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ZEITSCHRIFT FÜR ISSN 072215067 Informationenfür Arzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 1997 -18.jahrg. Übersicht Ambulante parenterale antimikro- bielle Therapie Der ständig steigende wirtschaftliche Druck, der auf den Budgets der Krankenhäuser lastet, die Reduzierung der Bettenzahlen im Rahmen der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen sowie Innovationen im Bereich der Pharmakatherapie haben in den letzten Jahren erhebliche Veränderun- gen im Behandlungsmanagement von sta- tionären Patienten nach sich gezogen. Zu diesen gehört ohne Zweifel die ambulante parenterale antimikrobielle Therapie 1 Behandlun gs indikationen Die parenterale Verabreichung von anti- mikrobiellen Substanzen wird bei Kranken- hauspatienten normalerweise nur aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung (Patienten auf der Intensivstation, postoperative Pati- enten), aufgrund pharmakologischer In- dikationen (keine orale Vergleichssubstanz verfugbar), bei fehlender Mitarbeit der Patienten, bei Unsicherheit über die Bio- verfugbarkeit oral zu applizierender Sub- stanzen sowie zur Sicherstellung ausrei- chender bakterizider Konzentrationen am Ort der Infektion durchgefuhrt. Während in Deutschland die ambulante parenterale antimikrobielle Therapie (APAT) noch nicht weit verbreitet ist, hat sie in den Vereinigten Staaten in den letz ten Jahren erheblich zugenommen. Allein 1989 wur- den über 250.000 Pati enten parenteral ambulant behandelt, davon erhielten an- nähernd zwei Drittel Antibiotika. Im Prinzip so llten vier Voraussetzungen erfullt sein, die eine APAT rechtfertigen: (1) eine aktive Infektion, die auch nach Abschluß eines stationären Aufenthaltes einer antimikrobiellen Behandlung bedarf, (2) fehlende Indikation einer statio- nären Behandlung bis auf die Notwendig- keit einer parenteralen Verabreichung der Antibiotika, (3) fehlende Alternative von oralen Antibiotika mit vergleichbarer Aktivität und Verträglichkeit und (4) Bere it- schaft des Patienten und des niederge- lassenen Arztes zur Mitarbeit mit den notwendigen logistischen wie räumlichen Voraussetzungen. Die Auswahl der antimikrobiellen Substan- zen in Abhängigkeit von der zu behandeln- den Infektion bestimmt die Art der parenteralen Behandlung: intramuskuläre oder intravenöse Applikation, Einfach- oder Mehrfachgabe pro Tag, Dauer der Verabreichung (Injektion, Kurzinfusion, Dauerperfusion) bzw. die zur Applikation notwendigen venösen Zugangssysteme und Infusionsgeräte. Nach den bisherigen Erfahrungen gibt es infektiöse Erkrankungen, die sich fur eine ambulante parenterale (im folgenden aus- schließlich intravenöse) antimikrobielle Behandlung besonders eignen: (1) Haut-und Weichteilinfektionen, meist bei älteren Patienten mit peripherer Verschlußkrankheit, (2) Infektionen im HNO-Bereich, (3) Gelenk-und Knochen- infektionen, (4) Infektionen der Atemwege, (5) chronische Urogenitalinfektionen, (6) Endokarditiden und (7) Fremdkörperinfek- tionen. Zunehmend werden auch Patienten mit Borreliosen, HN-infizierte Patienten oder organtransplantierte Patienten mit bakteriellen und opportunistischen Infek- tionen (z. B. Zytomegalievirusinfektion, Aspergillose) sowie neutrapenisehe Patien- ten (mit einem niedrigen Risiko) in dieser Weise behandelt (3). Grundsätzlich können alle erhältlichen antimikrobiellen Substanzen verabreicht werden. Die Auswahl orientiert sich nach dem Infektionserreger oder dem wahr- scheinlichen Erregerspektrum, dem Ort der Infektion sowie der Nieren- und Leber- funktion bzw. der Allergieanamnese. Pharmakologisc he Überl egungen Präparate mit einer längeren Halbwertzeit sind aufgrund des langen Dosierungs- intervalles vorteilhaft - im günstigsten Fall wird nur eine einmal-tägliche Gabe benö- tigt. Antibiotika mit langer Halbwertzeit, die nur einmal am Tag verabreicht werden, 41

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ZEITSCHRIFT FÜR ISSN 072215067

Informationenfür Arzte und Apotheker zur rationalen Infektionstherapie November/Dezember 1997 -18.jahrg.

Übersicht Ambulante parenterale antimikro­bielle Therapie Der ständig steigende wirtschaftliche Druck, der auf den Budgets der Krankenhäuser lastet, die Reduzierung der Bettenzahlen im Rahmen der Kosteneindämmung im Gesundheitswesen sowie Innovationen im Bereich der Pharmakatherapie haben in den letzten Jahren erhebliche Veränderun­gen im Behandlungsmanagement von sta­tionären Patienten nach sich gezogen. Zu diesen gehört ohne Zweifel die ambulante parenterale antimikrobielle Therapie 1

Behandlungsindikationen

Die parenterale Verabreichung von anti­mikrobiellen Substanzen wird bei Kranken­hauspatienten normalerweise nur aufgrund der Schwere ihrer Erkrankung (Patienten auf der Intensivstation, postoperative Pati­enten), aufgrund pharmakologischer In­dikationen (keine orale Vergleichssubstanz verfugbar), bei fehlender Mitarbeit der Patienten, bei Unsicherheit über die Bio­verfugbarkeit oral zu applizierender Sub­stanzen sowie zur Sicherstellung ausrei­chender bakterizider Konzentrationen am Ort der Infektion durchgefuhrt. Während in Deutschland die ambulante parenterale antimikrobielle Therapie (APAT) noch nicht weit verbreitet ist, hat sie in den Vereinigten Staaten in den letzten Jahren erheblich zugenommen. Allein 1989 wur­den über 250.000 Patienten parenteral ambulant behandelt, davon erhielten an­nähernd zwei Drittel Antibiotika.

Im Prinzip sollten vier Voraussetzungen erfullt sein, die eine APAT rechtfertigen: (1) eine aktive Infektion, die auch nach Abschluß eines stationären Aufenthaltes einer antimikrobiellen Behandlung bedarf, (2) fehlende Indikation einer statio­nären Behandlung bis auf die Notwendig­keit einer parenteralen Verabreichung der Antibiotika, (3) fehlende Alternative von oralen Antibiotika mit vergleichbarer Aktivität und Verträglichkeit und (4) Bereit­schaft des Patienten und des niederge­lassenen Arztes zur Mitarbeit mit den notwendigen logistischen wie räumlichen Voraussetzungen.

Die Auswahl der antimikrobiellen Substan­zen in Abhängigkeit von der zu behandeln­den Infektion bestimmt die Art der parenteralen Behandlung: intramuskuläre oder intravenöse Applikation, Einfach­oder Mehrfachgabe pro Tag, Dauer der Verabreichung (Injektion, Kurzinfusion, Dauerperfusion) bzw. die zur Applikation notwendigen venösen Zugangssysteme und Infusionsgeräte.

Nach den bisherigen Erfahrungen gibt es infektiöse Erkrankungen, die sich fur eine ambulante parenterale (im folgenden aus­schließlich intravenöse) antimikrobielle Behandlung besonders eignen:

(1) Haut-und Weichteilinfektionen, meist bei älteren Patienten mit peripherer Verschlußkrankheit, (2) Infektionen im HNO-Bereich, (3) Gelenk-und Knochen­infektionen, (4) Infektionen der Atemwege, (5) chronische Urogenitalinfektionen, (6) Endokarditiden und (7) Fremdkörperinfek-

tionen. Zunehmend werden auch Patienten mit Borreliosen, HN-infizierte Patienten oder organtransplantierte Patienten mit bakteriellen und opportunistischen Infek­tionen (z. B. Zytomegalievirusinfektion, Aspergillose) sowie neutrapenisehe Patien­ten (mit einem niedrigen Risiko) in dieser Weise behandelt (3).

Grundsätzlich können alle erhältlichen antimikrobiellen Substanzen verabreicht werden. Die Auswahl orientiert sich nach dem Infektionserreger oder dem wahr­scheinlichen Erregerspektrum, dem Ort der Infektion sowie der Nieren- und Leber­funktion bzw. der Allergieanamnese.

