

über wirtschaftliche Situationen und für die Bürgerdieses Landes zu bringen. Sie wollen hier vernebeln.Herr Präsident, es ist jener Bundestagsabgeordnete derPDS-Fraktion hier im Hause. Vielleicht kann er Ihnenim Anschluß an diese Debatte eine Ablichtung derAntwort der Bundesregierung geben,

(Zwischenruf von der Tribüne)

falls Sie Ihnen sonst nicht zugänglich ist. Herr Präsi-dent, vielleicht kann man auch, wie es üblich ist in die-sem Hause und sicherlich auch im Deutschen Bundes-tag, dafür sorgen, daß von der Tribüne die Verhand-lungen im Plenarsaal nicht gestört werden.

(Beifall bei der CDU)

Bisher war es jedenfalls in diesem Hause, und ich den-ke, auch im Deutschen Bundestag, möglich. Wenn ichsage, ich komme aus der Region, da denke ich nichtnur an die Kalikumpel von Bischofferode, da denke ichauch an die von Sondershausen, an die von Sollstedtund an die von Bleicherode, da denke ich an die Textil-industrie, da denke ich an den Maschinenbau in Nord-hausen, da denke ich an die Zementindustrie und denke

daran, unter welchen unsäglichen Anstrengungen dieLandesregierung gerade durch die GA-Förderung hierversucht hat, eine Wende zum besseren herbeizufüh-ren.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie denkendoch an den Böckschen Müllpark.)

Darauf komme ich gleich noch zurück. Sie haben ge-nau das Stichwort gegeben, auf das ich gewartet habe.Im vorhergehenden Tagesordnungspunkt haben wirwohl darüber geredet, wie bestimmte Leute, dann,wenn neueste Technologien auf dem Stand der Techniktatsächlich installiert werden sollen, mit Transparentenherumlaufen und diese Standorte kaputtreden wollenund

(Beifall bei der CDU)

nicht wissen, wovon sie sprechen. Ich kann Ihnen nursagen: Herr vergib ihnen, denn sie wissen nicht was Sietun. Aber wenn es so einfach wäre, wenn es nur IhrSchaden wäre, gut, dann wäre ich damit einverstanden.Aber Sie schaden ganz bewußt der Entwicklung einerganzen Region.

(Beifall bei der CDU)

Ich will es mir ersparen, auf die Antwort der Bundes-regierung zur Situation in Nordthüringen insgesamteinzugehen. Sie können das nachlesen. Ich will es mirauch ersparen, Ihnen die Summen zu nennen, die fürdie Entwicklung der Infrastruktur in die Region Nord-thüringen geflossen sind. Aber nur eines: Besondersbemerkenswert für mich ist beispielsweise der Ausbauder Bahnstrecke von Eichenberg nach Halle - zweiglei-sig ausgebaut, elektrifiziert, sicherlich von genausowichtiger infrastruktureller Bedeutung wie der Bau derA 38, die Ost-West-Verbindung für diese Region.

(Beifall bei der CDU)

Da werden 400 und noch ein paar Millionen DM dorthineingesteckt, und die Strecke kann für die Entwick-lung der Verkehrsinfrastruktur nicht voll genutzt wer-den, weil es beispielsweise in Eichenberg, einem Nach-barland, eben auch solche gibt, die verhindern, daß die-ses Verkehrshindernis Eichenbergkurve endlich ausge-baut wird. Mit fadenscheinigen Begründungen

(Beifall bei der CDU)

behindern sie die Entwicklung eines Nachbarlandes.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Sie be-zeichnen die Umwelt als Hindernis.Das istunerhört.)

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2446 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: WiederBürgerinitiativen, Herr Böck?)

