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82 Faud, allein durch seinen hohen Gehalt an Malzauszug, sondern auch durch seinen Reichthum an phosphorsauren Salzen in loslicher Form; letztere betragen in einem Bierglase voll etwa 22 Gran, d.i. beinahe doppelt so viel als in der Kuhmilch, etwa viermal so viel als im gewiihnlichen bairischen Biere enthalten ist. Bekanntlich ist es, nach- dem der ausserst geringe Stickstoffgehalt der Biere con- statirt worden, nach Prof. K e 1 ler in Speyer, wahrschein- lich, dass die phosphorsauren Salze im Biere die Nahr- haftigkeit desselben bedingen j sie sollen es namentlich sein, welche den gleichzeitig genossenen stickstofialtigen Be- standtheilen wahrend des Verdauungsprocessea zur Fixi- rung dienen, die ohne ihre Gegenwart durch den Korper hindurchgegangen waren. Ueber die Rademacher’sche essigsaure Bisentinctnr nnd ihre rationelle Bereitung ; von -4 11 g 11 s t F a u s 1. Es mag verwegen erscheinen, das literarische Inven- tar dieses Praparates noch mehr zu bereichern, und wenn ich dies dennoch unternehme, so hoffe ich in seiner Be- liebtheit eine Entschuldigung zu finden. Jeder, der diese Tinctur einige Male dargestellt und dabei ihre kleinen Teufeleien empfunden hat, wird mir bei- stimmen, dass die jetzige Vorschrift eine lastige, unsichere ist, und es wird vielleicht den1 Einen oder dem Rndern nicht unwillkommen sein, bei ihrem oft starken Verbraudi auf eine Darstellungsweise aufmerksam gemacht zu wer- den, die gewiss nicht neu (denn dam liegt sie zu nahe, obgleich mir eine derartige Veroffentlichung nicht bekannt ist), aber auch gewiss nicht so bekannt ist, wie sie es verdient. Betrachten wir zunachst die chemische Beschaf- fenheit dieses Korpers. Nach der ublichen Vorschrift

Ueber die Rademacher'sche essigsaure Eisentinctur und ihre rationelle Bereitung

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Page 1: Ueber die Rademacher'sche essigsaure Eisentinctur und ihre rationelle Bereitung

82 Faud,

allein durch seinen hohen Gehalt an Malzauszug, sondern auch durch seinen Reichthum an phosphorsauren Salzen in loslicher Form; letztere betragen in einem Bierglase voll etwa 22 Gran, d.i . beinahe doppelt so viel als in der Kuhmilch, etwa viermal so viel als im gewiihnlichen bairischen Biere enthalten ist. Bekanntlich ist es, nach- dem der ausserst geringe Stickstoffgehalt der Biere con- statirt worden, nach Prof. K e 1 l e r in Speyer, wahrschein- lich, dass die phosphorsauren Salze im Biere die Nahr- haftigkeit desselben bedingen j sie sollen es namentlich sein, welche den gleichzeitig genossenen stickstofialtigen Be- standtheilen wahrend des Verdauungsprocessea zur Fixi- rung dienen, die ohne ihre Gegenwart durch den Korper hindurchgegangen waren.

Ueber die Rademacher’sche essigsaure Bisentinctnr nnd ihre rationelle Bereitung ;

von -4 11 g 11 s t F a u s 1.

Es mag verwegen erscheinen, das literarische Inven- tar dieses Praparates noch mehr zu bereichern, und wenn ich dies dennoch unternehme, so hoffe ich in seiner Be- liebtheit eine Entschuldigung zu finden.

Jeder, der diese Tinctur einige Male dargestellt und dabei ihre kleinen Teufeleien empfunden hat, wird mir bei- stimmen, dass die jetzige Vorschrift eine lastige, unsichere ist, und es wird vielleicht den1 Einen oder dem Rndern nicht unwillkommen sein, bei ihrem oft starken Verbraudi auf eine Darstellungsweise aufmerksam gemacht zu wer- den, die gewiss nicht neu (denn dam liegt sie zu nahe, obgleich mir eine derartige Veroffentlichung nicht bekannt ist), aber auch gewiss nicht so bekannt ist, wie sie es verdient.

