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TRIZ- und szenariobasierte Technologie- bewertung für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung Masterarbeit von Florian Heid

TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung für eine ... · TRIZ- und szenariobasierte Technologie-bewertung für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung Masterarbeit von

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TRIZ- und szenariobasierte Technologie-

bewertung für eine zukunftsorientierte

Produktentwicklung

Masterarbeit

von

Florian Heid

P L A T Z H A L T E R Diese Seite wird durch das

unterzeichnete Exemplar er-setzt.

Vorlage siehe Vorlage Aufga-benstellung.dot

Erklärung

Prüfungsleistung

1. Ich versichere, dass ich die als Prüfungsleistung zu erbrin-

gende Arbeit ohne fremde Hilfe und ohne Benutzung anderer

als der angegebenen Quellen angefertigt habe und dass die

Arbeit in gleicher oder ähnlicher Form noch keiner anderen Prü-

fungsbehörde vorgelegen hat und von dieser als Teil einer Prü-

fungsleistung angenommen wurde. Alle Ausführungen, die

wörtlich oder sinngemäß übernommen wurden, sind als solche

gekennzeichnet.

2. Mir ist ferner bekannt, dass die Friedrich-Alexander Universi-

tät Erlangen-Nürnberg aufgrund der prüfungsrechtlichen Vor-

schriften einen Anspruch auf das Original der Arbeit hat. Dieser

Anspruch bezieht sich jedoch nur auf das körperliche Eigentum

an der Arbeit als solches und auf deren Verwendung zu den in

der Prüfungsordnung festgelegten Zwecken.

Ort, Datum Vorname, Nachname

Erklärung

Nutzungsrecht und Geheimhaltung

In Ergänzung zu anderen Erklärungen im Rahmen der Arbeit

erkläre ich Folgendes:

Es entspricht meinem ausdrücklichen Wunsch, dass ich vom

Lehrstuhl für Konstruktionstechnik (im Folgenden Universität

genannt) die als Prüfungsleistung zu erbringende Arbeit zur

Bearbeitung erhalte, für die die nachfolgenden Bedingungen

gelten. Ich wurde darauf hingewiesen, dass ich auch ein ande-

res Thema hätte erhalten können, für das diese Bedingungen

nicht gelten würden. Ich erkläre mich mit folgenden Punkten

einverstanden:

1. Ich räume der Universität für Zwecke der Forschung und

Lehre ein einfaches, kostenloses, zeitlich und örtlich unbe-

schränktes Nutzungsrecht an den Arbeitsergebnissen ein-

schließlich etwaiger Schutzrechte und Urheberrechte ein. Das

Nutzungsrecht der Universität umfasst die Befugnis zur Weiter-

gabe der Arbeit an Dritte zur Nutzung in Forschung und Lehre.

2. Wegen des Praxisbezugs meiner Arbeit werde ich Informati-

onen erhalten und Einblick in Unterlagen nehmen, die vertrau-

lich zu behandeln sind. Da die Ergebnisse meiner Arbeit auf

den vorgenannten Informationen bzw. Unterlagen beruhen wer-

den, werde ich meine Arbeit nur mit Zustimmung des betreuen-

den Hochschullehrers Dritten zugänglich machen bzw. veröf-

fentlichen.

Ort, Datum Vorname, Nachname

Inhaltsverzeichnis I

Inhaltsverzeichnis

1 Einführung ......................................................................................................... 1

1.1 Ausgangssituation ......................................................................................... 1

1.2 Problemstellung ............................................................................................ 3

1.3 Zielsetzung .................................................................................................... 7

1.4 Aufbau der Arbeit .......................................................................................... 8

2 Stand der Forschung ...................................................................................... 11

2.1 Präzisierung des Technologieverständnisses ............................................. 11

2.1.1 Abgrenzung des Technologiebegriffs .................................................... 12

2.1.2 Klassifizierung von Technologien .......................................................... 13

2.2 Grundlagen des Technologiemanagements ............................................... 19

2.2.1 Einführung in das Technologiemanagement ......................................... 19

2.2.2 Instrumente des strategischen Technologiemanagements .................... 24

2.2.2.1 Technologiefrüherkennung.............................................................. 24

2.2.2.2 Technologiebewertung .................................................................... 26

2.3 Überblick über den Produktentstehungsprozess ......................................... 28

2.3.1 Produktplanung...................................................................................... 30

2.3.2 Entwicklung & Konstruktion ................................................................... 33

2.3.3 Arbeitsvorbereitung & Produktherstellung ............................................. 36

2.4 Unterstützung von Technologieentscheidungen in der Produktplanung ..... 37

2.4.1 Technologiefrüherkennung und -bewertung zur Entscheidungs-

unterstützung in der strategischen Produktplanung ............................... 38

2.4.2 Multikriterielle Entscheidungsunterstützung ........................................... 39

2.5 Methodisch gestützte Technologiefrüherkennung und Technologie-

bewertung ................................................................................................... 43

2.5.1 Methoden zur Technologiefrüherkennung ............................................. 43

2.5.1.1 Expertenbefragung .......................................................................... 45

2.5.1.2 Patentanalyse ................................................................................. 46

2.5.1.3 Technologie-Roadmapping ............................................................. 46

2.5.1.4 TRIZ – Theorie des erfinderischen Problemlösens ......................... 48

II Inhaltsverzeichnis

2.5.2 Einzel-Methoden zur Technologiebewertung ........................................ 60

2.5.2.1 Trendextrapolation .......................................................................... 63

2.5.2.2 Nutzwert-Analyse ........................................................................... 63

2.5.2.3 Relevanzbaumanalyse ................................................................... 64

2.5.2.4 Portfolio-Analyse ............................................................................ 65

2.5.2.5 Brainstorming ................................................................................. 67

2.5.2.6 Delphi-Studie .................................................................................. 67

2.5.2.7 Szenario-Analyse ........................................................................... 68

2.5.3 Integrative Ansätze zur Technologiebewertung .................................... 77

2.5.3.1 Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK ............ 78

2.5.3.2 Ansatz nach BRANDENBURG ............................................................ 79

2.5.3.3 Ansatz nach HALL ........................................................................... 81

2.5.3.4 Ansatz nach KRÖLL ......................................................................... 82

3 Ableitung des Handlungsbedarfs ................................................................. 84

3.1 Allgemeine Kritik der Methoden zur Technologiebewertung ....................... 84

3.2 Forschungsspezifische Evaluierung der Methoden zur Technologie-

bewertung ................................................................................................... 88

3.3 Konkreter Handlungsbedarf ........................................................................ 93

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung ................................... 94

4.1 Grundkonzept der Bewertungsmethode ..................................................... 95

4.2 Phasen der Bewertungsmethode ............................................................. 102

4.2.1 Phase 1 – Vorbereitungsphase ........................................................... 103

4.2.2 Phase 2 – Systemische Exploration .................................................... 109

4.2.3 Phase 3 – Bestimmung von Technologieoptionen .............................. 125

4.2.4 Phase 4 – Multikriterielle Technologiebewertung ................................ 131

4.3 Excel-Tool für eine rechnergestützte Anwendung .................................... 144

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG ............... 150

5.1 Der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel ................................................ 150

5.1.1 Aufbau und Funktionsweise ................................................................ 150

5.1.2 Untersuchungshintergrund .................................................................. 153

5.2 Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ..... 154

5.2.1 Vorbereitungsphase ............................................................................ 155

5.2.2 Systemische Exploration ..................................................................... 159

Inhaltsverzeichnis III

5.2.3 Bestimmung von Technologieoptionen ................................................ 178

5.2.4 Multikriterielle Technologiebewertung .................................................. 185

5.2.5 Fazit ..................................................................................................... 193

6 Diskussion der Ergebnisse .......................................................................... 195

6.1 Methodisches Konzept in der Praxis ......................................................... 195

6.2 Excel-Tool ................................................................................................. 198

7 Zusammenfassung ....................................................................................... 202

8 Ausblick ......................................................................................................... 206

9 Bibliografie .................................................................................................... 208

Anhang A Sammlung der erweiterten TESE ...................................................... 220

Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel ............................................ 223

Anhang C Verzeichnis Datenträger .................................................................... 224

Anhang D Datenträger ......................................................................................... 225

Anhang E Lebenslauf .......................................................................................... 226

IV Abbildungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Bild 1.1: Umsatzwachstum von Technologieführern im Vergleich zum nominalen

BIP-Wachstum .......................................................................................... 2

Bild 1.2: Defizite bei der integrativen Prognose von technologischen

Entwicklungen und Bedarfsfeldern ............................................................ 4

Bild 1.3: Aufbau der Arbeit ...................................................................................... 9

Bild 2.1: Traditionelles und integratives Begriffsverständnis von Technologie

und Technik ............................................................................................ 13

Bild 2.2: Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozesstechnologie am

Beispiel eines Feuermelders ................................................................... 14

Bild 2.3: Technologie-Lebenszyklusmodell ........................................................... 16

Bild 2.4: Darstellung des Doppel-S-Kurven-Konzepts........................................... 17

Bild 2.5: Möglichkeiten zur organisatorischen Verankerung des Technologie-

managements ......................................................................................... 20

Bild 2.6: Prozessmodell des strategischen Technologiemanagements ................ 22

Bild 2.7: Der Technologiefrüherkennungsprozess ................................................ 25

Bild 2.8: Produktentstehungsprozess entlang Produktlebenszyklus ..................... 29

Bild 2.9: Erfolgspotentiale von morgen ................................................................. 31

Bild 2.10: Vorgehensmodell für die Produktplanung ............................................... 32

Bild 2.11: Zyklischer Produktentwicklungsprozess ................................................. 35

Bild 2.12: Ablaufschema einer multikriteriellen Bewertung ..................................... 41

Bild 2.13: Beispielhafte Darstellung einer Technologie-Roadmap .......................... 47

Bild 2.14: Prinzipielles Vorgehen zur Problemlösung mit TRIZ ............................... 49

Bild 2.15: Aufbau des System Operators ................................................................ 51

Bild 2.16: Erweitertes TESE-Modell ........................................................................ 53

Bild 2.17: S-Kurve eines technischen Systems mit ihren spezifischen Phasen ...... 54

Bild 2.18: Ablauf der Directed Evolution™ .............................................................. 58

Bild 2.19: Technologie-Portfolio .............................................................................. 66

Bild 2.20: Grundprinzipen des Denkens in Szenarien ............................................. 69

Bild 2.21: Ablauf der Szenario-Analyse ................................................................... 71

Bild 2.22: Grundgerüst einer Einflussmatrix ............................................................ 72

Bild 2.23: Aufbau eines System-Grids zur Auswahl der Schlüsselfaktoren ............. 73

Bild 2.24: Zukunftsraum-Mapping ........................................................................... 76

Bild 2.25: Prozess der integrativen Technologiebewertung .................................... 78

Abbildungsverzeichnis V

Bild 2.26: Ablaufschema der Methode ..................................................................... 80

Bild 2.27: Vorgehensmodell zur Technologiebewertung ......................................... 83

Bild 3.1: Evaluierung der vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung ...... 90

Bild 4.1: Prozessuales Ablaufschema der TRIZ- und szenariobasierten

Technologiebewertung ............................................................................ 99

Bild 4.2: Integration der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in

die strategische Produktplanung ........................................................... 101

Bild 4.3: Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens .............. 104

Bild 4.4: Systemkomponenten ............................................................................. 105

Bild 4.5: Vorgehensweise zur Systemtechnischen Strukturierung....................... 107

Bild 4.6: Trendmodell auf Basis des modifizierten System Operators ................. 111

Bild 4.7: Vorgehensweise zur Gestaltung des Trendmodells .............................. 113

Bild 4.8: Vorgehensweise zur Erstellung des Szenariofelds ................................ 115

Bild 4.9: Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix ....................................... 116

Bild 4.10: Vorgehensweise zur Einflussanalyse .................................................... 118

Bild 4.11: Vorgehensweise zur Erstellung von Zukunftsprojektionen .................... 121

Bild 4.12: Aufbau der Konsistenzmatrix ................................................................. 122

Bild 4.13: Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios ........................ 124

Bild 4.14: Vorgehensweise zur Szenariobildung ................................................... 125

Bild 4.15: Verdichtung von Signalen über neue technologische Potentiale in der

TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ............................ 127

Bild 4.16: Vorgehensweise zur Technologieidentifikation ...................................... 129

Bild 4.17: Vorgehensweise zur Beschreibung der Technologieoptionen ............... 131

Bild 4.18: Grundgerüst der Bewertungskriterien .................................................... 133

Bild 4.19: Beispiel einer paarweisen Vergleichsmatrix .......................................... 136

Bild 4.20: Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien .................. 137

Bild 4.21: Beispielhafte Darstellung der Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der

Gesamtpotentiale .................................................................................. 139

Bild 4.22: Vorgehensweise zur multikriteriellen Bewertung der Technologie-

optionen ................................................................................................. 140

Bild 4.23: Handlungsportfolio der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-

bewertung .............................................................................................. 141

Bild 4.24: Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen ............... 143

Bild 4.25: Zentrale Aspekte eines Decision Support Systems ............................... 145

Bild 4.26: Screenshot zum Ablaufmodell im Hauptmenü des Excel-Tools ............ 147

Bild 4.27: Screenshot zur VBA-basierten Darstellung der Arbeitsanweisungen .... 148

Bild 4.28: Screenshot zu den erweiterten Hilfsfunktionen ..................................... 149

Bild 5.1: Standardaufbau eines Frequenzumrichters ........................................... 152

VI Abbildungsverzeichnis

Bild 5.2: Querschnitt durch einen Leistungshalbleiter ......................................... 152

Bild 5.3: Systemtechnische Strukturierung des Frequenzumrichters im Praxis-

beispiel .................................................................................................. 158

Bild 5.4: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-

Gegenwart ............................................................................................ 160

Bild 5.5: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der

System-Historie ..................................................................................... 163

Bild 5.6: Historische Entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen

und mechanischen Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenz-

umrichtern ............................................................................................. 164

Bild 5.7: Screenshot aus dem Excel-Tool zum Ausblick in die Zukunft ............... 165

Bild 5.8: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der System-

deskriptoren .......................................................................................... 167

Bild 5.9: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Umfeld-

deskriptoren .......................................................................................... 168

Bild 5.10: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Einflussanalyse ........................... 169

Bild 5.11: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Berechnung der charakteristischen

Kennzahlen einer Einflussanalyse ........................................................ 170

Bild 5.12: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Erstellung potentieller Projektionen

für die Schlüsseldeskriptoren ................................................................ 172

Bild 5.13: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Konsistenzanalyse ...................... 174

Bild 5.14: Screenshot aus dem Excel-Tool zur steckbriefartigen Beschreibung

von suchfeldspezifischem Szenario I .................................................... 177

Bild 5.15: Screenshot aus dem Excel-Tool zu den technologiespezifischen

Signalen ................................................................................................ 179

Bild 5.16: Screenshot aus dem Excel-Tool zur datentechnischen Beschreibung

der Technologieoptionen ...................................................................... 182

Bild 5.17: Power Chip Embedding ........................................................................ 184

Bild 5.18: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Gewichtung der Bewertungs-

kriterien des Technologiepotentials ....................................................... 187

Bild 5.19: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den fertigen Bewertungsmatrizen

zur Bestimmung der Gesamtpotentiale ................................................. 189

Bild 5.20: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den finalen Bewertungs-

ergebnissen .......................................................................................... 190

Bild 5.21: Screenshot aus dem Excel-Tool mit dem finalen Handlungsportfolio ... 191

Bild 6.1: Begrenzte Übersichtlichkeit im Excel-Tool am Beispiel der Trend-

modell-Matrix ........................................................................................ 199

Abbildungsverzeichnis VII

Bild 7.1: Beantwortung der zentralen Fragestellungen im Rahmen der Master-

arbeit ..................................................................................................... 202

VIII Tabellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 2.1: Klassifizierungsmöglichkeiten von Technologien ................................ 18

Tabelle 2.2: Unterschiede zwischen Multi-Attribut- und Multi-Objective-Ansätzen .. 40

Tabelle 2.3: Methoden-Übersicht zur Technologiefrüherkennung ........................... 44

Tabelle 2.4: TRIZ-Werkzeuge ................................................................................. 50

Tabelle 2.5: Auswahl an Indikatoren zur S-Kurven-Analyse ................................... 56

Tabelle 2.6: Methoden-Übersicht zur Technologiebewertung ................................. 62

Tabelle 4.1: Einflusskennzahlen ........................................................................... 117

Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Systemkomponenten des Frequenzum

richters............................................................................................... 158

Tabelle 5.2: Zusammenfassung der Schlüsseldeskriptoren mit dem größten

Einfluss auf die Weiterentwicklung des Suchfelds ............................. 170

Tabelle A: Erweiterte TESE ................................................................................ 220

Formeln, Indizes & Abkürzungen IX

Formeln, Indizes & Abkürzungen

Formeln

a Potentialabschätzung (0, 1, 2, …, 10)

g i relativer Gewichtungsfaktor

i Zeilennummer (Kriterium)

j Spaltennummer (Kriterium bzw. Technologieoption)

n Anzahl der Kriterien (1, 2, …, N)

p j i Teilpotential einer Technologieoption je Kriterium

P i Gesamtpotential einer Technologieoption

r Relevanz (-1, 0, 1)

zi relative Gewichtungssumme

Z i Gewichtungssumme bzw. Zeilensumme

Indizes

1, 2, 3, … Zählindex

Abkürzungen

Ag Elementsymbol für Argentum bzw. Silber

AG Aktiengesellschaft

Anm. des Verf. Anmerkung des Verfassers

ARIZ Algorithmus zur Lösung der Erfindungsprobleme

bspw. beispielsweise

bzgl. bezüglich

bzw. beziehungsweise

BIGT Bimodule-Insulated-Gate-Transistor

BIP Bruttoinlandsprodukt

BTR Bipolartransistor

d.h. das heißt

DE Directed Evolution™

DSS Decision Support System

et al. und andere

etc. et cetera

X Formeln, Indizes & Abkürzungen

F&E Forschung und Entwicklung

FET Feldeffekttransistor

GTO Gate-Turn-Off

inkl. inklusive

IGBT Insulated-Gate-Bipolartransistor

IGCT Integrated-Gate-Commutated-Thyristor

Inc Incorporated

MZK Maße, Zeit, Kosten

MOSFET Metall-Oxid-Halbleiter-Feldeffekttransistor

MPV Main Parameter of Value

Q1…Q4 Quadranten der Einflussmatrix

sog. sogenannt(e)

SiC Siliziumcarbid, chemische Verbindung aus Silizium und Kohlenstoff

SRI Stanford Research Institute

TESE Trends of Engineering System Evolution (dt. Trends der Technikevolution)

TRIZ Theorie des erfinderischen Problemlösens

usw. und so weiter

v.l.n.r. von links nach rechts

vgl. vergleiche

VBA Visual Basic for Applications

VDI Verein Deutscher Ingenieure

WOIS widerspruchsorientierte Innovationsstrategie

z.B. zum Beispiel

1 Einführung 1

1 Einführung

Im Zeichen des globalen Wettbewerbs unterliegen Märkte aktuell einer sehr hohen

Dynamik, die Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen vor große Herausfor-

derungen stellt. Hier sind insbesondere die immer kürzer werdenden Produktlebens-

und Innovationszyklen sowie die wachsenden Anforderungen der Kunden an Quali-

tät, Kosten und Funktionalität der Produkte zu nennen (VDI 2206, 2004, S. 3; BUL-

LINGER, WARSCHAT & FISCHER, 2000, S. 99; IANSITI, 1995, S. 37). Um sich diesen Her-

ausforderungen langfristig stellen und die eigene Wettbewerbsfähigkeit aufrecht-

erhalten zu können, sind Unternehmen auf überlegene Problemlösungen angewie-

sen, die sich in „zukunftsträchtigen Produkten mit technologischem und qualitativem

Vorsprung“ wiederspiegeln (KRÖLL, 2007, S. 11).

Der technologische Fortschritt spielt dabei eine tragende Rolle. UTTERBACK sieht da-

rin einerseits eine treibende Kraft für unternehmerisches Wachstum, andererseits

aber auch ein potentielles Risiko für Unternehmen, den Puls der Zeit zu verpassen

und die geschäftliche Existenz zu gefährden (UTTERBACK, 2003, S. 81). Der Wettbe-

werb wird immer mehr zu einem Kampf um Technologieführerschaft (KRÖLL, 2007,

S. 11). In der Folge entwickeln sich zukunftsträchtige Technologien zu einem ele-

mentaren Faktor für Unternehmen, um damit die eigene Marktposition zu sichern,

gleichzeitig aber auch neue Potentiale für die künftige Unternehmensentwicklung zu

erschließen (INGERFELD, 2006, S. 1; KLAPPERT, SCHUH & AGHASSI, 2011, S. 6).

1.1 Ausgangssituation

Je rascher und effizienter solch zukunftsträchtige Technologien in marktfähige Pro-

duktlösungen umgesetzt werden, desto deutlicher können sich Unternehmen von

potentiellen Wettbewerbern absetzen und als Technologieführer etablieren (KRÖLL,

2007, S. 12–13). Bild 1.1 verdeutlicht diesen Umstand und zeigt das jährliche Um-

satzwachstum von Technologieführern aus großen Industrienationen im Vergleich zu

Mitläufern und Nachfolgern sowie dem jährlichen Wachstum des nominalen Bruttoin-

landsprodukts. Dabei wird ersichtlich, dass sich Pioniere enorme Vorteile gegenüber

Technologiemitläufern und -nachzüglern verschaffen können, deren Produktivität

oftmals gar hinter der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung des eigenen Landes zu-

2 1 Einführung

rück bleibt. Die Beherrschung neuester Technologien vor der Konkurrenz eröffnet

Technologieführern beispielsweise den Zugang zu neuen Märkten und potentiellen

Kunden, was sich letztendlich in einem deutlich höheren Umsatzwachstum nieder-

schlägt. Die intensive und frühzeitige Nutzung neuer, zukunftsträchtiger Technolo-

gien ist folglich ein entscheidendes Merkmal für eine erfolgreiche Geschäftsentwick-

lung und unternehmerisches Wachstum (BCG, 2013, S. 8–10).

Bild 1.1: Umsatzwachstum von Technologieführern im Vergleich zum nominalen BIP-Wachstum

nach BCG, 2013, S. 10

Als Treiber für Erfolg und Wachstum sind Technologien stets differenzierungs- und

kostenrelevant und bergen enorme Optimierungspotentiale (KRÖLL, 2007, S. 11).

Diese manifestieren sich nicht nur in der Schaffung, Sicherung sowie dem Ausbau

von markt- und kundenseitigen Wettbewerbsvorteilen, sondern auch in der Optimie-

rung der unternehmenseigenen Prozesse im Rahmen der Leistungserstellung zur

Förderung der Wirtschaftlichkeit. So lassen sich bestehende Produkte sowie deren

Herstellungsprozesse aus funktionaler und ökonomischer Sicht nicht nur gezielt ver-

bessern, sondern gegebenenfalls auch durch besonders vielversprechende techni-

sche Lösungen vollständig ersetzen (INGERFELD, 2006, S. 3, S. 14).

Zur möglichst effektiven Nutzung der geschilderten Optimierungspotentiale müssen

Unternehmen allerdings schon frühzeitig „Entscheidungen darüber treffen, welche

Technologien wann und wie zum Einsatz kommen“ (HIERONYMUS, TINTELNOT & VON

WICHERT-NICK, 1996, S. 26). Grundlegende Technologieentscheidungen sind des-

halb bereits im Rahmen einer strategischen Produktplanung anzusiedeln, die als

0

5

10

15

20

25

30

30155 10 2520

durchschnittliches, jährliches Umsatzwachstum (2010–2012) in %

durchschnittliches, jährliches Wachstum des nominalen BIP (2010–2012) in %

China

Deutschland

USA

Führer

Nachzügler

Mitläufer

Führer

Nachzügler

Mitläufer

Führer

Mitläufer

Nachzügler

1 Einführung 3

vorgelagerte Phase der eigentlichen Produktentwicklung zur Konkretisierung von

Entwicklungsvorhaben auf Basis zukünftiger Erfolgspotentiale dient (GAUSEMEIER,

EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 43–44; KRÖLL, 2007, S. 19–20). Dazu werden

funktionale, kosten- sowie qualitätstechnische Merkmale des künftigen Produkts

festgelegt und in vorläufige Anforderungen an die Produktentwicklung überführt. Um

zeitlichen, markt- oder kundenseitigen Fehlentwicklungen wie auch kostenintensiven

Änderungsvorhaben im weiteren Verlauf des Produktentstehungsprozesses vorbeu-

gen zu können, sind in dieser Phase immer umfassendere Kenntnisse über verfüg-

bare Technologien sowie potentielle Technologietrends gefordert (KRÖLL, 2007,

S. 17). Demnach hängt die „erfolgreiche Integration neuer Technologie in Produkte

und deren Kommerzialisierung“ erheblich von einem gut koordinierten Zusammen-

spiel zwischen Technologiemanagement und Produktentstehungsprozess ab (ZAHN,

1995, S. 20). Eine gründliche, fortwährende Analyse des Technologiemarkts zur

frühzeitigen Erkennung und Bewertung geeigneter Technologien erfüllt hierbei eine

wichtige Querschnittsfunktion des strategischen Technologiemanagements und dient

als richtungsweisende Grundlage für Technologieentscheidungen im Hinblick auf

eine zukunftsorientierte Produktentwicklung (INGERFELD, 2006, S. 3; KRÖLL, 2007, S.

12; SCHÄPPI, 2005, S. 14).

1.2 Problemstellung

Getrieben durch den intensiven Wettbewerb und die stetig wachsenden Kundenan-

sprüche mündet die permanente Schaffung von technologischem Know-how in be-

trieblichen F&E-Aktivitäten sowie öffentlichen Forschungseinrichtungen oder Univer-

sitäten in einen stetig wachsenden und verflochtenen Bestand an Technologien

(HALL, 2002, S. 1; SCHÄPPI, 2005, S. 5). Entstehungsprozesse von Technologien sind

immer seltener durch lineare Abläufe geprägt, vielmehr sind sie „als wechselseitige

Trial- & Error-Suchprozesse zwischen frühem Technologieangebot und dem Prob-

lemlösungsbedarf in potentiellen Einsatzbereichen zu verstehen“ (SERVATIUS & PEIF-

FER, 1992, S. 75).

Diese Problematik hat sich in den vergangenen Jahren wegen des zunehmenden

Querschnittscharakters von Technologien zusätzlich verschärft (SCHNEIDER, 2002,

S. 8). Speziell technologische Weiterentwicklungen auf Basis interdisziplinären

Know-hows führen dazu, dass Technologien zunehmend „für vielfältige und hetero-

gene technische Einsatzbereiche Relevanz besitzen“ (SERVATIUS & PEIFFER, 1992,

S. 74). In der Folge bieten sich den Unternehmen zwar weitaus mehr technologische

Alternativen als früher, jedoch gestaltet sich die zielgerichtete Auswahl geeigneter

4 1 Einführung

Technologien aus diesem diffusen Technologiebestand als äußerst schwierig (HALL,

2002, S. 1; STECK, 1997, S. 1–2). Für Entscheidungen über den Einsatz von Techno-

logien in Produkten und deren Herstellungsprozessen hat dies letztendlich sichtbar

veränderte Rahmenbedingungen zur Folge (HAAG, SCHUH, KREYSA & SCHMELTER,

2011, S. 311; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77):

Die Dynamik und Komplexität im Bereich der Entstehung von Technologien

nimmt zu.

Die eben geschilderte, zunehmende Vernetzung, Multikausalität und Viel-

schichtigkeit von technologischen Entwicklungen führt zu Prognosedefiziten

beim Mapping von verfügbarem Technologieangebot und künftigem Problem-

lösebedarf. Bild 1.2 verdeutlicht in diesem Zusammenhang die Schwierigkeit

bei der Abschätzung, ob das bestehende Technologieangebot genügend Po-

tential aufweist, um auch künftige Bedarfsfelder bzw. den entsprechenden

Problemlösebedarf abdecken zu können.

Es bestehen Prognose- und Wissensdefizite bzgl. der Einschätzung technolo-

gischer Entwicklungen und deren Funktionalität bzw. Leistungsfähigkeit.

Bild 1.2: Defizite bei der integrativen Prognose von technologischen Entwicklungen und Bedarfsfel-

dern nach SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77

Um die Qualität von Technologieentscheidungen sowie den damit verbundenen

Handlungserfolg als Folge des herbeigeführten Technologieeinsatzes zu erhöhen,

sind Bewertungsmethoden zur Beurteilung von Technologien hinsichtlich spezifischer

Kriterien einzusetzen (HAAG ET AL., 2011, S. 310; SCHNEIDER, 2002, S. 73). Aufgrund

bestehendes

Technologieangebot

künftiger

Problemlösebedarf

???

Technologische

Lösung

Technologie-

potential

Bedarfs-

potential???

1 Einführung 5

der aufgezeigten, veränderten Rahmenbedingungen im Bereich der Technologieent-

stehung und -entwicklung ist der verfügbare Bestand an Methoden zur Technologie-

bewertung aktuell jedoch wesentlichen Schwierigkeiten bzw. Problembereichen aus-

gesetzt (HAAG ET AL., 2011, S. 311).

Einen ersten Problembereich bildet die Informationserfassung als datentechnische

Grundlage einer methodischen Technologiebewertung. Diese erweist sich aufgrund

der hohen Komplexität, Dynamik sowie Verflochtenheit von Technologieentstehung

und -entwicklung häufig als diffus, ungeordnet und unvollständig. Der Grund ist ins-

besondere bei den unterschiedlichen Datentypen zu finden, die aus zahlreichen In-

formationsquellen bezogen werden und innerhalb der Bewertungsmethode trotz di-

vergierender Verlässlichkeitsgrade systematisch zu verarbeiten sind (HAAG ET AL.,

2011, S. 310–311; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 77–78). Neben technologiespezifi-

schen Informationen, die sich aus der komplexen Beschaffenheit des aktuellen Un-

ternehmensumfelds ergeben, müssen dabei auch unternehmensinterne Faktoren

und Gegebenheiten möglichst vollständig berücksichtigt werden. Äußerst schwierig

gestaltet sich in diesem Zusammenhang vor allem die Beschaffung externer Informa-

tionen, die stark an den Wandel auf dem Technologiemarkt geknüpft sind, kaum zeit-

lichen Regelmäßigkeiten folgen und somit nur bedingt prognostizierbar sind. Sie sol-

len Auskunft über das relative Potential bzw. die künftige Relevanz einer Technologie

im Vergleich zu technologischen Alternativen liefern. Unternehmensinterne Informa-

tionen zielen dagegen auf die positiven wie negativen Auswirkungen einer Technolo-

gie für das Unternehmen ab (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73; S. 77). Zeitgemäße

Bewertungsmethoden müssen demnach so konzipiert sein, dass sie trotz dieser brei-

ten aber auch lückenhaften sowie unsicheren Informationsbasis ihrem vorausschau-

enden Charakter gerecht werden und aussagekräftige Ergebnisse nach sich ziehen

(HAAG ET AL., 2011, S. 311).

Eine weitere Schwierigkeit liegt in der Festlegung und Erfassung der Bewertungskri-

terien, die „aufgrund des Fehlens einer umfassenden Theorie für die Entstehung und

Verbreitung technischer Innovationen auf keinem theoretischen Fundament aufbau-

en“ (SCHNEIDER, 2002, S. 78). Bewertungskriterien sind keine absoluten Größen und

hinsichtlich ihrer Gewichtung immer einem subjektiven Einfluss ausgesetzt. Nichts-

destotrotz gelten sie als elementare Wegweiser innerhalb einer jeden Bewertungs-

methode, stecken den Rahmen für die bewertungsrelevanten Informationen ab und

gewährleisten eine adäquate Bewertung in Richtung einer vorgegebenen Zielsetzung

(SCHNEIDER, 2002, S. 78). Unternehmen können dabei zwischen unternehmensinter-

nen und unternehmensexternen Bewertungskriterien unterscheiden. Abgesehen von

klassischen, unternehmenstypischen Kriterien wie Funktionsfähigkeit und Wirtschaft-

6 1 Einführung

lichkeit werden dabei auch ökologische, soziale oder rechtliche Kriterien wie Gesell-

schaftsqualität, Sicherheit oder Umweltqualität immer wichtiger (HAAG ET AL., 2011,

S. 311; SCHNEIDER, 2002, S. 75). Im Rahmen der Technologiebewertung sind also

„neben exakten und quantifizierbaren Bewertungsinformationen (wie z.B. Funktions-

fähigkeit) zusätzlich ‚weiche‘ und qualitative Bewertungsinformationen (wie z.B. Si-

cherheit) zu berücksichtigen“ (SCHNEIDER, 2002, S. 76). Um trotz dieser Vielfalt an

teils insuffizienten Bewertungskriterien vergleichende und objektive Aussagen über

Technologiealternativen tätigen sowie fundierte Entscheidungen herbeiführen zu

können, muss bei der Konzipierung der Methoden dem Leitgedanken einer systema-

tischen „Bewertung hinsichtlich mehrerer, verschiedener Kriterien (multikriterielle

Bewertung)“ Folge geleistet werden (WARTZACK, 2001, S. 62). Jene Kriterien sollten

dabei stets widerspruchsfrei sowie leicht erfassbar sein und sich immer nur auf mitei-

nander vergleichbare Bewertungsobjekte beziehen (BREIING & KNOSALA, 1997, S. 6–

7).

Ferner werden Technologien im Rahmen einer methodisch gestützten Technologie-

bewertung häufig nur isoliert betrachtet, was hinsichtlich ihres zunehmend vernetzten

Charakters nicht zielführend erscheint. Um fundierte Entscheidungen über den Ein-

satz von Technologien in Produkten herbeiführen zu können, sind zwingend die

Wechselwirkungen zwischen Technologien innerhalb einer Bewertung zu berücksich-

tigen (KRÖLL, 2007, S. 52). „Folgt man dem Gedanken, dass jede Produktfunktion

durch eine bestimmte Technologie realisiert wird, die wiederum durch verschiedene

Verfahren unterstützt oder beeinflusst werden kann, so ergeben sich Verbünde von

miteinander in unterschiedlichen Beziehungen stehenden Technologien“ (SPECHT,

BEHRENS & KIRCHHOF, 1999, S. 720). Werden diese Wechselwirkungen vernachläs-

sigt, können neu eingesetzte Technologien bzw. Weiterentwicklungen von Technolo-

gien zu unbemerkten Veränderungen der funktionalen Zusammenhänge im Produkt

führen. Demzufolge dürfen Bewertungsmethoden Technologien nicht ausschließlich

nach ihren Potentialen oder charakteristischen Merkmalen beurteilen, sondern immer

mit engem Bezug zu dem Produkt, in dem sie verwendet werden (SPECHT ET AL.,

1999, S. 720).

Des Weiteren erfordern die zunehmend standardisierten und technisierten Entwick-

lungsprozesse in Unternehmen mittlerweile sehr systematische Bewertungsmetho-

den, die eine objektive Vergleichbarkeit sowie wiederholbare Anwendung ermögli-

chen. Zeitgemäße Methoden sollten sich daher auf einen prozessualen und durch-

gängigen Aufbau stützen, der sich leicht in die organisationalen Strukturen eines Un-

ternehmens integrieren lässt. Damit neben einer effizienten Handhabung auch eine

rasche, situationsspezifische Anpassung bzw. Modifizierbarkeit einer Methode ge-

1 Einführung 7

währleistet werden kann, wird eine rechnergestützte Ausgestaltung des zugrundelie-

genden Methodenkonzepts immer wichtiger (KRÖLL, 2007, S. 18).

1.3 Zielsetzung

Vor diesem Hintergrund wird in dieser Masterarbeit eine systematische und praxis-

taugliche Methode zur Erfassung und Bewertung von Technologiealternativen erar-

beitet, deren Wirkungskreis sich auf eine frühzeitige, technologiebezogene Anpas-

sung bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts im Hinblick auf eine zu-

kunftsorientierte Produktentwicklung legt. Die Methode hat den in Kapitel 1.2 erläu-

terten Problembereichen einer methodisch gestützten Technologiebewertung stand-

zuhalten und einen wesentlichen Beitrag für Technologieentscheidungen zu leisten,

die auf den Einsatz zukunftssicherer Technologien in künftigen Produktlösungen ab-

zielen. Auf diese Weise erhalten Unternehmen die Möglichkeit, dem technologischen

Wandel schon frühzeitig entgegenzuwirken und sich entscheidende Wettbewerbsvor-

teile gegenüber der Konkurrenz zu sichern.

Um dem Aspekt der Frühzeitigkeit gerecht zu werden und eine systematische Vorbe-

reitung auf die eigentliche Produktentwicklung zu gewährleisten, ist die Methode be-

reits in der strategischen Produktplanung einzusetzen und rechnergestützt auszuge-

stalten. Neben klassischen Elementen der Technologiebewertung müssen auch we-

sentliche Aspekte der Technologiefrüherkennung in das methodische Konzept im-

plementiert werden. Damit soll erreicht werden, dass die Methode nicht nur neuarti-

ge, technologische Entwicklungen innerhalb eines festgelegten Suchfelds bewerten,

sondern auch vorab identifizieren und datentechnisch erfassen kann. In der Folge

sind auf Basis erkennbarer Trends innerhalb der wesentlichen Komponenten des

Produkts sowie dessen Umfeld alternative Entwicklungsrichtungen des Suchfelds

(suchfeldspezifische Szenarien) zu erarbeiten. Dabei ist es wichtig, dass das Such-

feld klar und präzise in die funktionale Struktur des Produkts eingeordnet und somit

eine isolierte Betrachtung vermieden wird. Die erarbeiteten Szenarien stecken

schließlich einen plausiblen und konsistenten Zukunftsraum ab, der zum einen kon-

krete Hinweise für die Suche nach neuen Technologieoptionen liefert und zum ande-

ren auch eine Einstufung bzgl. deren Zukunftspotential erlaubt. Diese Einstufung

fließt schließlich in die abschließende Technologiebewertung ein, die eine systemati-

sche und multikriterielle Beurteilung der Technologieoptionen hinsichtlich Technolo-

giepotential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unternehmen

ermöglicht. So kann gezielt bei Technologieentscheidungen unterstützt werden, die

8 1 Einführung

Unternehmen bereits in der strategischen Produktplanung dabei helfen, künftige

Produktlösungen zukunftssicher zu gestalten.

Darauf aufbauend lassen sich folgende Fragestellungen ableiten, deren schrittweise

Beantwortung im weiteren Verlauf dieser Arbeit maßgeblich zur Erreichung der über-

geordneten Zielsetzung beiträgt:

Was sind die Schwierigkeiten und Anforderungen einer methodisch gestützten

Technologiebewertung für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung?

Mit welchen Mitteln und prozessualen Strukturen in Verbindung mit Analysee-

lementen bestehender Methoden zur Technologiefrüherkennung und Techno-

logiebewertung lässt sich ein systematisches und rechnergestütztes, methodi-

sches Konzept entwickeln, das diesen Schwierigkeiten und Anforderungen ge-

recht werden kann?

Erweist sich die erarbeitete Methode als tauglich für einen Einsatz in der un-

ternehmerischen Praxis?

1.4 Aufbau der Arbeit

Der Aufbau der Arbeit gliedert sich nach dem Schema, das in Bild 1.3 dargestellt

wird. Im ersten Kapitel wurde bereits durch die Schilderung der Ausgangssituation

sowie der konkreten Problembereiche im Bereich einer methodisch gestützten Tech-

nologiebewertung eine Einführung in die Thematik geliefert und die entsprechende

Zielsetzung der Arbeit herausgearbeitet.

Das zweite Kapitel steckt den theoretischen Bezugsrahmen der Arbeit ab und liefert

einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung. Für ein besseres Verständnis

des Technologiebegriffs wird dieser zunächst inhaltlich abgegrenzt und konkretisiert.

Anschließend folgt eine Abhandlung der Grundlagen des Technologiemanagements,

wobei insbesondere die Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung als

wichtige Instrumente des strategischen Technologiemanagements näher untersucht

werden. Beide Instrumente werden zudem in den Prozess der Produktentstehung

eingeordnet, um das Einsatzfeld der zu entwickelnden Bewertungsmethode klar ab-

stecken und in der Folge gezielt bei Technologieentscheidungen unterstützen zu

können. Ein Einblick in die multikriterielle Entscheidungsunterstützung dient indes

der Vermittlung von Grundkenntnissen für eine zeitgemäße Bewertung verschiede-

ner Alternativen hinsichtlich zahlreicher, unterschiedlicher Kriterien. Abschließend

liefert dieses Kapitel eine Übersicht über gängige Methoden aus Literatur und Praxis,

1 Einführung 9

die im Rahmen der Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung ange-

wandt werden.

Aufbauend auf den Stand der Forschung werden die vorgestellten Methoden zur

Technologiebewertung im dritten Kapitel dieser Arbeit evaluiert. Dafür werden aus-

gehend von den in Kapitel 1.2 geschilderten Problembereichen verschiedene Bewer-

tungsmerkmale hergeleitet, anhand derer die einzelnen Methoden beurteilt werden.

So können gezielt Schwachstellen und Defizite des gegenwärtigen Methoden-

Portfolios aufgedeckt und in konkrete Anforderungen an die zu entwickelnde Bewer-

tungsmethode überführt werden. Dieses Kapitel gibt letztendlich also Aufschluss

über den tatsächlichen Handlungsbedarf als Anstoßpunkt für die weiteren Ausfüh-

rungen innerhalb dieser Arbeit.

Bild 1.3: Aufbau der Arbeit

Der praktische Teil der Arbeit beginnt schließlich im vierten Kapitel. Auf Basis des

abgeleiteten Handlungsbedarfs erfolgt darin die schrittweise Erarbeitung einer sys-

tematischen Methode zur Technologiebewertung für eine zukunftsorientierte Pro-

duktentwicklung. Vor diesem Hintergrund wird zuallererst der Lösungsansatz darge-

stellt und in das Grobkonzept der Methode überführt. Im Anschluss erfolgt die detail-

lierte Konzipierung und Vorstellung der einzelnen Phasen und Ablaufschritte der Be-

wertungsmethode. Dafür werden bewährte Ansätze der TRIZ-Methodik, der Szena-

rio-Analyse sowie der multikriteriellen Bewertung mit eigens entwickelten Analysee-

lementen zu einem durchgängigen methodischen Konzept verknüpft. Für eine rech-

nergestützte Anwendung der Bewertungsmethode in der Praxis wird abschließend

Kapitel 1:Ausgangssituation, Problemdefinition, Zielsetzung

Kapitel 2:Stand der Forschung

Kapitel 3:Ableitung des Handlungsbedarfs

Kapitel 4:Erarbeitung der Technologiebewertungsmethode

Kapitel 5:Anwendung der Methode in der Praxis

Kapitel 7:Zusammenfassung

Kapitel 8:Ausblick

Kapitel 6:Kritische Würdigung der Methode

10 1 Einführung

noch ein strukturiertes sowie nachvollziehbares Software-Tool erarbeitet und dem

Leser vorgestellt.

Das fünfte Kapitel umfasst schließlich die Anwendung der erarbeiteten Methode am

Praxisbeispiel von Frequenzumrichtern der SIEMENS AG. Hierfür werden sowohl

bewährte als auch neue, alternative Technologien zur elektrischen und mechani-

schen Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern identifiziert und

nachfolgend hinsichtlich ihres künftigen Einsatzpotentials bewertet.

Die Bewertungsmethode wird im sechsten Kapitel unter Berücksichtigung der im

Praxisbeispiel gewonnenen Erkenntnisse kritisch beäugt. Dafür erfolgt eine Erläute-

rung von positiven Aspekten aber auch Problembereichen bzw. kritischen Stellen aus

dem methodischen Konzept sowie dem Software-Tool, die sich im Rahmen der prak-

tischen Anwendung herauskristallisiert haben und konkrete Rückschlüsse auf die

Praxistauglichkeit der Methode zulassen.

Das siebte Kapitel fasst die Kernresultate der Arbeit in einem abschließenden

Schlusswort noch einmal zusammen. Einen Ausblick auf weiteren Forschungs- bzw.

Optimierungsbedarf liefert das achte Kapitel.

2 Stand der Forschung 11

2 Stand der Forschung

Gestützt auf eine gründliche Abhandlung des aktuellen Forschungsstands vermittelt

dieses Kapitel die notwendigen Grundkenntnisse rund um den Themenbereich der

Technologiebewertung als Basis für die weiteren Ausführungen dieser Arbeit.

In diesem Zusammenhang ist zunächst eine Präzisierung des Technologiebegriffs

vorzunehmen, um das diffuse Verständnis von Technologien zu entwirren und sie

einer zweckmäßigen Beschreibung zugänglich zu machen. Ferner erfolgt eine Ein-

führung in die Grundlagen des Technologiemanagements mit Fokus auf die Techno-

logiefrüherkennung und Technologiebewertung als zentrale Elemente dieser Arbeit.

Diese werden anschließend aufgrund ihres Querschnittscharakters in die strategi-

sche Produktplanung zur Vorbereitung auf die eigentliche Produktentwicklung einge-

ordnet. Abgerundet wird das Kapitel durch eine Übersicht über den gegenwärtigen

Bestand an Methoden zur Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung.

2.1 Präzisierung des Technologieverständnisses

Trotz der weiten Verbreitung des Technologiebegriffs im gewöhnlichen Sprachge-

brauch wie auch in fachspezifischen Diskussionen (Managementliteratur, wirt-

schaftspolitische Abhandlungen etc.) sucht man vergebens nach einer einheitlichen

und allgemeingültigen Definition von Technologie (ZAHN, 1995, S. 4). In Kapitel 2.1.1

wird der Technologiebegriff daher inhaltlich von dem eng verwandten Begriff der

Technik abgegrenzt und für ein zweckmäßiges Verständnis innerhalb der weiteren

Ausführungen dieser Arbeit konkretisiert.

Ferner ist eine systematische Klassifizierung von Technologien nach unterschiedli-

chen Merkmalen äußerst hilfreich, um gerade im Hinblick auf eine spätere Bewertung

eine gewisse Ordnung und Vergleichbarkeit im Technologiebestand zu schaffen.

Dies fördert zudem auch das Technologieverständnis an sich und dient einer

zweckmäßigen Beschreibung von Technologien (HALL, 2007, S. 22). Dafür werden in

Kapitel 2.1.2 verschiedene Möglichkeiten zur Klassifizierung von Technologien vor-

gestellt.

12 2 Stand der Forschung

2.1.1 Abgrenzung des Technologiebegriffs

Anknüpfend an die terminologischen Ursprünge des Technologiebegriffs aus dem

achtzehnten Jahrhundert bezeichnet ROPOHL Technologie als die „Wissenschaft von

der Technik“ (ROPOHL, 2009, S. 31). Geprägt durch das Aufkommen der Ingenieurs-

wissenschaften sowie der Verfahrenskunde hat sich der Technologiebegriff zusam-

men mit der Gesellschaft im Laufe der Jahre jedoch stetig weiterentwickelt und ent-

sprechend konkretisiert (BULLINGER, 1994, S. 32–33; WEULE, 2002, S. 24). Zur Ver-

deutlichung werden nachfolgend einige Beispiele für zeitgemäße Erklärungen des

Technologiebegriffes aufgeführt:

Technologie ist „das Wissen um naturwissenschaftlich-technische Zusam-

menhänge […], soweit es Anwendung bei der Lösung technischer Probleme

finden kann […], verbunden mit betriebswirtschaftlichen, organisatorischen,

sozialen, politischen und gesellschaftlichen Zusammenhängen“ (BULLINGER,

1994, S. 33–34).

Technologie ist die „Umschreibung von natur-, sozial- und ingenieurwissen-

schaftlichem Wissen, welches zur Lösung von praktischen Problemen […]

verwendet wird“ (TSCHIRKY, 1998, S. 226).

„Technologie ist Kunstlehre, ist Lehre von Techniken, umfasst Verfahrensre-

geln und Anleitungen […]. Technologien nennen auf ein Ziel hin gerichtete

Handlungsmöglichkeiten für einen bestimmten Anwendungsbereich, wobei sie

zu generalisieren versuchen“ (BROCKHOFF, 1999, S. 27).

Den Definitionen zufolge steht Technologie also für Anwendungswissen über tech-

nisch-naturwissenschaftliche Phänomene als Grundlage für die Entwicklung von

Produkten und Prozessen (ZAHN, 1995, S. 4; ZAHN, 2004, S. 125).

Der Technologiebegriff findet heutzutage oftmals eine synonyme Verwendung mit

dem Technikbegriff, wobei beiden Begriffen rein inhaltlich unterschiedliche Bedeu-

tungen zukommen (HALL, 2007, S. 7). Technik steht nach TSCHIRKY etwa für den

„Prozess der Technologienutzung sowie dessen materielle und immaterielle Erzeug-

nisse“ (TSCHIRKY, 1998, S. 227). Da Technik nach dieser Auffassung gewissermaßen

eine materialisierte Form von Technologie darstellt, also quasi ein Subsystem von

Technologie bildet, ist eine strikte Trennung der beiden Begriffe letztendlich nur be-

dingt zielführend (BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 89).

Deutlich sinnvoller erscheint in diesem Zusammenhang ein systemorientiertes bzw.

integratives Begriffsverständnis von Technologie und Technik, wie es bspw. BINDER

& KANTOWSKY nahe legen. Bild 2.1 verdeutlicht diese Integration von Technik in das

übergeordnete Technologie-System und zeigt, dass Technologie nun neben sämtli-

2 Stand der Forschung 13

chem Anwendungswissen zur Lösung technischer Probleme auch die Gesamtheit

der Prozesse und Anlagen zur praktischen Nutzung dieses Wissens (Technik) bein-

haltet. Die traditionellen Definitionen von Technologie und Technik bleiben zwar für

sich bestehen, jedoch erfolgt eine Erweiterung des Technologiebegriffs um die Kom-

ponente der Technik. Dadurch wird das Problem der begrifflichen Überschneidungen

zwischen Technologie und Technik auf eine integrative Weise gelöst. Als Systembe-

griff steht Technologie also nicht mehr nur allein für Anwendungswissen, sondern

auch für dessen Umsetzung (BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 91–92).

Bild 2.1: Traditionelles und integratives Begriffsverständnis von Technologie und Technik nach BIN-

DER & KANTOWSKY, 1996, S. 92

Ein fertiges Produkt ist vor diesem Hintergrund jedoch nicht mit Technologie an sich

gleichzusetzen. Vielmehr setzt es sich aus einer Vielzahl von nicht immer direkt er-

kennbaren Technologien bzw. Technologie-Kombinationen zusammen, „welche die

(natur)wissenschaftlichen Grundlagen für die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Pro-

dukten“ darstellen (GERPOTT, 2005, S. 18).

2.1.2 Klassifizierung von Technologien

Eine erste Möglichkeit zur Technologieklassifizierung ist die Unterscheidung von

Technologien nach funktionalen bzw. objektorientierten Gesichtspunkten. Hier lassen

sich in erster Linie Produkt- und Prozesstechnologien voneinander abgrenzen. Dies

untermauert vor allem den eigentlichen Zweck einer Technologie, nämlich als Fun-

dament für eine wirtschaftliche Produkterstellung sowie die Entwicklung der dafür

Technologie Technologie

Technik Technik

Traditionelles

Begriffsverständnis

Integratives

Begriffsverständnis

14 2 Stand der Forschung

benötigten Herstellungsprozesse zu dienen (SPUR, 1998, S. 87; TSCHIRKY, 1998,

S. 228; WEULE, 2002, S. 28; ZAHN, 1995, S. 6). Während Produkttechnologien das

fertige Produkt über entsprechende Funktions- bzw. Wirkweisen und spezifische

Leistungsmerkmale definieren, beruhen Prozesstechnologien auf den Verfahren und

Anlagen zur Erstellung eben dieser Produkte. Prozesstechnologien sind also ent-

scheidende Wegbereiter bei der Realisierung überlegener Produktlösungen und tra-

gen entscheidend zu einer effizienten Produkterstellung bei. Der Bedarf an Prozess-

technologien wird in Unternehmen nicht nur intern, sondern auch extern gedeckt.

Dazu werden Technologien von externen Anbietern beschafft und durch eine ent-

sprechende Anpassung an die unternehmensspezifischen Abläufe intern bereitge-

stellt. Hauptgrund dafür ist die Einsparung von Entwicklungsaufwand und -kosten im

eigenen Unternehmen (WEULE, 2002, S. 28–29).

Bild 2.2: Unterscheidung zwischen Produkt- und Prozesstechnologie am Beispiel eines Feuermel-

ders in Anlehnung an TSCHIRKY, 1998, S. 228

Zum besseren Verständnis liefert Bild 2.2 ein exemplarisches Beispiel zur Unter-

scheidung von Produkt- und Prozesstechnologien bei einem Feuermelder. Produkt-

technologien sind dabei also jene Technologien (z.B. Streulicht-Technologie), die der

Erfüllung der kundenrelevanten Produktfunktionen (z.B. Detektion von Feuer) dienen.

Um die Technologien zur Realisierung der Produktfunktionen allerdings bereitstellen

zu können, sind wiederum verschiedene Prozesstechnologien im Rahmen der Pro-

duktentwicklung (z.B. Nanotechnologie) und -herstellung (z.B. Bonding) erforderlich

(TSCHIRKY, 1998, S. 228). Dadurch wird deutlich, wie sich ein fertiges Produkt letzt-

Produkttechnologien

(z.B. Streulicht-Technologie)

Kundenbedürfnis

Schutz vor Feuerschaden

Neues Produkt

Feuermelder

Detektion von FeuerPro

du

ktf

un

kti

on

en

Prozesstechnologien

(z.B. Bonding)

Prozesstechnologien

(z.B. Nanotechnologie)

EntwicklungHerstellung

2 Stand der Forschung 15

endlich aus einer Vielzahl von unterschiedlichen Technologien bzw. Technologie-

Kombinationen zusammensetzt, die nicht unbedingt auf den ersten Blick zu erkennen

sind (vgl. Kapitel 2.1.1).

Eine weitere Möglichkeit zur Klassifizierung von Technologien ist die Differenzierung

bezüglich ihres Grades der Produktintegration. Man differenziert hier zwischen Kern-

und Unterstützungstechnologien. Während Kerntechnologien direkt in das zu erstel-

lende Produkt einfließen, werden Unterstützungstechnologien herangezogen, um

das fertige Produkt letztendlich auch für den Kunden zugänglich und dauerhaft nutz-

bar zu machen (ZAHN, 1995, S. 6–7).

Vergleicht man Technologien nach ihrem Anwendungsspektrum, so stößt man auf

Querschnittstechnologien und anwendungsspezifische Technologien. Querschnitts-

technologien sind durch ihre enorme Anwendungsvielfalt gekennzeichnet und bilden

die Basis für technologischen Fortschritt. Als Beispiel kann hier die Technologie der

Mikroelektronik genannt werden, die als Anstoßpunkt für viele technologische Neue-

rungen auf den Gebieten der Telekommunikation und der Computer gilt. Im Gegen-

satz dazu sind anwendungsspezifische Technologien nur auf ein sehr begrenztes

Anwendungsspektrum reduziert und stehen oftmals für sehr spezielle Arten von

Technologien. Ein Beispiel hierfür wäre die erwähnte Bonding-Technologie, die eine

sehr spezielle Verfahrensweise in der Mikroelektronik zur Herstellung von leitenden

Verbindungen auf kleinstem Raum darstellt (TSCHIRKY, 1998, S. 231, S. 235).

Die wohl geläufigste Möglichkeit zur Klassifizierung von Technologien ist eine Einstu-

fung hinsichtlich des Wettbewerbspotentials bzw. Entwicklungsstadiums (BINDER &

KANTOWSKY, 1996, S. 93; Arthur D. Little, 1988, S. 38; TSCHIRKY, 1998, S. 232;

WOLFRUM, 1991, S. 97; ZAHN, 1995, S. 8). Nach Arthur D. Little lassen sich dabei drei

typische Entwicklungsstufen von Technologien identifizieren (Arthur D. Little, 1988,

S. 38):

Schrittmachertechnologien: Aufgrund ihres frühen Entwicklungsstadiums

sind Schrittmachertechnologien nur begrenzt auf dem Markt verfügbar. Künfti-

ge Einsatzpotentiale lassen sich demzufolge nur schwer konstatieren. Den-

noch verfügen Schrittmachertechnologien über einen beträchtlichen Einfluss

auf die Leistungsmerkmale sowie Kosten der gekoppelten Produkte.

Schlüsseltechnologien: Schlüsseltechnologien bestimmen maßgeblich die

Wettbewerbsfähigkeit, da sie den jeweiligen Akteuren enorme Möglichkeiten

zur Differenzierung ihres Produktportfolios bieten. Zudem verfügen Schlüssel-

technologien über ein beachtliches Weiterentwicklungs- und Einsatzpotential.

16 2 Stand der Forschung

Basistechnologien: Basistechnologien bieten dagegen kaum mehr Spiel-

raum zur Weiterentwicklung bzw. Differenzierung gegenüber den Wettbewer-

bern. Sie werden im Normalfall von allen Akteuren gleichermaßen beherrscht

und sind in einer großen Bandbreite an Produkten und Prozessen etabliert.

Sämtliche Potentiale erweisen sich somit als weitestgehend ausgeschöpft.

Zur Erweiterung der eben erwähnten Entwicklungsstufen von Technologien wird oft-

mals noch zwischen zwei weiteren Entwicklungsstadien unterschieden (WOLFRUM,

1991, S. 5):

Neue Technologien: Neue Technologien finden noch keinen Einsatz in

marktfähigen Produkten und sind mit einem hohen Investitionsrisiko behaftet.

Verdrängte Technologien: Das Potential verdrängter Technologien ist völlig

ausgeschöpft. Sie werden bereits durch andere Technologien ersetzt.

Bild 2.3: Technologie-Lebenszyklusmodell nach BINDER & KANTOWSKY, 1996, S. 94; WOLFRUM,

1991, S. 98

Die verschiedenen Entwicklungsstufen von Technologien lassen sich in einem ideal-

typischen Technologie-Lebenszyklusmodell darstellen, das sich an einem S-förmigen

Kurvenverlauf orientiert. Ein solches Modell beschreibt die Entwicklung einer Tech-

nologie entlang ihrer Lebensdauer über den Ausschöpfungsgrad ihres Wettbe-

werbspotentials. Bild 2.3 zeigt beispielhaft ein solches Technologie-Lebens-

zyklusmodell, in dem die unterschiedlichen Entwicklungsstufen von Technologien

den charakteristischen Phasen des Produktlebenszyklus (Einführung, Wachstum,

Reife, Degeneration) zugeordnet werden. Eine entsprechende Einstufung von Tech-

Ausschöpfung des Wettbewerbspotentials

Zeit

Schrittmacher-

technologien

Schlüssel-

technologien

Basis-

technologien

Verdrängte

Technologien

Einführung Wachstum Reife Degeneration

2 Stand der Forschung 17

nologien anhand solcher Modelle gibt Unternehmen die Möglichkeit, Rückschlüsse

auf „technologiestrategische Optionen“ zu ziehen (Arthur D. Little, 1998, S. 29;

WOLFRUM, 1991, S. 97–99). Einen prinzipiell ähnlichen Kurvenverlauf nutzt die Un-

ternehmensberatung McKinsey & Company in ihrem weit verbreiteten S-Kurven-

Konzept zur Beschreibung der Leistungsfähigkeit einer Technologie, das in Bild 2.4

dargestellt wird. Darin wird die Leistungsfähigkeit im Verhältnis zum kumulierten

F&E-Aufwand aufgetragen, um Potentiale zur Leistungssteigerung sowie mögliche

Leistungsgrenzen einer Technologie hervorzuheben (BINDER & KANTOWSKY, 1996,

S. 94–95).

Bild 2.4: Darstellung des Doppel-S-Kurven-Konzepts in Anlehnung an BULLINGER, 1994, S. 125;

FOSTER, 1986, S. 110

Der Verlauf der Leistungsfähigkeit einer Technologie wird dabei grundsätzlich über

die F&E-Produktivität bzw. das klassische Verhältnis zwischen Nutzen und Kosten

ausgedrückt. Zur Quantifizierung der Leistungsfähigkeit können spezifische Leis-

tungsindikatoren einer Technologie (z.B. Leuchtkraft einer Glühbirne in Lumen pro

Watt) herangezogen werden. Im Idealfall ergibt sich aus einem solchen Verlauf die

typische S-Kurve. Kommt eine Technologie an die Grenzen ihrer Leistungsfähigkeit

(bspw. durch physikalische Grenzen), so stellt sich die Frage, ob die ausgereifte

Technologie nicht besser durch eine neue, wesentlich leistungsfähigere Technologie

substituiert werden sollte. Ein solcher Technologiesprung lässt sich, wie in Bild 2.4 zu

sehen, über ein sog. Doppel-S-Kurven-Konzept darstellen und verdeutlicht das Po-

tential zur Leistungssteigerung, das durch eine entsprechende Substitution der alten

Leistungsfähigkeit (Nutzen/Kosten)

kumulierter F&E-Aufwand

Sprung auf neue

Technologie

alte

Technologie

neue

Technologie

Leistungsgrenze neue Technologie

Leistungsgrenze alte Technologie

langfristiges

Substitutions-

potential

18 2 Stand der Forschung

Technologie zu erwarten ist (BULLINGER, 1994, S. 124–126). FOSTER bezeichnet die-

sen Übergangspunkt als „Diskontinuität“ (FOSTER, 1986, S. 110). Die in dieser Phase

notwendige Entscheidung zwischen weiteren Investitionen in die alte oder den

Sprung auf eine neue Technologie wird daher auch als Management technologischer

Diskontinuitäten bezeichnet (BULLINGER, 1994, S. 125).

Tabelle 2.1: Klassifizierungsmöglichkeiten von Technologien

Klassifizierungsmerkmal Arten

Funktion bzw. Objekt Produkttechnologie Prozesstechnologie

Produktintegrationsgrad Kerntechnologie Unterstützungstechnologie

Anwendungsspektrum Querschnittstechnologie anwendungsspezifische Technologie

Wettbewerbspotential neue Technologie Schrittmachertechnologie Schlüsseltechnologie Basistechnologie verdrängte Technologie

Neben den eben vorgestellten, gängigen Klassifizierungsmöglichkeiten von Techno-

logien, die in Tabelle 2.1 noch einmal abschließend gegenübergestellt werden, weist

SPUR auf neu entstandene, technologieorientierte Begrifflichkeiten wie z.B. Techno-

logietyp, Technologiemarketing, Technologieablösung, Technologierisiko oder Tech-

nologiepolitik hin. Solche Wortschöpfungen lassen sich nach inhaltlichen, ökonomi-

schen, zeitlichen, qualitativen sowie personellen Kriterien unterteilen und gelten in

Anbetracht des an sich schon äußerst komplexen Technologiebegriffs als äußerst

umstritten (SPUR, 1998, S. 89). Als Basis für eine umfassende Beschreibung von

Technologien entstehen auf diese Weise jedoch zusätzliche Informationsklassen, die

im Hinblick auf eine nachfolgende Technologiebewertung durchaus „der iterativen

Vergrößerung und Verfeinerung des Bestandes an Bewertungsinformationen“ dienen

können (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 80). KRÖLL gibt in diesem Zusammenhang

einige Beispiele zur Beschreibung von Technologien nach besagten Informations-

klassen (KRÖLL, 2007, S. 33):

Inhaltliche Beschreibungsmerkmale: Funktionalität, Anwendungsfall, Um-

setzbarkeit, physikalische Daten & Informationen etc.;

Ökonomische Beschreibungsmerkmale: F&E-Aufwand, Investitionsbedarf,

Ressourcenbedarf, Produktionskosten etc.;

Zeitliche Beschreibungsmerkmale: Trends, Entwicklungsdauer etc.;

2 Stand der Forschung 19

Qualitative Beschreibungsmerkmale: Zuverlässigkeit, Robustheit, Verwert-

barkeit, Flexibilität etc.;

Personelle Beschreibungsmerkmale: Personalbedarf und -qualifikation etc..

2.2 Grundlagen des Technologiemanagements

Das Technologiemanagement bildet den theoretischen Bezugsrahmen der für diese

Arbeit so wichtigen Aufgabenfelder der Technologiefrüherkennung und Technologie-

bewertung. In der Folge wird daher auf die Grundlagen dieser Managementdisziplin

eingegangen sowie die Stellung und Bedeutung der Technologiefrüherkennung und

Technologiebewertung im Rahmen des strategischen Technologiemanagements

herausgearbeitet.

2.2.1 Einführung in das Technologiemanagement

Im heutigen, stark technologiegetriebenen Zeitalter führt das rasante Aufkommen

von Technologien zu einem Umdenken in Unternehmen. Insbesondere für produzie-

rende Unternehmen ist es äußerst wichtig, attraktive Technologien zu entwickeln

bzw. zu adaptieren und im Rahmen der Leistungserstellung effizient einzusetzen.

Über die klassischen, finanz- und marketingtechnischen Aufgabenbereiche hinaus

muss sich das Management heutzutage also auch verstärkt mit technologierelevan-

ten Fragestellungen auseinandersetzen (BULLINGER, 1994, S. 39; TSCHIRKY, 1998,

S. 194). Unter dem Standpunkt, „dass ein gesamtheitlicher Führungsrahmen des

Umgangs mit Technologien für die vertiefte Auseinandersetzung mit dem technologi-

schen Wandel in Lehre und Praxis eine notwendige Voraussetzung darstellt“, ge-

winnt ein systematisches Technologiemanagement immer mehr an Bedeutung

(TSCHIRKY, 1998, S. 194).

Technologiemanagement wird im Allgemeinen als „integrierte Planung, Gestaltung,

Optimierung, Einsatz und Bewertung von technischen Produkten und Prozessen aus

der Perspektive von Mensch, Organisation und Umwelt“ definiert (BULLINGER, 1994,

S. 39). Daraus resultiert folgende übergeordnete Zielsetzung im Technologiema-

nagement: die aus zeitlicher und wirtschaftlicher Perspektive zweckmäßige Bereit-

stellung benötigter Technologien für die Erstellung aktueller oder künftiger Produktlö-

sungen zur nachhaltigen Erhöhung der Wettbewerbsfähigkeit eines Unternehmens

(BULLINGER, 1994, S. 39; KLAPPERT ET AL., 2011, S. 6). Um dies zu ermöglichen, müs-

sen im Rahmen des Technologiemanagements passende Antworten auf eine Viel-

zahl von komplexen Fragestellungen gefunden werden. Dazu zählen bspw. die In-

tegration von Technologie in die übergeordnete Unternehmensstrategie, die Bewer-

20 2 Stand der Forschung

tung von Technologien, die Wirtschaftlichkeit des Technologieeinsatzes, die Organi-

sation des Technologietransfers oder auch die Weiterbildung des technischen Per-

sonals. Technologiemanagement ist im Grunde also eine interdisziplinäre Manage-

mentaufgabe, die Kompetenzen aus naturwissenschaftlichen, ingenieurwissenschaft-

lichen, betriebswirtschaftlichen aber auch sozialwissenschaftlichen Bereichen zu

bündeln hat. Eine isolierte Betrachtungsweise des Technologiemanagements inner-

halb einer Organisation würde diesem Grundgedanken somit nicht gerecht werden,

gerade weil durch gut abgestimmte Aktivitäten im Rahmen des Technologiemana-

gements verschiedenste Bereiche des Unternehmens effektiv unterstützt werden

können (BULLINGER, 1994, S. 42–43).

Bild 2.5: Möglichkeiten zur organisatorischen Verankerung des Technologiemanagements nach

SCHUH, KLAPPERT & MOLL, 2011, S. 22

Technologiemanagement muss vielmehr „als Querschnittsfunktion im Unternehmen

verstanden werden. Um den ganzheitlichen Blick für den Nutzen des Unternehmens

zu wahren, ist es nötig, die Aktivitäten im Technologiemanagement mit allen relevan-

ten Unternehmensbereichen zu synchronisieren. Daher kommt der organisatorischen

Verankerung des Technologiemanagements im Unternehmen eine besondere Be-

deutung zu“ (SCHUH, KLAPPERT & MOLL, 2011, S. 18). Hier kristallisieren sich ver-

schiedene Verankerungsformen heraus, die in Bild 2.5 der Übersicht halber darge-

stellt sind. In der einfachsten Form wird der Aufgabenbereich des Technologiemana-

gements auf einzelne Mitarbeiter übertragen (implizite Verankerung), ohne dass eine

gesondert dafür zuständige Organisationseinheit gebildet werden muss. Als deutlich

Technologie-

management

Unternehmens-

funktionen

Gremium

Center Stabsorganisation

Linienorganisation Projektgruppe

Implizite Form extern

2 Stand der Forschung 21

systematischer, koordinierter und zielorientierter erweisen sich jedoch explizite Orga-

nisationseinheiten innerhalb des Unternehmens in Form von Gremien, Projektgrup-

pen, Centern, Stabs- oder Linienorganisationen. Zudem besteht die Möglichkeit, be-

stimmte Aufgabenbereiche des Technologiemanagements an externe Unterneh-

mensberatungen auszulagern (SCHUH ET AL., 2011, S. 21–24).