Auch Bürgerinitiativen, jawohl, und das ist das Nach-barland Niedersachsen, regiert von einem der Wirt-schaftskapitäne unseres Landes, zumindest einer, dergern diese Kapitänsmütze aufsetzt.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, SPD)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, es hat sichnatürlich nicht nur die Landesregierung, sondern auchandere, die sich verantwortlich für die Region fühlen,Gedanken gemacht, wie man dort eine vernünftige Ent-wicklung einleiten könnte: Bundesverkehrswegeplan,Bau der A 38 für die infrastrukturelle Erschließung derRegion, Ertüchtigung der Landstraßen und vieles an-dere mehr, auch der Einsatz von Fördermitteln für denStandort Bischofferode, davon abgesehen Einsatz vonMitteln für die Entwicklung des Standortes Blei-cherode, für den Standort Sondershausen. Ich will IhreGeduld nicht über Gebühr strapazieren, aber es wäreIhnen auch ein leichtes gewesen, über die ESK dieneuesten Zahlen für alle diese Standorte in Nordthürin-gen zu erhalten, für die die Landesregierung Thüringenverantwortlich zeichnet und wo sie infrastrukturelleEntwicklung betrieben und Arbeitsplätze geschaffenhat.

(Beifall bei der CDU)

Nun kommen wir zu Ihrem Stichwort "Müll", mit demSie nun auch eine Qualität ausdrücken wollen. Ichdenke, jeder, der in diesem Raum sitzt, hat heute ebenvon jenem so verhaßten und so herabgewürdigten Stoffeiniges produziert. Ich meine nicht nur das, was hiervorne gesprochen wurde, sondern ich meine es auchtatsächlich.

(Beifall bei der CDU)

Nun gibt es die Möglichkeit, auch der Bundesgesetz-geber verlangt das, daß im stofflichen Kreislauf dieProdukte, die einmal benutzt und dann weggeworfensind, man nennt sie Müll oder Reststoffe, nach Mög-lichkeit in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden,um die Ressourcen zu schonen.

(Zwischenruf Abg. Dittes, PDS: Was Siehier hinterlassen, kann man nicht wieder-verwerten.)

Hören Sie doch erst einmal zu, Ihre Ohren gehen dochzu, wenn Sie Ihren Mund zu weit aufreißen. Sie kön-nen doch gar nicht mehr zuhören.

(Heiterkeit und Beifall bei der CDU, SPD)

Wenn beispielsweise die Bundesstiftung Umwelt, wennführende Ingenieurtechniker und Planer der Bundesre-publik Deutschland sehr genau den Markt beobachtenund analysieren, welche Industriebranchen denn eigent-lich diejenigen sind, die Wachstum versprechen, unddie Antwort ist -,

(Zwischenruf aus der PDS-Fraktion)

ja, Sie reden Müll, den können wir leider nicht re-cyceln, den müssen wir wirklich wegwerfen und nachMöglichkeit irgendwo endlagern -

(Heiterkeit bei der CDU)

daß die Recyclingwirtschaft eine der wenigen Wachs-tumsbranchen ist,

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Herr Böck,was ist denn nun mit den versprochenen Ar-beitsplätzen?)

da machen wir es nicht wie das Politbüro seinerzeit,das beschlossen hatte, daß ein MaschinenbaubetriebKühlschrankgehäuse herstellen mußte in einer be-stimmten Planzahl, obwohl der Kühlschrank schonlange nicht mehr gebaut wurde,

(Beifall bei der CDU)

dann versuchen wir natürlich die Industrie und dieBranche anzusiedeln und dafür ein ingenieurtechnischesKonzept und eine Bauleitplanung zu erarbeiten, die auchtatsächlich dort Dauerarbeitsplätze garantiert, weil genaudiese Industrie und diese Betriebe gebraucht werden imSystem der deutschen Wirtschaft.

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Da kommtRWE, die sind ja führend oder?)

Es gibt nicht nur RWE, es gibt auch ALBA, es gibtRethmann, es gibt die Otto-Gruppe, ich könnte jetzthier beliebig aufzählen, es gibt viele, die sich damit be-fassen, und es gibt auch viele, die in dieser BrancheArbeit finden. Ich denke einmal, da sind wir bei die-sem Industriestandort Kali, der sich nicht nur daraufbezieht, und auch bei dem Grubengebäude Sollstedt.Wenn wir diese Hohlräume haben, wenn wir in diesenHohlräumen Pflichtversatz betreiben müssen, um dieHohlräume zu sichern und den Menschen an der Ober-fläche Sicherheit zu geben, dann wird dieser Pflicht-versatz in allen Kalihohlräumen in Deutschland be-trieben, nicht nur in Thüringen, mit dem Abbau vonSteinsalz, aber auch mit dem Versatz von Stoffen, dieauf einer Liste versatzfähiger Stoffe stehen und diedort unbesorgt eingelagert weden können.

