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35 © Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 1 Fachthemen DOI: 10.1002/stab.201410126 Palettenregalsysteme weisen unterschiedliche Merkmale bezüglich der verwendeten Profile und ihrer Verbindungen auf, wodurch sie sich von üblichen Stahlbauten unter- scheiden. Sie gehören nicht zu Gebäuden, so dass ihr Erdbebennachweis nicht nach den Bestimmungen für Hochbauten ausgeführt werden kann. In diesem Beitrag wird durch Anwendung nichtlinearer statischer Berechnungsverfahren das Verhalten solcher Sys- teme unter Erdbebenbeanspruchung untersucht. Dabei wird das nichtlineare Tragverhal- ten systemspezifischer Tragwerkskomponenten mit experimentellen und rechnerischen Untersuchungen bestimmt. So lassen sich Verhaltensfaktoren (q-Faktoren) individuell für jedes Palettenregalsystem bestimmen. Ferner lässt sich ermitteln, wie ein System auf das Bemessungserdbeben reagiert bzw. inwieweit die angenommenen inelastischen Re- serven ausgenutzt wurden, wie in neun Anwendungsbeispielen gezeigt wird. Seismic performance of steel pallet racking systems. Pallet racking systems have pecu- liar characteristics in respect to the member’s profiles and their joints and differ from the usual steel structures. They are not buildings so that their seismic design cannot be per- formed according to the relevant rules for buildings. This paper presents the seismic performance of pallet racks by means of non-linear static (pushover) analyses. The non- linear behavior of system specific components is determined by means of experimental and numerical investigations. This allows the determination of behavior factors (q-factors) for each individual system separately. In addition the performance of a specific system to the design earthquake may be determined as wellas how far the inelastic reserves have been exploited. The application of the method is shown by nine case studies. 1 Einleitung Regale sind zur Lagerung von Gütern in die Höhe notwendige Traggerüste mit einem geschätzten europäischen Verkaufsvolumen von 1,3 Mrd./a. Da der übliche Ladungsträger die Flach- palette ist, haben sich Palettenregale als das Zugpferd der Industrie entwi- ckelt [14]. Sie stellen universal ein- setzbare Produkte dar, deren wichtigs- tes Merkmal die Typisierung und Fle- xibilität ist, die eine Entwicklung als Baukastensystem erfordern. Jede ein- zelne Komponente eines Palettenre- gals wird aus der Lösung einer Opti- mierungsaufgabe mit Hilfe rechneri- scher und experimenteller Methoden entwickelt, da jede Gewichtsreduzie- rung, Tragfähigkeitssteigerung oder Montagevereinfachung die Wirt- schaftlichkeit des gesamten Systems wesentlich beeinflusst. Das hat zur belastete Konstruktionen dar. Werden sie in Zonen mittleren bis hohen seis- mischen Aktivität eingesetzt, so werden sie zusätzlich durch hohe Horizontal- lasten und Kippmomente beansprucht. Inspektionen nach Erdbeben in den USA [13] haben Schäden in geringem Ausmaß gezeigt, entweder weil die Er- eignisstärke kleiner als die dem Bemes- sungserdbeben entsprechenden war, oder weil die Regale nicht vollbeladen waren. Dagegen wurden Regallager während der starken Erdbeben von Darfield (2010) und Lyttleton (2011), Neuseeland, stark betroffen ([17], [5]). Ebenfalls hat am 8. 6. 2008 ein starkes Erdbeben der Magnitude 6,5 R auf dem Pelopones, in der Nähe von Patras Schäden an mehreren Regalla- gern verursacht. In Patras wurden ma- ximale Bodenbeschleunigungen zwi- schen 0,09 und 0,17 g registriert, die kleiner als die in der Norm vorge- schriebenen 0,24 g waren. Dennoch Kostas Adamakos Ioannis Vayas Tragverhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbebenbeanspruchung Anwendung kaltverformter dünnwan- diger Profile für die Stützen, die Trä- ger und die Querverbandsstäbe ge- führt. Wichtigste Merkmale moderner Palettenregalsysteme sind damit (Bild 1): a) die Anwendung genormter Träger- und Stützenprofile, die eine ausreichend große Zahl von Kombi- nationen erzielen lässt, b) die Anwen- dung gelochter Profile für die Stützen, die eine große Flexibilität der Baufor- men erlaubt, c) die Einführung von Hakenlaschensteckverbindungen zwi- schen Träger und Stützen, damit schnellere Montagezeiten und niedri- gere Montagekosten erzielt werden und d) die Ausbildung von Stützenfü- ßen begrenzter Momententragfähig- keit durch Anwendung dünner Fuß- platten und einseitiger Verankerung. Durch das sehr kleine Eigenge- wicht und die hohen Nutzlasten stel- len Palettenregale extrem leichte, hoch- Bild 1. Typisches Palettenregalsystem Fig. 1. Typical steel pallet rack system

Tragverhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbebenbeanspruchung

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Page 1: Tragverhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbebenbeanspruchung

35© Ernst & Sohn Verlag für Architektur und technische Wissenschaften GmbH & Co. KG, Berlin · Stahlbau 83 (2014), Heft 1

Fachthemen

DOI: 10.1002/stab.201410126

Palettenregalsysteme weisen unterschiedliche Merkmale bezüglich der verwendeten Profile und ihrer Verbindungen auf, wodurch sie sich von üblichen Stahlbauten unter-scheiden. Sie gehören nicht zu Gebäuden, so dass ihr Erdbebennachweis nicht nach den Bestimmungen für Hochbauten ausgeführt werden kann. In diesem Beitrag wird durch Anwendung nichtlinearer statischer Berechnungsverfahren das Verhalten solcher Sys-teme unter Erdbebenbeanspruchung untersucht. Dabei wird das nichtlineare Tragverhal-ten systemspezifischer Tragwerkskomponenten mit experimentellen und rechnerischen Untersuchungen bestimmt. So lassen sich Verhaltensfaktoren (q-Faktoren) individuell für jedes Palettenregalsystem bestimmen. Ferner lässt sich ermitteln, wie ein System auf das Bemessungserdbeben reagiert bzw. inwieweit die angenommenen inelastischen Re-serven ausgenutzt wurden, wie in neun Anwendungsbeispielen gezeigt wird.