Im Technologiemanagement lässt sich darüber hinaus auch zwischen operativen und

strategischen Tätigkeitsfeldern unterscheiden (BULLINGER, 1994, S. 39–40). Operati-

ves Technologiemanagement befasst sich vorrangig mit der tatsächlichen und effi-

zienten Umsetzung der technologischen Erfolgspotentiale eines Unternehmens in

ökonomischen bzw. monetären Wert (BULLINGER, 1994, S. 41; QIAN, 2002, S. 38).

Technologische Erfolgspotentiale werden im Rahmen des strategischen Technolo-

giemanagements durch eine zielgerichtete Adaption bzw. (Weiter-)Entwicklung neuer

oder bereits bestehender Technologien geschaffen (QIAN, 2002, S. 38). Weitere we-

sentliche Bestandteile sind die damit verbundene Ausrichtung konkreter Technolo-

giestrategien und die Koordination der strategischen Geschäftsfelder eines Unter-

nehmens sowie der beteiligten Funktionsbereiche im Rahmen der Produkterstellung

(WOLFRUM, 1991, S. 69). Strategisches Technologiemanagement bezieht sich dem-

nach auf „den gesamten technologierelevanten Entscheidungsprozess und schließt

Entscheidungen über die Auswahl alternativer, neu zu entwickelnder Technologien,

über Kriterien ihrer Anwendung in Produkten, Prozessen und der Produktion sowie

über die Bereitstellung von Ressourcen zur erfolgreichen Implementierung ein“ (BUL-

LINGER, 1994, S. 40). Die grundlegenden Aufgabenbereiche des strategischen Tech-

nologiemanagements lassen sich wie folgt zusammenfassen (BULLINGER, 1994,

S. 40–41; EWALD, 1989, S. 46; SPUR, 1998, S. 113; WOLFRUM, 1991, S. 118):

Früherkennung und strategische Analysen: Erkennen und Analysieren

neuer, signifikanter Technologien sowie strategisch relevanter Technologiefel-

der;

Strategieformulierung und -ausgestaltung: Zuordnung der strategischen

Technologiefelder zu den strategischen Geschäftsfeldern, Ausformulierung

konkreter Technologiestrategien und Abstimmung mit der strategischen Un-

ternehmensplanung;

Strategieimplementierung: Implementierung und Umsetzung der ausgear-

beiteten Technologiestrategien, Entwicklung von Organisations- und Füh-

rungskonzepten für die zuständigen, operativen Geschäftsbereiche;

Strategische Kontrolle: kontinuierliche Überwachung und Kontrolle der Um-

setzung sowie Wirksamkeit der Strategieimplementierung.

22 2 Stand der Forschung

Strategisches Technologiemanagement darf sich allerdings nicht nur mit der Entwick-

lung neuer und der Weiterentwicklung bestehender Technologien sowie deren Nut-

zung befassen, es muss auch die Ablösung veralteter Technologien unterstützen.

ZAHN überführt daher das strategische Technologiemanagement mit all seinen Auf-

gaben in ein übergreifendes Prozessmodell entlang des gesamten Technologie-

Lebenszyklus, und zwar von der Entstehung einer Technologie bis hin zu deren Ab-

lösung durch eine neue, leistungsfähigere Technologie (ZAHN, 1995, S. 21–22).

Bild 2.6: Prozessmodell des strategischen Technologiemanagements nach SCHNEIDER, 2002, S. 19;

ZAHN, 1995, S. 22

Die einzelnen Phasen dieses Modells, das in Bild 2.6 in seiner zyklischen Form dar-

gestellt ist, werden nun der Reihe nach vorgestellt (SCHNEIDER, 2002, S. 19; ZAHN,

1995, S. 22–25):

Technologie-Entstehung: Schaffung und Nutzung von technologischem

Wissen durch das Management von Innovations- und Lernprozessen;

Technologiefrüherkennung: systematische Beobachtung und Analyse des

Technologiemarkts zur frühzeitigen Bereitstellung von Informationen über

Chancen und Risiken neuer technologischer Entwicklungen;

Technologiebewertung: Spezifizierung der technologierelevanten Informati-

onsbasis durch eine Bewertung der identifizierten Technologien hinsichtlich ih-

res Einsatzpotentials in Produkten und Prozessen unter Berücksichtigung

markt-, kunden- und unternehmensspezifischer Gesichtspunkte;

Technologie-Entstehung

Technologie-Früherkennung

Technologie-Bewertung

Technologie-Transfer

Technologie-Akzeptanz

Technologie-Nutzung

Technologie-Reife

Technologie-Ablösung

2 Stand der Forschung 23

Technologie-Transfer: Zusammenführung von Geschäfts- und Technologie-

planung, Ausarbeitung von Technologiestrategien, Überführung der Techno-

logiestrategien in die operativen Bereiche;

Technologie-Akzeptanz: Beseitigung markt- und unternehmensseitiger Wi-

derstände gegenüber neuen Technologien durch akzeptanzfördernde Maß-

nahmen im Unternehmen, auch in Verbindung mit Wettbewerbern oder Kun-

den;

Technologie-Nutzung: konsequente Technologieanwendung gemäß der

ausgearbeiteten Technologie- und Markteinführungsstrategie;

Technologie-Reife: kontinuierliches Überwachen der Technologiereife an-

hand geeigneter Indikatoren zur Eindämmung ineffizienter und ineffektiver

F&E-Tätigkeiten;

Technologie-Ablösung: rechtzeitige Substitution veralteter Technologien

durch leistungsfähigere Technologie-Generationen.

Die weiteren Ausführungen dieser Arbeit konzentrieren sich in der Folge auf die

Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung (vgl. Bild 2.6). Beiden Instru-

menten ist im Rahmen des strategischen Technologiemanagements eine wichtige

Rolle zuzuschreiben. Sie stehen in enger Verbindung zueinander und sind maßgeb-

lich dafür verantwortlich, aufstrebende Technologien mit reichlich Entwicklungspoten-

tial zu identifizieren und hinsichtlich einer möglichen Anwendung im Rahmen der

Produktentstehung zu bewerten. Sie liefern und verarbeiten dabei grundlegende In-

formationen, die von Unternehmen für die Planung des Technologieeinsatzes benö-

tigt werden (ZAHN, 1995, S. 23–24). Eine systematische Verankerung der beiden In-

strumente innerhalb der Organisation führt folglich zu einer effektiven Unterstützung

von Entscheidungsprozessen über den künftigen Technologieeinsatz, insbesondere

weil die vielfältigen, technologiespezifischen Informationen in der Entscheidungsvor-

bereitung auf diese Weise wesentlich strukturierter verarbeitet werden können. Un-

ternehmen sind also „zunehmend auf derart effiziente und integrierte Instrumente

angewiesen. Eine solche Analyse, Bewertung, Auswahl und bedarfsgerechte Adapti-

on von Technologien als Bestandteil eines umfassenden Technologiemanagements

sowie deren wirtschaftlicher Einsatz fördert die Wettbewerbsfähigkeit von Unterneh-

men und hilft sich von Wettbewerbern zu differenzieren“ (KRÖLL, 2007, S. 12). In die-

sem Zusammenhang sind auch die beiden der Technologiefrüherkennung und Tech-

nologiebewertung vor- bzw. nachgelagerten Phasen der Technologie-Entstehung

und des Technologie-Transfers zu erwähnen. Nur durch die Schaffung und Nutzung

von neuem, technologischem Wissen über Innovations- und Lernprozesse im Rah-

men der Technologie-Entstehung können technologische Entwicklungen im Rahmen

der Technologiefrüherkennung überhaupt erst erkannt werden. Gleichermaßen kön-

24 2 Stand der Forschung

nen die identifizierten sowie bewerteten technologischen Alternativen erst nach ei-

nem erfolgreichen Technologietransfer in die operativen Bereiche des Unternehmens

vollständig genutzt werden (ZAHN, 1995, S. 22, S. 24).

2.2.2 Instrumente des strategischen Technologiemanagements

2.2.2.1 Technologiefrüherkennung

Der technologische Fortschritt, die schnelle Ausbreitung neuer Technologien in un-

terschiedliche Wirtschaftsbranchen sowie deren zunehmender Einfluss auf die Wett-

bewerbsverhältnisse führen dazu, dass Unternehmen immer mehr auf eine systema-

tische Technologiefrüherkennung zur rechtzeitigen Identifikation und Analyse von

Veränderungen im technologischen Unternehmensumfeld angewiesen sind (ZAHN &

BRAUN, 1992, S. 5).

Im Forschungsbetrieb wird der Begriff der Technologiefrüherkennung nicht einheitlich

verwendet. Häufig stößt man dabei auf den Begriff der Technologiefrühaufklärung,

der synonym zu Technologiefrüherkennung verwendet wird (SCHNEIDER, 2002,

S. 45). Auch in der englischsprachigen Literatur kursieren unterschiedliche Begriff-

lichkeiten wie z.B. „Technology Intelligence“, „Technology Monitoring“ oder „Techno-

logy Forecasting“, die allesamt auf das Grundprinzip der Technologiefrüherkennung

abzielen (LICHTENTHALER, 2007, S. 1110). Dieses Grundprinzip charakterisiert Tech-

nologiefrüherkennung als die „Analyse und Prognose der technologischen Potentiale

neuer sowie der Bestimmung technologischer Leistungsgrenzen bestehender Tech-

nologien. Zielsetzung ist die Identifikation von Entwicklungen in relevanten Techno-

logiefeldern als Grundlage für Technologieentscheidungen im Unternehmen“ (WEL-

LENSIEK, SCHUH, HACKER & SAXLER, 2011, S. 89). Technologiefrüherkennung kann

somit als elementarer Eckpfeiler der technologiebezogenen Handlungen eines Un-

ternehmens betrachtet werden (MIEKE, 2005, S. 11).

Bild 2.7 zeigt die Technologiefrüherkennung als Prozess, in dem sich drei typische

Aufgabenbereiche herauskristallisieren (SPECHT, BERNTSEN, NAGEL, BRAUNISCH &

SCHULZ, 2009, S. 154; ZWECK, 2005, S. 174–180):

Informationserfassung: In dieser Phase werden Signale über Veränderun-

gen aus dem technologischen Unternehmensumfeld erfasst. Man konzentriert

sich dabei auf Informationen über mögliche, neue Anwendungsgebiete oder

Entwicklungspotentiale bereits bestehender Technologien, das Aufkommen

vollkommen neuer Technologien sowie gesellschaftliche, politische, wirtschaft-

liche oder rechtliche Veränderungen, die sich auf die technologischen Kompe-

2 Stand der Forschung 25

tenzen des Unternehmens auswirken können. Die Suche nach Informationen

erfolgt dabei entweder ungerichtet (Scanning) oder anhand einer gerichteten

Beobachtung von vorab festgelegten Frühindikatoren (Monitoring) wie bspw.

Kennzahlen aus Publikations- oder Patentanalysen.

Informationsbewertung: Die erfassten Signale müssen im nächsten Schritt

verdichtet und bezüglich ihrer Auswirkungen auf das Unternehmen untersucht

werden. Hierfür bedient man sich qualitativer und quantitativer Instrumente zur

Analyse und Prognose der Veränderungen im technologischen Unter-

nehmensumfeld (vgl. Kapitel 2.5.1). Auf diese Weise können Aussagen bzw.

Einschätzungen über potentielle Einsatzgebiete oder zeitliche Entwicklungsli-

nien von neu identifizierten Technologien sowie über den Aufwand des Unter-

nehmens zur Realisierung dieser Technologien getätigt werden.

Informationszusammenführung und -strukturierung: Abschließend wer-

den die aufbereiteten Informationen hinsichtlich eventueller Gemeinsamkeiten

oder Zusammenhänge so verknüpft und strukturiert, dass eine zielgerechte

und wirkungsvolle (Weiter-)Nutzung im Unternehmen möglich ist.

Bild 2.7: Der Technologiefrüherkennungsprozess nach SPECHT, BERNTSEN, NAGEL, BRAUNISCH &

SCHULZ, 2009, S. 154

Die Technologiefrüherkennung dient insgesamt also einer systematischen, struktu-

rierten sowie möglichst vollständigen Bereitstellung von Informationen über techno-

logierelevante Veränderungen und leistet somit bereits einen wesentlichen Beitrag

zur Vorbereitung auf fundierte Technologieentscheidungen (GERPOTT, 2005, S. 101).

Informationen

erfassen

Informationen

bewerten

Informationen

zusammenführen

und strukturieren

Identifikation

der SignaleDiagnose Evaluation

1 2 3

Wissen über zukünftige Entwicklungen

26 2 Stand der Forschung

2.2.2.2 Technologiebewertung

Zur Vervollständigung der notwendigen Informationen für fundierte Technologieent-

scheidungen im Hinblick auf die Planung des Technologieeinsatzes sind die techno-

logischen Entwicklungen, die im Rahmen der Technologiefrüherkennung identifiziert

und analysiert wurden, einer Bewertung zu unterziehen (HIERONYMUS ET AL., 1996,

S. 26; SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73; ZAHN, 1995, S. 23–24). Bei einer Technolo-

giebewertung vereint man sowohl unternehmensexterne Bewertungsinformationen

zur Einschätzung der relativen Zukunftsrelevanz einer Technologie als auch unter-

nehmensinterne Informationen, die Aufschluss über die Auswirkung der Technologie

auf das Unternehmen selbst geben. So lassen sich wesentliche Erfolgspotentiale und

Risiken ableiten, die mit der Nutzung und Weiterentwicklung der jeweiligen Techno-

logien verbunden sind (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 73).

Ihren Ursprung findet die Technologiebewertung in einem Konzept, das seit den

1970er Jahren im englischsprachigen Raum unter der Bezeichnung „Technology

Assessment“ „für die systematische und breite Erforschung und Entwicklung von

Technologien, ihren individuellen, organisatorischen und gesellschaftlichen sowie

weiteren technologischen Auswirkungen und Folgen“ verwendet wird (BULLINGER,

1994, S. 49). In diesem Zusammenhang stößt man im deutschsprachigen Raum

häufig auf die Begriffe der Technologie- bzw. Technikfolgenabschätzung. BULLINGER

sieht diese Art der Übersetzung jedoch kritisch, da mit dem Wort „Folgen“ zumeist

negative Assoziationen hervorgerufen werden. „Technology Assessment“ beschreibt

an sich aber ein neutrales Konzept, das sowohl die negativen als auch die positiven

Aspekte einer Technologie bewertet. Demnach wäre Technologiepotentialabschät-

zung im Sinne einer Beurteilung der Gefahren bzw. Risiken (Folgen) sowie der Nut-

zenpotentiale einer Technologie die treffendere Bezeichnung (BULLINGER, 1994,

S. 49–50; KRÖLL, 2007, S. 38).

Das Konzept des „Technology-Assessment“ wurde in der Folge vom Verein Deut-

scher Ingenieure (VDI) weiterentwickelt und in die VDI-Richtlinie 3780 der Technik-

bewertung überführt (BULLINGER, 1994, S. 50; KORNWACHS, 1995, S. 226–227;

SCHNEIDER, 2002, S. 70). Technikbewertung definiert sich demzufolge als „das plan-

mäßige, systematische, organisierte Vorgehen, das

den Stand einer Technik und ihre Entwicklungsmöglichkeiten analysiert,

unmittelbare und mittelbare technische, wirtschaftliche, gesundheitliche, öko-

logische, humane, soziale und andere Folgen dieser Technik und möglicher

Alternativen abschätzt,

aufgrund definierter Ziele und Werte diese Folgen beurteilt oder auch weitere

wünschenswerte Entwicklungen fordert,

2 Stand der Forschung 27

Handlungs- und Gestaltungsmöglichkeiten daraus herleitet und ausarbeitet,

so dass begründete Entscheidungen ermöglicht und gegebenenfalls durch geeignete

Institutionen getroffen und verwirklicht werden können“ (VDI 3780, 2000, S. 2–3).

Dadurch soll das übergeordnete Ziel technischen Handelns beherzigt werden, näm-

lich „die menschlichen Lebensmöglichkeiten durch Entwicklung und sinnvolle An-

wendung technischer Mittel zu sichern und zu verbessern. Die fachliche Aufgabe des

Ingenieurs besteht zunächst darin, hierfür geeignete technische Systeme zu entwi-

ckeln und deren Funktionsfähigkeit sicherzustellen. Darüber hinaus gilt es, einen

möglichst sinnvollen Gebrauch von den stets nur in begrenztem Umfang vorhande-

nen Ressourcen (Rohstoffe, Energie, Arbeit, Kapital usw.) zu machen, so dass die

technische Funktion auf möglichst sparsame und damit wirtschaftliche Weise erreicht

wird“ (VDI 3780, 2000, S. 12). Neben diesen funktionalen und wirtschaftlichen Zielen

hat man sich aber auch an Werten wie Wohlstand, Umweltqualität, Gesundheit, Si-

cherheit, Persönlichkeitsentfaltung oder Gesellschaftsqualität zu orientieren (VDI

3780, 2000, S. 12). Der ursprüngliche Bewertungshorizont aus den Anfängen der

Technologiebewertung wird somit deutlich erweitert und impliziert dabei vor allem

außertechnische bzw. außerwirtschaftliche Ziele und Werte (BULLINGER, 1994, S. 51).

Das Hauptaugenmerk der Technologiebewertung darf aber nicht allein auf der Ab-

schätzung der Folgen einer Technologie für die Gesellschaft liegen, sondern viel-

mehr auf der Beurteilung der komplexen Auswirkungen neuer Technologien für ein

Unternehmen (HAAG ET AL., 2011, S. 311). Technologiebewertung dient somit der

Unterstützung von Entscheidungsprozessen über einen möglichen Technologieein-

satz in Unternehmen. „Beispiele dafür sind Ja-/Nein-Entscheidungen bezüglich der

Erfüllung von Zielkriterien, Auswahlentscheidungen zur Bildung von Rang- und Rei-

henfolgen oder die Auswahl günstigster Alternativen oder Entscheidungen zur Ver-

änderung von Einflussfaktoren auf den Stellenwert von Technologien. Technologie-

bewertung kann daher das Ermitteln der Vor- und Nachteile verschiedener Alternati-

ven aus verschiedenen Perspektiven bedeuten, aber auch das Messen oder Schät-

zen von Parametern des Bewertungsobjektes. Die Bewertung, d. h. der Vergleich

zwischen dem ermittelten Soll- oder Zielzustand mit dem erfassten Ist-Zustand eines

Bewertungsobjektes, erfolgt auf der Grundlage von Bewertungsmaßstäben und mit

Hilfe geeigneter Bewertungsmethoden“ (HAAG ET AL., 2011, S. 310). Jedoch wird der

prinzipielle Ablauf einer Technologiebewertung in der Literatur sehr heterogen be-

trachtet. Entgegen der Technologiefrüherkennung wird hier kein einheitliches Vorge-

hen postuliert. SCHNEIDER hat vor diesem Hintergrund in einer Studie untersucht, ob

den unterschiedlichen Ansätzen zur Technologiebewertung dennoch ein grundle-

gendes Ablaufschema unterliegt (SCHNEIDER, 2002, S. 29). Dabei haben sich zwei

28 2 Stand der Forschung

wesentliche Phasen herauskristallisiert, die sämtlichen Ansätzen gemein sind – die

Datenerhebungsphase und die Bewertungsphase. Während in der ersten Phase die

nötigen Bewertungsinformationen mittels Exploration, Frühaufklärung etc. beschafft

und verdichtet werden, dient die Bewertungsphase letztendlich der eigentlichen Be-

urteilung der Technologien auf Basis der gesammelten Informationen (SCHNEIDER,

2002, S. 35).

2.3 Überblick über den Produktentstehungsprozess

Für eine effektive und effiziente Umsetzung von Technologien im Hinblick auf eine

erfolgreiche Produktentwicklung ist ein gut koordiniertes Zusammenspiel zwischen

Technologiemanagement und Produktentstehungsprozess nötig (ZAHN, 1995, S. 20).

Vor diesem Hintergrund liefert dieses Kapitel einen Überblick über den Produktent-

stehungsprozess mit seinen charakteristischen Phasen als Grundlage für eine nach-

folgende Einordnung der Technologiefrüherkennung und -bewertung in die strategi-

sche Produktplanung zur gezielten Unterstützung von Technologieentscheidungen.

Die industrielle Herstellung eines Produkts ist ein sehr umfangreiches und komplexes

Unterfangen. „Ein Produkt entsteht also nicht in einem einzigen, großen Schritt, viel-

mehr in vielen kleinen Schritten, deren Inhalte genau festgelegt und deren Schnitt-

stellen untereinander genau beschrieben sein müssen“ (FELDHUSEN & GROTE, 2013,

S. 11). Diese Schritte werden in ihrer Gesamtheit als Produktentstehungsprozess

bezeichnet. Darin sind die Eigenschaften eines Produkts zunächst modellhaft zu de-

finieren und anschließend im Rahmen der Produktherstellung entsprechend zu mate-

rialisieren. Besonders zu beachten ist dabei der Leitsatz, dass „alle Produkteigen-

schaften am stärksten durch die Entscheidungen beeinflusst werden, die am Anfang

seines Lebenslaufs liegen, sozusagen bei Zeugung, Geburt und in der Kinderstube“

(EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 162).

Der Produktentstehungsprozess mit seinen charakteristischen Phasen ist somit ein

wesentlicher Bestandteil des übergeordneten Produktlebenszyklus. Bild 2.8 verdeut-

licht diesen Umstand und zeigt die Integration des Produktentstehungsprozesses in

den gesamten Lebenszyklus eines Produkts. Dieser erstreckt sich weit über die ei-

gentliche Produktentstehung hinaus und umfasst auch die Phasen der tatsächlichen

Produktnutzung durch den Anwender bis hin zur Produktentsorgung (PAHL, BEITZ,

FELDHUSEN & GROTE, 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6; WARTZACK, 2000, S. 8). Diese

ganzheitliche Betrachtungsweise eines Produkts gewinnt gerade aufgrund des

wachsenden Verantwortungsbereichs von Unternehmen gegenüber dem Kunden

und der Umwelt immer mehr an Bedeutung. Speziell unternehmenseigene Dienst-

2 Stand der Forschung 29

leistungen zur Unterstützung der Produktnutzung oder -entsorgung lassen sich auf

diese Weise sehr systematisch in den Produktlebenszyklus integrieren (EHRLENSPIEL

& MEERKAMM, 2013, S. 162).

Bild 2.8: Produktentstehungsprozess entlang des Produktlebenszyklus in Anlehnung an PAHL, BEITZ,

FELDHUSEN & GROTE, 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6; WARTZACK, 2000, S. 8

Wie in Bild 2.8 zu sehen ist, umfasst der Produktentstehungsprozess ausgehend von

einer umfassenden Analyse von Markt, Umfeld und Unternehmen die Phasen der

Produktplanung, der Entwicklung und Konstruktion sowie die Schritte zur Arbeitsvor-

bereitung und Produktherstellung (PAHL ET AL., 2007, S. 3; VDI 2221, 1986, S. 6;

WARTZACK, 2000, S. 8). Im Folgenden werden die charakteristischen Phasen des

Produktentstehungsprozesses näher vorgestellt.

Markt, Umfeld, Unternehmen

Produktplanung

Entwicklung &

Konstruktion

Arbeitsvorbereitung &

Produktherstellung

Vertrieb, Beratung &

Verkauf

Nutzung, Verbrauch &

Instandhaltung

Recycling

Umwelt & Deponie

Pro

du

kte

nts

teh

un

gs

pro

zes

s

30 2 Stand der Forschung

2.3.1 Produktplanung

Am Anfang des Produktentstehungsprozesses steht die Produktplanung. In deren

Zentrum steht immer eine Produktidee, die zu „der strategischen Entscheidung eines

Unternehmens (führt, Anm. des Verf.), ein bestimmtes Produkt zu entwickeln, zu

produzieren und am Markt anzubieten“ (SCHINDLER, 2012, S. 400). Dieses Bestreben

wird im weiteren Verlauf der Produktplanung konkretisiert und in eine spezifische

Entwicklungsaufgabe überführt (SCHINDLER, 2012, S. 400).

Produktideen lassen sich auf zwei grundsätzliche Ansätze zurückführen – die Lö-

sungsidee und die Problemidee. Lösungsideen verkörpern neue, technische Lösun-

gen bei bekannten Problemstellungen. Ein typisches Beispiel dafür ist der Versuch

von Unternehmen, neue Technologien in marktfähigen Produkten zu etablieren,

weshalb dieser Ansatz auch als „Technology-Push“ bezeichnet wird. Demgegenüber

stützen sich Problemideen auf neue Problemstellungen oder Anforderungen seitens

Markt und Kunden, die sich durch bereits bekannte Lösungsmöglichkeiten realisieren

lassen. Dieser Ansatz nennt sich „Demand-Pull“. In der Praxis führt allerdings meis-

tens eine Kombination aus „push“- und „pull“-orientierten Ideen zu erfolgreichen Pro-

duktlösungen (PAHL ET AL., 2007, S. 111). Gerade im Hinblick auf eine erfolgreiche

sowie zukunftsorientierte Produktentwicklung müssen vor der Ideenfindung allerdings

zwingend erst „die Anforderungen an die Produkte zur Eroberung der Märkte von

morgen“ ermittelt werden (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 49). Wie in Bild 2.9 zu erken-

nen ist, finden sich diese Anforderungen hauptsächlich an der Schnittstelle zwischen

Markt, Wettbewerbern und Technologie (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 52). Dafür

muss diese Schnittstelle jedoch „systematisch mit geeigneten Mitteln ‚angezapft‘

werden. Als unterstützende Instrumente stehen dafür unter anderem Methoden der

Marktforschung, des Technologiemanagements, der Konkurrenzanalyse und auch

sogenannte Kreativitätstechniken zur Verfügung“ (SCHÄPPI, 2005, S. 14). Der Kon-

kretisierung der Entwicklungsaufgaben im weiteren Verlauf der Produktplanung kann

dadurch eine zukunftssichere Denkrichtung vorgegeben werden (GAUSEMEIER ET AL.,

2001, S. 51).

Entwicklungsaufgaben selbst lassen sich in unterschiedliche Typen unterteilen und

bestimmen in hohem Maße den Umsetzungsaufwand in der späteren Entwicklung &

Konstruktion (PAHL ET AL., 2007, S. 94; SCHINDLER, 2012, S. 398–399):

Neukonstruktion: Bewältigung völlig neuer Aufgabenstellungen bzw. Prob-

leme mit neuen technischen Lösungen oder Neukombinationen bekannter Lö-

sungen; Innovation (neue Lösung für neue Funktionen); Neuentwicklung

2 Stand der Forschung 31

(neue Lösung für bekannte Funktionen); Weiterentwicklung (bekannte Lösung

mit neuen Funktionen);

Anpassungskonstruktion: partielle Anpassung der Konstruktion an neue

Rahmenbedingungen bei bestehender technischer Lösung;

Variantenkonstruktion: Variation der Größe oder Anordnung von Teilen und

Baugruppen bei bestehender technischer Lösung;

Wiederholkonstruktion: erneuter Fertigungsanlauf für ein bereits entwickel-

tes und gefertigtes Produkt.

Bild 2.9: Erfolgspotentiale von morgen nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 52

Mit der Festlegung der unterschiedlichen Entwicklungsaufgaben kann bereits in der

Produktplanung maßgeblich Einfluss auf eine innovative Ausrichtung des Unterneh-

mens genommen werden. Sie wird deshalb auch oft als Innovationsplanung be-

zeichnet und orientiert sich stark an den übergeordneten Zielen und Strategien der

Organisation. Zusätzlich zur Unternehmensleitung können auch zahlreiche andere

Unternehmensbereiche wie z.B. Vertrieb, F&E oder Marketing in die Produktplanung

involviert sein (PAHL ET AL., 2007, S. 103). Vor diesem Hintergrund sind in den ver-

gangenen Jahren unterschiedliche Ansätze entstanden, die auf einen formalisierten

und strukturierten Prozess der Produktplanung abzielen. PAHL ET AL. haben diesbe-

züglich ein umfassendes Vorgehensmodell entwickelt, das die wesentlichen Phasen

dieser Ansätze vereint und einen systematischen Ablauf der Produktplanung dar-

stellt. Nach dem traditionellen Verständnis der Konstruktionslehre wird die Produkt-

planung in dem Modell, das in Bild 2.10 dargestellt ist, als vorgelagerte Phase der

Markt

Wettbewerber Technologien

Potentiale

neue Bedarfe

wachsende Segmente

ungedeckte Bedarfe

neue Verbrauchergruppen

Ersatzprodukte

Schwächen/Lücken

neue Konkurrenten

Geschäftsausrichtung

neue Werkstoffe

neue Komponenten

neue Prozesse

neue Standards

32 2 Stand der Forschung

Produktentwicklung verstanden und umfasst folgende Schritte inkl. dafür vorgesehe-

ner Handlungsempfehlungen (PAHL ET AL., 2007, S. 104–105):

Analysieren der Situation: umfassende Analyse der aktuellen Situation auf

dem Markt, im Unternehmensumfeld und im Unternehmen selbst; Erkennen

von externen Impulsen;

Aufstellen von Suchstrategien: Finden von strategischen Lücken und Frei-

räumen; Ableiten von Problemideen (neues Problem für bekannte Lösung;

„Demand-Pull“) oder Lösungsideen (neue Lösung für bekanntes Problem;

„Technology-Push“) als Ausgangspunkt für Produktideen; Erkennen sozio-

kultureller Trends; technologieorientierte Analysen;

Finden von Produktideen: Ideenfindung durch Innovations-Workshops, Kun-

denanalysen oder Kreativitätstechniken;

Bild 2.10: Vorgehensmodell für die Produktplanung nach PAHL, BEITZ, FELDHUSEN & GROTE, 2007,

S. 105

1 – Analyse der Situation

2 – Aufstellen von Suchstrategien

3 – Finden von Produktideen

4 – Auswahl von Produktideen

5 – Definieren von Produkten

6 – Umsetzungsplanung

7 – Klären und Präzisieren der Aufgabe

Entwickeln & Konstruieren

Pro

du

ktp

lan

un

g

Situationsanalyse

Suchfeldvorschlag

Produktideen

ausgewählte Produktideen

Produktvorschläge

Umsetzungsplan

Entwicklungsauftrag

Anforderungsliste

Markt, Umfeld, Unternehmen

2 Stand der Forschung 33

Auswahl von Produktideen: Berücksichtigung von strategischen Rahmen-

bedingungen; Durchführung von Marktforschung und Ideenbewertungen;

Auswahl geeigneter Produktideen;

Definieren von Produkten: Konkretisierung der Produktideen zu Produktvor-

schlägen;

Umsetzungsplanung: Erstellung eines Umsetzungsplans; Überführung in ei-

ne konkrete Entwicklungsaufgabe;

Klären und Präzisieren der Aufgabe: fließender Übergang zur eigentlichen

Produktentwicklung.

Das beschriebene Vorgehensmodell ist keinesfalls als starrer Prozess vorgesehen.

Vielmehr wird für eine erfolgreiche Produktplanung ein iteratives Vorgehen mit Vor-

bzw. Rücksprüngen oder Wiederholungen zwischen den einzelnen Schritten empfoh-

len (vgl. Bild 2.10). Zudem sind die im Vorgehensmodell empfohlenen Handlungs-

empfehlungen nur beispielhaft aufgeführt. Unternehmen können in der Praxis auf

eine Vielzahl von unterschiedlichen Hilfsmitteln zur Unterstützung der jeweiligen Pla-

nungsschritte zurückgreifen (PAHL ET AL., 2007, S. 104).

2.3.2 Entwicklung & Konstruktion

Zentrales Element des Produktentstehungsprozesses ist die Entwicklung & Konstruk-

tion und somit die eigentliche Produktentwicklung. Anhand umfassender Überlegun-

gen, Prinzipien, Verfahren und Berechnungen sowie der Erstellung der technischen

Dokumentation wird darin die technische Umsetzung eines Entwicklungsvorhabens

mit all seinen Funktionen bis ins Detail abgesichert (SCHINDLER, 2012, S. 395). Die

Produktentwicklung ist demnach ein sehr komplexes Vorhaben, an dem zahlreiche

Personen und Unternehmensbereiche beteiligt sind. Dies erfordert letztendlich eine

interdisziplinäre Zusammenarbeit bei der Bewältigung von Entwicklungsaufgaben

(FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 14; LINDEMANN, 2009, S. 8). Diese erstrecken sich

dabei von völligen Neuentwicklungen bzw. Innovationen bis hin zu weniger aufwän-

digen Anpassungs- oder Wiederholentwicklungen, bei denen die technische Lösung

bereits (größtenteils) existiert (LINDEMANN, 2009, S. 7; SCHINDLER, 2012, S. 398–399).

Prinzipiell stellt die Entwicklung eines Produkts den Entwickler vor ein technisches

Problem, das es schrittweise zu lösen gilt. Dieses Problem muss dafür zunächst voll-

ständig analysiert und verstanden werden. Im weiteren Verlauf erarbeitet der Ent-

wickler unterschiedliche Lösungsansätze, die nach und nach zur vollständigen Lö-

sung verknüpft werden. Durch entsprechende Rückkopplung zwischen den einzelnen

Arbeitsschritten im Lösungsprozess kann das vorläufige Ergebnis immer wieder op-

timiert, angepasst oder ergänzt werden (SCHINDLER, 2012, S. 400–401).

34 2 Stand der Forschung

Die traditionelle Produktentwicklung mit ihren wesentlichen Phasen lässt sich sehr

gut in einem Prozessmodell darstellen. PAHL & BEITZ haben in diesem Zusammen-

hang ein weit verbreitetes Prozessmodell entwickelt, das die Produktentwicklung in

vier grundlegende Arbeitsschritte gliedert (FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 17; PAHL ET

AL., 2007, S. 198). Der VDI hat dieses Prozessmodell konkretisiert und in die VDI-

Richtlinie 2221 überführt. Darin wird die grundlegende Vorgehensweise nach PAHL &

BEITZ durch Zwischenlagerung zusätzlicher Arbeitsschritte erweitert, so dass eine

wesentlich spezifischere Abgrenzung zwischen einzelnen Aufgabenbereichen mög-

lich ist. Die vier klassischen Phasen der Produktentwicklung, die beiden Ansätzen

jedoch gemein sind, lauten wie folgt (PAHL ET AL., 2007, S. 194; SCHINDLER, 2012,

S. 401–402; VDI 2221, 1986, S. 7–9):

Planen und Klären der Aufgabe (informative Festlegung);

Konzipieren (prinzipielle Festlegung);

Entwerfen (gestalterische Festlegung);

Ausarbeiten (produktionstechnische Festlegung).

In der ersten Phase zum Planen und Klären der Aufgabe hat sich der Entwickler voll-

ständige Klarheit über die Entwicklungsaufgabe zu verschaffen, die ihm als Resultat

der vorgelagerten Produktplanung zugetragen wird. Es entstehen konkrete Anforde-

rungen an das zu entwickelnde Produkt. In der Phase des Konzipierens werden zu-

nächst verschiedene Lösungsmöglichkeiten zur Erfüllung der Entwicklungsaufgabe

erarbeitet. Unter Berücksichtigung der Produktanforderungen wählt man aus diesen

Lösungsmöglichkeiten schließlich die bevorzugte, prinzipielle Lösung aus. Hauptauf-

gabe in der Phase des Entwerfens ist in der Folge die sukzessive und iterative Kon-

kretisierung der prinzipiellen Lösung. Das zu realisierende Produkt wird dabei gestal-

terisch festgelegt, wobei man hier neben rein technischen Parametern auch wirt-

schaftliche Randbedingungen berücksichtigen muss. Als Vorbereitung auf die Pro-

duktherstellung sowie zur Unterstützung der späteren Nutzung wird in der Phase des

Ausarbeitens die technische Dokumentation des Produkts vervollständigt und freige-

geben (PAHL ET AL., 2007, S. 195–197; SCHINDLER, 2012, S. 402).

„Produkte werden unter aktuellen Bedingungen für zukünftige Situationen entwickelt.

Kunden ändern jedoch ihre Meinung, Wettbewerber melden Patente an, wichtige

Wissensträger verlassen das Unternehmen, der Umsatz geht zurück. Produktent-

wickler sehen sich also mit einer ständigen Veränderung von Märkten, Werten,

Technologien und vielen anderen Aspekten konfrontiert“ (LINDEMANN, 2009, S. 29).

Des Weiteren identifizieren EHRLENSPIEL & MEERKAMM in der Produktentwicklung drei

wesentliche Problembereiche, die vor allem auf der heutzutage stark arbeitsteiligen

Produktentstehung beruhen: organisatorische Probleme, zeitliche Probleme und

2 Stand der Forschung 35

technisch-wirtschaftliche Probleme. Dies erfordert letzten Endes eine stärkere In-

tegration der arbeitsteiligen Bereiche in den gesamten Entwicklungsprozess (EHR-

LENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 187–193). Denn „offensichtlich ist die Fähigkeit der

Menschen, zielgerichtet und effizient zusammenzuarbeiten, der herausragende Er-

folgsfaktor auf dem Weg zu Produkten von morgen“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001,

S. 46). Dieses neue Verständnis einer integrierten Produktentwicklung ist letztendlich

„eine Abkehr vom traditionellen, rein funktionsorientierten und hierarchischen Denken

und Arbeiten“ (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 196). Vom Entwickler als Mensch

wird vielmehr eine ganzheitliche Denkweise sowie eine zielgerichtete Verknüpfung

technischer, organisatorischer und methodischer Hilfsmittel gefordert (EHRLENSPIEL &

MEERKAMM, 2013, S. 194).

Bild 2.11: Zyklischer Produktentwicklungsprozess in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER &

KALLMEYER, 2001, S. 44

GAUSEMEIER ET AL. haben daher ein praxisnahes Prozessmodell einer integrierten

Produktentwicklung vorgestellt. Das in Bild 2.11 veranschaulichte Modell beruht auf

einer Reihe von Zyklen, die ineinander greifen und einen fließenden Übergang zwi-

schen den einzelnen Prozessphasen gewährleisten. Im ersten Zyklus der strategi-

schen Produktplanung verknüpfen GAUSEMEIER ET AL. die ursprünglich vorgelagerte

Phase der Produktplanung mit den klassischen Phasen zum Planen und Klären der

Aufgabe sowie zum Konzipieren. Letztere leitet schließlich den Zyklus der eigentli-

chen Produktentwicklung ein, in dem die prinzipielle Lösung gestaltet und ausgear-

beitet wird. Der finale Zyklus der Prozessentwicklung begleitet das Produkt schließ-

Produkt-findung

Konzipieren

Geschäfts-planung

Potential-findung

Ausarbeiten

Entwerfen

Fertigungs-planung

Serienanlauf

Strategische Produktplanung

Produktentwicklung

Prozessentwicklung

36 2 Stand der Forschung

lich zum erfolgreichen Markteintritt. Hauptaufgabe ist hier vor allem die Planung der

Fertigung bis hin zur abschließenden Optimierung von Produkt und Fertigungssys-

tem im Serienanlauf (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–46). Mit diesem Modell ver-

deutlichen GAUSEMEIER ET AL. besonders den Aspekt einer ganzheitlichen und koope-

rativen Produktentwicklung. Im Gegensatz zum traditionellen Modell der Produktent-

wicklung werden dabei gezielt Elemente der Geschäftsplanung und Potentialfindung

sowie der Prozessentwicklung (erfolgsorientierte Gestaltung der Herstellungsprozes-

se, logistischen Prozesse etc.) in die eigentliche Produktentwicklung integriert (vgl.

Bild 2.11), um einen möglichst durchgängigen Prozess von der Geschäftsidee bis

zum erfolgreichen Markteintritt zu schaffen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 45). Diese

ganzheitliche Betrachtungsweise der Produktentwicklung erfordert „einerseits ein

geändertes Denkverhalten, umgesetzt in partnerschaftlichem, interdisziplinären Ar-

beiten sowohl innerhalb des Unternehmens als auch mit Kunden und Zulieferanten,

andererseits eine methodische Vorgehensweise mit Betrachtung des gesamten Pro-

duktlebenszyklus und einer verstärkten Beachtung der Wechselwirkung zwischen

Produkt und Prozess“ (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 195). Nach dem Grund-

satz des „Simultaneous Engineering“, das als Organisationsmodell eine geteilte und

parallele Arbeitsweise vorsieht, ist hier vor allem eine enge Kooperation zwischen

Produkt- und Prozessentwicklung gefordert. Nur so kann der Entwickler letztendlich

unter Einhaltung zeitgemäßer Gestaltungsrichtlinien („Design for X“) eine fertigungs-

und montagegerechte Produktkonzeption gewährleisten (EHRLENSPIEL & MEERKAMM,

2013, S. 354; KLOCKE, EVERSHEIM, FALLBÖHMER & BRANDENBURG, 1999, S. 186; BIRK-

NER, BRAUN, EGELKRAUT, GRAUER, MÄRZ, MEYER, RITTNER & ZELTNER, 2009, S. 5;

WARTZACK, 2000, S. 8).

2.3.3 Arbeitsvorbereitung & Produktherstellung

Am Ende des Produktentstehungsprozesses stehen die Arbeitsvorbereitung (WART-

ZACK, 2000, S. 8) sowie die einzelnen Arbeitsschritte „zur Herstellung der Komponen-

ten wie Bauteile und Baugruppen und deren Montage“ zu einem serientauglichen

Gesamtprodukt (FELDHUSEN & GROTE, 2013, S. 14). Ausgehend von der technischen

Dokumentation, die in der Phase der Ausarbeitung erstellt und freigegeben wird, liegt

der Fokus in der Arbeitsvorbereitung insbesondere auf den Aspekten der Material-

wirtschaft, Logistik, Fertigungs- und Montagevorbereitung zur Festlegung der spezifi-

schen Arbeitsanweisungen sowie zur Bereitstellung sämtlicher Fertigungsmittel für

die nachfolgende Fertigung und Montage (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 163;

GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 46). Während der Fertigung und Montage werden die in

der technischen Dokumentation festgelegten Produkteigenschaften schließlich mate-

2 Stand der Forschung 37

riell umgesetzt (EHRLENSPIEL & MEERKAMM, 2013, S. 162). Das Ergebnis der gesam-

ten Produktherstellung ist dann letztendlich ein physisches Produkt, das durch den

gezielten Einsatz der dafür notwendigen, operativen Ressourcen wie Produktionsan-

lagen, Personal, Betriebs- oder Finanzmittel im Rahmen der Fertigung und Montage

realisiert und dem Kunden nach erfolgreichem Serienanlauf sowie Inbetriebnahme

bereitgestellt wird (EIGNER & STELZER, 2009, S. 2; GAUSEMEIER ET AL., 2001,

S. 44; SCHINDLER, 2012, S. 400; WARTZACK, 2000, S. 8).

Im zyklischen Produktentwicklungsprozess von GAUSEMEIER ET AL. (vgl. Bild 2.11)

wurde bereits deutlich, dass die einzelnen Phasen der Produktentstehung im Hinblick

auf eine integrierte Produktentwicklung immer mehr miteinander verschmelzen. Da-

von sind auch wesentliche Elemente der Arbeitsvorbereitung und Produktherstellung

betroffen, die von GAUSEMEIER ET AL. unter dem Aspekt der Prozessentwicklung als

finaler Schritt eines erfolgreichen Markteintritts in ihr Modell eingebunden werden.

Ausgehend von den klassischen Phasen des Entwerfens und Ausarbeitens umfasst

die Prozessentwicklung dabei die Fertigungsplanung zur Bereitstellung von Ferti-

gungsmitteln, Arbeitsplänen und -programmen sowie die Optimierung von Ferti-

gungssystem und Produkt im Rahmen des Serienanlaufs (GAUSEMEIER ET AL., 2001,

S. 44). Eine erfolgreiche Produktherstellung und Markteinführung kann jedoch „nicht

allein Sache der Prozessentwicklung sein, sondern beruht auf dem integrativen Den-

ken und Handeln aller Beteiligten in den vorgestellten Zyklen“ (GAUSEMEIER ET AL.,

2001, S. 46). Die Voraussetzungen dafür werden bereits im Rahmen der eigentlichen

Produktentwicklung durch eine fertigungs-, montage-, prüf- sowie normgerechte

Konstruktion geschaffen (WARTZACK, 2000, S. 8).

2.4 Unterstützung von Technologieentscheidungen in der Produktplanung

Nachfolgend werden die Technologiefrüherkennung und -bewertung als Instrumente

des strategischen Technologiemanagements zur Unterstützung von Technologieent-

scheidungen in die strategische Produktplanung eingeordnet. Zudem muss vor die-

sem Hintergrund auch eine Auseinandersetzung mit dem Thema der multikriteriellen

Entscheidungsunterstützung stattfinden, das aufgrund der zunehmenden Komplexität

in Entscheidungssituationen immer mehr an Bedeutung gewinnt und im Rahmen ei-

ner zeitgemäßen Technologiebewertung zwingend berücksichtigt werden muss.

38 2 Stand der Forschung

2.4.1 Technologiefrüherkennung und -bewertung zur Entschei-dungsunterstützung in der strategischen Produktplanung

Rückblickend auf Kapitel 2.3.1 wird deutlich, dass Technologieentscheidungen schon

sehr früh im Produktentstehungsprozess – d.h. innerhalb der strategischen Produkt-

planung – getroffen werden müssen, um Optimierungspotentiale an der Schnittstelle

zwischen Markt, Wettbewerbern und Technologie möglichst vollständig ausschöpfen

und auf deren Basis Entwicklungsaufgaben für die Produktentwicklung konkretisieren

zu können (KRÖLL, 2007, S. 16). Ferner kann damit auch verhindert werden, dass

Produktkonzepte im weiteren Verlauf des Produktentstehungsprozesses aufgrund

fehlender technischer bzw. technologischer Möglichkeiten nachträglich noch geän-

dert werden müssen. Dies würde einen erheblichen kosten- sowie ressourcentechni-

schen Aufwand für das Unternehmen nach sich ziehen (SCHÄPPI, 2005, S. 14).

Wesentliches Element zur Vorbereitung auf solche Entscheidungen ist eine systema-

tische Identifikation, Bewertung und Auswahl von Technologien als Bestandteil eines

umfassenden Technologiemanagements. Durch einen bedarfsgerechten und wirt-

schaftlichen Einsatz zukunftsträchtiger Technologien können Unternehmen ihre

Wettbewerbsfähigkeit steigern und sich entscheidend von der Konkurrenz abgrenzen

(KRÖLL, 2007, S. 12; TSCHIRKY, 1998, S. 322). Demnach greift man in der Phase der

strategischen Produktplanung, in der Produktideen auf Basis von Markt-, Wettbewer-

ber- und Technologieanalysen generiert und konkretisiert werden, auf die Technolo-

giefrüherkennung und -bewertung als unterstützende Instrumente des strategischen

Technologiemanagements zurück. So lassen sich vor allem neue technologische

Entwicklungen frühzeitig erkennen und hinsichtlich eines möglichen Einsatzes in

künftigen Produktlösungen bewerten (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–44; SCHÄPPI,

2005, S. 14). Damit wird grundsätzlich geklärt, mit welchen bereits beherrschten oder

neu verfügbaren Technologien die entsprechenden Produktvorhaben realisiert wer-

den können (SCHÄPPI, 2005, S. 16).

Bei solchen Bewertungsmaßnahmen sind vor allem funktions-, kosten- sowie quali-

tätstechnische Aspekte zu beachten, die sich aus den konkreten Rahmenbedingun-

gen der gegenwärtigen Situation auf dem Markt, im Unternehmensumfeld und im

Unternehmen selbst ergeben (KRÖLL, 2007, S. 17). Um gleichzeitig auch den Anfor-

derungen an die produktspezifischen Herstellungsprozesse gerecht zu werden und

eine fertigungs- sowie montagegerechte Konstruktion sicherstellen zu können, müs-

sen dabei auch neue Entwicklungen im Bereich der Fertigungs- und Montagetechno-

logien berücksichtigt werden (BIRKNER ET AL., 2009, S. 5; SCHÄPPI, 2005, S. 15). Auf-

bauend auf den vorab gesammelten Erkenntnissen haben Entwickler dann schließ-

lich im Rahmen der eigentlichen Produktentwicklung die Möglichkeit, die richtigen

2 Stand der Forschung 39

Technologien nach ihrer erfolgreichen Bereitstellung zur Erfüllung der einzelnen Pro-

duktfunktionen einzusetzen (TSCHIRKY, 1998, S. 251). Zudem wird Entwicklern ent-

scheidend dabei geholfen, „schon bei der konstruktiven Auslegung und Gestaltung

von Produkten die werkstoff- und verfahrensspezifischen Randbedingungen ausrei-

chend zu berücksichtigen. Hierbei können die Faktoren Gestalt, Werkstoff und Tech-

nologie optimal aufeinander abgestimmt werden“ (KLOCKE ET AL., 1999, S. 186).

„Die Weichen für den Produkterfolg werden (somit schon, Anm. des Verf.) in der stra-

tegischen Produktplanung gestellt“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 51). Durch eine im-

mer stärkere Verknüpfung von Produktplanung mit der eigentlichen Produktentwick-

lung im Sinne einer integrativen Produktentwicklung gewinnen somit auch die Tech-

nologiefrüherkennung und -bewertung zur Unterstützung dieses Prozesses immer

mehr an Bedeutung (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43–44; SCHÄPPI, 2005, S. 14).

2.4.2 Multikriterielle Entscheidungsunterstützung

Die in Kapitel 2.2.2.2 geschilderte, notwendige Ausweitung des Betrachtungshori-

zonts einer Technologiebewertung (Umwelt, Sicherheit, etc.) führt zu einem deutli-

chen Zuwachs an möglichen Bewertungskriterien für eine Technologie. Zudem geht

aus Kapitel 2.4.1 hervor, dass besonders bei Technologieentscheidungen im Rah-

men einer strategischen Produktplanung zahlreiche unternehmensinterne wie auch

-externe Aspekte an der Schnittstelle von Markt, Wettbewerbern und Technologie

berücksichtigt werden müssen, um den komplexen Anforderungen an eine erfolgrei-

che und zukunftsorientierte Produktentwicklung gerecht zu werden. Eine Auseinan-

dersetzung mit dem Thema der multikriteriellen Entscheidungsunterstützung für eine

systematische Beurteilung von Alternativen unter Berücksichtigung einer Vielzahl von

unterschiedlichen Kriterien ist daher zwingend notwendig (WARTZACK, 2000, S. 62).

Diese Notwendigkeit ergibt sich im Einzelnen aus diversen Unzulänglichkeiten, die

mit intuitiv und unsystematisch vorgenommenen Bewertungen einhergehen (VDI

2223, 2004, S. 61–62; WARTZACK, 2000, S. 63):

Subjektiv beeinflusste, sprunghafte Bewertungsprozesse;

Gefahr von latenten Vereinfachungen;

Vernachlässigung gewisser Anforderungen, Rahmenbedingungen und somit

wichtiger Bewertungskriterien;

Unverhältnismäßige Gewichtung von Bewertungskriterien;

Unverhältnismäßige Bewertung von Alternativen aufgrund augenscheinlicher

Stärken bzw. Schwächen.

40 2 Stand der Forschung

Im Allgemeinen sind Ansätze zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung durch

eine Analyse einer diskreten oder kontinuierlichen Menge an Optionen (z.B. Alterna-

tiven, Lösungen, Handlungsmöglichkeiten oder Aktionen) gekennzeichnet, auf deren

Basis nachfolgend eine Auswahl der Optionen getroffen, eine Rangfolge gebildet o-

der eine entsprechende Klassifizierung vorgenommen werden kann (OBERSCHMIDT,

2010, S. 56). Zu diesem Thema sind in den vergangenen Jahrzehnten viele unter-

schiedliche Forschungsansätze aus Theorie und Praxis veröffentlicht worden (BANA

E COSTA, STEWART & VANSNICK, 1997, S. 29; OBERSCHMIDT, 2010, S. 56; STEWART,

1992, S. 569). Diese lassen sich prinzipiell in Multi-Attribut-Ansätze sowie Multi-

Objective-Ansätze unterteilen, deren wesentliche Unterschiede in Tabelle 2.2 zu-

sammengefasst sind. Multi-Objective-Ansätze sind speziell auf Optimierungsvorha-

ben ausgelegt, bei denen aus einer quasi unendlichen Menge an möglichen Optio-

nen unter Berücksichtigung diverser Rahmenbedingungen eine optimale Lösung be-

stimmt werden soll. Dazu greift man hauptsächlich auf mathematische Modelle zur

Vektoroptimierung zurück, um die vektoriellen Zielfunktionen bestmöglich zu lösen.

Der Fokus bei Multi-Attribut-Ansätzen liegt dagegen auf einer simultanen Bewertung

einer bereits bekannten Menge an Optionen anhand mehrerer, unterschiedlich ge-

wichteter Kriterien (multikriterielle Bewertung). Es soll diejenige Option ermittelt wer-

den, die den Zielvorstellungen der Entscheidungsträger am ehesten entspricht. Be-

sagte Zielvorstellungen bzw. Präferenzen spiegeln sich dabei in den unterschiedlich

gewichteten Bewertungskriterien wider (GELDERMANN, 2008, S. 12; OBERSCHMIDT,

2010, S. 56–58).

Tabelle 2.2: Unterschiede zwischen Multi-Attribut- und Multi-Objective-Ansätzen nach GELDERMANN, 2008, S. 12; OBERSCHMIDT, 2010, S. 57

Merkmal Multi-Attribut-Ansätze Multi-Objective-Ansätze

Lösungsraum Menge an bekannten, diskreten Optionen

meist kontinuierliche Menge an Optionen (offene Lösungssuche)

Ziel Klassifizierung bzw. Ordnung von Alternativen

Berechnung der optimalen Lösung aus dem Lösungsraum

Ausgangsbasis Menge entscheidungsrelevanter Kriterien

quantifizierbare Zielfunktionen aus mehreren Vektoren

Formulierung der Problemstellung

Zielerreichungs- bzw. Entscheidungsmatrix

Modelle zur Vektoroptimierung

Bei der multikriteriellen Bewertung unterscheidet man grundsätzlich zwischen Ansät-

zen der amerikanischen und der europäischen Schule. Innerhalb der amerikanischen

Schule werden die Präferenzvorstellungen der Entscheidungsträger über numerische

Nutzenfunktionen abgebildet. Der Gesamtnutzen einer Option lässt sich schließlich

über eine Aggregation der entsprechenden Teilnutzwerte hinsichtlich der einzelnen,

2 Stand der Forschung 41

gewichteten Bewertungskriterien ermitteln. Als bekannte Methoden, die sich auf ein

solches Bewertungsschema stützen, sind vor allem die Nutzwert-Analyse sowie der

Analytisch Hierarchische Prozess zu nennen (GELDERMANN, 2008, S. 13; OBER-

SCHMIDT, 2010, S. 58–59). Demgegenüber unterstellt die europäische Schule den

Entscheidungsträgern eine Unklarheit über ihre Präferenzen und liefert deshalb sog.

Outranking-Verfahren, mit denen man „auch widersprüchliche Informationen verar-

beiten kann, um die Entscheidungssituation zu strukturieren und die Konsequenzen

unterschiedlicher Kriterien-Gewichtungen aufzuzeigen“ (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59–

60).

Bild 2.12: Ablaufschema einer multikriteriellen Bewertung in Anlehnung an OBERSCHMIDT, 2010, S. 62

Prinzipiell liegt jedoch allen Ansätzen zur multikriteriellen Bewertung ein einheitliches

Ablaufschema zugrunde, das in Bild 2.12 vorgestellt wird. Zunächst ist darin die

Problemstellung zu klären und eine Festlegung der zu bewertenden Optionen vorzu-

nehmen. Ebenso müssen die Bewertungskriterien in Absprache mit Interessens-

gruppen und Entscheidungsträgern in Diskussionen, Interviews oder Workshops ent-

Klärung der Problemstellung

Festlegung der Optionen

Auswahl der Kriterien

Bestimmung der Kriterien-Ausprägungen

je Option

Gewichtung der Kriterien

Aggregation zur Gesamtbewertung

je Option

Sensitivitätsanalysen

Handlungsempfehlungen

En

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42 2 Stand der Forschung

sprechend ausgewählt werden. In der Folge bestimmt man die jeweiligen Kriterien-

Ausprägungen der betrachteten Optionen und gewichtet darüber hinaus die einzel-

nen Kriterien nach ihrer relativen Bedeutung (OBERSCHMIDT, 2010, S. 61). Zur Struk-

turierung der Bewertungskriterien greift man häufig auf baumähnliche Darstellungs-

weisen zurück, die den relevanten Kriterien eine gewisse hierarchische Ordnung ver-

leihen. Bei der Bestimmung der Kriterien-Ausprägungen können neben quantitativen

auch qualitative Informationen berücksichtigt werden, denen über Ordinal-Skalen

(bspw. von „1“ für gut, „2“ für mittel bis „3“ für schlecht) dann entsprechende Zahlen-

werte beigemessen werden. Einfache Möglichkeiten zur Kriterien-Gewichtung stellen

subjektive Vergaben der Gewichtungsfaktoren über Entscheidungsträger oder nach-

gelagerte Gewichtungen von zunächst gleichbedeutenden Kriterien über Sensitivi-

tätsanalysen dar. Eine weitaus objektivere Alternative bietet dagegen der paarweise

Vergleich, bei dem alle möglichen Kriterien-Paarungen entsprechend eines skalierten

Maßstabs hinsichtlich ihrer Bedeutung gegeneinander abgewogen und darauf auf-

bauend die relativen Gewichtungsfaktoren der einzelnen Kriterien bestimmt werden

(OBERSCHMIDT, 2010, S. 67–70). Zu guter Letzt werden die erarbeiteten Daten zu

einer Gesamtbewertung je Option aggregiert und die Ergebnisse durch Sensitivitäts-

analysen auf ihre Standhaftigkeit überprüft. Das beschriebene Ablaufschema lässt

sich in seiner Gesamtheit gut in ein Entscheidungsunterstützungssystem wie bspw.

eine Bewertungsmethode oder ein Software-Tool integrieren, so dass in der Folge

gezielt Handlungsempfehlungen abgeleitet werden können (OBERSCHMIDT, 2010,

S. 61–62).

Eine multikriterielle Bewertung übergeht letztendlich die eingangs dieses Abschnitts

erwähnten Unzulänglichkeiten einer intuitiven, unsystematischen Bewertung, indem

sie eine objektive sowie parallele Berücksichtigung verschiedener „Aspekte unter

Einbeziehung qualitativer und quantitativer Informationen“ ermöglicht (OBERSCHMIDT,

2010, S. 56). Ferner lässt sich durch eine multikriterielle Bewertung auch die Multi-

kausalität einer Problemstellung wesentlich strukturierter wie auch wertneutraler dar-

stellen und ein systematisch begründeter Weg zur Entscheidungsfindung aufzeigen.

Dies liegt insbesondere daran, dass jedes der betrachteten Bewertungskriterien ei-

nen gewissen Teilaspekt der ursprünglichen Problemstellung repräsentiert und in der

Gesamtbewertung entsprechend berücksichtigt wird (BANA E COSTA ET AL., 1997,

S. 30). Multikriterielle Bewertungselemente sind somit prädestiniert für einen Einsatz

im Rahmen der Technologiebewertung (OBERSCHMIDT, 2010, S. 57).

2 Stand der Forschung 43

2.5 Methodisch gestützte Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung

Methoden werden grundsätzlich als „Regeln und Anweisungen verstanden, die das

Vorgehen weitgehend festlegen. Den Methoden liegt ein plausibles Konzept zugrun-

de, das eine Beurteilung der Aussagefähigkeit und der Anwendungsgrenzen zulässt;

außerdem sollen sie nachvollziehbar sein“ (GESCHKA, 1995, S. 630). Zur Sicherstel-

lung einer systematischen und strukturierten Technologiefrüherkennung wird Unter-

nehmen daher empfohlen, den Technologiefrüherkennungsprozess methodisch zu

unterstützen (MIEKE, 2005, S. 22). Auch im Rahmen der Technologiebewertung ist

der Einsatz von Methoden dringend notwendig. So kann einer zielgerichteten und

systematischen Arbeitsweise während der Bewertung von Technologien Folge ge-

leistet werden (BULLINGER, 1994, S. 55). Gleichermaßen soll durch den Einsatz von

Bewertungsmethoden die Entscheidungsqualität und somit auch der Erfolg der tech-

nologischen Maßnahmen erhöht werden (HAAG ET AL., 2011, S. 310). Aufgrund der

engen Verbundenheit von Technologiefrüherkennung und -bewertung (vgl. Kapitel

2.2.1) sowie der oftmals unscharfen Methodentrennung zwischen beiden Aufgaben-

bereichen (vgl. Kapitel 2.5.1 & 2.5.2) gewährt dieses Kapitel nachfolgend einen Ein-

blick in den aktuellen Stand der Forschung über Methoden zur Technologiefrüher-

kennung und Technologiebewertung.

2.5.1 Methoden zur Technologiefrüherkennung

Angesichts der unbeständigen Veränderungsraten im Unternehmensumfeld ist das

genaue Festlegen von Zeitspannen für die Beschaffung technologierelevanter Infor-

mationen widersinnig. Dennoch ist Zeit für Unternehmen mittlerweile ein erheblicher

Erfolgsfaktor und aufgrund der Vergänglichkeit eine knappe Ressource. Methoden

zur Technologiefrüherkennung müssen diesen Umstand berücksichtigen und eine

frühzeitige Informationsbeschaffung gewährleisten (MIEKE, 2005, S. 22). Neben dem

Aspekt der Frühzeitigkeit zählen jedoch auch Qualität, Gültigkeit und Exklusivität der

zu verarbeitenden Informationen zu den wesentlichen Anforderungen an die Techno-

logiefrüherkennung und ihre Methoden (WELLENSIEK ET AL., 2011, S. 102).

Grundsätzlich lassen sich Methoden zur Technologiefrüherkennung in quantitative

und qualitative Methoden unterteilen. Während sich quantitative Methoden verstärkt

auf explizites Datenmaterial in Form von Messgrößen oder Modellvorstellungen zur

Beschreibung bzw. Prognose technologischer Entwicklungen stützen, beziehen

quantitative Methoden auch subjektive Einschätzungen und implizites Wissen von

Fachpersonal mit ein (WELLENSIEK ET AL., 2011, S. 133–134). In der Literatur stößt

44 2 Stand der Forschung

man auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden, die im Rahmen der Techno-

logiefrüherkennung eingesetzt werden. Zur Verdeutlichung stellt Tabelle 2.3 ver-

schiedene Methoden-Sammlungen gegenüber. Dabei decken sich die Auflistungen

von LICHTENTHALER und BÜRGEL, REGER & ACKEL-ZAKOUR weitestgehend. FIRAT,

WOON & MADNICK identifizieren dagegen über einhundert verschiedene, oftmals sehr

spezifische Methoden und ordnen diese übergeordneten Methodenklassen zu. Aus

Gründen der Übersichtlichkeit werden nur Letztere in Tabelle 2.3 aufgezeigt. Detail-

lierte Informationen über die einzelnen Methoden sind der weiterführenden Literatur

von FIRAT ET AL. zu entnehmen (FIRAT, WOON & MADNICK, 2008, S. 5–6). Aus der ins-

gesamt sehr umfangreichen Methoden-Übersicht in Tabelle 2.3 erweisen sich insbe-

sondere Patentanalysen, Befragungen von Experten, Technologie-Roadmapping und

die Szenario-Analyse als besonderes verbreitete Methoden (BÜRGEL, REGER & A-

CKEL-ZAKOUR, 2005, S. 40). Aber auch Werkzeuge der TRIZ-Methodik, die ursprüng-

lich nicht dem Themenfeld des Technologiemanagements entstammt, gewinnen in

letzter Zeit immer mehr an Bedeutung (GRAWATSCH, 2005, S. 31).

Tabelle 2.3: Methoden-Übersicht zur Technologiefrüherkennung in Anlehnung an BÜRGEL, REGER &

ACKEL-ZAKOUR, 2005, S. 41; FIRAT, WOON & MADNICK, 2008, S. 5–6; LICHTENTHALER, 2004, S. 130

LICHTENTHALER (2004) BÜRGEL, REGER & ACKEL-ZAKOUR (2005)

FIRAT, WOON & MADNICK

(2008)

Publikationsanalysen Konferenzanalysen Patentanalysen S-Kurven-Analysen Wettbewerbs-Analysen Portfolio-Analyse Delphi-Studien Expertenbefragungen Technologie-Roadmapping Produkt-Roadmapping Erfahrungskurven Simulationen Optionspreismodelle Szenario-Analyse Lead-User-Methode Quality Function Deployment

Patentanalysen Publikationsanalysen Marktanalysen Trendanalysen Trendextrapolation Wettbewerbs-Analysen Competitive Intelligence Kundenbefragungen Co-Word-Analysen Risikoanalysen Competence Gap Analysen Internet-Such-Systeme Technologie-Landkarten Delphi-Studien Relevanzbaum-Analysen Szenario-Analyse Technologie-Roadmapping Produkt-Roadmapping Kreativitätstechniken

Experten-Analysen Trendanalysen Monitoring Statistische Methoden Modelle/Simulationen Szenario-Analyse Bewertungsmethoden Entscheidungsmethoden Wirtschaftliche Methoden Deskriptive Methoden Matrix-Methoden Kreativitätstechniken

Abgesehen von der Szenario-Analyse, die erst in Kapitel 2.5.2 unter den Methoden

zur Technologiebewertung eine entsprechende Würdigung erfährt, werden die er-

wähnten Methoden dem Leser nun näher vorgestellt.

2 Stand der Forschung 45

2.5.1.1 Expertenbefragung

Die Befragung von Experten gilt im Rahmen der Technologiefrüherkennung als viel-

versprechende Quelle zur Beschaffung technologierelevanter Informationen und

Prognose bestimmter Ereignisse (WOLFRUM, 1991, S. 139). Experten sind Fachleute,

die exklusiven und frühzeitigen Zugang zu neuen Erkenntnissen haben. Sie verfügen

durch eine entsprechende Ausbildung, breite Erfahrung, wertvolle Kontakte zu ande-

ren Wissensträgern oder die Beteiligung an zukunftsweisenden Forschungsprojekten

über Insider-Informationen und fachspezifisches Know-how (GESCHKA, 1995, S. 631).

Je nach Anzahl der Experten und Art der Befragung lassen sich unterschiedliche Ty-

pen von Expertenbefragungen ausmachen (MIEKE, 2005, S. 25).

Während einer klassischen Expertenbefragung befragt man mehrere Experten in

Einzelgesprächen (Interviews). Dabei vertieft man die Fragestellungen sukzessive

von Gespräch zu Gespräch, um letztendlich detaillierte und zielführende Informatio-

nen von den Experten zu erhalten. Die einzelnen Interviews werden möglichst voll-

ständig dokumentiert und die Ergebnisse in einem abschließenden Dokument zu-

sammengefasst (GESCHKA, 1995, S. 631).

Bei der Expertenanhörung liefern Experten bestimmter Institutionen im Einzelge-

spräch konkrete Informationen über ein vorab festgelegtes Themenfeld. Durch eine

entsprechende Überprüfung potentieller Experten hinsichtlich ihrer Sachkenntnis und

Denkhaltung versucht man schon im Vorfeld einen geeigneten Expertenkreis zu se-

lektieren. Neben der fachlichen Kompetenz wird von Experten in diesem Zusam-

menhang auch eine zukunftsorientierte und konstruktive Denkweise gefordert. Man

erhofft sich dadurch eine Eindämmung des Risikos zur Selbstüberschätzung und ei-

ne deutlich höhere Ergebnisqualität im Rückschluss auf eine wirksame Technologie-

früherkennung (MIEKE, 2005, S. 25–26).

Experten-Workshops sind dagegen gruppenorientierte Vorhaben. Auch hier speziali-

siert man sich auf ein bestimmtes Themen- bzw. Technologiefeld. Eine kleine Grup-

pe von Experten gibt dabei Auskunft über ihren Kenntnisstand zu potentiellen, tech-

nologischen Entwicklungen. Wissens- und Kompetenzlücken sowie Fehldeutungen

und falsche Tendenzen können durch den Gruppencharakter ausgeglichen bzw. ver-

hindert werden. Dennoch werden auch abweichende Meinungen einzelner Experten

in Betracht gezogen, da die Mehrheitsmeinung nicht zwangsläufig auch den einzig

richtigen Weg weisen muss (GESCHKA, 1995, S. 631; MIEKE, 2005, S. 26–27).