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2447

(Beifall bei der CDU)

Wenn wir davon reden, daß wir für Thüringen eine Un-tertagedeponie errichten wollen, so ist, denke ich, indiesem Hause unbestritten, daß die sicherste Möglich-keit, solche auch zugegeben gefährlichen Reststoffeeinzulagern, ein Salzstock ist. Das ist, glaube ich,unbestritten. Wenn nun, um für Thüringen eine Mög-lichkeit zu erkunden, ob eine solche Untertagedeponieeingerichtet werden kann, ein Raumordnungsverfahreneröffnet werden soll, um alle offenen Fragen zu klärenfür den Standort, ob es möglich ist oder nicht, dannlaufen zum Beispiel solche wie Sie dort mit großenTransparenten herum und verlangen von den LeutenBekenntnisse zu Vermutungen, es könne gefährlichsein, ob man darüber informiert ist oder nicht. Ich sage,wir entscheiden, wenn die wissenschaftlich gesichertenErgebnisse vorliegen, ob wir eine solche Untertage-deponie einrichten oder nicht. Dann ist der Zeitpunktgekommen. Alles andere vorher ist Kaffeesatzleserei.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, sind Sie bereit eine Frage der FrauAbgeordneten Becker zu beantworten?

Abgeordneter Böck, CDU:

Ja, Frau Abgeordnete Becker ist ja auch eine Schilder-trägerin am gleichen Standort.

(Heiterkeit bei der CDU)

Frau Becker, bitte.

Abgeordnete Frau Becker, SPD:

Herr Böck, könnten Sie mir sagen, wieviel Arbeits-plätze, neue Arbeitsplätze durch den Pflichtversatz ge-schaffen werden?

Abgeordneter Böck, CDU:

Frau Becker, das ist überhaupt nicht mein Thema, wirsind jetzt bei der Untertage ...

Abgeordnete Frau Becker, SPD:

Aber hier geht es um Arbeitsplätze. Sie haben von Ar-beitsplätzen gesprochen.

Abgeordneter Böck, CDU:

Wir sind jetzt bei der Untertagedeponie.

Abgeordnete Frau Becker, SPD:

Nein, Sie waren vorhin bei Pflichtversatz, als ich michgemeldet habe.

Abgeordneter Böck, CDU:

Der Pflichtversatz muß ohnehin durchgeführt werden.

Abgeordnete Frau Becker, SPD:

Und der wird auch schon durchgeführt.

Abgeordneter Böck, CDU:

Richtig, und der soll auch durchgeführt werden. Dar-über hinaus hat das Land entschieden, so steht es auchin der Koalitionsvereinbarung, die Möglichkeit zu er-kunden, an welcher Stelle für das Land Thüringen eineUntertagedeponie eingerichtet werden wird. Ich denkeeinmal, was Kali & Salz tut, beispielsweise in Hatt-dorf, Hessen, in einer bestimmten Farbe regiert; Nie-dersachen, Riedle, der Name sagt es schon, Nieder-sachsen in einer bestimmten Farbe regiert; Sachsen-Anhalt in Zielitz, in einer bestimmten Farbe regiert;kann für Thüringen nicht falsch sein. Das LandThüringen mit seiner Thüringer Sonderabfallgesell-schaft möchte, daß nicht ein Monopolist diese Unter-tagedeponie betreibt und hat eine Ausschreibung ver-anstaltet und wird mit einem Konsortium von mög-lichen Betreibern verhandeln und die Kontrolle darüberausüben. Ich denke, wir sollten jetzt nicht das Geschäftvon Kali & Salz betreiben.

