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223 111. Ueber das Verhalten der isolirenden h i - schenschicht eines Condensators; . won Wilhelm WOR Rezold. In den Btinden CXIV und CXXV dieser Annalen habe ich zwei Abhandlungen veri)ffentlicht, welche sich auf das Ver- halten der isolirenden Zwischenschicht eines Condensators beziebeu '). Das Resultat derselben war, dafs die von K o h l r a u s c h vertretene Ansicht, nach welcher sich das eigenthumliche Verhalten dieser Schicht, uhd die durch sie bedingten Erscheinungen der sogenannten Riiclistandsbildung aus einem polaren Zustande der Glastheilchen erkllren sollen, mit gewissen Thatsachen nicht vereinbar sey, und d a t man deshalb versuchen miisse, den ganzen Vorgang aus. dem Ein- dringen der Elektricitat in den Isolator zu erkllren. Diese Behauplung hat voa zwei Seiten her Angriffe er- fahren, nsmlich von C l a u s i u s l ) und in jungster Zeit von Schwedoff '). Wenu ich es bisher unterliefs, mich gegen die ersteren zu vertheidigen, so lag der Grund einfach darin, dafs ich einem so bedeutenden Forscher wie C la us iu s nicht gem mit blofsen matheinatischen Betrachtungen ant- worten, sondern abwarten wollte, bis ich im Stande wtire, jeden einzelnen Schlufs mit schlagenden Versuchen zu bele- gen. Da aber nun von der andern Seite ein vie1 sttirkerer Angr8 erfolgte, ja sogar behauptet wurde, dak die Hypo- these des Eindringens selbst von ibren Vertretern, worunter wohl ich verstanden bin, kaum klar begiffen sey, so will ich wenigstens mit einer vorlaufigen Entgegnung nicht kin- ger zi)gern. Vor Allem gebe ich zu, dafs die von Clausius erho- 1) Die ersterr Ahhandlung ist ein Ausrug aus meiner Dissertation: Zur 2) Abhandl. iiber die mechan. Warmetheorie: Zweite Abtheilung S. 135 3) Diese Annalen Bd. CXXXV, s. 418 bis 437. Tlieorie des Condelisatore. Gottingen 1860. bis 163.

Ueber das Verhalten der isolirenden Zwischenschicht eines Condensators

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Page 1: Ueber das Verhalten der isolirenden Zwischenschicht eines Condensators

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111. Ueber das Verhalten der isolirenden h i - schenschicht eines Condensators; .

won W i l h e l m W O R R e z o l d .

I n den Btinden CXIV und CXXV dieser Annalen habe ich zwei Abhandlungen veri)ffentlicht, welche sich auf das Ver- halten der isolirenden Zwischenschicht eines Condensators beziebeu '). Das Resultat derselben war, dafs die von K o h l r a u s c h vertretene Ansicht, nach welcher sich das eigenthumliche Verhalten dieser Schicht, uhd die durch sie bedingten Erscheinungen der sogenannten Riiclistandsbildung aus einem polaren Zustande der Glastheilchen erkllren sollen, mit gewissen Thatsachen nicht vereinbar sey, und d a t man deshalb versuchen miisse, den ganzen Vorgang aus. dem Ein- dringen der Elektricitat in den Isolator zu erkllren.

Diese Behauplung hat voa zwei Seiten her Angriffe er- fahren, nsmlich von C l a u s i u s l ) und in jungster Zeit von S c h w e d o f f '). Wenu ich es bisher unterliefs, mich gegen die ersteren zu vertheidigen, so lag der Grund einfach darin, dafs ich einem so bedeutenden Forscher wie C l a u s i u s nicht gem mit blofsen matheinatischen Betrachtungen ant- worten, sondern abwarten wollte, bis ich im Stande wtire, jeden einzelnen Schlufs mit schlagenden Versuchen zu bele- gen. Da aber nun von der andern Seite ein vie1 sttirkerer Angr8 erfolgte, ja sogar behauptet wurde, dak die Hypo- these des Eindringens selbst von ibren Vertretern, worunter wohl ich verstanden bin, kaum klar begiffen sey, so will ich wenigstens mit einer vorlaufigen Entgegnung nicht kin- ger zi)gern.

Vor Allem gebe ich zu, dafs die von C l a u s i u s erho-

1 ) Die ersterr Ahhandlung ist ein Ausrug aus meiner Dissertation: Zur

2) Abhandl. iiber die mechan. Warmetheorie: Zweite Abtheilung S. 135

3) Diese Annalen Bd. CXXXV, s. 418 bis 437.

Tlieorie des Condelisatore. Gottingen 1860.

bis 163.

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benen Einwiinde in gewisser Hinsiclit vollkoinmen berechtigt, und aus einem elnfachen Mifsverstandnifs uber den End- zweck meiner bisher fiber diesen Gegenstand verbffentlichten Abhandlungen entstanden sind. Er sagt namlich linter an- derem: uhsbesondere scheint es mir, als ob gerade iiber die wesentlichste Frage elwas zu k u n hinweggegangen sey, ngm- lich iiber die, ob sich uberhaupt aus dem Eindringen der Elektricitgt die Entstehung eines Ruckstandes, welcher nach einiger Zeit wieder hervarfritt, und eine der ursprlinglichen Ladung gleichartige und nur der Starke nach geringere La- dung bildet , erklaren lasse m. Diesem Urtheile pflichte ich vollkommen bei, und habe dagegen nur zu bemerken, dafs ich in jener Abhandlmg den genannten Punht nicht als den wesentlicbsten ansah, sondern den ganzen Aufsatz blos als Verlgufer splteter Arbeiten betrachtete, deren Abschluls und Veraffentlichung sich freiIich durch verschiedene iiufsere Hin- dernisse ungebiihrlicb hinauszog. Deshalb verfolgte ich da- mals nur den, vielleicht nicht deutlich genng ausgesproche- nen Zweck, das Unhaltbare der Kohlrausch’schen Ansicht danuthun, wiihrend Alles auf den Ersatz derselben durch eine neue Hypothese beziigliche nur den Charakter *on An- deutungen an sich tragr.

Auch der zweite Einwurf, dafs die a. a. 0. mitgetheilteb Versuche sich nicht sowohl auf die Bildung des Ruckstan- des als vielmehr auf die allmahlige Abnahme der disponiblen Ladung beziehen, ist insofern begriindet, als beide Arten von Erscheinungen stillschweigend als eng zusamuienhiingend angesehen wurden. Die innigste Beziehung beider PhBao- mene wurde gcljion von K o h l r au s c h vorausgeseht, Ond theilweise durch das Experiment bewiesen, ufid da auch meine Versuche hiermit nirgends im Widerspruche standen, so schien es mir im Einklange mit K o h l r a u s c h vor Allem wichtig, das Gesetz fur die Abnahme der Ladung zu er- forschen.