Seismic performance of steel pallet racking systems. Pallet racking systems have pecu-liar characteristics in respect to the member’s profiles and their joints and differ from the usual steel structures. They are not buildings so that their seismic design cannot be per-formed according to the relevant rules for buildings. This paper presents the seismic performance of pallet racks by means of non-linear static (pushover) analyses. The non- linear behavior of system specific components is determined by means of experimental and numerical investigations. This allows the determination of behavior factors (q-factors) for each individual system separately. In addition the performance of a specific system to the design earthquake may be determined as wellas how far the inelastic reserves have been exploited. The application of the method is shown by nine case studies.

1 Einleitung

Regale sind zur Lagerung von Gütern in die Höhe notwendige Traggerüste mit einem geschätzten europäischen Verkaufsvolumen von 1,3 Mrd./a. Da der übliche Ladungsträger die Flach-palette ist, haben sich Palettenregale als das Zugpferd der Industrie entwi-ckelt [14]. Sie stellen universal ein-setzbare Produkte dar, deren wichtigs-tes Merkmal die Typisierung und Fle-xibilität ist, die eine Entwicklung als Baukastensystem erfordern. Jede ein-zelne Komponente eines Palettenre-gals wird aus der Lösung einer Opti-mierungsaufgabe mit Hilfe rechneri-scher und experimenteller Methoden entwickelt, da jede Gewichtsreduzie-rung, Tragfähigkeitssteigerung oder Mon tagevereinfachung die Wirt-schaftlichkeit des gesamten Systems wesentlich beeinflusst. Das hat zur

belastete Konstruktionen dar. Werden sie in Zonen mittleren bis hohen seis-mischen Aktivität eingesetzt, so werden sie zusätzlich durch hohe Horizontal-lasten und Kippmomente beansprucht. Inspektionen nach Erdbeben in den USA [13] haben Schäden in geringem Ausmaß gezeigt, entweder weil die Er-eignisstärke kleiner als die dem Bemes-sungserdbeben entsprechenden war, oder weil die Regale nicht vollbeladen waren. Dagegen wurden Regallager während der starken Erdbeben von Darfield (2010) und Lyttleton (2011), Neuseeland, stark betroffen ([17], [5]).

Ebenfalls hat am 8. 6. 2008 ein starkes Erdbeben der Magnitude 6,5 R auf dem Pelopones, in der Nähe von Patras Schäden an mehreren Regalla-gern verursacht. In Patras wurden ma-ximale Bodenbeschleunigungen zwi-schen 0,09 und 0,17 g registriert, die kleiner als die in der Norm vorge-schriebenen 0,24 g waren. Dennoch

Kostas AdamakosIoannis Vayas

Tragverhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbebenbeanspruchung

Anwendung kaltverformter dünnwan-diger Profile für die Stützen, die Trä-ger und die Querverbandsstäbe ge-führt. Wichtigste Merkmale moderner Palettenregalsysteme sind damit (Bild 1): a) die Anwendung genormter Träger- und Stützenprofile, die eine ausreichend große Zahl von Kombi-nationen erzielen lässt, b) die Anwen-dung gelochter Profile für die Stützen, die eine große Flexibilität der Baufor-men erlaubt, c) die Einführung von Hakenlaschensteckverbindungen zwi-schen Träger und Stützen, damit schnellere Montagezeiten und niedri-gere Montagekosten erzielt werden und d) die Ausbildung von Stützenfü-ßen begrenzter Momententragfähig-keit durch Anwendung dünner Fuß-platten und einseitiger Verankerung.

Durch das sehr kleine Eigenge-wicht und die hohen Nutzlasten stel-len Palettenregale extrem leichte, hoch-

Bild 1. Typisches PalettenregalsystemFig. 1. Typical steel pallet rack system

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waren nach Bild 2 [6] die Spektralwerte der Beschleunigung bei größeren Ei-genperioden relativ hoch, etwa in der Größenordnung der Bemessungswerte. Bild 2 zeigt, dass beispielsweise für eine Tragwerkseigenperiode 1,1 s die registrierten Spektralbeschleunigun-gen 0,33 g, also in etwa 80 % der vor-gesehenen Normwerte bei üblichen Bodenverhältnissen waren. Damit

wurden flexible Tragwerke, wie Regal-systeme, fast durch die Bemessungs-werte beansprucht.

Der zweite Verfasser hat nach die-sem Erdbeben mehrere vollbeladene Regallager besichtigt und folgende Schäden beobachtet:a) lokales Beulen in Kombination mit

globalem Knicken der Verbands-diagonalen in Querrichtung, die

das Aussteifungssystem in diese Richtung schwächen (Bild 3a)

b) große plastische Verformungen der Anschlussstücke und Ausknicken der exzentrisch angeordneter Ver-tikalverbandsstäbe mit den Stüt-zen, wodurch das Aussteifungssys-tem in Längsrichtung ineffektiv wird (Bild 3b)

c) Versagen der Verbindungsnähte zwischen den zwei U-förmig kalt-geformten, ineinander gesteckten Blechen (Bild 3c), wodurch der Kastenträgers sich öffnet, seinen Torsionswiderstand verliert und der zusätzlich seitlich belastete Träger auf Biegedrillknicken ver-sagt (Bild 3d)

d) Lochleibungsversagen der Stützen an den Hakenanschlüssen (Bild 3e)

e) plastische Verformungen der Trä-ger-Stützen-Verbindungen und da-mit Steifigkeitsabminderung der Rahmenwirkung in Längsrichtung (Bild 3f)