(Beifall bei der CDU)

Ich denke, wir sind uns darüber einig, was sich bei derKalifusion auch für dieses Land Thüringen abgespielthat. Da sehe ich schon mit Verwunderung, welche Al-lianzen sich da plötzlich bilden. Leute, die bei dem be-rechtigten Kampf der Kalikumpel mitgewirkt haben,die auch das schwere Los auf sich genommen haben,dort zu hungern und zu protestieren, auch gegen das,was Kali & Salz dort angerichtet hat,

(Beifall bei der CDU)

betreiben jetzt das Geschäft eben jenes Unternehmens.Das will mir nicht in den Kopf hinein.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aber zurückzu einem solchen Standort. Auf dieser Fläche, auf derdie Schachtröhre liegt,

(Unruhe bei der SPD)

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2448 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

um eventuell dort eine Untertagedeponie einzurichtenoder nicht - Pflichtversatz müßte ohnehin betriebenwerden, und die Grube müßte bewirtschaftet werden.Nun gibt es auch dort einen Altindustriestandort derKaliindustrie, 1923 wohl schon geschlossen, anschlie-ßend Reichsheeresmunitionsanstalt, anschließend Lagerzur Verteilung des Mangels der Jugendmode und eineWeberei. Dort nun eine Planung vorzunehmen und genaufür diese Region 28 Hektar Nettofläche zur Industrie-ansiedlung auszuweisen, ist vernünftig. Ich denke, unddas auch mit der Landesregierung gemeinsam, die Ge-nehmigung dieses gesamten Vorhabens wird MitteMärz auch vorliegen, und auch Mitte März wird der er-ste produzierende Betrieb dort eingeweiht werden, derdort als Zulieferer für die Polstermöbelindustrie Teileherstellen wird - mit Optionen von Investoren, die andiesem Standort dort Industrie betreiben wollen, mitInvestitionszusagen von einigen Hundert MillionenDM und auch mit entsprechenden Arbeitsplatzzusagen.Ich denke, diese Voraussetzungen an diesem Standortsollten wir nicht kaputtreden. Und wenn Sie dazu Fra-gen haben, das ist eine längeres Thema, denn eine sol-che Planung und eine solche Vorbereitung dauert eini-ge Jahre, dann fragen Sie. Die etwa im Frühjahr 1993begonnene Planung ist jetzt abgeschlossen, und ichdenke, für bundesrepublikanische Verhältnisse ist dasnoch ein D-Zug gewesen gegenüber dem Bummelzugder Planung, der sonst in Deutschland üblich ist.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich meine, zudiesem Thema sollte man keine billige politische Po-lemik machen. Dafür ist es zu schade, dafür sind mirauch die Menschen in meiner Region zu schade. Ichfordere Sie auf, in Zukunft solche - und jetzt benutzteich dieses Wort - Schweinereien in diesem Hause zuunterlassen.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Ich denke, Herr Abgeordneter Böck, es bleibt einerFraktion überlassen, ob sie einen Antrag einbringt odernicht.

(Beifall bei der PDS)

Um das Wort hat Herr Abgeordneter Gerstenberger ge-beten.

Abgeordneter Böck, CDU:

Es geht nur um Ihre Belehrung. Es ist mir sehr wohlbekannt, daß eine Fraktion solche Anträge einbringenkann. Es ist mir aber auch bekannt, daß ich dazu meineMeinung sagen darf.

(Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Richtig, ich habe Ihre Meinungsfreiheit auch nicht ein-geschränkt.

Abgeordneter Gerstenberger, PDS:

Herr Präsident, meine Damen und Herren, und sehenSie, Herr Böck, genau das veranlaßt mich auch, nachvorn zu kommen. Was Sie hier betrieben haben, wardoch grenzenloses Ablenken vom tatsächlichen Thema,Herr Böck,

(Beifall bei der PDS)

uns zu unterstellen, wir würden rote Süppchen kochen.Sie haben hier schwarze Brote gebacken, aber schwar-ze Brote, die nicht zu verdauen und nicht zu essen sind.

(Beifall bei der PDS)

Wir reden hier über handfeste Zusagen, Herr Böck. DieDokumente dürften Ihnen durchaus noch in Erinnerungsein. Es ging um 1.000 Arbeitsplätze

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Lassen Siesich von Ihrem Fraktionskollegen einmal dasPapier geben.)

und nicht um Mülldeponien, wenn Sie vielleicht auchdie Arbeitsplätze gern auf den Müll werfen würden.