Pharmakologische Überlegungen

Präparate mit einer längeren Halbwertzeit sind aufgrund des langen Dosierungs­intervalles vorteilhaft - im günstigsten Fall wird nur eine einmal-tägliche Gabe benö­tigt. Antibiotika mit langer Halbwertzeit, die nur einmal am Tag verabreicht werden,

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sind Ceftriaxon (ROCEPHIN) und Teicop lanin (TARGOCID) . Antibiotika mit kürzerer Halbwertzeit (< 2 h) müssen mehrfach pro Tag appliziert werden, um ausreichende Serumspiegel sicher zu stellen .

Eine Alternative ist die kontinuierliche Infusion über 24 Stunden, die allerdings nur fur chemisch ausreichend stabile Sub­stanzen geeignet ist. Voraussetzungen sind die richtige Wahl des Antibiotikums, die Dosierung und geeignete programmierbare Infusionspumpen. Die meisten Erfahrun­gen liegen mit Ceftazidim (FORTUM) vor, die zeigen, daß eine sichere Behandlung und im Vergleich zur herkömmlichen dreimal-täglichen Gabe auch vergleichbare klinische Effektivität mit dieser Substanz erreicht werden kann.

Aufgrund pharmakadynamischer und toxi­kologischer Überlegungen werden auch Aminoglykoside trotz kurzer Serumhalb­wertzeit nur einmal am Tag verabreicht; dies liegt an ihrer konzentrationsabhängi­gen antimikrobiellen Aktivität bei unver­änderter bis geringerer N ephrotoxizität.

Bei Patienten mit zellulärer Abwehrstörung können Pentamidin (PENTACARINAT) zur Behandlung einer P. carinii-Pneumonie, Amphotericin B (AMPHOTERICIN B) bei Pilzinfektionen und Ganciclovir (CYMEVEN) bzw. Foscarnet (FOSCAVIR) bei CMV-Infektionen zum Einsatz kom­men. Cidofovir (VISTIDE) ermöglicht infolge seiner langen Halbwertzeit eine Verabreichung der Substanz einmal pro Woche, wodurch die Behandlung wesent­lich erleichtert wird. Je nach den logisti­schen Voraussetzungen können auch Sub­stanzen mit Mehrfachgabe pro Tag verwen­det werden. Dies kann bei Durchfuhrung der Therapie durch Pflegekräfte die Kosten deutlich steigern, spielt aber bei Selbst­medikation durch den Patienten bzw. bei programmierbaren Infusionspumpen keine wesentliche Rolle.

Stabilität

D a im allgemeinen die ärz tli che Über­wachung eines Patienten im ambulanten Bereich nicht dem Standard im Kranken­haus entsprechen wird, sind besondere Vorsichtsmaßnahmen hinsichtlich der Arzneimittelsicherheit notwendig. Anti­mikrobielle Substanzen unterscheiden sich in ihren pharmakologischen Eigenschaften, ihrem Lösungsverhalten und ihrer Stabili­tät in Lösungen. Neben den chemischen Charakteristika einer Substanz, dem pH der Lösung sow1e der Umgebungs­temperatur beeinflußt die Konzentration der Substanz ganz entscheidend ihre Stabi­lität in Lösungen. Eine geringe Stabilität besitzen unter anderem Ampicillin (BINOTAL u.a.), Imipenem-Cilastatin (ZIENAM), Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) oder Cotrimoxazol (BACTRIM u. a.). Diese Substanzen sind nur zur sofortigen Verabreichung anzuwenden.

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Intravaskuläre Katheter

Es gibt eine Vielzahl an Venenzugangs­systemen, die sich hinsichtlich Material, Art und Ort der Insertion sowie in ihrer Haltbarkeit unterscheiden. Polyurethan­und Silikonkatheter zeigen eine geringe Thrombogenität, Polyurethan- und Teflon­beschichtete Katheter reduzieren darüber hinaus die Adhärenz von Staphylokokken an den Oberflächen. In diesem Zusammen­hang sind Polyäthylen- oder Polyvinylchlo­rid-Katheter ungünstiger.

Zur Verminderung von Katheter-assoziier­ten Infektionen wurden Systeme entwik­kelt, deren äußeres Ende in einem subkuta­nen Tunnel verläuft. Einzelne H ersteller versuchen zusätzlich durch Manschetten an den Kathetern im Bereich der Haut­durchtrittsstell e die sen Tunnel vom Hautmilieu abzuschirmen. Mit Silber imprägnierte Manschetten sollen aszendie­rende Infektionen verhi ndern, während Dakronmanschetten das Einwachsen des Katheters in das Subkutangewebe verstär­ken und die Katheter wirksamer im Tunnel verankern.

Portsysteme haben ein subkutan gelegenes Reservoir, das zur Benutzung mit Spezial­kanülen punktiert werden muß. Ein Vorteil ist, daß die Körperpflege der Patienten (Duschen, Baden etc.) nicht beeinträchtigt ist. Belastend wirken sich die ständigen Punktionen des Reservoirs fur die Patienten aus; allerdings können die Spezialnadeln über mehrere Tage in situ belassen werden, so daß die Patienten nicht täglich punktiert werden müssen .

Alle Venenzugangssysteme haben ihre Vor- und Nachteile. So können peripher gelegte Venenkatheter von Patienten nur einhändig benutzt werden. Zentral gelegte Katheter ohne Tunnel sind zwar mit beiden Händen zu bedienen, die Einstichstelle ist aber häufig schwer vom Patienten zu kontrollieren. Dagegen haben getunnelte Katheter den Vorteil, daß sie erheblich einfacher benutzt und kontrolliert werden können.

Katheter-assoziierte nichtinfektiöse Kom­plikationen

Sterile Phlebitiden werden bei 2-10% der peripher gelegten Katheter beobachtet. Diese Komplikation ist bei zentral- venösen Kathetern wesentlich seltener, die mögli­chen sekundären Komplikationen wie Lungenarterienembolien oder obere Ein­flußstauungkönnen allerdings gravierender sein. Allergische Reaktionen sind selten und treten nur bei entsprechend sensibili­sierten Patienten auf. Die Entfernung der Systeme ist obligat.

Infektiöse Komplikationen

Grundsätzlich werden funf Infektions­lokalisationen unterschieden: (1) asympto­matische Besiedelung der Katheterspitze,

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(2) Infektion im Bereich der Einstichstelle, (3) Tascheninfektion im Bereich des Port­rese rvoirs, (4) Tunnelinfektion und (5) Katheter-assoziierte Bakteriämie . Die Erre­ger stammen entweder von der Haut oder gelangen bei Benutzung des Katheters nach extra- bzw. intraluminal. In se ltenen Fällen kann durch Traumatisierung der Trikuspidalklappen und transienter Bakteriämie eine Rechtsherzendokarditis ausgelöst werden.

Die Handhabung und bestimmte Material­eigenschaften erleichtern eine Infektion : Dauer und Häufigkeit der Benutzung bzw. Ort der Inse rtion, Durchmesser der Kathe­ter, An za hl der Lumina bzw. adhäsive Eigenschaften. Bei Tumorpatienten ist die Häufigkeit von Katheter-assoziierten Bakte­riämien bei von peripher gelegten, zentra­len Venenkathetern deutlich niedriger als bei getunne lten, zentralen Kathetern. D en­noch müssen periphere Katheter aufgrund von nichtinfektiösen Komplikationen (Throm bosen, Venenreizung, mechanischer Defekt) bei jedem 5. Patienten vorzeitig entfernt werden.

Zum Vermeiden infektiöser Komplikationen ist ein einwandfreier Umgang mit den Ka­thetern und Infusionsbestecken nach hygieni­schen Gesichtspunkten (Mundschutz, Haar­schutz, sterile Handschuhe, steriles Arbei­ten am Katheter) notwendig. Als Verband sollten semipermeable transparente Folien verwendet werden, um die Einstichstelle ständig kontrollieren zu können.

D as Angebot an Infusionssystemen ist groß, beginnend von einfachen Plastikfla­schen bis hin zu elektronischen Infusions­pumpen. Die Entscheidung fur oder gegen eines der Systeme hängt von verschiedenen Überlegungen ab wie Dauer der Behand­lung, Kooperationsfahigkeit des Patienten, Kosten und Stabilität der antimikrobiellen Substanzen.

Klinische Studien

In den letzten zehn Jahren wurden zahlreiche Studien zum Stellenwert der ambulanten parenteralen antimikrobiellen Chemothe­rapie durchgefuhrt, die allerdings nicht ve rgleichend angelegt waren und daher mehr Erfahrungsberichten entsprechen. Grundsätzlich können diese Untersuchun­gen dahingehend interpretiert werden, daß die ambulante parenterale Behandlung von Infektionen bei Beachtung der Kontraindi­kationen und bei exakter logistischer Vorbereitung eine sichere, effektive und kostengünstige Therapie darstellt.