So gerne ich aber auch diefs Alles zugebe, so mufs ich in der Sache selbst doch fest auf meinem fruheren Stand- punkt beharren. Im Folgenden will ich versucben, diefs weiter zu begriinden.

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5. 1. In den genannten Abhandlungen habe ich vorzugsweise

twei Thatsachen hervorgehoben, welche mir mit der Kohl- rausch'schen Hypothese durchaus unvereinbar schienen Die eine dieser Thatsachen war der bedeutende Einflufs diin- ner Schicbten fremder Kbrper zwischen Belegung und Iso- lator auf den Gang der disponiblen Ladung, die andere der W u f s der Plattendicke bei gleichem Materiale.

Weder C laus ius noch Schwedof f haben diese beiden gewichtigen Einwiirfe, welche fiir mich maatgebend waren, um die Koh l ra usch'sche Theorie zu verlassen, boachtet. Diese Einwiirfe lassen sich aber gerade aus den von C l a u - s i u s aufgestellten Formeln mi t Leicb tigk ei t ableiten.

C laus ius stellt urmlich fur die Potentialniveau-DSe- renz die Formel auf:

v+ u- P- u= e g ( V - 1 R vt) wo Y und V' die Werthe der Potentialfunktion sind, inso- fern sie von den auf den Belbgungen befindlichen Elektri- citatemengen herriihren, wlihrend U und CJ' die Potential- fanctionen jener Mengen sind, welche sich im Innern des Isolators belinden. Der Bucbstabe g bedeutet den Brucb- tbeil der gegebenen Masse, welcber von den leitenden Kar- percben eingenommen wird.

Uebersetzt man diese Formel in die Koblrausch'sche Anschauungsweise, d. h. fiihrt man die Elektricitrtsmengen ein, welrhe bei Verbindung der Belegungen mit der Erde in die letztere iiberstr&men, und nennt man sie die dispo- nible Ladung L, so erhslt man flir den Grlnzzustand, wel- chem sich dieselbe n&hern 5011, den Werth

Z = ' - g L , , 1+2g

wo Lo die disponible Ladung im Momente der ersten Mit- theilung derselben ist.

Die Beschrhkung auf diesen Grtmzzustand, dessen Exi- stenc ich nach rueiueu Erfahrungen sehr in Zweifel ziehen

Pomcndorffs hnnnl. Bd. CXXXVII. 15

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mu&, ist iibrigeiis ganz unnbthig. derselben Tafel nach K o h l r a u s c h

L, = Lo F t wo F t eine Function der Zeit ist, so braucht man nur g = f t , d. h. ebenfalls gleich einer anderen durch erstere bestimmten Function der Zeit zii setzen, uni die Betrachtun- gen zu verallgemeinern.

Denkt man sicb nun eine Tafel von der nfacben Dicke mit der Anfangsladung Lo* = n Lo, welcher die Potentialni- veaudifferenz 2 n Vo entspricht, so ist die Kraft X, welche auf irgend ein Tbeilchen im Innern des Isolators ausgeiibt wird

Da ntimlich bei ein und

x=-=vo n vo nt c

wenn die Dicke der ersteren Tafel 2s und die Potentialni- veaudifferenz 2 V , war I).

Diese Kraft ist also bei beiden Tafeln genau die gleiche. Bestehen nun beide ails demselben Material, so m u 8 bei beiden in gleichen Voluintheilen durch die gleiche Kraft in gleicher Zeit die gleiche Vertinderung hervorgerufen werden, es miissen die hypothetischen leitendeu Kbrperchen in glei- chen Zeiten die gleiche Grbfse erreichen, d. h. es mufs in beiden Fallen

seyn.

oder

d. i. genaii dieselbe Formel wie oben. Diese VorsteHung fordert demnach, dafs der Gang der

disponiblen Ladung won der Dicke der Tafeln unabhangig sey, so lange iiberhaupt diese Dicke gegen die ubrigen Ui- mensionen oerschwindend klein bleibt.

Diefs Resultat ist aber genau dasselbe, zu welchem ich auf S. 423 der erst citirten Abhandlung auf ganz anderem Wege gelangt war.

9 = f t Man hat demnach bei der zweiten Tafel

L,* = n L o . F t

L,* = L,* F t

1) Die Walil dieser Brzeichnuogswaise wild spIter ihre Begriindung finden.

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227

Ebenso kann man aus der Clausius'schen Formel den Einflufs des Bindemittels, mit dem die Belegungen auf den Isolator befestigt sind, herhtislesen.

Das Verbalten desselben ist n8mlich jedenfalls zwischen die zwei Grkinzhlle eines vollkommenen Leiters und eines vollko&enen Isolators eingeschlossen. Nimmt man nun zuerst an, das Bindemittel sey ein vollkommener Leiter, so hat man es eben einfach mit einer etwas dlinneren Tafel zu thun. Das Gesetz fiir die Abnabme der disponiblen La- dung kann demnach von einem solchen Bindemittel in kei- ner Weise beeinflufst werden. Gesestzt aber, das Binde- mittel sey ein vollkommener Isolator, so bleibt doch die Scheidqskraft, welche nach Mittheilung der Ladung anf ein Theilchen im Innern des Glases ausgetibt, und durch 5 ausgedriickt wird, die nkimliche wie bei einer Tafel, bei welcher das Glas dicht an den Belegungen anliegt. Der gante Unterschied gegen das Verhalten einer Tafel der letz- teren Art mufs mithin darin bestehen, dafs in dieser sehr dIinnen Schicht keine Scheidung eintritt. Dieser Umstand kann aber in dem Werthe von U und U' nur Aenderungen

c1 von der Ordnung heworbringen, wenn er die Dicke des

Bindemittels ist, d. h. nur einen verschwindend kleinen Em- flufs aufsern.

Mithin fordert die Annahme, dafs die Ruckstandsbildung blofs eine Folge der durch die elektrische Fernwirkung her- vorgerufenen molekularen Scheidungen sey, unbedingt, dafs das Gesets der Erscheinung con der Natur eines in sehr diinner Schicht swischen Glas und Belegung angebrachten Bindemittels nicht beeinflu/& werde.