(Unruhe bei der CDU)

Herr Böck, Sie wollen uns verbieten, Anträge zu stel-len. Sie wollen uns verbieten, die Regierung zu kon-trollieren. Haben Sie eigentlich gemerkt, daß 1989 et-was passiert ist?

(Unruhe bei der CDU, SPD)

(Beifall bei der PDS)

Herr Böck, es ist unser gutes Recht als Opposition,nach Versprechen zu fragen und nach Zusagen zu fra-gen, ob sie denn nun die Landesregierung eingehaltenhat oder nicht.

(Zwischenruf Abg. Dr. Dr. Dietz, CDU:Aschermittwoch war doch schon gestern.)

Frau Becker, Ihre Frage war natürlich berechtigt. Ichhabe auch den Hintergrund verstanden. Wenn HerrKretschmer natürlich hier darstellt, daß das Tausend-

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2449

Brücken-Programm mehr so eine symbolische Bedeu-tung gehabt hätte

(Zwischenruf Abg. Weyh, SPD: Das wardoch so gewollt.)

und daß wir doch da bitte schön nach zwei Jahren nichtnachfragen sollen und zählen sollen - man könne janicht jeden einzelnen Brückenbau messen, da muß manvielleicht heute, Herr Kretschmer, Ihrer Diktion nachden Bischofferöder Kumpeln sagen: Zählt doch nichteinfach jeden Arbeitsplatz nach, was soll's. Es wardoch nur so eine Idee von uns. Oder wie?

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Es gab eine Zeit, meine Damen und Herren, das war1993, in der sich an einigen Stellen recht weniggeändert hat. Da reiste das Wirtschaftsministerium wiedie Feuerwehr durch das Land und versuchte, in Ortenzu beruhigen und zu beschwichtigen, weil wirklichThüringen brannte und Bischofferode überall war. HerrBöck, mir geht es genauso. Wenn ich das Wort"Bischofferode" höre, da muß ich auch an einige Bit-ternisse denken, die ich dort bei mehrfachen Besuchengesehen habe. Ich gebe zu, ich habe dort nicht Wochenund Monate zugebracht, aber ich habe dort einigesgesehen. Mir bleibt allerdings auch in Erinnerung, HerrBöck, daß es dort ganz massive Versprechungen gabund Beschwichtigungen, insbesondere bei den Kum-peln unter Tage, als am großen Tisch in kleiner Rundegesagt wurde: So, das ist mein Wort, und das gilt, unddabei bleibt es. Um diese Versprechungen, nur umdiese Versprechungen geht es. Denn gestern war es Bi-schofferode, meine Damen und Herren, oder auchZeiss, heute ist es ERSAT. Und morgen? Nur um kurzabzuschweifen, Herr Minister Schuster, ist es dennrichtig, daß Sie am 19. Dezember 1995 z.B. schriftlichgegenüber Dritten die Garantie zur Weiterführung derFirma ERSAT übernommen haben? Ist es denn zwei-tens richtig, Herr Minister Schuster, daß nach Ihrenpersönlichen Verhandlungen und inhaltlichen Abstim-mungen ein Dokument zur Sicherung der Weiterfüh-rung entstanden ist, dessen Unterschrift Sie zugesagthatten und dessen Unterschrift letztlich nicht erfolgte?Einbezogen waren dort eine ganze Reihe von Partnernin die Verhandlungen und die Erarbeitung der Doku-mente. Wie damals, so heute. Wieder Versprechungen,keine Taten. Parallelen existieren, und es gilt derSpruch nach wie vor: Bischofferode ist auch heutenoch überall.

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Das hättenSie wohl gern.)

(Beifall bei der PDS)

Meine Damen und Herren, Herr Böck, wenn Menschenihre Interessen selbst vertreten und sich nicht vertretenlassen müssen von vielleicht der Realität etwas ent-rückten Parlamentariern, dann ist mir das tausendmallieber als in einem solchen Raum in der eigenen Soßezu schmoren.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Um das Wort hat Herr Minister Schustergebeten. Bitte, Herr Minister.