Solche und ähnliche Gründe sowie Gleiten und möglicher Fall der Palet-

Bild 2. Beschleunigungsspektren für drei Registrierungen des Erdbebens von Achaia-Ilia, Griechenland, 8. 6. 2008 [16]Fig. 2. Acceleration spectra for three registrations of the earthquake of Achaia-Ilia, Greece, 8. 6. 2008 [16]

Bild 3. Beobachtete Schäden von Regalen nach dem Erdbeben von Achaia-Ilia, Griechenland, 8. 6. 2008 Fig. 3. Observed damages of pallet racks due to the earthquake of Achaia-Ilia, Greece, 8. 6. 2008

a)

b)

c)

d)

e)

f)

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ten können zum Teil- oder Gesamt-kollaps des Tragwerks führen. Aber der wirtschaftliche Verlust kann auch ohne Gesamtkollaps groß sein, wenn ein beschädigtes Regal instandgesetzt werden muss.

Der Vermögensverlust nach Schä-den oder Kollaps kann wegen des Wer-tes der gelagerten Güter hoch sein. So wird auf die Erdbebenbemessung be-sonders geachtet, auch wenn keine Lebensgefährdung, wie bei automa-tisch operierenden Anlagen, besteht. Planer und Hersteller möchten bei der heutigen Wettbewerbssituation durch Nutzung von Träger- und Stüt-zenprofilen aus der bestehenden Pro-duktpalette und Vermeidung von Ver-bänden in Längsrichtung eine preis-werte, leichte Konstruktion anbieten. Dabei nutzen sie durch Einführung von Verhaltensfaktoren (q-Faktoren) alle möglichen inelastischen System-reserven, um die Erdbebenkräfte zu reduzieren und das Tragwerksgewicht zu minimieren. Jedoch sind die beste-henden Regelwerke auf diesem Punkt so allgemein und die Regalsysteme so herstellerspezifisch, dass man nicht sicher sein kann, ob für das spezielle System ein nicht zu großer oder zu kleiner q-Faktor angenommen wurde.

In diesem Beitrag wird durch An-wendung nichtlinearer statischer Be-rechnungsverfahren das Verhalten von Palettenregalsystemen unter Erd-bebenbeanspruchung untersucht. Da-bei wird das nichtlineare Tragverhal-ten systemspezifischer Tragwerks-komponenten aus experimentellen und rechnerischen Untersuchungen bestimmt. Dadurch lassen sich Ver-haltensfaktoren (q-Faktoren) indivi-duell für jedes Palettenregalsystem bestimmen. Ferner lässt sich ermit-teln, wie ein System auf das Bemes-sungserdbeben reagiert bzw. inwieweit die angenommenen inelastische Re-serven in der Tat ausgenutzt wurden.

Die Untersuchungen wurden im Rahmen des EU-finanzierten RFCS-Programms SEISRACKS2 durchge-führt, dessen Ziel die weitere For-schung auf dem Gebiet des Erdbeben-verhaltens von Regallagersystemen ist.

2 Normative Regelungen

Stahlbauten in Erdbebengebieten sind in Europa nach den Regelungen von EN 1993 [7], Eurocode 3, und EN 1998

spezifischer Element- und Systemeigen-schaften, die als Eingangsgrößen bei der Berechnung und Bemessung die-nen. Es liegt also nahe, die Ergebnisse dieser Untersuchungen beim Erdbe-bennachweis zu nutzen.

Der Erdbebennachweis ist nach FEM 10.2.08 [11] mit Hilfe linearer Berechnungsverfahren unter Anwen-dung von Verhaltensfaktoren (q-Fak-toren), mit denen die Erdbebenkräfte wegen des inelastischen Tragwerks-verhaltens reduziert werden, vorge-sehen. Bei der Bestimmung der Träg-heitskräfte infolge Erdbeben sollen Annahmen bezüglich verschiedener Parameter, wie Füllungsgrad, Rei-bungsbeiwert zwischen Palette und Palettenträger, Dämpfungsgrad und geeigneter Wert der q-Faktoren ge-troffen werden. Untersuchungen zur Bestimmung dieser Parameter werden in SEISRACKS2 wie im Vorgangs-programm SEISRACKS [16] durchge-

[9], Eurocode 8, zu bemessen. Jedoch unterscheiden sich Regalsysteme von den üblichen Stahlbauten und sind keine Gebäude, so dass die obigen Regelwerke nur begrenzt in einigen Punkten angewandt werden können. Dazu wurden von der Vereinigung der Regallagerhersteller zwei Doku-mente mit EN-konformen Regelun-gen zur Bemessung unter normalen Lasten, FEM 10.2.02 [10], und in Erd-bebenzonen, FEM 10.2.08 [11], her-ausgegeben. Diese Dokumente haben nicht den normativen Status der Eu-rocodes, jedoch sollte man sich bei dem Nachweis nach ihnen richten. Ähnliches gilt auch in den USA, wo seismische Lasten und Bemessung in besonderen Richtlinien beschrieben sind ([1], [15]).

Wichtiger Punkt der FEM 10.2.02- Regelungen ist die Notwendigkeit der Ausführung experimenteller Untersu-chungen zur Bestimmung hersteller-

Tabelle 1. Maximalwerte des q-Faktors in Querrichtung nach [11]Table 1. Maximum values of the q-factor in cross aisle direction according to [11]

X-Verband Teilverband D-Verband

Maximalwerte des q-Faktors

nur Zugdiagonalen aktiv q = 4,0

q = 1,0 q = 1,5Zug- und Druckdiagonalen aktivDuktilitätsklasse hoch

q = 2,5

Zug- und Druckdiagonalen aktivDuktilitätsklasse mittel

q = 2,0

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sind kleinere Werte vorgesehen. Für die Längsrichtung werden in Anleh-nung an EN 1998-1-1 je nach Bemes-sungskonzept, dissipativ oder nicht, unterschiedliche q-Faktoren vorge-schlagen (Tabelle 2). Jedoch verwendet man sicherheitshalber in der Praxis die Werte für niedrig dissipative Tragwerke wegen der Anwendung von Kaltprofi-len für die Stützen und die Träger.