Insgesamt bieten Expertenbefragungen eine effektive Möglichkeit, frühzeitig an rele-

vante Informationen über zukünftige, technologische Entwicklungen zu gelangen.

Entscheidendes Kriterium dafür ist jedoch die Auswahl der richtigen Experten (GE-

46 2 Stand der Forschung

SCHKA, 1995, S. 632). Im Falle von Workshops ist zudem der „Einsatz geschulter und

erfahrender Moderatoren“ notwendig, um eventuelle Konkurrenzgedanken oder do-

minantes Verhalten einzelner Teilnehmer innerhalb der Gruppe zur vermeiden

(WOLFRUM, 1991, S. 141).

2.5.1.2 Patentanalyse

Gefördert durch Staat sowie Industrie- und Handelskammern hat sich die Patentana-

lyse als Methode der Technologiefrüherkennung in den vergangenen Jahrzehnten

etabliert. Da ein Patent zwangsweise die Entwicklung einer technischen bzw. techno-

logischen Neuerung voraussetzt, führt eine Analyse von Patentdaten automatisch zu

Erkenntnissen über neue technologische Entwicklungen (BECKER, 1988, S. 20).

Patente sind amtliche Dokumente mit juristischer Wirkung und entstehen nach vor-

gegeben Richtlinien. Zudem sind Patentinformationen qualitativ äußerst hochwertig

und den üblichen Marktinformationen in der Regel um mehrere Jahre voraus. Neben

Hinweisen auf neue Technologietrends lassen sich damit auch frühzeitig Anzeichen

über mögliche Wettbewerber oder neue Forschungsfelder erkennen. Zahlreiche Pa-

tentdatenbanken aus dem Internet sowie softwaregestützte Recherche-Programme

vereinfachen die Patentanalyse heutzutage beträchtlich (GESCHKA, 1995, S. 634–

635).

Dennoch sind einer Patentanalyse sowohl fachliche als auch technologieseitige

Grenzen gesetzt. „Einerseits schlagen sich neue Entwicklungen erst mit zeitlicher

Verzögerung in Patentstatistiken nieder. Andererseits sind viele Forschungsergeb-

nisse, besonders solche der Grundlagenforschung, nicht patentfähig“ (BECKER, 1988,

S. 22). Aus diesem Grund empfiehlt sich eine zusätzliche Analyse der in den Paten-

ten zitierten Literatur zur Vervollständigung der gesammelten Informationen (Becker,

1988, S. 22). Des Weiteren erfordert eine Patentanalyse auch enormes Geschick

und viel Erfahrung vom jeweiligen Analysten (GESCHKA, 1995, S. 635).

2.5.1.3 Technologie-Roadmapping

Als bewährte Methode im Rahmen der Technologiefrüherkennung erfüllt Technolo-

gie-Roadmapping den Wunsch nach „der Prognose der zeitlichen Entwicklungen von

Technologien samt ihren häufig heterogenen Verknüpfungen sowie der Ableitung

von Maßnahmen, die der Erhaltung bzw. Verbesserung der technologischen Position

eines Unternehmens dienlich sind“ (MÖHRLE & ISENMANN, 2005, S. 1). Seinen Ur-

sprung findet Technologie-Roadmapping in der amerikanischen Automobilindustrie.

Weiterführende Ansätze von Global Playern wie MOTOROLA Inc oder PHILIPS in

2 Stand der Forschung 47

den 1970er und 1980er Jahren förderten die starke Verbreitung der Methode in der

Folge enorm (PHAAL, FARRUKH & PROBERT, 2004, S. 10).

Im Mittelpunkt des Technologie-Roadmappings steht eine Roadmap, wie sie bei-

spielhaft in Bild 2.13 dargestellt ist. Sie dient der Visualisierung von Technologien

sowie deren Verknüpfung bzw. Zusammenführung mit F&E-Aktivitäten, Produkten

und dem Markt entlang eines bestimmten Betrachtungshorizonts. So kann Unter-

nehmen sowohl eine technologische Marschrichtung als auch eine Orientierungshilfe

für eine bessere, bereichsübergreifende Zusammenarbeit vorgegeben werden. Die

Tätigkeiten zur Erstellung und Pflege solcher Roadmaps bezeichnet man schließlich

als Technologie-Roadmapping (MÖHRLE & ISENMANN, 2005, S. 3–4; PETRICK &

ECHOLS, 2004, S. 89). Wichtige Informationen, die Aufschluss über technologischen

Entwicklungen, notwendige Ressourcen für deren Umsetzung und mögliche Anwen-

dungsmöglichkeiten im Produktportfolio geben, werden dabei gesammelt, verknüpft

und in eine konsistente Roadmap überführt (PETRICK & ECHOLS, 2004, S. 89).

Bild 2.13: Beispielhafte Darstellung einer Technologie-Roadmap in Anlehnung an PETRICK & ECHOLS,

2004, S. 89

Beim Technologie-Roadmapping ist jedoch zu beachten, dass man hauptsächlich mit

Prognosen technologischer Entwicklungen und deren wechselseitigen Beziehungen

zu anderen Gegebenheiten arbeitet. Unsicherheit spielt hier also eine große Rolle

und muss in der Anwendung der Methode berücksichtigt werden. Man läuft sonst

schnell Gefahr, durch ein stures Festhalten an einer Roadmap den Zufall durch den

Irrtum zu ersetzen. Dennoch genießt die Methode in der Praxis eine hohe Wert-

Zeit

F&E 1 F&E 2 F&E 3 F&E 4

T 1T 2 T 3

P 1 P 2 P 3

P 4 P 5

M 1 M 2Markt

Produkt

Technologie

F&E-

Aktivitäten

48 2 Stand der Forschung

schätzung, da sie neben einer technologischen und marktbezogenen Orientierung

auch eine effiziente sowie einfache Handhabung ermöglicht (MÖHRLE & ISENMANN,

2005, S. 9–10).

2.5.1.4 TRIZ – Theorie des erfinderischen Problemlösens

TRIZ entstammt ursprünglich nicht der Technologiefrüherkennung, wird aber auf-

grund ihrer Vielseitigkeit und ihres Problemlösecharakters mittlerweile verstärkt auch

in diesem Themenfeld eingesetzt (GRAWATSCH, 2005, S. 31). Die Entstehung von

TRIZ geht auf den Wissenschaftler GENRICH S. ALTSCHULLER zurück. Er verfolgte

„das Ziel, dem Entwickler eine Methode an die Hand zu geben, die ihn bei der Lö-

sung technischer Probleme unterstützen sollte“ (GRAWATSCH, 2005, S. 33). Grundla-

ge bildet dabei die Annahme, dass die Evolution technischer Systeme ihre eigenen

Gesetz- und Regelmäßigkeiten aufweist. Werden solche Regelmäßigkeiten erkannt,

können sie gezielt zur Problemlösung eingesetzt werden. Durch langjährige Pa-

tentanalysen sowie zahlreiche wissenschaftliche Arbeiten und empirische Studien

hat ALTSCHULLER zusammen mit seinen Kollegen diese Annahme gestützt und in ei-

ne Methodik namens TRIZ überführt (ALTSCHULLER, 1996, S. 2–6; ILEVBARE, PROBERT

& PHAAL, 2013, S. 31). TRIZ ist dabei das russische und auch international anerkann-

te Akronym für die „Theorie des erfinderischen Problemlösens“ (KOLTZE & SOUCHKOV,

2011, S. 18). Die umfangreichen Arbeiten und Studien von ALTSCHULLER und seinen

Kollegen führten zu wesentlichen Erkenntnissen, die als Leitsätze einer TRIZ-

gestützten Denkweise gelten (EVERSHEIM, BREUER, GRAWATSCH, HILGERS, KNOCHE,

ROSIER, SCHÖNING & SPIELBERG, 2003, S. 151; GRAWATSCH, 2005, S. 33–34; KOLTZE

& SOUCHKOV, 2011, S. 18):

Systematische Erarbeitung innovativer Problemlösungen durch präzise Prob-

lembeschreibungen sowie die wiederkehrende Nutzung bereits bekannter Lö-

sungsprinzipien aus unterschiedlichen Bereichen oder Branchen;

Überwindung von Widersprüchen für innovative Problemlösungen;

Existenz von Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien in der technischen Evolution.

Aufbauend auf diese Erkenntnisse hat sich im Rahmen der TRIZ ein prinzipielles

Vorgehen zur Problemlösung herauskristallisiert, dessen prinzipieller Ablauf in Bild

2.14 dargestellt ist. Dieser Ablauf erfolgt schrittweise und beruht auf der Verwendung

von Analogien. Im ersten Schritt wird das zugrundeliegende Problem generalisiert,

um entsprechende Analogien zu früheren Problemstellungen aufspüren zu können.

Deren bekannte Lösungsmuster lassen sich schließlich auf die ursprüngliche Prob-

lemstellung übertragen und regen den Entwickler dazu an, eigene problemspezifi-

2 Stand der Forschung 49

sche Lösungsideen zu entwickeln und umzusetzen (EVERSHEIM ET AL., 2003, S. 152;

GRAWATSCH, 2005, S. 34).

Bild 2.14: Prinzipielles Vorgehen zur Problemlösung mit TRIZ nach EVERSHEIM, BREUER, GRAWATSCH,

HILGERS, KNOCHE, ROSIER, SCHÖNING & SPIELBERG, 2003, S. 152

Zur systematischen Unterstützung des Problemlöseprozesses im Sinne der TRIZ

sind in den vergangenen Jahren zahlreiche Techniken, Methoden und Hilfsmittel

entwickelt worden (GRAWATSCH, 2005, S. 34; ILEVBARE ET AL., 2013, S. 31). Der Groß-

teil dieser TRIZ-Werkzeuge lässt sich unabhängig voneinander in spezifischen Situa-

tionen zur Anwendung bringen. Werkzeuge der klassischen TRIZ wurden bis 1989

noch von ALTSCHULLER und seinem Team selbst entwickelt. In der Folgezeit hat sich

dieses ursprüngliche Portfolio um fortgeschrittene sowie besonders praxis- und soft-

wareorientierte Werkzeuge noch zusätzlich erweitert (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011,

S. 20, S. 31). Tabelle 2.4 zeigt in diesem Zusammenhang eine umfassende Auswahl

an klassischen sowie neuartigen TRIZ-Werkzeugen, die in der Literatur vorwiegend

Erwähnung finden. Insbesondere TRIZ-Werkzeuge, die auf die „Antizipation techno-

logischer Entwicklungen“ abzielen, bergen dabei enormes Potential für einen Einsatz

im Rahmen einer systematischen Technologiefrüherkennung und genießen verstärk-

te Aufmerksamkeit im Forschungsbetrieb (GRAWATSCH, 2005, S. 36; KUCHARAVY,

2007, S. 44; LITVIN, 2014, S. 3). Hierbei handelt es sich vor allem um das Prinzip der

Idealität, den System Operator, die Trends der Technikevolution, die S-Kurven-

Analyse, die „Main Parameters of Value Discovery“, das „TRIZ-Forecasting“, die Di-

rected Evolution™ sowie die Ansätze zur TRIZ-basierten Technologiefrüherkennung

Konkretes Problem

Abstraktes Problem Abstrakte Lösung

Konkrete Lösung

Ab

str

ah

iere

n

Ko

nkre

tisie

ren

50 2 Stand der Forschung

und zum TRIZ-basierten Technologie-Roadmapping. Die aufgezählten Werkzeuge

werden im Folgenden näher vorgestellt.

Tabelle 2.4: TRIZ-Werkzeuge in Anlehnung an GRAWATSCH, 2005, S. 138; Innovation Tool Academy, 2011, S. 481; KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 31; LITVIN, 2011, S. 4; MÖHRLE, 2005, S. 185; SOUCHKOV, 2008, S. 1–6

Werkzeuge der klassischen TRIZ Neuartige TRIZ-Werkzeuge

Idealität Technische/physikalische Widersprüche Widerspruchsmatrix 40 Innovationsprinzipien 4 Separationsprinzipien Stoff-Feld-Modell 76 Standardlösungen Trends der Technikevolution Evolutionsgesetze, -trends, -linien Zwergemodell Operator MZK System Operator ARIZ

Ressourcen-Checkliste Innovations-Checkliste Funktionsmodell Trimmen Feature-Transfer Funktionsorientierte Suche S-Kurven-Analyse „Main Parameters of Value Discovery“ Innovation Roadmaps „TRIZ Forecasting“ Directed Evolution™ TRIZ-basiertes Technologie-Roadmapping TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung

Idealität

Das Prinzip der Idealität ist ein wesentlicher Bestandteil der TRIZ-gestützten Denk-

weise. Manifestiert ist dieses Bestreben in der zentralen Gesetzmäßigkeit der techni-

schen Evolution: Sämtliche technischen Systeme entwickeln sich in Richtung eines

ansteigenden Grads an Idealität (SALAMATOV, 2005, S. 141). Idealität ist dabei ein

Maß für den Erreichungsgrad des idealen technischen Systems und lässt sich ma-

thematisch als der Quotient zwischen Nutzen und Aufwand ausdrücken. TRIZ defi-

niert das ideale technische System über eine Extremwertbetrachtung dieses Quoti-

enten. Dem maximalen Nutzen steht dabei ein Null-Aufwand gegenüber. Hier wird

bewusst der Bogen zu einem idealen aber unrealistischen technischen System ge-

spannt, um gezielt zur Entdeckung und Berücksichtigung bisher ungeahnter, neuarti-

ger Evolutionsstufen anzuregen (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32; KOLTZE & SOUCHKOV,

2011, S. 33). Zum einen kann der Optimierung eines technischen Systems dadurch

ein konkreter Orientierungsrahmen vorgegeben werden, zum anderen wird die Su-

che nach den notwendigen Ressourcen wie bspw. Technologien zur Umsetzung der

jeweiligen Evolutionsstufen deutlich erleichtert (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32; STRAT-

TON, MANN & OTTERSON, 2000, S. 3). Für die Formulierung eines idealen technischen

Systems sind prinzipiell auch keine Kunden- oder Marktanalysen notwendig, da sich

das Prinzip der Idealität an allgemeingütigen sowie zeitunabhängigen Fragen nach

Kosten, Nutzen oder Schäden orientiert (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 38–39).

2 Stand der Forschung 51

System Operator

Der System Operator, auch „Multi-Screen“-Ansatz genannt, ist ein Werkzeug, mit

dem die Evolution eines technischen Systems detailliert und systematisch aufge-

schlüsselt werden kann. Man betrachtet die zeitliche Entwicklung des Systems mit all

seinen Bestandteilen sowie der Umgebung, in der das System zur Anwendung

kommt (ILEVBARE ET AL., 2013, S. 32). Wie in Bild 2.15 zu sehen ist, lässt sich der

System Operator typischerweise als eine Matrix aus neun oder mehr Feldern darstel-

len, die für eine ganzheitliche Beschreibung des technischen Systems entsprechend

befüllt werden muss. Die vertikale Achse veranschaulicht darin die Systemstruktur,

während die horizontale Achse die zeitliche Entwicklung von der Vergangenheit bis

in die Zukunft darstellt. Die Systemstruktur ergibt sich wiederum aus dem System

selbst, dessen Subsystem sowie dem umgebenden Supersystem (KOLTZE & SOUCH-

KOV, 2011, S. 191; LOVEL, SEASTRUNK & CLAPP, 2006, S. 8).

Bild 2.15: Aufbau des System Operators in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 18, S. 24; KOLTZE &

SOUCHKOV, 2011, S. 192

Die Befüllung der Matrix beginnt im mittleren Feld, in dem das gegenwärtige System

möglichst eindeutig und vollständig zu beschreiben ist. Im nächsten Schritt wird das

System in seine einzelnen Komponenten (Bauteile, Baugruppen) mit deren Ausprä-

gungen (Material, Funktion, Form etc.) zerlegt, die zusammengefasst das Subsystem

repräsentieren. Anschließend ist die Umgebung des Systems zu betrachten. Hier

rücken vor allem die unterschiedlichen Anwendungsbereiche des Systems in den

Vordergrund. Ferner ist dabei zu untersuchen, mit welchen weiteren Systemen das

Vergangenheit Gegenwart Zukunft

System

Supersystem

Subsystem

Schritt 1

Schritt 2

Schritt 3Schritt 4

Schritt 4

Schritt 4 Schritt 5

Schritt 5

Schritt 5

52 2 Stand der Forschung

betrachtete System in Kontakt steht und wie es durch die Umwelt beeinflusst wird. Im

Folgenden muss die Historie bzw. Technikgeschichte von Subsystem, System und

Supersystem erarbeitet und in die vorgesehenen Felder eingetragen werden (ADUN-

KA, 2014, S. 18). Durch den zeitlichen Rückblick sollen mögliche Trends und Entwick-

lungslinien auf den unterschiedlichen Ebenen des technischen Systems verdeutlicht

werden. Diese sollen schließlich dazu anregen, im letzten Schritt auf potentielle Ent-

wicklungsmöglichkeiten in der Zukunft zu schließen (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011,

S. 192–193). Die mehrschichtige Denkweise im System Operator erweitert somit ge-

zielt den Lösungshorizont und schafft neue Suchfelder für die Identifikation wichtiger

Ressourcen wie z.B. Technologien (KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 191; LOVEL ET AL.,

2006, S. 8).

Trends der Technikevolution

Die Trends der Technikevolution, im englischsprachigen Raum auch „Trends of En-

gineering System Evolution“ (TESE) genannt, stehen für die natürlichen Übergänge

zwischen den einzelnen Evolutionsstufen eines technischen Systems. Sie gelten als

allgemeingültige Entwicklungsgesetze, die sich nach langjährigen und umfangrei-

chen Untersuchungen an einer Vielzahl von unterschiedlichen Systemen herauskris-

tallisiert haben, und liefern wichtige Hinweise zu neuen Lösungsansätzen oder tech-

nologischen Weiterentwicklungen (ADUNKA, 2014, S. 317; SHENG, NAMASIVAYAM &

THONG, 2012, S. 184). ALTSCHULLER beschreibt diese Gesetze nach der klassischen

TRIZ-Lehre wie folgt (ADUNKA, 2014, S. 318; KUCHARAVY, 2007, S. 35):

Gesetz der Vollständigkeit der System-Komponenten: Vorliegen der

Hauptteile und minimalen Funktionsfähigkeit eines Systems;

Gesetz der energetischen Leitfähigkeit eines Systems: Energiefluss durch

alle System-Komponenten;

Gesetz der Harmonisierung der System-Komponenten: Abstimmung der

Rhythmik (Frequenz, Periodizität etc.) zwischen allen System-Komponenten;

Gesetz der zunehmenden Idealität: Entwicklung in Richtung der Erhöhung

des Idealitätsgrades;

Gesetz der ungleichmäßigen Evolution von System-Komponenten: un-

gleichmäßige Entwicklung der einzelnen System-Komponenten;

Gesetz des Übergangs zum Supersystem: Aufnahme des Systems als ein

Teil des Supersystems;

Gesetz des Übergangs von Makro- zu Mikroebene: Entwicklung der Ar-

beitsorgane eines Systems auf Makro- und dann auf Mikroebene;

Gesetz des zunehmenden Anteils von Stoff-Feld-Beziehungen: Erhöhung

des Anteils und der Rolle von Stoff-Feld-Wechselwirkungen.

2 Stand der Forschung 53

In der neueren TRIZ-Literatur stößt man auf modifizierte bzw. erweiterte Darstel-

lungsweisen der TESE, die unabhängig von Zeit, Erfinder oder Branche ihre Geltung

genießen (ADUNKA, 2014, S. 329; GEN3 Partners, 2007, S. 33; SHENG ET AL., 2012,

S. 184). Eine dieser Darstellungsweisen, in der vor allem die hierarchische Struktur

und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Trends betont werden, ist bei-

spielhaft in Bild 2.16 veranschaulicht.

Bild 2.16: Erweitertes TESE-Modell nach ADUNKA, 2014, S. 329

In diesem Modell orientiert man sich an der übergeordneten Entwicklung sämtlicher

technischer Systeme entlang einer charakteristischen S-Kurve, die vor allem durch

den Trend der zunehmenden Idealität aller Technologien geprägt ist. Letztere lässt

sich dabei über das Verhältnis von Funktionalität zu Kosten darstellen, welches sich

während der Lebensdauer eines technischen Systems gemäß dessen Leistungsfä-

higkeit verändert. Die übrigen Trends dieses Modells sind wiederum der Idealität un-

tergeordnet und bestimmen maßgeblich deren Veränderung im Laufe der Zeit

(ADUNKA, 2014, S. 329, S. 336–337). Solche Trends lassen sich als Subtrends be-

zeichnen und beschreiben mögliche Entwicklungsrichtungen eines technischen Sys-

tems. Ihre entsprechende Ausprägung wird jedoch abermals von zahlreichen weite-

ren, untergeordneten Trends entscheidend beeinflusst (Innovation Tool Academy,

2011, S. 153). Eine vollständige Übersicht über sämtliche Trends, Subtrends, Sub-

Subtrends sowie deren spezifische Verläufe innerhalb des erweiterten TESE-Modells

ist dem Anhang dieser Arbeit zu entnehmen (vgl. Anhang A).

Evolution entlang

der S-Kurven

Zunehmende

Idealität

Übergang zum

SupersystemVollständigkeit der

Systemkomponenten

Zunehmender

Trimm-Grad

Zunehmende

Fluss-Optimierung

Zunehmende

Koordination,

Kontrollierbarkeit &

Dynamisierung

Ungleichmäßige

Entwicklung von

Systemkomponenten

Abnehmende

menschliche

Interaktion

54 2 Stand der Forschung

S-Kurven-Analyse & “Main Parameters of Value Discovery”

Wie aus den TESE bereits hervorgeht, ist die S-Kurven-Analyse ein elementares

Hilfsmittel, um die Entwicklung eines Systems mit all seinen Komponenten und

Technologien zu beschreiben (Innovation Tool Academy, 2011, S. 8). Der idealtypi-

sche Verlauf einer solchen Kurve ist in Bild 2.17 dargestellt und lässt sich in die Evo-

lutionsstufen der Einführung, des Übergangs, des Wachstums, der Reife sowie der

Degeneration unterteilen. Letztere leitet dabei immer den Sprung auf eine neue S-

Kurve ein und kennzeichnet somit den baldigen Übergang zu einem neuen techni-

schen System oder einer neuen Technologie (ADUNKA, 2014, S. 333).

Bild 2.17: S-Kurve eines technischen Systems mit ihren spezifischen Phasen in Anlehnung an ADUN-

KA, 2014, S. 332–333

Die einzelnen Evolutionsstufen sind selbst wiederum durch äußerst charakteristische

Merkmale geprägt, die im Folgenden näher vorgestellt werden (Innovation Tool

Academy, 2011, S. 19, S. 42, S. 53, S. 76, S. 116):

Einführungsphase: Entstehung des technischen Systems; Bereitstellung der

Systemfunktion; Verfeinerung des Systemdesigns sowie der Systemkompo-

nenten; Abstimmung der Wirkweisen zwischen den Systemkomponenten und

dem Supersystem; langsamer Anstieg der Leistungsfähigkeit;

Übergangsphase: Versuch der Markteinführung am Ende der Einführungs-

phase; Konfrontation des technischen Systems mit gesellschaftlichen und

marktseitigen Reaktionen sowie konkurrierenden Systemen; Durchsetzung

des technischen Systems; erfolgreiche Markteinführung;

Technisches System/

Technologie

Neues, technisches System/

Technologie

Entwicklungsgrenze

Zeit

Indikator/

MPV

Einführung

Wachstum

Reife

Degeneration

Übergang

2 Stand der Forschung 55

Wachstumsphase: Anstieg der Leistungsfähigkeit und des Produktionsvolu-

mens; Erschließung neuer Anwendungsgebiete;

Reifephase: Erreichung der Leistungsgrenze; Stabilisierung des Produktions-

volumens;

Degenerationsphase: Wertverlust; Rückgang des Produktionsvolumens.

Im Rahmen der TRIZ unterscheidet man im Allgemeinen zwei Varianten der S-

Kurven-Analyse (Innovation Tool Academy, 2011, S. 9–10). Bei der gewöhnlichen S-

Kurven-Analyse liegt das Analyselevel auf der Ebene des technischen Systems. Die-

ses wird anhand unterschiedlicher Indikatoren, die sich bspw. auf Anwendungsgebie-

te, Marktverhalten oder die Interaktion mit dem Supersystem beziehen, in seine spe-

zifische Evolutionsstufe eingeordnet. Dabei wird angenommen, dass sich der Groß-

teil der wesentlichen Komponenten eines Systems in der gleichen Stufe befindet wie

das System selbst. Ferner existieren für jede Stufe entsprechende Handlungsemp-

fehlungen, die dabei helfen sollen, das technische System in seiner Entwicklung vo-

ranzubringen. Tabelle 2.5 zeigt vor diesem Hintergrund eine Auswahl bewährter Indi-

katoren und Handlungsempfehlungen für die einzelnen Evolutionsstufen (Innovation

Tool Academy, 2011, S. 9). Die fortgeschrittene Variante der S-Kurven-Analyse

stützt sich hingegen auf die „Main Parameters of Value Discovery“ (Innovation Tool

Academy, 2011, S. 10). „Main Parameters of Value“ (MPVs) sind Schlüsselattribute

eines technischen Systems und stehen für richtungsweisende Größen innerhalb des

Kaufentscheidungsprozesses (JUNG, 2010, S. 8; LITVIN, 2011, S. 7). Grundsätzlich

unterscheidet man dabei zwischen strategischen und funktionalen MPVs. Während

strategische Parameter eher allgemein formuliert sind und sich direkt auf das Kauf-

verhalten der Kunden auswirken, sind funktionale Parameter sehr spezifisch auf die

charakteristischen Eigenschaften und Merkmale eines Systems ausgerichtet. Sie

können bspw. geometrische, physikalische, chemische oder biologische Attribute

beschreiben und bilden somit die technischen Voraussetzungen für die strategischen

MPVs. Um MPVs systematisch bestimmen zu können, ist oftmals eine strukturierte

und hierarchische Aufschlüsselung des Systems in seine Haupt- und Teilfunktionen

sowie deren technische Voraussetzungen hilfreich (IKOVENKO, 2008, S. 9–11). Ge-

mäß den TESE entwickeln sich letztendlich auch MPVs entlang einer charakteristi-

schen S-Kurve (vgl. Bild 2.17), über deren Analyse sich in der Folge schwach aus-

geprägte Parameter eines technischen Systems identifizieren lassen. Das Auffinden

solch unterentwickelter Parameter erlaubt wiederum konkrete Rückschlüsse auf be-

nötigte Ressourcen wie z.B. neue Technologien, die entscheidende Meilensteine für

die Weiterentwicklung des technischen Systems darstellen können (Innovation Tool

Academy, 2011, S. 10; MALININ, 2014, S. 23).

56 2 Stand der Forschung

Tabelle 2.5: Auswahl an Indikatoren zur S-Kurven-Analyse in Anlehnung an Innovation Tool Academy, 2011, S. 146–147

Evolutionsstufen Indikatoren Handlungsempfehlungen

Einführungsphase neues, nur bedingt marktreifes System

ansteigende Funktionalität lässt Kosten stark sinken

Adaption von Technologien anderer Systeme

Kosten überwiegen im Vergleich zum Umsatz

langsam anwachsende MPVs

Feststellen von Engpässen, die den Markteintritt erschweren

Nutzung vorhandener Ressour-cen und Infrastrukturen

Integration von führenden Sys-temen auf dem Markt

elementare Änderungen am System sind erlaubt

Prognose des Supersystems

Übergangsphase rasch anwachsende MPVs

Marktreife fast erreicht

nur bedingt erfolgreiche Markt-einführung des Systems

rasche Markteinführung

Fokus auf die Spitzenmerkmale

weniger elementare Änderungen am System sind noch erlaubt

Wachstumsphase Übergang zur Massenproduktion

erste Erweiterungen der An-wendungsgebiete

steigender Differenzierungsgrad

vereinzelte Interaktion mit Su-persystem

Verbrauch von systemspezifi-schen Ressourcen

ganzheitliche Optimierung

Erschließung neuer Anwen-dungsgebiete

Beseitigen von Schwachstellen

Adaption neuer Komponenten für höhere Funktionalität

Identifikation von systemspezifi-schen Ressourcen

Reifephase Erreichung von Entwicklungs-grenzen

verstärkte Interaktion mit Super-system

Verbrauch von höchst-spezifischen Ressourcen

Design und Funktion als Diffe-renzierungsmerkmale

Erschließung neuer Anwen-dungsgebiete oder Marktnischen

langsam anwachsende MPVs

Reduktion von Kosten, Verbes-serung von Design und Service

Vorbereitung auf den Übergang zum Supersystem

Änderung des Funktionsprinzips von System oder Komponenten

Fokus auf unterentwickelte MPVs

Degenerationsphase System nur noch in spezifischen Bereichen zweckmäßig

System als Komponente des Supersystems

Reduktion von Kosten, Verbes-serung von Design und Service

Änderung des Funktionsprinzips von System oder Komponenten

Übergang zum Supersystem

Suche nach weiteren Märkten

„TRIZ-Forecasting“

In der TRIZ-Forschung hat sich mit dem „TRIZ-Forecasting“ ein weiterer Ansatz zur

Technologiefrüherkennung hervorgetan, mit dem man zusätzlich zu potentiellen Wei-

terentwicklungen von Technologien auch neue konstruktive Produktlösungen identifi-

zieren kann (Innovation Tool Academy, 2011, S. 481–486). Dafür kombiniert man

2 Stand der Forschung 57

klassische Prognosewerkzeuge wie die TESE sowie die MPV-gestützte S-Kurven-

Analyse mit problemlösenden TRIZ-Werkzeugen wie der Funktionsanalyse, der Ur-

sache-Wirkungsanalyse, dem Trimmen, dem Feature-Transfer oder der funktionsori-

entierten Suche zu einem umfassenden Vorgehensmodell. Neu ist darin auch ein

Benchmarking-Tool, das S-Kurven-Analysen entlang existierender oder prognosti-

zierter MPVs verwendet, um technische Systeme bzw. Technologien mit konkurrie-

renden oder ähnlichen Systemen bzw. Technologien zu vergleichen und somit mög-

liche Schwachstellen, Leistungsgrenzen oder Entwicklungslücken aufzudecken (In-

novation Tool Academy, 2011, S. 3, S. 489–496). Gegenüber einer klassischen Pro-

duktverbesserung sind innerhalb dieses Ansatzes deutliche Unterschiede hinsichtlich

Betrachtungshorizont und technischer Zielsetzung zu erkennen. Der Fokus liegt hier

weniger auf einer zeitnahen Optimierung eines Produkts mit seinen spezifischen,

technischen Eigenschaften und Parametern, sondern vielmehr auf einer zukunftsori-

entierten und weitgefassten Suche nach neuen Technologien und potentiellen Märk-

ten für eine ganze Produktkategorie. Der gestalterische Spielraum ist dementspre-

chend groß und Veränderungen können für sämtliche Produktaspekte herbeigeführt

werden (Innovation Tool Academy, 2011, S. 488).

Directed Evolution™

Im Zentrum der bisher beschriebenen TRIZ-Werkzeuge zur Früherkennung von

Technologien steht vor allem die Frage, mit welchen technologischen Veränderun-

gen das betrachtete System auf seine nächste Evolutionsstufe gebracht werden

kann (KUCHARAVY, 2007, S. 49). ZLOTIN & ZUSMAN erweitern mit ihrem Konzept der

gerichteten Evolution bzw. Directed Evolution™ (DE) diese Fragestellung und führen

ein Verfahren zur Erarbeitung von potentiellen Evolutionsszenarien für Technologien,

Produkte, Unternehmen, Industrien, Märkte oder die Gesellschaft ein. Die vielver-

sprechendsten Szenarien werden in der Folge, gestützt auf einen strategischen Ent-

scheidungsprozess, systematisch in die Organisation eingebunden. Der naturgemä-

ße Prognosecharakter einer Technologiefrüherkennung wird somit durch die konkre-

te Umsetzung einer gerichteten Evolution verdrängt (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 20).

Folgende Axiome liegen dem theoretischen Grundgerüst der DE dabei zugrunde

(ZUSMAN, ZLOTIN & ZAINIEV, 2012, S. 2–6):

Existenz von Evolutionsmustern;

Markt- bzw. kundengesteuerte Evolution von Systemen;

Evolution auf Kosten von Ressourcen;

Abhängigkeit der Langzeitentwicklung vom Gesamtsystem;

Existenz von alternativen Evolutionsrichtungen.

58 2 Stand der Forschung

In ihrem Aufbau orientiert sich die DE sehr stark an bestimmten Evolutionsmustern,

die um weitere Hilfsmittel, Techniken, Werkzeuge und Software-Tools ergänzt und zu

einem systematischen Vorgehen verknüpft werden (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 20–

21).

Bild 2.18: Ablauf der Directed Evolution™ nach ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 21

Bild 2.18 zeigt das Vorgehen der DE, das sich in fünf typische Phasen mit spezifi-

schen Aufgabenbereichen unterteilen lässt. Die einzelnen Phasen werden nachfol-

gend näher erläutert (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001, S. 22–31):

Sammlung historischer Daten: Historische Betrachtung des Systems in

Verbindung mit Super- und Subsystem zur Verdeutlichung der Systemstruktur;

Ableitung genereller Evolutionstrends im System und Systemumfeld; Unter-

stützung durch Patentanalysen, Expertengespräche oder auch spezielle DE-

Werkzeuge wie z.B. DE-Fragebogen oder DE-Fehleranalyse;

DE-Diagnose: Identifikation potentieller Evolutionsrichtungen des Systems

unter Berücksichtigung künftiger Hindernisse oder Probleme; Abgleich mit

Evolutionsmustern technischer Systeme; Überführung in konkrete, künftige

Evolutionslinien des Systems; Unterstützung durch S-Kurven-Analysen;

Ideensynthese: Generierung und Sammlung spezifischer Ideen zur Weiter-

entwicklung des Systems entlang seiner Evolutionslinien; Unterstützung durch

Kreativitätstechniken;

Entscheidungsfindung: Überführung der erarbeiteten Ideen in konsistente

Evolutionsszenarien; Einbindung von Entwicklern sowie Fachleuten des Ver-

HeuteVergangenheit Zukunft

1 4

5

32

Sammlung historischer Daten Entscheidungsfindung

IdeensyntheseDirected Evolution Diagnose

Unterstützung der

gerichteten Evolution

2 Stand der Forschung 59

triebs, Marketings oder Finanzwesens; Ausarbeitung von konkreten Zielset-

zungen, Strategien, Ressourcen- und Umsetzungsplänen für die einzelnen

Szenarien;

Unterstützung der gerichteten Evolution: systematische Planung und Aus-

gestaltung der Evolutionsszenarien; kontinuierliche Überwachung, Kontrolle

und Anpassung der Szenario-Umsetzung.

Zusammenfassend erweist sich die DE als sehr systematisches, aber auch komple-

xes und äußerst aufwändiges Konzept, das nicht nur auf die Früherkennung von

Technologien abzielt, die für die Weiterentwicklung eines zu untersuchenden Sys-

tems relevant sind, sondern auch eine ganzheitliche Planung und Umsetzung einer

zukunftsweisenden, gerichteten Evolution des entsprechenden Systems gewährleis-

tet. Gerade bei komplexeren Aufgabenstellungen empfehlen ZLOTIN & ZUSMAN daher

den Einsatz von Software-Tools zur Unterstützung der DE (ZLOTIN & ZUSMAN, 2001,

S. 20–22).

TRIZ-basiertes Technologie-Roadmapping

Auch außerhalb der reinen TRIZ-Forschung wurden TRIZ-Bestandteile adaptiert und

in Ansätze zur Technologiefrüherkennung integriert. MÖHRLE bedient sich dabei an

den Entwicklungsgesetzen technischer Systeme und verknüpft diese mit der Metho-

de des Technologie-Roadmappings. Ziel ist es, neben einer zeitlichen und inhaltli-

chen Prognose von Technologien auch dem kreativen Denken bei der Produktfin-

dung eine erfolgversprechende Richtung vorzugeben (MÖHRLE, 2005, S. 185). Dafür

wird ein Vorgehensmodell vorgeschlagen, das auf fünf wesentlichen Schritten auf-

baut. Zunächst muss das Untersuchungsfeld festgelegt und im Anschluss eine funk-

tionale Abstraktion des technischen Systems vorgenommen werden. Im dritten

Schritt erfolgt ausgehend von den TRIZ-Entwicklungsgesetzen eine Prognose sowie

Bewertung der potentiellen Technologien. Die prognostizierten und bewerteten

Technologien werden daraufhin in entsprechende Technologie-Roadmaps überführt,

um ein Entwicklungsmodell für die Zukunft zu schaffen. Der letzte Schritt dient

schlussendlich dazu, aus diesem Entwicklungsmodell konkrete Produkt-, Prozess-

oder Dienstleistungsideen abzuleiten (MÖHRLE, 2005, S. 193–194). MÖHRLE weist

abschließend darauf hin, dass dieses systematische Vorgehen vor allem für eine

funktionsübergreifende bzw. interdisziplinarische Zusammenarbeit ausgelegt ist. So

kann dem zugrundeliegenden Vorhaben eine deutlich höhere Nachvollziehbarkeit

verliehen und entscheidend zur Konsensbildung und homogenen Ausrichtung einer

Organisation beigetragen werden (MÖHRLE, 2005, S. 202).

60 2 Stand der Forschung

TRIZ-basierte Technologiefrüherkennung

GRAWATSCH hat mit seinem Ansatz zur TRIZ-basierten Technologiefrüherkennung

eine Methodik vorgestellt, „mit der das Potential von Produkttechnologien, die diesel-

be primäre Funktion erfüllen, aus der Sicht eines Technologieeigners abgeschätzt

werden kann“ (GRAWATSCH, 2005, S. 43). Er verbindet darin die wesentlichen TRIZ-

Werkzeuge und TRIZ-Philosophien mit bewährten Elementen der Technologiefrüher-

kennung (GRAWATSCH, 2005, S. 43). Für eine solche Potentialabschätzung entlang

des Technologiefrüherkennungsprozesses (vgl. Kapitel 2.2.2.1) ist es wichtig, inner-

halb eines festgelegten Suchfelds zukunftsträchtige Technologien zu identifizieren

sowie deren mögliche Entwicklungsrichtungen und -grenzen zu antizipieren (GRA-

WATSCH, 2005, S. 44). Zur Strukturierung des Suchfelds und der damit verbundenen

Informationsbeschaffung über potentielle Technologien stützt sich GRAWATSCH auf

das Konzept des System Operators. Die Antizipation von Entwicklungsmöglichkeiten

sowie -grenzen der identifizierten Technologien beruht in der Folge auf S-Kurven-

Analysen und den Gesetzmäßigkeiten und Prinzipien technischer Evolution (GRA-

WATSCH, 2005, S. 65, S. 75, S. 95). Insgesamt ist die TRIZ-basierte Technologiefrüh-

erkennung bewusst auf die aktuell sehr dynamischen sowie komplexen Rahmenbe-

dingungen für Unternehmen ausgelegt und darf deshalb „keinesfalls als starres

Werkzeug verstanden werden, sondern muss flexibel an die individuelle Situation

und an zukünftige Veränderungen des technologischen und unternehmerischen Um-

feldes angepasst werden“ (GRAWATSCH, 2005, S. 138).

Besonders aufgrund der Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten der Evolution technischer

Systeme, die eine zentrale Rolle bei den vorgestellten TRIZ-Werkzeugen spielen,

erweist sich TRIZ als vielversprechende Methode zur Unterstützung einer systemati-

schen Technologiefrüherkennung (GRAWATSCH, 2005, S. 36). Zusätzlich wird durch

die TRIZ-Denkweise eine enge Verknüpfung zum untersuchten Objekt und dessen

technologischem Grundgerüst gewährleistet (LOVEL ET AL., 2006, S. 1). TRIZ-

Werkzeuge zur Technologiefrüherkennung liefern dabei hauptsächlich qualitative

Ergebnisse, die jedoch nur begrenzt quantitativ untermauert werden. Zudem erweist

sich die Reproduzierbarkeit dieser sehr spezifischen Werkzeuge oftmals als Problem.

Vor diesem Hintergrund konzentriert sich der aktuelle Forschungsbetrieb verstärkt

auf die Optimierung einer TRIZ-gestützten Technologiefrüherkennung, um die ge-

nannten Defizite zu beseitigen (KUCHARAVY, 2007, S. 59–61).

2.5.2 Einzel-Methoden zur Technologiebewertung

Methoden zur Technologiebewertung verfolgen aufgrund ihres konzeptuellen Cha-

rakters das Ziel, in komplexen Entscheidungssituationen eine Basis für wohldurch-

2 Stand der Forschung 61

dachtes und zielgerichtetes Handeln zu schaffen und die Entscheidungsqualität auf

diese Weise maßgeblich zu erhöhen. Methoden zur Technologiebewertung müssen

daher klassischen, methodologischen Anforderungen wie Zweckmäßigkeit, Nachvoll-

ziehbarkeit, Zugänglichkeit und Beständigkeit gerecht werden (SCHNEIDER, 2002,

S. 73–74). Ferner besagt das methodische Fundamentalprinzip, dass „Technologie-

bewertungs-Methoden zukunftsgerichtete Methoden sein sollen, die Entscheidungs-

felder konstruieren sollen, anstatt nur zu helfen, vergangene Situationen zu konser-

vieren“ (PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 671). Ebenso muss das Variationsprinzip berück-

sichtigt werden, das für „die maximale Vermehrung eines bewährten Informations-

standes die Beobachtung bzw. die Bearbeitung der Natur an möglichst vielen Stellen

und jeweils unter extrem variierten Bedingungen erfordert“ (PFEIFFER & WEIß, 1995,

S. 671). Zur Vermeidung einer verzerrten Bewertung von Technologien verlangt die-

ses Prinzip neben der Verarbeitung von präzisen und begründeten Informationen

auch die Implikation von technologischen Informationen im Frühstadium, die mit Un-

sicherheiten behaftet sind (SCHNEIDER, 2002, S. 74). Ein weiterer, wichtiger Anforde-

rungspunkt an Bewertungsmethoden ist das sog. Entlastungsprinzip. Dabei ist der

Betrachtungshorizont, in dessen Rahmen die Technologiebewertung durchzuführen

ist, möglichst weit zu fassen, so dass zukünftige Entwicklungen frühestmöglich er-

kannt werden können und bei der nachfolgenden Umsetzung der technologischen

Maßnahmen kein Zeitdruck entsteht (PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 671–672).

Wie bereits bei den Methoden zur Technologiefrüherkennung lassen sich auch hier

qualitative und quantitative Methoden unterscheiden. Quantitative Methoden stützen

sich vor allem auf aussagekräftiges und stichhaltiges Datenmaterial zur Beschrei-

bung der Leistungs- und Anwendungspotentiale von Technologien (GERPOTT, 1999,

S. 110–112). Dies erfordert jedoch viel Erfahrung und spezifisches Know-how von

den zuständigen Analysten. Zudem ist die Aussagekraft quantitativer Methoden

sichtlich begrenzt, „da regelhafte und gesetzesartige Zustände unterstellt werden, die

zwar eine gewisse Plausibilität aufweisen, aber erfahrungswissenschaftlich nicht

überprüfbar sind bzw. sich nicht bewährt haben“ (SCHNEIDER, 2002, S. 87–88). Quali-

tative Methoden nutzen dagegen den Bestand an quantitativen Informationen und

erweitern diesen um Einschätzungen und Beurteilungen von Fachpersonal. Sie sind

somit deutlich flexibler als quantitative Methoden, an unterschiedliche Bewertungssi-

tuationen anpassbar, aber auch subjektiven Einflüssen ausgesetzt, die die Methoden

in der Folge sehr komplex und schwer nachvollziehbar machen können (GERPOTT,

1999, S. 112; SCHNEIDER, 2002, S. 88). Letzten Endes ist eine Einteilung der Metho-

den in die quantitative oder qualitative Methodenklasse oftmals nicht eindeutig. Viel-

mehr verschwimmen die Grenzen beider Kategorien, da viele Methoden sowohl

quantitative als auch qualitative Analyseelemente für die Technologiebewertung ver-

62 2 Stand der Forschung

wenden (SCHNEIDER, 2002, S. 89). Tabelle 2.6 zeigt abschließend eine Gegenüber-

stellung verschiedener Methoden-Sammlungen zur Technologiebewertung aus der

Literatur.

Tabelle 2.6: Methoden-Übersicht zur Technologiebewertung in Anlehnung an PFEIFFER & WEIß, 1995, S. 669; SCHNEIDER, 2002, S. 87; VDI 3780, 2000, S. 31

VDI 3780 (2000) PFEIFFER & WEIß (1995) SCHNEIDER (2002)

Trendextrapolation Historische Analogiebildung Brainstorming Delphi-Studien Morphologische Analysen Relevanzbaumanalyse Risikoanalyse Verflechtungsmatrix Modellsimulation Szenario-Analyse Kosten-Nutzen-Analyse Nutzwert-Analyse

Technologie-Portfolio S-Kurven-Analyse Technologische Analyse Suchfeld-Analyse Funktionalmarkt-Konzept Kreativitätstechniken Technologieprogramm Morphologischer Kasten Patent-Portfolio F&E-Budget Ökologische Schrauben Technologie-Listen Technologie-Indikatoren

Brainstorming Lebenszyklus-Modelle Relevanzbaumanalyse Cross-Impact-Analyse Patentanalyse Szenario-Analyse Delphi-Studien Portfolio-Analyse Trendextrapolation

In der Richtlinie zur Technikbewertung hat der VDI eine Reihe von bewährten Me-

thoden vorgestellt, die allesamt ihren Ursprung als heuristische Methoden des Prob-

lemlösens haben und in unterschiedlichen Aufgabenfeldern zum Einsatz kommen

(VDI 3780, 2000, S. 31). Aufgrund des „fließenden Übergang(s, Anm. des Verf.) von

Technologie- und Technikentstehung“ können diese Methoden auch im Rahmen der

Technologiebewertung eingesetzt werden (KRÖLL, 2007, S. 39). PFEIFFER & WEIß er-

weitern dieses Portfolio klassischer Methoden des Problemlösens um sehr spezifi-

sche Bewertungsmethoden wie Budgetierungs-Konzepte oder Technologie-Listen,

die an den Kontext der Technologieplanung angelehnt sind (PFEIFFER & WEIß, 1995,

S. 669). Eine aktuellere Auswahl, die „anhand aktueller Tendenzen in Wissenschaft

und Praxis vorgenommen“ wurde, liefert dagegen SCHNEIDER (SCHNEIDER, 2002,

S. 87). Es wird deutlich, dass Methoden wie die Szenario-Analyse, Delphi-Studien

oder Patentanalysen, die bereits unter den Methoden zur Technologiefrüherkennung

zu finden waren, auch im Rahmen der Technologiebewertung zum Einsatz kommen.

Eine eindeutige Zuordnung dieser Methoden in die jeweiligen Aufgabenfelder der

Technologiefrüherkennung oder -bewertung scheint folglich nicht möglich. Ebenso

genießen qualitative Methoden insgesamt eine größere Beliebtheit als quantitative

bzw. mathematische Methoden, die trotz ihrer mutmaßlichen Aussagekraft deutlich

unterrepräsentiert sind (SCHNEIDER, 2002, S. 86–87). Bei der folgenden Vorstellung

einzelner Methoden zur Technologiebewertung wird sich grob an den Sammlungen

2 Stand der Forschung 63

von SCHNEIDER sowie des VDI orientiert, die sich größtenteils überdecken und so-

wohl wissenschaftlich als auch praktisch eine hohe Relevanz genießen.

2.5.2.1 Trendextrapolation

Die Trendextrapolation ist eine Methode, die ausgehend von bekannten Entwicklun-

gen aus der Vergangenheit eine Analyse und Prognose zukünftiger Entwicklungen

vornimmt (KRÖLL, 2007, S. 40; SCHNEIDER, 2002, S. 100).

Hintergrund ist die mathematisch-statistische Analyse einer vergangenen Zeitreihe

sowie deren näherungsweise Überführung in eine mathematische Funktion der Zeit.

Es wird angenommen, dass sich die bekannte Zeitreihe als beständig erweist und

immer wiederkehrt. Die Einflussfaktoren auf diese Zeitreihe sind dabei in ihrer Anzahl

begrenzt und werden als statisch betrachtet (GESCHKA, 1995, S. 635–636; KRÖLL,

2007, S. 40).

Der Stand der prognostizierten Entwicklung für künftige Zeitpunkte lässt sich auf die-

se Weise durch eine Extrapolation der Funktion in die Zukunft ermitteln. Man erhält

somit auf relativ einfachem Weg Prognosewerte zu bestimmten Untersuchungs-

merkmalen, die wiederum schnelle Aussagen über Trends zulassen. Innerhalb der

Technologiebewertung können auf diesem Weg bspw. die Entwicklungen technologi-

scher Leistungsindikatoren vorausschauend beschrieben und beurteilt werden

(SCHNEIDER, 2002, S. 100–101).

2.5.2.2 Nutzwert-Analyse

Die Nutzwert-Analyse basiert auf einem entscheidungstheoretischen, multikriteriellen

Modell und vereint sowohl quantitative als auch qualitative Analyseelemente. Sie

dient der Bestimmung von Nutzwerten für unterschiedliche, technologische Hand-

lungsmöglichkeiten unter Berücksichtigung vorab festgelegter sowie gewichteter Be-

wertungskriterien (KRÖLL, 2007, S. 43; ZWECK, 2005, S. 191).

Zur Gegenüberstellung der zu untersuchenden Handlungsalternativen und Bewer-

tungskriterien bedient man sich einer Matrix. Dabei wird jede Handlungsalternative

auf Basis der einzelnen Bewertungskriterien beurteilt und dafür ein entsprechend

skalierter Zahlenwert in die vorgesehene Zelle eingetragen. Durch Multiplikation der

Gewichtungsfaktoren der Bewertungskriterien mit den entsprechend skalierten Zah-

lenwerten lassen sich sog. Teilnutzwerte für die jeweiligen Handlungsalternativen

bestimmen. Diese werden daraufhin zu einem Gesamtnutzwert aufsummiert, der

schlussendlich einen Vergleich und eine Abwägung zwischen Handlungsalternativen

zulässt (KRÖLL, 2007, S. 43; ZWECK, 2005, S. 191).

64 2 Stand der Forschung

Mit der Nutzwert-Analyse können komplexe Bewertungsvorgänge sichtbar verein-

facht und strukturiert werden. Zudem wird eine rational begründete Priorisierung von

Handlungsalternativen ermöglicht, die Diskussionen im Rahmen der Entscheidungs-

findung deutlich erleichtert (KRÖLL, 2007, S. 43).

2.5.2.3 Relevanzbaumanalyse

Die Relevanzbaumanalyse, die ursprünglich aus dem militärischen Sektor stammt

und deren Anwendung im Laufe der Zeit auch auf ökonomische Problemstellungen

erweitert wurde, ist ein Verfahren zur multikriteriellen Entscheidungsunterstützung.

Die zugrunde liegende Problemstellung wird dabei nach und nach in einzelne Teilbe-

reiche zergliedert, was letztendlich zur Strukturierung und vereinfachten Analyse ei-

ner verflochtenen Problemstruktur führt (SCHNEIDER, 2002, S. 142).

Prinzipiell basiert die Relevanzbaumanalyse auf einer „grafentheoretischen Baum-

struktur und dient dazu, komplexe mehrstufige Bedingungsgefüge oder Folgenbündel

eines angestrebten oder erwarteten Ereignisses transparent zu machen“ (KRÖLL,

2007, S. 41). Für die Aufstellung der Baumstruktur kann zwischen zwei Vorgehens-

weisen unterschieden werden. Beim „Bottom-Up“-Ansatz ist das übergeordnete Ziel

zunächst unklar. Man arbeitet sich ausgehend von bekannten, potentiellen Hand-

lungsalternativen schrittweise voran und strebt danach, durch deren sinnvolle Kom-

bination eine konkrete Zielsetzung abzuleiten. Im Rahmen der Technologiebewer-

tung ermöglicht diese Vorgehensweise eine relativ offene Suche nach Technologie-

bereichen, in denen drastische Veränderungen zu erwarten sind. Beim „Top-Down“-

Ansatz ist die Zielsetzung dagegen von vornherein klar. Man sucht in der Folge nach

Handlungswegen, die die Erreichung der Zielsetzung möglich machen. So lassen

sich unter Berücksichtigung der übergeordneten Unternehmensziele bspw. zukünfti-

ge technologische Entwicklungen identifizieren, die dringend vom Unternehmen be-

herrscht werden müssen (SCHNEIDER, 2002, S. 143–144). Um die Relevanz der je-

weiligen Handlungswege zu quantifizieren, bedient man sich numerischer Verfahren.

Damit können den Knoten und Ästen des Relevanzbaums Zahlenwerte und Wahr-

scheinlichkeiten zugeordnet werden, über deren mathematische Verknüpfung sich

schließlich die Relevanz der Handlungswege bestimmen lässt. Eine solche Quantifi-

zierung der Relevanzen ist aber nur dann sinnvoll, wenn man auf empirisch gültige

Schätzwerte zurückgreifen kann (KRÖLL, 2007, S. 41; ZWECK, 2005, S. 189).

Mit der Relevanzbaumanalyse lassen sich letztendlich auf simple sowie übersichtli-

che Weise komplexe Problemstellungen systematisieren und strukturieren. Die Me-

thode kann außerdem Zusammenhänge zwischen Handlungsalternativen visualisie-

ren und entsprechend quantifizieren (SCHNEIDER, 2002, S. 144).

2 Stand der Forschung 65

2.5.2.4 Portfolio-Analyse

Ein Portfolio beschreibt eine Matrix entlang einer horizontalen und vertikalen Achse,

mit der sowohl aktuelle als auch zukünftige Zustände von strategischen Geschäfts-

feldern untersucht werden können. Auf diese Weise lässt sich die Position eines stra-

tegischen Geschäftsfelds in Bezug auf bestimmte unternehmensinterne Kriterien (di-

rekt beeinflussbar) sowie unternehmensexterne Kriterien (nicht direkt beeinflussbar)

ermitteln. Die Selektion der jeweiligen Bewertungskriterien hängt letztendlich davon

ab, welche grundlegende Aussage mit dem Portfolio getätigt werden soll (PFEIFFER,

METZE, SCHNEIDER & AMLER, 1989, S. 65; SCHNEIDER, 2002, S. 131).

Anfänglich wurden Portfolio-Analysen hauptsächlich für marktorientierte Untersu-

chungen verwendet. Dabei hat man „lediglich die Marktzyklen von Produkten – und

der dahinterstehenden Technologien – , nicht jedoch die vorgelagerten Entstehungs-

und Beobachtungszyklen der inkorpierten Technologien, in denen sich schwache

Signale aus dem technisch-naturwissenschaftlichen Umfeld andeuten“, berücksich-

tigt (WOLFRUM, 1991, S. 198–199). Vor diesem Hintergrund wurden in den 1980er

Jahren Portfolio-Ansätze entwickelt, die ihren Fokus verstärkt auf die Technologiedi-

mension richten (SCHNEIDER, 2002, S. 132–133). Anstelle der strategischen Ge-

schäftsfelder lassen sich in den sog. Technologie-Portfolios unterschiedliche Pro-

zess- und Produkttechnologien strategisch positionieren (HAHN, 2006, S. 226–227).

Unternehmen können dadurch einerseits ihre aktuelle Technologieposition bestim-

men, andererseits aber auch „Konstellationen über zukünftige Technologieentwick-

lungen in der jeweiligen Branche ableiten“ (SCHNEIDER, 2002, S. 133).

Das Technologie-Portfolio nach PFEIFFER ET AL. stellt in diesem Zusammenhang ein

sehr weit verbreitetes Konzept dar. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 2.19 ein solches

Portfolio in seiner typischen Form. Darin wird eine 9-Felder-Matrix anhand zweier,

unabhängiger Dimensionen aufgestellt, die eine differenzierte Einstufung der be-

trachteten Technologien ermöglichen. Die erste Dimension nennt sich Technologieat-

traktivität und dient der potential- und bedarfsseitigen Beurteilung von Technologien.

Sie steht folglich für die Betrachtung der Umweltsituation und ist vom Unternehmen

kaum zu beeinflussen. Die zweite Dimension ist die Ressourcenstärke, die sich aus

der Fähigkeit des Unternehmens zur (Weiter-)Entwicklung von Technologien ergibt

(PFEIFFER ET AL., 1989, S. 79–80). Für die Erstellung und Analyse eines solchen

Technologie-Portfolios werden folgende Schritte durchlaufen (HAHN, 2006, S. 227–

228; WOLFRUM, 1991, S. 200–201):

Umfeldanalyse: Im ersten Schritt werden die Rahmenbedingungen für die

Technologiebewertung und anschließende Strategieformulierung festgelegt.

66 2 Stand der Forschung

Identifikation der Technologien: Dieser Schritt beinhaltet die Erfassung der

relevanten Produkt- und Prozesstechnologien sowie deren strategischer Be-

deutung für das Unternehmen.

Bewertung der Technologien: Die identifizierten Technologien sind nun hin-

sichtlich der beiden Bewertungsdimensionen, also der Technologieattraktivität

und Ressourcenstärke, zu bewerten. Als mögliche Bewertungskriterien der

Technologieattraktivität sind bspw. die Anwendungsbreite, das Weiterentwick-

lungspotential, die Akzeptanz oder die Kompatibilität einer Technologie zu

nennen. Beispiele für Bewertungskriterien der Ressourcenstärke sind dage-

gen der Beherrschungsgrad, die Reaktionsgeschwindigkeit oder ressourcen-

bezogene Potentiale eines Unternehmens im Hinblick auf die Umsetzung der

zu bewertenden Technologie. Dies beschreibt letztendlich die technologische

Ist-Situation des Unternehmens.

Transformation der Ist-Situation in die Zukunft: Abschließend werden die

bewerteten Technologien mit potentiellen, zukünftigen Substitutionstechnolo-

gien oder sich ergänzenden Technologien verglichen, um einer vorausschau-

enden und dynamischen Betrachtungsweise gerecht zu werden.

Bild 2.19: Technologie-Portfolio nach PFEIFFER, METZE, SCHNEIDER & AMLER , 1989, S. 93

Insgesamt liefert ein Technologie-Portfolio umfassende Erkenntnisse, die für grund-

legende Entscheidungen über den künftigen Technologieeinsatz herangezogen wer-

den können (HAHN, 2006, S. 228). Dabei lässt sich die aktuelle Position des Unter-

nehmens hinsichtlich der betrachteten Technologien ermitteln und bspw. in Norm-

niedrig hoch

Ressourcenstärke

ho

ch

nie

dri

g

Tech

no

log

ieatt

rakti

vit

ät

Produkttechnologie

Prozesstechnologie

XY1

X1

X3

X2

Y2

Y3

Y

2 Stand der Forschung 67

strategien bzw. Handlungsempfehlungen zur Umsetzung der Technologien in ent-

sprechenden Entwicklungsprojekten überführen (SCHNEIDER, 2002, S. 138).

2.5.2.5 Brainstorming

Brainstorming als Kreativitätstechnik regt zur intuitiven, unstrukturierten Ideenfindung

an. Dies dient der raschen und unvoreingenommenen Sammlung von unterschiedli-

chen Lösungsvorschlägen für eine bestimmte Problemstellung (SCHNEIDER, 2002,

S. 92).

Die Methode wird in einem möglichst kleinen und heterogenen Teilnehmerkreis

durchgeführt. Dabei fordert man die Teilnehmer auf, sich offen und spontan zu einer

konkreten Frage- bzw. Problemstellung zu äußern. Vorgebrachte Ideen können indes

von anderen Teilnehmern aufgegriffen und weitergedacht werden (KRÖLL, 2007,

S. 40; ZWECK, 2005, S. 188). „Dadurch wird versucht, die Qualität und Quantität der

Ideengenerierung zu erhöhen und die Identifikation der Teilnehmer mit der Ideen-

durchsetzung zu stärken“ (SCHNEIDER, 2002, S. 93). Die gesammelten Ideen und Lö-

sungsvorschläge sind entsprechend zu protokollieren und abschließend einer Ord-

nung und Bewertung zu unterziehen (KRÖLL, 2007, S. 40).

Die Trennung der beiden Phasen zur Ideenfindung und Ideenbewertung ermöglicht

dabei eine unvoreingenommene und vorurteilsfreie Atmosphäre, die häufig zu völlig

neuen und unkonventionellen Herangehensweisen und Ansichten führt. Bspw. las-

sen sich dadurch völlig neue Konzeptionen oder Folgen eines geplanten Technolo-

gieeinsatzes skizzieren. Die Bewertung der Ergebnisse findet jedoch nicht im Kollek-

tiv statt, sondern wird vom Moderator übernommen (SCHNEIDER, 2002, S. 93–94;

ZWECK, 2005, S. 188).

2.5.2.6 Delphi-Studie

Die Delphi-Studie stellt eine erweiterte Form der Expertenbefragung dar. Durch die

mehrstufige Erhebung sowie Auswertung von Einschätzungen und Prognosen aus-

gewählter Experten können Ideen generiert und Zukunftsprognosen aufgestellt wer-

den (KRÖLL, 2007, S. 40; SCHNEIDER, 2002, S. 95; ZWECK, 2005, S. 189).

Da Einzelmeinungen von Experten meist von subjektiven Einflüssen bzw. persönli-

chem Interesse beeinflusst sind, ist es sinnvoll, sich im Sinne einer höheren Aussa-

gekraft auf mehrere Expertenmeinungen zu stützen. Die Delphi-Studie verfolgt die-

sen Gedanken und beinhaltet folgende Grundregeln (GESCHKA, 1995, S. 637–638):

Schriftliche Befragung mehrerer Experten in mehreren Befragungsrunden;

Verdichtende Auswertung der Ergebnisse nach jeder Befragungsrunde;

68 2 Stand der Forschung

Rückmeldung der ausgewerteten Zwischenergebnisse an die Experten vor der

nächsten Befragungsrunde;

Ergebnisse der letzten Befragungsrunde stellen endgültige Prognosewerte

dar;

Wahrung der Anonymität der Experten untereinander und gegenüber der Öf-

fentlichkeit.

Letztendlich liegt der Sinn der Delphi-Studie darin, „dass gegenwärtige Entwicklun-

gen eingeschätzt, kollektiv überprüft und diskutiert werden, um hieraus Maßnahmen

ableiten zu können, die diesen Entwicklungen dienlich sind bzw. sie verhindern“

(SCHNEIDER, 2002, S. 96). Dadurch werden jedoch nicht nur zukünftige technologi-

sche Entwicklungen identifiziert und analysiert, sondern auch gleichermaßen Infor-

mationen über Veränderungen im gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Kontext

verarbeitet und bewertet (SCHNEIDER, 2002, S. 96).

Auf anonyme Weise können mittels einer Delphi-Studie durch Rückkopplung und

Selbstreflexion fundierte, kollektive Expertenmeinungen gesammelt werden. Dabei

lassen sich Gruppendynamiken, Vorurteile sowie weitere sozio-psychologische Ef-

fekte ausschließen und auch durchschnittliche oder abweichende Denkhaltungen

gleichwertig berücksichtigen (SCHNEIDER, 2002, S. 97).

2.5.2.7 Szenario-Analyse

Die Szenario-Analyse ist ein strategisches Planungsinstrument, das bei der Ent-

scheidungsfindung unterstützt (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 16). Im Rahmen techno-

logieorientierter Analysen lässt sich die Szenario-Analyse sowohl im Bereich der

Technologiefrüherkennung als auch der Technologiebewertung einsetzen. Man

schreibt ihr demzufolge einen phasenübergreifenden Charakter zu (SCHNEIDER,

2002, S. 156). Mit der Szenario-Analyse können technologische Entwicklungen und

Wechselwirkungen erfasst, prognostiziert und systematisch zu konsistenten Szenari-

en verknüpft werden (MIEKE, 2005, S. 32; ZERNIAL, 2007, S. 106). „Die für technologi-

sche Entwicklungen typischen Sprünge und Durchbrüche, Unsicherheiten, alternati-

ven Entfaltungs- und Anwendungsmöglichkeiten sowie die zum Teil nur qualitativ

beschreibbaren Wirkungszusammenhänge lassen sich mit dieser Methodik problem-

los behandeln“ (Geschka, 1995, S. 640). Darüber hinaus ermöglicht die Szenario-

Analyse den Vergleich der erarbeiteten Szenarien und somit auch eine Bewertung

alternativer Handlungsoptionen im Rahmen der Entscheidungsfindung (KOSOW &

GAßNER, 2008, S. 16).

Die Leitidee der Szenario-Analyse ist das „Denken in Szenarien“ (GAUSEMEIER ET AL.,

2001, S. 79). Szenarien stehen für Darstellungen einer möglichen Situation in der

2 Stand der Forschung 69

Zukunft (Zukunftsbild) sowie konsistenter Entwicklungspfade, die zu dieser Situation

führen. Letztere orientieren sich dabei an bestimmten Schlüsselfaktoren, die den

Weg in die Zukunft entscheidend beeinflussen (HAMBACH & ALBRECHT, 2014, S. 117;

KOSOW & GAßNER, 2008, S. 9–10). Die Grundprinzipien dieser Denkweise sind in Bild

2.20 dargestellt und lauten wie folgt (GAUSEMEIER, FINK & SCHLAKE, 1998, S. 114;

GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 79):

Das Prinzip des vernetzten Denkens: Aufgrund der Annahme, dass das Un-

ternehmensumfeld mit all seinen Einflussgrößen ein vernetztes und vielschich-

tiges System darstellt, wird die Zukunft in komplexen Bildern beschrieben.

Das Prinzip der multiplen Zukunft: Die Zukunft kann sich in mehrere Rich-

tungen entwickeln. Sie ist multipel und somit nicht exakt prognostizierbar.

Bild 2.20: Grundprinzipen des Denkens in Szenarien nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER,

2001, S. 79

Dabei verdeutlicht besonders das Grundprinzip des vernetzten Denkens, dass zu-

künftige Situationen entscheidend von den wechselwirkenden Einflussgrößen im Un-

ternehmen und dessen Umfeld abhängen (GESCHKA, 1994, S. 162). Die Darstellung

der multiplen Zukunft im sog. Trichter-Modell zeigt zudem, dass sich der Zukunfts-

raum mit steigendem Betrachtungshorizont immer weiter aufspannt und die Unsi-

cherheit bzgl. des Eintreffens von Szenarien dadurch deutlich zunimmt. Dieser Unsi-

cherheit muss beim Aufstellen der Entwicklungspfade hin zu einem Zukunftsbild

durch die Berücksichtigung von Ereignisketten, Verzweigungspunkten und Wahr-

vernetztes Denken

Wettbewerbs-

fähigkeit

Wirtschafts-

wachstum

Produktivität

Mitarbeiter-

motivationLohnniveau

Arbeits-

organisation

multiple ZukunftZeit

heute

Zukunft

70 2 Stand der Forschung

scheinlichkeiten entsprechend Rechnung getragen werden (KOSOW & GAßNER, 2008,

S. 12; ZERNIAL, 2007, S. 106).

Militärische Organisationen, staatliche Institutionen sowie Forschungs- und Bil-

dungseinrichtungen nutzen die Szenario-Analyse schon seit geraumer Zeit zur Un-

terstützung strategischer Entscheidungen (BRADFIELD, WRIGHT, BURNS, CAIRNS & VAN

DER HEIJDEN, 2005, S. 797). Nach und nach gewinnt die Szenario-Analyse auch in

der Unternehmenswelt immer mehr an Bedeutung. Einer der Pioniere der szena-

riobasierten Zukunftsforschung war PIERRE WACK von ROYAL DUTCH SHELL in Ko-

operation mit SRI International (MIETZNER & REGER, 2005, S. 222). Ihr Konzept der

„Intui-tive Logics“ hat sich erfolgreich in den Ölkrisen der 1970er Jahre bewährt.

Hauptmerkmal ist dabei die Erstellung flexibler, konsistenter Szenarien, fernab jegli-

cher mathematischer Werkzeuge und ausschließlich gestützt auf Intuition und Logik.

