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Timm H. Lohse Das Kurzgespräch in Seelsorge und Beratung

Timm H. Lohse Das Kurzgespräch in Seelsorge und Beratung

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Timm H. Lohse

Das Kurzgespräch

in Seelsorge und Beratung

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Warum noch eine Methode?

• Die ideale Seelsorgesituation, in der die Gesprächspartner eine Beziehung eingehen, die als Prozess begriffen wird und sich über mehrere Termine erstreckt, deckt sich kaum mit der Realität.

• Es gibt Gesprächssituationen, in denen bewährte Seelsorgekonzeptionen/ Methoden nicht greifen:

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Bei Kurzgesprächen, deren Kennzeichen sind:

• Ort und Zeit bestimmt der Zufall

• kurz/ beiläufigen Charakter

• die ratsuchende Person erteilt ein konkretes Mandat

• einmalig

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Theologischer Leitgedanke:

• Menschen aufgrund der Rechtfertigung allein aus Glauben zu helfen, ihr Leben in der Gemeinschaft selbstverantwortlich zu gestalten

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Auftrag der Seelsorge

• In einer spezifischen Lebens- Krisen- oder Konfliktsituation christliche, befreiende Hilfe zur Lebensgestaltung geben

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Ziel des Gesprächs:

• Die ratsuchende Person soll am Ende des Gesprächs aus eigener Kraft einen ersten Schritt in eine neue Richtung gehen, bei der sie sich frei fühlt, wieder eigen- verantwortlich in ihrem Leben handeln zu können.

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Bezug zu anderen Theorien:

• Alltagsseelsorge

• Systemischer Ansatz

• Kommunikationstheorie

• Semiotik

– Soweit sie dem eigenen Ansatz dienlich sind– Soweit für das Kurzgespräch relevant

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Bezug zur Alltagsseelsorge

• Kritik am Defizitmodell des Helfens

• Abschied von hoher Therapie und hoher Theologie

• Orientierung der seelsorgerlichen Kommunikation an den sozialen Anforderungen an die pastorale Profession

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Bezug zur systemischen Seelsorge:

• Grundannahme, dass jeder unterschiedliche Wirklichkeitskonstruktionen hat. Deshalb muss Verständigung erst erarbeitet werden.

• Stellt die Überzeugung in Frage, dass Veränderung des Verhaltens ein langwieriger Prozess ist.

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Das Modell des seelsorgerlichen Kurzgesprächs steht zwischen

beratender Seelsorge und Alltagsseelsorge

– es hat die häufigen Alltagsgespräche zum Thema

– es versucht methodisch und von einem theologischen Leitgedanken her gestaltend auf diese einzuwirken

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1. Analyse der interaktiven Elemente des Kurzgesprächs

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Dazu sind folgende interaktive Elemente zu beachten:

• Die günstige Gelegenheit

• Das asymmetrische Beziehungsmuster

• Das Konfliktkarussell

• Die Hoffnungsinduktion

• Das „Sesam öffne dich“

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Die günstige Gelegenheit

Der ratsuchenden Person scheint

• Ort und Zeit günstig

• die anzusprechende Person die richtige zu sein

• die Lösung des Problems jetzt möglich

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Die günstige Gelegenheit

Gelingt es der beratenden Person sich mit diesem Setting zu identifizieren,

kann es als interaktives Element genutzt werden.