3 Untersuchte Regalsysteme

Im Rahmen von SEISRACKS2 wur-den neun Einzelregalsysteme der vier in das Projekt teilnehmenden Industrie-partner (IP) untersucht. Aus Gründen der Vertraulichkeit werden nur allge-meine Angaben der untersuchten Sys-teme gemacht und keine Zuordnung der Systeme zu den verschiedenen Herstellern gegeben. Alle Regale, mit Ausnahme des Systems L3 nach Ta-belle 3, besitzen sechs Felder mit 2,7 m Spannweite und eine Gesamt-länge von 16,2 m. Die Anzahl der Ebe-nen ist vier, der Abstand der Ebenen 2 m, die Gesamthöhe beträgt 8,2 m.

In Längsrichtung wurden nach Tabelle 3 drei ausgesteifte und ein un-ausgesteiftes System untersucht. Im System L1 sind die zwei unteren Stock-werke getrennt, die zwei oberen ge-meinsam ausgesteift. Im System L2 besitzt jedes Stockwerk eine eigene Aussteifung. Das System L3 wird durch vier nicht vorgespannte Seile pro Seite ausgesteift. Alle Vertikalverbände sind im Abstand von 40 bis 50 mm exzent-risch angeordnet und durch kurze Ab-standshalter zu den Stützen angeschlos-sen. Das System L4 hat ähnliche To-pologie wie die L1 und L2, jedoch ist es unausgesteift, obwohl es für eine starke seismische Zone nachzuweisen war. Beim Nachweis der Systeme wurden in Längsrichtung nur die Zug-digonalen als aktiv betrachtet.

Für die Querrichtung mit einer Breite zwischen 1 und 1,1 m wurden von den Herstellern unterschiedliche Aussteifungssysteme verwendet, die in Tabelle 4 dargestellt werden.

Die untersuchten Systeme wur-den von den Industriepartnern nach den Regelungen von FEM 10.2.08 für schwache, mittlere und starke seismi-sche Zonen nachgewiesen. In Quer-richtung wurde einheitlich als Verhal-tensfaktor q = 1,5 gewählt. Diese Werte entsprechen den Normregelungen für die Systeme Q2 bis Q4 und Q6. Sie

schiedliche Werte der q-Faktoren für die beiden Richtungen vor. Verhaltens-faktoren ausgewählter Aussteifungssys-teme in Querrichtung werden für regel-mäßige Tragwerke in Tabelle 1 wieder-gegeben. Für unregelmäßige Tragwerke

führt. Über die Ergebnisse von SEIS-RACKS wird in [3] berichtet.

Palettenregale sind regelmäßige Tragwerke mit unterschiedlichen Trag-systemen in Längs- und Querrichtung. Daher schlägt FEM 10.2.08 unter-

Tabelle 2. Maximalwerte des q-Faktors in Längsrichtung nach [11]Table 2. Maximum values of the q-factor in down aisle direction according to [11]

Bemesssungskonzept Duktilitätsklasse Bezugswerte des q-Faktors

niedrig dissipative Tragwerke niedrig q ≤ 1,5 bis 2

dissipative Tragwerkemittel q ≤ 4

hoch q ≥ 4

Bezeichnung Topologie

L1

L2

L3

L4

Tabelle 3. Untersuchte Systeme in LängsrichtungTable 3. Investigated systems in down aisle direction

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elementen potentielle inelastische Ver-formungen entstehen:– Verbandsstäbe– Träger-Stützen-Verbindungen– Fußplattenverbindungen

Sicherheitshalber werden potentielle Fließzonen auch an den Stützen ober- und unterhalb der Verbindungsknoten mit den Trägern angeordnet (Bild 4). So muss das nichtlineare Tragverhal-ten von Stützen und Verbandsstäben mit spezieller Geometrie hergeleitet werden. Das geschieht hier numerisch mit Hilfe der Finite-Elemente-Methode durch Anwendung des ABAQUS-Pro-gramms [2]. Für die Beschreibung des nichtlinearen Tragverhaltens der Ver-bindungen werden Ergebnisse experi-

schaften im Be- und Entlastungsbereich beschrieben werden. Jedoch können die in der Literatur und den Normen angegebenen nichtlinearen Beziehun-gen nicht auf die Elemente von Regal-lagern angewandt werden und sollen daher eigens hergeleitet werden. Grund dafür sind die verwendeten, teilweise gelochten Kaltprofile, die den Quer-schnittsklassen 3 oder 4 angehören, und die das plastische Moment nicht entwickeln können. Dennoch weisen sie nichtlineares Tragverhalten aus, wo-durch äquivalente Fließgelenkeigen-schaften hergeleitet werden können.

Frühere experimentelle Untersu-chungen an Großversuchen im Rah-men des SEISRACKS-Projekts haben gezeigt, dass an folgenden Struktur-

sind kleiner für die Systeme Q1 und Q8, wo die Normregelungen für nur zugaktive Diagonalen Werte bis 4 er-lauben. Für Q5 und Q7 gibt es keine Zuordnung zu den Normwerten, da nach Tabelle 1 für ähnliche Systeme q = 1, jedoch mit unterbrochenen Aus-steifung vorgesehen werden.

In Längsrichtung wurden nach Tabelle 5 q-Faktoren zwischen 1,5 und 2, in Anlehnung an FEM 10.2.08 für niedrig dissipative Tragwerke, verwen-det. Man erkennt, dass die Hersteller von unterschiedlichen Werten für die verschiedenen Erdbebenzonen ausge-gangen sind. Hier zeigt sich Unsicher-heit bezüglich der normkonformen Wahl.