WACK hat dieses Konzept schließlich für die Wissenschaft formuliert und dabei ein

grundlegendes Prinzip festgestellt. Unsicherheit muss akzeptiert, verstanden und

somit ein Teil unseres Denkens werden (HUSS & HONTON, 1987, S. 21–22; WACK,

1985, S. 73–74). In der Folge haben sich zahlreiche neue Ansätze zur weiteren Sys-

tematisierung und Optimierung der Szenario-Analyse als strategisches Werkzeug für

Unternehmen entwickelt (MIETZNER & REGER, 2005, S. 220). Besonders verbreitet

sind dabei die Ansätze von VON REIBNITZ & GESCHKA, SCHWARTZ, GODET & REBOULAT

oder auch GAUSEMEIER ET AL. (MIETZNER & REGER, 2005, S. 228–229; GAUSEMEIER ET

AL., 1998, S. 116; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 78). Trotz vereinzelter Unterschiede

hinsichtlich des zugrundeliegenden Prozessmodells steckt hinter sämtlichen Ansät-

zen ein sehr ähnliches Grundkonzept (ZERNIAL, 2007, S. 107). Dieses Grundkonzept

wird nachfolgend am Beispiel des Ansatzes von GAUSEMEIER ET AL. näher vorgestellt.

GAUSEMEIER ET AL. verfolgen mit ihrem Konzept das Ziel, „Chancen/Erfolgspotentiale

und Gefahren zu erkennen und dementsprechend strategische Entscheidungen zu

unterstützen. Die zu unterstützenden Entscheidungen beziehen sich immer auf einen

bestimmten Gegenstand – beispielsweise ein Unternehmen oder eine Geschäftsein-

heit […], ein Produkt […] oder eine Technologie […]“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001,

S. 82). Der Untersuchungsgegenstand wird sinnbildlich Gestaltungsfeld genannt, da

dessen Entwicklungsmöglichkeiten innerhalb eines bestimmten Betrachtungshori-

zonts, dem sog. Szenariofeld, beschrieben werden sollen. Das Szenariofeld kann

dabei rein externe, nicht steuerbare Umfeldgrößen beinhalten, die bspw. die Markt-

entwicklung eines bestimmten Systems beeinflussen. Man spricht in diesem Fall von

Umfeld-Szenarien. Demgegenüber stehen Gestaltungsfeld-Szenarien, die sich aus-

schließlich auf interne und direkt steuerbare Größen wie bspw. Produktmerkmale

stützen. System-Szenarien stehen dagegen für eine Kombination aus Umfeld- und

Gestaltungsfeld-Szenarien und verknüpfen demnach sowohl externe als auch interne

2 Stand der Forschung 71

Einflussgrößen. Die Szenario-Analyse als Ganzes orientiert sich letztendlich an dem

in Bild 2.21 dargestellten Prozessmodell, das sich in fünf Phasen untergliedern lässt

(GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 118; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 82–84; ZERNIAL,

2007, S. 107).

Bild 2.21: Ablauf der Szenario-Analyse nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 84

Szenario-Vorbereitung

Die erste Phase dient der Vorbereitung einer Szenario-Analyse. Dort werden die

grundlegenden Ziele sowie die Organisation der Untersuchung festgelegt (ZERNIAL,

2007, S. 107). Die Ziele stehen dabei eng mit dem Gestaltungsfeld in Verbindung,

das im Rahmen der Szenario-Analyse untersucht werden soll. Aufgabe ist es daher,

dieses Gestaltungsfeld zunächst entsprechend festzulegen und zu konkretisieren.

Dabei muss vor allem die aktuelle Situation beschrieben werden, die das Gestal-

tungsfeld gegenwärtig umschließt. Hierfür stehen unterschiedliche Methoden und

Verfahren (Marktanalysen, Portfolio-Analysen etc.) zur Verfügung, die Aufschluss

über die momentane Situation im Unternehmen bzw. Unternehmensumfeld geben.

Am Ende einer solchen Gestaltungsfeld-Analyse stehen schlussendlich die Heraus-

forderungen, die sich aus der gegenwärtigen Situation ergeben und in Zukunft gelöst

werden sollen (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 116; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 86).

Szenariofeld-Analyse

Die wesentliche Aufgabe der zweiten Phase ist die Analyse des Szenariofelds, um

sog. Schlüsselfaktoren zu bestimmen (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21; ZERNIAL, 2007,

Szenario-Vorbereitung

Szenariofeld-Analyse

Szenario-Prognostik

Szenario-Bildung

Szenario-Transfer

Szen

ari

o-E

rste

llu

ng

Szenario-Plattform

Projektdefinition

Ausgangssituation

Schlüsselfaktoren

Zukunftsprojektionen

Szenarien

Strategien

Handlungsoptionen

72 2 Stand der Forschung

S. 107–108). Schlüsselfaktoren stehen in diesem Zusammenhang für besonders

markante Einflussgrößen, die sich maßgeblich auf die zukünftige Entwicklung des

Gestaltungsfelds auswirken. Für deren Identifikation ist es notwendig, dass zunächst

die relevanten Einflussbereiche festgelegt werden, von denen das Gestaltungsfeld

umgeben wird. Die Einflussbereiche selbst beruhen wiederum auf mehreren oppor-

tunen Einflussgrößen (auch Einflussfaktoren oder Deskriptoren genannt), die in der

Folge bestimmt sowie verständlich beschrieben werden müssen (GAUSEMEIER ET AL.,

2001, S. 86–88). Während dieses Schrittes ergeben sich in der Regel viele unter-

schiedliche Einflussgrößen, die untereinander Wirkungsbeziehungen aufweisen kön-

nen, jedoch nicht gleichermaßen für die weiteren Schritte der Szenario-Analyse rele-

vant sind. Zur Ermittlung der relevanten Einflussgrößen (Schlüsselfaktoren) sowie

deren Bedeutung für das Szenariofeld bedient man sich demzufolge einer Einfluss-

analyse auf Basis einer sog. Einflussmatrix (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88; ZERNIAL,

2007, S. 107–108).

Bild 2.22: Grundgerüst einer Einflussmatrix nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001,

S. 89

Wie Bild 2.22 zeigt, setzt sich eine Einflussmatrix prinzipiell aus vier Quadranten (Q1

bis Q4) zusammen, in denen die skalierten Wirkungsbeziehungen zwischen den be-

trachteten Einflussgrößen in die dafür vorgesehenen Zellen eingetragen werden. Die

Unterteilung in vier Quadranten hat eine entsprechende Trennung von externen und

internen Einflussgrößen auf den beiden Achsen der Matrix zur Ursache (GAUSEMEIER

ET AL., 2001, S. 88–89). Die Einflussanalyse selbst erfolgt dann schließlich nach fol-

Bewertungsmaßstab:

0: kein Einfluss

1: schwacher Einfluss

2: mittlerer Einfluss

3: starker Einfluss

Ein

flu

ssg

röß

e A

Ein

flu

ssg

röß

e B

… … Ein

flu

ssg

röß

e E

Ein

flu

ssg

röß

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Ein

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… … Ein

flu

ssg

röß

eZ

Ak

tivs

um

me

Wir

ku

ng

ss

um

me

Ex

tern

e

Ein

flu

ss

grö

ße

n Einflussgröße A 1 2 3 1 14 6

Einflussgröße B 2 1 1 3 2 16 7

Einflussgröße E 1 2 1 1 12 4

Inte

rne

Ein

flu

ss

grö

ße

n Einflussgröße V 2 3 1 15 8

Einflussgröße W 1 2 3 3 18 9

Einflussgröße Z 1 1 2 2 14 4

Passivsumme 16 17 18 17 14 13 487

Q1

Q3 Q4

Q2

2 Stand der Forschung 73

gendem Muster (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 119–120; GAUSEMEIER ET AL., 2001,

S. 89–91):

Direkte Einflussanalyse: Hier erfolgt zunächst eine paarweise Bewertung der

direkten Beziehungen zwischen den betrachteten Einflussgrößen anhand ei-

nes skalierten Maßstabes. Die grundlegende Frage ist, wie schnell, stark oder

in welchem Ausmaß sich Einflussgröße A auf Einflussgröße B auswirkt. Auf

Basis dieser paarweisen Bewertung lassen sich signifikante Kennzahlen (Ak-

tivsumme, Passivsumme, Wirkungssumme, Impuls-Index, Dynamik-Index)

ermitteln, die Aussagen über die Relevanz der Einflussgrößen nach unter-

schiedlichen Betrachtungsmaßstäben zulassen und eine Datenbasis für die

Auswahl der Schlüsselfaktoren schaffen.

Indirekte Einflussanalyse: Neben direkten Beziehungen zwischen Einfluss-

größen herrschen in einem komplexen und vernetzten System auch indirekte

Beziehungen. Diese können bei Bedarf entsprechend identifiziert und in die

Analyse einbezogen werden.

Bild 2.23: Aufbau eines System-Grids zur Auswahl der Schlüsselfaktoren nach GAUSEMEIER, FINK &

SCHLAKE, 1998, S. 120

Bestimmung der Schlüsselfaktoren: Unter Berücksichtigung der ermittelten

Kennzahlen und Wirkungsbeziehungen aus der Einflussmatrix lassen sich

sog. System-Grids erstellen, mit deren Hilfe markante Schlüsselfaktoren ent-

sprechend ihres Systemverhaltens identifiziert werden können. Der Aufbau ei-

nes System-Grids ist beispielhaft in Bild 2.23 dargestellt und ermöglicht eine

Passivsumme

Aktivsumme

100

50

50 1000

impulsive Größen

reaktive Größen

dynamische Größen

Einflussgröße

74 2 Stand der Forschung

Kategorisierung der Einflussgrößen bzgl. ihres charakteristischen Systemver-

haltens. Impulsive Größen sind durch einen starken Einfluss auf das Gesamt-

system gekennzeichnet, ohne selbst dadurch großartig beeinflusst zu werden.

Sie wirken wie Stellhebel. Dynamische Größen weisen dagegen sowohl ein

hohes Einflussmaß als auch eine hohe Beeinflussbarkeit durch andere Grö-

ßen auf. Sie können folglich destabilisierend auf die Entwicklung des Gesamt-

systems wirken. Zu guter Letzt existieren noch reaktive Größen, die sich auf-

grund ihrer Reaktionsfreudigkeit vor allem bei kurzfristigen Betrachtungshori-

zonten als geeignete Schlüsselfaktoren erweisen.

Szenario-Prognostik

Die dritte Phase der Szenario-Analyse, die Szenario-Prognostik, umfasst schließlich

den eigentlichen Ausblick in die Zukunft, in dem die einzelnen Schlüsselfaktoren zu

Zukunftsprojektionen fortgeschrieben werden. Dies hat zur Folge, dass sich der Sze-

nario-Trichter in seiner charakteristischen Weise aufspannt (GAUSEMEIER ET AL.,

1998, S. 120–121; KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21; ZERNIAL, 2007, S. 108). Dafür

muss zunächst jedoch ein geeigneter Zeithorizont festgelegt werden. Weiterhin soll-

ten die Zukunftsprojektionen nicht nur die wahrscheinlichsten, sondern auch extreme

und dennoch vorstellbare Entwicklungsmöglichkeiten darstellen. So kann zum einen

der Kreativität und zum anderen dem Aspekt Rechnung getragen werden, dass in

der Vergangenheit oftmals auch das Undenkbare bzw. Unwahrscheinliche zur Reali-

tät geworden ist (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 91–92). Bei der Erstellung der Zu-

kunftsprojektionen müssen letztendlich folgende Schritte durchlaufen werden (GAU-

SEMEIER ET AL., 2001, S. 92–94):

Ermittlung möglicher Zukunftsprojektionen: Auf analytische und kreative

Weise sind in diesem Schritt zunächst potentielle Projektionen der Schlüssel-

faktoren zu generieren. Der analytische Weg stützt sich dabei auf bestimmte

Merkmale, die zahlentechnisch erfasst werden können. Der kreative Weg ver-

läuft dagegen auf qualitativer und narrativer Basis. Insgesamt schreiben GAU-

SEMEIER ET AL. für diesen Schritt kein exaktes Handlungsschema vor, geben

aber einige, alternative Hilfestellungen für die Prognostik: Entwicklungen fort-

schreiben oder simulieren, Entwicklungen und ihre Merkmale überzeichnen,

Entwicklungen bewusst beschleunigen, Entwicklungen aus dem Umfeld be-

wusst berücksichtigen, Zukunftsprojektionen aus Prozessen ableiten.

Auswahl geeigneter Zukunftsprojektionen: Die ermittelten Zukunftsprojek-

tionen müssen anschließend gebündelt und vorselektiert werden. Bei der Vor-

selektion sind für die einzelnen Schlüsselfaktoren diejenigen Projektionen

2 Stand der Forschung 75

auszuwählen, die deren zukünftige Entwicklung besonders deutlich charakte-

risieren.

Formulierung und Begründung der Zukunftsprojektionen: Pro Schlüssel-

faktor werden die charakteristischen Zukunftsprojektionen abschließend aus-

formuliert und begründet. Den Projektionen ist dabei eine Kurzbezeichnung

zuzuordnen und die dazugehörige Begründung präzise sowie ausführlich zu

formulieren. Die Textelemente bilden später eine wichtige Basis für die Be-

schreibung der Szenarien.

Szenario-Bildung

„In der Szenario-Bildung werden konsistente und plausible Szenarien herausgearbei-

tet“ (ZERNIAL, 2007, S. 108). Diese ergeben sich meist aus Projektionsbündeln bzw.

Projektionsketten verschiedener, konsistenter Schlüsselfaktoren. Die Konsistenz,

also Widerspruchsfreiheit, ist eine elementare Notwendigkeit und entscheidend für

die Glaubwürdigkeit der Szenarien (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 96). Die Anzahl der

gebildeten Szenarien sollte so gewählt werden, dass damit einerseits die Komplexität

der Analyse in Grenzen gehalten werden kann, gleichzeitig aber auch ein möglichst

vielfältiges Bild der Zukunft entsteht (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21–22). Die einzel-

nen Schritte der Szenario-Bildung nach GAUSEMEIER ET AL. lauten wie folgt (GAUSE-

MEIER ET AL., 1998, S. 121–123; GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 97–102):

Konsistenzanalyse: Anfänglich müssen die Zukunftsprojektionen paarweise

auf Konsistenz geprüft werden. Wie auch bei der Einflussanalyse stützt man

sich dabei auf eine Bewertungsmatrix. Der Aufbau der sog. Konsistenzmatrix

ähnelt stark dem Aufbau der Einflussmatrix. Jedoch überprüft man hier die

Verträglichkeit der einzelnen Projektionspaare anhand entsprechend skalierter

Konsistenzwerte. Es genügt zudem nur eine einseitige Beurteilung der Projek-

tionspaare, da innerhalb einer Konsistenzbewertung keine gerichteten Auswir-

kungen untersucht werden. Nach der paarweisen Konsistenzbewertung las-

sen sich über Sichtprüfungen des Anwenders sowie rechnergestützte Verfah-

ren auf Basis der Kombinatorik konsistente Projektionsbündel bzw. -ketten (je

eine Projektion pro Schlüsselfaktor) bilden.

Rohszenario-Bildung: Einzelne Projektionsbündel werden in diesem Schritt

aufgrund ihrer Ähnlichkeit zu sog. Rohszenarien zusammengefasst. Die ver-

schiedenen Rohszenarien sollen untereinander möglichst heterogen sein,

selbst aber aus homogenen Projektionsbündeln bestehen.

Zukunftsraum-Mapping: Im sog. Zukunftsraum-Mapping wird die Bildung der

Rohszenarien visualisiert. Bild 2.24 zeigt eine solche „Zukunfts-Landkarte“, die

der Positionierung der einzelnen Projektionsbündel nach deren Ähnlichkeit

76 2 Stand der Forschung

dient. Ähnliche Bündel liegen darin sehr dicht beieinander und repräsentieren

somit ein Rohszenario, während unähnliche Bündel relativ weit voneinander

entfernt liegen. Zur Unterstützung des Zukunftsraum-Mappings wird häufig auf

eine rechnergestützte, multidimensionale Skalierung zurückgegriffen, so dass

den einzelnen Projektionsbündeln entsprechende Koordinatenwerte zugeord-

net werden können. Über die Größe des Durchmessers der dargestellten Pro-

jektionsbündel lassen sich auch Aussagen über deren Konsistenz verbildli-

chen. Eine weitere Darstellungsmöglichkeit bieten spezielle Pfeile, mit deren

Hilfe sich grundlegende Unterscheidungsmerkmale zwischen Rohszenarien in

Form von ausgewählten Schlüsselfaktoren und deren Projektionen veran-

schaulichen lassen.

Szenario-Beschreibung: Anhand von Ausprägungslisten wird hier zunächst

ermittelt, wie häufig die einzelnen Projektionen der Schlüsselfaktoren in den

Projektionsbündeln der Rohszenarien auftreten. Man unterscheidet dabei zwi-

schen eindeutiger, dominanter und alternativer Ausprägung. Die für die

Rohszenarien markanten Projektionen werden anschließend über die vorab

formulierten Textelemente (vgl. Schritt zur Szenario-Prognostik) ausführlich

beschrieben und zu den endgültigen Szenarien verknüpft.

Bild 2.24: Zukunftsraum-Mapping nach GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 100

Szenario-Transfer

Die letzte Phase der Szenario-Analyse dient der Nutzung der Szenarien im Hinblick

auf strategische Entscheidungen und wird als Szenario-Transfer bezeichnet (KOSOW

Rohszenario I

1 2 3-1-2-3-4

Projektionsbündel

1

2

-1

-2Rohszenario II

Rohszenario III

2 Stand der Forschung 77

& GAßNER, 2008, S. 23; ZERNIAL, 2007, S. 108). Die Szenarien müssen diesbezüglich

auf künftige Erfolgs- bzw. Gefahrenpotentiale „für das etablierte Geschäft“ untersucht

und bewertet werden (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 105). Hierfür steht Unternehmen

eine Vielzahl von Methoden zur Verfügung, die von simplen Wahrscheinlichkeits-

rechnungen oder Trendextrapolationen bis hin zu beliebig gestaltbaren Matrix- und

Portfoliodarstellungen reichen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 109–116; KOSOW &

GAßNER, 2008, S. 58). GAUSEMEIER ET AL. liefern zusätzlich noch einige grundlegende

Orientierungshilfen im Rahmen der szenariobasierten Entscheidungsfindung bzw.

Strategieausrichtung (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 124–126):

Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am wahrscheinlichsten Szena-

rio;

Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am Szenario mit den größten

Erfolgspotentialen;

Orientierung der Entscheidung bzw. Strategie am Szenario mit den größten

Gefahrenpotentialen;

Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die Minimierung möglicher Gefah-

renpotentiale;

Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die Erweiterung der Flexibilität;

Entscheidung bzw. Strategie mit Fokus auf die ideale Zukunftsvorstellung.

Letztendlich ist die Szenario-Analyse eine aufwändige und komplexe Methode, die

sich jedoch aufgrund ihrer Flexibilität, der zugrundeliegenden Systematik sowie ihrer

guten methodischen Unterstützbarkeit besonders für die Erstellung und Beurteilung

von Technologieszenarien eignet (GESCHKA, 1994, S. 162; GESCHKA, 1995, S. 640;

ZERNIAL, 2007, S. 111). Vor allem der Unsicherheit und Dynamik im heutigen, tech-

nologiegetriebenen Unternehmensumfeld kann dadurch angemessen entgegenge-

wirkt werden (GAUSEMEIER ET AL., 1998, S. 129).

2.5.3 Integrative Ansätze zur Technologiebewertung

Ergänzend zu den bisher vorgestellten, eigenständigen Bewertungsmethoden wurde

in den vergangenen Jahren eine Reihe an integrativen Ansätzen entwickelt, die ver-

schiedene Elemente bewährter Methoden zu neuen Bewertungsansätzen verknüpfen

und eine möglichst systematische sowie ganzheitliche Technologiebewertung ge-

währleisten sollen (SCHNEIDER, 2002, S. 29). Eine Auswahl von themenverwandten

Ansätzen wird nachfolgend vorgestellt.

78 2 Stand der Forschung

2.5.3.1 Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK

HIERONYMUS ET AL. setzen in ihrem Ansatz auf einen „Prozess der technologiestrate-

gischen Entscheidungsfindung und damit auch der Technologiebewertung“ (HIERO-

NYMUS ET AL., 1996, S. 26). Der in Bild 2.25 visualisierte Prozess setzt sich aus aufei-

nander aufbauenden, jedoch in Wechselwirkung miteinander stehenden Phasen zu-

sammen (HIERONYMUS ET AL., 1996, S. 27–28):

Ableitung des Handlungsbedarfs durch Technologiefrüherkennung und eigene

Visionen;

Analyse und Prognose durch technologische Konkurrenzanalysen, Bedarfsa-

nalysen und -prognosen sowie Technologieprognosen;

Ableitung von technologischen Entscheidungsalternativen;

Bewertung der technologischen Entscheidungsalternativen anhand von Ist-

und Soll-Positionierungen;

Treffen der Technologieentscheidung.

Bild 2.25: Prozess der integrativen Technologiebewertung nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WI-

CHERT-NICK, 1996, S. 27

Die ersten drei Schritte dieses integrativen Bewertungsprozesses dienen offenkundig

der Vorbereitung auf die eigentliche Technologiebewertung und gehen immer aus

einem konkreten Handlungsbedarf hervor. Dabei werden notwendige, entschei-

dungsrelevante Informationen gesammelt und zu technologischen Entscheidungsal-

ternativen verdichtet. Zudem unterteilt man den gesammelten Informationsbestand in

verschiedene Klassen, die im Rahmen der Bewertung als Entscheidungskriterien

PrognoseAnalyse

Ableitung des

Handlungsbedarfs

Technologieentscheidung

technologische

Entscheidungs-

alternativen

Bewertung

2 Stand der Forschung 79

herangezogen werden. Die technologischen Alternativen werden nachfolgend an-

hand dieser Entscheidungskriterien mittels Soll- und Ist-Positionierungen gegenüber-

gestellt. Für solche Gegenüberstellungen empfehlen HIERONYMUS ET AL. bspw. die

Verwendung von Technologie-Portfolios oder Stärken-/Schwächen-Profilen. Letzten

Endes lassen sich so alternative Wege zur Ausrichtung der Technologiestrategie er-

mitteln und entsprechende Technologieentscheidungen ableiten (HIERONYMUS ET AL.,

1996, S. 28).

Durch den prozessualen Charakter ist der vorgestellte Bewertungsansatz insgesamt

sehr systematisch und leistet einen gezielten Beitrag zur strategischen Planung des

Technologieeinsatzes. Des Weiteren werden bei der Bewertung neben technologie-

spezifischen Informationen auch Markt- und Wettbewerbsinformationen berücksich-

tigt (SCHNEIDER, 2002, S. 32).

2.5.3.2 Ansatz nach BRANDENBURG

BRANDENBURG entwickelt in seinem Forschungsbeitrag eine Methode zur Planung

und Bewertung von technologischen Produktinnovationen, indem er sowohl bewährte

Ansätze aus der Literatur als auch eigens entwickelte Methodenelemente in sein

Konzept integriert (BRANDENBURG, 2002, S. 36). Dieses „soll den Problemlösungs-

prozess in den frühen Phasen der Produktinnovationsplanung durchgängig umfas-

sen“ und die Lösungsentwicklung auf operativer Ebene gezielt unterstützen (BRAN-

DENBURG, 2002, S. 4).

Das methodische Grundgerüst setzt sich aus einem Vorgehens-, Zukunfts-, Informa-

tions-, Bewertungs- sowie Umsetzungsmodell zusammen. Die einzelnen Modelle

weisen dabei folgende charakteristische Inhalte auf (BRANDENBURG, 2002, S. 46–49,

S. 125–127):

Vorgehensmodell: Abbildung des Planungsprozesses; ganzheitliche und in-

tegrierte Modellierung der frühen Phasen des Produktinnovationsprozesses;

Zukunftsmodell: systematische Analyse der Gestaltungsbereiche des Unter-

nehmens; Identifikation und Modellierung zukünftiger Chancen, Anforderun-

gen und Potentiale;

Informationsmodell: Strukturierung der planungs- und bewertungsrelevanten

Informationen in Form einer Wissensbasis; Bereitstellung der Informationen

bei der Planung der Zukunftsprojekte (Produktideen, Innovationsvorhaben);

Bewertungsmodell: Bewertungssystem auf Basis entscheidungstheoreti-

scher Algorithmen zur Verbesserung der Entscheidungsqualität; adäquate und

effektive Priorisierung und Terminierung von Innovationsvorhaben;

80 2 Stand der Forschung

Umsetzungsmodell: Zusammenführung der Planungs- und Bewertungser-

gebnisse in Innovations-Roadmaps; Handlungsorientierung für die Umsetzung

der Produktideen im weiteren Verlauf des Innovationsprozesses.

Bild 2.26 zeigt die Verknüpfung der einzelnen Modelle zum generellen Ablaufschema

der Methode (BRANDENBURG, 2002, S. 48). Das Zukunftsmodell stützt sich dabei auf

ein eigens konzipiertes Matrizensystem zur Analyse der Gestaltungsbereiche eines

Unternehmens. Der Aufbau des Matrizensystems ist dabei an ein „House of Quality“

gemäß der Quality-Function-Deployment-Methode angelehnt (BRANDENBURG, 2002,

S. 70). Das Bewertungsmodell orientiert sich dagegen an einem System aus ent-

scheidungstheoretischen Ansätzen einer multikriteriellen Bewertung sowie der

„Fuzzy-Set“-Theorie zur präzisen Herleitung von Normstrategien für Produktideen,

die mittels Innovations-Roadmaps letzten Endes einer konkreten Umsetzung zu-

gänglich gemacht werden (BRANDENBURG, 2002, S. 104, S. 126–127).

Bild 2.26: Ablaufschema der Methode nach BRANDENBURG, 2002, S. 48

Die Praxistauglichkeit der Methode hat sich in unterschiedlichen industriellen An-

wendungen erwiesen. Der Einsatz der Methode führt zwar nicht zu einem quantitati-

ven Zuwachs von Produktideen, jedoch kann die Qualität der Produktideen sowie der

Planungserfolg im Rahmen von Innovationsprozessen entscheidend erhöht werden.

Die von Brandenburg entwickelte Methode leistet somit einen elementaren Beitrag

zur Erhöhung der Innovationsfähigkeit eines Unternehmens. Innerhalb des Unter-

nehmens sind dafür aber Kreativität, Engagement, Akzeptanz sowie Innovationsbe-

reitschaft gefordert (BRANDENBURG, 2002, S. 127).

Vorgehensmodell

Umsetzungsmodell

Bewertungsmodell InformationsmodellZukunftsmodell

Anstoß

der Aktivitäten

Planungsrelevante

Informationen

Zukünftige Potentiale

und Anforderungen

Informationsbasis

Produktideen

Entscheidungsgrundlage

Anstoß der Aktivitäten

Bew

ert

un

gs

rah

men

Info

rma

tion

en

2 Stand der Forschung 81

2.5.3.3 Ansatz nach HALL

HALL verfolgt mit seinem Ansatz das Ziel einer ganzheitlichen Technologiebewertung.

Ganzheitlichkeit bedeutet dabei die Betrachtung von Technologie als Sach- und

Handlungssystem entlang des gesamten Produktlebenszyklus, die Berücksichtigung

des Markts sowie einen hinreichend ausgedehnten Betrachtungshorizont, der über

technische und wirtschaftliche Ziele hinausreicht (HALL, 2002, S. 9; SCHNEIDER, 2002,

S. 29).

Das Bewertungsmodell von HALL stützt sich auf zwei übergeordnete Phasen. Die

erste Phase nennt sich Exploration. Hier werden wichtige Daten über neue Kunden-

anforderungen oder potentielle Konkurrenzaktivitäten gesammelt. Ebenso erfasst

man dabei die notwendigen Informationen über die zu bewertende Technologie

durch eine technologieorientierte Analyse von Wettbewerbern. Die zweite und ab-

schließende Phase dient der Bewertung. Dort werden die gewonnenen Informationen

aus der Explorationsphase verarbeitet und in eine visuelle Form für entsprechende

Interpretationen überführt. Wesentliches Element bildet dabei eine simple Matrix, in

der die Kundenanforderungen den charakterisierenden Merkmalen der zu betrach-

tenden Technologie gegenübergestellt werden (HALL, 2002, S. 63–64, SCHNEIDER,

2002, S. 29–30).

Die notwendigen Merkmale zur Charakterisierung der Technologie setzen sich wie

folgt zusammen (SCHNEIDER, 2002, S. 29):

Prozessdimension: Flexibilität, Produktivität, Verfügbarkeit, etc. einer Tech-

nologie;

Strukturaspekt: technische und physikalische Aspekte einer Technologie;

Wirtschaftlichkeit: Auswirkung einer Technologie auf die Kosten- und Ge-

winnstruktur des Unternehmens;

Gesellschaft: Auswirkungen einer Technologie auf soziale Systeme;

Umwelt: Auswirkung einer Technologie auf die Umwelt und ihre Ressourcen.

Die Überführung der technologieseitigen sowie kundenbezogenen Informationen in

die Matrix schafft einen qualitativen Zusammenhang zwischen den beiden Größen

und wird als der eigentliche Bewertungsschritt betrachtet. So lassen sich Einschät-

zungen entsprechend eines skalierten Maßstabs treffen, wie die einzelnen Techno-

logiemerkmale zum Gesamtnutzen der Technologie beitragen und wie stark die be-

trachtete Technologie insgesamt die Anforderungen des Markts erfüllt (HALL, 2002,

S. 63–64).

Insgesamt erweist sich der Ansatz von HALL als sehr übersichtliche und systemati-

sche Möglichkeit, um Technologien aus einer ganzheitlichen Sichtweise zu beurtei-

82 2 Stand der Forschung

len. Aufgrund seines zweiphasigen Aufbaus ist das methodische Konzept zudem

durch eine hohe Transparenz und begrenzte Komplexität gekennzeichnet (SCHNEI-

DER, 2002, S. 30).

2.5.3.4 Ansatz nach KRÖLL

KRÖLL dagegen stellt einen Ansatz zur Technologiebewertung vor, der schon frühzei-

tig in der Produktentstehung im Rahmen einer „durchgängigen und ganzheitlichen

Planung des Technologieeinsatzes“ eingesetzt werden kann (KRÖLL, 2007, S. 19).

Dieser Ansatz stützt sich auf eine Bewertung des Reifegrades von Technologien im

Hinblick auf einen erfolgreichen Einsatz in der späteren Serienentwicklung. Dabei

wird der Nutzen der Technologien sowohl für das Unternehmen selbst als auch für

die Kunden gleichermaßen berücksichtigt (KRÖLL, 2007, S. 22).

Das Vorgehensmodell, das hinter dem Bewertungsansatz von KRÖLL steckt und in

Bild 2.27 dargestellt ist, baut auf fünf charakteristischen Phasen mit spezifischen In-

halten auf (KRÖLL, 2007, S. 69–71):

Analyse und Abbildung von Produktfunktionen: systematische Analyse,

Erfassung und Beschreibung der umzusetzenden Funktionen eines Produkts;

Modell zur Technologiebeschreibung: Überführung der Funktionen in ein

Funktionsmodell, Auswahl von Technologieelementen zur Erfüllung der Funk-

tionen, Vernetzung der Technologieelemente, Spezifikation der Technologie-

elemente;

Abbildung alternativer Technologiemodelle: Darstellung verschiedener

Technologiealternativen in entsprechenden Technologiemodellen;

Modell zur Technologiebewertung: Definition der Bewertungskriterien,

Durchführung der Bewertung, Zusammenführung der Bewertungsergebnisse

zu einer multikausalen Aussage, Interpretation der Aussage;

Umsetzung einer Technologiealternative: Einsatz der Technologiealter-

native im Produkt.

KRÖLL setzt im Rahmen seiner Bewertung auf Wahrscheinlichkeitsverteilungen zur

Beschreibung der Kriterien-Ausprägungen, die über Transformationsfunktionen nor-

miert werden. Die gesammelten Daten werden anschließend anhand einer Aggrega-

tion verdichtet. Zur Gegenüberstellung der einzelnen Alternativen dient letztendlich

eine multikriterielle Bewertung der Technologien bzgl. Qualität, Flexibilität, Kosten

und technologischem Reifegrad (KRÖLL, 2007, S. 70–71). Aufgrund der eben er-

wähnten Normierung durch Transformationsfunktionen können sowohl quantitative

als auch qualitative Bewertungsgrößen berücksichtigt werden (KRÖLL, 2007, S. 141).

„So lässt sich aus einer Vielzahl von technologischen Möglichkeiten der Funktion-

2 Stand der Forschung 83

sumsetzung eine Erfolg versprechende, zu realisierende Technologiealternative de-

terminieren“ (KRÖLL, 2007, S. 71).

Bild 2.27: Vorgehensmodell zur Technologiebewertung nach KRÖLL, 2007, S. 69

Letztendlich hat KRÖLL mit seinem methodischen Konzept eine Möglichkeit entwi-

ckelt, wie Entscheidungen zur Auswahl von Technologiealternativen im Hinblick auf

eine ergebnisorientierte Produktentwicklung systematisch unterstützt werden kön-

nen. Das Konzept wurde zwar im Rahmen der Elektronik-Industrie erarbeitet, ist aber

aufgrund seines abstrakten Aufbaus auch auf andere Branchen übertragbar (KRÖLL,

2007, S. 140–141).

Analyse und Abbildung von Produktfunktionen

Abbildung alternativer Technologiemodelle

Umsetzung einer Technologiealternative

Modell zur

Technologiebeschreibung

Modell zur

Technologiebewertung

Funktionsmodell

Auswahl der Technologieelemente

Vernetzung & Spezifikation der Technologieelemente

Kriterienbewertung

Aggregation

Bewertungsergebnisse

84 3 Ableitung des Handlungsbedarfs

3 Ableitung des Handlungsbedarfs

In diesem Kapitel wird der konkrete Handlungsbedarf für die weiteren Ausführungen

dieser Arbeit abgeleitet. Dafür erfolgt zunächst eine allgemeine Kritik der vorgestell-

ten Methoden zur Technologiebewertung (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3) gemäß grundle-

gender Erkenntnisse aus der Literatur. Im Anschluss werden jene Methoden noch

einer forschungsspezifischen Evaluierung hinsichtlich der anfangs der Arbeit darge-

legten Problemstellung und Zielsetzung (vgl. Kapitel 1.2 & 1.3) unterzogen. Dadurch

lassen sich konkrete Schwachstellen und Defizite im Methodenportfolio aufdecken,

die letztendlich zur Aufstellung von signifikanten Anforderungen an die zu entwi-

ckelnden Bewertungsmethoden führen.

3.1 Allgemeine Kritik der Methoden zur Technologiebewer-tung

Die einzelnen Methoden zur Technologiebewertung aus Kapitel 2.5.2 & 2.5.3, die

anhand gegenwärtiger Tendenzen in Wissenschaft und Praxis ausgewählt wurden,

sind allesamt durch charakteristische Stärken und Schwächen gekennzeichnet, die in

der forschenden Literatur bereits mehr oder weniger umfassend aufgearbeitet wur-

den. Diese charakteristischen Stärken und Schwächen werden dem Leser nachfol-

gend näher gebracht. Den integrativen Ansätzen zur Technologiebewertung mangelt

es dabei teilweise noch an handfesten Studien bzw. Untersuchungen über ihr Eig-

nungspotential, weshalb in diesem Zusammenhang vor allem auf die Hinweise der

Verfasser auf weiteren Optimierungsbedarf eingegangen wird.

Brainstorming & Trendextrapolation

Es wird deutlich, dass Methoden wie die Trendextrapolation oder das Brainstorming,

die sehr simpel konzipiert und nach ihrem methodischen Grundprinzip nur bedingt für

Bewertungszwecke ausgelegt sind, den komplexen Rahmenbedingungen und Anfor-

derungen einer zeitgemäßen Technologiebewertung nicht standhalten können (vgl.

Kapitel 2.5.2.1 & 2.5.2.5). Das Brainstorming als qualitative Methode beinhaltet dabei

weder methodische Operationalisierungselemente noch eine strukturierte Bewer-

tungssystematik. Ferner ist der Bewertungsprozess, da er allein dem Moderator ob-

liegt, sehr stark dessen Fähigkeiten und subjektiven Einschätzungen ausgesetzt

3 Ableitung des Handlungsbedarfs 85

(SCHNEIDER, 2002, S. 93–94). Die Trendextrapolation verarbeitet dagegen nur quanti-

tative Daten und ist demnach sehr einseitig konzipiert. Zudem unterliegen die Ergeb-

nisse der Trendprognosen aufgrund der Extrapolation von Vergangenheitswerten

sowie der statischen Randbedingungen oft einer gewissen Fehlerhaftigkeit, was eine

nachfolgende Bewertung auf Grundlage der verfälschten Prognosedaten nutzlos er-

scheinen lässt. Den sich stark verändernden Rahmenbedingungen im aktuell sehr

dynamischen Unternehmensumfeld kann die Trendextrapolation vor diesem Hinter-

grund nicht gerecht werden. Für komplexe und vielschichtige Fragestellungen im

Rahmen der Technologiebewertung ist die Methode heutzutage somit kaum noch

geeignet (KRÖLL, 2007, S. 40; LUDWIG, 1995, S. 59).

Nutzwert-Analyse & Relevanzbaumanalyse

Entscheidungs- oder grafentheoretische Instrumente wie die Nutzwert- oder Rele-

vanzbaumanalyse können Problemsituationen klar strukturieren und dabei helfen,

Handlungsalternativen gegeneinander abzuwägen. Ferner beinhalten sie auch we-

sentliche Elemente einer multikriteriellen Bewertung (vgl. Kapitel 2.5.2.2 & 2.5.2.3).

Die quantitativen Analyseelemente beider Methoden erweisen sich aus mathemati-

schen, mess- sowie entscheidungstheoretischen aber auch datentechnischen Grün-

den jedoch nicht immer als verlässlich (KRÖLL, 2007, S. 41, S. 43–44; LUDWIG, 1995,

S. 59, S. 61–62; SCHNEIDER, 2002, S. 144–145). Bei der Nutzwert-Analyse liegt die

Schwierigkeit insbesondere bei der objektiven Gewichtung der Bewertungskriterien

(LUDWIG, 1995, S. 61). Bei der Relevanzbaumanalyse ist dagegen problematisch,

„dass die Methode keine Operationalisierungsvorschläge bietet, wie die zur Baum-

konstruktion notwendigen Wissenselemente zu gewinnen sind“ (SCHNEIDER, 2002,

S. 145). Zudem ist die Auswahl der Handlungsalternativen subjektiven Einflüssen

ausgesetzt und die Prognose von zukünftigen, technologischen Entwicklungen nur

unzureichend in das methodische Konzept integriert (SCHNEIDER, 2002, S. 144–145).

Delphi-Studie

Mit Hilfe der Delphi-Studie lassen sich fachlich hochwertige, kollektive Expertenmei-

nungen über zukünftige technologische Entwicklungen bilden, indem Informationen

über Veränderungen im gesellschaftlichen oder wissenschaftlichen Kontext verarbei-

tet und bewertet werden (vgl. Kapitel 2.5.2.6). Die Qualität der Bewertung ist hier al-

lerdings durch einen möglichen Zweckoptimismus der Befragungsteilnehmer einge-

schränkt, da oftmals gesellschaftliche sowie marktseitige Widerstände aber auch ge-

nerelle Schwierigkeiten bei der Implementierung der technologischen Entwicklungen

in das Unternehmen unberücksichtigt bleiben. Auch kritische Meinungen einzelner

Experten können aufgrund der Konsensorientierung der Methode leicht vernachläs-

86 3 Ableitung des Handlungsbedarfs

sigt werden (SCHNEIDER, 2002, S. 97). Darüber hinaus ist es für eine hohe Ergebnis-

qualität von großer Bedeutung, die richtigen Experten mit dem notwendigen Fach-

wissen gezielt auszuwählen. In der Praxis erweist sich die Einschätzung von Exper-

ten im Voraus jedoch häufig als problematisch (LUDWIG, 1995, S. 58; SCHNEIDER,

2002, S. 98).

Portfolio-Analyse & Szenario-Analyse

Die beiden Methoden der Portfolio- und Szenario-Analyse bestechen durch ihre stra-

tegische Ausrichtung sowie stringenten Analyseschritte und schaffen somit eine gute

Grundlage zur Entscheidungsunterstützung (vgl. Kapitel 2.5.2.4 & 2.5.2.7). Aufgrund

der zweidimensionalen Bewertungskriterien ist die Portfolio-Analyse hinsichtlich der

Bewertungsqualität jedoch nur durchschnittlich ausgeprägt. Es besteht das Risiko,

dass relevante Daten bei der Verdichtung der Bewertungsinformationen auf nur zwei

Dimensionen verloren gehen. Dies wirkt sich vor allem auf die Aussagekraft der

Normstrategien aus, die auf Basis der zweidimensionalen Portfolios ausgerichtet

werden. Als nachteilig bzgl. der Bewertungsqualität erweisen sich auch die teils ab-

hängigen Bewertungskriterien, wie z.B. finanzieller Aufwand und Technologieattrakti-

vität (SCHNEIDER, 2002, S. 136–142). Die Szenario-Analyse ist dagegen wesentlich

flexibler ausgerichtet und ermöglicht eine sehr gute Unterstützbarkeit durch weitere

Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools. Besonders die systematische Integration

und Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen Daten aus unterschiedlichen

Einflussbereichen zu plausiblen und konsistenten Zukunftsannahmen schaffen eine

hervorragende Bewertungsgrundlage. Außerdem können vernetzte Zusammenhänge

zwischen den verschiedenen Einflussbereichen angemessen berücksichtigt werden

(SCHNEIDER, 2002, S. 153; ZERNIAL, 2007, S. 111). Für die endgültige Beurteilung der

erarbeiteten Szenarien im Hinblick auf die Entscheidungsfindung existiert allerdings

kein spezifisches bzw. fest vorgegebenes Bewertungsschema. Vielmehr erhält der

Anwender die Möglichkeit, auf eine Vielzahl von unterschiedlichen Methoden und

Hilfsmittel zurückzugreifen und somit den Bewertungsprozess situationsspezifisch

anzupassen (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Anwender müssen sich jedoch des teils spekulati-

ven Charakters der Szenario-Analyse bewusst sein und auf das „Denken in Alternati-

ven“ einlassen (ZERNIAL, 2007, S. 111).

Ansatz nach HIERONYMUS, TINTELNOT & VON WICHERT-NICK

HIERONYMUS ET AL. legen ihr Bewertungsmodell anhand einer sukzessiven Einbin-

dung von Technologiefrüherkennung, -analyse und -prognose sehr zukunftsorientiert

aus (vgl. Kapitel 2.5.3.1). Die Ergebnisse der Bewertung, die über Technologie-

Portfolios ausgedrückt werden, fließen dabei direkt in die strategische Planung des

3 Ableitung des Handlungsbedarfs 87

Technologieeinsatzes ein. Derart wichtige Entscheidungen im Rahmen einer strate-

gischen Technologieplanung jedoch allein auf Elemente der Portfolio-Analyse zu

stützen, erscheint in Anbetracht der erwähnten Schwachstellen von Portfolio-

Darstellungen als fragwürdig. Hinweise zur weiteren, methodischen Ausgestaltung

und Operationalisierung der einzelnen Bewertungsschritte sind nach Angaben der

Verfasser dringend erforderlich (HIERONYMUS ET AL., 1996, S. 28; SCHNEIDER, 2002,

S. 32–33).

Ansatz nach BRANDENBURG

Der Ansatz von BRANDENBURG leistet einen Beitrag zur Problemlösung in den frühen

Phasen der Innovationsplanung von Produkten. Der Ansatz beinhaltet ein systemati-

sches Bewertungsmodell auf Basis entscheidungstheoretischer Algorithmen unter

dem Leitgedanken einer multikriteriellen Bewertung, so dass eine gute Bewertungs-

qualität und plausible Entscheidungsunterstützung bei der Auswahl von Produktideen

gewährleistet werden kann. Die Orientierung an künftigen Chancen und Potentialen

wird außerdem durch ein Zukunftsmodell ermöglicht, das die Gestaltungsbereiche

des Unternehmens analysiert (vgl. Kapitel 2.5.3.2). Die Methode unterstützt letztend-

lich eine offene Suche sowie systematische Umsetzung von neuen, aussichtsreichen

Produktideen in verschiedenen Gestaltungsbereichen des Unternehmens und fördert

gezielt die Erschließung technologischer Potentiale. Es wird allerdings deutlich, dass

der Fokus der Methode nicht auf einer klassischen Technologiebewertung liegt

(BRANDENBURG, 2002, S. 127).

Ansatz nach HALL

HALL rückt in seinem Ansatz den Aspekt der Ganzheitlichkeit in den Mittelpunkt.

Technologien werden dabei nicht nur einer kunden- bzw. marktseitigen Bewertung

unterzogen, sondern auch entsprechend ihrer charakteristischen Merkmale, ihres

Systemcharakters sowie ihrer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft beurteilt

(vgl. Kapitel 2.5.3.3). Dem Ansatz mangelt es jedoch an Anhaltspunkten zur Gewich-

tung der einzelnen Bewertungskriterien. So muss dem Ansatz eine gleichgestellte

Betrachtung der Kriterien unterstellt werden, was die Eignung der Methode für eine

flexible Anwendung bei Bewertungsprojekten mit dynamischen Rahmenbedingungen

deutlich einschränkt. Auch wird einer zukunftsorientierten bzw. langfristigen Techno-

logiebetrachtung sowie einer konkreten Ausrichtung entlang eines geplanten Tech-

nologieeinsatzes innerhalb des methodischen Konzepts kaum Beachtung geschenkt.

Eine angemessene Unterstützung von Technologieentscheidungen kann somit nicht

gewährleistet werden (SCHNEIDER, 2002, S. 30–31).

88 3 Ableitung des Handlungsbedarfs

Ansatz nach KRÖLL

Der Ansatz von KRÖLL umfasst eine Methode zur Technologiebewertung für eine er-

gebnisorientierte Produktentwicklung. Die zu bewertenden Technologiealternativen

werden dabei als Technologiemodelle innerhalb eines geplanten Produkts hinsicht-

lich Qualität, Flexibilität, Kosten und technologischem Reifegrad systematisch beur-

teilt. Das Produkt wird dazu in ein Funktionsmodell überführt, das die Analyse von

Technologiealternativen unter Einhaltung der funktionalen Anforderungen des Pro-

dukts ermöglicht. Dieser enge Bezug zu einem geplanten Produkt und dessen Funk-

tionen führt zu einer deutlich verbesserten Entscheidungsunterstützung (vgl. Kapitel

2.5.3.4). Nichtsdestotrotz offenbart auch dieser Ansatz diverse Schwachstellen. Ver-

besserungspotential existiert insbesondere bzgl. einer verstärkten Systematisierung

der Methode durch ein entsprechendes Software-Tool sowie einer Verfeinerung des

Bewertungsprozesses. Auch die gezielte Erweiterung von Bewertungskriterien und

Beschreibungsmerkmalen der betrachteten Technologiealternativen ist in diesem

Zusammenhang zu nennen (KRÖLL, 2007, S. 141–143).

3.2 Forschungsspezifische Evaluierung der Methoden zur Technologiebewertung

Nachdem die vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung zunächst einer all-

gemeinen Methodenkritik unterzogen wurden, folgt nun eine spezifische Evaluierung

im Sinne dieser Forschungsarbeit. Die konsultierten Bewertungsmerkmale sind dabei

so auszuwählen, dass einem Methodeneinsatz in der strategischen Produktplanung

unter Berücksichtigung der eingangs der Arbeit geschilderten Problemstellung (vgl.

Kapitel 1.2) und Zielsetzung (vgl. Kapitel 1.3) entsprechend Rechnung getragen wer-

den kann. Die Bewertungsmerkmale setzen sich daher wie folgt zusammen:

Technologieerfassung: Früherkennung, Datenintegration;

Objektbezug;

Bewertungsqualität: qualitative Analyse, quantitative Analyse, multikriterielle

Analyse;

Systematik: strukturiertes Konzept, Toolunterstützung.

Mit dem Merkmal der Technologieerfassung wird untersucht, inwieweit die einzelnen

Bewertungsmethoden eine frühzeitige Erfassung von Signalen über künftige techno-

logische Entwicklungen inkl. der dazugehörigen Daten und Informationen in ihr me-

thodisches Konzept integrieren. So lassen sich die Methoden hinsichtlich einer zu-

kunftsorientierten Ausrichtung sowie einer zweckmäßigen Datenerfassung und

3 Ableitung des Handlungsbedarfs 89

-integration beurteilen (vgl. Kapitel 1.2). Das Merkmal umfasst demnach die beiden

untergeordneten Eigenschaften der Früherkennung und Datenintegration. Mit der

Eigenschaft der Früherkennung soll gezeigt werden, ob die Bewertungsmethoden

entsprechende Analyseelemente beinhalten, die für eine systematische Technologie-

früherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1 & 2.5.1) ausgelegt sind. Die Datenintegration be-

schreibt dagegen, inwiefern die Methoden eine zielgerichtete Verarbeitung (Zusam-

menführung von Bewertungsinformationen) der gesammelten, technologiespezifi-

schen Daten ermöglichen.

Das Merkmal des Objektbezugs liefert eine Aussage über die Ausrichtung der ein-

zelnen Methoden an einem konkreten Untersuchungsobjekt wie bspw. einem Pro-

dukt, in dessen Rahmen die alternativen Technologien hinsichtlich ihres Einsatzpo-

tentials bewertet werden sollen. Gerade für eine Technologiebewertung in der strate-

gischen Produktplanung ist dies entscheidend, da Technologien auf diese Weise

gemäß ihres zunehmend vernetzten Charakters und der Wechselwirkungen mit an-

deren Komponenten des betrachteten Produkts angemessen beurteilt werden kön-

nen. So lässt sich vermeiden, dass der Einsatz neuer Technologien als Folge einer

isolierten Technologiebewertung zu unbemerkten Unstimmigkeiten in der funktiona-

len Struktur des Produkts und somit zum Verlust der Funktionsfähigkeit führt (vgl.

Kapitel 1.2).

Die Untersuchung der Bewertungsqualität gibt Aufschluss darüber, inwiefern die Me-

thoden einerseits quantitative sowie qualitative Analyseelemente in ihren Bewer-

tungsablauf integrieren und andererseits den Anforderungen einer multikriteriellen

Bewertung gerecht werden. Beides sind wichtige Voraussetzungen für stichhaltige

und schlüssige Ergebnisse einer Technologiebewertung. Die Verknüpfung von quan-

titativen mit qualitativen Analyseelementen bei der Verarbeitung der Bewertungsin-

formationen führt dazu, dass die Schwachstellen einer einseitig ausgelegten Bewer-

tung entsprechend übergangen werden können (vgl. Kapitel 1.2). Ferner beseitigt die

Berücksichtigung von multikriteriellen Bewertungselementen die Schwierigkeiten ei-

ner intuitiven, unsystematischen Bewertung (vgl. Kapitel 2.4.2) anhand einer struktu-

rierten und objektiven Beurteilung von Alternativen hinsichtlich einer Vielzahl von

gewichteten Kriterien.

Abschließend zeigt das Merkmal der Systematik, ob den vorgestellten Methoden ein

strukturiertes sowie toolgestütztes Konzept zugrunde liegt, das eine praktikable An-

wendung im Unternehmen ermöglicht und evtl. auch rechnergestützt umsetzbar ist

(vgl. Kapitel 1.2). Die Eigenschaft des strukturierten Konzepts beschreibt dabei, in-

wieweit die Methoden durch einen systematischen und durchgängigen Ablauf ge-

kennzeichnet sind, der eine nachvollziehbare Handhabung durch den Anwender ge-

90 3 Ableitung des Handlungsbedarfs

währleistet. Mit der Eigenschaft der Toolunterstützung wird dagegen ausgedrückt, in

welchem Maß die Vorgehensweise der einzelnen Methoden durch den Einsatz weite-

rer Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools unterstützt bzw. modifiziert werden

kann.

Bild 3.1 liefert vor diesem Hintergrund eine Übersicht über die entsprechenden

Merkmalsausprägungen für die betrachteten Methoden zur Technologiebewertung.

Nachfolgend wird noch einmal im Detail auf die Stärken und Schwächen der Metho-

den hinsichtlich der einzelnen Bewertungsmerkmale eingegangen.

Bild 3.1: Evaluierung der vorgestellten Methoden zur Technologiebewertung

Hinsichtlich einer zweckmäßigen Technologieerfassung existieren erkennbare

Schwachstellen im Methoden-Portfolio. Während die Erfassung und Verarbeitung der

technologiespezifischen Daten mit dem Großteil der Methoden noch angemessen

umgesetzt werden kann, wird einem frühzeitigen Erkennen von zukunftsrelevanten

technologischen Entwicklungen nur spärlich Folge geleistet. Die Gründe liegen hier

Ausprägungen:

Tech

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Trendextrapolation

Nutzwert-Analyse

Relevanzbaumanalyse

Portfolio-Analyse

Brainstorming

Delphi-Studie

Szenario-Analyse

Ansatz nach HIERONYMUS ET AL.

Ansatz nach BRANDENBURG

Ansatz nach HALL

Ansatz nach KRÖLL

nicht bis kaum ausgeprägt

moderat ausgeprägt

stark ausgeprägt

3 Ableitung des Handlungsbedarfs 91

zum einen bei einer mangelnden Einbindung von Elementen der Technologiefrüher-

kennung in die methodischen Abläufe, zum anderen bei Problemen einer „zeitlich

und inhaltlich flexible(n, Anm. des Verf.) Zuordnung von bewertungsrelevanten Da-

ten, und unterschiedliche(n, Anm. des Verf.) Sicherheits- und Genauigkeitsgrade(n,

Anm. des Verf.) bei der Informationsbeschaffung und -auswertung“ (KRÖLL, 2007,

S. 50). Die Szenario-Analyse sowie der Ansatz nach BRANDENBURG erfüllen dieses

Kriterium noch am ehesten. Die Szenario-Analyse, die generell auch im Rahmen der

Technologiefrüherkennung eingesetzt werden kann, trägt diesem Umstand vor allem

aufgrund ihrer zukunftsorientierten Auslegung Rechnung (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Man

zielt dabei aber weniger auf die gezielte Suche nach neuen Technologien ab, son-

dern vielmehr auf die Erfassung und Verarbeitung von Trends zu konsistenten Sze-

narien, die „plausible Annahmen über zukünftige Entwicklungen“ von Technologien

liefern können (SCHNEIDER, 2002, S. 153). Die Methode von BRANDENBURG erlaubt

durch die Integration eines Zukunfts- und Informationsmodells eine ausgesprochen

gute Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über zukünftige Chancen und

Potentiale. Jedoch liegt der Fokus dabei nicht konkret auf technologiespezifischen

Informationen für eine nachfolgende Technologiebewertung (vgl. Kapitel 2.5.3.2).

Insgesamt besteht also dringender Handlungsbedarf hinsichtlich einer verstärkten

Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.5.1) in zeit-

gemäße Bewertungskonzepte.

In Bezug auf die Bewertungsqualität sind deutliche Unterschiede im Methoden-

Portfolio zu erkennen. Als positiv ist zu erwähnen, dass – abgesehen von den Me-

thoden der Trendextrapolation und des Brainstormings – sämtliche Methoden sowohl

quantitative als auch qualitative Analyseelemente beinhalten. Diese werden vom

Großteil der Methoden jedoch in vereinfachte Bewertungsmodelle integriert, um so-

mit eine scheinbare Vergleichbarkeit zwischen den bewertungsrelevanten Größen zu

schaffen und den Bewertungsvorgang deutlich zu vereinfachen. Dadurch geht ein

wesentliches Maß an Bewertungsqualität verloren (KRÖLL, 2007, S. 51–52; LUDWIG,

1995, S. 31–32). Lediglich die Szenario-Analyse sowie die Ansätze nach BRANDEN-

BURG und KRÖLL (vgl. Kapitel 2.5.2.7, 2.5.3.2 & 2.5.3.4) verfügen über sehr ausgefeil-

te Analyseschritte, die eine systematische und wesensgerechte Verarbeitung der

Bewertungsinformationen gewährleisten. Zu beachten ist dabei allerdings, dass die

Szenario-Analyse für die endgültige Bewertung keinen spezifischen Bewertungsan-

satz vorgibt, sondern eher Möglichkeiten liefert, den Bewertungsprozess durch den

Einsatz unterschiedlicher Methoden und Hilfsmittel situationsspezifisch anzupassen.

Ferner liegt bei BRANDENBURG der Fokus, wie bereits erwähnt, nicht konkret auf der

Bewertung von Technologien, weshalb diesem Ansatz trotz seines hohen Potentials

nur eine untergeordnete Bedeutung zukommt. Neben Methoden wie der Nutzwert-

92 3 Ableitung des Handlungsbedarfs

Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.2) und bedingt auch der Relevanzbaumanalyse (vgl. Kapi-

tel 2.5.2.3) sowie Portfolio-Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.4) schenken besonders die in-

tegrativen Methoden zur Technologiebewertung dem Leitgedanken einer multikriteri-

ellen Bewertung Beachtung. Dieser Umstand verdeutlicht, dass eine multikriterielle

Bewertung gerade aufgrund der Vielzahl von aktuell zu berücksichtigenden Kriterien

aus dem Unternehmensumfeld sowie dem Unternehmen selbst immer mehr an Be-

deutung gewinnt und in zeitgemäßen Bewertungsmethoden zwingend eingebunden

werden muss (vgl. Kapitel 2.4.2).

Gerade vor dem Hintergrund, dass die Technologiebewertung im Rahmen der stra-

tegischen Produktplanung als Vorbereitung für eine zukunftsorientierte Produktent-

wicklung immer mehr an Bedeutung gewinnt, wird deutlich, dass die Ausrichtung der

Methoden an konkreten Objekten bzw. Produkten nur unzureichend ausgeprägt ist.

Lediglich die Szenario-Analyse und der Ansatz nach KRÖLL ermöglichen eine Be-

rücksichtigung der funktionalen Verknüpfung von Technologien mit dem umgeben-

den System bzw. Produkt und umgehen somit eine isolierte Betrachtung von Tech-

nologien. Bei der Szenario-Analyse lassen sich solche Wirkungsbeziehungen bspw.

anhand der Einflussanalyse untersuchen und darstellen (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Noch

präziser geht dagegen KRÖLL vor, der die Vernetzung sämtlicher Technologien eines

Produkts über ein Funktionsmodell abbildet (vgl. Kapitel 2.5.3.4). Den übrigen Me-

thoden mangelt es aber an einer solch produktbezogenen Betrachtung, die gerade

für eine Bewertungsmethode zur Unterstützung von Technologieentscheidungen in

der strategischen Produktplanung eine wichtige Voraussetzung darstellt.

Die vorgestellten Methoden sind allesamt durch eine strukturierte Vorgehensweise

gekennzeichnet. Dennoch kann eine angemessene tool- bzw. rechnergestützten

Ausgestaltung der Methoden nur bedingt als erfüllt betrachtet werden. Insbesondere

die Methode des Brainstormings, die qualitativ ausgerichtet ist und sich hauptsäch-

lich auf eine interaktive Vorgehensweise stützt, wird diesem Kriterium nicht gerecht

(vgl. Kapitel 2.5.2.5). Die übrigen Methoden, die auch quantitative Analyseelemente

beinhalten, sind in ihrer Anwendung dagegen leichter durch diverse, rechnergestütz-

te Tools zu untermauern und entsprechend der heutzutage stark technisierten und

standardisierten Arbeitsabläufe in Unternehmen zu systematisieren. Bis auf die Sze-

nario-Analyse gibt allerdings kaum eine Methode ausreichend Hinweise auf eine

phasenspezifische Unterstützung oder Modifizierbarkeit durch weitere Methoden

bzw. Hilfsmittel. Dementsprechend flexibel erweist sich die Szenario-Analyse in ihrer

Anwendbarkeit gegenüber den anderen Methoden, gerade was den Detailgrad oder

den Zweck des Untersuchungsvorhabens betrifft (ZERNIAL, 2007, S. 111). Letzten

Endes existiert aber auch hier sichtlicher Handlungsbedarf, wie einzelne Methoden

3 Ableitung des Handlungsbedarfs 93

etwa durch den Einsatz weiterer Methoden, Hilfsmittel oder Software-Tools unter-

stützt bzw. modifiziert werden können.

3.3 Konkreter Handlungsbedarf

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass nicht die „ideale“ Methode zur Technolo-

giebewertung existiert. Vielmehr ist unter diesen Umständen eine Kombination von

unterschiedlichen Bewertungsansätzen gemäß ihrer Stärken und Zweckmäßigkeiten

zu empfehlen, um letztendlich technologische Entwicklungen systematisch erschlie-

ßen sowie bewerten zu können und damit eine fundierte Entscheidungsgrundlage zu

schaffen (SCHNEIDER, 2002, S. 166–167). Vor diesem Hintergrund ergeben sich für

die anschließende Erarbeitung der Methode zur Technologiebewertung für eine zu-

kunftsorientierte Produktentwicklung folgende, signifikante Anforderungen:

Erarbeitung eines strukturierten, toolgestützten Vorgehensmodells für eine

einfache praktische Umsetzung in Unternehmen durch Verknüpfung eigens

entwickelter Analyseelemente mit geeigneten Analyseelementen aus dem

vorgestellten Methoden-Portfolio (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3);

Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.5.1)

in das methodische Konzept zur Gewährleistung einer umfassenden Beschaf-

fung und Verarbeitung von Informationen über zukunftsrelevante technologi-

sche Entwicklungen;

Produktspezifische Auslegung der Methode für eine zielgerichtete Analyse

und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung ihrer funktionalen

Wechselwirkungen im betrachteten Produkt;

Systematische und multikriterielle Bewertung der Technologiealternativen

über quantitative sowie qualitative Analyseelemente zur Sicherstellung aussa-

gekräftiger Bewertungsergebnisse.

94 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewer-tung

Die Erarbeitung der Bewertungsmethode in diesem Kapitel orientiert sich strikt an

den hergeleiteten Anforderungen aus Kapitel 3.3, so dass den eingangs der Arbeit

geschilderten Problembereichen im Rahmen einer methodisch gestützten Technolo-

giebewertung (vgl. Kapitel 1.2) Rechnung getragen sowie die übergeordnete Zielset-

zung (vgl. Kapitel 1.3) erreicht werden kann. Die Bewertungsmethode ist auf einen

Einsatz in der strategischen Produktplanung ausgelegt und ermöglicht somit eine

frühzeitige, technologiebezogene Anpassung bzw. Weiterentwicklung eines beste-

henden Produkts im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung. Mit

ihrer Anwendung sollen systematisch Technologieentscheidungen unterstützt wer-

den, die auf den Einsatz zukunftssicherer Technologien aus einem spezifischen

Suchfeld in künftigen Produktlösungen abzielen. Die gewonnenen, technologischen

Erkenntnisse liefern dem Unternehmen dabei wichtige Indizien für mögliche Varian-

ten- bzw. Änderungskonstruktionen oder sogar Neukonstruktionen (vgl. Kapitel

2.3.1). Das Konzept der Bewertungsmethode stützt sich in der Folge auf drei wesent-

liche Leitmotive:

Systemische Exploration zur Erforschung der Produkthistorie als Ausgangs-

punkt für die Ableitung von Systemtrends sowie die darauf aufbauende Erstel-

lung suchfeldspezifischer Szenarien zur Erfassung technologiespezifischer

Signale;

Bestimmung von potentiellen Technologieoptionen unter Berücksichtigung der

technologiespezifischen Signale;

Multikriterielle Bewertung der Technologieoptionen hinsichtlich Technologie-

potential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unterneh-

men.

Um diesen Leitmotiven gleichzukommen, beinhaltet die Bewertungsmethode ausge-

wählte Elemente einer methodisch gestützten Technologiefrüherkennung (vgl. Kapi-

tel 2.5.1) sowie einzelne Bausteine der vorgestellten Methoden zur Technologiebe-

wertung (vgl. Kapitel 2.5.2 & 2.5.3), die der kritischen Beurteilung aus Kapitel 3.1 &

3.2 standhalten. Diese werden zusammen mit eigens entwickelten Analyseelemen-

ten zu einem systematischen, methodischen Grundkonzept verknüpft, das im Fol-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 95

genden mit seinen wesentlichen Analyseelementen vorgestellt und schematisch in

den Ablauf der strategischen Produktplanung integriert wird. Anschließend erfolgen

eine detaillierte Schilderung von Aufbau, Inhalt und Vorgehen in den einzelnen Pha-

sen und Ablaufschritten der Methode sowie die Vorstellung des Software-Tools zur

phasenspezifischen Unterstützung.

4.1 Grundkonzept der Bewertungsmethode

Das Grundkonzept der Bewertungsmethode orientiert sich an den eben erwähnten

Leitmotiven, die schließlich mit eigenen Methodenbausteinen sowie passenden Ana-

lyseelementen bewährter Methoden zur Technologiefrüherkennung und -bewertung

zu einem durchgängigen, methodischen Grundkonzept auszugestalten sind. Die auf-

einander aufbauenden Leitmotive werden mit samt ihrer methodischen Ausgestal-

tung nachfolgend erläutert.

Leitmotiv I - Systemische Exploration

Das Leitmotiv der systemischen Exploration dient dazu, den Systemcharakter des

betrachteten Produkts herauszuarbeiten und die Grundvoraussetzung zu schaffen,

um potentielle Technologieoptionen in einem festgelegten, produktspezifischen

Suchfeld unter Berücksichtigung ihrer funktionalen Wechselwirkungen zu den übri-

gen Komponenten des Produkts zielgerichtet identifizieren und nachfolgend bewer-

ten zu können. In einem Trendmodell ist dafür zunächst eine Analyse der histori-

schen Entwicklung der Systemkomponenten – bestehend aus dem Suchfeld, den

übrigen Komponenten eines Produkts sowie technischen Systemen, mit denen das

Produkt in Kontakt steht – vorzunehmen, um darauf aufbauend Entwicklungstrends

im Produkt und dessen Umfeld (Systemtrends) identifizieren zu können. Aufbauend

auf das Trendmodell werden in der Folge schlüssige Entwicklungsszenarien für das

Suchfeld erarbeitet. Dadurch soll ein nachvollziehbarer und möglichst konsistenter

Zukunftsraum beschrieben werden, der Aufschluss über signifikante Evolutionslinien

bzw. neue technologische Trends im Suchfeld gibt und eine plausible Basis für die

Einstufung des Zukunftspotentials von Technologieoptionen schafft.

Methodisch unterstützt wird dieses Leitmotiv insbesondere durch ausgewählte, modi-

fizierte Bestandteile der TRIZ-Methodik und der Szenario-Analyse, die ähnlich der

Vorgehensweise einer Directed Evolution™ miteinander verknüpft werden (vgl. Kapi-

tel 2.5.1.4). Aufbauend auf eine retrospektive Systemanalyse sowie wissenschaftlich

nachgewiesene Entwicklungstrends eines technischen Systems lassen sich dadurch

potentielle Entwicklungsrichtungen von Produkt und Suchfeld in der Zukunft aufzei-

96 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

gen. Besonders TRIZ-Werkzeuge eignen sich aufgrund ihrer Orientierung an den

Prinzipien und Gesetzmäßigkeiten der technischen Evolution sowie der systemi-

schen Betrachtungsweise sehr gut dazu, Trends in einem technischen System auf-

zuzeigen und neue technologische Erkenntnisse unter Berücksichtigung der funktio-

nalen Zusammenhänge im Produkt zu sammeln (vgl. Kapitel 2.5.1.4). Anhand einer

systematischen und konsistenten Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen

Daten zu plausiblen Zukunftsbildern können mit der Szenario-Analyse anschließend

Wege aufgezeigt werden, wie sich das betrachtete Suchfeld unter dem Einfluss der

verschiedenen Systemtrends künftig gestalten könnte (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Neben

der Forderung nach einer Einbindung von Elementen der Technologiefrüherkennung

kann somit auch einer produktspezifischen Auslegung der Methode sowie einer sys-

tematischen und wesensgerechten Aufbereitung von Daten und Informationen als

Fundament für eine aussagekräftige Technologiebewertung Rechnung getragen

werden.

Als notwendige Vorbereitungsmaßnahme der systemischen Exploration ist allerdings

erst eine systemtechnische Strukturierung des betrachteten Produkts notwendig, bei

der das Suchfeld als Systemkomponente festgelegt und die übrigen Systemkompo-

nenten im Produkt sowie dessen Umfeld bestimmt werden. Dabei wird sich am klas-

sischen TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der Systemkomponenten (vgl. Kapitel

2.5.1.4) orientiert, das jedem technischen System vier grundlegende Komponenten-

typen (Ausführungsteil, Übertragungsteil, Energiequelle, Kontrollteil) zuschreibt, die

sowohl Bestandteil des Systems selbst als auch Teil dessen Umfeld sein können und

das funktionale Fundament für die Lebensfähigkeit des Systems schaffen. Wird im

Übertragungsteil ferner noch zwischen Energie-, Stoff- und Informationsfluss diffe-

renziert, so erhält man eine zusätzliche Möglichkeit zur Spezifizierung der System-

komponenten (GRAWATSCH, 2005, S. 68–69).