(S.26)

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Das Beziehungsmuster

• wird von der ratsuchenden Person auf eine stark asymmetrische Achse verlegt

(Bitte/ Frage)

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Die Asymmetrie ist bestimmt durch:

• up

(kompetent, Retter wegweisend, allmächtig)

• in

(mitten im Konflikt)

• down

(orientierungslos, ohnmächtig, Opfer, hilfesuchend)

• out

(hat keine Ahnung)

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Das Beziehungsmuster

• Die Interaktion der beratenden Person zielen auf die Herstellung einer

symmetrisch solidarischen Achse

(S. 33)

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Das Konfliktkarussell

• Die Situation scheint aussichtslos

• Die ratsuchende Person dreht sich im Kreis

• Der beratenden Person wird schwindelig

Ziel:

• Das Kreisen stoppen

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Verhaltensregeln dazu:

• Die Veränderung gelingt ausschließlich der ratsuchenden Person

• Als ratgebende Person nicht in das Karussell einsteigen (strikt an die Vorgaben der ratsuchenden Person halten)

• Nicht in Einzelheiten des Konflikts vertiefen (es geht um einen ersten Schritt, nicht um Analyse)

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Die Hoffnungsinduktion

• Die Motivation zum Kurzgespräch ist Hoffnung

• Diese wird vor allem durch nonverbale Botschaften ausgedrückt (Kopfhaltung, Blickkontakt, Hände, Nähe, Stimmlage)

• Die Hoffnung, dass eine andere Form des Lebens möglich ist hat ihr Wurzeln im christlichen Glauben

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Aufgabe der ratgebenden Person:

• Wahrnehmung der Botschaften

• Keine direkte Rückgabe der Botschaften

• sprachliche Einführung der Hoffnung

• operationale Umsetzung der Hoffnung

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Das „Sesam öffne dich“

• Schlüsselbegriff, der meist zu Beginn des Gesprächs von der ratsuchenden Person benutzt wird

• Richtig erkannt und gebraucht ermöglicht er den Zugriff auf das Problem

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Aufgabe der ratgebenden Person:

• Vollständige Konzentration auf das Mandat

• Darauf achten, wie die „Sackgasse“ kommentiert wird

• Wortwörtliche Aufnahme des Schlüsselbegriffs

(S. 51)

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2. Aus der Analyse folgende methodische Schlüsse

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Die Methodik der Gesprächsführung orientiert sich

an der ratsuchenden Person

• Es stehen standardisierte Instrumentarien zur Verfügung

• Jedes „Instrument“ bedarf einer besonderen Handhabung und dient einem bestimmten Zweck

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„Instrumente“

• andocken

• sich ausdrücken

• sich erkundigen

• verstören

• beschleunigen

• erzählen

• Ziele formulieren

• Kraftquellen erschließen

• Lösungen erwirken

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andocken

• Passgenaue und penetrante Anwendung des „Sesam öffne dich“ (S.58)

• Gesprächshaltung:– zur Ruhe beitragen– behutsam Nähe anbieten– dunkle Tiefen zulassen– machbare Lösungen anstreben– auf Großartigkeit verzichten

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sich ausdrücken

• Je größer die Kongruenz von – verbalem (Wörter), – nonverbalen (Körpersprache) und

– paraverbalem (Stimme) Ausdruck ist,

umso eher wird die Botschaft verstanden

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sich ausdrücken

Die beratende Person sollte:

• Auf die Unstimmigkeiten in den Ausdrucksweisen der ratsuchenden Person achten

• Selber möglichst kongruent sein

• Die verbale Repräsentationsebene der ratsuchenden Person nutzen

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sich erkundigen

• Mit Hilfe mäeutischer Fragen wird die ratsuchende Person angeleitet ihre Erfahrungen zu verknüpfen, so dass sie von sich aus entdeckt, wie es weitergehen könnte.

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sich erkundigen

• Fallen:– Wieso/ weshalb/ warum- Fragen sind rückwärts

gewandt– Bestätigung der Gefühlslage (sie wirken

bedrückt) schafft emotionale Abhängigkeit. – Informationen zur Problemanalyse sammeln.