4 Herleitung der inelastischen Komponenteneigenschaften

Das vorgestellte Verfahren stützt sich auf nichtlineare statische (pushover) Tragwerksanalysen. Dazu sollen nach Bild 4 bestimmte Zonen des Trag-werks mit potentiell nichtlinearer Ak-tivität eingeführt und deren Eigen-

Tabelle 4. Aussteifungssysteme in QuerrichtungTable 4. Bracing systems in cross aisle direction

Q1 Q2 Q3 Q4 Q5 Q6 Q7 Q8

Tabelle 5. Gewählte Werte der q-Faktoren in Längsrichtung Table 5. Selected values of the q-factors in down aisle direction

Erdbebenzone/System L1 L2 L3 L4

schwach – 2 – 1,5

mittel 1,5 2 1,5 –

stark 2 1,5 1,5 2

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als Kennlinien der potentiellen Fließ-gelenke in das SAP 2000-Programm [4] für die Berechnung am Gesamttrag-werk eingeführt.

Zur vollständigen Beschreibung des Fließgelenkverhaltens der Stützen muss noch eine (N-My-Mz)-Interak-tionsbeziehung angegeben werden. Hier wurde die Beziehung nach EN 1993-1-1 [7] unter Anwendung der effektiven Querschnitte gewählt.

4.2 Tragverhalten der Verbandsstäbe

Zur Beschreibung des nichtlinearen Tragverhaltens der Diagonalstäbe wurde analog verfahren. Diese Stäbe werden sowohl für den Quer- als auch für den Längsverband verwendet. Sie sind beidseitig gelenkig gelagert und werden als Fachwerkstabelemente (truss elements) am Gesamttragwerks-modell eingeführt. Die möglichen glo-balen Versagensformen der Verbands-stäbe sind Stabknicken oder Fließen, wenn sie auf Druck bzw. Zug bean-sprucht werden.

Die Verbandsstäbe bestehen aus U-förmigen Lippenprofilen, deren Knick-last rechnerisch nach EN 1993-1-3 [8] ermittelt werden kann. Trotzdem reicht für die globale nichtlineare Berech-nung diese Angabe nicht aus, weil der gesamte Be- und Entlastungsbereich beschrieben werden muss. Dazu wur-den die Verbandsstäbe mit Hilfe von Schalenelementen simuliert (Bild 7). Der Stab wurde mit den normkonfor-men Stabimperfektionen versehen und axial gestaucht, jeweils in Stegmitte, wo sich die Schraube befindet, um die zusätzliche Exzentrizität zu berück-sichtigen. Als Ergebnis bekommt man Last-Stauchungs-Kurven (s. Bild 8). Diese Kurven wurden für alle Diago-nalstäbe der untersuchten Systeme hergeleitet und als Kennlinien der axi-alen plastischen Gelenke der Fach-werkstabelemente in das SAP 2000- Programm [4] eingeführt.

ßend wird das verschiebliche Ende horizontal verschoben und die nicht-lineare Systemantwort registriert. We-gen des unsymmetrischen Profils in Bezug auf die schwache Achse z müs-sen drei Fälle untersucht werden, einer für Biegung um die starke Achse und zwei für ±-Biegung um die schwache Achse. So errechnete Momenten-Rota-tions-Kurven sind in Bild 6 dargestellt. Das Moment entspricht dem maxima-len Moment an der Einspannung, die Rotation der Stabwinkelverformung. Zur Erfassung des Einflusses der Per-forierungen werden Kurven für den un-gelochten und gelochten Querschnitt dargestellt. Diese Kurven wurden in-dividuell für alle Stützen der unter-suchten Regale hergeleitet. Sie wurden

menteller Untersuchungen herangezo-gen.

Durch den Ansatz potentieller Fließzonen nach Bild 4 wurden Versa-gensformen wie Plastizieren des An-schlussstückes der Verbandsdiagona-len zu den Stützen (Bild 3b) und Ver-sagen der Schweißnähte, gefolgt von Biegedrillknicken der Palettenträger (gemäß den Bildern 3c und 3d) ausge-schlossen. Solche Versagensformen sind durch geeignete konstruktive Aus-bildung auszuschließen.

4.1 Tragverhalten der Stützen

Die Stützen werden in der Regel auf zweiachsige Biegung mit Normalkraft beansprucht. Zur Beschreibung der Fließgelenkeigenschaften an den Stabenden müssen geeignete Momen-ten-Rotations-Kurven hergeleitet wer-den. Dazu wird eine Einzelstütze zwi-schen zwei Trägerebenen durch Scha-lenelemente simuliert (Bild 5). Die Stütze ist an einem Stabende einge-spannt und horizontal verschieblich, am anderen gelenkig gelagert. Das Pro-fil wird zunächst durch eine konstante Axiallast beansprucht, die einem voll-beladenen Regal entspricht. Anschlie-

potentielleFließzonen

Stützen

Verbandsdiagonalen

Stützenfuß

Träger-Stützen-Verbindung

Bild 4. Globales Tragwerksmodell mit potentiellen FließzonenFig. 4. Global structural model with potential plastic zones

Bild 5. Typischer Stützenquerschnitt (a) und FE-Simulation (b)Fig. 5. Typical clumn cross-section (a) and FE simulation (b)

a) b)

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laschensteckverbindungen ausgeführt, deren Tragverhalten nach [10] experi-mentell untersucht werden muss. Dazu wurden im Rahmen des laufenden SEISRACKS2 Projekts an der RWTH Aachen für alle Systeme Versuche an den Verbindungen unter zyklischen Horizontallasten durchgeführt. Bild 10 stellt typische Momente-Rotations-Kur-ven bei unterschiedlichem Niveau der Vertikallasten dar. Man erkennt, dass die Verbindungen bei höheren Vertikal-lasten auf negative Momente steifer reagieren und höhere Tragfähigkeiten entwickeln. Im globalen SAP 2000- Modell wurden die Träger-Stützen-Ver-bindungen als nichtlineare Koppelele-mente eingeführt, deren Verhalten ge-nau durch die experimentellen Kur-ven repräsentiert wird. Entsprechend der Vertikalbelastung des Gesamttrag-werks wurden die Kurven für Vollbe-lastung eingesetzt.