1. Haut-und Weichteilinfektionen3 :

In einer Studie an 130 Patienten mit Haut­und Weichteilinfektionen wurde die klini­sche und bakteriologische Wirksamkeit von Cefotaxim (CLAFORAN) geprüft. In 34% wurden S. aureus als verursachender Erreger der Infektion, in 13% koagulase-

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negative Staphylokokken und in zirka 15 % gramnegative Keime isoliert. Cefotaxim wurde in einer Dosis je nach Schweregrad von 3 x 1 bis 2 g pro Tag über eine program­mierbare Infusionspumpe (CADD-PLUS, Pharmacia) ve rabreicht ; die Infusions­kassette wurde fur einen Tag jeweils vor­bereitet. Ein klinischer Erfolg wurde bei 97,5% der Patienten, eine Eradikation der Keime bei 94% beobachtet. Von größerer Bedeutung war die Tatsache, daß bei 80 Patienten eine stationäre Aufnahme ver­m ieden werden konnte. Die gesamte statio­näre Aufenthaltsdauer der Patienten, die primär im Krankenhaus anbehandelt wur­den, betrug nur 4,7 Tage - fur die gesamte Patientenpopulation 1,5 Tage. 31 der 130 Patienten entwickelten Nebenwirkungen, die viermal auf Probleme mit dem Venen­zugang zurückzufuhren waren. Die häufig­sten Nebenwirkungen waren Durchfalle, Phlebitis und allergische Reaktionen. Nur bei acht erfolgte ein Therapieabbruch.

2. Endokarditis4:

Der größte Kostenfaktor bei der Behand­lung einer infektiösen Endokarditis sind die stationären Behandlungskosten. Die Behandlung erfolgt im allgemeinen durch parenterale Gabe der Antibiotika im Kran­kenhaus; die Therapiedauer vari iert je nach Erreger und klinischer Konstellation zwischen zwei und sechs Wochen. Eine Möglichkeit, di e stationäre Liegedauer zu verkürzen, ist die Weiterfuhrung einer initial im Krankenhaus begonnenen parenteralen antimikrobiell en Chemothe­rapie zu Hause bzw. eine vollständige Um­gehung eines Krankenhausaufenthaltes. Voraussetzung ist eine sorgfaltige Auswahl geeigneter Pat ienten: (1) stabile Hämo­dynamik, (2) echokardiographische Vegeta­tionen auf den betroffenen Herzklappen kleiner als zehn mm, (3) Ausschluß einer schweren Aortenklappeninsuffizienz, (4) bzw. von komplexen Herzrhythmusstörun­gen, (5) keine künstliche Herzklappen sowie (6) Ausschluß eines mykotischen Aneurysmas.

In einer europäischen Multicenterstudie konnten 55 von 59 stationären Patienten mit einer Streptokokkenendokarditis, die eine parenterale Therapie mit Ceftriaxon 2 g pro Tag über vier Wochen erhalten hatten, erfolgreich behandelt werden. 23 dieser 55 Patienten wurden vorzeitig inner­halb der ersten zwei Behandlungswochen nach Krankenhausaufnahme zur APAT nach Hause entlassen.

Einen ähnlichen Effekt auf einen verkürz­ten stationären Aufenthalt bzw. vollständi­gen Verzicht ze igte eine Multicenterstudie, bei der 52 Patienten mit Streptokokken­endokarditis mit einer Kombination von Ceftriaxon und Netilmicin (CERTOMYCIN) fur zwei Wochen behandelt wurden. Von 48 auswertbaren Patienten wurden 42 geheilt, funf verstarben in der Nachbeobachtungs­periode, allerdings keiner an einer aktiven

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Antibiotikatherapie im ärztlichen Alltag ( 18) Laryngitis Kasuistik : In die Praxis kommt ein 45 Jahre alter männlicher Patient, der seit zwe i Tagen - beginnend mit Kratzen und Schmerzen in den tiefen H alspartien - eine zunehmende Heiserkeit feststellt. Zusätzlich bestehen Glieder- und Muskelschmerzen, Kopfschmer­zen, mäßig erhöhte Körpertemperatur und ein leichter unp roduktiver Reizhusten sowie ein mittelschweres Krankheitsgefuhl. Die körperliche Untersuchung ergibt keinen Hin­weis fur eine akute Tonsillopharyngitis, eine Bronchitis oder Pneumonie. Die indirekte Laryngoskopie ze igt deutlich gerötete Stimmbänder ohne Beläge . Auch die benachbarte pharyngale Schleimhaut ist deutlich entzündet.

Diagnose und Ätiolog~ Die akute Laryngitis en tsteht durch vorwiegend virale, seltener bakterielle Infektionserreger. Zusätzlich müssen aber auch thermische, allergische oder chemische Inhalationsnoxen wie z. B. Tabakrauch berücksichtigt werden. Zumeist ist die Laryngitis Teilerscheinung einer deszendierenden katharralischen Entzündung der oberen Luftwege oder sie entsteht aszendierend nach einer Bronchitis. Sonderformen treten bei Tuberkulose, Sarkoidose, Diphtherie und Syphilis auf.

Thera~: Die zumeist akute virale Infektion kann nicht chemotherapeutisch behandelt werden. Eine konsequente Stimmschonung, Rauchverbot bzw. Elimination von chemischen und allergenen Noxen ist notwendig. Wasserdampfinhalationen, anti­pblogistische Maßnahmen sowie körperliche Schonung sind wichtigste Bestandteile der unspezifischen Therapiemaßnahmen. Eine engmaschige Kontroll e zum Ausschluß ei­ner bakteriellen Superinfektion mit Entwicklung z. B. einer Tracheabronchitis ist bei diesen Patienten notwendig. Besteht die Heiserkeit über mehr als drei Wochen im Sinne einer chronischen Entzündung des Kehlkopfes, muß eine intensivere Diagnostik erfolgen.

Endokarditis; ein Patient entwickelte ein Rezidiv. Zehn der 52 Patienten wurden zu­nächst stationär, dann ambulant und funf wurden nur ambulant behandelt. Ähnliche gute Ergebnisse wurden auch bei Patienten mit einer Endokarditis, hervorgerufen durch Erreger der HACEK-Gruppe, von der gleichen Arbeitsgruppe berichtet.

3. Osteomyelitis2 :

Eine Arbeitsgruppe aus Wien behandelte 37 Patienten wegen einer akuten Exazerbation eine r chronischen Osteomyelitis ebenfalls zunächst stationär und nach Konsolidie­rung ambulant. Die Osteomyelitis wurde durch S. aureus (n = 13), Methicillin-res i­stente S. aureus (n = 12) und Methicillin­sens ible koagulase-negative Staphylokok­ken (n = 1) bzw. Enterokokken (n = 2) her­vorgerufen . Nach einer Initialdosis von 11 mg/kg Teicoplanin (TARGOCID) i. v. erhielten die Pat ienten an drei Tagen der Woche ambu lant die Substanz in einer Dosis von im Mitte l 14 mg/ kg. Als Tal­konzentration im Serum wurden Konzen­trationen von 5 bis 15 mg/ 1 angestrebt. Die Dauer der Behandlung variierte zwischen 28 und 150 Tagen. Bei 14 (38 %) bzw. 17 Patienten (46 %) wurde eine H eilung bzw. Besserung gesehen, nur bei 6 (16 Ofo) lag ein Therapieversagen vor. Eine pharmakaöko­nomische Berechnung zeigte, daß pro Patient 60.000 US$ an Hospitalisierungs­kosten eingespart werden konnten.