Schon in der ersten der genannten Abhandlungen habe ich Versuche mitgetheilt , welche dieser Folgerang wider- sprechen. Ebenso habe ich mich durch weitere Experimente davon tibeneugt, dafs auch die Dicke der Tafeln durchaus nicht ohne Einflufs auf das Gesetz der Abnahme der dispo- niblen Ladung ist, und dafs mithin auch diese Consequenz

15 *

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aus der Kohlrausch'schen Theorie durcli die Thatsachen widerlegt wird.

Urn wenigstens eine einigermaafsen prlcise Vorstellung von dem Einflusse der Platlendiclie zu geben, lasse ich hier eine Versuchsreihe folgen, welche init den Fr a n k 1 i n'schen Tafeln ausgefiihrt wurde, von welcheu ich in rneiner zwei- ten Abhandlung gesprochen habe. Die Platten waren slmmt- lich aus einem Hafen geblascn und in gleicher Weise ge- kiihlt. Sic sind von rechteckiger Gestalt und mit Stanniol- belegungen von 162,2""" Durchmesser versehen. Die Bele- gungen wurden mit etwas Eiweifs bcfestigt. Der von den Belegungen freigelassene Theil wurde auf der einen Seite in der Hitze mit Schellack uherzogen, wid durch Versuche die Ueberzeugung gewonnen, dafs die Isolation des Randes als eine vollkommene betrachtet werden durfte.

Eiue Batterie von vier grofsen Flascheu wurde zu einem bestimmten Potentialwerth geladen, der nach dern von mir gewlhlten Masfse 10,40 betrug, hierauf durch einen Com- mutator eine sehr kurz aiidaoernde Verbindung mit den Platten hergestellt, . und von diesem Aiigenblicke an der Gang der Potentialfunction beobachtet.

Die Resultate der Beobachtungen sind in den folgenden Tabellen niedergelegt, in welchen die erste Columne die Zeit in Secunden, die zweite die disponible Ladung giebt.

t 0

35 61 70 82 94

106 112 117 125 131

LI (9,601 3,27 2,74 2,57 2,40 2,24 2 , l l 2,05 1,98 1,92 1,86

1) Tafel I. Glasdicke 3,76mm.

139 3,79 146 1,73 155 1,67 165 1,60 174 1,54 185 1,48 194 1,41 205 1,36 219 1,28 226 1,25 234 1,22

t L . t L, 240 1,19 248 1,15 256 1,12 264 1,06 273 1,04 283 1 , O l 295 0,97 306 0,93 318 0,89 333 0,85 316 0,81

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t Ll t Lt t t r

360 0,76 427 0,61 511 0,44

403 0,66 475 0,so 610 0,31 380 0,71 445 0,55 554 0,37

2) Tafel 11. Glasdicke 3,13mm.

t Lt I LC t Ll

128 ') 1,79 215 1,25 348 0,76 0 (9946) 207 1,28 334 0,81

140 152 163 171 177 183 189 195 201

t 0 40 56 69 76 81 87 95 100 103 106 111

1,70' 1,60 1,54 1,48 1,45 1,41 1,38 1,35 1,32

221 229 237 253 262 272 284 298 309

I ,22 1,19 1,15 1,08 I ,04 1,Ol 0,97 0,93 0,89

3) Tafel 111. Glaedicke 2,12.

Ll t Lt (9,261 116 1,32 2,24 120 1,28 1,92 125 1,25 1,76 130 1,22 1,67 135 1,19 1 ,60 141 1,15 1,54 147 1,12 1,48 152 1,08 1,45 158 1,04 1,41 165 1,Ol 1,38 172 0,97 1,35 183 493

362 385 406 430 458 494 540 600

t 189 196 211 223 236 248 268 288 311 340 37 1 418

0,7 1 0,66 0,6 I 0,55 450 (444 0,37 0,31

L, 0,89 0,85 0,51 0,76 0,7 1 0,55 0,61 0,55 0,50 0,44 0,37 0,31

1) Bei dicser Beobachtunbsreiha geland es nicht friiher, eioe sichere Ein- stellung zu machen.

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4) Tafel IV. Glasdicke 1,65.

t L,

46 1,70 60 1,45 75 1,28 86 1,19 94 1,12 102 1,04

0 (8,681 t 109 119 126 132 141 149 155

L* t LC I ,01 165 0,66 0,93 176 0,6l 0,89 191 0 8 5 0,85 201? 0,50 0,81 206 0,44 0,76 0,7 1

Diese Zahlen zeigen aufs Klarste, dafs das Gesetz bei verschieden dicken Tafeln ein ganz verschiedenes ist. Hier- bei sind fiir t = O jene Werthe der disponiblen Ladung angesetzt, welche man erhalten baitte, wenn wrlhrend der Verbindung zwischen Batterie und Tafel keine irgend er- heblichen Veriinderungen im Isolator vor sich gingen. Urn sie zu ermitteln, wurde durch Verbindung der Batterie mit einem Luftcondensator zuerst die Capacitait der erateren be- stimmt, dann die Capacitaiten der Tafeln unter der Voraus- setzung vollkominener Isolation, rind daraus die Anfangsla- dungen Lo berechnet, welche solchen Tafeln bei der Ver- bindung mit der Batterie ertheilt wurden. Controlbeobach- tuogen iiber die Tbeilung der cadung zwiscben dem Luft- condensator und den Tafeln zeigten aber, dafs man selbst wlhrend der aufserordentlich kurzen Zeit der Verbindung, die nur Bruchtheile von Secunden betrug, den Isolator nicht als vollkommen ansehen darf, sondern daf wghreud dieser Zeit betriichtliche Mengen von Elektricitat verschwinden. Die wahre Anfangsladung Lo kann deshalb erst durch ein zusammengesetztes System von Messungen ermittelt werden, von welchen bei einer anderen Gelegenheit gesprochen wer- den soll. Ueberhaupt zeigteii sich im Laufe der Zeit be- deutende Versnderungen der Curven, deren Ursachen ich noch nicht angeben kann.

Hier genugt es nachzuweisen, dafs die Tafeln trotz des gleichen Materials ganz verschiedenen Gesetzen fIir die Ab- nabme der disponiblen Ladung unterworfen sind , welche

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sich nicht aus bloiser Verschiedenheit der Anfangsladung erklliren lassen.

hgesichts dieser Thatsachen bleibt durchaus nichts an- deres Ubrig, als die Hypothese der molekularen Scheidungen zu verlassen und eine andere Erklarung der Riickstandsbil- dung zu suchen.

8. 2. Es liegt nun am nachsten, von der Annahme von Mole-

kularbewegungen auf jene endlicher Bewegongen iiberzuge- hen, und zu fragen, ob nicht solche Bewegungen der Elek- tricitiit im Innern des Isolators- den Erscheinungen eu Grunde liegen.