Es sei zu ergänzen, dass bei den üblichen nichtlinearen Analysen poten-tielle Fließgelenke an den Trägerenden eingesetzt werden. Jedoch werden hier keine solche Fließgelenke eingeführt,

Bei einem System erfolgt die Last-einleitung wie nach Bild 3f an den Profilgurten. Bei anderen sind jedoch die Verbandsstäbe in Stegmitte durch eine Schraube angeschlossen. Für diese Fälle wurde das Verbindungs-verhalten untersucht, um festzustellen, ob Abscheren der Schrauben, Loch-leibung der dünnen Bleche oder ihre Kombination kritisch ist. Dazu wur-den die Stabendbereiche und die Schrauben mit Hilfe von Volumenele-menten simuliert und auf Zug bzw. Druck belastet (Bild 8). Die resultie-renden Last-Verformungs-Kurven sind in Bild 9 dargestellt. Es zeigt sich, dass bei dieser Anschlussart die Verbindun-gen schwächer als der Stab sind, so dass diese Kurven in das globale SAP 2000-Modell als nichtlineare Stab-kennlinie eingeführt wurden.

4.3 Tragverhalten der Träger-Stützen-Verbindungen

Wie eingangs erwähnt und in Bild 3 gezeigt, werden die Träger-Stützen-Verbindungen als spezielle Haken-

Bild 6. Momenten-Rotations-Kurven von Stützen a) um die starke und b) um die schwache Achse Fig. 6. Moment-rotation curves of columns for bending a) about major axis and b) about minor axis

Bild 7. Simulation eines gedrückten Verbandsstabes (a) und Last-Stauchungs-Kurve (b)Fig. 7. Simulation of a compression bracing member (a) and load-shortening curve (b)

Bild 8. Simulation der Endbereiche der VerbandsstäbeFig. 8. Simulation of the connection regions of bracing members

a) Druckbelastung

b) Zugbelasung

a)

a)

b)b)

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durch Eigenwertanalysen kritische Knickfaktoren acr unter zehn ermit-telt wurden.

Aus der nichtlinearen Berechnung werden die Kapazitätskurven des Trag-werks ermittelt. Sie stellen die Fuß-querkraft, also die gesamte Horizontal-last in Abhängigkeit der Horizontal-verschiebung, am Tragwerkskopf dar. Die Kurven der neun untersuchten Systeme sind in den Bildern 11 und 12 für die Längs- bzw. die Querrichtung dargestellt. Jedes System wird durch die Buchstaben A bis D und die seis-mische Zone, für die es nachgewiesen wurde, ohne nähere Angaben aus Gründen der Vertraulichkeit, bezeich-net. Man erkennt, dass die ausgesteif-ten Systeme, die für starke seismische Zonen nachgewiesen wurden, steifer und tragfähiger sind als die für schwa-che Zonen.

Aus den Kapazitätskurven lassen sich die q-Faktoren ermitteln. Dazu wird das System nach Bild 13 in ein äquivalentes bilineares transformiert, mit A, B und C als charakteristische Punkte, die dem ersten signifikanten Fließen, dem äquivalenten Fließpunkt und der maximal aufnehmbaren Last entsprechen. Der q-Faktor wird nach Gl. (1) als Produkt der Duktilität q0 und der Überfestigkeit Ω bestimmt:

q q= 0· Ω (1)

worin:

(2)qddy

0 = =µ max

(3)Ω =V

Vy

1

Die Wahl der maximal aufnehmbaren Last zur Bestimmung des Verhaltens-faktors weist darauf hin, dass der an-nehmbare Zustand dem Grenzzustand des Nicht-Kollapses entspricht. Damit wird der maximale Wert des q-Faktors des Systems errechnet. Für die Mehr-zahl der neun errechneten Systeme werden an der Traglast Winkelverfor-mungen (Schiefstellung) des Gesamt-systems zwischen 0,015 und 0,02 rad, also annehmbare Werte für Regallager, erreicht. Es stellt sich die Frage, ob der maximale q-Faktor eines bereits di-mensionierten Tragwerks ausgenutzt wurde, wenn es durch das Bemessungs-erdbeben beansprucht wird. Dazu muss der Leistungspunkt des Tragwerks un-

Vertikallasten entsprechen vollbe-lasteten Systemen, die anfälliger auf nichtlineare Effekte reagieren und grö-ßere Versagenswahrscheinlichkeit als teilbelasteten besitzen. Sie bestehen aus dem Tragwerkseigengewicht und dem Palettengewicht aus drei Paletten von jeweils 800 kg pro Feld. Anschlie-ßend werden Horizontallasten nach einem bestimmten Muster über die Höhe angesetzt und progressiv gestei-gert. Üblicherweise wird ein Muster nach der ersten Schwingungseigen-form gewählt. Für unausgesteifte Re-gale ist dieses Muster geeignet, da die erste Schwingungseigenform translato-risch mit einer effektiven Masse über 90 % der Gesamtmasse ist. Dagegen weisen ausgesteifte Regale wegen der exzentrischen Anordnung des Verti-kalverbandes mehrere Torsionseigen-formen mit kleiner Massenteilnahme auf, so dass über 30 Eigenformen be-nötigt werden, damit 90 % der Ge-samtmasse effektiv wird. Daher wurde hier eine gleichförmige Lastverteilung über die Höhe angesetzt, um vergleich-bare Ergebnisse für die zwei Systeme zu bekommen. Die Berechnung war zugleich geometrisch nichtlinear, da

da die Tragfähigkeit der Verbindun-gen kleiner als die der Träger ist, so dass die Träger keine inelastische Ak-tivität erfahren.