Schuster, Minister für Wirtschaft undInfrastruktur:

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren Abge-ordnete! Herr Gerstenberger, wenn Sie einen Brief vonmir zitieren, dann sollten Sie mindestens darstellen, inwelchem Kontext dieser Brief geschrieben wurde. Erwurde damals geschrieben, als es darum ging, ein be-stimmtes Konzept für ERSAT durchzuhalten. Es standein Investor bereit, der sich erklärt hatte, im Falle derEntschuldung des Unternehmens in das Unternehmeneinzusteigen. Es waren aber für einige Monate dieLöhne nicht mehr bezahlt worden. Die Beschäftigtenvon ERSAT kamen damals vor die Staatskanzlei. Ichhabe mit ihnen gesprochen und mich dafür eingesetzt,sofort für die Nachzahlung der Löhne zu sorgen. Dieshabe ich noch am selben Tag getan und nachmittagswiederum mit den Beschäftigten von ERSAT ge-sprochen. Herr Dr. Scharf, mit dem ich über die Löhnezu verhandeln hatte, sagte, man sei bereit, die da-maligen September-Löhne zu zahlen, wenn wir bereitseien, sicherzustellen, daß eben die Gesellschaft wei-tergeführt werde in die neue Gesellschaft. Dies war derInhalt dieses Briefes. Herr Gerstenberger, der Briefhatte den Zweck, die Auszahlung der September-Gehälter für die ERSAT-Mitarbeiter zu sichern. Er istgeschrieben worden auf dem Hintergrund einer be-stimmten Unternehmenskonstellation. Ich weise mitEntschiedenheit Ihren Vorwurf zurück, mit diesemBrief ein Versprechen gemacht zu haben, das nichtgehalten worden sei. Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU; Abg. Frau Dr. Klaus,SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Danke schön. Um das Wort hat der AbgeordneteHöpcke von der PDS-Fraktion gebeten.

(Unruhe bei der CDU)

Bitte, Herr Abgeordneter.

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2450 Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Um der Wahrheit und Klarheit willen, die Sie be-schworen haben,

(Unruhe bei der CDU)

Herr Böck, frage ich Sie: Haben Sie schon einmal dieWasserburg in Heldrungen besucht?

(Zwischenrufe aus der CDU-Fraktion: Ja.)

Ich nehme an, ja. Dann wissen Sie wie ich, daß wirdort Daumenschrauben und Halseisen sowie weitereMarterwerkzeuge und Folterinstrumente zu sehen be-kommen, mit denen Thomas Müntzer und die Seinenaus den Scharen der aufständischen Bauern 1525 vonihren Gegnern, in deren Gefangenschaft sie geratenwaren, gequält wurden, bevor man sie an Ort und Stel-le - oder wie Müntzer auf dem Weg nach Mühlhausen -umbrachte. Anschaulichen Unterricht erhalten wir daüber fürchterliche Rache aufgestörter Obrigkeit anVorkämpfern sozialen Widerstands.

Die Vorkämpfer sozialen Widerstands in Nordthürin-gen während der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts wur-den nicht umgebracht. Einer von ihnen, GerhardJüttemann, landete vielmehr auf PDS-Mandat im Bun-destag, wo er einer der ganz wenigen Arbeiter ist, diees dort unter den Abgeordneten gibt. Ein anderer, seinKollege Brodhun, ist wieder lokaler Parlamentarier derCDU. Die friedliche Art des Vorgehens der Bischof-feröder Kalibergleute gegen die Schließung ihrer Ar-beitsstätte erlaubte zu keinem Zeitpunkt, gewisse Träu-me über den Einsatz von Bundesgrenzschutzeinheitenzur Bereinigung zugespitzter innerer Konflikte

(Zwischenruf Abg. Böck, CDU: Also, das istja ungeheuerlich, was Sie hier behaupten.)

hier etwa in die Tat umzusetzen.

(Beifall bei der PDS)

Das Ungeheuerliche besteht darin, daß Erwägungenüber inneren Bundesgrenzschutzeinsatz angestellt wor-den sind, und zwar nicht von uns. Deren Nichtrealisie-rung hier hieß und heißt, wie wir sehen, nicht, daß diefürchterliche Rache aufgeschreckter Obrigkeit hier et-wa ausgeblieben wäre.

(Unruhe bei der CDU)

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Herr Abgeordneter, erlauben Sie bitte eine ... MeineDamen und Herren, ich bitte Sie,

(Zwischenruf Abg. Werner, CDU: Das kannnicht wahr sein.)

dem Redner zuzuhören.