ZUSAMMENFASSUNG: Eine ambulan­te parenterale antimikrobielle Therapie (APAT) kann bei geeigneten Patienten zu einer signifikanten Reduzierung der An­zahl der Krankenhaustage und damit zu einer Senkung der Behandlungskosten

beitragen. Für den Patienten bedeutet die ambulante Therapie im allgemeinen eine höhere Lebensqualität. Um diese Therapie so effektiv und sicher wie mög­lich zu gestalten, ist eine klare Identifika­tion geeigneter Patienten notwendig. Die Behandlung muß ärztlicherseits über­wacht werden, die Durchfiihrung selbst kann von ambulanten Pflegediensten übernommen werden. Entscheidend fiir den Erfolg ist neben der korrekten Aus­wahl der Antibiotika die Beachtung der ausreichenden Dosierung und Stabilität der Substanz, die Frage des Venenzu­gangs (zentrale oder periphere Katheter, Portsysteme oder getunn~lte Katheter), die hygienische Pflege dieser Systeme sowie die exakte Kontrolle der Patienten auf Nebenwirkungen. Infektionen, mit denen ausreichende Erfahrungen vorlie­gen, sind u. a. Osteomyelitis, Haut- und Weichteilinfektionen, Endokarditis, Atem­wegsinfektionen, Urogenitalinfektionen und chronische Zytomegalievirusinfek­tionen. Mit zunehmend verbesserter Pharmakokinetik und antimikrobieller Aktivität oral wirksamer Antibiotika dürfte die Indikation fiir die ambulante paren­terale antimikrobielle Therapie in Zukunft eher nachrangig sein und fiir bestimmte Patientengruppen reserviert bleiben.

I. GILBERT, D.N. et al. N. Engi.J. Med. 1997; 337:829-838

2. GRANINGER, W. et al. Eur.J. Clin. Microb. lnfect. Dis. 1995 ; 14: 643-647

3. PORETZ, D.M. et al. Am.). Med. 1994; 97 (Suppl. 2A); lA- 55A

4. STAMBOUUAN, D. Eur.J. Clin. Microbiol. lnfect. Dis. 1995 ; 14:648-654

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Neueinfüh111ng Cidofovir - ein neues Virostatikum zur Behandlung der CMV-Retinitis Die Mehrzahl der heute verfugbaren Virustatika gehört zu den Nukleosid-Analo­ga (nicht phosphoryliert). Das neue Cidofovir (VISTIDE) ist dagegen ein Nukleotid-Analogon (ein Monophosphat), das in vitro und in vivo eine Aktivität gegen das humane Cytomegalievirus (CMV) auf­weist. D a die Substanz bereits als Mono­phosphat vorliegt, entfallt jener Phos­phorylierungsschritt, der zum Beispiel beim Ganciclovir (CYMEVEN) essentiell ist, um die bio logisch aktive Verbindung zu erhalten. Cidofovir wird intrazellulär in das entsprechende Diphosphat umgewan­delt, welches die viralen Polymerasen hemmt. Die Halbwertzeit von Cidofovir­Diphosphat in der Zelle beträgt 17 bis 6S Stunden. Mehr als 80% des irrfundierten Cidofovirs werden innerhalb von 24 Stun­den unverändert im Urin ausgeschieden. 1

Anwe ndung bei AIDS-Patienten mit CMV-Retinitis

Im Vergleich zu anderen Virustatika besitzt Cidofovir nur eine geringe therapeutische Breite und kommt aufgrund der ausgepräg­ten Toxizität nur in seltenen Fällen als Therapeutikum in Betracht. Es ist prin­zipiell wirksam bei AIDS-Patienten mit CMV-Retinitis, doch sollte es nur ange­wandt werden, wenn andere Substanzen als ungeeignet erscheinen. Länger bekannte Alternativen bei dieser Indikation sind Ganciclovir und Foscarnet (FOSCAVIR). Bekanntlich besitzen auch diese Medi­kamente erheb liche Nachteile, so daß die therapeutischen Optionen bei der CMV-Retinitis nach wie vor sehr unbe­friedigend sind.2

Wegen der langen Verweildauer in den Zellen kann Cidofovir in relativ großen zeitlichen Abständen verabreicht werden -dies ist ein Vorteil gegenüber den anderen Präparaten. Während der 14-tägigen Initial­phase wird das M edikament in einer Dosie­rung von S mg/kg Körpergewicht zweimal im Abstand von einer Woche gegeben, anschließend erfolgt die Infusion alle zwei Wochen.3 Die Therapie sollte von der oralen Verabreichung von insgesamt 4 g Probenecid (PROBENECID) und von einer adäquaten intravenösen Hydratisierung mit physiologischer Kochsalzlösung begleitet sein. Diese Maßnahmen haben sich als not­wendig erwiesen, um die nephrotoxische Wirkung des Chemotherapeutikums zu re­duzieren, trotzdem kann bei etwa jedem zweiten Patienten eine Proteinurie auftreten. Bei 1S% der Patienten kam es zum Anstieg des Kreatinins . Daneben muß bei der Anwendung mit bärnatologischen Veränderungen gerechnet werden (Neu­tropenie bei ca . 20% der Patienten).

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Interaktionen, Toxizitä t

Da Probenecid die Zidovudin-Clearance reduziert, sollen Patienten, die mit Zidovudin (RETROVIR) behandelt wer­den, während der Behandlung mit Cidofovir, die Zidovudin-Dosis um SO% reduzieren.

Die Nephrotoxizität von Cidofovir ist dosislimitierend, entsp rechend müssen während der Therapie -wie zuvor beschrie­ben- effektive Maßnahmen ergriffen werden, diese Toxizität zu reduzieren. Cidofovir induzierte im Tierexperiment maligne Tumore. In den präklinischen Studien wurden neben der kanzerogenen Wirkung auch mutagene und embryo­toxische Wirkungen nachgewiesen, die im subtherapeutischen Dosisbereich auftra­ten . Cidofovir sollte als mögliches Karzi­nogen beim Menschen eingestuft werden. Frauen im gebärfahigen Alter müssen darauf hingewiesen werden, daß während und nach der Therapie mit dem Präparat eine wirksame Kontrazeption erfolgen muß.

ZUSAMMENFASSUNG: Cidofovir (VISTIDE) ist ein Nukleotid-Analogon, das bei AIDS-Patienten mit CMV-Retini­tis eingesetzt werden kann, wenn andere Substanzen als ungeeignet erscheinen. Die ausgeprägte Toxizität dieses Virus­tatikums verbietet eine breitere An­wendung.

I) Fachinfo VISTIDE, April 1997, Gilead Sei. Ltd , UK

2) SPECTOR, S. A. J. Acqu. lmm. Def. Synd . Hum . Retrovirol. 1997; 14: 532-535

3) LALEZARI,J. P. et al. Ann. Intern. Med. 1997; 126:257-263

Infektionsepidemiologie AIDS-Inzidenz in USA rückläufig Die kumulativen AIDS-bezogenen Mel­dungen an die zentrale Gesundheitsbehörde in Atlanta (CDC) bis zum Juni 1997 aus SO nordamerikanischen Staaten wurden hin­sichtlich der Geschlechtsverteilung, des Al­ters, der ethnischen Zugehörigkeit und der Art der Risikofaktoren analysiert. Es erga­ben sich deutliche epidemiologische Verän­derungen im Vergleich der Jahre 199S und 1996. So wurde im Jahre 1996 bei S6.730 Patienten eine opportunistische Infektion diagnostiziert, was einen Rückgang um 6% gegenüber dem Jahre 199S darstellt. Dies betraf vorwiegend die homosexuelle weiße Risikogruppe, während unter den Afroame­rikanern ein Anstieg um 19% zu beobach­ten war. Auch hinsichtlich der Todesfalle reduzierte sich die Anzahl von S0.140 verstorbenen AIDS-Patienten im Jahre 199S auf38 .780 im Jahre 1996, was einem Rückgang von 23% entsprach . Die Anzahl der insgesamt an AIDS erkrankten Patienten

November/Dezember 1997 - 18.jahrg.

betrug am Ende des Jahres 1996 23 S .4 70 lebende Patienten, was einem Anstieg um 11% gegenüber dem Vorjahr entsprach. Die größte Risikogrupp e bei diesen Patienten waren unverändert homosexuelle Männer mit 48 %; der umfangreichste proportionale Anstieg hinsichtlich der Prävalenz betraf allerdings Männer und Frauen mit Infektionen durch heterosexu­elle Kontakte (28 bzw. 23 %).

MMWR 1997; 46: 861-866

Aktuelle Tuberkulose-Epidemiologie in der Bundesrepublik Deutschland Seit kurzem liegen die D aten über die Tuberkulose-Erkrankungen im Jahre 1996 in Deutschland vor. In diesem Jahr wurde bei 11.814 Patienten eine Tuberkulose­Erkrankung neu diagnostiziert. Somit liegt jetzt eine Inzidenz von 14,4 Erkrankungen/ 100.000 Einwohnern vor. Im Vergleich zum Vorjahr ist die Tuberkulose also weiter gering rückläufig (12.198 Erkrankungsfalle; Inzidenz: 1S.O). Der Rückgang betrug von 199S zu 1996 insgesamt 3,1 %. Nach wie vor dominierend sind bei den Tuberku­lose-Erkrankungen die Erkrankungen im Bereich der Atmungsorgane mit 9.9S7 Erkrankungen, entsprechend 84,3% der Gesamterkrankungen. Die Inzidenz liegt hier bei 12,2 Erkrankungen/ 100.000. Tuber­kulose-Erkrankung anderer Organe traten bei 1.8S7 Patienten auf. 888 Patienten verstarben 1996 laut der Todesursache­Statistik an einer Tuberkulose. Hierbei handelt es sich um 690 Todesfalle bei aku­ter Erkrankung und um 198 Todesfalle durch tuberkulöse Spätfolgen.