So mannigfaltige Gesetze sich aber auch fiir derartige Bewegungen denken lassen, so zerfallen sie doch immer in zwei Klassen :

Entweder ist die Dicbtigkeit der freien Elektricitait im Innern immer null, d. h. die Bewegungen sind denselben Gesetzen unterworfen, wie im Leiter, wo man in jedem kleinsten Theilchen fortgesetzte Trennung und’ Wiederver- bindung der beiden Elektricitsten annimmt, ‘oder die Dicb- tigkait hat einen endlichen Werth, d. h. es befindet aich freie ElektricitHt im Innern. Im ersteren Falle kana man sagen, die Elektricitat dringt durch den Isolator, im letzte- ren, sie dringt in denselben ein.

Wir wollen beide Hypothesen mathematisch formuliren und zu dem Ende folgende Bezeichnungen eidiihren:

Bei einer F r a n k l i n’schen Tafel mit unendlich grofsen, ebenen, parallelen Belegungen vom Abstande 2 E wghlen wir den Mittelpunkt einer auf beiden Belegungen senkrech- ten Geraden zum Ursprung eines rechtwinkligen Coordina- tensystems, die Gerade selbst als Axe der X. Die Poten- tialfunction an irgend eiuer Stelle werde durch V bezeich- net, und zwar zur Zeit t durch V,, waihrend t im Momente der Ladang gleich 0 seyn SOU. Die Ladung denken wir durch momentane Mittheilung gleich grofser, aber entgegen- gesetzter Elektricittitsmengen an beide Belegungen vorgenom-

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men.l) Dann hat V in jeder den Belegungen parallelen Ebene einen constanten Werth, da die Belegungen selbst immer Niveauflachen bleiben miissen, und wegen der voll- kommenen Gleichwerthigkeit aller darauf senkrechten Gera- den auch alle Parallelebenen Niveauflachen sind. V, ist mithin blos eine Function von x and t , und zwar entspre- chen den Abscissen +x und - x gleich groke aber ent- gegengesefzte Werthe von V. Die Werthe, welche die Function V in den Belegungen selbst annimmt, seyen + P und - V', und dem entsprechend gilt im Augenblicke der Ladung ffir die Kraft X, welche die anf den Belegungen befindlichen Elektrkitatsjnengen atif ein Theilchen im In- nern des Glases, d. h. auf die daselbst concentrirt gedachte Einheit positiver Elektricitet ausiiben , die Gleichung :

eine Formel, von welcher schon oben Gebrauch gemacht wurde.

Daa Voneichen der Potentialfunction will im Einklang mit C l a u s i u s far positive Elektricitltsmengen negativ wRh- len, wodurch die Formeln zum Theil das entgegengesetzte Vorzeichen von jenen annehmen, welrhen man in der Lehre von der Attraction ponderabler Massen begegnet.

D i e t vorausgesetzt, werden in dem bekannten Auadrucke fiir die Dichtigkeit

1) W i l l man die Betraclrtungen von der unendlich grofsen Tafel anf eine mit kreisffirmigen Belegungen vom Radius R hbertrrEen, oder an die Stelle der Voraussetzung gleichgrofser aber ungleichnamiger E1ektricit;iu- mengen die rndere setzen, daL die eine Beleguog steu mit dcr Erde in Verbindung bleibe, so begeht man in beiden Fillen our Fehler von

der Ordnung L, Ich setce tberhaupt die Arheiten von G r e e n hier H als bekannt voraus, ich selbst habe mich zur Ableitung der Resultate ronngsweise der geometrischen Methode bedieot, welche icb in meiner Habilitationssclirift : aUrber die pliysikalische Bedeutung dcr Potential- function* Miinchen 1561 ausfihrlicher dargelegt hnbe.

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Die beiden letzten partiellen Differentialquotienten =O und die Formel reducirt sich aiif

Gesetzt nun, der Isolator unterscheide sich von einem Lei- ter nur dnrch einen iinvergleichbar vie1 grbfseren Wider- stand, so miitte stets 8 = 0 seyn, nnd mithin auch

x-.!? c

Die durch die Oberfllcheneinheit einer NiveauflPche in dem Zeitelemente d t im positiven Sinne strbmeude Elektricitats- menge d q aber ware

dq = il Xdt,

wo 1 die Leitungshihigkeit der Substanz bezeicbnet. Auf der Oberfllchencinheit der Belegringen befinden sich

die Mengen

wo sich das obere Zeichen auf die Beleguog mit der Ab- scisse + E , das untere auf jene mit der Abscisse - B be- zieht.

Diese Mengen vermindern sich eber ihrem absoluten Wertbe nach in jedew Zeitelemente drirch die zustramen- den entgegengeeetzten Elektricitgtsmengen um d q , so dafs man erhtilt fur x = + &

del= L X d t oder da

d X de'= - - 4 n

x - - - 4 a L d t

- 4 x l t X = c e und schliefslich

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Da nun unmittelbar nach der Ladung also f i r f=O, V'= I", ist, so geht die ganze Formel uber in

oder nach Koblrauecb'scher Schreibweise in

4 n l t V', = V,e-

- 4 n l t L, = L,e Die t were das Gesetz fur den Gang der disponiblen

Ladnng nach der eben aufgestellten Hypothese. Ein Blick auf die Beobachtungsresultate zeigt , d a t es dem wahren Sachverhalte nicht entspricht.

Auch ware nach dieser Anschauung das Wiederauftreien zron Riickstiinden unmoglich. L)a nimIich die ganze Po- tentialfunction im vorliegenden Falle nur von den auf den Belegungen befindlichen Elektricitiitsmengen herruhrt, und diese bei der Verbindung mil der Erde vollkommen neutra- lisirt werden, so tritt sofort nach der Entladung ein Gleich- gewichtszustand ein, und es ist solnit zum Wiederauftretea von Riickstinden in keiner Weise Gelegenheit geboten.