(Unruhe bei der CDU)

Entschuldigen Sie bitte, jeder Abgeordnete dieses Hau-ses hat das Recht, hier seine Rede in einer Weise vor-zutragen, die dem Hause würdig ist. Danke schön.

(Beifall bei der PDS)

Bitte, Herr Abgeordneter.

(Zwischenruf Abg. Pohl, SPD: Da muß manaber auch auf die Inhalte mal achten.)

(Zwischenruf Abg. Köckert, CDU: Es gibtauch ungute Inhalte, Herr Hahnemann.)

Abgeordneter Höpcke, PDS:

Wenn Sie die "Belehrungen" des Präsidenten beendethaben werden, werde ich weiterreden.

(Zwischenruf aus der CDU-Fraktion: Sie ha-ben eine böse Rede.)

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Die Höheist das ja langsam.)

Die der Bosheit der Situation entspricht!

(Beifall bei der PDS)

(Unruhe bei der CDU)

Die Daumenschrauben von heute sind die - entgegen-gesetzten Versprechen zum Trotz - vielen Bergleutenverweigerten anderen, neuen Arbeitsplätze. Die Halsei-sen von heute sind hundertfache Erscheinungsformenanhaltender Unterentwicklung der Region.

(Beifall bei der PDS)

In Thüringen wird gelegentlich über die Errichtungneuer Museen nachgedacht. Ich habe gehört, in Bi-schofferode habe man begonnen, einiges aufzuarbeiten,das sowohl über die natürlichen Voraussetzungen undtechnischen Leistungen bei der Kaligewinnung Aus-kunft gibt als auch die sozialen und ökonomischen

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Thüringer Landtag - 2. Wahlperiode - 31. Sitzung, 22. Februar 1996 2451

Bedingungen hiesigen Bergbaus und seines Endes ein-schließlich der Kämpfe gegen das Ende dokumentiert.

Beim Karneval ist neulich von der "Saumagenmafia"die Rede gewesen. Das ist sozusagen das gastrono-mische Etikett einer Seilschaft, welche die Interessenjenes Konzernkonglomerats vertritt, das unter denBuchstaben der Badischen Anilin- und SodafabrikBASF figuriert.

(Beifall bei der PDS)

Im Fall von Bischofferode sah die Interessenvertretungso aus, daß die Marktwirtschaft ausgehebelt und derhiesige mißliebige Konkurrent der BASF mit außer-ökonomischen Mitteln ausgeschaltet wurde.

(Beifall bei der PDS)

Das den Zeitgenossen von heute und Angehörigenkünftiger Generationen anhand authentischer Unterla-gen anschaulich zu machen, dürfte einen nicht unwe-sentlichen Teil Bischofferöder zeitgeschichtlicher Do-kumentation bilden, verpflichtet den Aufgaben unvor-eingenommener, nichts beschönigender, wahrhaftigerpolitischer Bildung. Wie dazu die antimonopolistischeRede Böcks gegen Kali und Salz von heute einzupas-sen ist, dürfte zusätzlich ein interessantes Thema sein.

(Heiterkeit und Beifall bei der PDS)

Wer will, daß wenigstens auf den dem Jahre 1996 zuwidmenden Ausstellungstafeln oder den entsprechen-den Vitrinen nicht bloß die Wiederholung von Ver-sprechungs-"Lichtblicken" in Rede steht, sondern ver-ändernde Taten zugunsten der ihrer einstigen Arbeitberaubten Bergleute zur Sprache kommt, der muß end-lich für derartige Taten sorgen. Der Umbau der Re-gion, von der Herr Schuster sprach, könnte ein Wegdahin sein. Prüfstein ist, daß zu den 43 von 1.000 ver-sprochenen Arbeitsplätzen die restlichen 957 hinzu-kommen.

(Beifall bei der PDS)

Schafft die Landesregierung dies aber auch jetzt nicht,offenbart sie: Sie ist am Ende ihres Lateins.

(Beifall bei der PDS)

Dann gehörte sie allerdings eigentlich selbst gleich mitins Museum.