Laufende Studien des Deutschen Zentral­komitees zur Bekämpfung der Tuberkulose geben einen tieferen Einblick in die epide­miologischen Zusammenhänge. So kann davon ausgegangen werden, daß die Abnahme der absoluten Zahl der Tuberku­lose-Erkrankungen bei Ausländern, die seit 1994 kontinuierlich registriert wird, im wesentlichen durch die veränderte Asyl­gesetzgebung der Bundesrepublik bedingt ist . Interessant ist darüber hinaus eine unterschiedliche Altersverteilung der Erkrankungen bei deutschen und ausländi­schen Mitbürgern. Während die Tuberku­lose bei der einheimischen deutschen Bevölkerung einen eindeutigen Altersgipfel im höheren Lebensalter zeigt, liegt dieser bei den ausländischen Mitbürgern um das 30. bis 3S. Lebensjahr. Vermutlich auch in Abhängigkeit des Anteils ausländischer Mitbürger an der gesamten Bevölkerung ergeben sich hinsichtlich der einzelnen Bundesländer sehr unterschiedliche Ent­wicklungen. So zeigt sich, daß regionale Ballungsgebiete wie Berlin, Bremen und Harnburg mit ihren jährlichen Inzidenz­raten zwischen 18 und 20 Erkrankungen/ 100.000 deutlich höher liegen als die Inzidenzen in den mehr agrarisch struktu­rierten Gebieten der Bundesrepublik Auch

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Zeitschrift fur Chemotherapie

der Anteil ausländischer Mitbürger an den Tuberkulose-Erkrankungen ist in den Ballungsgebieten höher, so lag er z.B. in Mecklenburg-Vorpommern bei lediglich 7% und in Harnburg bei 44 %.

Hinsichtlich der Resistenzentwicklung ergeben sich wenig neue besorgniserregende Aspekte. 1996 waren 3,5% der Erreger gegenüber Isoniazid (ISOZID u. a.) resistent, 1 % zeigte Resistenzen gegenüber Rifampicin (RIFA u. a.) und 1,8% gegen­über Pyrazinamid (PYRAFAT u. a.) oder Streptomycin (STREPTOMYCIN u. a.). Die gefurchtete sogenannte Multiresistenz gegenüber Isoniazid und Rifampicin in dem gleichen Stamm wurde lediglich bei 0, 7% der untersuchten Stämme festge­stellt. Beachtet werden muß aber weiterhin, daß insbesondere bei Patienten, die aus entsprechenden Regionen kommen (z. B. Türkei, ehemalige Staaten des Ostblocks), mit deutlich höheren Resistenzraten gerechnet werden muß.

Epid. Bull . 1997; 36 : 247-249

Sinusitis maxillaris Sinusiris maxillaris - antibiotisch be­handeln? Die Mehrzahl der Studien zur antibioti­schen Behandlung der akuten maxiHären Sinusitis erfolgte bei Patienten, die mit schweren Erkrankungen zumeist von HNO-Fachärzten untersucht und behan­delt wurden. Nur selten sind Behandlungs­protokolle unter den Bedingungen der primären medizinischen Versorgung der akuten Sinusitis durchgefuhrt worden. In einer holländischen Studie wurde zwischen März 1993 und März 1994 bei 53 Allge­meinmedizinern in Holland eine prospek­tive Analyse sämtlicher Patienten mit dem Verdacht auf eine maxiHäre Sinusitis vorge­nommen. Als klinische Symptome wurden der akute Beginn eines "Common colds" mit Krankheitsgefuhl, Kopfschmerzen, Nasenverstopfung, purulentem Nasensekret und Klopfschmerz der Nervenaustritts­punkte über den maxiHären Sinus verwer­tet; zur eindeutigen Diagnose wurden radiologische Befunde mit Nachweis einer Schleimhautschwellung von mehr als 5 mm, eine komplette Verschattung des Sinus oder ein Flüssigkeitsspiegel in der Nasennebenhöhle bewertet. Insgesamt 488 Patienten wurden unter dem Verdacht einer Sinusitis erfaßt, von denen allerdings 216 einen normalen radiologischen Befund aufWiesen. Wegen weiterer Ausschluß­kriterien entfielen 58 Patienten, so daß fur die Randomisierung 214 Patienten übrig­blieben. Von diesen 214 Patienten erhielten 106 ein Placebo und 108 dreimal täglich 750 mg Amoxicillin (CLAMOXYL u. a.) über sieben Tage . Der klinische Verlauf wurde nach ein und zwei Wochen beurteilt, weiterhin wurden auch Rezidive und Korn-

plikationen über ein Jahr nach der akuten Erkrankung erfaßt. Zwei Wochen nach Krankheitsbeginn waren bei 83 % der Patienten mit Amoxicillin die Symptome deutlich gebessert bzw. verschwunden, die entsprechenden Zahlen fur die Placebo­Gabe lagen bei 77 %. Auch bezüglich der Rezidive ergaben sich keine Unterschiede mit 23 Rezidiven unter Amoxicillin über einen Zeitraum von einem Jahr und 18 Rezidiven in der Placebo-Gruppe. Unver­träglichkeitsreaktionen wurden in 28 % der Patienten unter Amoxicillin und in 9% bei den Patienten unter Placebo berichtet. Die Unverträglichkeitsreaktionen betrafen in beiden Gruppen vorwiegend den Gastro­intestinaltrakt.

FOLGERUNG DER AUTOREN: In dieser Studie bei 214 Patienten in einem mittleren Lebensalter von 37 Jahren mit radiologisch gesicherter Sinusitis maxillaris war eine Amoxicillin (CLAMOXYL u. a.)-Therapie der Placebo­Gabe nicht überlegen. Die Autoren weisen allerdings darauf hin, daß es sich bei ihren Patienten vorwiegend um q1ilde bis mittelschwere Erkrankungen handelte und eine Antibiotika-Therapie bei schwe­ren Infektionen durchaus indiziert sein könnte.

VAN BUCHEN et al. Lancet 1997; 349: 683-87

Im April 1996 wurde in Kanada ein Sinusitis-Symposium abgehalten, dessen Ergebnisse im Jahre 1997 publiziert wurden. Die Autoren analysierten Studien zwischen 1980 und 1996 in der englisch­sprachigen Literatur. Als beweisend fur die Diagnose einer akuten Sinusitis wurden drei Symptome gewählt (maxilläre Zahn­schmerzen, schlechter Erfolg einer dekon­gestierenden Behandlung sowie der anamnestische Hinweis auf eine vermehrte Nasensekretion); zwei Befunde (purulentes Nasensekret, pathologische Trans­illumination) wurden ebenfalls als bewei­sende Parameter fur eine Sinusitis bewertet. In drei randomisierten kontrollierten Studien erwies sich die antibiotische Thera­pie als wirksam in der Behandlung der akuten Sinusitis. So war in einer Studie bei dem Vergleich der Patienten mit einer dekongestierenden Behandlung plus Anti­biotika ein signifikant besserer klinischer Erfolg nach acht bis zehn Tagen unter Anti­biotika zu verzeichnen. Auch in einer Untersuchung an Kindern wurde mit Amoxicillin ein besserer Erfolg als in der Placebo-Gruppe registriert. In einer Thera­pie-Studie war Amoxicillin-Clavulansäure (AUGMENTAN) nicht effektiver als die üblichen Substanzen wie Amoxicillin (CLAMOXYL) oder auch bei Penicillin-all­ergischen Patienten Cotrimoxazol (BACTRIM u. a.).

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die Analyse von biometrisch zufriedenstel­lenden prospektiven randomisierten

November/Dezember 1997 - 18.]ahrg.

Studien deutet darauf hin, daß als Konsensus der beteiligten Autoren eine zehntägige Therapie mit Amoxicillin (CLAMOXYL u. a.) die derzeit empfeh­lenswerte Therapie bei der akuten Sinusitis maxillaris darstellt.