Trotzdem ist es vielleicht nicht uninteressant, darauf hin- zuweisen, dafs der Mange1 von Rtickstiinden im vorliegen- den Faile, doch nur ein ganz specieller Fall des Wiederauf- tretens solcher Riickstiinde ist, nach dem von mir auf S. 32 meiner Dissertation, oder S. 425 des Auszuges als wahr- scheinlich hingestellten Gesetze. Dort wurde niimlich ange- geben, dafs man das Wiederaiiftreten von Ruckstanden er- kltiren kbnne, wenn man die Entladung dadurch bervorge- bracht denke, dafs entsprechende Mengen entgegengesetzter ElektricitHt den Belegungen zugefuhrt werden, lrad 1 dafs diese alsdann genau die Rolle einer neuen aber entgegenge- setzten Ladung spielen, also nach demselben Gesetze ab- nehmen, wie die erste Ladung, welche ihre Abnabme unge- st8rt fortsetzt. Mit anderen Worten, es wurde eine Art von Interferenzprincip, von Uebereinanderlegnng der beiden Vorgtinge angenommen. In Formeln stellt sich die Sache folgendermaafsen dar: gesetzt man entlade zur Zeit 1, und suche nun zur Zeit t > tl , den Werth der disponiblen La- dung, so wiire nach der genannten Voraussetzung:

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L, = Lo F t - L,, P(t - t,) = Lo F t - L,Ft , F ( t - t l )

L , [Ft - F t , F( t - t,)] -?%At - 4 z l t , -4x1(1--t,)

- 4 x 1 t Setzt man hierin F t = c so kommt :

3 L,= ~ , [ e - e e d. h. L,=O

Whhrend demnach bei anderen Formen der Function F t gleichnamige, bei no& anderen ungleichnamige Ruck- ethde auftreten wtirden, hiitte man im vorliegenden Ge- setze den zwischen beiden befindlichen Granzfall vor sich.

4. 3. Nach dieser Abschweifung kehren wir wieder zu unserer

eigeutlichen Aufgabe zurUck, und versuchen, ob durch die Annahme, dafs im Innern der Isolatoren freie Elektricitat 1)

vorhanden seyn kame, eiue bessere Uebereinstiznmuag mit den Thatsachen zu crraichen sey.

Diese Hypothese, nach welcher allmtihlig freie Elektrici- trt im Innern des Isolators auftrilt, diese ist es, welde ich als Hypothese a des Eindringens (I bezeichne.

Ein solcbee Eindringen kann man nun nacb uneadlich vielcn vcrochiedenen Gesetzen vor sich geheiid denken; im- mer eber sind es auch hier wieder zwei Haapthllle, welche man zia unterecheiden hat.

Entweder entspriagt die bewegende Kraft nur aua der elektrostatischen Fernwirkung der einzelnen Elektricit8tsmen- gen aufeinander, und der Isolator spielt einfach die Rolle eines widerstehenden Mittels, ghnlich wie Luft oder Wasser gegenQber einem fallenden Steine, oder es iat auch das G e setz der Weckselwirkung der im Isolator vertheilten Massen ein anderes als im Leiter.

In lehterer hinsicbt erinnere ich nur daran, dafs z. B. ein der Wtirmebewegung analoger Vorgang iihnliche Erschei- nungen zur Folge haben mufs, wie die bei der Riickstands- 1) Untcr frti verstehc icti hier, dab eiii Uebcrschurs der einen ElekvicitPt

&rr &c r n b r e varlrandeo scy.

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bildong beobachteten. Gesetzt etwa, man bringe auf eine Glasplatte, welchc selbst arif einer Unterlage von constan- ter niedriger Temperatur licgt , eine heifse Metaflplatte, so wird die Wlrme in das Glas eindringen. Nimmt man nun nach einiger Zeit die warme Platte weg, und legt man eine kalte an deren Stelle, so wird die ins Glas ubergegangene WIrme zum Theil ihre Bewegung nach der kalten Uuter- lage zu fortsetzen, zum Theil aber wieder aus dem Glase heraustreten , und die aufgelegte Platte erwlrmen. Sollte es undenkbar seyn, dafs im Isolator die Bewegungen der Elektricitlt nach tihnlichen Gesetzen vor sich gingen, und dafs neben der Fernwirkung uoch eine aiidere Kraft von Schicht auf Schicht thatig wlre, welche nicht wie die er- stere bestrebt wtire, den Werth der Potentialfunction im ganzen Kbrper constant zu machen, sondern vielmehr eine constante Dichtigkeit herzustellen?

Bringen wir abermals beide Gruppen von Anschauungen in Formeln, um Krherium fiir die Richtigkeit der einen oder anderen zu gewinnen.

Hat man es einfach mit der Feriiwirkung zu thun, so erfahren stimmtliche Elektricitltsmengen der beiden Belegun- gen die gleicbe Beschleunigung gegen den Isolator zu, und werden sich, da sic auch den gleichen Widerstand zu iiber- winden haben, mit gleicher Geschwindigkeit gegen einander in Bewegung setzen, und stets in zwei gleich weit von den Belegungen abstehenden Ebenen befindlich seyn. Es ver- liert deshalb auch der Ausdrack

seine Bedeutung, da man nicht eine Vertheilung in einem Ktkper, sondern eine solche in einer Flgche vor sich hat, und es tritt die Gleichung

x+o I - 0

wo 4 die Flgchendichtigkeit, und + O rind - 0 unendlich kfeine positive oder negative Gr6fsen sind, an deren Stelle.

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Bezeichnet man nun die Werthe der Potentialfunct ion auf den Belegungen A' (Fig. 1 Taf. V) wie oben durch I", auf de'; Ebenen A , in welchen sich die gesammten Elektri- citlitsmengcn zur Zeit t befinden, durch V, wobei man sich stels erinnert, d a t die im Moinente der Ladling Iierrschende Syininetrie fortbestehrn mrifs, und dafs man deshalb immer nor das eint? der einander entsprechenden Elemente zu betrachten braucht, so ergiebt sich zur Zeit t

und r+o

mithin

wlihrend

war, da nun Q = e' bleiben mufs, und V', = V ist, weil adserhalb von zwei parallen mit gleichen und entgegenge- setzten Elektricitltsmengen geladenen' Ebenen die Potential- function constant ist, so wird

V',X v', I -. 1st nun z als Function der Zeit gegeben, d. h. kenut

man das Gesetz, nach welchem sich die beiden Schichten gegen einander bewegen, so hat man aucli das Gesetz fur die Abnahme der disponiblen Ladang.

Da nun die Kraft X, welche die beiden Schichten auf eiuander ausuben, bekannt ist, namlich

so ware unter Annahme eines bestimmten Gesetzes f i r die Verzijgerung, z leicht als Function von t zu bestimmen.

W i e nun aber auch dieses Gesetz fur die VerzLbgerung gebaut seyn mag, so vie1 steht fest, d a t unter der Voraus- setzuug eines der Bewegung trliger Massen analogen Vor-

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238 a x ganges, - Aufangs gleich null seyn, und sich dann allmgh-

lig einer bestimmten (ncaliven) Grgnze niihern milfete. In Wahrheit findet aber die Abnahme der disponiblen Ladling gerade in entgegengesetzter Weise statt, so dafs ;Is am An-

d t

d r

fang einen (negativen) Maximalwerth zeigt, und sich dann stetig der Griinze null niihert.