Mit dem Grundgerüst des System Operators lässt sich in der Folge ein produktspezi-

fisches Trendmodell gestalten, das auf systematische Weise eine übersichtliche Ana-

lyse der historischen Entwicklung der identifizierten Systemkomponenten mit Folge-

rung auf Trends (Systemtrends) bzw. künftige Weiterentwicklungen zulässt (vgl. Ka-

pitel 2.5.1.4). Unterstützt wird die Ermittlung der Systemtrends und potentiellen Wei-

terentwicklungen durch eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der erwei-

terten TESE (vgl. Anhang A).

Die Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien auf Basis des Trendmodells orien-

tiert sich in der Folge an den wesentlichen Ablaufschritten der Szenario-Analyse

nach GAUSEMEIER ET AL. (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Das Trendmodell fungiert dabei als

Datengrundlage für das Szenariofeld, in dem die aufbereiteten Systemtrends zu po-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 97

tentiellen Einflussgrößen (Deskriptoren) für die Weiterentwicklung des Produkts über-

führt werden. Auch externe Trends mit potentiellem Einfluss auf das Produkt (Markt,

Politik, Gesellschaft, Umwelt) sind dabei zu berücksichtigen und über einschlägige

Trendliteratur zu erfassen. Aus diesem Pool an Deskriptoren werden markante

Schlüsseldeskriptoren identifiziert, die die künftige Entwicklung des Suchfelds am

stärksten beeinflussen, und zu möglichen Zukunftsprojektionen fortgeschrieben. Ab-

schließend werden konsistente Zukunftsprojektionen gebündelt und zu plausiblen

Szenarien verarbeitet. Zur Gewährleistung einer fundierten Datenbasis für die weite-

ren Untersuchungen sind die Szenarien präzise, nachvollziehbar und vollständig zu

beschreiben. Besonderer Fokus liegt dabei auf den Forderungen, die die einzelnen

Szenarien an die Technologieentwicklung im Suchfeld stellen. Diese liefern wichtige

Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends als Vorberei-

tung auf die nachfolgende Suche nach Technologieoptionen.

Leitmotiv II – Bestimmung von Technologieoptionen

Die Basis des zweiten Leitmotivs zur Bestimmung von Technologieoptionen bildet

die Technologieentwicklung im Suchfeld, die anhand der retrospektiven Systemana-

lyse im Trendmodell bereits erfasst und über die erweiterten TESE sowie die Erstel-

lung der suchfeldspezifischen Szenarien in die Zukunft fortgeschrieben wurde. Ange-

lehnt an den typischen Zweck und Ablauf der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel

2.2.2.1) sind hier die erfassten Signale über technologische Trends bzw. signifikante

Evolutionslinien entsprechend zu verdichten, so dass gezielt auf neue technologi-

sche Potentiale geschlossen werden kann. Neben neu identifizierten Technologieop-

tionen im Suchfeld sind in der Folge auch die gegenwärtig eingesetzten Technolo-

gieoptionen zu berücksichtigen und datentechnisch zu beschreiben. So kann bei der

nachfolgenden Bewertung beurteilt werden, ob sich ein radikaler Sprung von bewähr-

ten auf neue Technologien für das Unternehmen überhaupt lohnen würde.

Die nach diesem Leitmotiv geforderte Verdichtung der technologiespezifischen Sig-

nale im Suchfeld und die gezielte Suche nach neuen Technologieoptionen stützen

sich methodisch auf zwei aufeinander aufbauende Lösungswege. Der kreative Weg

kommt bereits bei der Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien zum Tragen, in

denen die signifikanten Evolutionslinien bzw. technologischen Trends wichtige Hin-

weise für die Suche nach neuen Technologieoptionen liefern. Der in diesem Leitmo-

tiv manifestierte, analytische Weg impliziert darauf aufbauend die Verwendung von

klassischen Methoden zur Technologiefrüherkennung wie Patentanalysen (vgl. Kapi-

tel 2.5.1.2), Expertengespräche (vgl. Kapitel 2.5.1.1) oder die Analyse forschungs-

spezifischer Literatur. Auf diese Weise können die technologiespezifischen Signale

durch die Sammlung „greifbarer“ Informationen über neue Technologien verdichtet

98 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

und einer Bewertung zugänglich gemacht werden. Um ferner auch eine gewisse

Ordnung und Vergleichbarkeit zwischen den identifizierten Technologieoptionen her-

zustellen, das Technologieverständnis zu fördern und eine ausreichende Informati-

onsgrundlage zu schaffen, ist abschließend eine umfassende Beschreibung der

Technologien hinsichtlich Funktionsweise sowie inhaltlichen, qualitativen, zeitlichen,

ökonomischen und personellen Merkmalen zu tätigen (vgl. Kapitel 2.1.2).

Leitmotiv III – Multikriterielle Technologiebewertung

Nach dem dritten Leitmotiv ist abschließend eine multikriterielle Bewertung durchzu-

führen, die eine kombinierte Potentialbestimmung für die im Suchfeld bestimmten

Technologieoptionen hinsichtlich der Dimensionen Technologiepotential, Zukunftspo-

tential und Unternehmenspotential erlaubt. Die Beurteilung des Technologiepotenti-

als ermöglicht dabei eine Aussage, inwieweit die einzelnen Technologieoptionen die

grundlegenden Anforderungen an das Suchfeld erfüllen können, die sich wiederum

aus funktionalen Anforderungen des Produkts, kunden- sowie unternehmensspezifi-

schen Anforderungen zusammensetzen. Demgegenüber beschreibt die Dimension

des Unternehmenspotentials, inwieweit das Unternehmen über das Potential verfügt,

die entsprechenden Technologieoptionen tatsächlich auch umsetzen zu können. Das

Zukunftspotential wird letzten Endes an ausgewählten Zukunftskriterien sowie dem

Erfüllungspotential hinsichtlich der erarbeiteten Szenarien gemessen.

Die Bewertung der relevanten Technologieoptionen stützt sich methodisch auf den

Kernaspekt einer multikriteriellen Bewertung, so dass entsprechend der Anforderun-

gen an eine zeitgemäße Technologiebewertung mehrere Alternativen unter Berück-

sichtigung einer Vielzahl von Kriterien möglichst objektiv beurteilt werden können

(vgl. Kapitel 2.4.2). Dafür ist es wichtig, dass das Grundgerüst der produkt-, kunden-

sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des Techno-

logiepotentials in enger Absprache mit Interessensgruppen des Unternehmens (Ent-

wicklung, Fertigung etc.) festgelegt wird. Die Kriterien zur Bestimmung von Unter-

nehmens- und Zukunftspotential werden dagegen fest vorgegeben. Das Bewer-

tungsmodell selbst besteht in der Folge aus Bewertungsmatrizen, in denen die jewei-

ligen Teilpotentiale der einzelnen Technologieoptionen hinsichtlich der gewichteten

Bewertungskriterien bestimmt werden. Hierbei wird sich am Prinzip der Nutzwert-

Analyse orientiert, so dass sich Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspotential

der jeweiligen Technologieoptionen letztendlich über eine Aggregation der entspre-

chenden Teilpotentiale ermitteln lassen (vgl. Kapitel 2.5.2.2). Die relative Gewichtung

der Kriterien wird über einen paarweisen Vergleich ermittelt (vgl. Kapitel 2.4.2) und

orientiert sich an den vermittelten Wertvorstellungen bzw. Präferenzen der Interes-

sensgruppen. Anhand der aggregierten Potentiale lassen sich die einzelnen Techno-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 99

logieoptionen zusammenfassend in einer modifizierten, dreidimensionalen Portfolio-

Matrix darstellen, um eine entsprechende Ableitung von konkreten Handlungsemp-

fehlungen vornehmen und gezielt auf Technologieentscheidungen vorbereiten zu

können.

Vor dem Hintergrund, dass sich die wesentlichen Eckpfeiler der Bewertungsmethode

auf Elemente der TRIZ-Methodik, Szenario-Analyse sowie multikriteriellen Bewertung

stützen, wird die Methode als TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung be-

titelt. Deren prozessuales Ablaufschema, das die vorgestellten und methodisch aus-

gestalteten Leitmotive miteinander verknüpft, wird in Bild 4.1 veranschaulicht und

umfasst vier Phasen mit spezifischen Ablaufschritten. Für eine praktikable und re-

produzierbare Anwendung der Bewertungsmethode wird mit der Software Microsoft

Office Excel außerdem ein strukturiertes und nachvollziehbares Tool erstellt, das den

Anwender bei der Ausführung der Methode phasenspezifisch unterstützt.

Bild 4.1: Prozessuales Ablaufschema der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung

Technologieidentifikation

Beschreibung der Technologieoptionen

Bestimmung von

Technologieoptionen

Ableitung von Handlungsempfehlungen

Multikriterielle Bewertung

Aufbereitung der BewertungskriterienMultikriterielle

Technologiebewertung

Untersuchungsrahmen

Systemtechnische Strukturierung

Vorbereitungsphase

Gestaltung des Trendmodells

Erstellung des Szenariofelds

Einflussanalyse

Erstellung von Zukunftsprojektionen

Szenariobildung

Systemische

Exploration

100 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Die erste Phase bildet die Vorbereitungsphase, in der zunächst der Untersuchungs-

rahmen festgelegt wird. Dabei wird die Problemstellung geklärt, die Zielsetzung ab-

geleitet sowie das zu untersuchende Produkt und Suchfeld festgelegt. Abschließend

erfolgt die systemtechnische Strukturierung des Produkts für eine funktionale Einord-

nung des Suchfelds als Systemkomponente sowie zur Bestimmung der übrigen Sys-

temkomponenten gestützt durch das klassische TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der

Systemkomponenten.

Die zweite Phase umfasst die systemische Exploration. Aufbauend auf das Prinzip

des System Operators erfolgt hier die Gestaltung eines Trendmodells über eine sys-

tematische, retrospektive Analyse der historischen Evolution der Systemkomponen-

ten mit Schlussfolgerung auf signifikante Systemtrends. Begünstigt wird die Identifi-

kation der Systemtrends durch eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der

erweiterten TESE. Angelehnt an die Szenario-Analyse wird nachfolgend das Szena-

riofeld erstellt. Dafür werden die Systemtrends in produktspezifische Deskriptoren

überführt und um externe Deskriptoren aus den Bereichen Markt, Politik, Gesell-

schaft sowie Umwelt mit potentiellem Einfluss auf die Weiterentwicklung des Pro-

dukts ergänzt. Es folgt eine Einflussanalyse zur Identifikation der markanten Schlüs-

seldeskriptoren, die Erstellung von Zukunftsprojektionen sowie deren Bündelung zu

konsistenten, suchfeldspezifischen Szenarien.

Die dritte Phase dient der Bestimmung der zu bewertenden Technologieoptionen im

Suchfeld. Neben den bereits eingesetzten Technologieoptionen sind dabei gezielt

auch neue technologische Lösungen zu identifizieren, die den technologiespezifi-

schen Signalen aus der systemischen Exploration folgen. Methodisch zu unterstüt-

zen ist die Suche nach neuen Technologieoptionen durch kreative Anreize aus den

erarbeiten Szenarien sowie durch klassische Recherche- bzw. Früherkennungsin-

strumente wie Patentanalyse, Expertengespräche oder forschungsspezifische Litera-

tur. Abschließend sind die für die weitere Untersuchung relevanten Technologieopti-

onen im Hinblick auf die nachfolgende Bewertung datentechnisch zu beschreiben.

Die finale Phase bildet die multikriterielle Bewertung der identifizierten Technologie-

optionen zur Bestimmung von Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspotential.

Eine systematische Aufbereitung des Grundgerüsts an Bewertungskriterien zur voll-

ständigen Festlegung sowie anschließenden Gewichtung erweist sich an dieser Stel-

le als unabdingbar. Schlussendlich runden die Durchführung der multikriteriellen Be-

wertung sowie die Ableitung der Handlungsempfehlungen auf Basis der gewonnenen

Bewertungsergebnisse das methodische Konzept ab.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 101

Um den Anwendungsbereich der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-

tung klar abzustecken, ist die Methode abschließend in den Ablauf der strategischen

Produktplanung einzuordnen (vgl. Kapitel 2.3.1). Wie in Bild 4.2 dargestellt, ist der

Ausgangspunkt einer Anwendung in der Phase zur Aufstellung der Suchstrategien zu

finden. Hier wird auf Basis einer umfassenden Analyse der aktuellen Situation auf

dem Markt, im Unternehmensumfeld und im Unternehmen selbst ein konkreter Hand-

lungsbedarf aufgedeckt, der auf eine frühzeitige, technologiebezogene Anpassung

bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts zur Eroberung zukünftiger

Märkte abzielt. Die zukunftsorientierte Auslegung der Methode ermöglicht in der Fol-

ge neben der Analyse von technologischen Entwicklungen im Suchfeld auch die Be-

rücksichtigung von potentiellen Entwicklungsrichtungen der übrigen Komponenten

des Produkts. Zusätzlich zur Identifikation und Bewertung von bestehenden sowie

neuen technologischen Lösungen innerhalb eines spezifischen Suchfelds kann durch

die Erarbeitung der suchfeldspezifischen Szenarien unter dem Einfluss der wesentli-

chen Systemtrends im Produkt also auch zu völlig neuen Produktlösungen angeregt

werden, die als wesentliche Grundlagen für mögliche Varianten- bzw. Änderungs-

konstruktionen oder gar Neukonstruktionen dienen. Die Anwendung der Methode

kann demnach als paralleler bzw. stellvertretender Schritt zum Finden und Auswäh-

len von Produktideen betrachtet werden.

Bild 4.2: Integration der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in die strategische

Produktplanung

1 – Analyse der Situation

2 – Aufstellen von Suchstrategien

3 – Finden von Produktideen

4 – Auswahl von Produktideen

5 – Definieren von Produkten

6 – Umsetzungsplanung

7 – Klären und Präzisieren der Aufgabe

Entwickeln & Konstruieren

Pro

du

ktp

lan

un

g

Situationsanalyse

Suchfeldvorschlag

Produktideen

ausgewählte Produktideen

Produktvorschläge

Umsetzungsplan

Entwicklungsauftrag

Anforderungsliste

Markt, Umfeld, Unternehmen

TRIZ-basierte Szenario-Bewertung

Handlungsbedarf

Technologieentscheidung

Output

Input

102 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Die der Methodenanwendung nachgelagerte Technologieentscheidung mündet somit

direkt in die Phase zur Definition von Produkten, in der auf Basis der gewonnenen,

technologischen Erkenntnisse modifizierte oder gar neue Produktvorschläge erarbei-

tet werden können. Spätestens hier sind verstärkt auch andere Unternehmensabtei-

lungen wie die F&E, das Marketing, der Vertrieb und speziell die Konstruktion einzu-

binden, damit möglichst neutrale und auch realisierbare Produktvorschläge entste-

hen können (PAHL ET AL., 2007, S. 119). In der nachfolgenden Phase der Umset-

zungsplanung muss letztendlich ein dynamischer Plan erstellt werden, in dem man

kurz-, mittel- bis langfristige Entwicklungsziele und notwendige Maßnahmen für die

Umsetzung der erfolgversprechenden Produktvorschläge festlegt (PAHL ET AL., 2007,

S. 120). Hierbei ist insbesondere die Planung und Umsetzung eines erfolgreichen

Technologietransfers zu nennen, der die Überführung der benötigten technologi-

schen Lösungen aus externen oder internen Forschungseinrichtungen in die operati-

ven Bereiche sicherstellt (ZAHN, 1995, S. 24).

4.2 Phasen der Bewertungsmethode

„Das Erfassen und Sammeln von Daten bzw. Impulsen von außen, also aus dem

Markt und dem sonstigen Umfeld, als auch aus dem Unternehmen selbst ist die we-

sentliche Voraussetzung für eine zielgerichtete Produktplanung“ und somit auch der

Auslöser für eine zukunftsorientierte Produktentwicklung (PAHL ET AL., 2007, S. 105).

Die Erfassung solcher Daten und Impulse im Rahmen einer umfassenden Situati-

onsanalyse von Markt, Umfeld und Unternehmen zu Beginn der strategischen Pro-

duktplanung eröffnet dem Unternehmen strategische Lücken und Suchräume hin-

sichtlich neuer Märkte, Produktideen und vor allem dem Einsatz neuer Technologien

in bestehenden Produkten (vgl. Bild 4.2).

Ein wesentliches Ziel ist hier die Identifikation von Erfolgspotentialen der Zukunft so-

wie die Herleitung entsprechender Handlungsempfehlungen als Vorbereitung für

Technologieentscheidungen (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 43). Dabei gilt es, „aus der

Menge aller Technologien nach der Festlegung eines Suchraums die als möglicher-

weise relevant erkannten Technologien mit geeigneten Hilfsmitteln […] zu analysie-

ren“ (PAHL ET AL., 2007, S. 112). Dies ist letztendlich der entscheidende Anstoßpunkt

zur Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung, die exakt

dieses Ziel verfolgt und deren vier wesentliche Phasen hinsichtlich Aufbau, Inhalt und

der konkreten Ablaufschritte nachfolgend im Detail vorgestellt werden.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 103

4.2.1 Phase 1 – Vorbereitungsphase

Zu Beginn der Methode steht die Vorbereitungsphase. Der konkrete Handlungsbe-

darf zur Identifikation und Bewertung von zukunftsweisenden Technologieoptionen

innerhalb eines produktspezifischen Suchfelds ist als Output der Phase zum Aufstel-

len der Suchstrategien (vgl. Bild 4.2) zunächst in einen festen Untersuchungsrahmen

zu fassen. Im Anschluss erfolgt die systemtechnische Strukturierung, bei der das be-

trachtete Produkt in seine wesentlichen Systemkomponenten zerlegt und das Such-

feld als solche eingeordnet wird. Hauptzweck der Vorbereitungsphase ist also die

zweckmäßige Auffächerung eines Forschungsvorhabens als Vorbereitung für die

nachfolgenden Untersuchungen. Wie bei klassischen Analysemethoden sind dabei

insbesondere Themenbereich und Untersuchungsgegenstand festzulegen und ent-

sprechend zu konkretisieren (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 20).

Untersuchungsrahmen

Der Untersuchungsrahmen dient dazu, die konkrete Richtung für die weiteren Unter-

suchungen im Rahmen der vorgestellten Methode vorzugeben. Für dessen Festle-

gung sind vor diesem Hintergrund folgende Fragen zu klären:

Wie lautet die genaue Problemstellung?

Wie lautet das genaue Untersuchungsziel?

Welches Produkt wird untersucht?

Wie lautet das Suchfeld innerhalb des Produkts?

Die exakte Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens, bei der die

vorgestellten Fragen der Reihe nach geklärt werden, wird in Bild 4.3 veranschaulicht.

Der aus der Situationsanalyse abgeleitete Handlungsbedarf beruht dabei auf einer

konkreten Problemstellung, die die Anwendung der Methode in die Wege leitet. Die-

se Problemstellung ist in der Folge präzise zu beschreiben, da daraus bereits erste

Erkenntnisse hinsichtlich wichtiger Kriterien für die abschließende Technologiebe-

wertung gezogen werden können. Analog ist auch das konkrete Untersuchungsziel

festzulegen. Da sich der Wirkungskreis der TRIZ- und szenariobasierten Technolo-

giebewertung auf die frühzeitige, technologiebezogene Anpassung bzw. Weiterent-

wicklung eines bestehenden Produkts in einem spezifischen Suchfeld konzentriert,

sind besagtes Produkt und Suchfeld explizit zu benennen (vgl. Kapitel 1.3). Unter

Suchfeld wird hier ein vorab festgelegter Suchraum verstanden, der eine Komponen-

te des betrachteten Produkts repräsentiert und für den im Rahmen der weiteren Un-

tersuchung neben bestehenden auch neue technologische Lösungen identifiziert und

bewertet werden sollen. Letztendlich dient der Untersuchungsrahmen also der

Sammlung der konkreten Rahmendaten und fördert – gerade im Hinblick auf eine

104 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

rechnergestützte Anwendung – auch die Nachvollziehbarkeit bei möglichen Durch-

sichten bzw. Anpassungen durch Dritte.

Bild 4.3: Vorgehensweise zur Festlegung des Untersuchungsrahmens

Systemtechnische Strukturierung

Die systemtechnische Strukturierung dient der funktionalen Aufschlüsselung des

Produkts in seine wesentlichen Systemkomponenten sowie der Einordnung des fest-

gelegten Suchfelds als solche. Der Hintergedanke dabei ist die Vermittlung einer sys-

temischen Betrachtungsweise der zugrundeliegenden Problemstellung. Diese „bietet

die Möglichkeit, Probleme im komplexen, interdisziplinären Umfeld zu systematisie-

ren und so den Lösungsweg gravierend zu vereinfachen“ (GRAWATSCH, 2005, S. 65).

Auch der Forderung nach einer produktspezifischen Auslegung der Methode für eine

zielgerichtete Analyse und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung ihrer

funktionalen Wechselwirkungen im betrachteten Produkt kann dadurch Rechnung

getragen werden (vgl. Kapitel 3.3).

Die TRIZ-Methodik nutzt bspw. eine systemische Betrachtungsweise zur Analyse

komplexer Sachverhalte, die gezielt bei der Entwicklung technischer Systeme unter-

stützen soll (vgl. Kapitel 2.5.1.4). ALTSCHULLER hat diesen Systemgedanken gefestigt

und nennt den Mensch als Ur-Beispiel für ein komplexes System, bestehend aus vie-

len einzelnen Zellen (ALTSCHULLER, 1996, S. 31). Ein technisches System beschreibt

vor diesem Hintergrund also eine dynamische Einheit, die durch charakteristische

Eigenschaften und ein bestimmtes Verhalten geprägt ist. Es setzt sich aus verschie-

Handlungsbedarf

Beschreibung der Problemstellung

Produkt, Suchfeld

Bestimmung des Untersuchungsziels

Festlegung des Produkts

Festlegung des Suchfelds

Untersuchungsrahmen

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 105

denen, voneinander abhängigen Komponenten zusammen, deren Zusammenwirken

das Systemverhalten bestimmt und einen speziellen Zweck verfolgt (GRAWATSCH,

2005, S. 66). Nach dem klassischen TRIZ-Verständnis wird dieser Zweck als Haupt-

funktion eines technischen Systems betrachtet, die sich jeweils aus einem Prädikat

(z.B. reinigt) sowie einer Zielkomponente (z.B. Geschirr) zusammensetzt. Die Haupt-

funktion „ist nur dann gültig, wenn sie einen Parameter der Zielkomponente verän-

dert oder aufrecht erhält“ (ADUNKA, 2014, S. 58).

Für eine präzise Bestimmung der vollständigen Systemstruktur sind darüber hinaus

auch die übrigen Systemkomponenten mit ihren jeweiligen Funktionen zu bestim-

men, deren Interaktion die Dynamik des technischen Systems bestimmt (GRA-

WATSCH, 2005, S. 66). Solche Systemkomponenten sind dabei entweder relevante

Komponenten aus dem Systeminneren (Subsystemebene), die den Aufbau des

technischen Systems bestimmen, oder relevante Komponenten aus dem Systemum-

feld (Supersystemebene), mit denen das technische System in Kontakt steht (z.B.

die Zielkomponente). Wie Bild 4.4 zeigt, bezeichnet die TRIZ-Lehre die relevanten

Komponenten aus dem Systeminneren als Komponenten des technischen Systems,

die relevanten Komponenten aus dem Systemumfeld als Komponenten des Super-

systems (ADUNKA, 2014, S. 65; ALTSCHULLER, 1996, S. 31–32).

Bild 4.4: Systemkomponenten in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 63; GRAWATSCH, 2005, S. 66

Die vorgestellte Sichtweise lässt sich letztendlich auch auf das untersuchte Produkt

übertragen, das sich über verschiedene Systemkomponenten auf Sub- sowie Super-

systemebene definiert, die wiederum maßgeblich das Verhalten (Ausführung der

Komponenten des

Supersystems

(Supersystemebene)

System Komponenten des

technischen Systems

(Subsystemebene)

106 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Produktfunktion) sowie die künftige Weiterentwicklung des Produkts bestimmen. Die

Funktionen dieser Komponenten werden als Teilfunktionen bezeichnet und dienen

der Erfüllung der übergeordneten Hauptfunktion (Produktfunktion). In diesem Fall ist

eine abstrakte Beschreibung einer Teilfunktion zur Bestimmung einer Systemkompo-

nente wesentlich sinnvoller als komponentenorientierte Beschreibungen über Prädi-

kat und Zielkomponente bzw. nützliche und schädliche Funktionen, wie sie bei der

Funktions- bzw. Objektmodellierung im Rahmen der TRIZ-Methodik verwendet wer-

den (GRAWATSCH, 2005, S. 67–68). Diese Ansätze sind weniger präzise und teilweise

irreführend, „da verschiedenste Objekte gemischt werden und nicht zwischen den

Systemebenen unterschieden wird“ (GRAWATSCH, 2005, S. 68). Mit einer abstrakten

und losgelösten Formulierung einer Teilfunktion gemäß ihrer elementaren Aufgabe

ohne Einbindung anderer Komponenten kann dagegen „das Blickfeld in Richtung

alternativer Lösungen“ erweitert sowie eine gedanklich strukturierte Realisierung der

Hauptfunktion gewährleistet werden (GRAWATSCH, 2005, S. 68).

Damit bei der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung eine möglichst

vollständige, aber auch im Aufwand beherrschbare Zusammenstellung der System-

komponenten gewährleistet werden kann, muss dem Anwender eine entsprechende

Abstraktionsmöglichkeit bzw. Orientierungshilfe für eine methodisch nachvollziehbare

und reproduzierbare Bestimmung der Systemkomponenten vorgegeben werden.

Hierfür eignet sich das klassische TESE-Gesetz zur Vollständigkeit der Systemkom-

ponenten, das das funktionale Fundament zur Lebensfähigkeit eines technischen

Systems auf vier Hauptteile zurückführt, die wiederum durch einzelne oder mehrere

Komponenten auf Sub- oder Supersystemebene erfüllt werden müssen (ADUNKA,

2014, S. 318; GRAWATSCH, 2005, S. 68–69; KUCHARAVY, 2007, S. 35). Diese vier

Hauptteile lauten dabei wie folgt (Innovation Tool Academy, 2011, S. 168):

Ausführungsteil: Komponenten im System zur Ausführung der Haupt-

funktion;

Übertragungsteil: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Übertra-

gung der notwendigen Energie;

Energiequelle: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Bereitstel-

lung der notwendigen Energie;

Kontrollteil: Komponenten im System oder Systemumfeld zur Steuerung des

Systemverhaltens.

Differenziert man im Übertragungsteil ferner noch zwischen Energie-, Stoff- und In-

formationsfluss erhält man eine zusätzliche und weitaus präzisere Möglichkeit zur

Bestimmung sowie funktionalen Klassifizierung von Systemkomponenten (GRA-

WATSCH, 2005, S. 69). Zur Verdeutlichung der Bestimmung bzw. Klassifizierung von

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 107

Systemkomponenten nach der vorgegebenen Orientierungshilfe lässt sich die Batte-

rie einer Taschenlampe als Beispiel heranziehen. Diese kann als Systemkomponen-

te auf der Subsystemebene des technischen Systems „Taschenlampe“ aufgefasst

werden und erfüllt darin den Hauptteil der Energiequelle durch die Bereitstellung der

benötigten, elektrischen Energie. Auf Basis des vorgestellten Systemverständnisses

sowie der Abstraktionsmöglichkeit durch das verfeinerte TESE-Gesetz zur Vollstän-

digkeit der Systemkomponenten hat der Anwender nun die Möglichkeit, die wesentli-

chen Systemkomponenten des betrachteten Produkts festzulegen. Wichtig ist je-

doch, die Komponenten dabei auf einer möglichst einheitlichen sowie beherrschba-

ren hierarchischen Ebene zu bestimmen und in ihrer Anzahl zu begrenzen (z.B.

durch die Zusammenfassung von ähnlichen und sehr spezifischen Komponenten wie

einzelnen Schrauben oder Muttern zur übergeordneten Komponente der Verbin-

dungselemente). So kann die Komplexität der Untersuchung in Grenzen gehalten

werden (ADUNKA, 2014, S. 54; GRAWATSCH, 2005, S. 69).

Bild 4.5: Vorgehensweise zur Systemtechnischen Strukturierung

Bild 4.5 zeigt abschließend die genaue Vorgehensweise der systemtechnischen

Strukturierung mit ihren grundlegenden Schritten. Als Eingangsgrößen fungieren hier

Produkt und Suchfeld, die im Untersuchungsrahmen bereits benannt wurden. Als

Bestandteil des Produkts wird das Suchfeld automatisch als Komponente auf dessen

Subsystemebene und somit als wesentliche Systemkomponente eingeordnet, die nur

noch in ihrer Teilfunktion definiert werden muss. Die genaue Festlegung des Such-

Produkt, Suchfeld

Festlegung des Suchfelds als

Systemkomponente

Systemkomponenten

Systemtechnische

Strukurierung

Bestimmung der übrigen

Systemkomponenten

108 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

felds als Systemkomponente lässt sich vor diesem Hintergrund wie folgt zusammen-

fassen:

Suchfeldfunktion (Teilfunktion des Suchfelds): elementare Aufgabe + opti-

onaler Zusatz (z.B. Speicherung von Energie);

Funktionsbeschreibung: detaillierte Beschreibung der Suchfeldfunktion.

Im Anschluss sind die übrigen Systemkomponenten zu ergänzen. Dafür ist es not-

wendig, dass zunächst das betrachtete Produkt als zentrales technisches System

spezifiziert wird, um bereits erste Hinweise auf weitere Systemkomponenten zu er-

halten:

Produktbeschreibung: definitorische Beschreibung des Produkts für erste

Erkenntnisse hinsichtlich weiterer Systemkomponenten;

Produktfunktion (Hauptfunktion des technischen Systems): Prädikat +

Zielkomponente + optionaler Zusatz (z.B. versorgt einen Motor mit Energie);

Funktionsbeschreibung: detaillierte Beschreibung der Produktfunktion.

Daraufhin ist sowohl im Produkt selbst als auch in dessen Umfeld nach weiteren

Komponenten zu suchen, die das funktionale Fundament eines technischen Systems

gemäß der vier Hauptteile komplettieren. Entsprechend des Gesetzes zur Vollstän-

digkeit der Systemkomponenten muss dabei jeder der vier Hauptteile durch mindes-

tens eine Komponente repräsentiert werden. Für eine endgültige Festlegung als Sys-

temkomponente sind die identifizierten Komponenten nachfolgend noch hinsichtlich

Teilfunktion und Systemebene zu präzisieren:

Bezeichnung: allgemeine Bezeichnung der Komponente auf einheitlicher

hierarchischer Ebene (z.B. Steuerelektronik);

Teilfunktion: elementare Aufgabe + optionaler Zusatz (z.B. Übertragung von

Daten);

Systemebene: Einordnung auf Sub- oder Supersystemebene.

Da die Zielkomponente aus der Formulierung der Produktfunktion in direktem Kon-

takt mit dem Produkt steht, ist sie als zusätzliche Systemkomponente auf Supersys-

temebene festzulegen und auf gleiche Weise in ihrer Teilfunktion zu determinieren.

Für weitere optionale Komponenten, die für die nachfolgenden Untersuchungen als

wichtig erachtet werden, ist in gleicher Weise zu verfahren. Auch hier ist jedoch da-

rauf zu achten, die Anzahl der optionalen Komponenten aus Komplexitätsgründen

begrenzt zu halten. Man hat nun sowohl Suchfeld als auch die weiteren, relevanten

Systemkomponenten bestimmt und in ihrer Systemebene sowie Funktion festgelegt.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 109

Die notwendigen Vorarbeiten für die weiteren Untersuchungen, insbesondere für die

anschließende systemische Exploration, sind somit erfolgreich abgeschlossen.

4.2.2 Phase 2 – Systemische Exploration

Die zweite Phase der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung nennt sich

systemische Exploration. Wie der Name bereits andeutet, geht es dabei um die Er-

forschung der erarbeiteten Systemstruktur mit dem Ziel der Erstellung von suchfeld-

spezifischen Szenarien innerhalb des Produkts. Ähnlich der Directed Evolution™

(vgl. Kapitel 2.5.1.4) verknüpft die systemische Exploration dazu eine retro- sowie

prospektive Sichtweise. Jedoch steht hier nicht die Umsetzung einer gerichteten Evo-

lution entlang eines strategischen Entscheidungsprozesses im Vordergrund (ZLOTIN

& ZUSMAN, 2001, S. 20). Die erarbeiteten Szenarien in der TRIZ- und szenariobasier-

ten Technologiebewertung sollen dem Anwender lediglich einen möglichst nachvoll-

ziehbaren Zukunftsraum des Suchfelds sowie Hinweise über neue technologische

Entwicklungen aufzeigen.

Das Fundament der systemischen Exploration bildet ein produktspezifisches Trend-

modell, das die Identifikation von Systemtrends auf Basis einer systematischen und

retrospektiven Analyse der historischen Evolution der Systemkomponenten ermög-

licht. In Anlehnung an das Grundprinzip der Szenario-Analyse (vgl. Kapitel 2.5.2.7)

wird anschließend ein Szenariofeld erstellt, in dem die Systemtrends in allgemeine

Deskriptoren überführt und durch externe Deskriptoren aus den Bereichen Markt,

Politik, Gesellschaft sowie Umwelt mit potentiellem Einfluss auf die Weiterentwick-

lung des Produkts ergänzt werden. Die nachfolgende Einflussanalyse dient der Iden-

tifikation von relevanten Schlüsseldeskriptoren, die zu plausiblen Zukunftsprojektio-

nen fortgeschrieben werden. Abschließend werden konsistente Zukunftsprojektionen

zu drei suchfeldspezifischen Szenarien verknüpft.

Gestaltung des Trendmodells

Die Gestaltung des produktspezifischen Trendmodells steht stellvertretend für die

vorbereitenden Schritte zu Beginn eines Szenario-Projektes, in denen das Gestal-

tungsfeld – in diesem Fall das betrachtete Produkt inklusive Suchfeld – zunächst in

seinem gegenwärtig vorherrschenden Zustand charakterisiert und spezifiziert werden

muss. Dabei sind Deskriptoren aus verschiedenen Einflussbereichen zu bestimmen,

die die künftige Weiterentwicklung des Gestaltungsfeldes beeinflussen und maßgeb-

lich zur Zielerreichung des Untersuchungsvorhabens beitragen (vgl. Kapitel 2.5.2.7).

Neben Einflussbereichen innerhalb des Untersuchungsgegenstands werden dabei

auch „Einflussbereiche identifiziert, die den Untersuchungsgegenstand umgeben“

110 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 86). Die Identifikation der Deskriptoren, die nach Defini-

tion bestimmte Ereignisse, Variablen, Parameter und insbesondere auch konkrete

Trends in besagten Bereichen repräsentieren können, verläuft im Rahmen von Sze-

nario-Projekten oftmals sehr unterschiedlich und ungeordnet. Mögliche Vorgehens-

weisen reichen von analytischen, empirisch-gestützten bis hin zu völlig intuitiven

Konzepten. Sämtlichen Vorgehensweisen gemein ist jedoch die Voraussetzung,

dass wesentliche Fakten über die Bedeutung sowie die systemischen Zusammen-

hänge der einzelnen Einflussbereiche herausgearbeitet werden müssen (KOSOW &

GAßNER, 2008, S. 21).

Vor diesem Hintergrund erweist sich das TRIZ-Werkzeug des System Operators (vgl.

Kapitel 2.5.1.4) als hilfreiches Instrument für eine geordnete und systemische Aufbe-

reitung von Einflussbereichen sowie die Identifikation von Deskriptoren. Der System

Operator erlaubt es dem Anwender, den in seine wesentlichen Komponenten zerleg-

ten Untersuchungsgegenstand aus unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Per-

spektiven zu analysieren (GRAWATSCH, 2005, S. 65). Diese mehrdimensionale Sicht-

weise ermöglicht einen „ganzheitlichen Überblick über das System und damit ein

ganzheitliches Verständnis über die Funktionalität und die Entwicklung des Systems“

(KOLTZE & SOUCHKOV, 2011, S. 192). Begünstigt wird dies vor allem durch den klassi-

schen Aufbau des System Operators, der eine matrixförmige Untergliederung des

Untersuchungsgegenstands nach Systemebenen (System, Subsystem, Supersys-

tem) und Zeitebenen (Zukunft, Gegenwart, Vergangenheit) erlaubt (ADUNKA, 2014,

S. 17). Die Verwendung dieses Aufbaus als Grundgerüst des produktspezifischen

Trendmodells führt zu entscheidenden Vorteilen. Die in der Vorbereitungsphase

identifizierten Systemkomponenten, die gemäß eines Szenario-Projekts allesamt

wichtige Einflussbereiche für die Weiterentwicklung des betrachteten Produkts dar-

stellen, können auf diese Weise spezifiziert und einer retrospektiven Analyse hin-

sichtlich ihrer historischen Evolution unterzogen werden. Ausgehend von den erar-

beiteten Entwicklungsverläufen gilt es schließlich, den Blick in die Zukunft zu richten.

Durch diesen Perspektivwechsel kann der Anwender auf mögliche Weiterentwicklun-

gen in der Zukunft sowie signifikante Trends bei Komponentenmerkmalen schließen,

die das Trendmodell letztendlich vollenden und als Rohfassung der Deskriptoren für

die nachfolgende Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien dienen. Denn

„Trends sind Ausdruck von Entwicklungen, die das Geschäft von morgen prägen“

(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 197).

Zur vollständigen Ausnutzung der erwähnten Vorteile ist der klassische Aufbau des

System Operators für eine Verwendung als Grundgerüst des Trendmodells entspre-

chend anzupassen. Für eine übersichtlichere Darstellung komplexer Systemstruktu-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 111

ren sowie des zeitlichen Verlaufs werden die beiden Achsen der System- und Zeit-

ebene zunächst vertauscht. Die Achsen werden außerdem gezielt erweitert, so dass

in der Folge jeder Systemkomponente und Evolutionsstufe des Produkts eine sepa-

rate Spalte bzw. Zeile zugeteilt werden kann. Bild 4.6 zeigt letztendlich den fertigen

Aufbau des produktspezifischen Trendmodells mit dem modifizierten System Opera-

tor als Grundgerüst sowie seinen wesentlichen Inhalten. Mit diesem Aufbau lässt sich

eine vollständige, detaillierte Analyse der einzelnen Systemkomponenten sicherstel-

len. Um gezielt auf künftige Weiterentwicklungen der technologischen Lösungen wie

auch signifikante Trends bei Komponentenmerkmalen schließen zu können, muss in

den einzelnen Feldern des Trendmodells eine entsprechende Wissensbasis vorlie-

gen. Hierfür ist es wichtig, dass für die Zeitebene der Gegenwart zunächst folgende

Informationen gesammelt und in die entsprechenden Felder eingetragen werden:

Produkt: definitorische Beschreibung des Produkts (analog zur systemtechni-

schen Strukturierung);

Systemkomponenten: Benennung der gegenwärtig eingesetzten technologi-

schen Lösungen (z.B. Elektrolytkondensator für die Komponente „Kondensa-

tor“); definitorische Beschreibung der Systemkomponenten.

Bild 4.6: Trendmodell auf Basis des modifizierten System Operators

Komponente 1-m: Trends

Mögliche

Weiterentwicklungen

Komponente 1-n: Trends

Mögliche

Weiterentwicklungen

… … …

Ausblick

Gegenwart

Historie

Subsystem System Supersystem

Komponente 1-m: Technologische

Lösungen

Beschreibung

Komponente 1-m: Technologische

Lösungen

Fortschritt

Produkt: mögliche

Weiterentwicklungen

Produkt: Beschreibung

Produkt: Fortschritt

Komponente 1-n: Technologische

Lösungen

Beschreibung

Komponente 1-n: Technologische

Lösungen

Fortschritt

112 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Im Anschluss sind charakteristische Evolutionsstufen in der Historie bzw. Technikge-

schichte des Produkts zu ermitteln. Solch charakteristische Evolutionsstufen sind als

zeitliche Abschnitte oder auch Meilensteine im vergangenen Entwicklungsverlauf zu

verstehen und durch einschneidende bzw. grundlegende Veränderungen gekenn-

zeichnet, die das technische System auf einen neuen Standard gehoben haben. Zur

Präzisierung der identifizierten Evolutionsstufen in der Historie des Produkts sind

wiederum spezifische Informationen zu sammeln und in die dafür vorgesehenen Fel-

der des Trendmodells einzutragen:

Produkt: Beschreibung des Produktfortschritts anhand charakteristischer

Merkmale (z.B. Erschließung neuer Anwendungsgebiete durch kompaktere

und leistungsstärkere Produkte);

Systemkomponenten: Benennung der damalig verfügbaren technologischen

Lösungen; Beschreibung des Komponentenfortschritts anhand charakteristi-

scher Merkmale, die sich durch verbesserte bzw. neue technologische Lösun-

gen weiterentwickelt haben (z.B. Reduktion von ohmschen Verlusten).

Zur Sammlung historischer Informationen wird die Verwendung klassischer Recher-

chemöglichkeiten wie fachspezifische Literatur, das Internet, Museen, Ausstellungen

oder die unternehmensinterne Untersuchung alter Produkte bzw. Exponate empfoh-

len. Es folgt schließlich der Ausblick in die Zukunft zur Vervollständigung des Trend-

modells. Hier sind folgende Schlussfolgerungen zu ziehen und in den entsprechen-

den Feldern des Trendmodells zu vermerken:

Produkt: Beschreibung möglicher künftiger Weiterentwicklungen des Pro-

dukts;

Systemkomponenten: Beschreibung möglicher künftiger Weiterentwicklun-

gen; Verdichtung der Fortschritte von Komponentenmerkmalen zu signifikan-

ten Trends (Systemtrends).

Bei der Verdichtung der Fortschritte von Komponentenmerkmalen zu den System-

trends ist das Prinzip der Evidenz das entscheidende Kriterium. „Die Evidenz ist die

Gewissheit für das Vorliegen einer strategisch relevanten Veränderung […]. Be-

stimmt wird die Evidenz durch die Klarheit und Schlüssigkeit der vorliegenden Infor-

mationen“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 199). Der Forderung nach Klarheit und

Schlüssigkeit der Informationen wird mit der strukturierten und systematischen Vor-

gehensweise bei der Gestaltung des Trendmodells nachgekommen. Evidente bzw.

signifikante Trends lassen sich dabei über mehrfach genannte Fortschritte bestimm-

ter Komponentenmerkmale in unterschiedlichen Evolutionsstufen identifizieren. Nach

dem Prinzip der Evidenz ist nämlich davon auszugehen, dass Veränderungen dieser

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 113

Merkmale auch zukünftig einen wesentlichen Einfluss auf die Weiterentwicklung des

technischen Systems haben werden. Darüber hinaus liefert die TRIZ-Methodik mit

der Sammlung der erweiterten TESE ein zusätzliches Hilfsmittel zur Erfassung von

evidenten Trends innerhalb eines technischen Systems (vgl. Kapitel 2.5.1.4 & An-

hang A). Die Sammlung der erweiterten TESE umfasst dabei allgemeine, empirisch

erwiesene Entwicklungstrends, die sich auf sämtliche Arten von technischen Syste-

men projizieren lassen (ADUNKA, 2014, S. 317; Innovation Tool Academy, 2011,

S. 153). Demnach erhält man im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Techno-

logiebewertung durch eine entsprechende Projektion dieser Trends auf das betrach-

tete Produkt inkl. seiner wesentlichen Systemkomponenten die Möglichkeit, die be-

reits identifizierten Systemtrends um weitere evidente Trends zu ergänzen und die

Folgerung auf zukünftige Weiterentwicklungen kreativ anzuregen. In der Summe ste-

hen die Systemtrends letztendlich für Rohfassungen von Deskriptoren einer Szena-

rio-Analyse und schaffen eine wichtige Datenbasis für die nachfolgende Erarbeitung

der suchfeldspezifischen Szenarien.

Bild 4.7: Vorgehensweise zur Gestaltung des Trendmodells

Bild 4.7 liefert einen abschließenden Überblick über die Vorgehensweise zur Gestal-

tung des Trendmodells. Die Ausgangsbasis bilden die identifizierten Systemkompo-

nenten sowie das untersuchte Produkt. Diese wesentlichen Elemente spannen das

Grundgerüst des Trendmodells auf. Im ersten Schritt ist die System-Gegenwart zu

analysieren. Es folgt die retrospektive Analyse der System-Historie, um grundlegen-

de Fortschritte hinsichtlich technologischer Lösungen sowie charakteristischer Kom-

Systemkomponenten

Analyse der System-Gegenwart

Systemtrends

Gestaltung des

Trendmodells

Retrospektive Analyse der System-Historie

Folgerung auf signifikante Trends und

potentielle Weiterentwicklungen

114 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

ponentenmerkmale aufzudecken. Der Perspektivwechsel in die Zukunft führt letzt-

endlich zur Herleitung der Systemtrends sowie potentiellen Weiterentwicklungen in-

nerhalb der Systemkomponenten und wird unterstützt durch eine produktspezifische

Analyse bzw. Projektion der erweiterten TESE. Die unmittelbaren Einflussbereiche

auf die Weiterentwicklung des technischen Systems sind somit hinreichend unter-

sucht und die notwendigen Vorarbeiten für die Erstellung des Szenariofelds erledigt.

Die Systemtrends als Rohfassung von Deskriptoren bilden hier den zentralen Output

des Trendmodells als Basis für die nachfolgende Erstellung des Szenariofelds.

Gleichzeitig liefert der Ausblick auf mögliche Weiterentwicklungen der Systemkom-

ponenten bereits kreative Anreize für die spätere Erstellung der Zukunftsprojektio-

nen.

Erstellung des Szenariofelds

Die Summe aller Deskriptoren, unter deren potentiellem Einfluss der Zukunftsraum

des Untersuchungsgegenstands beschrieben wird, nennt sich Szenariofeld. Neben

Systemdeskriptoren, die sich direkt aus der Beschaffenheit des Untersuchungsge-

genstands ableiten lassen, kann ein Szenariofeld auch externe Umfelddeskriptoren

beinhalten, die mögliche Einflussgrößen aus nicht direkt beeinflussbaren Bereichen

wie z.B. Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt repräsentieren (vgl. Kapitel 2.5.2.7).

Dieser Pool an Deskriptoren muss in der Folge entsprechend festgelegt werden.

Durch die Identifikation der Systemtrends im Trendmodell ist das Rohmaterial der

Systemdeskriptoren bereits geschaffen. Für eine zweckmäßige Überführung zu ech-

ten Deskriptoren müssen sämtliche Systemtrends jedoch erst noch abstrahiert wer-

den. Dies hat zum einen formale Gründe, da präzise und allgemein formulierte De-

skriptoren die Nachvollziehbarkeit und Übersichtlichkeit während der weiteren Unter-

suchungen deutlich erleichtern (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88). Der andere Grund

für die Notwendigkeit einer Abstraktion liegt in der Natur der Trends begraben.

Trends beschreiben immer eine speziell ausgeprägte Entwicklungsrichtung eines

bestimmten Aspekts und sind durch Diskontinuitäten geprägt. Die historische Be-

trachtung eines Trends vom Ursprung bis in die Gegenwart – als wesentlicher Teil

der Gestaltung des Trendmodells – ist durchaus wichtig, um bestimmte Regelmäßig-

keiten bzw. Gesetzmäßigkeiten für die Zukunft abzuleiten. Jedoch dürfen unerwarte-

te oder gegenläufige Entwicklungen nicht grundsätzlich ausgeschlossen werden

(GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 198-199).

Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung muss ein Sys-

temtrend daher auf seinen Kernaspekt reduziert bzw. abstrahiert werden, so dass

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 115

eine spätere Fortschreibung in die Zukunft so offen wie möglich gestaltet werden

kann. Es folgt ein entsprechendes Beispiel für die Abstraktion eines Systemtrends:

Systemtrend: Verbesserung der Rechenleistung von Prozessoren;

Abstraktion des Deskriptors auf seinen Kernaspekt: Rechenleistung.

Schließlich ist noch eine gezielte Berücksichtigung von Einflussgrößen aus nicht di-

rekt steuerbaren Bereichen wie Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt notwendig,

die einen möglichen Einfluss auf die künftige Weiterentwicklung des Untersuchungs-

gegenstands nehmen. Diese Einflussgrößen sind aus einschlägiger Trendliteratur zu

beziehen und ebenfalls in abstrahierter Form als Umfelddeskriptoren festzulegen.

Beispiele für einschlägige Trendliteratur sind Publikationen des WOIS-Institut oder

von ZINNER zum Thema „trenDNA“, die vor allem das Verständnis hinsichtlich der

Gesellschaft sowie des Verhaltens von Markt und Kunden fördern (ADUNKA, 2012,

S. 65–66; MANN & ZINNER, 2010, S. 2; PERSEKE, 1996, S. 332).

Bild 4.8: Vorgehensweise zur Erstellung des Szenariofelds

Das in Bild 4.8 abschließend dargestellte Vorgehen zur Erstellung des Szenariofelds

findet seinen Ursprung also in den Systemtrends aus dem Trendmodell. Diese sind

aus den eben erwähnten, formalen sowie inhaltlichen Gründen gemäß der aufgeführ-

ten Hinweise zu Systemdeskriptoren zu abstrahieren. Ferner sind untersuchungsre-

levante externe Einflussgrößen aus einschlägiger Trendliteratur zu beziehen und als

Umfelddeskriptoren festzulegen. Das Szenariofeld ist damit vollständig erstellt und

kann einer Einflussanalyse unterzogen werden.

Systemtrends

Abstraktion der Systemtrends zu

Systemdeskriptoren

Deskriptoren

Erstellung des

Szenariofelds

Identifikation von Umfelddeskriptoren

116 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Einflussanalyse

Die Einflussanalyse dient in der Folge dazu, die Bedeutung der einzelnen Deskripto-

ren für die Weiterentwicklung des Untersuchungsgegenstands zu bestimmen und

dadurch ihre Eignung als Schlüsseldeskriptoren zu überprüfen. Nur die wichtigsten

Deskriptoren werden bei der anschließenden Erstellung der Zukunftsprojektionen

sowie suchfeldspezifischen Szenarien berücksichtigt. Gerade bei einer sehr großen

Anzahl an Deskriptoren lassen sich Aufwand und Komplexität im Hinblick auf die

nachfolgenden Untersuchungen anhand einer Einflussanalyse gezielt reduzieren

(vgl. Kapitel 2.5.2.7).

Das Grundgerüst der Einflussanalyse bildet die Einflussmatrix, in der die einzelnen

Deskriptoren in Zeilen und Spalten gegenübergestellt werden. Die zusätzliche Unter-

teilung zwischen System- und Umfelddeskriptoren führt darüber hinaus zu den klas-

sischen vier Quadranten einer Einflussmatrix (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 88). Für

eine zweckmäßige Einflussanalyse im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten

Technologiebewertung muss die Einflussmatrix zusätzlich auch eine Zuordnung der

System- bzw. Umfelddeskriptoren zu den korrespondierenden Systemkomponenten

bzw. Einflussbereichen erlauben und dementsprechend angepasst werden. Der

Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix ist Bild 4.9 zu entnehmen.

Bild 4.9: Grundaufbau der modifizierten Einflussmatrix

Bewertungsmaßstab:

0: kein Einfluss

1: schwacher Einfluss

2: mittlerer Einfluss

3: starker Einfluss

Syste

mdeskrip

tor

1

Syste

mdeskrip

tor

2

… … … … … … Syste

mdeskrip

tor

x

Um

feld

deskrip

tor

1

Um

feld

deskrip

tor

2

… Um

feld

deskrip

tor

y

Akti

vsu

mm

e

Wir

ku

ng

ssu

mm

e

Syste

m Ko

mp

on

en

te 1

(Su

ch

feld

) Systemdeskriptor 1 1 3 2 0 1 21 3

Systemdeskriptor 2 2 1 0 1 3 16 8

...

… …

Ko

mp

on

en

te n …

Systemdeskriptor x 3 2 1 1 2 31 8

Um

feld

Umfelddeskriptor 1 2 1 0 1 3 24 6

Umfelddeskriptor 2 2 2 3 0 26 4

Umfelddeskriptor y 1 1 2 1 0 14 2

Passivsumme 15 16 21 24 19 15

Q1 Q2

Q3 Q4

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 117

Die eigentliche Einflussbewertung stützt sich in der Folge auf ein paarweises Bewer-

tungsschema zur Ermittlung der direkten Beziehungen zwischen allen möglichen De-

skriptoren-Paaren. Dabei ist anhand des in Bild 4.9 aufgezeigten Bewertungsmaß-

stabs abzuschätzen, wie stark sich eine Veränderung von Deskriptor A auf De-

skriptor B auswirkt (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Eine solche Abschätzung mag sich für den

Anwender gerade bei sehr spezifischen Untersuchungen durchaus als schwierig er-

weisen, weshalb im Zweifelsfall diverse Fachmeinungen heranzuziehen sind. Auf die

Option einer indirekten Einflussanalyse zur Bestimmung von indirekten Beziehungen

zwischen den Deskriptoren wird im Rahmen der vorgestellten Methode aus auf-

wandstechnischen Gründen verzichtet.

Nach der fertigen Einflussbewertung lassen sich die charakteristischen Kennzahlen

einer Einflussanalyse (Aktivsumme, Passivsumme, Wirkungssumme, Impuls-Index,

Dynamik-Index) ermitteln, die eine Klassifizierung der Deskriptoren hinsichtlich ihrer

Relevanz für die Untersuchung ermöglichen und ferner auch wichtige Hinweise für

die nachfolgende Erstellung von Zukunftsprojektionen liefern (vgl. Kapitel 2.5.2.7).

Was die Kennzahlen im Einzelnen bedeuten und wie sie entsprechend zu berechnen

sind, zeigt Tabelle 4.1 (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 90).

Tabelle 4.1: Einflusskennzahlen in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER, 2001, S. 90

Kennzahl Beschreibung Berechnung

Aktivsumme Wirkung eines Deskriptors auf die übrigen Deskriptoren

Zeilensumme der Beziehungswer-te eines Deskriptors

Passivsumme Beeinflussung eines Deskriptors durch die übrigen Deskriptoren

Spaltensumme der Beziehungs-werte eines Deskriptors

Wirkungssumme Wirkung eines Deskriptors auf die Deskriptoren des Suchfelds

Zeilensumme der Beziehungswer-te eines Deskriptors bzgl. der De-skriptoren des Suchfelds

Impuls-Index Maß für die Wirkung eines De-skriptors ohne selbst dadurch Ver-änderungen zu erfahren

Division von Aktiv- und Passiv-summe

Dynamik-Index Maß für die Dynamik eines De-skriptors innerhalb des Szenario-felds

Multiplikation von Aktiv- und Pas-sivsumme

Mit dem Ziel der Erstellung suchfeldspezifischer Szenarien zum Abschluss der sys-

temischen Exploration wird die klassische Kennzahl der Wirkungssumme (Wirkung

eines Deskriptors auf das Gestaltungsfeld bzw. in diesem Fall die Systemkomponen-

ten) dabei entsprechend umfunktioniert. Nach dieser Anpassung steht die Wirkungs-

summe im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung für den

Einfluss eines Deskriptors auf diejenigen Deskriptoren, die das Suchfeld repräsentie-

118 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

ren, und bildet somit das grundlegende Kriterium für die Auswahl der Schlüssel-

deskriptoren. Der Pool an Deskriptoren aus dem Szenariofeld lässt sich dadurch auf

diejenigen Deskriptoren reduzieren, die durch den stärksten Einfluss auf die künftige

Weiterentwicklung des Suchfelds gekennzeichnet sind. Sie bilden letztendlich die

wesentlichen Stellhebel für die Erstellung der suchfeldspezifischen Szenarien. Um

auch hier ein akzeptables Maß an Komplexität und Aufwand für die nachfolgenden

Untersuchungen zu bewahren, ist die Anzahl der Schlüsseldeskriptoren auf insge-

samt zehn zu beschränken.

Bild 4.10: Vorgehensweise zur Einflussanalyse

Zusammenfassend zeigt Bild 4.10 noch einmal den prinzipiellen Ablauf der Einfluss-

analyse. Die im Szenariofeld festgelegten Deskriptoren sind zunächst in die modifi-

zierte Einflussmatrix zu überführen und anhand einer paarweisen Bewertung ent-

sprechend des Bewertungsmaßstabs auf ihre direkten Beziehungen zu untersuchen.

Anschließend sind die charakteristischen Einflusskennzahlen unter Berücksichtigung

der umfunktionierten Wirkungssumme zu bestimmen. Diese dient letztendlich als

Auswahlkriterium für die zehn Schlüsseldeskriptoren mit dem stärksten Einfluss auf

die künftige Weiterentwicklung des Suchfelds, welche nachfolgend als wesentliche

Stellhebel für die Bildung der suchfeldspezifischen Szenarien dienen.

Erstellung von Zukunftsprojektionen

Die Erstellung der Zukunftsprojektionen für die zehn Schlüsseldeskriptoren ist

schließlich der entscheidende Schritt hin zum eigentlichen Ausblick in die Zukunft.

Deskriptoren

Einflussbewertung in der Einflussmatrix

Schlüsseldeskriptoren

Einflussanalyse

Bestimmung der Einflusskennzahlen

Auswahl der Schlüsseldeskriptoren

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 119

Qualität sowie Inhalt der Szenarien hängen entscheidend davon ab. Zukunftsprojek-

tionen beschreiben der Definition nach mögliche Entwicklungsrichtungen der Schlüs-

seldeskriptoren in der Zukunft. Dabei ist es wichtig, dass nicht nur äußerst wahr-

scheinliche, sondern auch extreme, aber dennoch vorstellbare Entwicklungsmöglich-

keiten berücksichtigt werden. So kann ein möglichst weit gefasster Zukunftsraum

abgesteckt werden, der auch auf unerwartete Eventualitäten vorbereitet (vgl. Kapitel

2.5.2.7). Hier sind neben analytischen Fähigkeiten vor allem auch intuitive und krea-

tive Fähigkeiten gefragt, die die Vorstellungskraft über zukünftige Entwicklungen an-

regen (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 21). Es ist zudem wichtig, dass ein grober Zeitho-

rizont für die Zukunftsprojektionen festgelegt wird. Dieser erstreckt sich normaler-

weise über einen Zeitraum von etwa zehn Jahren. Da die Erarbeitung der Szenarien

im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung jedoch in der

strategischen Produktplanung angesiedelt und die Methode auf eine relativ zeitnahe

Umsetzung von Technologien ausgerichtet ist, wird ein deutlich engerer Zeithorizont

empfohlen. Die endgültige Festlegung des Zeithorizonts hängt dementsprechend

auch von der Dynamik des Marktsegments ab, in dem der spezielle Anwendungsfall

angesiedelt ist, und liegt schlussendlich im Ermessen des Unternehmens (GAUSE-

MEIER ET AL., 2001, S. 91).

Die Erarbeitung möglicher Projektionen für die identifizierten Schlüsseldeskriptoren

verläuft in der Szenario-Analyse nach keinem fest vorgegebenen Schema. GAUSE-

MEIER ET AL. geben allerdings einige Hilfestellungen bzw. Hinweise für diesen Ar-

beitsschritt: Entwicklungen fortschreiben oder simulieren, Entwicklungen und ihre

Merkmale überzeichnen, Entwicklungen bewusst beschleunigen, Entwicklungen aus

dem Umfeld bewusst berücksichtigen, Zukunftsprojektionen aus Prozessen (vgl. Ka-

pitel 2.5.2.7). Für die Prognostik der Schlüsseldeskriptoren im Rahmen dieser Me-

thode wird vor diesem Hintergrund eine leicht abgewandelte Sammlung dieser Hilfe-

stellungen vorgestellt, die des Weiteren durch die im Trendmodell abgeleiteten, mög-

lichen Weiterentwicklungen der Systemkomponenten sowie den Erkenntnissen der

Einflussanalyse anzureichern sind:

Fortschreibung der aktuellen Entwicklung: geradlinige Projektion der aktu-

ellen Entwicklung (entspricht dem Schlüsseldeskriptor zugrundeliegenden

Systemtrend) in die Zukunft (z.B. schrittweise Verbesserung der Rechenleis-

tung von Prozessoren);

Beschleunigung der aktuellen Entwicklung: beschleunigte Projektion der

aktuellen Entwicklung in die Zukunft (z.B. Revolutionierung der Rechenleis-

tung von Prozessoren);

120 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Positive Überzeichnung der aktuellen Entwicklung: positiv überzeichnete

Projektion der Entwicklung in die Zukunft anhand konkreter Aspekte (z.B. Re-

volutionierung der Rechenleistung von Prozessoren durch neuartigen Pro-

zessoraufbau);

Negative Überzeichnung der aktuellen Entwicklung: negativ überzeichnete

Projektion der Entwicklung in die Zukunft anhand konkreter Aspekte (z.B.

Stagnieren der Rechenleistung durch das Erreichen von physikalischen Gren-

zen);

Gezielte Einbeziehung von Umgebungseinflüssen: Projektion der Entwick-

lung in die Zukunft anhand der gezielten Einbeziehung von Beeinflussungen

durch andere Deskriptoren gemäß der Einflussanalyse (z.B. die Erreichung

von Materialgrenzen beim Prozessorbau führt zu einer Stagnierung der Re-

chenleistung von Prozessoren).

Anhand dieser Hilfestellungen lässt sich eine Reihe möglicher Projektionen für die

einzelnen Schlüsseldeskriptoren erstellen. Viele der Projektionen eines Schlüssel-

deskriptors ähneln sich jedoch oftmals und sind daher zu zwei bis drei geeigneten

Zukunftsprojektionen zu bündeln, „mit denen die wirklich charakteristischen Entwick-

lungsmöglichkeiten beschrieben werden“ (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 93). Die in

den jeweiligen Hilfestellungen aufgeführten Projektionsbeispiele sollen diesen Um-

stand verdeutlichen. Es wird deutlich, dass sich die ersten drei sowie die letzten bei-

den Projektionsbeispiele ähneln und durch zwei charakteristische Tendenzen ge-

kennzeichnet sind:

Anwachsen der Rechenleistung durch verbesserte bzw. revolutionäre techno-

logische Lösungen;

Stagnierung der Rechenleistung durch Erreichung physikalischer bzw. materi-

alspezifischer Grenzen beim Prozessorbau.

Die einzelnen Projektionen können demzufolge zu zwei konkreten Zukunftsprojektio-

nen zusammengefasst werden, die die wesentlichen Entwicklungsmöglichkeiten des

Schlüsseldeskriptors repräsentieren. Als zentrale Grundlage der zu erstellenden

Szenarien sind die charakteristischen Zukunftsprojektionen eines Schlüssel-

deskriptors anschließend noch so zu beschreiben, dass sie für Dritte einfach und

schnell zu verstehen sind und als elementare Textbausteine für die Szenarien ver-

wendet werden können. Den Zukunftsprojektionen sind dabei prägnante Kurzbe-

zeichnungen zuzuweisen, die ein eindeutiges Verständnis gewährleisten. Obendrein

bedarf es einer präzisen und ausführlichen Formulierung und Begründung der jewei-

ligen Zukunftsprojektionen (vgl. Kapitel 2.5.2.7).

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 121

Bild 4.11: Vorgehensweise zur Erstellung von Zukunftsprojektionen

Bild 4.11 zeigt die finale Übersicht der Vorgehensweise zur Erstellung von Zu-

kunftsprojektionen. Für die einzelnen Schlüsseldeskriptoren sind gemäß der vorge-

stellten Hilfestellungen mögliche Projektionen in die Zukunft zu ermitteln. Ähnliche

Projektionen sind anschließend zu je zwei konkreten Zukunftsprojektionen zu bün-

deln. Dadurch soll der Aufwand für die nachfolgende Szenariobildung entsprechend

begrenzt werden. Die einzelnen Zukunftsprojektionen der Schlüsseldeskriptoren sind

abschließend mit einer prägnanten Kurzbezeichnung zu versehen und klar, präzise

sowie für Dritte nachvollziehbar zu beschreiben.

Szenariobildung

Die abschließende Aufgabe der systemischen Exploration ist die Bildung der such-

feldspezifischen Szenarien, die den Zukunftsraum des Suchfelds aufspannen. Ein

Szenario beschreibt in seiner elementaren Form ein Bündel aus Zukunftsprojektio-

nen, wobei darin pro Schlüsseldeskriptor allerdings nur genau eine Projektion vor-

kommt. Zu beachten ist, dass trotz einer Vielzahl von möglichen Projektionsbündeln

nur begrenzt viele Szenarien ausgearbeitet werden, die klar voneinander unterschie-

den und interpretiert werden können (vgl. Kapitel 2.5.2.7). Vor diesem Hintergrund

existiert folgende Faustregel: „So viele wie nötig, um ausreichend viele Perspektiven

und mögliche Zukünfte abzudecken und so wenige wie möglich, um Ermüdung zu

vermeiden und den Prozess handhabbar zu halten“ (KOSOW & GAßNER, 2008, S. 22).

Das Hauptkriterium für die Glaubwürdigkeit der Szenarien ist die „Konsistenz, d.h.

die Widerspruchsfreiheit der einzelnen Projektionen zueinander“ (GAUSEMEIER ET AL.,

Schlüsseldeskriptoren

Ermittlung potentieller Projektionen der

Schlüsseldeskriptoren

Zukunftsprojektionen

Erstellung von

Zukunftsprojektionen

Bündelung ähnlicher Projektionen zu

konkreten Zukunftsprojektionen

Beschreibung der Zukunftsprojektionen

122 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

2001, S. 96). Aus diesem Grund müssen die erstellten Zukunftsprojektionen zu-

nächst einer Konsistenzanalyse in einer Konsistenzmatrix unterzogen werden, wie

sie beispielhaft in Bild 4.12 zu sehen ist.

Bild 4.12: Aufbau der Konsistenzmatrix in Anlehnung an GAUSEMEIER, EBBESMEYER & KALLMEYER,

2001, S. 97

Darin werden die einzelnen Zukunftsprojektionen mit den dazugehörigen Schlüssel-

deskriptoren sowie Systemkomponenten in Zeilen und Spalten gegenübergestellt.

Wie bei der Einflussanalyse stützt man sich auch hier auf ein paarweises Bewer-

tungsschema, bei dem in diesem Fall allerdings sämtliche Projektionspaare entspre-

chend des vorgegebenen Bewertungsmaßstabs auf ihre gegenseitige Verträglichkeit

überprüft werden. Hier genügt eine einseitige Prüfung der Projektionspaare, da im

Rahmen der Konsistenzanalyse keine gerichteten Beziehungen untersucht werden.

Konsistente Projektionspaare sind in Bild 4.12 in grüner Farbe unterlegt, inkonsisten-

te Bündel dagegen in roter Farbe. Ein Beispiel für ein konsistentes Projektionspaar

ist das Anwachsen der Rechenleistung von Prozessoren bei gleichzeitiger Forderung

der Gesellschaft nach zunehmendem Funktionsumfang von Computern. Dagegen

wäre die Stagnierung der Rechenleistung von Prozessoren bei gleichzeitiger Forde-

rung des Markts nach leistungsfähigeren Computern für neuartige Anwendungsfälle

ein inkonsistentes Projektionspaar.

Bewertungsmaßstab:

1: absolut inkonsistent

2: teilweise inkonsistent

3: voneinander unabhängig

4: teilweise begünstigend

5: stark begünstigend

Pro

jektio

n 1

Pro

jektio

n 2

Pro

jektio

n 3

Pro

jektio

n 4

Pro

jektio

n 5

Pro

jektio

n 6

… … Pro

jektion 1

9

Pro

jektio

n 2

0

KomponenteSchlüssel-

deskriptor 1

Projektion 1

Projektion 2

KomponenteSchlüssel-

deskriptor 2

Projektion 3 3 3

Projektion 4 4 5

KomponenteSchlüssel-

deskriptor 3

Projektion 5 1 5 5 3

Projektion 6 2 4 4 3

… …

KomponenteSchlüssel-

deskriptor 10

Projektion 19 3 4 4 5 5 3

Projektion 20 3 2 4 4 4 3

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 123

Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung sind durch den

Anwender in der Folge drei Szenarien aus konsistenten Zukunftsprojektionen zu er-

stellen, die einen möglichst breiten Querschnitt im Zukunftsraum des Suchfelds auf-

spannen. Folgende Ausprägungsmöglichkeiten sind bei der Auswahl der Zukunfts-

projektionen als Orientierungshilfe heranzuziehen:

Nüchterne Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die ge-

meinhin die gegenwärtige Entwicklung fortschreiben und somit ein sehr nüch-

ternes Zukunftsbild liefern;

Positive Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die zu äu-

ßerst positiven Entwicklungen führen und dem Unternehmen neue Hand-

lungsmöglichkeiten aufzeigen;

Negative Ausprägung: gezielte Auswahl von Zukunftsprojektionen, die zu

äußerst negativen Entwicklungen führen und dem Unternehmen mögliche Ge-

fahren und Hinweise für Gegenmaßnahmen aufzeigen.