LOW, D.E. et al. Can. Med. Assoc. J. 1997; 156 (Suppl 6): 15-145.

ANMERKUNG DER REDAKTION: In der Mehrzahl der westlichen Indu­strieländer wird die Sinusiris maxillaris ebenso wie die Otitis media antibiotisch behandelt. Die niederländischen Studien zu beiden Infektionen deuten allerdings daraufhin, daß offensichtlich bei engma­schiger Kontrolle der Patienten, bei nicht eindeutigem schweren bakteriellen Infektionskrankheitsbild und bei sonst gesunden jüngeren Erwachsenen auch durchaus auf eine antibiotische Therapie im Einzelfall verzichtet werden kann. Insbesondere bei Kindern ist die sponta­ne Remissionsrate bei mildem bis mittel­schwerem Krankheitsbild recht hoch, so daß hier auch unter Berücksichtigung der Resistenzentwicklung von z. B. Penicil­lin-resistenten Pneumokokken vermehrt der Verzicht auf eine Antibiotika-Therapie diskutiert werden sollte

MiHel der Wahl Mefloquin oder Doxycyclin fiir die Malaria-Prophylaxe in Indonesien? Mefloquin (LARIAM) und Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) sind die beiden Substanzen, die fur die Malaria-Prophylaxe bei Reisen in Gegenden mit einer Resistenz von Plasmodium falciparum gegen Chloroquin (RESOCHIN) empfohlen werden. In einer prospektiven Doppel­blind-Studie im nordöstlichen Teil von Indonesien wurde bei 204 Soldaten gegen­über Placebo untersucht, welcher Stellen­wert dieser Prophylaxe zukommt. In randomisierter Zuordnung erhielten die Soldaten über 13 Wochen entweder ein Placebo, 100 mg Doxycyclin täglich oder 250 mg Mefloquin wöchentlich nach einer Anfangsdosis von 250 mg täglich fur drei Tage. Malaria-Ausstriche wurden wöchent­lich vorgenommen sowie immer auch zu Zeitpunkten, wenn die Patienten Malaria­verdächtige Symptome angaben. In der Placebo-Gruppe entwickelten 53 der 69 Sol­daten eine Malaria, was einer Erkrankungs­rate von 5,8 Fällen pro Personenjahr entsprach. Plasmodium falciparum wurde in 57% der Erkrankungen nachgewiesen, der Rest entfiel auf Plasmodium vivax. Keiner der 68 Soldaten in der Mefloquin-Gruppe entwickelte eine Malaria, d .h . der pro­tektive Effekt dieser Substanz lag bei 100%. In der Doxycyclin-Gruppe mani­festierte sich bei einem Patienten eine P. falciparum-Malaria, was einer protektiven

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Rate von 99% entsprach. Die Ver­träglichkeit beider Substanzen war sehr gut; mit beiden Pharmaka wurden jedoch neurologische Symptome beobachtet, wobei insbesondere Benommenheit und Kopfschmerzen signifikant häufige r unter Mefloquin auftraten . Weiterhin waren auch gastrointestinale Symptome, insbesondere Oberbauchschmerzen, berichtet worden. Bei einem Vergleich zwischen den drei Gruppen ergab sich erstaunl icherweise, daß bei einer Auswertung des Symptomscores beide Medikamente besser vertragen wur­den als das Placebo; bei Vergleich der bei­den Verumgruppen erwies sich Doxycycl in hoch signifikant besser verträglich als Mefloquin.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Sowohl Mefloquin (LARIAM) wie auch Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) erwie­sen sich als hoch wirksam und insgesamt gut verträglich in der Malaria-Prophylaxe bei indonesischen Soldaten.

OHRT, C. et al. Ann. Intern. Med. 1997; 126: 963-972

Ceftriaxon oder Doxycyclin bei der akuten disseminierten Lyme-Krankheit

Die durch Zecken übertragene Borrelia burgdorferi-Infektion manifestiert sich als Lyme-Erkrankung. Man unterscheidet die frühe und lokalisierte Erkrankung, die sich in aller Regel mit einem Erythema migrans bemerkbar macht und die Dissemination der Spirochäten in verschiedene Organe und Gewebe, einschließlich des zentralen Nervensystems. Als Standardtherapie der akuten lokalisierten Lyme-Erkrankung galt bisher die Gabe von Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) oder Amoxidllin (CLAMOXYL u. a.). Unklar ist bisher geblieben, ob die akute disseminierte Form der Lyme-Erkrankung anders behandelt werden sollte. Zu diesem Zwecke unter­suchte eine amerikanische Arbeitsgruppe in einer prospektiven offenen randomisierten Multicenterstudie 140 Patienten mit multi­plen Erythema migrans - Läsionen, die als Zeichen einer disseminierten Lyme­Erkrankung interpretiert wurden. Die Patienten erhielten entweder Ceftriaxon (ROCEPHIN) 2 g täglich über 14 Tage oder orales Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) in einer Dosierung von täglich zweimal 100 mg über 21 Tage . Patienten mit einer akuten Meningitis wurden nicht in die Studie eingeschlossen. Beide Therapie­regime erwiesen sich als hochwirksam. Bei der abschließenden Untersuchung der Patienten, fur die 133 Patienten zur Ver­fugung standen und die zwischen drei und neun Monaten nach Beendigung der Therapie stattfand, waren die klinischen Heilungsraten mit 85 % in der Ceftriaxon­behandelten Gruppe und mit 88% in der Doxycyclin-behandelten Gruppe statistisch nicht unterschiedlich. 18 der 67 auswertba­ren mit Ceftriaxon behandelten Patienten

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(27 %) gaben bei der letzten Nachuntersu­chung ein oder mehrere persistierende Symptome an, in der Doxycyclin-Gruppe war dieses bei zehn von 71 Patienten (14 %) der Fall. Die am häufigsten persistierenden Beschwerden waren leichte Gelenk­schmerzen. Die Verträglichkeit der Therapie war in beiden Gruppen gut, in jeder Behandlungsgruppe schieden lediglich vier Patienten wegen Nebenwirkungen vorzeitig aus.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Die akute disseminierte Lyme-Erkrankung ohne Meningitis kann mit oralem Doxycyclin (VIBRAMYCIN u. a.) oder parenteralem Ceftriaxon (ROCEPHIN) behandelt werden. Beide Therapien unterscheiden sich hinsichtlich der er­reichbaren klinischen Heilungsraten und der Verhütung von Spätmanifestationen der Erkrankung nicht voneinander.

DATTWYLER RJ. et al. N. Eng!.). Med. 1997 ; 337: 289-94

Therapie der Frühsyphilis bei Patien­ten mit und ohne HIV-Infektion

Bei HN-infizierten Patienten kommt es nach einer Infektion mit Treponema pallidum nicht selten zum Auftreten einer Neurosyphilis oder zum Übertritt der Erre­ger in den Liquor. Diese Beobachtung ließ Zweifel an der Wirksamkeit der bisher emp­fohlenen Behandlung einer frühen Syphilis­Infektion mit Benzathin-Penicillin G (TARDOCILLIN u. a.) aufkommen. Aus diesem Grund untersuchte eine amerikani­sche Arbeitsgruppe 541 Patienten mit einer Frühsyphilis, von denen 101 Patienten eine HIV-Infektion hatten . Die Patienten erhiel­ten entweder 2,4 Mi!!. Einheiten Penicillin G intramuskulär oder zusätzlich zum Penicillin G eine zehntägige weitere anti­biotische Therapie mit 2 g Amoxicillin (CLAMOXYL u. a.) und 500 mg Probenecid (PROBENECID) oral dreimal täglich. In der einjährigen Nachbeobachtungsphase wurden hinsichtlich der Heilung der Erkrankung, dem Verlauf der serologischen Parameter und dem Nachweis von Treponema pallidum im Liquor keine Unterschiede zwischen der einmalig mit Penicillin G behandelten Gruppe und der Gruppe, die zusätzlich die zehntägige anti­biotische Therapie erhielt, gesehen. Der einzige Patient, der ein klinisch definierter Therapieversager war, war ein HN-infizierter Patient. Keiner der Patienten entwickelte eine klinisch manifeste Neurosyphilis . Obgleich bei einem Viertel der untersuchten Patienten vor der Behandlung Treponema pallidum im Liquor nachgewiesen wurde, ist ein solcher Befund offensichtlich kein Prädiktor fur ein Therapieversagen.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei primärer oder sekundärer Syphilis ergibt sich auch bei HIV-infizierten Patienten kein Grund, die einmalige Gabe von

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Penicillin G (div. Warenzeichen) durch eine fortgesetzte orale Antibiotikagabe zu verstärken. Die Empfehlung, eine frühe Syphilis mit 2,4 Mill. Einheiten Penicillin G. intramuskulär zu behan­deln, kann also auch für HIV-infizierte Patienten akzeptiert werden.