Betrachten wir zunachst die chemische Beschaf- fenheit dieses Korpers. Nach der ublichen Vorschrift

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die Rademuc7~sr’sche essiysawe Eisentinctur. 83

werden 23 Gewth. Eisenvitriol mit 24 Gewth. Bleizucker zu einem Urei zerrieben, diesem 48 Gewth. Wasser und 96 Gewth. Essig zugefiigt und zum Kochen erhitzt. Er- kaltet werden 80 Gewth. Weingeist zugesetzt und dann das Gemisch unter Urnschutteln und Luften einige Monate oder so lange reagirt, bis die Flussigkeit die gewohnte rothe Farbe angenommen hat, darauf filtrirt. - Der Zweck dieses Verfahrens ist bekanntlich, das anffingliche essigsaure Eisenoxydul moglichst vollstandig in bssigsau- res Eisenoxyd iiberzufiihren, und je umfassender dies erreicht wird, desto vollkommener ist die Tinctur. In ihrer angestrebten Vollkommenheit ist sie eine Losung von essigsaurem Eisenoxyd und schwefelsaurem Eisenoxyd. - Der Einfachheit wegen gehe ich bei folgenden Betrach- tungen von der Annahme aus, die Bildung von schwefel- saurem Eisenoxyd erfolge zuerst und dieses zersetze sich mit dem Bleizucker ; es vereinfacht dies die Uebersicht nod macht die Rechnungen glatter. Aus demselben Grunde nehme ich die betreffenden Korper meist wasser- frei an; es hat Beides keinen Nachtheil und die Berech- nungen auf andere Verhaltnisse sind j a sehr einfach.

23 Gewth. schwefelsaures Eisenoxydul enthalten 5,96 Gewichtstheile Eisenoxydul (FeO), woraus sich bei Gegen- wart geniigenden Sauerstoffs 6,62 G-ewichtstheile Eisenoxyd (FezO3) bilden. Zwei Drittheile (4,41 Gewth.) dieses Eisenoxydes finden Schwefelsaure vor, zur Bildung von schwefelsaurem Eisenoxyd: 6(Fe0, S03)+30 =2(FeZO3, 3SO3) + Fez 03. Ein Drittheil (2,2 Gewth.) Eisenoxyd findet aber, wie aus vorhergehender Gleichung ersichtlich, keine Schwefelslure und wird sich in derEssigsaure des vorhandenen Essigs, j e nach Urnstginden, mehr oder weni- ger vollstandig zu essigsaurem Eisenoxyd auflosen. Zur Bildung letzteren Salzes bedarf es 4,20 Gewth. Essigslure- anhydrid (C4H303), welche in 96 Gewth. Essig wohl stets enthalten sind. Das hierbei resultirende Salz betragt 6,40 Gewth. Erstere 4,41 Gewth. Eisenoxyd (an Schwe- felsiiure gebunden) erfordern, urn in essigsaures Salz uber-

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zugehen, 8,43 Gewth. Essigslureanhydrid = 31,32 Qewth. Bleizucker. Vorhanden sind aber 6,46 Gewth. wasserfreie Essigsaure, in den 24 Gewth. Bleizucker, und nur aus- reichend, um 3,38 Qewth. Eisenoxyd in (9,84 Gewth.) essigsaures Salz umzuaandeln. 1,03 Gewth. Eisenoxyd bleiben als (2,57 Gwth.) schwefelsaures Salz in dar Lo- sung und entgehen jeder weiteren Zersetzung. Hiernach konnte die Tirictur eine Losung sein, von

1. 16,24 Gewth. essigsaurem Eisenoxyd (namlich 6,40 Gewichtstheile durch Auflosung van 2,2 Uewth. Fez03 in der Essigsaure des Essigs, und 9,84 Gewichtstheile nus dem schwefelsauren Eisenoxyd durch Bleizucker entstanden) ;

2. 2,57 Gewth. schwefelsaurem Eisenoxyd in wasscri- gem Wcingeist.