4.4 Tragverhalten der Fußplatten-verbindungen

Wie bei den Träger-Stützen-Verbindun-gen ist das Tragverhalten der Fußplat-tenverbindungen nach [10] experimen-tell zu untersuchen. Experimentelle Momenten-Rotations-Kurven dieser Verbindungen wurden von den Her-stellern zu Verfügung gestellt. Da Stei-figkeit und Momententragfähigkeit we-sentlich von der Vertikallast der Stüt-zen abhängen, wurden die Kurven für Vollbelastung verwendet. Im SAP 2000- Modell des Gesamttragwerks wurden diese Verbindungen als nichtlineare Koppelelemente eingeführt.

5 Globale Tragwerksberechnung und Verhaltensfaktoren

Das nichtlineare Tragverhalten wurde durch nichtlineare statische, Pushover- Berechnungen mit Hilfe des Pro-gramms SAP 2000 [4] bestimmt. Die

Bild 9. Last-Verfor-mungs-Kurven der Endbereiche der VerbandsstäbeFig. 9. Load-dis-placement curves for the connection regions of bracing members

Bild 10. Experi-mentelle Momen-ten-Rotations-Kur-ven von Träger-Stützen-Verbin-dungenFig. 10. Experi-mental moment- rotation curves of beam-to-column connections

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ter dem Bemessungserdbeben ermittelt werden. Dieser Punkt wird hier nach den Bestimmungen von ATC-40 [2] als Schnittpunkt der Kapazitätskurve mit dem elastischen Antwortspektrum des Bemessungserdbebens ermittelt, das wegen der inelastischen Verformungen entsprechend reduziert wird. In den Bildern 14 bis 22 sind die Kapazitäts-kurven und die Leistungspunkte (in rot) aller untersuchten Systeme darge-stellt. Hier wurde ebenfalls aus Grün-den der Vertraulichkeit keine Zuord-nung der einzelnen Systeme zu spezi-ellen Herstellern und Tragwerken gemacht.

Aus der Lage des Leistungspunk-tes kann man erkennen, wie das Trag-werk auf das Bemessungserdbeben reagiert. Beispielsweise befindet sich der Leistungspunkt des Systems A nach Bild 15 für beide Richtungen im elasti-schen Bereich der Kapazitätskurve. Das Regal bleibt also während des Be-messungserdbebens im elastischen Be-reich und ist vielleicht überdimen sio-niert. Auf der anderen Seite befindet sich der Leistungspunkt des Systems D

Bild 11. Kapazitätskurven für die Längsrichtung Fig. 11. Capacity curves for the down aisle direction

Bild 12. Kapazitätskurven für die Querrichtung Fig. 12. Capacity curves for the cross aisle direction

Bild 13. Charakteristische Punkte zur Ermittlung des q-FaktorsFig. 13. Characteristic points for the determination of the q-factor

Bild 14. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung, System A – starke seismische ZoneFig. 14. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System A, high seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

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K. Adamakos/I. Vayas · Tragverhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbebenbeanspruchung

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nach Bild 20a im abfallenden Ast der Kapazitätskurve, das Regal ist also in Längsrichtung unterdimensioniert. Ferner kann der Hersteller und Nut-zer entscheiden, ob die Horizontalver-formung am Leistungspunkt während des Erdbebens akzeptiert werden kann oder nicht.

Tabelle 6 fasst die Duktilitäts-, Überfestigkeits- und Verhaltensfakto-ren der untersuchten Systeme zusam-men. Man erkennt die Differenzierun-gen sowohl in den Ausgangs- als auch in den Endwerten. Angesichts der Un-terschiede der verschiedenen Regal-systeme sind ihre Verhaltensfaktoren vom Nutzer individuell zu ermitteln.

In Tabelle 7 werden die errechne-ten q-Faktoren den anfangs beim Ent-wurf angenommenen Faktoren gegen-übergestellt. Man sieht, dass immer höhere bis sehr viel höhere Werte im Vergleich zum Entwurf erreicht wur-den. Dies lässt darauf schließen, dass solche individuellen Untersuchungen bei Regallagersysteme aus Wirtschaft-lichkeitsgründen von Interesse sein können.

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Bild 15. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System A, mittlere seismische ZoneFig. 15. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System A, medium seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Bild 16. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System B, starke seismische ZoneFig. 16. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System B, high seismic zone

Bild 17. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System B, schwa-che seismische ZoneFig. 17. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System B, low seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Tabelle 6. Duktilitäts-, Überfestigkeits- und Verhaltensfaktoren der untersuchten SystemeTable 6. Ductility, Overstrength and Behavior factors of the investigated systems

System/Zone Richtung q0 = μ Ω q

A/stark längs 3,65 1,50 5,47

quer 1,47 1,2 1,76

A/mittel längs 1,45 1,52 2,22

quer 1,72 1,44 2,48

B/stark längs 1,25 2,06 2,58

quer 1,54 1,17 1,81

B/schwach längs 1,25 1,59 2,00

quer 1,52 1,30 1,98

C/stark längs 1,24 3,27 4,07

quer 1,23 2,4 2,97

C/mittel längs 1,90 2,90 5,51

quer 1,58 1,38 2,2

D/stark längs 2,34 1,59 3,72

quer 1,49 1,42 2,12

D/ mittel längs 1,75 1,86 3,27

quer 1,29 1,30 1,68

D/schwach längs 1,30 2,18 2,84

quer 1,34 1,57 2,11

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blems. Die Zuverlässigkeit der ermit-telten Verhaltensfaktoren, inklusive Gleiten der Paletten, kann durch An-wendung nichtlinearer dynamischer Verfahren für ein breites Spektrum seismischer Ereignisse überprüft wer-den. Dadurch können Fragilitätskur-ven des Kollapses hergeleitet werden, an denen die Autoren zurzeit arbei-ten.