Es mufs deninach auch diese Vorstellung als unhaltbar verworfen werden, obwohl man durch eine weitere Verfol- gung derselben sogar das Wiederauftreten von Ruckstgoden erkliiren kannte , die jedoch nur unter gewissen BeschrPn- kungen mit der ursprlinglicben Ladung gleichnamig wiiren.

5. 4.

Nachdem so das Gebiet der Hypothesen immer enger und enger begriinzt ist, so bleibt uns niir noch die An- nahme tibrig, dafs die Elektricitiit in der Weise in den Iso- lator eindringt, dafs sie denselben ganz oder ziim Theil stetig erfiillt.

Hiernach ist also im Ionern des Isolators oder in einem Theile desselben

w obei

und

da die Spmetr ie stets erhalten bleiben mut. Die Form der Function f(z, t ) ist selbstversthdlich von

dem Grundgesetze abhlingig , welches die Wechselwirliung der Elektricitiit im Innern des Isolators ausdrtickt. So man- nigfaltig sie aber demgemiifs auch im Einzelnen gebaut seyn kann, so lassen sich doch einige Haupteigenscbaften dersel- ben sofort aus dem Wesen der Vorstellung ableiten.

Far’s Erste ist klar, dafs nach dieser Annahme in der einen Hlilfte des Isolators nur positive und in ,der andern nor negative freie Elektricitiit vorkommen kann. Denn

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239 treten im Innern Scheidungen ein (die ja bei dieser Hypo- these nicht ausgeschlossen sind), so miissen sie wegen der allenthalben gleicben Kraft tiberall gleich stark auftketen, und k h n e n demnach wohl einen Strom im Innern, nicht aber Ansammlungen freier Elektricitat hervorrufen. Die Ton den Belegungen stammenden Elektricitlitsmengen aber kan- nen sich erst in der Mitte neutralisiren, wo sie sich begeg- nen. Es ist demnach auf der positiven Seite d. h. fiir x>O allenthalben :

auf der negativen

Femer ist allenthalben d V d r - > 0. (3)

Denkt man sich nlmlich den ganzen Isolator in parallele Platten von der Dicke d x zerschnitten und betrachtet man die beiden entsprechenden, welche um + x , und - x, von YZ-Ebene abstehen, so wirlien sie auf aufserhalb derselben gelegene Punkte wie zwei mit gleicb grofsen aber entge- gengesetzten Mengen von Elektricitat belegte Ebenen.

Wir zerlegen nun die Potentialfunction V an irgend einer Stelle in V , und Vg, derea erstere von den zwircheir + (E and - x befindlichen Elektricitatsmengen h e n t h e n soll, wiihrend die zweite von den zwischen +a und +s nnd zwischen - x und - E vorhandenen Mengen hervor- gebracht sey. Denkt man sich nun diese Elektricitltsmen: gen ammtlich in der eben angegebenen Weise in Elemen- tenpaare zerlegt , deren jedes wie eine F r a n k 1 in' sche Tad fel mit vollkommenem Isolator wirkt, so versteht man so-

fort, dafs 5 jedenfalls positiv seyn mufs, da der von jedem Paare herrtihrende Theil von V, bei positivem x positiv (und constant) ist, und die Zahl der Paare mit s wlchst, bei negativem z aber negativ ist, wtlhrend die Zahl der Paare mit z abnimmt. Ebense mufs aber auch

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-_ dVg positiv segn, weil der Differentialquotient der von je- d x dem Paare fiir sich hervorgebrachten Potentialfunction po- sitiv ist, und mithin auch die Summe dieser Quotienten

d. i. eben '2 dasselbe Zeichen haben mufs.

Ferner ist:

(S) ST - V', . . . . . . . (4) Z = O

Denkt man sich nlmlich die auf den Belegungen befindli- chen Elektricitltsmengen auf nPaare von Schichten ver- theilt, so dafs den einzelnen die Dichtigkeiten p1 elr . . . 4. zukommen l) , wlhrend p, + qa + . . . + en = $ ist, so gilt in dem Raume zwischen den beiden Schichten des Paares mit der Dichtigkeit Q, fiir die Potentialfunction dieser Men- gen das Gesetz

V, = - 4 n e , x und mithin innerhalb des innersten Schichtenprares far die von Qmmtlichen Paaren herrtihrende , die Formel

V = = = - 4 ~ p ~ x - 4 n ~ ~ ~ x . . - 4 z ~ ~ x = - 4n (p , +ez + . . . + em> - -- 4 n p f x

c

Mithin ist in der Nachbarschaft von x = O der Gang der Potentialfunction nach der Theilung in die verschiede- nen Schichten genau derselbe, welchen man erhielt, ah noch simmtliche ElektricitBtsrneogen sich auf den Belegun- gen befanden. Hat sich aber ein Theil der Schichten in der Mitte bereits getroffen und verbunden, 80 ist selbstver- sttrndlich

und es ist deshalb

1) Die Schichten sind kXiclaendichtigkeiten.

auch jederzeit

d x = t d , y < v ' o (4)

hicr inimer ale Ebenen betrachtet, mithin Q, . .. 0.

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W a r demnach im Moineute der ersten Ladung die Po- tentialfunction durch die Ordinaten der Geraden A, C A, der Fig. 2 Taf. VI dargestellt, so wird sie nach der Zeit t durch jene der gekrummten Linie A, C A, reprasentirt. Der Sinn der Kruminung dieser Linie ist durch die Gleichun- gen (1) und (2) besiimmt, wahrcnd die Gleichungen (3) und (4) aussagen, dafs sich die Ciirve innerhalb des Win- hels A, C A befinden mufs, d. b. dak A A, < A A, ist.

Es wird mithin in Folge des Eindringens der Elektrici- tat in den Isolator die Poteutialfunction auf den Belegun- gen sinken.

Wird nun entladen, so sammeln sich auf den Belegun- gen Elektricitatsrnengeii, welche fur sich allein eine Poten- tialfunction

hervorbr8chten, welche durcli die Ordinaten der Geraden A, C A , reprasentirt ist, wobei A, CA = A, A , und mithin ist die resultirende Function im Augenblicke nach dcr Ent- ladung, d. b. zur Zeit t + 0, wenn man 0 als eine unend- lich kleine Gr6Le betrachtet:

V’IZ

Hieraus ergiebt sich nun unter Berticksichtigung der

v,+, = V, - -.