(Beifall bei der PDS)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

(Zwischenruf Abg. Dr. Häfner, CDU: Dannholt sie Museumsleute wie Sie wieder bei,Herr Höpcke.)

(Heiterkeit bei der CDU)

Danke schön. Eine weitere Redemeldung liegt mirnicht vor. Bitte, Frau Abgeordnete Dr. Klaus, SPD-Frak-tion.

Abgeordnete Frau Dr. Klaus, SPD:

Ich hatte nie vor, in meinem ganzen Leben nicht, michhier im Parlament einmal zu Wirtschaftfragen zu äu-ßern, aber das, was einem seit Stunden hier zugemutetwird, geht über das hinaus, was man als Abgeordneternoch ertragen kann.

(Beifall bei der SPD)

Menschen sind hier zu uns gekommen mit bedrücken-den Sorgen in Bischofferode. Hier wurde gesagt, Bi-schofferode ist überall. Es wird aus meiner Sicht dieNot und Sorge der Menschen, die völlig berechtigt ist,hier für wohlfeile politische Zwecke gebraucht.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Noch nie habe ich in diesem Parlament in so kurzerZeit so viele persönliche Verunglimpfungen, Falschbe-hauptungen und Verleumdungen gehört, wie das hierder Fall war.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Und ich bin empört darüber, wenn jemand sich hierhinstellt und die Loyalität, die Tätigkeit von Ministernin Zweifel zieht und nicht einen einzigen einigermaßenpraktikablen Vorschlag macht, wie er es denn machenwürde, wenn er es besser machen könnte,

(Beifall bei der SPD)

nicht einen einzigen.

(Zwischenruf Abg. Kachel, PDS: Ja, wennman Versprechen nicht erfüllen kann, danndarf man sie gar nicht erst abgeben.)

Sie, meine Damen und Herren, Sie können ja, wennSie wollen, dort in dieser Region wieder Staatsbetriebeeinrichten. Vielleicht stellt sich Frau Beck oder HerrHöpcke dort als Geschäftsführer zur Verfügung, wennSie das wollen. Millionen sind in diese Region geflos-sen. Natürlich, das Problem ist nicht behoben worden,

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wie an anderen Stellen auch. Ich bin betroffen, wennjeden Tag in mein Büro Menschen kommen, die auchbeklagen, daß sie ihren Arbeitsplatz verloren haben.Wir haben heute in der Wirtschaftsdebatte gehört, wasnoch nötig ist, zu tun in Thüringen. Und alles das wirdgetan werden. Aber ich bin empört darüber, daß Men-schen hier anwesend sind und Sie sie für Ihr schmutzi-ges politisches Geschäft mißbrauchen.

(Beifall bei der CDU, SPD)

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Es liegt mir kein weiterer Redebeitrag vor.

(Zwischenruf Abg. Werner, CDU: Das wardas Schlußwort.)

Ich schließe die Aussprache, und wir kommen zur Fest-stellung der Erfüllung des Berichtsersuchens. Dem wi-derspricht niemand.

(Zwischenruf Abg. Fiedler, CDU: Man kannja noch warten, bis sich jemand meldet.)

Ja, bitte.

Abgeordnete Frau Dr. Fischer, PDS:

Die PDS widerspricht dem Bericht.

Vizepräsident Dr. Hahnemann:

Dann stellen wir es per Beschluß fest. Ich stelle alsodie Frage: Wer der Abgeordneten des Hauses ist derAuffassung, daß das Berichtsersuchen durch dieLandesregierung erfüllt wurde, den bitte ich um dasHandzeichen. Danke schön. Gegenstimmen? Danke.Stimmenthaltungen? Keine. Danke schön. Damit istfestgestellt, daß das Berichtsersuchen erfüllt wordenist. Wir sind am Ende des Tagesordnungspunkts 7 an-gekommen, somit auch am Ende der Sitzung desheutigen Tages. Der Kollege Friedrich bittet darum,daß wir uns gleich zum parlamentarischen Abend hin-überbegeben, weil unsere Gäste schon seit übermäßigerZeit auf uns warten. Morgen geht es weiter 9.00 Uhrmit der 32. Sitzung.

E n d e d e r S i t z u n g: 20.44 Uhr