Die Untersuchungen wurden im Rahmen des EU finanzierten RFCS-Programms SEISRACKS2 durchge-führt. Die Autoren danken für die fi-nanzielle Unterstützung.

wurden die Verhaltensfaktoren (q-Faktoren) bestimmt. Ferner wurde die Reaktion jedes Systems auf das Be-messungserdbeben bestimmt. Die An-wendung auf die untersuchten Sys-teme hat gezeigt, dass höhere Werte für die Verhaltensfaktoren als in be-stehenden Regelungen erzielt werden können.

Die Untersuchungen stützen sich auf die Anwendung des nichtlinearen statischen Verfahrens. Sie besitzen da-mit den deterministischen Charakter und die Begrenzungen der statischen Untersuchung eines dynamischen Pro-

6 Zusammenfassung und Ausblick

In diesem Beitrag wurde durch An-wendung nichtlinearer statischer Be-rechnungsvefahren das Verhalten von Palettenregalsystemen unter Erdbe-benbeanspruchung untersucht. Dabei wurde das nichtlineare Tragverhalten systemspezifischer Tragwerkskompo-nenten, wie von Stützen, Verbandsstä-ben, Träger-Stützen-Verbindungen und Fußplattenverbindungen, mit Hilfe experimenteller und rechneri-scher Methoden untersucht. Für neun ausgesuchte Palettenregalsysteme

Bild 18. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System C, starke seismische ZoneFig. 18. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System C, high seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Bild 19. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System C, mittlere seismische ZoneFig. 19. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System C, medium seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Bild 20. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System D, starke seismische ZoneFig. 20. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System D, high seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Tabelle 7. Verhaltensfaktoren nach Entwurf und BerechnungTable 7. Behavior factors according to design and calculation

Zone A B C D

q-Faktoren längs quer längs quer längs quer längs quer

schwachEntwurf – – 1,5 1,5 – – 2 1,5

Berechnung – – 2 1,98 – – 3,72 2,12

mittelEntwurf 1,5 1,5 – – 1,5 1,5 2 1,5

Berechnung 2,22 2,48 – – 5,51 2,2 3,27 1,68

starkEntwurf 2 1,5 2 1,5 1,5 1,5 1,5 1,5

Berechnung 4,5 1,76 2,58 1,81 4,07 2,97 3,72 2,12

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Teil 1-3: Allgemeine Regeln – Ergän-zende Regeln für kaltverformte Bau-teile und Bleche. CEN, European Com-mittee for Standardisation, 2005.

[9] EN 1998-1: Eurocode 8: Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben. Grundlagen; Erdbebeneinwirkungen und Regeln für Hochbauten. CEN, Eu-ropean Committee for Standardisation, 2005.

[10] FEM 10.2.02: The design of Steel Static Pallet Racking and Shelving. Fe-deration Europeen de la Manutention, 2000.

[11] FEM 10.2.08: The Seismic Design of Static Steel Pallet Racks. final draft. Fe-deration Europeen de la Manutention, 2005.

[12] FEMA 356: Prestandard and com-mentary for the seismic rehabilitation of buildings. Federal Emergency Ma-nagement Agency, November 2000.

[13] FEMA 460: Seismic considerations for Steel Storage Racks. Federal Emer-gency Management Agency, 2005.

[14] Möll, R.: Palettenregale mit Haken-laschenverbindungen ohne Längsver-bände als Baukastensystem. Teil I: Re-galtechnik und Gütesicherung. Stahl-bau 44 (1975), S. 225–234.

[15] RMI: Specifications for the design, testing and utilization of industrial steel storage racks. Rack Manufactures Ins-titute, 2002.

[16] SEISRACKS (2007): Storage Racks In Seismic Areas (SEISRACKS). Re-search Programme of the Research Fund for Coal and Steel RTD, Final Report, May 2007.

[17] Uma, S. R.: Beattle Graeme: Obser-ved performance of industrial pallet rack storage systems in the Canterbury earthquakes. Bulletin of the New Zea-land Society for Earthquake Engineer-ing, 44 (2011), No. 4, pp. 388–393.

Autoren dieses Beitrages:Dipl.-Ing. Kostas Adamakos,[email protected]. Dr.-Ing Dr. h.c. Ioannis Vayas, [email protected] of Steel Structures, National Technical University of Athens, Iroon Polytechniou Str. 9, 15780 Athens, Greece

[5] Crosier, J., Hannah, M., Mukai, D.: Damage to steel storage racks in indus-trial buildings in the Darfield earth-quake. Bulletin of the New Zealand Society for Earthquake Engineering, 43 (2010), No. 4, pp. 425–428.

[6] Das Erdbeben von Achaia-Ilia 8. 6. 2008, ITSAK (Institute of Technical Seismology and Aseismic Structures), Thessaloniki, 2008.

[7] EN 1993-1-1: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten – Teil 1-1: Allgemeine Bemessungsregeln und Regeln für den Hochbau, CEN, European Committee for Standardisa-tion, 2005.

[8] EN 1993-1-3: Eurocode 3: Bemessung und Konstruktion von Stahlbauten –

Literatur

[1] ASCE-7-2005: Standard-Minimum Design Loads for Buildings and Other Structures. American Society of Civil Engineers, 2005.

[2] ATC 40: Seismic Evaluation and Ret-rofit of Concrete Buildings. Seismic Safety Commission, State of California, November 1996.

[3] Castiglioni, C. A.: Seismic behaviour of steel storage pallet racking systems. Structural Engineering Department of Politecnico di Milano, Milano, 2008.

[4] Computers and Structures Inc., CSI Analysis Reference Manual for SAP2000®, ETABS®, and SAFE®, Ber-keley, California, USA, 2010.

Bild 21. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System D, mittlere seismische ZoneFig. 21. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System D, medium seismic zone

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

a) Längsrichtung

b) Querrichtung

Bild 22. Kapazitätskurve in Längs- und Querrichtung – System D, schwa-che seismische ZoneFig. 22. Capacity curves for the down and cross aisle direction – System D, low seismic zone