RO LFS R.T. et al. N. Engi.J. Med. 1997; 337: 307-14

Interaktionen Clarithromycin hemmt CYP3A

Erythromycin (ERYCINUM u. a.) und andere Makrolide besitzen bekanntlich ein ausgeprägtes Potential fur Arzneimittel­interaktionen. Ärzte aus Australien publi­zierten unlängst den folgenden Fall einer schwerwiegenden Interaktion bei einer 54-jährigen Frau: die Patientin wurde nach einer Nierentransplantation einige Jahre lang kontinuierlich mit C iclosporin A (SANDIMMUN) und anderen Immun­suppressiva behandelt; darüberhinaus be­kam sie wegen einer Hypercholesterinämie Simvastatin (ZOCOR u. a.). Drei Wochen nach Beginn einer antibiotischen Therapie mit Clarithromycin (KLACID u. a.) kam es zu einer akuten Rhabdomyolyse - einer bekannten Nebenwirkung des Simvastatins. Als Ursache fur dieses Ereignis wurde ange­nommen, daß entweder Clarithromycin direkt durch Hemmung des Cytochrom P450 3A (CYP3A) zu einem Anstieg der Serumkonzentration von Simvastatin ge­fuhrt hatte, oder daß die Monooxygenase durch die hohen Cyclosporin-Spiegel gehemmt worden sei. Es ist bekannt, daß der Abbau des Immunsuppressivums durch Makrolide gehemmt werden kann; zur Zeit der Klinikeinweisung lag der Cyclosporin­Spiegel bei 1200 ng/ ml, während die Konzentrationen zuvor zwischen 100 und 160 ng/ml geschwankt hatten.

Um den möglichen Einfluß des Clarithromycins auf CYP3A genauer zu untersuchen, verwendeten die Autoren einen speziellen Atemtest bei gesunden Freiwilligen. Es zeigte sich, daß durch Clarithromycin (zwei Tage lang jeweils zweimal 500 mg) die Aktivität des Enzyms bei allen Probanden gehemmt wurde. Die Werte waren im Mittel um 26 %, bei einem Teilnehmer sogar um 36% reduziert.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Eine gleichzeitige Therapie mit Clarithromy­cin (KLACID u. a.) und anderen Arznei­mitteln, die durch Cytochrom P450 3A metabolisiert werden, sollte unterbleiben. Es muß bedacht werden, daß durch CYP3A der Abbau zahlreicher Arznei­stoffe katalysiert wird.

ANMERKUMG DER REDAKTION: Azithromycin (ZITHROMAX) ist das ein­zige therapeutisch verwendete Makrolid-

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Antibiotikum, vom dem bisher keine relevanten Arzneimittel-Interaktionen durch Hemmung hepatischer Mono­oxygenasen bekannt geworden sind. Diese besondere Stellung des Antibioti­kums hängt offenbar mit der unterschied­lichen chemischen Struktur der Substanz zusammen (15-gliedriger Laktonring, Azalid), die sich von allen anderen Makroliden unterscheidet. Angesichts der häufigen Multimorbidität der Patienten, die nicht selten mehrere Arzneimittel kontinuierlich einnehmen, muß ein geringes Interaktionspotential als eindeu­tiger Vorteil angesehen werden.

SPICER, S.T. et al. Br. J. Cl in. Pharmacol. 1997; 43: 194-196

Clarithromycin vermindert Zidovudin­Bioverfiigbarkeit bei gemeinsamer Gabe

Clarithromycin (KLACID) wird in der Behandlung von M. avium-Infektionen bei AIDS-Patienten mit Erfolg eingesetzt. Die dabei üblichen Dosierungen liegen zwi­schen zweimal500 mg bis zweimall.OOO mg Clarithromycin täglich. Interessanterweise warnte das NIH im Juli 1996 die nordame­rikanischen Ärzte, daß Dosierungen von mehr als zweimal 500 mg täglich mit einer höheren Letalität verbunden war, als mit den niedrigeren Dosierungen. Eine Er­klärungsmöglichkeit für dieses paradoxe Phänomen könnte eine mögliche Inter­aktion mit dem gleichzeitig verabreichten Zidovudin darstellen. In der vorliegenden Studie vom NIH wurde diesem Phänomen nachgegangen. Die Autoren bestimmten getrennt die Pharmakakinetik von Clarithromycin und Zidovudin nach alleiniger sowie nach gemeinsamer Gabe. Die Dosierungen betrugen dabei für Clarithromycin zweimal täglich 500 mg, zweimal täglich 1.000 mg und zweimal täglich 2.000 mg. Zidovudin (RETROVIR) wurde in einer Dosierung von 100 mg alle vier Stunden verabreicht. Die Kinetiken der beiden Substanzen wurden nach Errei­chung eines Steady-States untersucht und nach gemeinsamer Gabe über insgesamt sieben Tage. Die Ergebnisse deuteten dar­auf hin, daß bei gleichzeitiger Einnahme von Clarithromycin und Zidovudin die Maximalkonzentration des Zidovudins signifikant um 41 % gesenkt wurde und gleichfalls auch die Fläche unter der Konzentrationszeitkurve (AUC) über den Zeitraum 0-4 Stunden signifikant für Zidovudin vermindert wurde. Zusätzlich kam es zu einer Verlängerung des Zeitraumes bis zum Erreichen der Maximalkonzen­tration des Zidovudins um 84% bei kom­binierter Einnahme. Diese beobachteten Interaktionen waren dosisabhängig und deutlich stärker ausgeprägt bei der höch­sten Dosierung von Clarithromycin. In vitro vorgenommene Mischungsstudien zwischen beiden Substanzen konnten keine Chelatbildung nachweisen. Der

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Fragen zu wichtigen Infektionen (23) Die zehn häufigsten Fragen über den Schnupfen (Teil II) 6. Ist zur Beseitigung der verstopften Nase eine lokale Therapie besser al s eine systemische?

Der Nachteil der lokalen Therapie der verstopften Nase besteht darin, daß die Nasen­tropfen zwar wirkungsvoll die Nasenpassage wieder eröffnen, jedoch den Rachen irritie­ren und somit die Rachenschmerzen verstärken können. Darüber hinaus kommt es nach Abnahme der Wirkung abschwellender Substanzen häufig zu einem Rebound­Phänomen mit verstärkter Verstopfung der Nase. Hieraus entwickelt sich manchmal eine Abhängigkeit von den abschwellenden topisch angewendeten Substanzen. Dem gegenüber haben oral zugeführte abschwellende Mittel zwar den Nachteil eines langsa­meren Wirkungseintritts, jedoch den Vorteil der Vermeidung eines Rebound-Effekts. Zu beachten sind jedoch die Nebenwirkungen oraler, die Nasenschleimhaut abschwellen­der Medikamente, die zu Schlaflosigkeit und Kopfschmerzen führen können. Bei Hypertonikern müssen unter Umständen Blutdruckkontrollen erfolgen.

7. Helfen Antihistaminika beim Schnupfen?

Antihistaminika mit anticholinergen Eigenschaften reduzieren beim Schnupfen das Nie­sen und Nasenlaufen deutlich. Sie bringen jedoch für die übrige Schnupfensymptomatik wie die verstopfte Nase und die Rachenschmerzen sowie den Husten keine Besserung.

8. Ist es gefahrlich, den Husten während einer Schnupfenerkrankung zu unterdrüken?

Bei gesunden Patienten bestehen keine Einwände gegen eine milde antitussive Thera­pie, um insbesondere die Nachtruhe zu gewährleisten. Vorsicht ist jedoch bei Patienten mit chronisch obstuktiver Atemwegserkrankung sowie einer chronischen bronchialen Hypersekretion geboten.

9. Wie gut sind "natürliche" Arzneimittel für die Behandlung des Schnupfens?

Nach dem jetzigen Stand des Wissens gibt es keine neue wirksame therapeutische Strategie zur Bekämpfung einer Schnupfenvirus-Infektion. Insofern ist es sinnlos, Geld für Medikamente auszugeben, deren Wirksamkeit im einzelnen in keiner Weise belegt ist.