Gleichungen (1) bis (4) , v,,, > 0 fk z > 0, V,,, < 0 for z < 0

V,+,=O fir z=*& und

d. i.

wie ein einziger Blick auf die Figur sofort lebrt. Der ganze Verlauf der Potentialfunction im Momente

nach der Entladung wird demnach durch die Curve ABCBA dargestellt, und es ist also auch

VI+@ = 0,

P a e o d o M s Anod. Bd. CXXXVII. 16

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> 0 zwischen B und B l i X

d - v ( O zwischen A und B d r

d. b. wahrerrd in detn mittlsren Thekle des Isolators Krufte thiilig sind, welche die vorhandenen Elektricitatsmengen wei- ter gegeir die Mitte z u treiben, so sind in der A'achbarschaft der Belegunyen solche wirksam , welche die Elektricitaiten wieder auf die Belegungen schaffen.

Die auf den Belegungen belindlichen Elektricitltsmengen erfahren hingegen eine Anziehung nach dem Isolator zu, dringen deshalb ein und neutralisiren so zunachst die ihuen benachbarten Meu8en enlgegengesetzter Elektricitat. Es muL sich demnach in der Crirve der WinkeI a bei A vergrijlseru, da dessen Cotangente der Dichtigkeit auf der Belegung proportional ist , und aufserdem .mufa sich die Kriimmung der Curve zwischen B und A vermindern, da die Dichtigkeit der freien Elektricitat in diesem Raume ab- nimmt. Mithin wfirden, wenn zwischen C und B alles un- verandert bliebe, die Curve die durch die punktirte Linie A, C A , angedeiitete Gestalt annehmen, d. h. es wIirtlen auf beideii Belegungen mit der urspriinglicben gleichimnige La- dungen auftreten. Wenn nun auch die Annahme, dafs in dern mitileren Raume B C B alles unverandert bliebe, keines- wegs ganz zulassig ist, so wird sie sich dennoch nicht sehr weit von der Wahrheit entfernen, d. h. es werden die Ver- auderungen in diesem Theile rerhaltnifsmiifsig geringe seyn gegen die in der gleicheu Zeit in dcr Nahe der Belegringen vor sich gehenden.

Alle Beobachlungen stimmen namlich darin iiberein, dafs die Abnahme der dispouiblen Ladung. unmittelbar nacb Mit- lheilung derselben am raschesten, spaterhin aber vie1 lang- samer erfoigt. Ua nun von den bei der Entladung zuge- fiihrten Elektricittitsmengcn keinenfalls frliher etwas nach den inneren Scbichten gelangen kann, als bis die in den aufseren Theileu betindlichen Mengen entgegengesetzter Elek- tricitgt vollkommen neutralisirt sind, und da anderseits die

und

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Krafte, welche in den innern Theilen die Veranderungen bedingen, durch die Entladung uicht vergrafsert , sonderu verkleinert merden , so miissen die Veranderungen in den inneren Schichten sogar noch langsamer vor sich gehen, als diefs der Fall gewesen ware, weun man nicht entladen hatte, mithin jedeufalls vie1 langsamer als in den aufseren Schich- ten, wo die ganzen bei der Eutladung zrigefiihrten Elektri- citatsmengen sofort aaf solche der enlgegengesetzten Art stofsen. Die Vorgange in den inneren Schichten werden deshalb nicht im Stande seyn, die von den aufseren herriih- rende Aeiiderung der Poteutialftiuctiou zii compensiren. Sollte nebenlier uoch ein Durchgehen der Elektricittit a h - lich wie im Leiter stattfinden, so wiirde dadurch zwar das Sinlien der disponibleu Ladung beschleunigt, sowie die Men- gen der wiederaiiftretenden Riickstlnde vermindert, aber im Allgemeinen die SchlIisse nicht ungultig.

Diese Betrachtungen werden hinreichen, iiin zu beweisen, dafs sich die Hypothese des Eiutlriugens sehr wohl in prti- cise Form bringen lafst, und dafs sie im Stande ist, sowohl das Sitrken der disponiblen Ladung als das Waederauftreten aon gleichnamigen Ruckstanden wenigstens im Grofsen und Ganaen au erklaren. Ob sie auch geeignet sey, die Vor- gange nach Maafs und Zahl danustellen, das kann selbst- verstlndlich erst nach scharferer Formulirung der Annahme entschieden werden.

Einen derartigen Versuch habe ich bereits ausgefiihrt unter Zugrundelegung einer Gleichiing, welche mir vor Jah- ren von Hrn. Prof. R iemann perslinlich mitgetheilt wurde, mit dem Bemerken, dafs er sie fur das Gesetz balte, wel- ches der Bewegung der Elektricittit in den sogenannten Iso- latoren zu Grunde liege, iind dafs sich aus derselben die Gesetze far Bildung und Wiederauftreten von Rucksttinden ableiten lieken. Da er bald darauf erkrankte, so war es mir nicht mlilglich noch Naheres iiber die Form der von ihm erzielten Resultate zu erfahren, und ich unternahm es deshalb vor einiger Zeit selbst, die Llisung des Problemes nach deu wenigen erhaltenen Andeutungen zii rersucben.

16 *

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Es ergab sich dabei ein mil deli Beobaclrtungeu ziemlich gut ubereinstimmendes Resultat. Da jedoch diese Ueberein- stimmung noch immer lieinc vollkommcne ist, so scheint lnir die game Untersuchung iioch nicht reif ziir Vcbroffent- licbung.

5. 5. Zrim Schlusse n~ufs nun noch die Frage erbrtert werden,

wie es sicli denn eigentlich mit dem Kernpunkte der C l a u - sius’schcn Untersuchung, d. h. mit dem Aequiuulen,zwerth der Entladuiung verlillt, wenn m a n die Hypothese des Ein- dringens an die Stelle der Koblrausch’schen setzt. Die Antwort liierauf ist sehr einfach, indem eine Lurze Ueber- lcgung zeigt, dafs der Aeqriivalenzwerth der Entladung nur von der disponiblen Ladung abhangig ist, Lcineswegs aber von dru Annahmen, welche man z w Erkllrung ihrer Ab- nahme oder ihres Wiederauftretens inaclien mufs. Die I<enntnifs tles Werthes der dispouiblen Ladung im Momente der Entladung ist zur Lbsung dieses Problems vollkommen hiureichend, vorausgesetzt, dafs die Entladuugszeit so k i l n

sey, dafs wshrend derselben lieine merkliche Aenderung im Ziistande des Isolators eintritt, eine Voraussetzung , welche such der C l au si u s’schen Bclrachtung zii Griinde liegt.