Auf die in Kapitel 2.5.2.7 erwähnten Tools (rechnergestützte Auswertung der Konsis-

tenzanalyse über kombinatorische Verfahren, Rohszenario-Bildung, Zukunftsraum-

Mapping oder Ausprägungslisten) für die Auswahl von Zukunftsprojektionen wird in

diesem Fall verzichtet. Dies liegt einerseits am überschaubaren Aufwand, der mit der

Szenariobildung auf Basis von nur zehn Schlüsseldeskriptoren mit jeweils zwei Zu-

kunftsprojektionen verbunden ist. Andererseits werden keine direkten, strategischen

Entscheidungen entlang der Szenarien ausgerichtet. Sie dienen lediglich als Weg-

weiser für die Suche nach neuen technologischen Lösungen sowie als Teilkriterium

für die abschließende Technologiebewertung. Die Auswahl konsistenter Projektions-

bündel über eine simple Sichtprüfung der Konsistenzmatrix durch den Anwender er-

weist sich demnach als völlig ausreichend.

Die suchfeldspezifischen Szenarien müssen abschließend noch einer gründlichen

Aufbereitung unterzogen werden, um ihren Nutzen als Wegweiser zur Technologiei-

dentifikation sowie als Teilkriterium zur Technologiebewertung vollständig abgreifen

zu können. Dazu dient der in Bild 4.13 dargestellte Steckbrief, der sämtlichen Infor-

mationsgehalt eines Szenarios zusammenfasst und somit eine vollständige, über-

sichtliche und gleichzeitig auch kompakte Beschreibung der suchfeldspezifischen

Szenarien gewährleistet. Die Szenarien sind darin zunächst präzise und leicht nach-

vollziehbar zu beschreiben. Die Textelemente der Zukunftsprojektionen dienen dabei

als wichtige Bausteine (vgl. Kapitel 2.5.2.7). In Anlehnung an GAUSEMEIER ET AL. sind

aus den suchfeldspezifischen Szenarien des Weiteren auch wesentliche Chancen

und Risiken, die sich durch deren Eintreten für das Unternehmen ergeben würden,

abzuleiten (GAUSEMEIER ET AL., 2001, S. 109) sowie konkrete Forderungen hinsicht-

124 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

lich der Entwicklung von technologischen Lösungen im Suchfeld herauszuarbeiten.

Abschließend ist für jedes Szenario eine triviale Abschätzung deren prozentualer

Eintrittswahrscheinlichkeiten durchzuführen, die eine spätere Gewichtung der Szena-

rien im Rahmen der Technologiebewertung erlaubt.

Bild 4.13: Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios

Insgesamt ergibt sich am Ende der systemischen Exploration die in Bild 4.14 darge-

stellte Vorgehensweise zur Szenariobildung. Die erarbeiteten Zukunftsprojektionen

sind zunächst in einer Konsistenzmatrix auf ihre gegenseitige Verträglichkeit zu prü-

fen. Im Anschluss sind durch Sichtprüfung der Konsistenzmatrix drei in sich konsis-

tente, suchfeldspezifische Szenarien gemäß der aufgezeigten Orientierungshilfen zu

erstellen. Die Szenarien sind daraufhin in den vorgestellten Steckbriefen präzise und

verständlich zu beschreiben. Sie stecken letztendlich den Zukunftsraum ab, der ei-

nerseits Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends im

Suchfeld liefert und andererseits als Teilkriterium in den Bewertungsprozess einfließt.

Mustersteckbrief eines suchfeldspezifischen Szenarios

Projektionsbündel: Forderung an das Suchfeld:

[Komponente] [Schlüsseldeskriptor 1] [Projektion 1]

[Forderung hinsichtlich der Entwicklung von

technologischen Lösungen im Suchfeld]… … …

… … …

… … … Chancen:

… … …[Chancen für das Unternehmen]

… … …

… … … Risiken:

… … …[Risiken für das Unternehmen]

… … …

[Komponente] [Schlüsseldeskriptor 10] [Projektion 19] Wahrscheinlichkeit: [in %]

Beschreibung:

[Beschreibung des suchfeldspezifischen Szenarios]

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 125

Bild 4.14: Vorgehensweise zur Szenariobildung

4.2.3 Phase 3 – Bestimmung von Technologieoptionen

In der dritten Phase der TRIZ- und szenariobastierten Technologiebewertung werden

die für die Bewertung relevanten Technologieoptionen im Suchfeld bestimmt. Die

dafür notwendigen Vorbereitungen fallen bereits in die Phase der systemischen Ex-

ploration, in der die Technologieentwicklung im Suchfeld anhand der retrospektiven

Systemanalyse im Trendmodell erfasst und über die erweiterten TESE sowie die Er-

stellung der suchfeldspezifischen Szenarien in die Zukunft fortgeschrieben wird.

Letztendlich mündet dies in einen Zukunftsraum des Suchfelds mit konkreten Signa-

len über signifikante Evolutionslinien bzw. technologische Trends. Nach dem klassi-

schen Verständnis einer Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1) sind diese

technologiespezifischen Signale anhand geeigneter Maßnahmen systematisch zu

verdichten, so dass zusätzlich zu den bereits eingesetzten Technologieoptionen ge-

zielt auch auf neue Technologieoptionen geschlossen werden kann. Zur Vervollstän-

digung dieser Phase müssen sämtliche Technologieoptionen noch hinsichtlich ihrer

Funktionsweise sowie weiteren ausgewählten Merkmalen beschrieben werden.

Dadurch wird das Technologieverständnis an sich gefördert, eine gewisse Ordnung

und Vergleichbarkeit hergestellt sowie eine ausreichende Informationsgrundlage für

die abschließende Technologiebewertung geschaffen. Ferner kann mit dieser Phase

auch der in Kapitel 3.3 aufgestellten Forderung nach einer Integration von Elementen

der Technologiefrüherkennung in das methodische Konzept Rechnung getragen

werden. Diese Integration schafft die notwendige Grundlage für eine umfassende

Zukunftsprojektionen

Konsistenzanalyse in der Konsistenzmatrix

technologiespezifische

Signale

Szenariobildung

Bildung konsistenter, suchfeldspezifischer

Szenarien

Beschreibung der suchfeldspezifischen

Szenarien in Steckbriefen

126 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Beschaffung und Verarbeitung von Informationen über zukunftsrelevante technologi-

sche Entwicklungen.

Technologieidentifikation

Ausgehend von den Erkenntnissen der systemischen Exploration sind im Ablauf-

schritt zur Technologieidentifikation neben den bereits genutzten Technologien im

Suchfeld auch neue technologische Lösungen zu identifizieren. Dabei orientiert man

sich am Grundprinzip der Technologiefrüherkennung (vgl. Kapitel 2.2.2.1), das sich

neben einer systematischen Beschaffung auch mit einer systematischen Verdichtung

„von Informationen über künftige Chancen und Risiken befasst, welche technologi-

sche oder technologierelevante Veränderungen […] mit sich bringen“ (SPECHT ET AL.,

2009, S. 153). Entscheidend ist es dabei, Trends zu erkennen und gezielt auf die

Auswahl der richtigen Technologien hinzuführen. Eine grundlegende Systematik hin-

ter Informationsbeschaffung und -verdichtung dämmt dabei den Unsicherheitsgrad

ein, der mit der prospektiven Sichtweise verbunden ist, und bildet somit einen we-

sentlichen Faktor für eine erfolgreiche Technologiefrüherkennung (SPECHT ET AL.,

2009, S. 153–154). Diese führt letztendlich zu konkreten Erkenntnissen über neue

technologische Potentiale, die es den Unternehmen auf vielfältige Weise ermögli-

chen, entscheidende Wettbewerbsvorteile zu erzielen (GRAWATSCH, 2005, S. 13;

ZAHN & BRAUN, 1992, S. 5).

Die systematische Erfassung von Signalen über technologische bzw. technologiere-

levante Veränderungen im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-

bewertung findet ihren Ursprung bereits in der Phase der systemischen Exploration.

Besonders die Verknüpfung von TRIZ-Werkzeugen wie dem System Operator oder

den erweiterten TESE mit einer klassischen Methode wie der Szenario-Analyse, die

sowohl in der Technologiefrüherkennung als auch -bewertung zum Einsatz kommen

kann, erweist sich hier als „sehr vielversprechend, da abgeschätzte Trendentwick-

lungen so mit konkreten Ideen für Technologieentwicklungen untermauert werden

können“ (GRAWATSCH, 2005, S. 36). Dabei stützt sich die Erfassung von Signalen

nicht nur auf rein analytische Elemente, sondern wird durch kreative Assoziationen

zusätzlich angeregt. Insbesondere in den einzelnen Szenarien können neben eher

allgemeinen technologiespezifischen Signalen auch konkretere Ansätze über neue

technologische Lösungen ermittelt werden. Nichtsdestotrotz müssen diese Erkennt-

nisse gerade im Hinblick auf die abschließende Bewertung verdichtet werden. Denn

was sich nicht in irgendeiner Form in verfügbaren Informationen niederschlägt, kann

im Grunde auch nicht als Bewertungsobjekt einer zweckmäßigen Technologiebewer-

tung herangezogen werden. Es ist daher notwendig, „sich im Sinne einer Kombinato-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 127

rik-Aufgabe“ wesentliche Informationsbausteine über konkrete technologische Poten-

tiale systematisch zu erschließen (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 78).

Für den Fall der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung bedeutet dies,

dass gestützt durch die jeweiligen Erkenntnisse aus der systemischen Exploration

nach „greifbaren“ Informationen über vorstellbare, geplante oder bereits verfolgte

technologische Ansätze gesucht werden muss, so dass diese dann letztendlich auch

einer zweckmäßigen Bewertung unterzogen werden können. Bild 4.15 zeigt vor die-

sem Hintergrund das Grundprinzip der Technologieidentifikation im Rahmen der

TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung. Zur Verdichtung der suchfeld-

spezifischen Signale sowie der damit verbundenen Suche nach neuen Technologie-

optionen sind demnach klassische Instrumente einer Technologiefrüherkennung als

Hilfsmittel heranzuziehen. Neben Patentanalysen und Expertengesprächen ist in die-

sem Zusammenhang vor allem auch die Analyse forschungsspezifischer Literatur in

gedruckter Form oder im Internet zu nennen (GRAWATSCH, 2005, S. 80–81).

Bild 4.15: Verdichtung von Signalen über neue technologische Potentiale in der TRIZ- und szena-

riobasierten Technologiebewertung

Letztere Optionen eignen sich eher für eine allgemeine Suche nach technologischen

Erkenntnissen, wie sie bspw. in Fachbüchern, in Suchmaschinen oder in Produktbe-

schreibungen bzw. Werbekatalogen von wichtigen Konkurrenten zu finden sind.

Dennoch kann dabei bereits eine grundlegende Weichenstellung für tiefergehende,

detailliertere Recherchen geschaffen werden (GRAWATSCH, 2005, S. 81). An dieser

Stelle liefern Expertenbefragungen (vgl. Kapitel 2.5.1.1) einen möglichen Anschluss-

Tech

no

log

ieid

en

tifi

kati

on

neue

Technologie-

optionen

Zukunftsraum des Suchfelds mit Signalen über

technologische Potentiale

Verdichtung der Signale

Patente Experten Literatur

128 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

punkt. Experten setzen sich aus fortschrittlich denkenden Kunden, Zulieferern sowie

Fachpersonal aus wissenschaftlichen Institutionen wie auch dem eigenen Unterneh-

men zusammen und „verfügen über das am besten verarbeitete bzw. verknüpfte

Wissen“ (GRAWATSCH, 2005, S. 81). Expertenbefragungen bieten somit eine effektive

Möglichkeit, frühzeitig an konkrete Informationen über zukunftsrelevante technologi-

sche Lösungen zu gelangen. Selbigen Zweck erfüllen auch Patentanalysen (vgl. Ka-

pitel 2.5.1.2). Patente stellen aufgrund ihrer Objektivität, leichten Zugänglichkeit so-

wie des implizierten technischen Wissens eine sehr mächtige Informationsquelle dar.

Sie setzen automatisch die Entwicklung neuer technologischer Lösungen voraus. Die

Analyse von Patentdaten führt somit automatisch zu stichhaltigen Erkenntnissen

über neue Technologieoptionen. Abschließend muss jedoch erwähnt werden, dass

die vorgestellten Hilfsmittel zur Technologieidentifikation nicht isoliert anzuwenden

sind. Vielmehr wird eine kombinierte Anwendung der Instrumente empfohlen (GRA-

WATSCH, 2005, S. 80–81).

Die anhand der aufgezeigten Hilfsmittel identifizierten Ansätze über technologische

Lösungen sind in der Folge entsprechend zu benennen und als Technologieoption im

Suchfeld festzulegen. Sie bilden den einen wesentlichen Teil der zu bewertenden

Technologien. Den anderen Teil bilden die vom Unternehmen gegenwärtig einge-

setzten Technologien im Suchfeld, die während der Gestaltung des Trendmodells

bereits ermittelt wurden. Diese gleichzeitige Berücksichtigung von bewährten als

auch neuen Technologieoptionen im Rahmen der multikriteriellen Bewertung erlaubt

dem Unternehmen eine entsprechende Beurteilung, ob sich ein möglicherweise kos-

ten- sowie ressourcenaufwändiger Wechsel von einer bewährten auf eine neue

Technologie überhaupt als notwendig erweist.

Bild 4.16 fasst zum Abschluss die Vorgehensweise zur Technologieidentifikation

noch einmal zusammen. Die technologiespezifischen Signale aus der systemischen

Exploration sind anhand der vorgestellten Hilfsmittel einer klassischen Technologie-

früherkennung so zu verdichten, dass neue technologische Lösungen im Suchfeld

identifiziert werden können. Diese sind konkret zu benennen und um die gegenwärtig

vom Unternehmen eingesetzten Technologien zu ergänzen. Der Pool an Technolo-

gieoptionen für die abschließende Technologiebewertung steht nun fest. Die einzel-

nen Technologieoptionen müssen nachfolgend jedoch noch einer umfassenden Be-

schreibung unterzogen werden.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 129

Bild 4.16: Vorgehensweise zur Technologieidentifikation

Beschreibung der Technologieoptionen

Die spezifische Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen hinsichtlich charak-

teristischer Merkmale stellt eine notwendige Voraussetzung für eine aussagekräftige

Technologiebewertung dar. So kann einerseits eine ausreichende Informationsbasis

für die Bewertung geschaffen, andererseits aber auch das Technologieverständnis

an sich sowie die Vergleichbarkeit bzw. Klassifizierbarkeit der einzelnen Technolo-

gieoptionen gefördert werden (vgl. Kapitel 2.1.2).

Besonders vor dem Hintergrund der eingangs der Arbeit geschilderten Problematik

bzgl. einer oftmals lückenhaften und unsicheren Informationslage, die sich aus der

hohen Komplexität, Dynamik sowie Verflochtenheit von Technologieentstehung und

-entwicklung ergibt (vgl. Kapitel 1.2), ist es äußerst wichtig, dass durch das gezielte

Zusammenführen bzw. Verknüpfen von Bewertungsinformationen aus verschiedenen

Informationsklassen dennoch eine möglichst vollständige und durchgängige Daten-

basis geschaffen wird (SERVATIUS & PEIFFER, 1992, S. 79). KRÖLL liefert vor diesem

Hintergrund eine Reihe von Informationsklassen, die eine Technologiebeschreibung

aus allgemeingültigen Blickwinkeln ermöglicht (vgl. Kapitel 2.1.2). Aus den dadurch

„verfügbaren Informationsbausteinen wird zum einen schrittweise eine genauere Be-

schreibung und Abgrenzung der betreffenden Technologie zusammengeführt. Zum

anderen dienen die Informationsklassen der iterativen Vergrößerung und Verfeine-

rung des Bestandes an Bewertungsinformationen“ (SERVATIUS & PEIFFER, 1992,

S. 80). Die von KRÖLL vorgeschlagenen Informationsklassen zur Beschreibung von

technologiespezifische

Signale

Suche nach neuen technologischen

Lösungen

Technologieoptionen

Technologie-

identifikation

Festlegung der zu bewertenden

Technologieoptionen

130 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Technologien bilden somit den Rahmen der Merkmalsklassen zur Technologiebe-

schreibung im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung und

werden im Hinblick auf den nachfolgenden Bewertungsschritt entsprechend ange-

passt bzw. erweitert. Diese angepassten bzw. erweiterten Merkmalsklassen mit ihren

wesentlichen Anhalts- bzw. Orientierungspunkten werden im Folgenden näher vor-

gestellt:

Funktionale Merkmale: Funktionsprinzip, Anwendungshinweise;

Inhaltliche Merkmale: Entwicklungsstand, Forschungsschwerpunkte, An-

wendungsgebiete, Materialien, Bauformen;

Qualitative Merkmale: Umsetzbarkeit, charakteristische Eigenschaften, Zu-

verlässigkeit, Flexibilität, Automatisierbarkeit, Instandhaltbarkeit, Umweltbeein-

flussung;

Zeitliche Merkmale: Beschaffungsdauer, Entwicklungsdauer, Wettbewerbs-

druck durch Konkurrenz;

Wirtschaftliche Merkmale: rechtlicher Schutz, Investitionsbedarf, Entwick-

lungsaufwand, Energieverbrauch;

Personelle Merkmale: Mitarbeiterqualifikation, Personalbedarf.

Wie bei der Technologieidentifikation sind auch zur Technologiebeschreibung die

klassischen Informationsquellen wie Patentanalysen, Expertengesprächen sowie die

Analyse forschungsspezifischer Literatur in gedruckter Form oder im Internet zu ver-

wenden (GRAWATSCH, 2005, S. 84). Speziell zur Einschätzung des Entwicklungs-

stands einer Technologie sowie der damit verbundenen Forschungsschwerpunkte

hilft auch eine Orientierung an den in Kapitel 2.5.1.4 vorgestellten Indikatoren der

gewöhnlichen S-Kurven-Analyse nach TRIZ. Zudem können auch gezielte Nachfor-

schungen bzw. Recherchen im eigenen Unternehmen wichtige Informationen liefern,

da fachspezifisches Wissen dort oftmals direkt zugänglich ist. Die mittels der aufge-

zeigten Recherchemethoden gesammelten Informationen zu den jeweiligen Merk-

malsklassen sind abschließend zu einer durchgängigen und möglichst vollständigen

Datenbasis zu verknüpfen.

Bild 4.17 liefert nochmals eine Zusammenfassung der Vorgehensweise zur Be-

schreibung der zu bewertenden Technologieoptionen. Über die vorgestellten Infor-

mationsquellen sind dafür zunächst technologiespezifische Informationen gemäß der

vorgegebenen Merkmalsklassen zu recherchieren. Im Anschluss sind die Technolo-

gieoptionen anhand der gesammelten Informationen datentechnisch zu beschreiben.

Auf diese Weise lassen sich die einzelnen Technologieoptionen der nachfolgenden

Bewertung zugänglich machen.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 131

Bild 4.17: Vorgehensweise zur Beschreibung der Technologieoptionen

4.2.4 Phase 4 – Multikriterielle Technologiebewertung

Die finale Phase der vorgestellten Methode stützt sich auf den Kernaspekt einer mul-

tikriteriellen Technologiebewertung. Damit soll eine kombinierte Potentialbestimmung

für die im Suchfeld bestimmten Technologieoptionen hinsichtlich der Dimensionen

Technologiepotential, Zukunftspotential und Unternehmenspotential erreicht werden,

die wiederum eine Auswahl von zukunftssicheren Technologieoptionen erlaubt. Die

drei Bewertungsdimensionen sind nach unterschiedlich gewichteten Bewertungskri-

terien aufgeschlüsselt und gezielt so gewählt, dass neben differenzierten Aussagen

über das Potential der einzelnen Technologieoptionen auch Aussagen über das

grundsätzliche Potential des Unternehmens zur Technologieumsetzung getätigt wer-

den können. Das Bewertungsschema orientiert sich dabei am Prinzip der Multi-

Attribut-Ansätze einer multikriteriellen Entscheidungsunterstützung, das sich auf die

simultane Bewertung einer bereits bekannten Menge an Alternativen anhand mehre-

rer, unterschiedlich gewichteter Kriterien stützt (vgl. Kapitel 2.4.2). „Das Ziel […] be-

steht in der Regel darin, diejenigen Alternativen zu identifizieren, die den Präferen-

zen der (des) Entscheidungsträger(s) am besten gerecht werden“ (OBERSCHMIDT,

2010, S. 58). Dafür ist es wichtig, dass das Grundgerüst der Bewertungskriterien zu-

nächst systematisch aufbereitet und in einen leicht nachvollziehbaren sowie wider-

spruchsfreien Bewertungsrahmen gefasst wird. Anschließend erfolgt die eigentliche

Durchführung der multikriteriellen Bewertung, bei der die Teilpotentiale je Technolo-

gieoptionen bestimmt und zu den Gesamtpotentialen aggregiert werden. Auf Basis

Technologieoptionen

Recherche technologiespezifischer

Informationen

bewertbare

Technologieoptionen

Beschreibung der

Technologieoptionen

Datentechnische Beschreibung der

Technologieoptionen

132 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

der gewonnenen Bewertungsergebnisse lassen sich über ein Handlungsportfolio

letztendlich konkrete Handlungsempfehlungen ableiten, die gezielt bei der Entschei-

dungsfindung unterstützen sollen. Mit der Konzipierung dieser Phase wird letztend-

lich auch sichergestellt, dass entsprechend der Anforderungen an eine zeitgemäße

Technologiebewertung mehrere Technologieoptionen unter Berücksichtigung einer

Vielzahl von Kriterien systematisch und möglichst objektiv beurteilt werden können.

Der aus dem aktuellen Forschungsstand abgeleiteten Forderung nach einem syste-

matischen und multikriteriellen Bewertungsschema zur Sicherstellung aussagekräfti-

ger Bewertungsergebnisse kann somit Folge geleistet werden (vgl. Kapitel 3.3).

Aufbereitung der Bewertungskriterien

Wie bereits eingangs der Arbeit geschildert, stehen Bewertungskriterien an sich zwar

nicht für absolute sowie völlig objektive Größen, schaffen aber den wesentlichen

Rahmen einer Bewertung und lenken deren Ergebnisse in Richtung der vorgegebe-

nen Zielsetzung. Unternehmen müssen neben klassischen unternehmensinternen

Kriterien, die vorrangig auf Funktionalität oder Wirtschaftlichkeit abzielen, heutzutage

verstärkt auch unternehmensexterne Kriterien aus Bereichen wie Markt, Politik, Ge-

sellschaft oder Umwelt berücksichtigen, was zu einem großen und teils insuffizienten

Pool an möglichen Bewertungskriterien führt. Um trotz dieser Problematik vergleich-

bare und objektive Aussagen über die einzelnen Technologieoptionen tätigen sowie

eine fundierte Entscheidung herbeiführen zu können, sind die für die Untersuchung

relevanten Bewertungskriterien so festzulegen und zu gewichten, dass in der Folge

eine widerspruchsfreie und nachvollziehbare Bewertung gewährleistet werden kann

(vgl. Kapitel 1.2). Bei der Festlegung von Bewertungskriterien müssen demnach ge-

wisse Grundregeln beachtet werden. BREIING & KNOSALA nennen vor diesem Hinter-

grund folgende Grundsätze, die verzerrten bzw. verfälschten Bewertungsergebnis-

sen vorbeugen (BREIING & KNOSALA, 1997, S. 42–43):

Vermeidung von sich inhaltlich überschneidenden Bewertungskriterien;

Vermeidung von widersprüchlichen Bewertungskriterien;

Vermeidung von gegenläufigen Bewertungskriterien.

Im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung ist diesen

Grundsätzen durch eine eindeutige und gleichläufige Formulierung sowie präzise

Beschreibung der gewünschten Kriterien entsprechend Folge zu leisten. So lässt

sich ein widerspruchsfreies und nachvollziehbares Grundgerüst an Bewertungskrite-

rien erarbeiten, das zur Bestimmung der einzelnen Potentialwerte herangezogen

werden. Dieses Grundgerüst umfasst die drei übergeordneten Bewertungsdimensio-

nen des Technologie-, Zukunfts- sowie Unternehmenspotentials, die wiederum durch

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 133

spezifische Bewertungskriterien untergliedert sind. Zur Verdeutlichung der Zusam-

mensetzung bzw. hierarchischen Struktur der Kriterien zeigt Bild 4.18 das Grundge-

rüst in einer baumähnlichen Struktur (vgl. Kapitel 2.4.2).

Bild 4.18: Grundgerüst der Bewertungskriterien

Die Bewertungsdimension des Technologiepotentials liefert Erkenntnisse, inwieweit

die einzelnen Technologieoptionen die grundlegenden Anforderungen an das Such-

feld erfüllen, die sich im Einzelnen aus funktionalen Anforderungen des Produkts,

kunden- sowie unternehmensspezifischen Anforderungen zusammensetzen. Unter

funktionalen Anforderungen des Produkts werden in diesem Zusammenhang die

notwendigen Kriterien verstanden, die das Suchfeld zu erfüllen hat, um die Funkti-

onsfähigkeit des Produkts aufrecht zu erhalten (z.B. das Kriterium „elektrische Leitfä-

higkeit“ des Suchfelds „elektrischer Leiter“ als notwendige Voraussetzung für ein

funktionierendes Produkt „Stromkabel“). Demgegenüber stehen unternehmens- und

kundenspezifische Anforderungen für wesentliche Entscheidungskriterien seitens

Interessensbereichen des Unternehmens sowie wichtiger Kunden (z.B. „Montagesi-

Multikriterielle

Technologiebewertung

Kriterien zur Bestimmung des

Technologiepotentials sind vom Anwender in

Absprache mit Interessensgruppen

festzulegen und geben Auskunft über die

Erfüllung von produkt-, unternehmens- und

kundenspezifischen Anforderungen

Technologiepotential

Erfüllungspotential hinsichtlich

suchfeldspezifischem

Szenario I

suchfeldspezifischem

Szenario II

suchfeldspezifischem

Szenario III

Weiterentwicklungspotential

Diversifikationspotential

Reifegrad

Zukunftspotential

technologische Reife

Ressourcenverfügbarkeit

Reaktionsgeschwindigkeit

rechtliche Lage

Unternehmenspotential

134 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

cherheit“ und „Instandhaltbarkeit“). Diese äquivalente Berücksichtigung von funktio-

nalen, unternehmens- sowie kundenspezifischen Kriterien orientiert sich stark an der

prinzipiellen Denkweise der „Main Parameters of Value Discovery“ im Rahmen der

TRIZ-Methodik (vgl. Kapitel 2.5.1.4), die grundsätzlich zwischen strategischen und

funktionalen Schlüsselattributen eines technischen Systems bzw. einer Komponente

unterscheidet (Ikovenko, 2008, S. 9). Während strategische Attribute dabei eher all-

gemein formuliert sind und sich zumeist unmittelbar auf das Kaufverhalten der Kun-

den oder das Entscheidungsverhalten des Unternehmens auswirken, sind funktiona-

le Parameter eher auf spezifische Merkmale wie z.B. die geometrischen, physikali-

schen, chemischen oder biologischen Eigenschaften ausgerichtet, die das charakte-

ristische Verhalten des technischen Systems bzw. der Komponente bestimmen. Auf-

grund dieser offenkundigen Abhängigkeit zwischen Schlüsselattributen und Betrach-

tungsobjekt muss der Anwender der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-

tung die funktionalen, unternehmens- sowie kundenspezifischen Kriterien zur Be-

stimmung des Technologiepotentials in enger Absprache mit wichtigen Stakeholdern

bzw. Interessensgruppen (z.B. wichtige Kunden, Einkaufsabteilungen, F&E, Ferti-

gung und Montage, etc.) je nach Anwendungsfall festlegen (OBERSCHMIDT, 2010, S.

67).

Die zweite Bewertungsdimension beurteilt das künftige Eignungspotential der einzel-

nen Technologieoptionen anhand ausgewählter Zukunftskriterien sowie deren Erfül-

lungspotential hinsichtlich des über die suchfeldspezifischen Szenarien aufgespann-

ten Zukunftsraums. Im Gegensatz zu den Kriterien zur Bestimmung des Technolo-

giepotentials werden die Zukunftskriterien für eine einheitliche Verwendbarkeit fest

vorgegeben und dabei so ausgewählt, dass neben einer Beurteilung der gegenwärti-

gen Reife einer Technologieoption hinsichtlich eines serientauglichen Einsatzes in

neuen Produktlösungen ferner auch abgeschätzt werden kann, inwieweit diese sich

künftig noch verbessern lassen und Unternehmen dabei Möglichkeiten zur Diversifi-

kation bieten. Im Detail setzen sich die einzelnen Kriterien wie folgt zusammen:

Erfüllungspotential: Potential einer Technologieoption zur Erfüllung des Zu-

kunftsraums, aufgespannt durch die suchfeldspezifischen Szenarien;

Weiterentwicklungspotential: Potential einer Technologieoption zur künfti-

gen Weiterentwicklung ihres Leistungsstands;

Diversifikationspotential: Potential einer Technologieoption zur Ausweitung

des Sortiments, z.B. zur Erweiterung des Produktsortiments, zur Erweiterung

des Produktionsprogramms oder zur Erschließung neuer Märkte bzw. Anwen-

dungsgebiete;

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 135

Reifegrad: Reife einer Technologieoption für einen serienfähigen Einsatz in

künftigen Produktlösungen.

Mit der Bewertungsdimension des Unternehmenspotentials wird abschließend beur-

teilt, inwieweit das Unternehmen überhaupt über das Potential verfügt, die einzelnen

Technologieoptionen tatsächlich auch umsetzen zu können. Wie beim Zukunftspo-

tential werden die Bewertungskriterien auch hier fest vorgegeben. Diese orientieren

sich im Grunde an möglichen Kriterien zur Abschätzung der Ressourcenstärke in

einem klassischen Technologie-Portfolio (vgl. Kapitel 2.5.2.4) und repräsentieren

demzufolge unternehmensinterne Faktoren zur Beurteilung der technischen, wirt-

schaftlichen und rechtlichen Realisierbarkeit der Technologieoptionen durch das Un-

ternehmen. Auch diese Kriterien werden nachfolgend im Einzelnen näher erläutert:

Know-how: Verfügbarkeit des technologischen Know-hows im Unternehmen

zur (Weiter-)Entwicklung bzw. Adaption einer Technologieoption;

Ressourcenverfügbarkeit: Verfügbarkeit von finanziellen, sachlichen und

personellen Ressourcen im Unternehmen zur (Weiter-)Entwicklung bzw.

Adaption einer Technologieoption;

Reaktionsgeschwindigkeit: Reaktionsgeschwindigkeit des Unternehmens

zur (Weiter-)Entwicklung bzw. Adaption einer Technologieoption;

rechtliche Lage: Möglichkeiten des Unternehmens, den Wettbewerbsvor-

sprung durch eine Technologieoption rechtlich zu schützen.

Die Bewertungskriterien sind nun vollständig festgelegt. Im nächsten Schritt ist es

notwendig, den Kriterien die vermittelten, subjektiven Wertvorstellungen bzw. Präfe-

renzen der Interessensgruppen unter Berücksichtigung der wesentlichen Zielsetzung

beizumessen. Diese Wertvorstellungen lassen sich in unterschiedlich gewichteten

Bewertungskriterien ausdrücken. Als intuitive, leicht nachvollziehbare und dennoch

systematische Möglichkeit zur Gewichtung der Bewertungskriterien bietet sich das

Prinzip des paarweisen Vergleichs an (OBERSCHMIDT, 2010, S. 69–70). Dieses Prin-

zip sieht zunächst eine Gegenüberstellung aller Bewertungskriterien einer Bewer-

tungsdimension in einer symmetrischen Matrix vor, wie sie beispielhaft in Bild 4.19

dargestellt ist. Es folgt ein paarweises Vergleichsschema, bei dem die Kriterien in

den Zeilen der Reihe nach mit sämtlichen Kriterien in den Spalten anhand eines vor-

gegeben Maßstabs verglichen werden. Dieser Maßstab stützt sich auf eine intuitive

Einschätzung, die dem Zeilenkriterium je nach Relevanz gegenüber dem Spaltenkri-

terium eine „1“, „0“ oder „-1“ zuweist. Wie Bild 4.19 zeigt, ist insgesamt nur eine Hälf-

te der Matrix zu befüllen. Die andere Hälfte lässt sich über eine Spiegelung der Zel-

lenwerte an der Hauptdiagonalen ermitteln. Dabei muss folgende Bedingung erfüllt

werden (EVERSHEIM, LIESTMANN & WINKELMANN, 2006, S. 438):

136 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

ij jir  + r  = 0 4.1

r Relevanz (-1, 0, 1)

i Zeilennummer (Kriterium)

j Spaltennummer (Kriterium)

Über eine Relativierung der Gewichtungssummen (Zeilensummen) lassen sich nun

die relativen Gewichtungsfaktoren der einzelnen Bewertungskriterien ermitteln. Hier-

für sind folgende Rechenschritte notwendig (EVERSHEIM ET AL., 2006, S. 438–439):

 

1

 n

i ij

j

Z r

4.2

 

1

 n

i ij

j

z r n

4.3

 

1

  ii n

ii

zg

z

4.4

r Relevanz (-1, 0, 1)

i Zeilennummer (Kriterium)

j Spaltennummer (Kriterium)

n Anzahl der Kriterien (1, 2, …, N)

Zi Gewichtungssumme bzw. Zeilensumme

zi relative Gewichtungssumme

gi relativer Gewichtungsfaktor

Bild 4.19: Beispiel einer paarweisen Vergleichsmatrix in Anlehnung an EVERSHEIM, LIESTMANN & WIN-

KELMANN, 2006, S. 438

Vergleichsmaßstab:

1: Zeilenkriterium wichtiger als Spaltenkriterium

0: Kriterien gleichbedeutend

-1: Zeilenkriterium weniger wichtig als Spaltenkriterium

Krite

rium

1

Krite

rium

2

Krite

rium

3

Krite

rium

4

Krite

rium

5

Gew

ich

tun

gssu

mm

e

Rela

tive

Gew

ich

tun

gssu

mm

e

Rela

tiver

Gew

ich

tun

gsfa

kto

r

Kriterium 1 -1 0 -1 -1 -3 1 0,05

Kriterium 2 1 1 0 -1 1 5 0,25

Kriterium 3 0 -1 1 0 0 4 0,20

Kriterium 4 1 0 -1 1 1 5 0,25

Kriterium 5 1 1 0 -1 1 5 0,25

Gewichtung der Bewertungskriterien über paarweisen Vergleich

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 137

Die Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien wird in Bild 4.20 noch

einmal abschließend zusammengefasst. Dabei ist es zunächst notwendig, dass pro-

dukt-, kunden- sowie unternehmensspezifische Bewertungskriterien zur Bestimmung

des Technologiepotentials in enger Absprache mit Interessensgruppen des Unter-

nehmens (Entwicklung, Fertigung, Einkauf etc.) festgelegt werden. Dabei ist beson-

ders auf die erwähnten Grundregeln von BREIING & KNOSALA für eine wesensgerechte

Festlegung der Bewertungskriterien zu achten. Die Kriterien zur Bestimmung von

Unternehmens- und Zukunftspotential sind demgegenüber fest vorgegeben. An-

schließend sind die Bewertungskriterien der drei Bewertungsdimensionen nach dem

Schema des paarweisen Vergleichs zu gewichten, so dass der Bewertungsrahmen

für die nachfolgende Bestimmung der Potentiale entsprechend vervollständigt wer-

den kann.

Bild 4.20: Vorgehensweise zur Aufbereitung der Bewertungskriterien

Multikriterielle Bewertung

Auf Basis des vollständigen Bewertungsrahmens erfolgt nun die eigentliche multikri-

terielle Bewertung, bei der die Teilpotentiale je Technologieoption bestimmt und zu

den drei Gesamtpotentialen aggregiert werden. Die Vorteile eines multikriteriellen

Bewertungsmodells liegen in der parallelen Berücksichtigung und systematischen

Verarbeitung von qualitativen sowie quantitativen Informationen aus unterschiedli-

chen Blickwinkeln. Dadurch können deutlich aussagekräftigere Bewertungsergebnis-

se realisiert werden als bei klassischen Bewertungsmodellen, die sich oftmals auf

eine reine Monetarisierung von Bewertungsgrößen stützen (OBERSCHMIDT, 2010,

bewertbare

Technologieoptionen

Festlegung der Bewertungskriterien

zur Potentialbestimmung

Bewertungsrahmen

Aufbereitung der

Bewertungskriterien

Gewichtung der Bewertungskriterien

über paarweisen Vergleich

138 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

S. 55–56) oder durch vereinfachte, unsystematische Bewertungsschritte gekenn-

zeichnet sind (vgl. Kapitel 3.2).

Im Rahmen der multikriteriellen Bewertung wird grundsätzlich zwischen der amerika-

nischen und der europäischen Schule unterschieden. Die amerikanische Schule

stützt sich auf die Annahme, dass Entscheidungsträger sich ihrer Präferenzen be-

wusst sind, und verfolgt das Ziel, diese Präferenzvorstellungen „in transparenter

Weise offenzulegen“ und über eine Nutzenfunktion zu einem Gesamtnutzen zu ag-

gregieren (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59). Die europäische Schule widerspricht dieser

Sichtweise und will insbesondere die möglichen Konsequenzen von unklaren bzw.

widersprüchlichen Präferenzvorstellungen aufzeigen (vgl. Kapitel 2.4.2). Die Methode

zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung nutzt vor diesem Hinter-

grund den Ansatz der amerikanischen Schule, da auf diese Weise die Präferenzen

der Interessensgruppen entsprechend ihrer konkreten Erwartungshaltungen bzw.

Zielvorstellungen eindeutig zum Ausdruck gebracht und in der Bewertung berück-

sichtigt werden können. Demzufolge werden die Gesamtpotentiale der jeweiligen

Technologieoptionen über eine Aggregation der Teilpotentiale hinsichtlich der unter-

schiedlich gewichteten Bewertungskriterien ermittelt (vgl. Kapitel 2.4.2).

Das Konzept zur Zuweisung und Aggregation der besagten Teilpotentiale ist dabei

an das klassische Schema einer Nutzwert-Analyse angelehnt (vgl. Kapitel 2.5.2.2).

Die Gegenüberstellung der zu bewertenden Technologieoptionen mit den jeweiligen

Bewertungskriterien der drei Bewertungsdimensionen zusammen mit deren Gewich-

tungsfaktoren erfolgt in drei einheitlich aufgebauten Bewertungsmatrizen, die in Bild

4.21 beispielhaft dargestellt sind. In diesen Matrizen muss schließlich für jede Tech-

nologieoption eine Potentialabschätzung hinsichtlich der aufgeführten Bewertungskri-

terien durchgeführt werden. Dafür trägt man in die vorgesehen Zellen einen entspre-

chenden Potentialwert anhand eines vorgegebenen Maßstabs ein. Im Wesentlichen

stützt sich diese Potentialabschätzung auf die umfassenden Informationen, die im

Rahmen der Beschreibung der Technologieoptionen gesammelt wurden. Über eine

Multiplikation der kriterienspezifischen Gewichtungsfaktoren mit den kriterienspezifi-

schen Potentialwerten lassen sich in der Folge die Teilpotentiale der Technologieop-

tionen ermitteln. Diese werden abschließend zu den Gesamtpotentialen aufsummiert,

so dass ein Vergleich bzw. eine Priorisierung der einzelnen Technologieoptionen er-

möglicht werden kann. Für eine korrekte Durchführung der multikriteriellen Bewer-

tung sind jedoch noch letzte Details zu klären. Für die Skalierung des Bewertungs-

maßstabs wird vor diesem Hintergrund die typische Aufschlüsselung von „0“ (nicht

vorhanden) bis „10“ (sehr hoch) verwendet (EVERSHEIM ET AL., 2006, S. 437). Außer-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 139

dem werden nachfolgend noch die notwendigen Berechnungsschritte zur Bestim-

mung von Teil- sowie Gesamtpotential aufgeführt:

      * ji i jip g a 4.5

1

    n

j ji

i

P p

4.6

a Potentialabschätzung (0, 1, 2, …, 10)

gi relativer Gewichtungsfaktor

i Zeilennummer (Kriterium)

j Spaltennummer (Technologieoption)

n Anzahl der Kriterien

pji Teilpotential einer Technologieoption je Kriterium

Pj Gesamtpotential einer Technologieoption

Bild 4.21: Beispielhafte Darstellung der Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der Gesamtpotentiale

Gesondert zu betrachten ist die Bestimmung des Zukunftspotentials. Dabei ist das

Kriterium des Erfüllungspotentials zusätzlich in drei Subkriterien untergliedert, die

durch die suchfeldspezifischen Szenarien repräsentiert werden. Diese Subkriterien

werden über die abgeschätzten Eintrittswahrscheinlichkeiten der suchfeldspezifi-

schen Szenarien gewichtet. Das Erfüllungspotential wird daher zunächst wie ein Ge-

Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Unternehmenspotentials

Bewertungsmaßstab:

0: nicht ausgeprägt

1-3: schlecht ausgeprägt

4-6: moderat ausgeprägt

7-9: gut ausgeprägt

10: sehr gut ausgeprägt

Re

lati

ve G

ew

ich

tun

g

Technolo

gie

option 1

Technolo

gie

option 2

Technolo

gie

option 3

… … … … … … Technolo

gie

option

10

Kriterium 1 0,05 3 7 2 3

Kriterium 2 0,25 5 9 5 9

Kriterium 3 0,20 6 4 5 8

Kriterium N 0,25 1 8 7 1

Technologiepotential 4,2 7,8 5,9 6,7

Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Zukunftspotentials

Bewertungsmaßstab:

0: nicht ausgeprägt

1-3: schlecht ausgeprägt

4-6: moderat ausgeprägt

7-9: gut ausgeprägt

10: sehr gut ausgeprägt

Re

lati

ve G

ew

ich

tun

g

Technolo

gie

option 1

Technolo

gie

option 2

Technolo

gie

option 3

… … … … … … Technolo

gie

option

10

Kriterium 1 0,05 3 7 2 3

Kriterium 2 0,25 5 9 5 9

Kriterium 3 0,20 6 4 5 8

Kriterium N 0,25 1 8 7 1

Technologiepotential 4,2 7,8 5,9 6,7

Bewertungsmatrix zur Bestimmung des Technologiepotentials

Bewertungsmaßstab:

0: nicht vorhanden

1-3: gering

4-6: moderat

7-9: hoch

10: sehr hoch

Re

lati

ve G

ew

ich

tun

g

Technolo

gie

option 1

Technolo

gie

option 2

Technolo

gie

option 3

… … … … … … Technolo

gie

option

10

Zuverlässigkeit 0,05 3 7 2 3

Montagefähigkeit 0,25 5 9 5 9

Umweltverträglichkeit 0,20 6 4 5 8

Flexibilität 0,25 1 8 7 1

Gesamtpotential 4,2 7,8 5,9 6,7

140 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

samtpotential über Formel 4.6 berechnet. Im Anschluss fließt der berechnete Ge-

samtwert des Erfüllungspotentials dann gemäß seines kriterienspezifischen Gewich-

tungsfaktors als Teilpotential in die Berechnung des Zukunftspotentials ein. Insge-

samt bietet die TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung also ein struktu-

riertes und systematisches Bewertungsmodell zur Bestimmung von Technologie-,

Zukunfts- sowie Unternehmenspotential, das in der Folge eine Einordnung der Tech-

nologieoptionen in ein spezifisches Handlungsportfolio ermöglicht und maßgeblich

bei der Entscheidungsfindung unterstützt.

Bild 4.22: Vorgehensweise zur multikriteriellen Bewertung der Technologieoptionen

Eine abschließende Zusammenfassung der Vorgehensweise zur multikriteriellen

Technologiebewertung im Rahmen der vorgestellten Methode liefert Bild 4.22. Im

ersten Schritt werden dabei zunächst die entsprechenden Potentialabschätzungen je

Technologieoption gemäß der im Bewertungsrahmen fest verankerten Bewertungs-

kriterien getroffen. Über die vorgegebenen Bewertungsschritte werden daraus die

jeweiligen Teilpotentiale ermittelt und zu den drei Gesamtwerten des Technologie-,

Zukunfts- sowie Unternehmenspotentials aggregiert. Man erhält somit die finalen

Bewertungsergebnisse für die einzelnen Technologieoptionen als Ausgangspunkt für

die nachfolgende Ableitung von Handlungsempfehlungen.

Ableitung von Handlungsempfehlungen

Die Bewertungsergebnisse eignen sich aufgrund der Aufschlüsselung in drei Bewer-

tungsdimensionen sehr gut für eine Überführung in ein Handlungsportfolio, das „zur

Bewertungsrahmen

Bestimmung der Teilpotentiale

je Technologieoption

Bewertungsergebnis

Multikriterielle

Bewertung

Aggregation der Teilpotentiale

je Technologieoption zu Gesamtpotentialen

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 141

gedanklichen Strukturierung des Entscheidungsfeldes […] und damit zur Verbesse-

rung der Handhabbarkeit der Probleme der strategischen Planung“ dient (PFEIFFER

ET AL., 1989, S. 77). Speziell technologiebezogene Portfolio-Konzepte erlauben Un-

ternehmen die Gegenüberstellung von technologiespezifischen Potentialen mit den

spezifischen Unternehmenspotentialen zur Umsetzung der betrachteten Technolo-

gien, so dass im Anschluss Handlungsempfehlungen zur gezielten Unterstützung

von Technologieentscheidungen abgeleitet werden können (WOLFRUM, 1991,

S. 199).

Das im Rahmen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung eingeführte

Handlungsportfolio zur Visualisierung der Bewertungsergebnisse und simultanen

Klassifizierung der einzelnen Technologieoptionen orientiert sich am Grundaufbau

des Technologie-Portfolios nach PFEIFFER ET AL. (vgl. Kapitel 2.5.2.4), wird aber auf

die spezifischen Rahmenbedingungen der vorgestellten Methode angepasst. Wie in

Bild 4.23 zu sehen ist, umfasst das Portfolio neben der klassischen Darstellung der

Dimensionen des Technologie- und Unternehmenspotentials in der Vertikalen bzw.

Horizontalen demzufolge auch eine Visualisierung des Zukunftspotentials über die

Größe des Kreisdurchmessers der korrespondierenden Technologieoptionen (großer

Durchmesser = hohes Zukunftspotential).

Bild 4.23: Handlungsportfolio der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung

J

L

?

?

Technologieoption 1

Technologieoption 2

Technologieoption 3

Kreisdurchmesser

=

Zukunftspotential

0,0

5,0

10,0

0,0 5,0 10,0

Tech

no

log

iep

ote

nti

al

Unternehmenspotential

142 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

Des Weiteren ist das Portfolio in drei wesentliche Bereiche untergliedert, die eine

Zuordnung der Technologieoptionen zu bestimmten Normstrategien ermöglichen.

Diese sind an die klassischen Normstrategien zur Investition, Selektion und Desin-

vestition nach PFEIFFFER ET AL. angelehnt und gestalten sich im Einzelnen wie folgt

(PFEIFFER ET AL., 1989, S. 99–102; WOLFRUM, 1991, S. 202):

Abstoßen: Technologien in diesem Bereich erweisen sich für das Unterneh-

men als unattraktiv, da weder die Technologien das nötige Potential zur Erfül-

lung der produkt-, unternehmens- sowie kundenspezifischen Anforderungen

im Suchfeld aufweisen, noch das Unternehmen so aufgestellt ist, dass die

Technologien entsprechend umgesetzt werden können. Verfügen die Techno-

logien in diesem Bereich nicht über ein bemerkenswertes Zukunftspotential,

das bspw. eine querschnittliche Anwendung auch in anderen Einsatzberei-

chen ermöglicht, sind sie vom Unternehmen nicht weiter zu berücksichtigen.

Ein solches Beispiel wäre Technologieoption 3 (vgl. Bild 4.23).

Abwägen: Dieser Bereich unterscheidet grundsätzlich zwei Fälle. Im Fall ei-

nes geringen Technologie- sowie hohen Unternehmenspotentials ist abzuwä-

gen, ob die Technologie aufgrund ihres Zukunftspotentials weiter berücksich-

tigt und gegebenenfalls durch gezielte F&E-Aktivitäten im Unternehmen zeit-

nah auf ein angemessenes Leistungsniveau gebracht werden kann. Im Fall

eines hohen Technologie- sowie geringen Unternehmenspotentials ist dage-

gen abzuwägen, ob das Unternehmen dazu bereit ist, den technologischen

Rückstand in absehbarer Zeit durch Zukauf oder eigene F&E-Aktivitäten auf-

zuholen. Bei dieser Abwägung spielt das Zukunftspotential eine wesentliche

Rolle. Beispielsweise ist Technologieoption 1 durch ein so hohes Zukunftspo-

tential gekennzeichnet, dass der notwendige Ressourcenaufwand zur Be-

schaffung oder Entwicklung der Technologieoption durchaus lohnenswert er-

scheint (vgl. Bild 4.23).

Auswählen: Technologien in diesem Bereich erweisen sich aufgrund der ho-

hen Technologieattraktivität sowie des hohen Unternehmenspotentials als be-

sonders vielversprechende Option für die technologische Lösung im Suchfeld.

Dennoch ist letztendlich das Zukunftspotential der Technologien als aus-

schlaggebendes Entscheidungskriterium hinsichtlich eines Einsatzes in künfti-

gen Produktlösungen heranzuziehen. Technologieoption 2 wäre in diesem Fall

nur vergleichsweise durchschnittlich ausgeprägt (vgl. Bild 4.23), weshalb sich

die Frage stellt, ob nicht etwa Technologieoption 1 trotz des damit verbunde-

nen Ressourcenaufwands die bessere Wahl wäre.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 143

Die aufgezeigten Normstrategien sind jedoch keineswegs als feste Vorgaben zu ver-

stehen. Sie sollen vielmehr richtungsweisend sein und müssen immer unter Berück-

sichtigung des konkreten Untersuchungsrahmens an die spezifischen Gegebenhei-

ten des Unternehmens angepasst sowie in konkrete Handlungsempfehlungen über-

führt werden. So kann sichergestellt werden, „ob es nicht zum Zwecke der Optimie-

rung des Gesamtsystems, nötig wird, andere Systemteile uno actu mit zu verbes-

sern“ (PFEIFFER ET AL., 1989, S. 102–103). Das vorgestellte Portfolio-Konzept liefert

letztendlich also wichtige Wegweiser und technologiespezifische Erkenntnisse, die

den Entscheidungsträgern aus dem Management bzw. den zuständigen Unterneh-

mensbereichen als elementare Grundlage für deren endgültige Technologieent-

scheidung dienen (HAAG ET AL., 2011, S. 311). Auch für die der Methodenanwendung

und anschließenden Technologieentscheidung nachgelagerten Phasen der strategi-

schen Produktplanung (vgl. Kapitel 4.1), in denen die gewonnenen, technologischen

Erkenntnisse dann zur Erarbeitung konkreter Produktvorschläge und Umsetzungs-

pläne herangezogen werden, kann damit ein wesentlicher Beitrag geleistet (PAHL ET

AL., 2007, S. 119–120).

Bild 4.24: Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen

Die Vorgehensweise zur Ableitung von Handlungsempfehlungen ist abschließend in

Bild 4.24 dargestellt und wird nachfolgend noch einmal zusammengefasst. Die Be-

wertungsergebnisse der einzelnen Technologieoptionen werden dabei zunächst in

das vorgestellte Handlungsportfolio überführt, das durch die drei Bewertungsdimen-

sionen aufgespannt wird und eine Zuordnung der Technologieoptionen zu drei we-

Bewertungsergebnis

Erstellung des Handlungsportfolios

Technologie-

entscheidung

Ableitung von

Handlungsempfehlungen

Handlungsempfehlungen

144 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

sentlichen Normstrategien ermöglicht. Angeregt durch die Normstrategien sind

schließlich Handlungsempfehlungen für die einzelnen Technologieoptionen abzulei-

ten, die als konkrete Wegweiser und wichtige Informationsgrundlage für die Ent-

scheidungsträger aus dem Management bzw. den zuständigen Unternehmensberei-

chen dienen. Ferner kann auch ein entscheidender Input für die Phase zur Definition

von Produkten geliefert werden, in der auf Basis der gewonnenen, technologischen

Erkenntnisse letztendlich modifizierte oder gar neue Produktvorschläge erarbeitet

werden können.

4.3 Excel-Tool für eine rechnergestützte Anwendung

Unternehmen verfügen heute „über stark formalisierte und technisierte Entwick-

lungsprozesse bei immer kürzer werdenden Entwicklungszeiten, wodurch ein syste-

matischer, durchgängiger Prozess benötigt wird, um Technologiealternativen abzu-

bilden und anschließend zu bewerten“ (KRÖLL, 2007, S. 18). Neben der Erarbeitung

eines schlüssigen methodischen Konzepts, das soeben ausführlich vorgestellt wur-

de, ist dafür auch der Entwurf eines Software-Tools für eine rechnergestützte An-

wendung in der Praxis notwendig. Solche Tools lassen sich sehr leicht in die stark

computergestützten Abläufe bzw. Prozesse eines Unternehmens integrieren und för-

dern somit eine praktikable, reproduzierbare sowie effiziente Handhabung der Be-

wertungsmethode (KRÖLL, 2007, S. 18; GLUCHOWSKI, GABRIEL & DITTMAR, 2008, S. 1).

Diesen Umständen wird im Rahmen dieser Arbeit entsprechend Beachtung ge-

schenkt und mit der Software Microsoft Office Excel ein strukturiertes sowie nach-

vollziehbares Tool entworfen, das den Anwender bei der Ausführung der Methode

phasenspezifisch unterstützt. Microsoft Office Excel ist als Software allgemein be-

kannt und bietet umfassende Berechnungs- sowie Visualisierungsmöglichkeiten. Zu-

dem kann der Funktionsumfang der Software über die Programmiersprache Visual

Basic for Applications (VBA) entscheidend erweitert werden, was insgesamt zu einer

deutlichen Verbesserung der anwenderseitigen Darstellung sowie Verknüpfung von

Inhalten führt.

Die Methode zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung dient der Un-

terstützung bzw. Vorbereitung von Technologieentscheidungen in der strategischen

Produktplanung. Aus diesem Grund orientiert sich das Konzept des Excel-Tools am

Grundgedanken eines klassischen Decision Support Systems (DSS), das Entschei-

dungsträger bzw. Interessensgruppen „mit Modellen, Methoden und problembezoge-

nen Daten in ihrem Entscheidungsprozess“ assistiert (GLUCHOWSKI ET AL., 2008,

S. 63). In Bild 4.25 sind zentrale Bestandteile abgebildet, die ein effektives DSS ent-

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 145

halten muss. Diese setzen sich aus Daten, Methoden, Modellen sowie einem Dialog-

system für die Kommunikation mit dem Anwender zusammen (GLUCHOWSKI ET AL.,

2008, S. 66–67). GLUCHOWSKI ET AL. nennen zudem auch Berichte als wichtige Be-

standteile eines DSS, jedoch sind diese „im Zeitalter des Desktop-Publishing kaum

noch diskussionswürdig (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 71). Somit bestimmen lediglich

die Bestandteile Daten, Methoden & Modelle sowie Dialoge den Grundaufbau des

Excel-Tools zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung, welcher nach-

folgend anhand der genannten Bestandteile entsprechend erläutert wird.

Bild 4.25: Zentrale Aspekte eines Decision Support Systems in Anlehnung an GLUCHOWSKI, GABRIEL

& DITTMAR, 2008, S. 67

Daten

„Durch die Fokussierung auf abgegrenzte Entscheidungssituationen wird die volle

Breite einer operativen Datenbasis“ im Rahmen dieses Excel-Tools nicht benötigt

(GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 70). Nichtsdestotrotz ist es wichtig, dass spezifische

Daten und Informationen, die für die Untersuchung notwendig sind, mithilfe des Tools

erfasst bzw. bereitgestellt und über einen durchgängigen Datenaustausch zwischen

den einzelnen Ablaufschritten der Bewertungsmethode zielgerecht verarbeitet wer-

den (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 70).

Das Excel-Tool ist daher so aufgebaut, dass dem Anwender über Arbeitsanweisun-

gen oder Hinweistabellen gezielt Anhalts- bzw. Orientierungspunkte zur Erfassung

der notwendigen, untersuchungsspezifischen Daten und Informationen in den einzel-

nen Ablaufschritten der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung gege-

Decision Support

System

Methoden Modelle

Daten Dialoge

146 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

ben werden. Allgemein verwendbare Daten und Informationen wie z.B. die erweiterte

Sammlung der TESE (vgl. Anhang A) oder die vorgegebenen Bewertungskriterien

zur Bestimmung von Zukunfts- sowie Unternehmenspotential (vgl. Kapitel 4.2.4) wer-

den dagegen über VBA-basierte Buttonfelder und Fenster bereitgestellt bzw. direkt in

die dazugehörigen Ablaufschritte im Excel-Tool implementiert. Eine durchgängige

Sammlung und Verarbeitung der untersuchungsrelevanten Daten und Informationen

wird abschließend über vorgefertigte Tabellen, Matrizen und Steckbriefe sowie eine

gezielte Verknüpfung zwischen den einzelnen Tabellenblättern des Excel-Tools si-

chergestellt. So kann ferner auch einem möglichen Daten- und Informationsverlust

während der Anwendung vorgebeugt werden.

Methoden und Modelle

Eine weitere Voraussetzung für ein effektives Tool ist ein ausgeprägter Methoden-

und Modellcharakter, der sich aus einer logischen und funktional zusammenhängen-

den Struktur (Modellcharakter) sowie der entsprechenden Ausgestaltung durch spe-

zifische Methoden- und Analyseelemente (Methodencharakter) ergibt (GLUCHOWSKI

ET AL., 2008, S. 68–70). Dies erlaubt letztendlich „die Definition und Manipulation […]

von Daten, Entscheidungsvariablen und deren funktionaler Zusammenhänge“ inner-

halb eines durchgängigen, methodischen Konzepts zur gezielten Förderung der Her-

leitung von Handlungsempfehlungen (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 69).

Vor diesem Hintergrund ergibt sich für jeden Ablaufschritt aus den vier Phasen der

TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung (vgl. Kapitel 4.2.1 - 4.2.4) ein

spezifisches Tabellenblatt, das die dazugehörigen Methoden- sowie Analyseelemen-

te integriert (Trendmodell, Einflussanalyse, Konsistenzanalyse, paarweiser Vergleich,

multikriterielle Bewertung, Handlungsportfolio etc.). Die einzelnen Tabellenblätter

sind wiederum gemäß der charakteristischen Zusammenhänge zwischen den einzel-

nen Ablaufschritten miteinander verknüpft und bilden schlussendlich das in Bild 4.26

dargestellte Modell des Excel-Tools.

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 147

Bild 4.26: Screenshot zum Ablaufmodell im Hauptmenü des Excel-Tools

Dialogsystem

Abschließend muss ein effektives Software-Tool noch mit einem durchdachten Dia-

logsystem ausgestattet sein, das dem Anwender neben wirksamen Steuerungsmög-

lichkeiten auch wichtige Hilfsfunktionen zur Verfügung stellt und eine einfache Inter-

aktion ermöglicht. Gute Benutzeroberflächen bringen einerseits eine gewisse Syste-

matik in die Arbeitsweise des Anwenders und verhindern somit den Rückfall in ein

oftmals unstrukturiertes und sprunghaftes Problemlösungsverhalten. Andererseits

wird auch die generelle Vertrautheit und Akzeptanz des Anwenders bzgl. des Soft-

ware-Tools gefördert (GLUCHOWSKI ET AL., 2008, S. 68).

Ein wesentlicher Teil des Dialogsystems im Excel-Tool zur TRIZ- und szenariobasier-

ten Technologiebewertung stützt sich daher auf eine durchgängige Steuerung über

148 4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

eine standardisierte Navigationsleiste in sämtlichen Tabellenblättern. Diese ermög-

licht das Vor- und Zurückspringen zwischen den jeweiligen Ablaufschritten und die

dauerhafte Möglichkeit zum Rücksprung in das Hauptmenü mit den nötigen Basisin-

formationen sowie der Übersicht über das grundlegende Ablaufmodell. Darüber hin-

aus stellt die Navigationsleiste auch ein VBA-basiertes Buttonfeld zur Verfügung, mit

dem der Anwender die entsprechenden Arbeitsanweisungen für die einzelnen Ab-

laufschritte in einem separaten Fenster öffnen und einsehen kann. Eine solche VBA-

basierte Darstellung der Arbeitsanweisungen ist beispielhaft in Bild 4.27 abgebildet.

Zur Verdeutlichung sind sowohl Buttonfeld als auch Fenster rot gekennzeichnet.

Bild 4.27: Screenshot zur VBA-basierten Darstellung der Arbeitsanweisungen

Neben dieser grundlegenden Hilfestellung zur Visualisierung der Arbeitsanweisun-

gen sind in den einzelnen Tabellenblättern des Excel-Tools zudem noch erweiterte

Hilfsfunktionen hinterlegt, die sich in Form von generellen Hinweisen zur Erleichte-

rung der Anwendung, unterstützenden Kommentarfunktionen sowie einer entspre-

chenden Kennzeichnung der zu befüllenden Zellen niederschlagen. Einen Überblick

über diese zusätzlichen Hilfsfunktionen (rote Kennzeichnung) liefert Bild 4.28. Im ge-

samten Excel-Tool wird zudem auch auf eine einheitliche und signalhafte Farbge-

bung geachtet, die die Orientierung des Anwenders zusätzlich erleichtert. Aus auf-

wandstechnischen Gründen wird allerdings empfohlen, die konkrete Befüllung des

4 TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung 149

Tools auf möglichst einen Hauptanwender zu beschränken und gemäß der spezifi-

schen Hinweise in den einzelnen Ablaufschritten durch fachliche Meinungen von In-

teressensgruppen zu unterstützen. Durch die benutzerfreundliche Gestaltung des

Tools wird jedoch sichergestellt, dass mögliche Anpassungen bzw. Durchsichten

durch Dritte möglichst einfach und nachvollziehbar umgesetzt werden können. Einer

interdisziplinären Anwendung der Bewertungsmethode im Rahmen von Projektgrup-

pen steht daher nichts entgegen.

Bild 4.28: Screenshot zu den erweiterten Hilfsfunktionen

Abschließend kann gesagt werden, dass das vorgestellte Excel-Tool aufgrund der

gezielten Berücksichtigung von zentralen Bestandteilen eines DSS nicht nur auf eine

praktikable, reproduzierbare sowie effiziente Anwendung der TRIZ- und szenarioba-

sierten Technologiebewertung in der Praxis abzielt, sondern vor allem auch auf eine

zusätzliche Vereinfachung von Problemstrukturierung, Problemlösung und Entschei-

dungsprozess im Hinblick auf Technologieentscheidungen in der strategischen Pro-

duktplanung.

150 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

In diesem Kapitel wird die Methode zur TRIZ- und szenariobasierten Technologiebe-

wertung am Beispiel von Frequenzumrichtern der SIEMENS AG angewandt. Vor die-

sem Hintergrund muss zunächst der konkrete Untersuchungshintergrund geklärt

werden. Für ein besseres Verständnis folgt weiterhin auch ein Überblick über den

Aufbau und die prinzipielle Funktionsweise eines Frequenzumrichters. Im Anschluss

werden mit dem erarbeiteten methodischen Konzept neben bewährten insbesondere

neue, alternative Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbindung von

Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern identifiziert und bzgl. ihres künftigen Ein-

satzpotentials bewertet.

5.1 Der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel

5.1.1 Aufbau und Funktionsweise

Im Hinblick auf eine effektive und effiziente Nutzung von Maschinen setzt das indust-

rielle Gewerbe schon seit etwa einem Jahrhundert auf Antriebslösungen mit variabler

Drehzahl (ZVEI, 2013, S. 4). Genügte anfänglich noch eine triviale, grobe Stufenre-

gelung der Drehzahl über einfache Getriebe, erfordern die zunehmende Automatisie-

rung in sämtlichen Bereichen der Industrie sowie die steigenden Energiepreise mitt-

lerweile jedoch deutlich leistungsfähigere und energie- bzw. kostensparendere Lö-

sungen. Frequenzumrichter erfüllen diese Anforderungen, indem sie eine stufenlose

Anpassung von Drehzahl sowie Drehmoment eines gekoppelten Elektromotors er-

möglichen und damit die Antriebsdynamik deutlich erhöhen. Besonders geeignet für

die Koppelung mit einem Frequenzumrichter sind Drehstrommotoren, bei denen die

elektrische Energie direkt vom statischen Teil (Ständer) auf den rotierenden Teil

(Läufer) übertragen werden kann. Im Gegensatz zu Gleichstrommotoren ist bei

Drehstrommotoren kein Stromwenderapparat zur Leistungsübertragung notwendig,

wodurch neben einem hohen Wirkungsgrad auch ein deutlich reduzierter Wartungs-

bzw. Serviceaufwand gewährleistet werden kann. Der Frequenzumrichter, der dem

Motor als elektronisches Stellelement vorgeschaltet ist, dient dann letztendlich der

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 151

Speisung und verlustarmen Drehzahlregelung des Motors durch die Erzeugung eines

frequenzvariablen Drehspannungsnetzes (BROSCH, 2008, S. 4–6).

Die Kombination aus Frequenzumrichter und Drehstrommotor als vielversprechende

Antriebslösung ist mittlerweile in die unterschiedlichsten Einsatzgebiete vorgedrun-

gen (WEIDAUER, 2011, S. 109). Diese reichen von Anwendungen in Pumpen, Lüftern,

Transportsystemen oder Bearbeitungsmaschinen bis hin zu Extrudern, Mischern,

Kränen, Aufzügen oder Textilmaschinen. Für die genannten Einsatzgebiete deckt der

Leistungsbereich von Frequenzumrichtern die Bandbreite zwischen einigen Hundert

Watt bis über 600 Kilowatt nahezu vollständig ab. Frequenzumrichter sind durch die

Einhaltung von Schutz-, Netz-, Bedien- und Service-Standards für einen weltweiten

Einsatz ausgelegt und lassen sich sowohl am Wechsel- als auch Drehspannungssys-

tem betreiben (BROSCH, 2008, S. 14–15). Ferner verfügen sie „über eine große An-

zahl an optionalen Hardwareerweiterungen und Softwarefunktionen. Durch die an-

wendungsspezifische Kombination der verschiedenen Optionen lassen sich Fre-

quenzumrichter an fast alle Anforderungen anpassen“ (WEIDAUER, 2011, S. 109).

Den Frequenzumrichtern liegen grundsätzlich jedoch die gleiche Funktionsweise so-

wie der gleiche Aufbau zugrunde. Bild 5.1 veranschaulicht diesen Aufbau und zeigt,

wie die einzelnen Komponenten eines Umrichter-Systems zusammenwirken. Die

über den Netzanschluss bereitgestellte Dreh-/Wechselspannung wird dabei zunächst

durch einen Gleichrichter in einen Gleichspannungszwischenkreis eingespeist, wo

Kondensatoren die elektrische Energie zwischenspeichern. Leistungshalbleiter wan-

deln in ihrer Funktion als Wechselrichter die Gleichspannung aus dem Zwischenkreis

abschließend in ein in Frequenz und Spannung variables Drehspannungssystem zur

Speisung des Elektromotors. Steuerung und Regelung des Frequenzumrichter-

Betriebs sowie Systemüberwachung erfolgen über eine leistungsunabhängige Steu-

erelektronik, die sich aus digitalen Mikroprozessoren, Signalprozessoren und inte-

grierten Schaltkreisen zusammensetzt und über softwaregestützte Steuereinheiten

betreiben lässt. Je nach Leistungsbereich des Frequenzumrichters müssen die Leis-

tungshalbleiter jedoch entsprechend ihrer charakteristischen Schalteigenschaften

ausgewählt werden (BROSCH, 2008, S. 16–17). In heutigen Frequenzumrichtern

kommen vor diesem Hintergrund neben einfachen Dioden auch wesentlich leistungs-

fähigere Leistungshalbleiter wie Thyristoren oder Leistungstransistoren zum Einsatz.