Eine tatsächliche Analyse ist in der Kürze der Zeit nicht möglich

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verstören

• Ziel:– Die Bauteile des Konfliktkarussells

durcheinander bringen und damit der ratsuchenden Person den Impuls geben, diese auf eine neue Lösung hin zu sortieren

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verstören

• Verdrehte Benutztung der ersten Äußerung (S.78)

• Übertreibungen

• Erkundung von Ausnahmen

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beschleunigen

• Bedeutet das Mandat eines Kurzgespräches ernst nehmen

• Dadurch blitzt die Vision eines wieder befreiten Lebens auf. Die Hoffnung auf Realisierung dieses Lebens entsteht

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beschleunigen

• Feedworward– „Als- ob- Fiktion/ Fantasiereise– Die Rückmeldungen (der beartenden Person)

beziehen sich auf die zukünftig zu erbringende Leistung.

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erzählen

• Die (Problem-) Geschichten, die Menschen erzählen, folgen einem Leitthema und sind göeichzeitig Vorgabe für künftiges Verhalten

• Ratsuchenden Menschen muss geholfen werden, ihre Geschichte anders zu erzählen

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erzählen

• Dazu wird eine Geschichte/ Film/ Lied zum Leitthema gesucht

• Das Erzählen/ Zuhören ermöglicht es, sich zu distanzieren bzw. andere MÖglichkeiten zu entdecken

• Erzählen entlastet, fördert symbolische Lösungen

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Ziele formulieren

• Konkrete, erreichbare Ziele sollen formuliert werden, um ein Fernziel zu erreichen

• Dazu ist wichtig:– Wichtiges von Unwichtigem– Mögliches von Unmöglichem

zu trennen und neu zu bewerten

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Kraftquellen erschließen

• Das bei jedem Menschen individuelle Maß an vorhandenen Ressourcen ist zu erkunden

• Aus eigener Lebenserfahrung weiß die ratsuchende Person, wie sie ihre Resourcen stärken und nutzen kann

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Lösungen erwirken

• P. Watzlawick unterscheidet zwischen Lösungen erster Ordnung und Lösungen zweiter Ordnung– erster Ordnung: zielgerichtetes Verhalten auf

genau das Problem hin/ Fixierung auf diesen Lösungsweg

– zweiter Ordnung: Alternative Lösungen

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Das schlüssige Ende

• Die Länge des Gesprächs ist bestimmt durch die Erledigung des Mandats

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Das schlüssige Ende

• ergebnisorientiert beschließen– Unterschiede zum „vorher“ werden benannt,

machbare Alternativen herausgestellt

• sich entschließen– ein geäußerter Entschluss zu etwas zeigt das

passende Ende des Gesprächs an

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Das schlüssige Ende

• sich verbünden– Die Gesprächspartner waren Verbündete auf

Zeit. Es ist hilfreich, dies am Schluss noch einmal zu zeigen (Händedruck/ Handauflegen auf die Schulter/ Gebet/ Segen)

• sich bescheiden– Auf das Mandat begrenzen– Es wird ressourcenorientiert gearbeitet, nicht

defizitorientiert

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Warum Seelsorge?

• Das Christentum begründet eine Helferhaltung (Von Gott geforderte Verantwortung für die

Mitgeschöpfe)– Umso mehr sich die Helferhaltung von dieser

Wurzel entfernt, umso eher wird sie• zum Helfersyndrom

• zum professionellen Helfertum

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• Diese Motivation der helfenden Person wird von der ratsuchenden in Nebengesprächen „getestet“

Denn:

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Seelsorge

• Hinter dem äußeren Anlass für ein Gespräch steckt der Auftrag, wieder zu einem seelischen Wohlbefinden zu verhelfen

• Für die ratsuchende Person ist dabei wichtig, wie die ratgebende Person mit dem eigenen Seelenleben umgeht

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Neben der Profession ist die Konfession gefragt:

• Bezeuge was (dir) wert und wichtig ist im Leben

• Zeige konfessionelle Offenheit

• Hilf mir aus der Sackgasse

• Handle professionell

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Seelsorge

• Die christlichen Grundwerte sind anzusprechen, wenn sie dran sind

• Das Besondere an Seelsorge ist der Glaube der beratenden Person