Allein die Untersuchungen W a ck e n r od e r 's (Arch. der Phamn. 2. R. Ud. 71.) und S ch a ch 3 s (Arch. der Pliarna. 2. R. Bd. 109.) zeigen uns, dass der Eisengehalt der Tinc- tur ein wesentlich geringerer ist, als der hier berechnete, und zwar abhangig von der Bereitungsweise.

Um nun ein immer gleichlzldssiges Praparat und von der berechneten Sttirke zu erzielen, nehme ich von An- fang an schwefelsaures Eisenoxyd und zersetze es mit so vie1 Bleisucker als erforderlich ist, um, in Anschluss an obige Verhaltnisse, 16,24 Gewth. essigsaures uiid 2,57 Gewth. schwefelsaures Eisenoxyd zu erlangen. Zu diesem Zwecke verwandle ich die 23 Gewth. schwefelsaures Eisenoxydul durch Losen in gleichen Theilen Wasser, Zusatz der ent- sprechenden Menge (5 Qewth. von 1,84 spec. Gew.) Schwe- felsaure, Erhitzen zum Kochen in einer Porcellanschale und allmiiliges Eintragen von Salpetersaure, bis mit Fer- ridcyankalium die blaue Oxydulreaction ausblei bt, in schwefelsaures Eisenoxyd; verdampfe zur Trockne, gluhe den Ruckstand i n der Porcellanschale weiter, bis die uberschiissigsn Sauren vollsttndig' ausgetrieben sind, und loae dann das erhaltene weisse Sah in 56 Qewth. Wasser durch Erwiirmen auf.

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Andererseits bereite ich eine Liisung ‘von 39,62 Gewth. (in runder Zahl: 40 Gewth.) Bleizucker in 90 Th. Was- ser, vermische sie mit der schwefelsauren Eisenoxydlkung, fiige dann 80 Gewth. Weingeist und so vie1 Wasser EU,

dass das Gewicht des ganzen Gemisches 288 Qewth. betragt. Jetzt lasse ich absetzen und filtrire die fertige Tinctur ab.

Auf diese Weise stelle ich in kurzer Zeit viele Pfunde eines immcr gleichen Praparates dar, welches in 100 Gewichtstheilcn 6,34 Gewth. essigsaures Eisenoxyd und 1,OO Gewth. schwefelsaures Eisenoxyd enthiilt, entspre- chend 2,58 Gewth. Eisenoxyd = 1,8 Qewth. metallisches Eisen.

Mit Schwefelsiiure lasst sich diese Tinctur leicht auf Blei priifen, welches iibrigens beim Einhalten obiger Ver- hiiltnisse nicht darin sein kann, da zum vollsyandigen Aus- fillen des schwefelsauren E i s e n o x y d es 47,04 Gew th. Blei- zucker nothig sind. Irnmerhin ist aber diese so einfache Prufung zu ernpfehlen, indem durch Zufdlligkeiten ein Weniger des Eisens, oder ein Mehr des Bleies, moglich ist. Die Tinctur wird beim Eintropfeln geniigender Schwe- felsaure beinahe farblos und etwaiges Blei wiirde sich als das bekannte weisse Pulver von schwefelsaurcm Bleioxyd ausscheiden, unloslich in Sauren, aber leicht loslich in den Ammoniaksalzen vieler organischen Sauren, auch in Chlorammonium.

Es darf aber nicht iibersehen werden, dass der Eisengehalt dieser Tinctur noch einmal SO gross ist, a15 derjenige der urspriinglichen Vorschrift.