Bei Leistungstransistoren unterscheidet man zusätzlich noch zwischen Bipolartran-

sistoren (BTRs), Feldeffekttransistoren (FETs) und Insulated-Gate-Bipolar-

transistoren (IGBTs), wobei letztere in heutigen Frequenzumrichtern die gängigste

Lösung darstellen (BROSCH, 2008, S. 18–21; HEUMANN, 1991, S. 17).

152 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Bild 5.1: Standardaufbau eines Frequenzumrichters in Anlehnung an BROSCH, 2008, S. 16;

DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16–17

Die Leistungshalbleiter werden dabei in Modulform verbaut und sind durch Last- und

Steueranschlüsse mit der Außenwelt verbunden (BROSCH, 2008, S. 21). Zum besse-

ren Verständnis zeigt Bild 5.2 den Aufbau eines solchen Moduls mit besagten Last-

und Steueranschlüssen sowie den weiteren Bestandteilen im Querschnitt (MOGLES-

TUE, 2013, S. 77).

Bild 5.2: Querschnitt durch einen Leistungshalbleiter nach MOGLESTUE, 2013, S. 77

Frequenzumrichter

Netz Motor

Steuereinheit

Steuerelektronik

Gleich-

richter(Leistungs-

elektronik)

Wechsel-

richter(Leistungs-

elektronik)

Zwischenkreis(Kondensatoren)

Verbindungstechniken

Kühlsystem

Kühlkörper

Bodenplatte

Keramik

Ge

us

e

Halbleiter-ChipsHalbleiter-Chips

Last- und Steueranschlüsse

elektrische Ankontaktierung innerhalb des Moduls

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 153

Die hohe Wärmeentwicklung führt jedoch dazu, dass Leistungshalbleiter entspre-

chend gekühlt werden müssen. Zu diesem Zwecke werden heutzutage hauptsächlich

metallische Kühlkörper oder Lüfter verwendet (DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16, BROSIUS,

DAHL, EGELKRAUT, GROß, MÄRZ, PFEFFER, REINHARDT, SCHMAUCH & ZEUß, 2009, S. 83–

84). Abschließend sind noch Verbindungstechniken als wesentliche Bestandteile ei-

nes Frequenzumrichters zu nennen. Sie dienen der durchgängigen, elektrischen wie

auch mechanischen Anbindung der einzelnen, elektronischen Komponenten im Um-

richter-System und sind wesentliche Voraussetzungen für eine hohe Lebensdauer

und Zuverlässigkeit des Frequenzumrichters (BEYER, IANCU & MERKEL, 1992, S. 9).

Um diese Zuverlässigkeit sicherzustellen, müssen Verbindungstechniken grundle-

gende, funktionale Anforderungen erfüllen (BEYER ET AL., 1992, S. 36):

elektrische Kontaktgabe bei unterschiedlichen mechanischen und thermi-

schen Belastungen;

mechanische Eigenschaften für sichere Verbindungen;

Robustheit bei unterschiedlichen Einsatzbedingungen.

Im Frequenzumrichter sind typischerweise vier Stellen zu finden, an denen Verbin-

dungstechniken zum Einsatz kommen: Motoranschluss, Netzanschluss, strukturge-

bende Verbindungstechniken im Bauteil (z.B. Leiterplatte) sowie die spezifische An-

bindung der Leistungshalbleiter. Letztere nehmen in diesem Praxisbeispiel die zent-

rale Rolle ein.

5.1.2 Untersuchungshintergrund

Die Umrichtertechnik wird heutzutage durch drei wesentliche Trends geprägt: Steige-

rung der Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability (KRÄUßLICH, 2011, S. 21).

Die SIEMENS AG als einer der führenden Hersteller von Frequenzumrichtern bietet

vor diesem Hintergrund mittlerweile komplette Antriebsfamilien wie bspw. die SINA-

MICS-Familie im Niederspannungs- sowie Mittelspannungsbereich, die ein breites

Leistungsspektrum abdeckt und durch „ein Höchstmaß an Flexibilität, Funktionalität

und Effizienz“ gekennzeichnet ist (SIEMENS AG, 2014, S. 4). Insbesondere die ra-

sante Weiterentwicklung der Leistungselektronik schafft dabei die Basis für flexible

und effiziente Antriebslösungen. Die immer leistungsfähigeren Leistungshalbleiter

ermöglichen in Verbindung „mit der Verkleinerung der Komponenten und der Redu-

zierung der Verlustleistungen“ eine deutliche Erhöhung der Leistungsdichten, Wir-

kungsgrade und somit auch der Energieeffizienz von Frequenzumrichtern (BROSIUS

ET AL., 2009, S. 138).

154 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Speziell die Verbindungstechniken zwischen den Lastanschlüssen der Leistungs-

halbleiter und strukturgebenden Verbindungstechniken wie z.B. der Leiterplatte müs-

sen sich diesen neuen Rahmenbedingungen anpassen und in den vielfältigen Ein-

satzbereichen der Frequenzumrichter eine zuverlässige mechanische wie auch elekt-

rische Verbindung an der Schnittstelle gewährleisten. Neben den hohen elektrischen

und mechanischen Belastungen müssen Verbindungstechniken dabei auch den un-

terschiedlichen Umgebungsbedingungen (Schmutz, Wasser, etc.) sowie der thermi-

schen Belastung standhalten können (HÖRTH & RUHNAU, 2014, S. 1; SCHRÖDER,

2006, S. 772). Gleichzeitig spielt auch das Montageverhalten der Verbindungstechni-

ken eine wichtige Rolle, da es die notwendigen Arbeitsschritte zur Umsetzung einer

zuverlässigen sowie langlebigen Verbindung vorgibt und maßgeblich den Kosten-

und Ressourcenaufwand des Unternehmens für die Produktherstellung bestimmt.

Die klassischen technologischen Lösungen zur spezifischen Anbindung der Leis-

tungshalbleiter wie Schrauben, Löten oder Federkontaktierung sehen sich also mit

großen Herausforderungen konfrontiert und müssen entsprechend weiterentwickelt

oder um neue Alternativen ergänzt werden (BEYER ET AL., 1992, S. 9; SCHRÖDER,

2006, S. 772).

Diese Umstände veranlassen die SIEMENS AG dazu, neben klassischen vor allem

nach neuen, alternativen Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbin-

dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern zu suchen und diese bzgl. ihres

künftigen Einsatzpotentials zu bewerten. Damit soll auf Technologieentscheidungen

hingeführt werden, die es dem Unternehmen bereits frühzeitig ermöglichen, künftige

Umrichterlösungen zukunftssicher zu gestalten.

5.2 Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten Techno-logiebewertung

Vor dem geschilderten Untersuchungshintergrund erfolgt eine Anwendung der TRIZ-

und szenariobasierten Technologiebewertung am Praxisbeispiel von Frequenzum-

richtern der SIEMENS AG. Die hierfür verwendeten, produktspezifischen Informatio-

nen beziehen sich auf Frequenzumrichter aus dem Niederspannungsbereich sowie

einem Leistungsbereich zwischen 250 W und 100 kW innerhalb der SINAMICS-

Familie (SIEMENS AG, 2014, S. 4–5). Der Großteil der Informationen ist auf eine

Eigenrecherche im Unternehmen zurückzuführen, bei der neben den aktuellen Pro-

dukten auch frühere Produktgenerationen inspiziert und zum Teil auch bildlich doku-

mentiert wurden. Um dabei jedoch den Aufwand der Untersuchung in Grenzen zu

halten und gleichzeitig einen einheitlichen Vergleichsmaßstab für die Suche und Be-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 155

wertung von Technologieoptionen innerhalb eines relativ breiten Leistungsbereichs

sicherzustellen, müssen gewisse Verallgemeinerungen hinsichtlich der Betrach-

tungsweise von Technologien getätigt werden. So werden bspw. die je nach Leis-

tungsklasse verschiedenen Schraubentypen zur übergeordneten Technologie

„Schraubverbindung“ zusammengefasst.

Die Anwendung der Methode wird ferner auch durch das in Kapitel 4.3 vorgestellte

Excel-Tool unterstützt. Im Rahmen dieses Praxisbeispiels werden daher immer wie-

der Auszüge aus dem Excel-Tool präsentiert, damit der Untersuchungshergang

leichter nachvollzogen werden kann. Um parallel eine Einsicht der vollständigen Er-

gebnisse zu erhalten, werden gezielte Verweise auf Anhang B dieser Arbeit gege-

ben, der als Orientierungshilfe innerhalb des beigefügten Excel-Tools dient. Neben

spezifischen, technologischen Erkenntnissen im Hinblick auf eine zukunftssichere

Gestaltung künftiger Produktlösungen für Frequenzumrichter der SIEMENS AG las-

sen sich somit auch erste Erkenntnisse über die Praxistauglichkeit der vorgestellten

Methode erlangen. Darüber hinaus kann durch den konkreten Praxisbezug auch das

Methodenverständnis an sich gefördert werden. Die einzelnen Phasen der TRIZ- und

szenariobasierten Technologiebewertung mit ihren jeweiligen Ablaufschritten werden

nachfolgend für dieses Praxisbeispiel durchlaufen und anhand ihrer spezifischen In-

halte beschrieben.

5.2.1 Vorbereitungsphase

In der Vorbereitungsphase zur Festlegung sowie Konkretisierung von Themenbe-

reich und Untersuchungsgegenstand wird anfänglich der konkrete Rahmen für die

nachfolgende Untersuchung festgelegt. Es folgt die systemtechnische Strukturierung

zur Zerlegung des betrachteten Produkts in seine wesentlichen Systemkomponenten

und der Einordnung des spezifischen Suchfelds als solche.

Untersuchungsrahmen

Bereits in Kapitel 5.1 wurde der Frequenzumrichter als Praxisbeispiel vorgestellt und

für ein besseres Verständnis hinsichtlich Aufbau und prinzipieller Funktionsweise nä-

her beschrieben. Auch der konkrete Anlass der SIEMENS AG zur Anwendung der

TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung fand in diesem Kapitel Erwäh-

nung. Somit sind die notwendigen Hintergrundinformationen erfasst und der Unter-

suchungsrahmen kann wie folgt festgelegt werden:

Problemstellung: Verbindungstechniken zur Anbindung der Leistungshalblei-

ter in Frequenzumrichtern müssen sich zukünftig den immer leistungsfähige-

ren Leistungshalbleitern anpassen und sind zudem ein wesentlicher Kosten-

156 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

faktor im Rahmen der industriellen Fertigung bzw. Montage von Frequenzum-

richtern;

Untersuchungsziel: Suche und Bewertung von alternativen Technologien zur

elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Fre-

quenzumrichtern im Hinblick auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung.

Produkt: Frequenzumrichter;

Produktspezifisches Suchfeld: Verbindungstechniken zur spezifischen An-

bindung der Leistungshalbleiter.

Nachdem Problemstellung und Zielsetzung sowie Produkt und Suchfeld entspre-

chend festgelegt sind, kann mit der systemtechnischen Strukturierung fortgefahren

werden.

Systemtechnische Strukturierung

Der Frequenzumrichter gilt aufgrund seines in Kapitel 5.1.1 geschilderten Aufbaus

als sehr komplexes Produkt. Diesem Umstand kann mit der systemtechnischen

Strukturierung Rechnung getragen werden, da sie den Untersuchungsgegenstand in

seine wesentlichen Komponenten zerlegt und eine systemische Betrachtungsweise

schafft. Diese ermöglicht es, Problemstellungen innerhalb eines komplexen Umfelds

zu systematisieren und den Lösungsweg wesentlich zu erleichtern. Gleichzeitig kön-

nen damit auch die funktionalen Zusammenhänge innerhalb des Frequenzumrichters

verdeutlicht werden, die im Hinblick auf die nachfolgenden Untersuchungen nicht

unberücksichtigt bleiben dürfen.

Als produktspezifisches Suchfeld werden die Verbindungstechniken zur Anbindung

der Leistungshalbleiter zu Beginn der systemtechnischen Strukturierung automatisch

als Systemkomponente des Frequenzumrichters auf Subsystemebene eingeordnet

und sind anschließend in ihrer Funktion zu definieren:

Suchfeldfunktion: elektrische und mechanische Verbindung;

Funktionsbeschreibung: elektrische und mechanische Anbindung der Leis-

tungshalbleiter an die strukturgebenden Verbindungstechniken im Bauteil (z.B.

Leiterplatte).

Der Frequenzumrichter, der nach dem in Kapitel 4.2.1 vorgestellten Systemver-

ständnis als das zentrale technische System zu betrachten ist, wird daraufhin be-

schrieben und ebenso hinsichtlich seiner Funktion spezifiziert:

Produktbeschreibung: Frequenzumrichter sind elektronische Geräte ohne

mechanisch bewegte Komponenten. Sie sind einem Elektromotor als elektro-

nisches Stellelement vorgeschaltet und erzeugen ein frequenzvariables Dreh-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 157

spannungsnetz zur stufenlosen und verlustarmen Drehzahlregelung des Mo-

tors. Damit tragen sie entscheidend zur Erhöhung der Antriebsdynamik bei.

Die Kombination aus Frequenzumrichter und Elektromotor ist mittlerweile in

vielen verschiedenen Anwendungsbereichen etabliert;

Produktfunktion: versorgt einen Elektromotor mit variabler Drehspannung;

Funktionsbeschreibung: Die über den Netzanschluss zugeführte Dreh- bzw.

Wechselspannung wird zunächst durch einen Gleichrichter in einen Gleich-

spannungszwischenkreis eingespeist, wo Kondensatoren die elektrische

Energie zwischenspeichern. Die Leistungshalbleiter wandeln in ihrer Funktion

als Wechselrichter die Gleichspannung aus dem Zwischenkreis abschließend

in ein in Frequenz und Spannung variables Drehspannungssystem zur Spei-

sung des Elektromotors um. Die Steuerung und Regelung des Frequenzum-

richter-Betriebs sowie die Systemüberwachung erfolgen über eine leistungs-

unabhängige Steuerelektronik, die sich aus digitalen Mikroprozessoren, Sig-

nalprozessoren wie auch integrierten Schaltkreisen zusammensetzt und über

softwaregestützte Steuereinheiten betreiben lässt.

Mit Hilfe des verfeinerten TESE-Gesetzes zur Vollständigkeit der Systemkomponen-

ten (vgl. Kapitel 4.2.1) werden in der Folge sowohl im Frequenzumrichter selbst als

auch in dessen Umfeld die wesentlichen Komponenten bestimmt, die das funktionale

Fundament eines technischen Systems gemäß der vier Hauptteile (Ausführungsteil,

Übertragungsteil, Energiequelle und Kontrollteil) erfüllen. Jeder dieser Hauptteile

muss dabei durch mindestens eine Komponente repräsentiert werden. Dabei ist zu

beachten, dass die Systemkomponenten auf einer möglichst einheitlichen hierarchi-

schen Ebene bestimmt und somit in ihrer Anzahl entsprechend beherrschbar gehal-

ten werden. Der in Kapitel 5.1.1 beschriebene, prinzipielle Aufbau eines Frequenzu-

mrichters mit seinen wesentlichen Bestandteilen liefert hier bereits konkrete Anhalts-

punkte zur Identifikation der Systemkomponenten. Diese sind lediglich noch hinsicht-

lich Bezeichnung, Teilfunktion und Systemebene zu präzisieren. Analog ist auch der

Elektromotor als zusätzliche Systemkomponente auf Supersystemebene festzule-

gen, da dieser als Zielkomponente des Frequenzumrichters direkt aus der Formulie-

rung der Produktfunktion hervorgeht. Der Vollständigkeit halber werden das festge-

legte Suchfeld und die übrigen identifizierten Systemkomponenten inkl. Bezeichnung,

Hauptteil, Teilfunktion und Systemebene in Tabelle 5.1 zusammengefasst. Der Fre-

quenzumrichter ist somit in seine wesentlichen Systemkomponenten samt Funktio-

nen auf den jeweiligen Systemebenen zerlegt, was Bild 5.3 entsprechend verdeut-

licht. Darunter befindet sich auch das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektri-

schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als zentrales Element

der weiteren Untersuchungen. Die Vorbereitungsphase ist demnach abgeschlossen.

158 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Tabelle 5.1: Zusammenfassung der Systemkomponenten des Frequenzumrichters

Bezeichnung Hauptteil Teilfunktion Systemebene

Leistungshalbleiter Ausführungsteil Umformung elektrischer Energie

Subsystem

Kühlsystem Übertragungsteil Abfuhr von Wärme Subsystem

Steuerelektronik Übertragungsteil Übertragung von Daten und Informationen

Subsystem

Motoranschluss Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung

Subsystem

Netzanschluss Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung

Subsystem

Verbindungstechniken Bauteil

Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung

Subsystem

Verbindungstechniken Leistungshalbleiter

Übertragungsteil elektrische und mechani-sche Verbindung

Subsystem

Kondensator Übertragungsteil Speicherung elektrischer Energie

Subsystem

Stromnetz Energiequelle Bereitstellung elektrischer Energie

Supersystem

Steuereinheit Kontrollteil Steuerung und Regelung des Systemverhaltens

Supersystem

Elektromotor Zielkomponente Umwandlung elektrischer Energie

Supersystem

Bild 5.3: Systemtechnische Strukturierung des Frequenzumrichters im Praxisbeispiel

Steuereinheit

Frequenzumrichter

Komponenten des

Supersystems

Frequenz-

umrichter

Komponenten im

Frequenzumrichter

Stromnetz

Elektromotor

NetzanschlussMotoranschluss

Verbindungstechniken

Bauteil

Kühlsystem

Leistungshalbleiter

Steuerelektronik

Kondensator

Verbindungstechniken

Leistungshalbleiter

Suchfeld im

Frequenzumrichter

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 159

5.2.2 Systemische Exploration

Aufbauend auf die erarbeitete Systemstruktur verbindet die Phase der systemischen

Exploration retro- sowie prospektive Analyseelemente der TRIZ-Methodik und Sze-

nario-Analyse mit dem übergeordneten Ziel, spezifische Entwicklungsszenarien für

das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-

dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern unter dem Einfluss signifikanter

Trends bei Systemkomponenten zu erarbeiten. Mit den Szenarien wird dabei einer-

seits ein möglichst breiter Zukunftsraum für die Weiterentwicklung des Suchfelds

aufgezeigt, der konkrete Signale über signifikante Evolutionslinien bzw. Trends für

Verbindungstechnologien zur Anbindung der Leistungshalbleiter liefert. Andererseits

fließen die Szenarien, die über eine Abschätzung ihrer Eintrittswahrscheinlichkeit

entsprechend gewichtet werden, auch als Teilkriterien zur Bestimmung des Zu-

kunftspotentials in den abschließenden Bewertungsprozess ein.

Gestaltung des Trendmodells

Bei der Gestaltung des Trendmodells werden Produkt, Suchfeld und die weiteren

Systemkomponenten in der in Kapitel 4.2.2 modifizierten Matrix des System Opera-

tors aus unterschiedlichen zeitlichen und räumlichen Perspektiven (Untergliederung

nach Systemebenen sowie Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft) analysiert und

spezifiziert, so dass letztendlich ein ganzheitliches sowie zukunftsorientiertes Ver-

ständnis von Funktionalität und Entwicklung des Frequenzumrichters mit seinen we-

sentlichen Komponenten geschaffen werden kann. Über das Excel-Tool wird dem

Anwender dabei die vorgefertigte Trendmodell-Matrix bereitgestellt, so dass dieser

nur noch die entsprechenden Felder zu befüllen hat.

Um die Trendmodell-Matrix gemäß der Vorgaben aus Kapitel 4.2.2 befüllen zu kön-

nen, müssen charakteristische Informationen über die Gegenwart und Vergangenheit

von Produkt, Suchfeld sowie den weiteren Systemkomponenten gesammelt werden.

Der Fokus liegt hier vor allem auf Informationen über die historische Evolution der für

die wesentlichen Komponenten des Frequenzumrichters eingesetzten technologi-

schen Lösungen. Die Informationsbeschaffung stützt sich dabei hauptsächlich auf

eine unternehmensinterne Erforschung der Produkthistorie (Analyse aktueller Fre-

quenzumrichter der SINAMICS-Familie, Exponate, Produktdokumentationen etc.),

die wiederum um eine gezielte Recherche in fachspezifischer Literatur oder dem In-

ternet ergänzt wird. Gerade letztgenannte Quellen liefern über Fachbücher, Patente

oder Produktwerbung von Wettbewerbern wichtige Informationen jenseits der eige-

nen Unternehmensgrenzen und ermöglichen dadurch einen Blick über den Teller-

rand hinaus.

160 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Ist eine ausreichende Informationsgrundlage geschaffen, kann mit der Beschreibung

von Produkt, Suchfeld und den übrigen Systemkomponenten in der Zeitebene der

Gegenwart begonnen werden. Der Frequenzumrichter ist hier anfänglich einer defini-

torischen Beschreibung zu unterziehen, die im Grunde der Produktbeschreibung aus

der systemtechnischen Strukturierung entspricht. Eine analoge Beschreibung ist in

der Folge auch für das Suchfeld sowie die weiteren Systemkomponenten aus Tabel-

le 5.1 zu tätigen. Darüber hinaus sind die technologischen Lösungen zu benennen,

die gegenwärtig für die einzelnen Systemkomponenten eingesetzt werden. Bild 5.4

zeigt dazu einen Screenshot aus dem Excel-Tool mit einem Ausschnitt der Ergebnis-

se für die Beschreibung der System-Gegenwart. Das Suchfeld wird dabei bspw. als

die elektrische und mechanische Anbindung der Leistungshalbleiter an die struktur-

gebenden Verbindungstechniken im Bauteil definiert. In den untersuchten Produkten

der SIEMENS AG wird dies aktuell mittels Schraubverbindung, Selektiv-Löten oder

Federkontaktierung gelöst. Für eine Einsicht der weiteren Ergebnisse hat man sich

an Anhang B.2.1 zu orientieren.

Bild 5.4: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-Gegenwart

Nun folgt der Blick in die Vergangenheit, bei dem charakteristische Evolutionsstufen

des Frequenzumrichters in dessen Historie zu ermitteln sind. Diese gelten als ein-

schneidende, zeitliche Abschnitte bzw. Meilensteine im Entwicklungsverlauf des Pro-

dukts, die durch grundlegende Veränderungen bei den Systemkomponenten ge-

kennzeichnet sind und das technische System letzten Endes auf einen neuen Stan-

dard gehoben haben. Für eine erleichterte Bestimmung der charakteristischen Evolu-

tionsstufen und ein besseres Verständnis der weiteren Untersuchungen erweist sich

nachfolgend eine kurze Abhandlung der Technikgeschichte des Frequenzumrichters

als sinnvoll.

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 161

Schon in den Anfängen der kommerziellen Nutzung von Elektrizität suchte man nach

Möglichkeiten, elektrischen Strom zu wandeln oder hinsichtlich Spannung und Fre-

quenz zu variieren. Als Vorreiter der Stromrichtertechnik wurden zu diesem Zwecke

zunächst rotierende, mechanische Umformer – bestehend aus einem Motor, einem

Generator und einer Welle – eingesetzt, die aufgrund der hohen mechanischen Be-

lastungen sowie des nicht unerheblichen Wartungsaufwands mit erheblichen Nach-

teilen behaftet waren (MOGLESTUE, 2013, S. 71).

Bedingt durch den weltweiten Vormarsch von großflächigen Energieversorgungsnet-

zen und Elektromotoren in Gewerbe und Industrie führte der Weg zu Beginn des 20.

Jahrhunderts schnell weg von mechanischen Antriebslösungen hin zu elektrischen

Stellgeräten auf Basis von Quecksilberdampfröhren (WEIDAUER, 2011, S. 15). Mit

diesen Dampfröhren konnten Gasentladungsventile realisiert werden, die periodi-

sches Schalten über die elektrische Entladung eines Lichtbogens ermöglichten und

insbesondere zur Umformung von Wechsel- bzw. Drehstrom in regelbaren Gleich-

strom eingesetzt wurden. Dies war quasi die Geburtsstunde der Leistungselektronik

(HEUMANN, 1991, S. 19–20).

In der Folge wurden Quecksilberdampfventile noch bis Mitte der 1960er Jahre in An-

triebslösungen verbaut, bis sie sich letztendlich dem Vormarsch der Leistungshalblei-

ter auf Basis von Silizium-Bauelementen geschlagen geben mussten. Letztere hatten

sich innerhalb weniger Jahre als betriebssichere Lösungen in der elektrischen An-

triebstechnik etabliert und bieten zahlreiche Vorteile. Als solche sind insbesondere

der Verzicht auf giftiges Quecksilber, die höheren Leistungsdichten, die geringeren

Verluste sowie die deutlich kleineren bzw. leichteren Bauformen zu nennen (JÄGER &

STEIN, 2011, S. 13–14; MOGLESTUE, 2013, S. 74).

Durch die 1968 von DANFOSS ersten in Serie gefertigten, leistungselektronischen

Frequenzumrichter auf Basis solcher Leistungshalbleiter begann schließlich das

Zeitalter der stufenlosen sowie verlustarmen Drehzahlregelung von Drehstrommoto-

ren. Die ersten Frequenzumrichter nutzten Thyristoren als Leistungshalbleiter, waren

äußerst sperrig und wurden in Ölbädern gekühlt. Die Steuerung erfolgte über Draht-

brücken (BROSCH, 2009, S. 209; DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16).

Mit dem Verbau von FETs als Leistungshalbleiter mit verbesserten Eigenschaften,

der Kühlung über Kühlkörper und Lüfter sowie dem Einsatz von speicherprogram-

mierbaren Steuerungen konnte Mitte der 1970er Jahre eine neue Generation von

Frequenzumrichtern eingeleitet werden (HEUMANN, 1991, S. 18; DÜRRSCHMIDT, 2007,

S. 16).

162 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Im Laufe der 1980er Jahre ging man vollends zur digitalen Steuerung über integrierte

Schaltkreise, Mikroprozessoren und umfangreiche Software über. In Verbindung mit

neu entwickelten und wesentlich leistungsfähigeren Leistungshalbleitern (GTO-

Thyristoren, IGCTs, IGBTs) konnten außerdem die Bauformen der Frequenzumrich-

ter weiter verkleinert und eine Vielzahl von neuen Anwendungsgebieten erschlossen

werden (DÜRRSCHMIDT, 2007, S. 16–17; HEUMANN, 1991, S. 18–20; MOGLESTUE,

2013, S. 75–78).

Die aktuelle Generation der Frequenzumrichter im 21. Jahrhundert ist vor allem

durch kompakte und modulare Lösungen geprägt, die aufgrund der Fortschritte im

Bereich der Mikroelektronik sowie Steuerungs- und Regelungstechnik immer intelli-

genter werden und sich auch dezentral steuern lassen. Darüber hinaus ist der Fort-

schritt im Bereich der Leistungshalbleiter durch die Schlagworte Leistungsdichte,

System-Integration, Zuverlässigkeit und Energieeffizienz geprägt (DÜRRSCHMIDT,

2007, S. 17; MERTENS, 2006, S. 6–10).

Lässt man die Vorstufen der leistungselektronischen Frequenzumrichter (rotierende

Umformer, Quecksilberdampfventile) außer Acht, ergeben sich aus der Abhandlung

der Technikgeschichte letztendlich vier charakteristische Evolutionsstufen zur Be-

schreibung der System-Historie in der Trendmodell-Matrix. Diese Evolutionsstufen

müssen jedoch noch entsprechend spezifiziert werden. Angelehnt an die Technikge-

schichte ist dabei der Produktfortschritt in den einzelnen Evolutionsstufen des Fre-

quenzumrichters anhand charakteristischer Merkmale zu beschreiben. Anschließend

werden für das Suchfeld der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechani-

schen Anbindung der Leistungshalbleiter sowie für die weiteren Systemkomponenten

die konkreten technologischen Lösungen benannt, die in den einzelnen Evolutions-

stufen eingesetzt wurden. Weiterhin ist der Komponentenfortschritt anhand charakte-

ristischer Merkmale zu beschreiben, die sich durch verbesserte bzw. neue technolo-

gische Lösungen weiterentwickelt haben. Bild 5.5 liefert vor diesem Hintergrund ei-

nen Auszug der Ergebnisse zur Beschreibung der System-Historie im Rahmen die-

ses Praxisbeispiels.

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 163

Bild 5.5: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Beschreibung der System-Historie

Insgesamt wird deutlich, dass die Verbindungstechniken zur elektrischen und me-

chanischen Anbindung der Leistungshalbleiter im Suchfeld mit dem stetigen Fort-

schritt im Bereich der Leistungselektronik Schritt halten und sich den veränderten

Anforderungen entsprechend anpassen mussten. Genügten neben klassischen

Schraub- anfänglich auch konventionelle Löt- oder Kabelverbindungen zur Anbin-

dung der Thyristoren und FETs, mussten die technologischen Lösungen – bedingt

durch die Einführung von immer leistungsfähigeren Leistungshalbleitern mit kompak-

teren Bauformen ab Mitte der 1980er Jahre – in der Folge gezielt weiterentwickelt

und um neue Alternativen wie bspw. das Selektiv-Löten oder die Federkontaktierung

ergänzt werden. Neben einer Erhöhung der Zuverlässigkeit und Lebensdauer der

Verbindungen rückte dabei auch verstärkt die Reduktion von Montageaufwand, -

kosten und -zeit in den Vordergrund (BEYER ET AL., 1992, S. 9). Der beschriebene

Fortschritt im Bereich der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen

Anbindung von Leistungshalbleitern entlang der Historie der Frequenzumrichter wird

anhand bildlich dokumentierter Beispiele aus der Eigenrecherche bei der SIEMENS

AG in Bild 5.6 abschließend noch einmal verdeutlicht. Die vollständigen Ergebnisse

zur Historie der übrigen Systemkomponenten sind wiederum dem beigefügten Excel-

Tool über eine entsprechende Orientierung an Anhang B.2.1 zu entnehmen.

164 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Bild 5.6: Historische Entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen

Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern (Bildquellen: FLORIAN HEID)

Nachdem nun Gegenwart und Historie des Frequenzumrichters nach dem implemen-

tierten Systemverständnis umfassend beschrieben sind, folgt der Ausblick in die Zu-

kunft zur Vervollständigung der Trendmodell-Matrix. Gestützt durch erste Hinweise

über künftige Entwicklungsrichtungen in der Umrichtertechnik, die sich in Kapitel

5.1.2 und im Rahmen der Informationsbeschaffung in diesem Kapitel bereits heraus-

kristallisiert haben, sowie den erarbeiteten Entwicklungsverläufen von Produkt und

Systemkomponenten ist zunächst auf mögliche Weiterentwicklungen der technologi-

schen Lösungen in der Zukunft zu schließen. Nach dem Prinzip der Evidenz (vgl.

Kapitel 4.2.2) werden die identifizierten Fortschritte von Komponentenmerkmalen aus

den einzelnen Evolutionsstufen anschließend zu signifikanten Trends (Systemtrends)

innerhalb der einzelnen Systemkomponenten verdichtet. In beiden Fällen unterstützt

eine produktspezifische Analyse bzw. Projektion der erweiterten TESE (vgl. An-

hang A). Gestützt auf den TESE-Trend „zunehmende Kontrollierbarkeit“ (verbesserte

Steuerbarkeit der Systemkomponenten im Lauf der Zeit) kann für die Systemkompo-

1970er Jahre:

Anbindung der Leistungshalbleiter über Kabel- sowie

Schraubverbindungen und konventionelles Löten

Heute:

Anbindung der Leistungshalbleiter über Selektiv-Löten,

Schraubverbindungen und Federkontaktierung (v. l. n. r.)

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 165

nente der Leistungshalbleiter bspw. auf den Systemtrend „Verbesserung des Steue-

rungsverhaltens“ geschlossen werden. Analog hierzu lassen sich noch weitere evi-

dente Trends im System aufdecken und zusätzliche Ideen für künftige Weiterentwick-

lungen ableiten. Schließlich ist in Bild 5.7 ein Ausschnitt der wesentlichen Erkennt-

nisse zum Ausblick in die Zukunft abgebildet. Die übrigen Erkenntnisse können über

eine entsprechende Orientierung an Anhang B.2.1 im beigefügten Excel-Tool nach-

vollzogen werden.

Bild 5.7: Screenshot aus dem Excel-Tool zum Ausblick in die Zukunft

Aus dem nun vollständigen Trendmodell geht letzten Endes hervor, dass die Zukunft

des Frequenzumrichters durch einschneidende Entwicklungen gekennzeichnet ist.

Neben der fortwährenden Optimierung von Leistungsdichte und Energieeffizienz

durch immer kompaktere, leistungsfähigere sowie verlustarme Leistungskomponen-

ten sind hier insbesondere auch drastische Fortschritte im Bereich der System-

Integration (verstärkte Integration der Systemkomponenten) zu erwarten, die hochin-

telligente, dezentrale Antriebslösungen ermöglicht und somit den Weg in attraktive,

neue Anwendungsgebiete wie bspw. die Automobilindustrie oder die Energieversor-

gung durch erneuerbare Energien ebnet. Speziell für das Suchfeld der Verbindungs-

techniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als

Dreh- und Angelpunkt dieses Praxisbeispiels lassen sich für die Zukunft folgende

Schlüsse ziehen:

Signifikante Trends: Verbesserung der elektrischen Verbindung, Verbesse-

rung der mechanischen Verbindung, Verbesserung der thermischen Bestän-

digkeit, Verbesserung der Stromfestigkeit, Optimierung der Materialien;

Mögliche Weiterentwicklungen: Integration der Leistungshalbleiter in die

Leiterplatte.

166 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Zusätzlich zu den fünf im Suchfeld identifizierten Trends zeichnen sich innerhalb der

übrigen Systemkomponenten 52 weitere Systemtrends ab, die letztendlich die Roh-

fassungen der Systemdeskriptoren bei der anschließenden Erstellung des Szenario-

felds bilden. Darüber hinaus liefern die gewonnenen Erkenntnisse über mögliche

Weiterentwicklungen von Produkt und Systemkomponenten bereits potentielle Anre-

gungen für die spätere Erstellung von Zukunftsprojektionen sowie erste Hinweise auf

neue technologische Lösungen.

Erstellung des Szenariofelds

Mit den im Trendmodell identifizierten Systemtrends ist ein Großteil der möglichen

Einflussgrößen im Szenariofeld bereits abgedeckt. Die Systemtrends liefern dabei

Hinweise über sich verändernde Parameter im technischen System des Frequenz-

umrichters, die wesentlichen Einfluss auf dessen zukünftige Entwicklung nehmen.

Sie werden daher zu Systemdeskriptoren abstrahiert. Zur Vervollständigung des

Szenariofelds müssen jedoch auch potentielle Einflussgrößen aus nicht direkt beein-

flussbaren Bereichen wie Markt, Politik, Gesellschaft oder Umwelt in die Untersu-

chung miteinbezogen werden. Diese Einflussgrößen werden nachfolgend als Um-

felddeskriptoren festgelegt.

Um der diskontinuierlichen Natur von Trends (vgl. Kapitel 4.2.2) nachzukommen und

gleichzeitig auch die Nachvollziehbarkeit bzw. Übersichtlichkeit während der weiteren

Untersuchungen zu wahren, werden die 57 identifizierten Systemtrends des Fre-

quenzumrichters auf ihren Kernaspekt reduziert und zu präzisen, allgemein formulier-

ten Systemdeskriptoren der einzelnen Systemkomponenten abstrahiert. Bild 5.8 zeigt

vor diesem Hintergrund einen Auszug der abstrahierten Systemdeskriptoren aus

dem Excel-Tool. Der Systemtrend „Verbesserung der elektrischen Verbindung“ wird

hier z.B. zum allgemeinen Systemdeskriptor „elektrische Verbindung“. Als Orientie-

rungshilfe für den Anwender bei den weiteren Untersuchungen werden jedem Sys-

temdeskriptor ferner auch ein spezifisches Kürzel sowie die entsprechende System-

komponente zugeordnet, der der Deskriptor entstammt.

Schließlich sind noch Umfelddeskriptoren aus den Einflussbereichen Markt, Politik,

Gesellschaft und Umwelt festzulegen, die durch einen potentiellen Einfluss auf die

künftige Weiterentwicklung des Frequenzumrichters gekennzeichnet sind. Wie in Ka-

pitel 4.2.2 bereits erwähnt, bietet sich insbesondere einschlägige Trendliteratur als

fundierte Quelle zur Bestimmung solcher Umfelddeskriptoren an. Speziell für die Be-

reiche Gesellschaft & Umwelt liefert das WOIS-Institut wichtige Hinweise – insbeson-

dere über Trends gesellschaftlicher Bedürfnisse, Werte und Ressourcen (ADUNKA,

2012, S. 65–66). Wesentliche Trends aus den Bereichen Markt & Politik konnten da-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 167

gegen bereits bei der Schilderung des Untersuchungshintergrunds sowie der Tech-

nikgeschichte des Frequenzumrichters aufgedeckt werden (vgl. Kapitel 5.1.2 &

5.2.2). Diese spezifischen Trends sind wiederum den dazugehörigen Einflussberei-

chen zuzuordnen und in allgemeine Deskriptoren zu überführen, die Bild 5.9 zusam-

menfassend darstellt. Beispiele für relevante Deskriptoren aus den Bereichen Markt

& Politik sind Energieeffizienz, Usability oder Modularität, während für die Bereiche

Gesellschaft & Umwelt eher Aspekte wie Sicherheit, Komfort oder Umweltbewusst-

sein von Bedeutung sind.

Bild 5.8: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Systemdeskriptoren

Nachdem die System- und Umfelddeskriptoren entsprechend festgelegt sind, ist das

Szenariofeld als Grundlage für die weiteren Analyseschritte in der Phase der syste-

mischen Exploration fertiggestellt. Insgesamt fließen dabei 66 Deskriptoren in die

nachfolgende Einflussanalyse ein. Die vollständige Auflistung aller Deskriptoren mit

den jeweiligen Kürzeln und dazugehörigen Einflussbereichen bzw. Systemkompo-

nenten ist über eine Orientierung an Anhang B.2.2 dem beigefügten Excel-Tool zu

entnehmen.

168 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Bild 5.9: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Bestimmung der Umfelddeskriptoren

Einflussanalyse

Mit Hilfe der Einflussanalyse werden aus dem Pool an 66 Deskriptoren nun diejeni-

gen Schlüsseldeskriptoren identifiziert, die sich am stärksten auf die künftige Weiter-

entwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-

dung der Leistungshalbleiter auswirken. Diese Schlüsseldeskriptoren bilden die Ba-

sis für die anschließende Erstellung der Zukunftsprojektionen sowie die Bildung der

suchfeldspezifischen Szenarien zum Abschluss der systemischen Exploration.

In einer nach den Vorgaben aus Kapitel 4.2.2 aufgebauten Einflussmatrix, die das

Excel-Tool zur Befüllung bereitstellt, werden die festgelegten System- und Umfeld-

deskriptoren zusammen mit den korrespondierenden Systemkomponenten bzw. Ein-

flussbereichen gegenübergestellt und einer paarweisen Einflussbewertung unterzo-

gen. Anhand eines vorgegeben Bewertungsmaßstabs (von „0“ für keinen Einfluss bis

„3“ für starken Einfluss) erfolgt für jedes mögliche Deskriptoren-Paar eine Abschät-

zung, wie stark sich eine Veränderung des Deskriptors der Zeile auf den Deskriptor

der Spalte auswirkt. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 5.10 einen Teil der fertigen Ein-

flussmatrix aus dem Excel-Tool. Darin wird z.B. der Einfluss des Steuerungsverhal-

tens eines Leistungshalbleiters auf das Material der Verbindungstechniken zur

elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter als nicht existent

(„0“) eingestuft, da die Steueranschlüsse eines Leistungshalbleiters separat und un-

abhängig zu dessen elektrischer sowie mechanischer Anbindung verlaufen. Aufgrund

des begrenzten Zeitumfangs im Rahmen dieser Masterarbeit muss in dem vorgestell-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 169

ten Praxisbeispiel jedoch auf diverse Fachmeinungen zur Unterstützung der Ein-

flussbewertung verzichtet werden. Die entsprechenden Bewertungen basieren dem-

zufolge auf den subjektiven Einschätzungen des Anwenders nach bestmöglichem

Sachverstand.

Bild 5.10: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Einflussanalyse

Nach vollständiger Befüllung der Einflussmatrix werden die in Kapitel 4.2.2 ange-

passten Kennzahlen einer Einflussanalyse (Aktivsumme, Passivsumme, Wirkungs-

summe, Impuls-Index, Dynamik-Index) automatisch durch das Excel-Tool berechnet.

Die Kennzahlen ermöglichen nun eine Klassifizierung sämtlicher Deskriptoren hin-

sichtlich ihrer Bedeutung für die Untersuchung und liefern zudem wichtige Hinweise

für die anschließende Erstellung von Zukunftsprojektionen. Das relevante Kriterium

für die Auswahl der Schlüsseldeskriptoren ist die Wirkungssumme, die das Einfluss-

maß eines Deskriptors auf die Weiterentwicklung des Suchfelds beschreibt. Auf Ba-

sis der Ergebnisse aus der Kennzahlenberechnung sind demzufolge die zehn

Schlüsseldeskriptoren mit den höchsten Wirkungssummen auszuwählen. Diese wer-

den für eine erleichterte Auswahl automatisch vom Excel-Tool farblich unterlegt. Bild

5.11 liefert hierzu einen Auszug der berechneten Kennzahlen für die Deskriptoren in

diesem Praxisbeispiel. Die Schlüsseldeskriptoren sind dementsprechend farblich ge-

kennzeichnet.

170 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Bild 5.11: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Berechnung der charakteristischen Kennzahlen einer

Einflussanalyse

Die vollständige Einflussmatrix, die sich aufgrund der Vielzahl von berücksichtigten

Deskriptoren als äußerst umfangreich erweist, kann zusammen mit den berechneten

Kennzahlen gemäß Anhang B.2.3 im beigefügten Excel-Tool nachvollzogen werden.

Die zehn finalen Schlüsseldeskriptoren mit dem größten Einfluss auf die Weiterent-

wicklung des Suchfelds werden jedoch abschließend in Tabelle 5.2 zusammenge-

fasst und den entsprechenden Systemkomponenten bzw. Einflussbereichen zuge-

ordnet.

Tabelle 5.2: Zusammenfassung der Schlüsseldeskriptoren mit dem größten Einfluss auf die Weiter-entwicklung des Suchfelds

Rang Deskriptor Systemkomponente bzw. Einflussbereich

1 Zuverlässigkeit Markt & Politik

2 Material Verbindungstechniken Leistungshalbleiter

3 Stromfestigkeit Verbindungstechniken Leistungshalbleiter

4 mechanische Verbindung Verbindungstechniken Bauteil

5 Material Verbindungstechniken Bauteil

6 elektrische Verbindung Verbindungstechniken Leistungshalbleiter

7 elektrische Leitfähigkeit Leistungshalbleiter

8 thermische Leitfähigkeit Leistungshalbleiter

9 Wärmeleitfähigkeit Kühlsystem

10 elektrische Verbindung Verbindungstechniken Bauteil

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 171

Die Grundbausteine zur Erstellung der Zukunftsprojektionen und zur Bildung der

suchfeldspezifischen Szenarien sind damit bestimmt. Hier wird deutlich, dass die

künftige Weiterentwicklung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechani-

schen Anbindung der Leistungshalbleiter hauptsächlich durch Systemdeskriptoren

geprägt wird. Diese beziehen sich entweder auf den Fortschritt von suchfeldinternen

Komponentenmerkmalen wie bspw. Stromfestigkeit, Materialien und die elektrische

Verbindung oder auf Merkmale von Systemkomponenten, die mit den Verbindungs-

techniken in engem Kontakt stehen (Verbindungstechniken Bauteil, Leistungshalblei-

ter, Kühlsystem). Lediglich die Forderung nach Zuverlässigkeit seitens Markt & Politik

ist durch einen noch stärkeren Einfluss auf das Suchfeld gekennzeichnet.

Erstellung von Zukunftsprojektionen

Der Blick richtet sich nun konkret in die Zukunft. Für die zehn Schlüsseldeskriptoren

werden zunächst verschiedenartige Entwicklungsrichtungen erarbeitet und anschlie-

ßend zu konkreten Zukunftsprojektionen gebündelt. Da mit den fertigen Szenarien

ein möglichst weit gefasster Zukunftsraum abgesteckt werden soll, sind neben nahe-

liegenden auch extremere Entwicklungsmöglichkeiten zu berücksichtigen. Auf kreati-

vem Weg wird die Erarbeitung der Entwicklungsrichtungen dabei durch die mögli-

chen Weiterentwicklungen der Systemkomponenten aus dem Trendmodell angeregt.

Eine eher analytische Hilfe liefern dagegen die berechneten Kennzahlen aus der Ein-

flussanalyse. Eine hohe Passivsumme bei einem Schlüsseldeskriptor signalisiert

bspw. eine hohe Beeinflussung durch andere Deskriptoren, die dann gegebenenfalls

gezielt als Umgebungseinflüsse in die Zukunftsprojektion einbezogen werden kön-

nen. Ferner muss für die Erstellung von Zukunftsprojektionen auch ein einheitlicher

und dem Untersuchungsrahmen entsprechender Zeithorizont festgelegt werden, auf

den die potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten ausgerichtet sind. Speziell für dieses

Praxisbeispiel beschränkt sich dieser Zeithorizont grob auf die nächsten drei Jahre,

damit einerseits der hohen Dynamik in der Umrichtertechnik (rascher Wandel durch

wachsende globale Märkte, neue potentielle Anwendungsgebiete und veränderte

Anforderungen) und andererseits auch einer möglichst zeitnahen Umsetzung zu-

kunftssicherer Technologien in künftigen Produktlösungen Rechnung getragen wer-

den kann (KRÄUßLICH, 2011, S. 21).

Die Prognostik der zehn Schlüsseldeskriptoren in diesem Praxisbeispiel stützt sich in

der Folge auf die in Kapitel 4.2.2 aufgezeigten Hilfestellungen bzw. Projektionshin-

weise. Es muss dabei jedoch nicht zwangsweise für jeden Projektionshinweis auch

eine spezifische Projektion erarbeitet werden. Dennoch erhöhen viele verschiedene

Projektionen pro Schlüsseldeskriptor die Chancen, einen möglichst universellen Zu-

kunftsraum zu beschreiben. Bild 5.12 zeigt dazu einen Ausschnitt der erarbeiteten,

172 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

potentiellen Projektionen für die Schlüsseldeskriptoren aus dem Excel-Tool. Darin ist

die Zukunft des Schlüsseldeskriptors „Zuverlässigkeit“ aus dem Einflussbereich

„Markt & Politik“ bspw. durch drei potentielle Projektionen beschrieben:

Fortschreibung der aktuellen Entwicklung: Der Markt fordert weiterhin im-

mer zuverlässigere Frequenzumrichter mit höheren Lebensdauern.

Beschleunigung der aktuellen Entwicklung: Die Forderung nach immer zu-

verlässigeren Frequenzumrichtern wird durch die Erschließung neuer Anwen-

dungsgebiete bzw. Märkte forciert.

Gezielte Einbeziehung von Umgebungseinflüssen: Das zunehmende Be-

dürfnis der Gesellschaft nach Sicherheit führt zu strengen, gesetzlichen Regu-

larien für Zuverlässigkeitsgrößen in Frequenzumrichtern (gezielte Einbezie-

hung des Deskriptors „Sicherheit“ aus dem Bereich „Gesellschaft & Umwelt“,

der ein hohes Einflussmaß auf den Schlüsseldeskriptor „Zuverlässigkeit“ hat).

Bild 5.12: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Erstellung potentieller Projektionen für die Schlüssel-

deskriptoren

Bei diesem Schritt entstehen häufig ähnliche Projektionen, die im Sinne einer strin-

genten und im Aufwand beherrschbaren Untersuchung zu je zwei charakteristischen

Zukunftsprojektionen zu bündeln sind. Dieser Umstand lässt sich sehr gut an dem

eben genannten Beispiel verdeutlichen. Dabei ähneln sich insbesondere die ersten

beiden Projektionen, bei denen Zuverlässigkeit immer mehr zu einem wichtigen

Wettbewerbsfaktor wird. Die letzte Projektion beschreibt dagegen eine völlig andere

Entwicklungsrichtung. Somit können die potentiellen Projektionen letztendlich zu

zwei konkreten Zukunftsprojektionen gebündelt werden, die aus Gründen der Nach-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 173

vollziehbarkeit bzw. eines besseren Verständnisses schließlich mit einer prägnanten

Kurzbezeichnung zu versehen und präzise sowie ausführlich zu beschreiben sind:

Zuverlässigkeit als wesentlicher Wettbewerbsfaktor: Zuverlässigkeit, die

sich bspw. über die Lebensdauer, Funktionserfüllung, Sicherheit, Instandhalt-

barkeit eines technischen Systems definiert, wird ein immer wichtigerer Wett-

bewerbsfaktor auf den Märkten. Unternehmen sind demnach dazu angehal-

ten, die Beschaffenheit der Produktkomponenten so zu verbessern, dass eine

hohe Lebensdauer, zuverlässige Funktionserfüllung sowie sichere Anwen-

dung bzw. Instandhaltung gewährleistet werden kann.

Strenge, gesetzliche Regularien für Zuverlässigkeitsgrößen: Das Bedürf-

nis der Gesellschaft nach Sicherheit steigt stetig an und rückt auch rechtlich

immer mehr in den Vordergrund. Staatliche Institutionen bestimmen daher

strenge, rechtlich festgelegte Grenzwerte für Zuverlässigkeitsgrößen, die Un-

ternehmen im Rahmen der Produktentwicklung strikt einhalten müssen.

Dadurch verschärfen sich einerseits der Wettbewerb auf dem Markt und ande-

rerseits auch der Druck auf die Forschung und Entwicklung zur Findung neuer

Lösungen.

Für die übrigen Schlüsseldeskriptoren in diesem Praxisbeispiel ist analog zu verfah-

ren. Als Orientierungshilfe weist das Excel-Tool auch hier den jeweiligen Zu-

kunftsprojektionen ein spezifisches Kürzel und den entsprechenden Deskriptor sowie

Systemkomponente bzw. Einflussbereich zu. Die ausführliche sowie vollständige Er-

stellung der insgesamt 20 charakteristischen Zukunftsprojektionen für die zehn

Schlüsseldeskriptoren dieses Praxisbeispiels kann über Anhang B.2.4 im beigefüg-

ten Excel-Tool eingesehen und nachempfunden werden. Die erarbeiteten Zu-

kunftsprojektionen bilden in der Folge die wesentlichen Eckpfeiler bei der Bildung der

suchfeldspezifischen Szenarien.

Szenariobildung

Am Ende der systemischen Exploration steht die Bildung der drei suchfeldspezifi-

schen Szenarien, die den Zukunftsraum der Verbindungstechniken zur elektrischen

und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter aufspannen. Mittels einer

Konsistenzanalyse werden dabei konsistente Bündel aus je einer Zukunftsprojektion

pro Schlüsseldeskriptor gebildet und über eine steckbriefartige Beschreibung zu

schlüssigen Szenarien ausgearbeitet.

In einer über das Excel-Tool bereitgestellten Konsistenzmatrix, deren Aufbau der

Schilderung aus Kapitel 4.2.2 entspricht, ist zunächst die Verträglichkeit der Zu-

kunftsprojektionen untereinander zu analysieren. Dabei werden die Zukunftsprojekti-

174 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

onen der einzelnen Schlüsseldeskriptoren zusammen mit den dazugehörigen Sys-

temkomponenten bzw. Einflussbereichen in den Zeilen und Spalten der Matrix ge-

genübergestellt. Es folgt eine paarweise Konsistenzbewertung sämtlicher Projekti-

onspaare, die sich auf eine subjektive Abschätzung der gegenseitigen Verträglichkeit

anhand eines vorgegebenen Maßstabs stützt (von „1“ für absolut inkonsistent bis „5“

für stark begünstigend). Das Excel-Tool ermöglicht hier eine automatische Kenn-

zeichnung von konsistenten und inkonsistenten Projektionspaaren mit grüner bzw.

roter Farbe, so dass dem Anwender die nachfolgende Sichtprüfung für die Auswahl

konsistenter Projektionsbündel erleichtert wird. Zur Verdeutlichung zeigt Bild 5.13

einen Ausschnitt der fertig befüllten Konsistenzmatrix aus dem Excel-Tool, in der die

Schlüsseldeskriptoren dieses Praxisbeispiels auf Konsistenz geprüft werden.

Bild 5.13: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Konsistenzanalyse

Während sich darin z.B. die Zukunftsprojektionen „Fokus auf Materialforschung“ bei

den Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leis-

tungshalbleiter sowie „Fokus auf Materialforschung“ bei den strukturgebende Verbin-

dungstechniken im Bauteil stark begünstigen, sind die Zukunftsprojektionen „Errei-

chung der Materialgrenzen“ bei den strukturgebenden Verbindungstechniken im Bau-

teil und „Fokus auf Materialforschung“ bei den Verbindungstechniken zur elektri-

schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter absolut inkonsistent.

Dies liegt daran, dass sich Erkenntnisse bzw. Grenzen im Bereich der Materialfor-

schung grundsätzlich auf beide Systemkomponenten zugleich auswirken. Die letzt-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 175

genannten Zukunftsprojektionen dürfen demnach nicht zusammen in einem Projekti-

onsbündel vorkommen.

Über eine Sichtprüfung der Konsistenzmatrix und unterstützt durch die automatische

Kennzeichnung von konsistenten Projektionspaaren müssen nun drei konsistente

Projektionsbündel mit je einer Zukunftsprojektion pro Schlüsseldeskriptor als Rohfas-

sungen der suchfeldspezifischen Szenarien gebildet werden. Damit dabei auch ein

möglichst breiter Zukunftsraum für die Verbindungstechniken zur elektrischen und

mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter aufgespannt werden kann, wird

sich an die in Kapitel 4.2.2 vorgestellten Ausprägungsmöglichkeiten bzw. Orientie-

rungshilfen zur Szenariobildung gehalten, die die Ausarbeitung eines nüchternen,

eines positiven sowie eines negativen Szenarios empfehlen. Gerade durch beson-

ders positiv oder negativ ausgeprägte Szenarien kann auf Eventualitäten bzw. Bege-

benheiten aufmerksam gemacht werden, die Unternehmen im Tagesgeschäft norma-

lerweise nicht auf dem Radar haben. Die in diesem Praxisbeispiel ausgewählten Pro-

jektionsbündel als Rohfassungen der suchfeldspezifischen Szenarien decken genau

diese drei geschilderten Ausprägungsmöglichkeiten ab:

Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario I: Das erste Projektions-

bündel setzt sich verstärkt aus denjenigen Zukunftsprojektionen zusammen,

die zu äußerst positiven Entwicklungen führen und der SIEMENS AG neue

Handlungsmöglichkeiten eröffnen. Hier steht vor allem die Entwicklung einer

hybridartigen Leiterplatte im Vordergrund, die eine direkte Integration der Leis-

tungshalbleiter im Rahmen der Leiterplattenherstellung ermöglicht.

Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario II: Das zweite Projekti-

onsbündel ist dagegen nüchtern ausgeprägt und hält sich gemeinhin an Zu-

kunftsprojektionen, die die aktuelle Entwicklung der Schlüsseldeskriptoren

fortschreiben. Der Fokus liegt hier weiterhin auf einer schrittweisen Optimie-

rung der Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-

dung der Leistungshalbleiter durch neue bzw. verbesserte Materialien oder

Wirkprinzipien.

Ausprägung von suchfeldspezifischem Szenario III: Aus eher negativ aus-

geprägten Zukunftsprojektionen setzt sich dagegen das letzte Projektionsbün-

del zusammen, das der SIEMENS AG mögliche Gefahren aufzeigen und zu

entsprechenden Gegenmaßnahmen anregen soll. Darin werden die Leis-

tungsgrenzen von Materialien in naher Zukunft weitestgehend ausgeschöpft

sein, weshalb man sich bei der Optimierung der Verbindungstechniken ver-

stärkt auf neue Wirkprinzipien konzentrieren muss, die gezielt auch aus auf-

176 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

strebenden oder auf den ersten Blick zweckfremden Wissenschaftsgebieten

entstammen können.

Zur Fertigstellung der suchfeldspezifischen Szenarien sind die vorgestellten Ausprä-

gungen abschließend noch in den in Kapitel 4.2.2 vorgestellten Steckbriefen zu be-

schreiben. Diese werden dem Anwender automatisch über das Excel-Tool bereitge-

stellt und sind nur noch hinsichtlich der geforderten Informationsbausteine zu befül-

len. Die Informationsbausteine setzen sich dabei aus einer präzisen, nachvollziehba-

ren Szenariobeschreibung auf Basis der Textbausteine aus den Zukunftsprojektio-

nen, einer konkreten Forderung an die Technologieentwicklung im Suchfeld, einer

Zusammenfassung von damit verbundenen Chancen und Risiken für die SIEMENS

AG sowie einer subjektiven Einschätzung der prozentualen Eintrittswahrscheinlich-

keit des Szenarios zusammen. Bild 5.14 zeigt vor diesem Hintergrund beispielhaft

den fertigen Steckbrief zur Beschreibung von suchfeldspezifischem Szenario I aus

dem Excel-Tool.

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 177

Bild 5.14: Screenshot aus dem Excel-Tool zur steckbriefartigen Beschreibung von suchfeldspezifi-

schem Szenario I

178 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Die vollständigen Ergebnisse zur Konsistenzanalyse sowie zur Zusammensetzung

und Beschreibung der übrigen suchfeldspezifischen Szenarien können über An-

hang B.2.5 im beigefügten Excel-Tool nachvollzogen werden. Das vermittelte Sys-

temverständnis sowie die erarbeiteten Entwicklungsszenarien für die Verbindungs-

techniken zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter im

Rahmen der systemischen Exploration liefern letztendlich wesentliche Erkenntnisse

für die beiden letzten Phasen der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewer-

tung. Neben dem Zukunftsraum, der sich aus den drei über die Eintrittswahrschein-

lichkeiten gewichteten Szenarien zusammensetzt und dessen Erfüllungsgrad als

Teilkriterium für die Bestimmung des Zukunftspotentials in die abschließende Tech-

nologiebewertung einfließt, sind hier vor allem technologiespezifische Entwicklungs-

richtungen zu nennen, die sich aus den szenariospezifischen Forderungen an die

Technologieentwicklung im Suchfeld ergeben und wichtige Hinweise für die Identifi-

kation von neuen technologischen Lösungen liefern. Diese Entwicklungsrichtungen

lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario I: Szenario I

fordert Konzepte zur Entwicklung eines Systems zur Einbettung der Leis-

tungshalbleiter in die Leiterplatte sowie zur Sicherstellung einer zuverlässigen

und leistungsfähigen elektrischen Verbindung mit dem nötigen Wärmema-

nagement.

Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario II: Szenario

II fordert Verbindungstechnologien auf Basis neuer bzw. verbesserter Materia-

lien oder Wirkprinzipien zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Strom-

festigkeit und thermischen Beständigkeit.

Entwicklungsrichtungen aus suchfeldspezifischem Szenario III: Szenario

III fordert Verbindungstechnologien auf Basis neuer bzw. verbesserter Wirk-

prinzipien zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Stromfestigkeit und

thermischen Beständigkeit. Bei der Suche nach Lösungsmöglichkeiten sind

dabei gezielt auch aufstrebende oder auf den ersten Blick zweckfremde Wis-

senschaftsgebiete zu berücksichtigen.

5.2.3 Bestimmung von Technologieoptionen

Diese Phase dient dazu, die für die multikriterielle Bewertung relevanten Technolo-

gieoptionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in

Frequenzumrichtern zu bestimmen. Gestützt durch die Erkenntnisse aus der syste-

mischen Exploration werden dabei neue, alternative technologische Lösungen identi-

fiziert, die im Hinblick auf eine aussagekräftige Technologiebewertung zusätzlich zu

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 179

den aktuell von der SIEMENS AG eingesetzten Technologien noch umfassend zu

beschreiben sind.

Technologieidentifikation

Angelehnt an das Grundprinzip einer Technologiefrüherkennung sind die technolo-

giespezifischen Signale aus der Phase der systemischen Exploration in diesem

Schritt systematisch zu neuen technologischen Ansätzen für die elektrische und me-

chanische Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern zu verdichten.

Anhand klassischer Methoden zur Technologiefrüherkennung werden dazu „greifba-

re“ Informationen über neue, alternative Technologieoptionen gesammelt, die dann

letztendlich der finalen Bewertung zugänglich gemacht werden können.

Die besagten technologiespezifischen Signale aus der systemischen Exploration um-

fassen dabei zum einen die im Trendmodell identifizierten Trends und potentiellen

Weiterentwicklungen im Suchfeld und zum anderen die soeben aufgelisteten, deut-

lich konkreteren Entwicklungsrichtungen aus den suchfeldspezifischen Szenarien

(vgl. Kapitel 5.2.2). Diese Signale werden im Excel-Tool automatisch in einer Tabelle

zusammengefasst und bilden den wesentlichen Input für diesen Ablaufschritt. Diese

Tabelle ist entsprechend in Bild 5.15 abgebildet.

Bild 5.15: Screenshot aus dem Excel-Tool zu den technologiespezifischen Signalen

Geleitet von diesen Signalen wird in der Folge über eine kombinierte Anwendung

klassischer Recherche- bzw. Früherkennungsinstrumente nach neuen Technologie-

optionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in

Frequenzumrichtern gesucht. Aufgrund des nur begrenzten Zeitumfangs im Rahmen

dieser Masterarbeit konzentriert sich die Suche im Praxisbeispiel ausschließlich auf

180 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

eine internetgestützte Technologierecherche in zukunftsorientierter, forschungsspezi-

fischer Literatur wie Publikationen, Konferenzen, Produktbeschreibungen oder Wer-

bekataloge, die aber dennoch brauchbare Quellen für grundlegende Informationen

über neue technologische Entwicklungen darstellen (vgl. Kapitel 4.2.3). Nichtsdestot-

rotz ist der Einsatz von klassischen Patentanalysen (vgl. Kapitel 2.5.1.2) und Exper-

tenbefragungen (vgl. Kapitel 2.5.1.1) für weitaus umfangreichere und detailliertere

Recherchen in zukünftigen Anwendungsfällen der Bewertungsmethode sehr zu emp-

fehlen.

Die Ergebnisse der in diesem Praxisbeispiel durchgeführten Technologierecherche

werden nachfolgend kurz vorgestellt. Hierbei wird deutlich, dass gerade die im such-

feldspezifischen Szenario I geforderte Einbettung der Leistungshalbleiter in die Lei-

terplatte auch in der Realität immer mehr in den Fokus von Forschungsabteilungen

rückt. Das sog. Power Chip Embedding ermöglicht dabei die direkte Integration bzw.

Kontaktierung von Halbleiter-Chips im Rahmen der typischen Leiterplattenherstellung

und führt zu exzellenten elektrischen Eigenschaften sowie hoher Zuverlässigkeit.

Hier entsteht also eine neue Technologieoption zur elektrischen und mechanischen

Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern mit hohem Optimierungs-

potential hinsichtlich elektrischer Eigenschaften, System-Integration und Montage-

kosten (BÖTTCHER, 2012, S. 1; LANG, 2012, S. 14–17; OSTMANN, 2013, S. 4; VOCKEN-

BERGER, 2014, S. 5; WILDE, 2014, S. 19–20). Aus der Recherche geht zudem noch

eine weitere, nicht zu vernachlässigende Technologieoption – die Pressverbindung –

hervor, die bei der SIEMENS AG bereits erprobt, jedoch noch nicht serienmäßig in

den hier untersuchten Frequenzumrichtern der SINAMICS-Familie eingesetzt wird.

Über eine Kaltverschweißung von stiftförmigen Lastanschlüssen der Leistungshalb-

leiter mit metallisierten Löchern in der Leiterplatte liefert eine Pressverbindung ein

alternatives Wirkprinzip zur Optimierung der elektrischen Verbindung, Stromfestigkeit

und thermischen Beständigkeit bei der Anbindung der Leistungshalbleiter und folgt

damit den Signalen aus den suchfeldspezifischen Szenarien I und II (STOLZE, THO-

BEN, KOCH, SEVERIN & KUCERA, 2009, S. 1–2; TSCHAN, 2008, S. 1; VEIGEL, 2009, S. 1–

3).

Neben den gegenwärtig eingesetzten technologischen Lösungen der Schraubverbin-

dung, des Selektiv-Lötens und der Federkontaktierung bieten sich der SIEMENS AG

letztendlich also zwei neue, alternative Technologieoptionen zur elektrischen und

mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern, die alle-

samt im finalen Bewertungsprozess berücksichtigt werden. Mit dieser simultanen

Bewertung von bewährten als auch neuen Technologieoptionen kann abschließend

besser beurteilt werden, ob ein möglicherweise kosten- sowie ressourcenaufwändi-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 181

ger Wechsel von einer bewährten auf eine neue Technologie überhaupt lohnenswert

ist. Zur vollständigen Bestimmung sowie als notwendige Voraussetzung für eine aus-

sagekräftige Technologiebewertung sind die fünf Technologieoptionen anschließend

noch einer ausführlichen datentechnischen Beschreibung zu unterziehen.

Beschreibung der Technologieoptionen

Mit der datentechnischen Beschreibung der fünf Technologieoptionen nach den in

Kapitel 4.2.3 vorgestellten funktionalen, inhaltlichen, qualitativen, zeitlichen, wirt-

schaftlichen sowie personellen Merkmalen wird einerseits eine angemessene Infor-

mations- sowie Vergleichsbasis für die nachfolgende Technologiebewertung ge-

schaffen und andererseits auch das Technologieverständnis an sich gefördert. Das

Excel-Tool bietet diesbezüglich eine vorgefertigte Matrix, in der die datentechnische

Beschreibung der fünf Technologieoptionen aus diesem Praxisbeispiel nach den

eben erwähnten Merkmalsklassen durchgeführt wird.

Die Suche nach Informationen stützt sich hier ebenso auf eine internetgestützte Re-

cherche in forschungsspezifischer Literatur. Unterstützt wird diese Informationsbe-

schaffung durch eine Orientierung an den in Kapitel 2.5.1.4 vorgestellten S-Kurven-

Indikatoren zur Einschätzung des Entwicklungsstands einer Technologie sowie durch

eine gezielte Recherche innerhalb der SIEMENS AG, da dort insbesondere Informa-

tionen über die bereits eingesetzten Technologien direkt zugänglich sind. Wichtig ist,

dass die erfassten Informationsbausteine auf einem vergleichbaren Detailgrad beru-

hen und letztendlich zu einer durchgängigen und möglichst vollständigen Datenbasis

verknüpft werden. Aufgrund der eingangs von Kapitel 5.2 geschilderten Verallgemei-

nerung hinsichtlich der Betrachtungsweise von Technologien müssen in diesem Pra-

xisbeispiel jedoch gewisse Abstriche hinsichtlich des Detailgrads gemacht werden.

Speziell quantitative Daten zu geometrischen, physikalischen, chemischen, biologi-

schen oder monetären Attributen der Technologieoptionen bleiben demnach größ-

tenteils unberücksichtigt. Für künftige und wesentlich spezifischer ausgerichtete An-

wendungsfälle der vorgestellten Bewertungsmethode ist eine Berücksichtigung sol-

cher Größen im Rahmen der Technologiebeschreibung aber durchaus zu empfehlen,

da insbesondere die Potentialabschätzung im Rahmen der Bewertung dadurch deut-

lich einfacher von der Hand geht. Bild 5.16 zeigt abschließend einen Auszug aus der

datentechnischen Beschreibung der Technologieoptionen aus diesem Praxisbeispiel

nach den vorgegeben Merkmalsklassen. Da sich die dafür bereitgestellte Matrix aus

dem Excel-Tool als sehr umfangreich erweist, sind die vollständigen Ergebnisse zur

datentechnischen Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen über An-

hang B.3.2 dem beigefügten Excel-Tool zu entnehmen. Für eine bessere Nachvoll-

182 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

ziehbarkeit der finalen Technologiebewertung erfolgt hier dennoch eine kompakte

Beschreibung der einzelnen Technologieoptionen.

Bild 5.16: Screenshot aus dem Excel-Tool zur datentechnischen Beschreibung der Technologieoptio-

nen

Die Schraubverbindung wird bei der SIEMENS AG schon seit langer Zeit für eine

zuverlässige Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern – vor allem

für die Übertragung hoher elektrischer Leistungen – eingesetzt (BEYER ET AL., 1992,

S. 226). Sie ermöglicht eine form- und kraftschlüssige Verbindung zwischen den

Lastanschlüssen der Leistungshalbleiter sowie den strukturgebenden Verbindungs-

techniken im Bauteil (RUSCHE, 2012, S. 20–23; SEMIKRON GmbH, 2010, S. 427–

428). Aufgrund der hohen, querschnittsunabhängigen Kontaktkraft und des Selbstlo-

ckerungs- sowie Korrosionsschutzes können durch gut ausgeführte Schraubverbin-

dungen neben sehr guten mechanischen Eigenschaften auch gute thermische und

elektrische Eigenschaften an der Verbindungsstelle realisiert werden (BEYER ET AL.,

1992, S. 226; Deutsches Kupfer-Institut, 2000, S. 14).