10. Hilft Vitamin C ?

Obwohl es einige kontrollierte Studien zur Anwendung von Vitamin C beim Schnup­fen gibt, lassen die Daten jedoch keine eindeutige Interpretation zu. In der Summe besteht allenfalls eine marginale Wirksamkeit.

GWALTNEY,J. M. Infect. Dis. C lin . Pract. 1996; 5:371-72

Mechanismus der hier beobachteten Inter­aktion ist bisher nicht geklärt.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Clarithromycin (KLACID) in sehr hohen Dosierungen von 2 g bzw. 4 g täglich fuhrt zu einer signifikanten Verminderung der Bioverfiigbarkeit von gleichzeitig verab­reichtem Zidovudin (RETROVIR), ohne daß sich an der Clarithromycin-Pharma­kokinetik etwas ändert. Bei den üblichen Dosierungen von Clarithromycin mit zweimal 500 mg oral täglich ist die be­obachtete Interaktion klinisch kaum rele­vant. Die Autoren empfehlen allerdings, um jede Interaktion zu vermeiden, die zeitlich um mindestens zwei Stunden getrennte Einnahme von Clarithromycin und Zidovudin bei kombinierter Therapie.

POLIS, M.A. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 1997; 41: 1709-1714

Sparfloxacin: Interaktion mit Cisaprid und Sucralfat?

Bei modernen Chinolonen sind seit eini­gen Jahren mögliche Interaktionen mit Magentherapeutika insbesondere mit Antazida bekannt. Es wurde deshalb in einer offenen randomisierten Studie unter­sucht, ob das Fluorchinolon Sparfloxacin (ZAGAM) Interaktionen mit dem prokinetisch wirksamen Pharmakon Cisaprid (PROPULSIN) bzw. mit Sucralfat (ULCOGANT), einem Antiulkuspharma­kon mit vorwiegend lokaler Wirksamkeit, aufWeist. In einer Studie bei 15 männlichen Probanden wurde sowohl nach Einzelgabe von 400 mg Sparfloxacin wie auch in kom­binierter Gabe mit dreimal 10 mg Cisaprid täglich sowie viermal 1 g Sucralfat die Pharmakakinetik des Sparfloxacins be­stimmt. Nach der alleinigen Gabe von 400 mg Sparfloxacin ergab sich ein mittle­rer Maximalserumspiegel von 1,27 ± 0,39 mg/1 nach einer mittleren Zeitdauer von etwa vier Stunden. Die Halbwertzeit konnte mit 20 ± 4 Stunden berechnet werden, die

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Urinausscheidung der aktiven Mutter­substanz betrug 11 ± 2,7 %. Bei der kombi­nierten Gabe mit Cisaprid kam es zwar zu einer signifikanten Beschleunigung der Sparfloxacin-Resorption mit einem ver­minderten Zeitintervall bis zum Erreichen der Maximalkonzentration von etwa zwei Stunden und zu einem singnifikanten Anstieg der Maximalkonzentration auf 1,74 ± 0,73 mg/ 1; die Bioverfugbarkeit (als Fläche unter der Konzentrationszeitkurve) wurde jedoch nicht signifikant verändert.

Bei gemeinsamer Gabe des Sparfloxacins mit Sucralfat wurde eine deutliche Vermin­derung der Maximalkonzentration des Sparfloxacins auf 0,77 ± 0,31 mg/1 gesehen mit deutlicher signifikanter Verminderung der Urinausscheidung auf 5,8 ± 1,8% über 24 Stunden.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Wie schon bei anderen Fluorchinaionen bekannt, kommt es unter der gemeinsa­men Gabe von Sparfloxacin (ZAGAM) mit Sucralfat (ULCOGANT) in Folge einer Chelat-Bildung zu einem Abfall der Bioverfugbarkeit des Chinolons um 44 %. Dieses sollte bei gemeinsamer Gabe berücksichtigt werden. Im Gegen­satz hierzu ist bei der gemeinsamen Medikation von Sparfloxacin und Cisaprid (PROPULSIN) mit einer Beschleunigung der Resorption und einem höheren Serumspitzenspiegel zu rechnen; jedoch liegt die Bioverfugbarkeit in der gleichen Größenordnung wie nach alleiniger Gabe von Sparfloxacin.

ZIX,J.A. et al. Antimicrob. Agents Chemother. 1997; 41: 1668·1672

Korrespondenz "Beim Lesen Ihrer September/Oktober 1997 Nummer (5 / 97) fiel mir auf, daß Sie bei ,,Antibiotika zur Behandlung bakterieller Infektionen der Knochen und Gelenke" (S. 34) Fusidinsäure nicht erwähnen. Ist der Hintergrund der, daß Sie die Substanz fur ungeeignet halten? Oder liegt es lediglich daran, daß die Substanz in Vergessenheit geraten ist? Ich selbst habe auch keine ausgiebige Erfahrung mit diesem Antibioti­kum. Bei eigenen Untersuchungen fanden wir jedoch, daß es neben Chloramphenicol eines der wenigen Antibiotika ist, die auf multiresistente Enterokokken (Enterococcus faecium, Vancomycin-resistent) wirken. Lohnt es sich, dieses Antibiotikum aus seiner Vergessenheit wieder herauszuholen?"

gez. Prof. D. HÖFFLER Direktor der Med. Klinik III , Städt. Klinikum Darmstadt

Antwort auf den Leserbrief von Pro f. Höffler, Darmstadt, zu unserem Artikel "In fektionen der Knochen und Gelenke" in der Ausgabe 5/ 97:

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In dem angesprochenen Artikel haben wir uns im wesentlichen auf die zitierte Arbeit von Mader et al. bezogen, die in der Zeit­schrift "Drugs" (1997; 54:253-264) publi­ziert wurde. Die Autoren dieser Arbeit erwähnen Fusidinsäure (FUCIDINE) leider nicht als eine mögliche Alternative. Dieses Antibiotikum wurde von einem Hersteller in Dänemark entwickelt und steht seit 1962 als Therapeutikum zur Verfugung. Fusidin­säure ist jedoch in den USA nicht im Handel und das Medikament wurde deshalb wohl von den Verfassern des Artikels, die in Texas als Infektiologen tätig sind, nicht erwähnt. Selbstverständlich sollte dieses Antibiotikum als eine mögliche Alternative bei Infektionen der Knochen und Gelenke in Erwägung gezogen werden. Die anti­bakteriellen und pharmakakinetischen Eigenschaften der Substanz machen Fusidinsäure zu einem wichtigen Reserve­Präparat bei Staphylokokken-Infektionen.

Die besondere Infektion Wundinfektion nach Schwanenbiß: Pseudomonas berücksichtigen! Wundinfektionen nach Bißverletzungen durch Tiere oder Menschen sind nicht selten mit erheblichen Komplikationen assoziiert. Eine prophylaktische Verabrei­chung von Antibiotika kann daher erwogen werden. In den meisten Fällen wird die

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Entgeld bezahlt

Gabe von Coamoxiclav (AUGMENTAN u. a.) empfohlen, doch scheint dieses Kombinationspräparat aus Amoxicillin und Clavulansäure nicht immer das am be­sten geeignete zu sein . Britische Kollegen berichteten über den ungewöhnlichen Fall einer 32 Jahre alten Frau die beim Füttern von einem Schwan gebissen wurde. Die Wunde infizierte sich, und als die Frau sich einige Tage später in der Notfall-Ambulanz vorstellte, war der Finger geschwollen und blau verfärbt. Es wurde zunächst versucht, die Infektion mit einem oral wirksamen Cephalosporin zu behandeln, doch stellte sich keine Besserung ein. Das Ergebnis der mikrobiologischen Diagnostik zeigte, daß Pseudomonas aeruginosa der Verursacher der Infektion war. Der Erreger war ebenso resistent gegen das verwendete Cephalosporin wie gegen Coamoxiclav und einige andere Antibiotika. Die anti­biotische Behandlung wurde daraufhin auf ein Fluorchinolon umgestellt und unter der zweimal täglichen Einnahme von 750 mg Ciprofloxacin (CIPROBAY) trat rasch eine Besserung ein.

FOLGERUNG DER AUTOREN: Bei Wundinfektionen nach Bissen von Tieren, die im Wasser leben, muß auch mit Pseudomonas aeruginosa als Erreger gerechnet werden. Eine Prophylaxe oder Therapie mit oral verabreichten ß-Laktamantibiotika ist in diesen Fällen nicht adäquat.

EBREY, R.]. & HAYEK, L.]. Lancet 1997; 350: 340