Enlladet man ngmlich zur Zeit t , d. h. bei dem Werthe der Potentialfunction’

so mufs man doch den Beleguugen ElektricitBtsmengen zu- fiihren, welche fur sich allein die Potentialfunction - Y’, hemorbringen wiirden.

Dieser Potentialfunction entsprlche eine Dichtigheit p’, wie sie atis der Formel

sich ergiebt, und die Elektricitltsmenge

wenn s die Oberflache der Belegung ist, oder

v: = V’, F t

v: -- 4 n p ’ : E

Q r = ( i r S

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Um nun den AequivaIenzwerth der Entladung zu be- stimmen , hat man nur nathig, das Potential sammtlicher Massen auf sich selbst vor und nach der Entladiing aufzu- suchen. Die Differenz von beiden Werthen ist dem me- chanischen Aequivalente der Entladnng proportional.

Rezeichnet man nun das Potential der Massen auf sich selbst vor der Entladung durch W, nach der Entladung durch W,, so ist doch

w,= w-- 2 Q'I V'I 2 ,

da der Unterschied in dem Zustande vor und nachher eben einfach darin bestebt, d a t zu den bereits vorhandenen Men- gen, welche sich wo immer befinden mbgen, und fir sich allein das Potential W hervorbringen, die Mengen - Q', und + Q', hinziikommen, welchen das Potential - Q', V', entspricbt. Es ist mithin das Arbeitsaequivalent

oder unter Beriicksich tigung der Gleichung (5)

8 8 '

w- W,=Q' , v t ,

w- w, -4ncQ' lZ -4xs&',,'(Ft)" - oder wenn man Ft = 1 - m setzt:

W Wl

DieL ist genau die von C 1 a u s i us gefundene Formel. W i e die Ableitung zeigt, ist sie von jeder Hypothese iiber das Wesen der Isolatoren vollkommen unabhangig. Der Kern- punkt der Clausius'schen Untersuchung wird demnach von meinen Einwiirfen gar nicht beriihrt.

Ungaltig wird dagegen diese ganze Betrachtung, sobald die Dauer der Entladung eine 80 grote ist, dafs wtibrend dieser Zeit im Innern des Isolators erhebliche Vergnderun- gen eintreten k h n e n , sey es nun, dafs diese in molecula- ren Scheidungen bestehen, sey es, daCs nach meiner Vor- stellung wghrend dieser Zeit Elek tricitat eindringt , oder durchdringt. DaL solche Veranderungen im Allgemeinen eintreten, scheint mir aber ebensowohl aus den Versucben

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von S i em e n s l) hervorzugehen, als aus eigenen Versuchen, welche ich tiber die Theilung der Ladung zwischen F r a n k - li n’schen Tafeln und einem Luftcoudensator angestellt habe.

Da niimlich sogar bei der aiifserordentlich geringen Dauer der Verbindungen, welche S i e in e n s mit seinem hpparate zwischen Batterie und Condeusator henustelleu vermochte, (sie betrug weniger als & Secunde) ein Einflufs des Iso- lators sich geltend macht, so ist klar, dafs selbst diese kurze Zeit hinreichen mufs, rim erhebliche Veranderungen im In- nern desselben hervorznbringen, beziehungsweise nennbare Meugeii durchgehen oder eiiidringen zii lassen.

Auch bei den Versuchen, welche ich fiber die Theilung der Ladling zwischen F rank li n ’schen Tafeln und eiuem Lnftcondensator in der Art ausfuhrte, dafs ich durch Fall eines Hebels eine Verbindung von maglichst kiirzer Dauer herstellte, und d a m die im Luftcondensator zuriickgeblie- bene Ladling mit dcm Sinuselektroineter bestimmte, zeigte sich, dafs die auf die Tafelii iibergehenden Elektricitdts- meugen mehr als das doppelte jener Mengen betrugen, wel- che man unter der Vornussetziing vollkommener Isolation zu erwarten halte. Eine Mittheilung der beziiglichen Zah- lenresultate will ich versparen , bis die ganze sehr omfang- reiche Experimentaluntersuchung ihren Abschlufs gefiinden hat.

Durch die vorstehenden Betrachtungen wurden folgende Resultate gefunden:

1) Aus den Formeln, in welche C laus ius die K o h l - rausch’sche Theorie der Rtickstandsbildung gefafst hat, ergeben sich genau dieselben Widersprtiche mit der Erfah- rung, welche ich schon friiher ans dieser Theorie aiif an- dere Weise abgeleitet habe.

2 ) Die Annahrne, dafs der Isolator nur ein Leiter mit sehr grofsem Widerstande sey, ist uiclit im Stande die Ruckstandserscheinungen zii crkliiren.

1) Diese Annolrii Rd CII, S . 66 bis 122.

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3) Wenn man hingegen die Hypothese macht, dafs die Elektricitat in der Weise in den Isolator eindringt, dafs sie stetig vertheilt in demselben auftritt, sich auch allen- falls noch nebenher ziim Theile durch den Isolator hin- durch nach Art des Vorganges im Leiter verbindet, so kann man sowohl die Abnahme der disponiblcn Ladung als auch das Wiederaiifireten von gleichnamigen Rucksttinden im Allgemeinen sebr wohl erklaren, und es ist bisher noch kein Einwand gemacht worden, welcber es unberechtigt erscheinen lafst , von einer schtirferen Formrilirung dieser Annahme die vollstandige L6sang des Problems zu er- warten.

Die Formeln fur das mechanische Aequivalent der Eutladung lassen sich anfstellen, sobald man den Gang der disponiblen Ladung kennt, ohne dafs es nirthig ist, sich tiber die inneren Vgrgange , wodurch dieser Gang bedingt wird, irgend welche hypotbetischen Vorstellungen zu ma- chen. Sie bleiben jedoch nur giiltig, w e m die Dauer der Entladung eine so kurze ist, dafs wahrend dieser Zeit keine nennenswerthen Veranderungen im Isolator vor sich gehen kannen.

4.

Mlinchen den 4. April 1869.

1V. Ueber den Erstnrrungapirnkt der Restan& theile Jussiger Jlischungen;

won C a r l S c h u l t a .

1. w e n n man lirsliche Salze, z. B. Kochsalz, mit Eis bei einer Temperatur unter 0" miscbt, SO tritt unter Wtirmeabsorption lheilweise Schmelzung ein, und die Tem- peratur kann bis auf ein gewisses Minimum sinken. In iihnlicher Weise wird, wie ich gefunden habe, durch Mi- schen von fester Essigaure mit wasserfreiem essigsauren