Auch das Selektiv-Löten ist bei der SIEMENS AG schon seit langer Zeit für die An-

bindung der Leistungshalbleiter im Einsatz. In einem automatisierten Verfahren wer-

den die Lastanschlüsse von Leistungshalbleitern in Form von einzelnen, selektiven

Lötpins dabei mittels einer Miniatur-Welle über eine intermetallische Verbindung zwi-

schen den Grundwerkstoffen und dem Lot an die Leiterplatte angebunden (VEIGEL,

2009, S. 3; WEGE & SCHIMANSKI, 2011, S. 6–7). Das Lot bildet dabei ein geschmolze-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 183

nes Zusatzmetall, das die zu verbindenden Grundwerkstoffe nur benetzt und nicht

aufschmilzt. Nach Abkühlung bzw. Erstarrung des Lots sind die Grundwerkstoffe

schließlich stoffschlüssig miteinander verbunden (BEYER ET AL., 1992, S. 105;

SCHEUERMANN, 2014, S. 133). Gerade im Rahmen einer automatisierten Bestückung

von elektronischen Baugruppen bzw. Leiterplatten hat sich das Selektiv-Löten in der

Industrie weit verbreitet, ist jedoch gewissen, verfahrenstechnischen Grenzen aus-

gesetzt. Speziell die rein stoffschlüssige Verbindung zwischen zwei spröden, inter-

metallischen Phasen schränkt die mechanischen Eigenschaften einer Lötverbindung

deutlich ein. Ferner besteht die Gefahr von kalten bzw. porösen Lötstellen, die zum

Versagen der Verbindung führen können. Lötverbindungen sind des Weiteren durch

einen vergleichsweise geringen elektrischen Leitwert gekennzeichnet und nicht hoch-

temperaturfest (VEIGEL, 2009, S. 3; WEGE & SCHIMANSKI, 2011, S. 3).

Seit Beginn der 1990er Jahre stellt die Federkontaktierung bei der SIEMENS AG ei-

ne alternative Lösung zur Anbindung von Leistungshalbleitern in Frequenzumrichtern

dar. Die Lastanschlüsse der Leistungshalbleiter in Form von speziellen Federkontak-

ten werden dabei auf vorgesehene Kontaktstellen der Leiterplatte gedrückt. Der nöti-

ge Kontaktdruck für eine zuverlässige, formschlüssige Verbindung entsteht hier au-

tomatisch bei der Montage bzw. Verschraubung der Leistungshalbleiter auf die Lei-

terplatte oder den Kühlkörper (KUCERA, 2006, S. 1–3; SCHEUERMANN, 2014, S. 182;

SEMIKORN GmbH, 2010, S. 428). Der direkte, punktuelle Kontaktandruck eines Fe-

derkontakts sowie dessen Fähigkeit, sich relativ zum Kontaktpartner zu bewegen,

ermöglichen eine stabile mechanische und temperaturfeste Verbindung (auch bei

starken Vibrationen oder Erschütterungen), die ferner durch eine gute elektrische

Leitfähigkeit gekennzeichnet ist. In ihrer Strombelastbarkeit sind die feinen Federkon-

takte jedoch begrenzt (KUCERA, 2006, S. 2–4; SCHEUERMANN, 2014, S. 183).

Die Pressverbindung stellt eine aufstrebende Technologieoption zur elektrischen und

mechanischen Anbindung von Leistungshalbleitern mit reichlich Entwicklungspoten-

tial dar. Hierbei werden die Lastanschlüsse der Leistungshalbleiter in Form von Ein-

pressstiften (ohne thermische Einwirkung wie bspw. beim Selektiv-Löten) über eine

Kaltverschweißung durch Druck, Reibung, Temperatur und Zeit mit vorgefertigten,

metallisierten Löchern in der Leiterplatte verbunden. Der Einpressvorgang selbst er-

folgt über separate Pressvorrichtungen oder eine Verschraubung der Leistungshalb-

leiter auf die Leiterplatte bzw. den Kühlkörper (SEVERIN, 2011, S. 4–7; STOLZE ET AL.,

2009, S. 1–2; VEIGEL, 2009, S. 2–3). Dabei entsteht eine gasdichte, elastische Ver-

bindung mit kleinem Übergangswiderstand, der wiederum eine hohe elektrische Leit-

fähigkeit und sichere Tragfähigkeit hoher Ströme gewährleistet. Des Weiteren er-

weist sich eine Pressverbindung als temperaturfest und mechanisch äußerst stabil

184 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

(STOLZE ET AL., 2009, S. 3–5; VEIGEL, 2009, S. 2–3). Bei starken Erschütterungen

besteht dennoch die Gefahr, dass sich der Einpressstift relativ zur Metallhülse des

Lochs bewegt und dabei die Kaltverschweißung versagt. Zudem muss das Layout

der Leiterplatte speziell an die Einpressstifte der Leistungshalbleiter angepasst wer-

den (TSCHAN, 2008, S. 1; VEIGEL, 2009, S. 9).

Als neue, vielversprechende Technologieoption zur Anbindung der Leistungshalblei-

ter in Frequenzumrichtern ist letztendlich noch das Power Chip Embedding zu nen-

nen. Die Technologie steht am Anfang ihrer Entwicklung und zielt auf die Einbettung

von Leistungshalbleitern in die Leiterplatte ab. Diese System-Integration beruht, wie

in Bild 5.17 zu sehen ist, auf der direkten, elektrisch leitenden Ankontaktierung der

Halbleiter-Chips auf ein Kupfer-Substrat im Inneren der Leiterplatte und lässt sich

demnach sehr gut in die klassische Leiterplattenherstellung integrieren (BÖTTCHER,

2012, S. 1; LANG, 2012, S. 14). Diese Einbettung schützt die Leistungshalbleiter vor

Umwelteinflüssen und schafft eine wichtige Voraussetzung für eine zuverlässige so-

wie mechanisch stabile Verbindung. Gleichzeitig ermöglicht die großflächige, stoff-

schlüssige Verbindung zwischen Halbleiter-Chips und Kupfer-Substrat exzellente

elektrische Eigenschaften mit niedrigen Induktivitäten und eine verbesserte Entwär-

mung. Letztere gelingt jedoch nur in Verbindung mit einem ausgeklügelten Wär-

memanagement innerhalb der kompletten Leiterplatte bzw. beim Kühlkörper, was

aktuell noch eine große Herausforderung auf dem Weg zur Serientauglichkeit dar-

stellt (BÖTTCHER, 2012, S. 6–7; OSTMANN, 2013, S. 4; VOCKENBERGER, 2014, S. 5;

WILDE, 2014, S. 20).

Bild 5.17: Power Chip Embedding in Anlehnung an OSTMANN, 2013, S. 14

Kupfer-Substrat der Leiterplatte

Halbleiter-ChipsHalbleiter-Chips

elektrische Ankontaktierung der Halbleiter-Chips

Isoliertstoff

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 185

Mit der spezifischen Technologiebeschreibung ist die Phase zur Bestimmung der

Technologieoptionen erfolgreich abgeschlossen. Die vorgestellten Technologieoptio-

nen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Fre-

quenzumrichtern können somit der finalen, multikriteriellen Bewertung unterzogen

werden.

5.2.4 Multikriterielle Technologiebewertung

Im Rahmen der multikriteriellen Technologiebewertung erfolgt eine kombinierte Po-

tentialbestimmung für die in Kapitel 5.2.3 identifizierten Technologieoptionen hin-

sichtlich der drei Bewertungsdimensionen des Technologiepotentials, Zukunftspoten-

tials sowie Unternehmenspotentials. Dafür müssen zunächst noch die produkt-, kun-

den- sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des

Technologiepotentials festgelegt und zusammen mit den bereits vorgegebenen Krite-

rien gewichtet werden. Im Anschluss folgt die eigentliche Bewertung, bei der die

Teilpotentiale je Technologieoptionen bestimmt und zu den Gesamtpotentialen ag-

gregiert werden. Auf Basis der gewonnenen Bewertungsergebnisse werden mit Hilfe

eines Handlungsportfolios letztendlich konkrete Handlungsempfehlungen für die

Technologieoptionen abgeleitet, die gezielt bei Technologieentscheidungen unter-

stützen.

Aufbereitung der Bewertungskriterien

Mit einer systematischen Aufbereitung der Bewertungskriterien im Rahmen der TRIZ-

und szenariobasierten Technologiebewertung wird ein nachvollziehbarer sowie wi-

derspruchsfreier Rahmen für die nachfolgende Bewertung geschaffen. Dafür ist zu-

nächst eine eindeutige, widerspruchsfreie und gleichläufige Festlegung von produkt-,

kunden- sowie unternehmensspezifischen Bewertungskriterien zur Bestimmung des

Technologiepotentials nach den in Kapitel 4.2.4 vorgestellten Grundsätzen von BREI-

ING & KNOSALA notwendig. Ferner müssen sämtliche Bewertungskriterien unter Be-

rücksichtigung der vermittelten Wertvorstellungen bzw. Präferenzen von Interes-

sensgruppen der SIEMENS AG abschließend noch gewichtet werden.

Die Festlegung der produkt-, kunden- sowie unternehmensspezifischen Anforderun-

gen an die Technologieoptionen zur elektrischen und mechanischen Anbindung der

Leistungshalbleiter orientiert sich an der prinzipiellen Denkweise einer „Main Para-

meters of Value Discovery“ im Rahmen der TRIZ-Methodik (vgl. Kapitel 4.2.4). So

können neben rein funktionalen auch strategisch relevante Aspekte für das Unter-

nehmen bzw. die Kunden bei der Bewertung der Technologieoptionen berücksichtigt

werden. Die Auswahl der spezifischen Kriterien für dieses Praxisbeispiel erfolgt zu-

186 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

dem in enger Absprache mit Fachpersonal der SIEMENS AG – vorrangig aus den

Unternehmensbereichen der Fertigung und Entwicklung, die eng mit dieser Untersu-

chung in Verbindung stehen – und wird angeregt durch Hinweise über funktionale

und montagespezifische Anforderungen an die Verbindungstechniken aus den bei-

den einführenden Kapiteln 5.1.1 & 5.1.2 sowie der konkreten Problemstellung. Eine

Berücksichtigung von Kunden erweist sich in diesem Fall nicht als notwendig, da sich

die verwendeten Verbindungstechniken zur elektrischen und mechanischen Anbin-

dung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern nicht direkt auf deren Kaufver-

halten auswirken. Die für dieses Praxisbeispiel ausgewählten Bewertungskriterien

zur Bestimmung des Technologiepotentials setzen sich in der Summe schließlich wie

folgt zusammen:

Elektrische Verbindung: elektrische Leitfähigkeit der Verbindung;

Mechanische Verbindung: mechanische Belastbarkeit der Verbindung;

Thermische Beständigkeit: Beständigkeit der Verbindung gegenüber thermi-

scher Beanspruchung;

Stromfestigkeit: dauerhafte Strombelastbarkeit der Verbindung;

Robustheit: Beständigkeit der Verbindung gegenüber Umgebungseinflüssen

(Wasser, Schmutz etc.);

Montagefähigkeit: Automatisierbarkeit der Montage;

Montagesicherheit: Sicherheit der Montage;

Montagegeschwindigkeit: Geschwindigkeit der Montage;

Umweltverträglichkeit: Verträglichkeit gegenüber der Umwelt;

Instandhaltbarkeit: Fähigkeit zur einfachen und sicheren Demontage, Repa-

ratur bzw. Wartung.

Alle Bewertungskriterien sind nun vollständig festgelegt und beschrieben. Über einen

paarweisen Vergleich werden die Kriterien der einzelnen Bewertungsdimensionen

nach den – allerdings nicht immer eindeutigen – Präferenzvorstellungen der Interes-

sensgruppen, die sich in den Gesprächen mit dem Fachpersonal angedeutet haben,

systematisch gewichtet. Dabei müssen sämtliche Kriterien einer Bewertungsdimensi-

on in separaten Vergleichsmatrizen, die das Excel-Tool bereitgestellt und gemäß der

Vorlage aus Kapitel 4.2.4 aufgebaut sind, paarweise miteinander verglichen werden.

Bei diesem Vergleich ist die Relevanz der Kriterien in den Zeilen gegenüber den Kri-

terien in den Spalten anhand eines vorgegeben Maßstabs (von „1“ für wichtiger über

„0“ für gleichbedeutend bis „-1“ für weniger wichtig) in den entsprechenden Zellen der

Matrizen einzustufen. Unter Berücksichtigung der Bedingung 4.1 für eine einseitige

Befüllung der Matrizen berechnet das Excel-Tool in der Folge automatisch die relati-

ven Gewichtungsfaktoren der Bewertungskriterien über die Formeln 4.2, 4.3 und 4.4

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 187

(vgl. Kapitel 4.2.4). Für ein besseres Verständnis ist in Bild 5.18 beispielhaft die ferti-

ge, paarweise Vergleichsmatrix zur Gewichtung der Bewertungskriterien des Techno-

logiepotentials zu sehen. Die beiden weiteren Matrizen zur Gewichtung der übrigen

Bewertungskriterien in diesem Praxisbeispiel gestalten sich analog und können über

Anhang B.4.1 im beigefügten Excel-Tool eingesehen werden.

Bild 5.18: Screenshot aus dem Excel-Tool zur Gewichtung der Bewertungskriterien des Technologie-

potentials

Mit der Berechnung der relativen Gewichtungsfaktoren für sämtliche Kriterien aus

den Bewertungsdimensionen des Technologie-, Zukunfts-, sowie Unternehmenspo-

tentials ist die Aufbereitung der Bewertungskriterien abgeschlossen und ein durch-

gängiger sowie widerspruchsfreier Rahmen für die nachfolgende Bewertung der

Technologieoptionen geschaffen.

Multikriterielle Bewertung

Innerhalb dieses Bewertungsrahmens folgt schließlich der Schritt der eigentlichen

Technologiebewertung, bei dem die Teilpotentiale zur Erfüllung der Kriterien für die

einzelnen Technologieoptionen bestimmt und zu den jeweiligen Gesamtpotentialen

188 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

aggregiert werden. Die Zuweisung und Aggregation der Teilpotentiale orientiert sich

hier am klassischen Schema der Nutzwert-Analyse und befolgt somit das Grundprin-

zip einer multikriteriellen Bewertung. So können die Präferenzen der Interessens-

gruppen entsprechend ihrer konkreten Erwartungshaltungen bzw. Zielvorstellungen

letztendlich in der Bewertung berücksichtigt und die fünf identifizierten Technologie-

optionen angesichts einer Vielzahl von Kriterien zweckmäßig beurteilt werden.

Für die Bewertung stellt das Excel-Tool die in Kapitel 4.2.4 vorgestellten Bewer-

tungsmatrizen zur Bestimmung von Technologie-, Zukunfts- und Unternehmenspo-

tential automatisch zur Verfügung. Darin werden die zu bewertenden Technologieop-

tionen mit den jeweiligen Bewertungskriterien aus den drei Bewertungsdimensionen

sowie deren relativen Gewichtungsfaktoren gegenübergestellt. Für die einzelnen

Technologieoptionen folgt nun der Reihe nach eine subjektive Potentialabschätzung

für die Erfüllung der aufgeführten Bewertungskriterien gemäß eines vorgegebenen

Maßstabs (von „0“ für nicht vorhanden bis „10“ für sehr hoch). Die Abschätzung stützt

sich auf die technologiespezifischen Informationen, die zur Beschreibung der Tech-

nologieoptionen gesammelt wurden. Aus dieser Beschreibung geht bspw. hervor,

dass eine Schraubverbindung aufgrund der Kombination aus Form- und Kraftschluss

sehr gute mechanische Eigenschaften ermöglicht, wogegen eine Lötverbindung auf-

grund der rein stoffschlüssigen Verbindung zweier spröder, intermetallischer Phasen

verhältnismäßig schwache mechanische Eigenschaften aufweist (vgl. Kapitel 5.2.3).

Das Potential der Schraubverbindung zur mechanischen Verbindung wird daher ent-

sprechend mit „10“ eingestuft, während für das Selektiv-Löten nur eine „2“ vergeben

wird. Gesondert zu betrachten ist vor diesem Hintergrund die Abschätzung des Erfül-

lungspotentials als Teilkriterium des Zukunftspotentials. Das Erfüllungspotential ist in

drei Subkriterien untergliedert, die wiederum durch die drei suchfeldspezifischen

Szenarien repräsentiert und entsprechend derer Eintrittswahrscheinlichkeiten ge-

wichtet sind. Hier ist gezielt abzuschätzen, inwieweit die einzelnen Technologieoptio-

nen über das Potential verfügen, den Zukunftsraum der jeweiligen Szenarien zu er-

füllen. Bspw. wird das Potential des Power Chip Embedding zur Erfüllung von such-

feldspezifischem Szenario I mit „10“ eingestuft, da besagtes Szenario eben genau

diese Einbettung der Leistungshalbleiter in die Leiterplatte fordert.

Nach Vollendung der Potentialabschätzungen für die fünf Technologieoptionen be-

rechnet das Excel-Tool automatisch die Teilpotentiale und aggregiert diese zu den

jeweiligen Gesamtpotentialen über die Formeln 4.5 bzw. 4.6 (vgl. Kapitel 4.2.4). Die

vollständigen Bewertungsmatrizen aus diesem Praxisbeispiel sind abschließend in

Bild 5.19 dargestellt und können zudem über Anhang B.4.2 im beigefügten Excel-

Tool nachvollzogen werden. Die ermittelten Gesamtpotentiale für die drei Bewer-

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 189

tungsdimensionen ermöglichen nun eine Klassifizierung der fünf bewerteten Techno-

logieoptionen in einem dreidimensionalen Handlungsportfolio zur gezielten Ableitung

von Handlungsempfehlungen.

Bild 5.19: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den fertigen Bewertungsmatrizen zur Bestimmung der

Gesamtpotentiale

190 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Ableitung von Handlungsempfehlungen

Zentrales Element des finalen Ablaufschrittes der TRIZ- und szenariobasierten

Technologiebewertung ist das in Kapitel 4.2.4 vorgestellte Handlungsportfolio zur

gezielten Strukturierung des Entscheidungsfelds. Anhand dieses Portfolios werden

Handlungsempfehlungen für die SIEMENS AG abgeleitet, die als richtungsweisende

Grundlage für Technologieentscheidungen dienen und auf den Einsatz zukunftssi-

cherer Technologien zur elektrischen sowie mechanischen Anbindung von Leis-

tungshalbleitern in künftigen Frequenzumrichtern abzielen. Vor diesem Hintergrund

ermöglicht das Handlungsportfolio neben der klassischen Gegenüberstellung von

Technologie- und Unternehmenspotential auch eine Visualisierung des Zukunftspo-

tentials. Die finalen Potentialwerte der einzelnen Technologieoptionen aus dem

Schritt der multikriteriellen Bewertung bilden in der Folge die nötige Datengrundlage

für die Erstellung des Portfolios und werden in Bild 5.20 noch einmal zusammenge-

fasst.

Bild 5.20: Screenshot aus dem Excel-Tool mit den finalen Bewertungsergebnissen

Zur Visualisierung der Technologieoptionen als kreisförmige Objekte im Handlungs-

portfolio nutzt das Excel-Tool die entsprechenden Potentialwerte als Koordinaten.

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 191

Während Technologie- und Unternehmenspotential die Positionierung einer Techno-

logieoption auf der Y- und X-Achse bestimmen, beschreibt die Größe des Kreis-

durchmessers die Ausprägung des Zukunftspotentials. Bild 5.21 zeigt letztendlich

das fertige Handlungsportfolio mit den fünf untersuchten Technologieoptionen aus

diesem Praxisbeispiel (vgl. Anhang B.4.3). Darin ist zu erkennen, dass lediglich die

Schraubverbindung dem Bereich der Normstrategie „Auswählen“ zugeordnet ist. Die

übrigen Technologieoptionen fallen allesamt in den Bereich der Normstrategie „Ab-

wägen“. Angeregt durch diese Zuordnung der Technologieoptionen zu den in Kapitel

4.2.4 beschriebenen Normstrategien werden die gewonnenen Erkenntnisse in kon-

krete Handlungsempfehlungen für die SIEMENS AG überführt, die nachfolgend vor-

gestellt werden.

Bild 5.21: Screenshot aus dem Excel-Tool mit dem finalen Handlungsportfolio

Schraubverbindungen sind aufgrund ihrer charakteristischen Eigenschaften bei der

SIEMENS AG seit langer Zeit etabliert und bestechen demnach durch ein hohes

Technologie- sowie Unternehmenspotential (vgl. Bild 5.21). Trotz der eher aufwändi-

192 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

gen Montage sowie der Tatsache, dass die Weiterentwicklungspotentiale der Tech-

nologie weitestgehend ausgeschöpft sind, erweisen sich Schraubverbindungen vor

allem in Frequenzumrichtern höherer Leistungsklassen weiterhin als sichere und zu-

verlässige Alternative für die elektrische und mechanische Anbindung von Leis-

tungshalbleitern (vgl. Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2).

Selektiv-Löten als weitere etablierte Verbindungstechnologie bei der SIEMENS AG

ist hingegen durch ein unterdurchschnittliches Technologie- und kaum vorhandenes

Zukunftspotential gekennzeichnet (vgl. Bild 5.21). Dies liegt insbesondere an den

vergleichsweise schwachen elektrischen und mechanischen Eigenschaften, verfah-

renstechnischen Restriktionen (Entstehung von Schadstoffen, Verbrauch von Lotma-

terial bzw. Flussmittel, schwierige Demontage etc.) sowie dem ausgeschöpften Wei-

terentwicklungspotential (vgl. Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2). Der Trend geht offen-

kundig weg vom Löten, weshalb hier verstärkt auf andere Technologieoptionen zur

Anbindung von Leistungshalbleitern gesetzt werden sollte.

Hier erweisen sich vor allem die Technologien der Federkontaktierung sowie der auf-

strebenden Pressverbindung als gute Alternativen, die wie die Schraubverbindung

durch wesentlich höhere Technologiepotentiale als das Selektiv-Löten gekennzeich-

net sind (vgl. Bild 5.21). Dies liegt in den weitaus besseren elektrischen, mechani-

schen sowie verfahrenstechnischen Eigenschaften (einfachere Demontage, Umwelt-

verträglichkeit etc.) der Technologien begründet. Während die Federkontaktierung

bei der SIEMENS AG schon seit geraumer Zeit als Verbindungstechnologie in den

hier berücksichtigten Frequenzumrichtern der SINAMICS-Familie eingesetzt wird,

steckt die Pressverbindung dort erst noch in ihren Anfängen. Dieser Umstand macht

sich letztendlich in dem verhältnismäßig geringen Unternehmenspotential bemerk-

bar. Als aufstrebende Technologie ist die Pressverbindung jedoch durch ein ver-

gleichsweise hohes Zukunftspotential gekennzeichnet, was insbesondere auf das

Weiterentwicklungspotential (Bauformen und Materialien der Pressstifte) der Techno-

logie zurückzuführen ist, das dem Unternehmen künftig Möglichkeiten zur Optimie-

rung der Anbindung der Leistungshalbleiter sowie zur Diversifikation bieten kann (vgl.

Kapitel 5.2.3 & Anhang B.3.2).

Durch das höchste Technologie- und Zukunftspotential aller Technologieoptionen ist

schließlich das Power Chip Embedding gekennzeichnet (vgl. Bild 5.21). Die Techno-

logie befindet sich am Anfang ihres Lebenszyklus und stellt für die SIEMENS AG ei-

ne völlig neue Alternative zur Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrich-

tern dar. Im Vergleich zu den anderen Technologieoptionen ist das Unternehmens-

potential daher noch relativ gering ausgeprägt. Die direkte Einbettung der Halbleiter-

Chips in das Gesamtsystem der Leiterplatte birgt jedoch enormes Potential für eine

5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG 193

zuverlässige Anbindung von Leistungshalbleitern mit hervorragenden elektrischen

und mechanischen Eigenschaften. Aufgrund ihres hohen Erfüllungspotentials hin-

sichtlich des aufgespannten Zukunftsraums und des enormen Weiterentwicklungs-

sowie Diversifikationspotentials (Erweiterung des Produktsortiments und der Ferti-

gungstiefe, Möglichkeiten zur Erschließung neuer Märkte) kann die Technologie zu-

dem als zukunftsweisend betrachtet werden. Eine Investition in die Entwicklung bzw.

Adaption dieser Technologie erweist sich demzufolge also als äußerst attraktiv, ge-

rade weil die Umsetzung der Technologie größtenteils auf bereits bekannten Ferti-

gungsprozessen beruht und sich sehr gut in den klassischen Herstellungsprozess

von Leiterplatten integrieren lässt. Dies bietet den Vorteil einer automatisierten Her-

stellung von eingebetteten Systemen für Frequenzumrichter verschiedener Leis-

tungsklassen in ein und derselben Fertigungslinie (vgl. Kapitel 5.2.3 & An-

hang B.3.2). Eine finale Entscheidung ist jedoch erst nach Klärung wichtiger verfah-

renstechnischer Fragen (Wärmemanagement, Verfahren zur Ankontaktierung der

Halbleiter-Chips, Halbleiter-Herstellung etc.) sowie strategischer Aspekte (technolo-

gisches Know-how, Personalbedarf, Ressourcenaufwand, Kosten, Umsetzungsdau-

er, rechtliche Lage etc.) durch Entscheidungsträger aus den zuständigen Abteilungen

bzw. dem Management zu treffen und in einen konkreten Umsetzungsplan für die

Zukunft zu überführen.

5.2.5 Fazit

Für ein abschließendes Fazit werden die Ergebnisse des Praxisbeispiels noch ein-

mal konkret zusammengefasst. Der Trend bei den Verbindungstechniken zur elektri-

schen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter in Frequenzumrichtern

geht eindeutig weg von anfälligen Lötverbindungen. Neben den bei der SIEMENS

AG bereits bewährten Technologien der Schraubverbindung sowie Federkontaktie-

rung gewinnt vor diesem Hintergrund insbesondere die aufstrebende Technologie

der Pressverbindung immer mehr an Bedeutung und sorgt „insbesondere in Anwen-

dungen der rauen Industrieumgebung für eine höhere Zuverlässigkeit des Gesamt-

systems“ (STOLZE ET AL., 2009, S. 1).

Einen potentiellen Meilenstein in Richtung verstärkter System-Integration mit Blick

auf die Optimierung von Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability (vgl. Kapitel

5.1.2) sowie zur weiteren Optimierung der Anbindung von Leistungshalbleitern in

Frequenzumrichtern stellt dagegen das Power Chip Embedding dar. Für einen se-

rientauglichen Einsatz der Technologie in Leistungsanwendungen bei Frequenzum-

richtern sind allerdings noch letzte wichtige, verfahrenstechnische Fragen zu klären.

Ein Aspekt ist dabei zunächst die Realisierung einer adäquaten „Wärmeableitung in

194 5 Anwendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG

Verbindung mit der notwendigen elektrischen Isolation der Leistungshalbleiter“

(BÖTTCHER, 2012, S. 6). Für eine qualitativ hochwertige Einbettung der Leistungs-

halbleiter sind ferner auch Modifikationen hinsichtlich der Materialien, Herstellungs-

prozesse und Geometrien von Halbleiter-Chips sowie Verfahren zu deren direkter

Ankontaktierung notwendig. Vor diesem Hintergrund treten neben den konventionel-

len Verfahren des Lötens, Drahtbondens, Diffusionssinterns oder Leitklebens ver-

stärkt auch neue Trends wie Ag-Sintern, Transient Liquid Phase Bonding oder eine

elektrochemische Ankontaktierung in den Vordergrund. Welches Verfahren hier

letztendlich die beste Alternative darstellt, entwickelt sich aktuell zu einer immer be-

deutenderen Frage der Forschung im Bereich der Mikroelektronik bzw. Mikrosystem-

technik (POECH, 2009, S. 26; SCHEUERMANN, 2014, S. 132, S. 405–411; WILDE, 2014,

S. 31).

6 Diskussion der Ergebnisse 195

6 Diskussion der Ergebnisse

Aufbauend auf die in Kapitel 5 gewonnenen Erkenntnisse liefert dieses Kapitel eine

Diskussion der Praxistauglichkeit des methodischen Konzepts an sich sowie des un-

terstützenden Excel-Tools. Der erzielte Nutzen aus der Anwendung der TRIZ- und

szenariobasierten Technologiebewertung wird dafür zunächst gewissen Problembe-

reichen gegenübergestellt, die sich im Rahmen des Praxisbeispiels herauskristalli-

siert haben und Anlass zur Optimierung bieten. Zudem erfolgt ein Resümee über die

praktische Eignung des Excel-Tools zur phasenspezifischen Unterstützung des An-

wenders. Hier fließen auch die Ergebnisse einer kleinen Pilotstudie ein, bei der die

Tauglichkeit des Tools durch die Anwendung und Erprobung anhand der Meinung,

Wertung sowie des Geschmacks einer neutralen, jedoch fachlich geschulten Person

evaluiert wurde.

6.1 Methodisches Konzept in der Praxis

Durch die produktspezifische Auslegung der Methode, die sich größtenteils auf eine

systemische Betrachtungsweise nach klassischer TRIZ-Denkweise stützt, konnte im

vorgestellten Praxisbeispiel zunächst ein ganzheitliches sowie funktionales System-

verständnis des Frequenzumrichters mit dem spezifischen Suchfeld der Verbin-

dungstechniken zur Anbindung der Leistungshalbleiter und seinen weiteren System-

komponenten vermittelt werden (vgl. Kapitel 5.2.1). Dies hat die zielgerichtete Analy-

se und Bewertung von Technologien unter Berücksichtigung der funktionalen Zu-

sammenhänge im Gesamtsystem des Frequenzumrichters im Laufe der weiteren

Untersuchungen deutlich erleichtert. Ferner konnte damit auch der komplexe Unter-

suchungshintergrund aus der durch enormen Fortschritt geprägten Umrichtertechnik

(vgl. Kapitel 5.1.2) systematisiert und der anschließende Lösungsprozess entschei-

dend vereinfacht werden.

Mit dem angestrebten Perspektivwechsel von der Produkthistorie in die Zukunft, der

auf die gezielte Synthese von System Operator und Szenario-Analyse in der Phase

der systemischen Exploration aufbaut, wurden in der Folge wesentliche Trends bei

den Systemkomponenten des Frequenzumrichters aufgedeckt und darauf aufbauend

suchfeldspezifische Szenarien entwickelt. Damit konnte erfolgreich auf generelle

196 6 Diskussion der Ergebnisse

Entwicklungsmöglichkeiten des Frequenzumrichters sowie signifikante, technologie-

spezifische Signale über die Weiterentwicklung der Verbindungstechniken zur An-

bindung der Leistungselektronik hingewiesen werden (vgl. Kapitel 5.2.2).

Die Integration klassischer Elemente einer Technologiefrüherkennung – in diesem

Fall vorrangig die simple Analyse forschungsspezifischer Literatur – zur Verdichtung

der technologiespezifischen Signale aus der systemischen Exploration ermöglichte

schließlich eine umfassende Beschaffung und Verarbeitung von greifbaren Informati-

onen über zukunftsrelevante, technologische Entwicklungen im Suchfeld. Unter dem

Strich konnten dabei systematisch zwei neue bzw. alternative Technologieoptionen

zur elektrischen und mechanischen Anbindung der Leistungshalbleiter für die unter-

suchten Frequenzumrichter (Pressverbindung, Power Chip Embedding) identifiziert

und abschließend im Verbund mit den gegenwärtig eingesetzten Technologien

(Schraubverbindung, Selektiv-Löten, Federkontaktierung) bewertet werden (vgl. Ka-

pitel 5.2.3).

Anhand der gezielten Ausrichtung der finalen Technologiebewertung am Kernaspekt

einer multikriteriellen Bewertung konnte letzten Endes eine systematische und objek-

tive Beurteilung der verschiedenen Technologieoptionen zur elektrischen und me-

chanischen Anbindung der Leistungshalbleiter unter Berücksichtigung einer Vielzahl

von Kriterien sichergestellt werden. Ein wesentliches Element war dabei die Überfüh-

rung bzw. Visualisierung der Bewertungsergebnisse in ein spezifisches Handlungs-

portfolio, mit dem das Entscheidungsfeld für die SIEMENS AG strukturiert und kon-

krete Handlungsempfehlungen bzgl. der einzelnen Technologieoptionen abgeleitet

werden konnten (vgl. Kapitel 5.2.4 & 5.2.5).

Gestützt auf wesentliche Elemente der TRIZ-Methodik, Szenario-Analyse sowie An-

sätzen zur multikriteriellen Bewertung, die in Verbindung mit eigenen Methodenbau-

steinen zu einem systematischen und durchgängigen methodischen Konzept ver-

knüpft wurden, schafft die praktische Anwendung der TRIZ- und szenariobasierten

Technologiebewertung insgesamt also eine fundierte Basis für Technologieentschei-

dungen im Rahmen der strategischen Produktplanung, die auf den Einsatz zukunfts-

sicherer Technologien aus einem spezifischen Suchfeld in künftigen Produktlösun-

gen abzielen. Nichtsdestotrotz muss in diesem Zusammenhang allerdings auch auf

einzelne Problembereiche hingewiesen werden, die sich im Rahmen des Praxisbei-

spiels aufgetan haben und offenkundig Anlass zur Optimierung der Methode geben.

Zum einen ist hier der Aufwand der Einflussanalyse in der Phase der systemischen

Exploration (vgl. Kapitel 4.2.2 & 5.2.2) zu nennen, der sich sowohl aus fachlichen als

auch zeitlichen Gründen als sehr hoch erweist. Die Einflussanalyse erfordert teils

6 Diskussion der Ergebnisse 197

sehr spezifisches Fachwissen vom Anwender, das jedoch nicht immer von Grund auf

vorausgesetzt werden kann. Die gezielte Unterstützung durch fachliche Meinungen

von Experten oder Interessensgruppen erscheint hier zwar sinnvoll, würde aber den

ohnehin schon enormen Zeitaufwand für die Analyse der vielen Deskriptoren durch

mögliche Diskussionen bzw. Meinungsverschiedenheiten noch zusätzlich erhöhen.

Des Weiteren konnten trotz der eher subjektiv geführten Einflussanalyse im Rahmen

des vorgestellten Praxisbeispiels dennoch brauchbare Ergebnisse für die charakte-

ristischen Einflusskennzahlen erzielt werden, die wiederum wichtige Erkenntnisse für

die Auswahl der Schlüsseldeskriptoren sowie die nachfolgende Erstellung der Zu-

kunftsprojektionen und Szenarien lieferten. Letztendlich ist also gezielt abzuwägen,

ob man den notwendigen Aufwand für die Einflussanalyse in Anbetracht des erreich-

baren Nutzens gezielt in Kauf nehmen will oder nicht. Für letzteren Fall wäre die

Entwicklung eines vereinfachten, aber dennoch zweckmäßigen Modells zur Auswahl

der Schlüsseldeskriptoren ein möglicher Ansatzpunkt zur Optimierung der Methode.

Als schwierig hat sich auch die Informationsbeschaffung zur Beschreibung der Tech-

nologieoptionen hinsichtlich der vorgegebenen Merkmalsklassen erwiesen (vgl. Kapi-

tel 4.2.3 & 5.2.3). Dies ist vor allem auf die notwendigen Verallgemeinerungen hin-

sichtlich der Betrachtungsweise von Technologien innerhalb des vorgestellten Pra-

xisbeispiels zurückzuführen, wodurch sich die Beschreibungen der Technologieopti-

onen auf eher allgemeine und unspezifische Informationen stützen. Für künftige,

präziser ausgerichtete Anwendungsfälle der TRIZ- und szenariobasierten Technolo-

giebewertung wird demnach ausdrücklich dazu geraten, auch wesentlich spezifische-

re Informationen wie z.B. quantitative Daten zu geometrischen, physikalischen, che-

mischen, biologischen oder monetären Attribute der Technologieoptionen zu berück-

sichtigen. Insbesondere die Potentialabschätzung im Rahmen der finalen Technolo-

giebewertung kann durch eine Orientierung an konkreten Zahlenwerten nämlich

deutlich erleichtert werden. Für eine insgesamt strukturiertere und geradlinigere In-

formationsbeschaffung wären ferner auch Untersuchungen ratsam, welche der ge-

nutzten Recherchemethoden für welche Merkmalsklassen am besten geeignet sind.

Das Bewertungsmodell der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung

stützt sich auf die amerikanische Schule der Multi-Attribut-Ansätze und setzt damit

voraus, dass sich Entscheidungsträger bzw. Interessensgruppen ihrer Präferenzen

bewusst sind und diese entsprechend transparent gemacht werden können (vgl. Ka-

pitel 4.2.4 & 5.2.4). Nach der Erfahrung aus dem Praxisbeispiel ist jedoch speziell bei

der Gewichtung der Bewertungskriterien eine klare Offenlegung der Präferenzen

nicht immer möglich, was wiederum dazu führen kann, dass „sich gute und schlechte

Kriterien vollständig gegeneinander kompensieren“ (OBERSCHMIDT, 2010, S. 59). Vor

198 6 Diskussion der Ergebnisse

diesem Hintergrund erscheint es sinnvoll, sog. Outranking-Verfahren der europäi-

schen Schule in das Bewertungsmodell zu integrieren, um auch widersprüchliche

Informationen verarbeiten und die Folgen unterschiedlicher Kriterien-Gewichtungen

aufzeigen zu können (vgl. Kapitel 2.4.2). Zudem lassen sich im Zuge einer spezifi-

scheren und strukturierteren Informationsbeschaffung zur Beschreibung der Techno-

logieoptionen möglicherweise auch die fest vorgegebenen Bewertungskriterien zur

Bestimmung von Zukunfts- sowie Unternehmenspotential anpassen bzw. verfeinern,

um noch aussagekräftigere Bewertungsergebnisse erzielen zu können. In diesem

Zusammenhang ist insbesondere die sehr triviale Abschätzung des Erfüllungspoten-

tials der suchfeldspezifischen Szenarien auf Basis der gewichteten Eintrittswahr-

scheinlichkeit zu nennen, die durchaus Potential zur weiteren Verfeinerung bietet.

6.2 Excel-Tool

Bei der phasenspezifischen Unterstützung der TRIZ- und szenariobasierten Techno-

logiebewertung im Rahmen des vorgestellten Praxisbeispiels haben sich einige posi-

tive sowie negative Diskussionspunkte innerhalb des Excel-Tools herauskristallisiert.

Als positiv ist hier zunächst die durchgängige Erfassung bzw. Bereitstellung, Verar-

beitung und Sicherung der operativen, für die Untersuchung notwendigen Daten- und

Informationsbasis während des kompletten Methodendurchlaufs zu erwähnen. Ent-

scheidend sind dabei die gezielt über die Arbeitsanweisungen, Hinweise oder

Hilfstabellen bereitgestellten Anhalts- bzw. Orientierungspunkte (z.B. Hinweise auf

Recherchemethoden oder die automatische Bereitstellung der TESE, der Bewer-

tungskriterien zur Bestimmung von Zukunfts- und Unternehmenspotential sowie der

Normstrategien zur Analyse des Handlungsportfolios) zur Erfassung bzw. Bereitstel-

lung von untersuchungsspezifischen Daten und Informationen in den einzelnen Ab-

laufschritten.

Durch die Einbindung der charakteristischen Methoden- sowie Analyseelemente

(Trendmodell, Einflussanalyse, Konsistenzanalyse, paarweiser Vergleich, multikrite-

rielle Bewertung, Handlungsportfolio etc.) aus den einzelnen Ablaufschritten der

TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung in separate Tabellenblätter so-

wie deren logische Verknüpfung zu einem durchgängigen Ablaufmodell werden fer-

ner auch die untersuchungsspezifischen Daten und Informationen zweckmäßig ge-

sammelt und zu einem aussagekräftigen Endergebnis verarbeitet. Somit kann ein

ausgeprägter Methoden- und Modellcharakter des Excel-Tools sichergestellt werden.

Darüber hinaus sind auch die simple Navigation durch das Ablaufmodell über das

Hauptmenü und die standardisierte Navigationsleiste sowie die zahlreichen Hilfsfunk-

6 Diskussion der Ergebnisse 199

tionen für eine korrekte Befüllung der Tabellenblätter (Hinweise, Kommentarfunktio-

nen und die VBA-basierte Darstellung der Arbeitsanweisungen über separate Fens-

ter) als positive Aspekte des Excel-Tools zu erwähnen. All dies ist auf ein durchdach-

tes Dialogsystem zurückzuführen, das eine übersichtliche Benutzeroberfläche

schafft, eine einfache sowie strukturierte Interaktion bzw. Arbeitsweise des Anwen-

ders ermöglicht und die Fehleranfälligkeit während des Methodendurchlaufs mini-

miert. Aus den geschilderten, positiven Erscheinungen geht letztendlich hervor, dass

alle wesentlichen Bestandteile eines DSS (vgl. Kapitel 4.3) erfolgreich in das Excel-

Tool integriert werden konnten.

Dennoch haben sich auch Schwachstellen im Excel-Tool gezeigt, die Anlass zur

Verbesserung bieten. Die teils sehr umfangreichen Tabellen und Matrizen zu den

einzelnen Methoden- bzw. Analyseelementen, die vorrangig in der Phase der syste-

mischen Exploration (Trendmodell, Szenariofeld, Einflussanalyse etc.) zu finden sind,

schränken die Übersichtlichkeit in den entsprechenden Tabellenblättern deutlich ein

und können dazu führen, wichtige Details für die weiteren Untersuchungen bzw. zu

befüllende Zellen zu übersehen. Bei der Gestaltung des Excel-Tools wurde daher der

bestmögliche Kompromiss zwischen Übersichtlichkeit der Tabellen bzw. Matrizen

und Leserlichkeit des Texts gewählt, was aber jedoch nicht immer zu zufriedenstel-

lenden Ergebnissen führt. Bild 6.1 verdeutlicht diesen Umstand anhand einer Dar-

stellung der Trendmodell-Matrix, bei der die Systemkomponenten auf Supersyste-

mebene außerhalb des Sichtbereichs liegen und gezielt über einen Hinweis kenntlich

gemacht werden müssen.

Bild 6.1: Begrenzte Übersichtlichkeit im Excel-Tool am Beispiel der Trendmodell-Matrix

Für eine verfeinerte und objektivere Beurteilung der Benutzerfreundlichkeit des

Excel-Tools ist es zudem wichtig, dass auch Meinungen von neutralen bzw. nicht

durch die Untersuchung beeinflussten Personen berücksichtigt werden, die jedoch

200 6 Diskussion der Ergebnisse

die nötigen Fachkenntnisse sowie eine gewisse Grunderfahrung im Umgang mit

Microsoft Office Excel mitbringen. Vor diesem Hintergrund wurde mit einem neutralen

Anwender eine kleine Pilotstudie zum Test der Tauglichkeit des Excel-Tools durch-

geführt. Der Testanwender ist Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik und verfügt über

fundierte Excel-Kenntnisse, die aus einer jahrelangen Berufserfahrung in der Tele-

kommunikationsbranche hervorgehen. Die Ergebnisse dieser Pilotstudie werden

nachfolgend vorgestellt. Generell bestätigt der Testanwender nach einer musterhaf-

ten Befüllung die Eindrücke einer stringenten wie auch korrekten Erfassung bzw. Be-

reitstellung, Verarbeitung und Sicherung der operativen Daten- und Informationsba-

sis sowie eines logisch verknüpften Ablaufmodells. Hinsichtlich der Benutzerfreund-

lichkeit lobt der Testanwender insbesondre die einfache Steuerung bzw. Navigation

innerhalb des Excel-Tools über die standardisierte Navigationsleiste sowie das

Hauptmenü mit der Übersicht des generellen Ablaufmodells. Auch die einheitliche

und durchgängige farbliche Gestaltung zusammenhängender Inhalte im gesamten

Excel-Tool hilft enorm bei der Orientierung. Als besonders benutzerfreundlich erwei-

sen sich laut Testanwender vor allem die implementierten Hilfsfunktionen über die

generellen Hinweise, Kommentarfunktionen sowie VBA-basierten Arbeitsanweisun-

gen in den einzelnen Tabellenblättern, die wenig Spielraum für anwenderseitige Feh-

ler lassen und somit eine wichtige Voraussetzung für eine korrekte Befüllung des

Excel-Tools schaffen. Jedoch wird deutlich darauf hingewiesen, dass die genaue Be-

folgung der spezifischen Hinweise in den Tabellenblättern essentiell ist. Nur so kann

der Anwender im Sinne der Übersichtlichkeit gezielte Empfehlungen zur Ausblen-

dung irrelevanter Spalten bzw. Zeilen sowie zur Navigation zu relevanten Inhalten

außerhalb des Sichtbereichs berücksichtigen und eine vollständige sowie fehlerlose

Befüllung des Tools sicherstellen.

Als Fazit zur Tauglichkeit des Excel-Tools für eine phasenspezifische Unterstützung

der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung werden sämtliche Diskussi-

onspunkte dieses Kapitels abschließend noch einmal zusammengefasst und nach

den wesentlichen positiven sowie negativen Aspekten aufgeschlüsselt:

Positive Aspekte: durchgängige Erfassung bzw. Bereitstellung, Verarbeitung

und Sicherung der operativen Daten- und Informationsbasis sowie ausgepräg-

ter Methoden- und Modellcharakter als Grundlage für aussagekräftige Ergeb-

nisse; durchdachtes Dialogsystem für eine übersichtliche Benutzeroberfläche,

vereinfachte und strukturierte Interaktion bzw. Arbeitsweise sowie geringe

Fehleranfälligkeit;

Negative Aspekte: mangelnde Übersichtlichkeit in umfangreichen Tabellen-

blättern als potentielle Gefahrenquelle zur Vernachlässigung wichtiger Details.

6 Diskussion der Ergebnisse 201

Es wird deutlich, dass die positiven Aspekte klar überwiegen, weshalb das Excel-

Tool insgesamt eine effiziente und effektive Möglichkeit zur phasenspezifischen Un-

terstützung der TRIZ- und szenariobasierten Technologiebewertung bietet. Gerade in

Verbindung mit den möglichen Optimierungen bzw. Verfeinerungen des methodi-

schen Konzepts (vgl. Kapitel 6.1) ist der Entwurf eines Tools fern von der Software

Microsoft Office Excel, welches insgesamt ein noch strukturierteres Interface zur Ver-

fügung stellt und gleichzeitig auch komplexe Rechenschritte – z.B. im Hinblick auf

mögliche Outranking-Verfahren im Rahmen der multikriteriellen Bewertung – be-

werkstelligen kann, durchaus in Erwägung zu ziehen.

202 7 Zusammenfassung

7 Zusammenfassung

Angesichts des globalen Wettbewerbs, der immer kürzer werdenden Produktlebens-

und Innovationszyklen sowie der wachsenden Anforderungen der Kunden an Quali-

tät, Kosten und Funktionalität, sind Unternehmen verstärkt auf zukunftsträchtige Pro-

dukte mit technologischem Vorsprung angewiesen. Eine gründliche Analyse des

Technologiemarkts zur frühzeitigen Identifikation sowie Bewertung geeigneter Tech-

nologien als richtungsweisende Grundlage für Technologieentscheidungen in der

strategischen Produktplanung und dem Ziel einer zukunftsorientierten Produktent-

wicklung gewinnt vor diesem Hintergrund immer mehr an Bedeutung (vgl. Kapitel

1.1). Zur Unterstützung solcher Technologieentscheidungen stehen den Unterneh-

men unterschiedliche Bewertungsmethoden zur Verfügung, die sich aktuell jedoch

aufgrund veränderter Rahmenbedingungen im Bereich der Technologieentstehung

sowie -entwicklung wesentlichen Problembereichen ausgesetzt sehen (vgl. Kapitel

1.2). Um der daraus resultierenden Forderung zur Erarbeitung einer zeitgemäßen

Bewertungsmethode entsprechend nachzukommen, wurden in Kapitel 1.3 drei we-

sentliche Fragestellungen abgeleitet, die – wie Bild 7.1 zeigt – im Laufe dieser Arbeit

schrittweise beantwortet wurden.

Bild 7.1: Beantwortung der zentralen Fragestellungen im Rahmen der Masterarbeit

?Fragestellungen

!Beantwortung

Was sind die Schwierigkeiten und Anforderungen einer

methodisch gestützten Technologiebewertung für eine

zukunftsorientierte Produktentwicklung?

Kapitel 2 & 3

Mit welchen Mitteln und prozessualen Strukturen in Verbindung

mit Analyseelementen bestehender Methoden zur

Technologiefrüherkennung und Technologiebewertung lässt sich ein

systematisches und rechnergestütztes, methodisches Konzept

entwickeln, das diesen Schwierigkeiten und Anforderungen gerecht

werden kann?

Kapitel 4

Erweist sich die erarbeitete Methode als tauglich für einen Einsatz

in der unternehmerischen Praxis?Kapitel 5 & 6

7 Zusammenfassung 203

Mit den Kapiteln 2 & 3 dieser Arbeit konnte zunächst ein theoretisches Fundament

geschaffen werden, das einen Einblick in den aktuellen Stand der Forschung lieferte

und im Anschluss die Herleitung von Schwierigkeiten bzw. Anforderungen einer me-

thodisch gestützten Technologiebewertung im Hinblick auf eine zukunftsorientierte

Produktentwicklung erlaubte. Dafür wurde vorab ein grundlegendes Verständnis zum

Technologiebegriff an sich sowie zur Unternehmensaufgabe des Technologie-

managements mit Fokus auf die beiden Instrumente der Technologiefrüherkennung

und -bewertung vermittelt. Durch die Einordnung der beiden Instrumente in die Pha-

se der strategischen Produktplanung zur gezielten Unterstützung von Technologie-

entscheidungen konnte zudem der Wirkungskreis der geforderten Methode abge-

steckt werden. Ein Einblick in die Thematik der multikriteriellen Bewertung sowie die

Vorstellung von Methoden aus Literatur und Praxis, die im Rahmen der Technologie-

früherkennung und Technologiebewertung verbreitet zum Einsatz kommen, komplet-

tierten schließlich den Stand der Forschung. Gemessen an den Anforderungen einer

multikriteriellen Bewertung wie auch den in der Einleitung geschilderten Problembe-

reichen einer Technologiebewertung konnten in der Folge gezielt Schwachstellen im

gegenwärtigen Methoden-Portfolio aufgedeckt und in konkrete Anforderungen an die

geforderte Bewertungsmethode überführt werden:

Strukturiertes und tool- bzw. rechnergestütztes Vorgehensmodell;

Integration von Elementen der Technologiefrüherkennung;

Produktspezifische Auslegung;

Systematisches und multikriterielles Bewertungsmodell.

Die Frage, mit welchen Mitteln, prozessualen Strukturen und Analyseelementen sich

die genannten Anforderungen in einem systematischen sowie rechnergestützten me-

thodischen Konzept vereinen lassen, wurde in Kapitel 4 beantwortet. Auf Basis der

Erkenntnisse aus den vorangegangenen Kapiteln wurden dazu bewährte Ansätze

der TRIZ-Methodik, der Szenario-Analyse sowie der multikriteriellen Bewertung mit

eigens entwickelten Analyseelementen zu einem durchgängigen methodischen Kon-

zept namens TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung verknüpft. Die Me-

thode umfasst dabei vier grundlegende Phasen mit insgesamt 12 Ablaufschritten und

orientiert sich an drei wesentlichen Leitmotiven:

Systemische Exploration zur Erforschung der Produkthistorie als Ausgangs-

punkt für die Ableitung von Systemtrends sowie die darauf aufbauende Erstel-

lung suchfeldspezifischer Szenarien zur Erfassung technologiespezifischer

Signale;

Bestimmung von potentiellen Technologieoptionen unter Berücksichtigung der

technologiespezifischen Signale;

204 7 Zusammenfassung

Multikriterielle Bewertung der Technologieoptionen hinsichtlich Technologie-

potential, Zukunftspotential sowie deren Realisierbarkeit durch das Unterneh-

men.

Mit dieser Ausrichtung wurde die TRIZ- und szenariobasierte Technologiebewertung

gezielt auf die systematische Unterstützung bei Technologieentscheidungen in der

strategischen Produktplanung ausgelegt, die auf eine frühzeitige, technologiebezo-

gene Anpassung bzw. Weiterentwicklung eines bestehenden Produkts im Hinblick

auf eine zukunftsorientierte Produktentwicklung abzielen. Die gewonnenen, techno-

logischen Erkenntnisse sollen Unternehmen in der Folge konkrete Anreize für mögli-

che Varianten- bzw. Änderungskonstruktionen oder sogar Neukonstruktionen liefern.

Mit dem Ziel darüber hinaus auch eine praktikable und reproduzierbare Anwendung

der Methode in der Praxis sicherzustellen, wurde mit der Software Microsoft Office

Excel abschließend ein strukturiertes und nachvollziehbares Tool erstellt, das den

Anwender bei der Ausführung der Methode phasenspezifisch unterstützt. Dieses

Tool verbindet dabei gezielt die wesentlichen Bestandteile eines DSS (Daten, Me-

thoden, Modelle und Dialogsystem) zu einem durchgängigen Ablaufmodell, das

letztendlich den kompletten Prozess der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-

bewertung abdeckt.

Der geforderte Nachweis der Praxistauglichkeit der Methode in Verbindung mit dem

entwickelten Excel-Tool erfolgte schließlich in den Kapiteln 5 & 6 anhand eines kon-

kreten Praxisbeispiels bei der SIEMENS AG sowie einer abschließenden Diskussion

der gewonnenen Erkenntnisse. Das Praxisbeispiel hatte zur Aufgabe, nach zu-

kunftsweisenden Technologien zur elektrischen und mechanischen Anbindung von

Leistungshalbleitern für Frequenzumrichter aus dem Niederspannungsbereich und

einem Leistungsbereich von 250 W bis 100 kW innerhalb der SINAMICS-Familie zu

suchen und diese abschließend hinsichtlich ihres Einsatzpotentials zu bewerten. Vor

diesem Hintergrund konnten mit Hilfe der TRIZ- und szenariobasierten Technologie-

bewertung neben den gegenwärtig eingesetzten Technologien (Schraubverbindung,

Selektiv-Löten, Federkontaktierung) auch zwei neue, alternative Technologieoptio-

nen (Pressverbindung, Power Chip Embedding) identifiziert und hinsichtlich Techno-

logie-, Zukunfts- sowie Unternehmenspotential bewertet werden. Auf Basis der Be-

wertungsergebnisse wurden letztendlich Handlungsempfehlungen für die einzelnen

Technologieoptionen abgeleitet, die der SIEMENS AG als richtungsweisende Grund-

lage für Entscheidungen über den Einsatz in künftigen Produktlösungen dienen. Als

potentieller Meilenstein in Richtung verstärkter System-Integration, Optimierung von

Energieeffizienz, Leistungsdichte und Usability sowie zur generellen Verbesserung

der Verbindungstechniken ist hier insbesondere das Power Chip Embedding zu nen-

7 Zusammenfassung 205

nen, für das im Hinblick auf einen serientauglichen Einsatz in Leistungsanwendun-

gen bei Frequenzumrichtern jedoch noch letzte verfahrenstechnische Fragen zu klä-

ren sind. Eine abschließende Diskussion der praktischen Eignung des methodischen

Konzepts sowie des Excel-Tools (inkl. Pilotstudie) erfolgte schließlich in Kapitel 6, in

dem gezielt auf positive und negative Erfahrungswerte sowie konkrete Verbesse-

rungsvorschläge hingewiesen wurde.

Mit der Erarbeitung des systematischen, methodischen Konzepts zur TRIZ- und sze-

nariobasierten Technologiebewertung unter Berücksichtigung der spezifischen Prob-

lembereiche bzw. Anforderungen im Rahmen einer zeitgemäßen Technologiebewer-

tung sowie der erfolgreichen Anwendung der Methode an einem konkreten Praxis-

beispiel aus der Industrie kann die übergeordnete Zielsetzung dieser Arbeit ab-

schließend als erfüllt betrachtet werden. Die TRIZ- und szenariobasierte Technolo-

giebewertung erweist sich dabei als nützliches Instrument zur Vorbereitung bzw. Un-

terstützung von Technologieentscheidungen in der strategischen Produktplanung mit

dem Ziel einer frühzeitigen und zukunftsorientierten Anpassung bzw. Weiterentwick-

lung eines bestehenden Produkts. Durch das implizierte Systemverständnis bietet sie

vor allem die Möglichkeit der gezielten Strukturierung bzw. Vereinfachung komplexer

Problemstellungen. Die bewusste Verknüpfung einer retro- und prospektiven Sys-

temanalyse liefert anschließend wichtige, technologiespezifische Signale innerhalb

eines Suchfelds, die wiederum entscheidend zur Identifikation neuer Technologieal-

ternativen anregen. Schließlich kann mit dem finalen, multikriteriellen Bewertungs-

modell eine objektive Beurteilung der identifizierten Technologiealternativen aus un-

terschiedlichen Perspektiven (Bewertungsdimensionen) umgesetzt werden, das die

gezielte Ableitung von Handlungsempfehlungen für Entscheidungsträger ermöglicht.

Ferner gewährleistet das entworfene Excel-Tool eine effektive und effiziente, rech-

nergestützte Anwendung der Methode in der Unternehmenspraxis.

206 8 Ausblick

8 Ausblick

Zum Abschluss dieser Arbeit wird noch einmal ausdrücklich darauf hingewiesen,

dass die „ideale“ Methode zur Technologiebewertung nicht existiert. Es ist vielmehr

notwendig, bestehende Methoden zur Technologiebewertung entsprechend ihrer

charakteristischen Stärken, Schwächen und Einsatzbereiche zu optimieren und in

ihrem Anwendungsaufwand beherrschbar zu gestalten (SCHNEIDER, 2002, S. 166).

Dies gilt folglich auch für die im Rahmen dieser Arbeit entwickelte Methode zur TRIZ-

und szenariobasierten Technologiebewertung. Die aus Kapitel 6 gewonnenen Er-

kenntnisse über diverse Problembereiche innerhalb des methodischen Konzepts so-

wie des Excel-Tools werden vor diesem Hintergrund noch einmal zusammengefasst

und liefern in der Summe einen richtungsweisenden Ausblick auf künftigen Optimie-

rungsbedarf:

Entwicklung eines zweckmäßigen, aber im Aufwand minimierten Modells zur

Auswahl der Schlüsseldeskriptoren im Rahmen der systemischen Exploration;

Untersuchungen bzgl. der Eignung von Recherchemethoden für die einzelnen

Merkmalsklassen mit dem Ziel einer insgesamt strukturierteren und geradlini-

geren Informationsbeschaffung im Rahmen der Beschreibung von Technolo-

gieoptionen;

Verstärkte Berücksichtigung von quantitativen Daten bei der Beschreibung

von Technologieoptionen im Hinblick auf eine erleichterte Potentialabschät-

zung bei der multikriteriellen Bewertung;

Verfeinerung des Bewertungsmodells durch Integration von Outranking-

Verfahren sowie die Modifikation bzw. Erweiterung der vorgegebenen Bewer-

tungskriterien;

Entwurf eines rechnergestützten Tools auf neuer Software-Basis mit verbes-

sertem Interface und den notwendigen softwaretechnischen Kapazitäten für

mögliche Modifizierungen am methodischen Konzept.

Die erwähnten Verbesserungsvorschläge zur TRIZ- und szenariobasierten Techno-

logiebewertung stützen sich aktuell nur auf die Erkenntnisse aus einer einzelnen An-

wendung der Methode am Praxisbeispiel der SIEMENS AG sowie einer simplen Pi-

lotstudie durch nur einen Testanwender. Demzufolge sind weiterführende, quantitati-

ve sowie qualitative Untersuchungen (Pilotstudie in größerem Umfang, Anwendung

8 Ausblick 207

der Methode in weiteren Projekten) für die Absicherung bzw. Vertiefung der Erkennt-

nisse zur Praxistauglichkeit – vor allem hinsichtlich des Nutzen-Aufwand-Verhält-

nisses sowie weiterer Verbesserungsvorschläge – dringlich zu empfehlen.

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220 Anhang A Sammlung der erweiterten TESE

Anhang A Sammlung der erweiterten TESE

Tabelle A: Erweiterte TESE in Anlehnung an ADUNKA, 2014, S. 319; Innovation Tool Academy, 2011, S. 154–441

Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe

Evolution entlang der S-Kurve

alle technischen Systeme durchlaufen die Phasen Einführung, Übergang, Wachstum, Reife, Degeneration

Einführung Übergang Wachstum Reife Degeneration

zunehmende Idealität

technische Systeme entwickeln sich in Richtung zunehmender Idealität

Verlauf der Idealität (Verhältnis zwischen Funktionalität und Kosten) entlang der S-Kurve

Übergang zum Supersystem

technische Systeme gehen im Lauf der Zeit zum Supersystem über

1: zunehmende Parameterunterschiede homogene Parameter vereinzelte Unterschiede totale Verschiedenheit 2: zunehmende Funktionsunterschiede gleiche Hauptfunktionen verschiedene Hauptfunktionen gegensätzliche Hauptfunktionen 3: zunehmende Integrationstiefe unverbunden teils verbunden teils getrimmt vollständig getrimmt 4: zunehmende Integrationsanzahl Mono-System Bi-System Poly-System

Vollständigkeit der Systemkomponenten

sukzessive Zusammenführung von Aus-führungsteil, Übertragungsteil, Energie-quelle und Kontrollteil zu einem vollstän-digen technischen System

Integration von Ausführungsteil Integration von Übertragungsteil Integration von Energiequelle Integration von Kontrollteil

abnehmende menschliche Interaktion

technische Systeme entwickeln sich so, dass immer weniger menschliche Inter-aktionen notwendig sind

Wegfall von übertragenden Tätigkeiten Wegfall von versorgenden Tätigkeiten Wegfall von kontrollierenden Tätigkeiten Wegfall von Entscheidungen

Anhang A Sammlung der erweiterten TESE 221

Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe

zunehmende Koordination

verbesserte Abstimmung zwischen den Systemkomponenten im Lauf der Zeit

1: Koordination der Form A: identische Formen B: selbst-kompatible Formen C: kompatible Formen D: spezifische Formen 2: Koordination der Rhythmik A: identische Rhythmen B: ergänzende Rhythmen C: spezifische Rhythmen 3: Koordination der Materialien A: identische Materialien B: ähnliche Materialien C: inerte bzw. neutrale Materialien D: Materialkombinationen E: gegenläufige Materialien 4: Koordination der Arbeitsschritte A: von 3D zu 0D B: von 0D zu 3D 5: Koordination der Parameter A: Parameterart AA: identische Parameter AB: verschiedene Parameter AC: interne Parameter AD: interne und externe Parameter B: Koordinationsart eingeschränkte Koordination vermittelte Koordination Selbst-Koordination

zunehmende Kontrollierbarkeit

verbesserte Steuerbarkeit der System-komponenten im Lauf der Zeit

1: zunehmender Kontrollgrad unkontrollierter Zustand starre Kontrolle Kontrolle mit Eingriffsmöglichkeit externe Systemkontrolle Selbst-Kontrolle 2: zunehmende Anzahl an Kontrollstufen einstufig mehrstufig dynamisch instabil

222 Anhang A Sammlung der erweiterten TESE

Trend Bedeutung Subtrends, Sub-Subtrends, Verläufe

zunehmende Dynamisierung

verbesserte Dynamik der Systemkompo-nenten im Lauf der Zeit

1: Dynamisierung des Designs A: Dynamisierung von Stoffen Monolith-System zusammengesetztes System eingelenkiges System mehrgelenkiges System elastisches System pulverförmiges System flüssiges System gasförmiges System feldförmiges System B: Dynamisierung von Feldern konstantes Feld Gradienten-Feld variables Feld pulsierendes Feld Resonanz-Feld Interferenz-Feld 2: Dynamisierung des Aufbaus Monolith-Aufbau Platten-Aufbau Borsten-Aufbau beweglicher Aufbau durchlässiger Aufbau 3: Dynamisierung der internen Struktur A: linear zu nicht-linear B: einschichtig zu vielschichtig 4: Dynamisierung der Funktionen

ungleichmäßige Entwicklung von

Systemkomponenten

ungleichmäßige Weiterentwicklung der Systemkomponenten im Lauf der Zeit

Fokus auf ausführende Komponenten Fokus auf unterstützende Komponenten Fokus auf unwichtige Komponenten

zunehmender Trimm-Grad

die Anzahl an Bestandteilen technischer Systeme nimmt bei gleichbleibender oder gar verbesserter Funktionalität im Lauf der Zeit ab

1: Eliminieren von Subsystemen aus Übertragungsteil aus Energiequelle aus Kontrollteil aus Ausführungsteil 2: Eliminieren von Arbeitsschritten korrigierende Arbeitsschritte unterstützende Arbeitsschritte ausführende Arbeitsschritte 3: Eliminieren von unwichtigen Teilen

zunehmende Fluss-Optimierung

verbesserte Flussraten/-eigenschaften von Energie, Stoffen und Informationen

1: Verbesserung nützlicher Flüsse A: Erhöhung der Leitfähigkeit B: Verbesserung der Nutzung 2: Milderung negativer Flüsse A: Reduktion der Leitfähigkeit B: Reduktion der Wirkung

Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel 223

Anhang B Verzeichnis Excel-Tool_Praxisbeispiel

B.1 Vorbereitungsphase

B.1.1 Untersuchungsrahmen

B.1.2 Systemtechnische Strukturierung

B.2 Systemische Exploration

B.2.1 Gestaltung des Trendmodells

B.2.2 Erstellung des Szenariofelds

B.2.3 Einflussanalyse

B.2.4 Erstellung von Zukunftsprojektionen

B.2.5 Szenariobildung

B.3 Bestimmung von Technologieoptionen

B.3.1 Technologieidentifikation

B.3.2 Beschreibung der Technologieoptionen

B.4 Multikriterielle Technologiebewertung

B.4.1 Aufbereitung der Bewertungskriterien

B.4.2 Multikriterielle Bewertung

B.4.3 Ableitung von Handlungsempfehlungen

224 Anhang C Verzeichnis Datenträger

Anhang C Verzeichnis Datenträger

01_Masterarbeit (Abgabeversionen)

02_Abbildungen_Masterarbeit

03_Literatur_Masterarbeit

01_Einführung

02_Stand_der_Forschung

03_Ableitung_Handlungsbedarf

04_Methodisches_Vorgehen

05_Praxisbeispiel

06_Diskussion

07_Zusammenfassung

08_Ausblick

Hinweise

04_Excel-Tool

01_Arbeitsanweisungen

Excel-Tool

Excel-Tool_Praxisbeispiel

Passwort_Excel-Tool

05_Recherche_Praxisbeispiel

01_Eigenrecherche

02_Literatur_Praxisbeispiel

Anhang D Datenträger 225

Anhang D Datenträger

226 Anhang E Lebenslauf

Anhang E Lebenslauf

Persönliches: Florian Heid

geboren in Neustadt an der Aisch

am 16.02.1989

ledig

Berufserfahrung: 03/2009 – heute Werkstudent der Rudolf Wöhrl AG,

Buying Support, Nürnberg

08/2014 – 01/2015 Masterand der Siemens AG,

Drive Technologies, Erlangen

11/2011 – 11/2011 Praktikant der Bühler Motor GmbH,

Metrology, Nürnberg

09/2008 – 09/2008 Praktikant der Jacob Composite GmbH,

Forschung & Entwicklung, Wilhelmsdorf

07/2008 – 08/2008 Praktikant der Rudolf Wöhrl AG,

Controlling, Nürnberg

Studium: 10/2012 – heute Master-Studium im Fach Wirtschafts-

ingenieurwesen,

Friedrich-Alexander-Universität,

Erlangen-Nürnberg

10/2008 – 10/2012 Bachelor-Studium im Fach Wirtschafts-

ingenieurwesen,

Friedrich-Alexander-Universität,

Erlangen-Nürnberg

Anhang E Lebenslauf 227

Schulbildung: 09/1999 – 07/2008 Friedrich-Alexander-Gymnasium,

Neustadt an der Aisch,

Abschluss: Abitur

09/1995 – 07/1999 Grundschule,

Emskirchen

Kenntnisse: Sprachen Deutsch (Muttersprache)

Englisch (fließend)

EDV Java, HTML, XHTML,

Eclipse, Pro/ENGINEER, Solid Edge,

MS Office